Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel

Während in dem großen Peristyl viele Becher geleert und die Zechenden immer lebendiger und lauter wurden, während Kleopatra die sie auskleidenden Dienerinnen und Gespielinnen schalt und ungeschickt und bösartig nannte, weil jede Berührung sie schmerzte und jede Nadel, die man ihr abnahm, ihr wehe tat, gingen der Römer Publius und sein Freund Lysias heftig erregt in ihrem Zelte auf und nieder.

»Sprich leiser,« sagte der Korinther; »denn jeder Greif, der in diese luftigen Wände gewebt ist, scheint mir auf der Lauer zu liegen und uns zu behorchen.

Ich habe mich sicher nicht geirrt.

Als ich, um die Gemmen zu holen, hierher kam, da leuchtete mir ein Lichtschimmer aus der Tür entgegen, aber der Eindringling muß gewarnt worden sein; denn gerade als ich zu der Laterne vor dem Dienerzelte gelangte, erlosch er, und die Fackel, die sonst vor unserem Tore brennt, war gar nicht angezündet worden, aber es fiel doch ein Lichtschimmer auf den Weg, und durch den hin huschte wie durch eine Lache ein glatter schwarzer Molch mit glänzenden Flecken, eine Männergestalt in langem Gewande, behängt mit Goldschmuck, den ich funkeln sah, als ihn der dünne Lichtschein des Lämpchens in der Laterne traf.

Du weißt, daß ich gute Augen habe, und eines davon geb' ich her, wenn ich mich irrte, und die Katze, die sich zu uns einschlich, nicht der Eunuch Euläus gewesen ist.«

»Und warum ließest du ihn nicht festhalten?« fragte Publius unwillig.

»Weil es neben unserem Zelte stockfinster war,« entgegnete Lysias, »und der Dicke so behend ist wie ein fetter Dachs, wenn die Hunde hinter ihm her sind. Eulen, Fledermäuse und alles Getier, das in der Nacht auf Beute ausgeht, ist häßlich, und dieser Euläus, der wie eine Hyäne grinst, wenn er lacht ...«

»Dieser Euläus,« unterbrach Publius den Freund, »wird mich kennen lernen und erfahren, daß man nicht gut tut, mit dem Sohne meines Vaters anzubinden.«

»Aber du hast ihn zuerst nicht eben glimpflich und höflich behandelt,« sagte Lysias, »und das war nicht weise.«

»Weise hin, weise her!« rief der Römer aufbrausend. »Er ist ein Schurke. Das geht mich nichts an, solang er mir fern bleibt; wenn er sich aber, wie das schon seit mehreren Tagen geschieht, fortwährend an mich drängt, um mich zu belauern, und mich so behandelt, als wär' er meinesgleichen, so zeig' ich ihm eben, daß er sich irrt. Über meine Offenheit hat er sich nicht zu