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Im Angaland rauchte ein feierliches Opfer zum Himmel. Der König Lomapada hatte es zünden lassen, um Indra, den Herrn der Gewitter, zu ehren.
Alles Volk von Tschampa, der Residenz Lomapadas, war auf der Opferstätte versammelt.
Der König saß unter der Schar seiner Gäste aus nahen und fernen Ländern, und die Brahmanen, unter der Leitung ihres würdigen Oberpriesters, eilten von Feuer zu Feuer, speisten sie mit köstlichen Hölzern und schürten die Flammen, daß die Rauchsäulen rechtshin zum Himmel aufstiegen.
Der König hatte dem Opferleiter tausend schneeweiße Kühe zum Lohne versprochen, und während der Ehrwürdige eben den Weihegesang an den mächtigen Indra richtete, trieben hundert junge Hirten die glänzende Gabe Lomapadas an den Altären vorüber, nach dem Hause des Oberpriesters.
Dieser sang die uralten Strophen aus der Heiligen Schrift, und voll Freude schweifte sein Auge über die weißglänzenden Rücken der herrlichen Tiere. Langsam zogen die Herden vorüber, und schier endlos, wie ihr Zug, reihte sich Strophe an Strophe in der Opferhymne.
Da stockte der Vorsänger plötzlich: der linke Hinterfuß der letzten Kuh war schwarz bis über das Knie. – Hatte der König ihm nicht tausend schneeweiße Tiere versprochen?
Rasch wollte der Hotar seine Gedanken wieder der heiligen Handlung zulenken, doch des Vorsängers Schweigen hatte den ruhigen Fortgang des Opfers gehemmt: Auch die anderen Priester hatten im Beten innegehalten, als die Stimme ihres Obersten plötzlich verstummt war; die Hände, die im Rhythmus der Rede eifrig geschafft hatten, waren zur Ruhe gekommen, die Feuer qualmten, ohne zu brennen, die Opferspenden verkohlten, ohne zu duften.
Finster ward's über der Opferstätte, und in der Ferne grollte der Donner.
Bestürzt drängte das Volk sich um die Altäre und um das Zelt Lomapadas.
Dort standen sich König und Oberpriester gegenüber.
Und warf jener dem Brahmanen vor, daß er durch sein Versehen das Opfer gehemmt und Unheil über das Land heraufbeschworen habe, so tadelte dieser den Opferherrn, daß er sein Wort nicht gehalten und eine scheckige Kuh in die schneeweiße Herde gemischt habe.
Erregt verließen endlich beide die Opferstätte.
Indra aber zürnte dem ganzen Lande wegen des gestörten Festes: Unbarmherzig ließ er die Sonne über dem strafwürdigen Reiche glühen, und seine Winde und Wetter hielt er fern von den Feldern und Fluren der Angern.
Ringsum verdorrte alles Grün, alle die tausend kleinen Wasser versiegten, und müde zog statt des stolzen Stromes ein dünnes Flüßchen durch das Land, das hungernde Volk nur vor dem Schrecklichsten, dem Verdursten, bewahrend.
Vergebens waren neue Opfer und brünstige Gebete; der zürnende Gott hielt Regen und Segen fern von der Stätte des Opferfrevels.
Da rief der König die ganze Priesterschaft des Reiches zu Rate, und alle erwogen, wie sie den Donnerer versöhnen könnten.
Ein uralter Weiser erhob sich in der Versammlung und sprach:
»Einer könnte uns wohl helfen in unserer Not: es ist der fromme Jüngling Rischjaschringa!
Am Oberlauf unseres, jetzt ach so müden, Kansikistromes lebt der Heilige Wibhandaka friedlich in seiner Klause und spielt mit den scheuen und wilden Tieren des Waldes, wie wir mit Hündlein und Katze. Vor zwei Jahrzehnten brachte eine schönäugige Gazelle in seiner Einsiedelei ein munteres Menschenknäblein zur Welt. Wibhandaka nahm das Neugeborene in seine Arme, nannte es nach einem winzigen Gazellenhörnchen auf seiner Stirne Rischjaschringa und versprach der scheuen Mutter, es als seinen Sohn zum frommen Brahmanen zu erziehen.
Da verwandelte sich die Gazelle vor den Augen des Gütigen in ein herrliches Göttermädchen, neigte sich dankend vor ihm und sprach: ›Der Fluch eines Frommen, den ich in seiner Andacht störte, hat mich in eine Gazelle verwandelt. Wenn ich einen Brahmanen zur Welt brächte, so sollte der Bann gelöst sein. Dank dir, ehrwürdiger Heiliger! Du hast die Macht des Fluches gebrochen! Brahmas Segen sei mit dir!‹ Dann umwandelte die Schöne den Einsiedler rechtshin und enteilte glückstrahlend zu Indras Himmel.
Wibhandaka aber nahm sich des kleinen Rischjaschringa an und erzog ihn fern von aller Welt zum frommen Brahmatscharin, zum trefflichsten Schüler der Weda. Bis heute hat der edle Jüngling noch keinen anderen Menschen als seinen ehrwürdigen Vater gesehen. Wenn dieser reine Jüngling ins Land käme, so würde Indra seine Wolken senden und ihren Segen über Feldern und Wäldern ausgießen!«
Als der Greis schwieg, hielten alle Priester der Versammlung seine Worte für weise und glückverheißend. Sie bedachten, wie sie den Jüngling ins Land bringen könnten, denn der Heilige Wibhandaka würde seinen zum Einsiedler erzogenen Sohn sicherlich nicht freiwillig ziehen lassen. Endlich beschloß der fromme Rat, den Jüngling durch die schönsten Mädchen des Landes aus dem Walde und über die Grenze zu locken.
Aber alle die munteren Schönen des Angalandes fürchteten den zornigen Fluch des Heiligen Wibhandaka. Keine ließ sich bereit finden, das Wagnis auf Gefahr ihres Lebens und ihrer Seligkeit zu bestehen.
Schon fürchtete; der König, den segenverheißenden Plan des greisen Brahmanen aufgeben zu müssen, als sein Töchterlein Santa aus dem Kreise der scheuen Anmut trat und errötend stammelte, daß sie wohl versuchen wollte, den Jüngling, von dessen Schönheit und Tugend sie so viel gehört habe, nach Tschampa zu führen.
Gerührt schloß Lomapada sein holdes Kind in die Arme und ließ alle Vorbereitungen zur Reise treffen. Da ward ein breites Floß gezimmert und mit Erde bedeckt. Grünes Gesträuch und Bäumchen mit den süßen Früchten des Südens wurden darauf gesetzt, bunte, betäubend duftende Blumen gepflanzt und üppiger Rasen gelegt. Ganz vorne wurde eine Einsiedlerklause gezimmert, und diese ward herrlicher eingerichtet als das schönste Zimmer im Palaste des Königs. Wege, mit glitzerndem Kies bestreut, führten kreuz und quer durch den schwimmenden Garten und endigten an freundlichen Ruheplätzchen. Köstliche Speisen und berauschende Getränke wurden noch verladen, und dann war alles zur Abfahrt bereit.
Santa bestieg mit ihrem Vater das Schiff, vierzig Ruderer verbargen sich unter den Sträuchern des Fahrzeuges, und stromaufwärts ging die Fahrt, der Einsiedelei Wibhandakas entgegen.
Als sie am Morgen des siebenten Tages in die Nähe der Klause kamen, wurde das Floß ans Ufer getrieben und mit starken Tauen an Bäumen befestigt.
Santa kam aus der Hütte am Bug. Sie war in eine Bastkutte gekleidet wie ein Brahmanenschüler und trug das üppige Haar in dicken Flechten um den Scheitel geschlungen.
Voll Schelmerei und doch mit klopfendem Herzen umarmte sie den Vater, hörte noch einmal seine Lehren über Weg und Steg zur Klause Wibhandakas und eilte dann raschen Fußes über das Brücklein zum Ufer, im Arm ein Körbchen mit süßen Früchten und ein Krüglein feurigen Weines tragend.
Munter schritt sie dahin und erkannte bald an dem Frieden des Waldes und der Zutraulichkeit seiner Bewohner, daß sie sich der heiligen Stätte näherte.
Schon sah sie das Rindendach der einfachen Hütte durchs Geäst schimmern, als sie plötzlich vor Rischjaschringa stand, der im Walde Holz für das heilige Feuer sammelte.
Erstaunt sahen die beiden einander an, und ihre Herzen pochten heftig, so schön fand eines das andere.
Santa faßte sich zuerst und sprach die vorgeschriebene Begrüßungsformel:
»Gedeiht dein Bußwerk, frommer Jüngling? hast du reichlich Nahrung und Trunk in deiner Einsamkeit? – Ich kam, dich voll Ehrerbietung zu grüßen!«
Rischjaschringa sah das holde Menschenkind im Schülerkleid und stotterte verlegen:
»Oh, sei mein Gast! – Ich neige mich und biete Trunk und Früchte dir und alle – alle Blumen des Waldes!«
»Dank dir ehrwürdiger Frommer!« erwiderte Santa, »doch in unserem Hain am Wasser wachsen süßere Früchte als hier, und labender ist der Trunk aus unserer Quelle der Freude als aus den Wassern des Waldes! – Sieh nur! Ich habe dir solche Himmelsgaben gebracht!«
Und Rischjaschringa aß von den Früchten des Südens und nippte am feurigen Weine.
»Wie schön, wie herrlich, ist alles bei euch!« flüsterte er heiß. »Und du! – wie bist du hold! – wie zart von Gliedern – wie rosig von Haut. Dein Haar gleicht einer Königskrone, und dein Auge glänzt wie des Mondes Licht! – Oh, du bist ein höheres Wesen, und ich will mich betend vor dir neigen!«
»Nein, nein!« lispelte Santa verlegen. »Du bist der Frömmere, du der Bessere! – Schweige mir von Verehrung!« Und sie legte ihr weiches Händchen auf die zitternd geballte Faust des Einsiedlers.
»Oh, du Guter, du Schöner!« stammelte Rischjaschringa und sank, Santa umfassend, vor ihr nieder. »Du bist ein Gast aus Indras lichten Himmel, und immer werde ich vor dir im Staube liegen!«
»Nein, nein! Du bist mein Herr, und ich grüße dich, wie es bei uns Sitte ist!« sprach Santa zaghaft. Dann neigte sie sich über den Knienden und küßte ihn erschauernd in einem langen Kusse.
Errötend fuhr sie empor und floh eilenden Laufes durch den Wald, bis sie den schwimmenden Hain erreicht hatte.
Rischjaschringa aber sank zu Boden und sah still sinnend in die Wipfel, bis am Abend Wibhandaka des Weges kam und den träumenden Sohn nach seines veränderten Wesens Ursache fragte.
»O Vater!« sprach Rischjaschringa, »ein Schüler kam heute morgen hier vorbei, ein Schüler – so wie ich – und doch so tausend anders! – Das Schülerkleid aus Bast umhüllte seinen Leib – zart wie ein Lotusstengel und doch lebendig – kraftvoll – rund – geschmeidig – kühn wie der der Pantherkatze! – Des Jünglings Haar war lang und dicht und hing wie das der Wolkengenien in Flechten schwer ums Haupt, blauschwarz erglänzend und duftend wie ein Wald von Blüten. Seine Haut War weiß und weich! schwarz funkelten die Augen, rot leuchteten die Lippen, und perlenhell glänzten die Zähne. – Oh, es haben seine Lippen lang, und doch so kurz, auf den meinen geruht – dann sank ich hin und wußte um nichts mehr als um Seligkeit!«
»Mein Sohn! mein Sohn!« sprach Wibhandaka ängstlich, »hüte dich vor den Schemen der Einsamkeit! Spuk geht durch die Stille, und wo er nicht als Ungeheuer droht, da verlockt er in lieblichen Bildern zur Torheit. Doch Unheil bringt das dem Frommen und Elend und Herzensnot. Hüte dich, mein Sohn und komm nun zur Ruhe in die Klause! – Fürchte den Zauber des einsamen Waldes: je lockender er sich zeigt, desto verderblicher wird er dem Frommen!«
Und dem versonnenen Sohn noch manche Lehre erteilend, führte Wibhandaka ihn in die Hütte.
Die beiden Frommen suchten ihr Lager auf.
Unruhig, voll Sorge, wälzte der Vater sich umher, der Sohn aber träumte von seinem Sehnen und einer neuen Begegnung mit dem schönen Brahmatscharin.
Am nächsten Morgen eilte Wibhandaka in den tiefsten Wald, um den Dämon zu suchen, der den frommen Sinn seines Sohnes verstört hatte.
Rischjaschringa aber schlich aus der Klause gegen den Strom hin, um seinen neuen Freund wiederzufinden.
Er hatte noch nicht lange durch die Büsche gelugt, als Santa fröhlichen Herzens des Weges kam.
Sie hatte gestern den erstaunten Fragen des Vaters ihr Ohr verschlossen und war rasch in die Hütte am Bug geschlüpft, um bis zum Morgen von dem schönen und reinen Geliebten zu träumen.
Nun rief sie ihn mit lockender Stimme, und Rischjaschringa sprang hinter dem deckenden Buschwerk hervor, den muntern Gefährten zu umarmen.
»Oh, komm rasch nach deinem heiligen Hain, denn Vater Wibhandaka schilt, wenn er mich in deiner Gesellschaft findet – und ich kann doch nicht von dir lassen!« flüsterte er Santa unter zärtlichem Kosen ins Ohr.
Santa nahm des Geliebten Hand und lief mit ihm nach dem Floß.
Kaum hatten die beiden das Fahrzeug betreten, so lösten die Ruderknechte die Taue vom Ufer und trieben es schnellen Schlages stromabwärts nach Tschampa.
Lomapada trat unter dem Strauchwerk hervor und grüßte den jungen Heiligen mit ehrerbietiger Gebärde. Sodann führte er ihn nach der Hütte am Bug und trieb die Knechte zu schnellster Fahrt.
Kaum war das Floß mit dem reinen Jüngling über die Landesgrenze von Anga geglitten, so türmten sich rundum regenschwere Wolken am Himmel empor, Indras Blitz zuckte helleuchtend durch die zitternde Luft, und die Fluten prasselten erlösend auf das dürstende Land hernieder.
Jubelnd eilte von allen Seiten das Volk an die Ufer der Kausiki und begleitete das Fahrzeug mit dem segenspendenden Heiligen bis nach Tschampa.
Dort verließ der König mit Rischjaschringa und der lieblichen Santa das Floß und gab vor allem Volke die holde Tochter dem Erlöser des Landes zur Gattin.
Die Priester des Reiches aber erwählten den frommen Sohn Wibhandakas zu ihrem Oberpriester.
Indessen war der alte Einsiedler von seiner Gespensterstreife nach der Klause zurückgekehrt.
Als er den Sohn vermißte und dieser auch seinem eifrigsten Rufen nicht folgte, da ahnte der Sündenreine, was geschehen war, und machte sich zornig auf den Weg nach Tschampa.
Voll finsterer Rachegedanken schritt er am Ufer der Kausiki durch die Wildnis dahin.
Als er aber an die Grenze von Anga kam, sah er wogende Felder, saftgrüne Wiesen, strotzende Herden und fröhliche Menschen.
Und alle, die den Heiligen kannten, liefen auf ihn zu, begrüßten ihn voll Ehrfurcht und priesen seinen herrlichen Sohn als Retter aus der Not und als Spender all ihres Reichtums und Glückes.
Da lächelte der Heilige voll Milde und schritt weiter seines Weges, im Herzen versöhnende Freude tragend.
Und als er in Tschampa die liebliche Gattin seines Sohnes sah, als er des frommen Königs Huldigung empfing, und des Volkes jubelnde Freude auch sein Herz erfüllte, da sprachen seine zitternden Lippen statt des Fluches einen feierlichen Segen über alles Glück, das sein guter Sohn im Reiche der Angern geschaffen hatte.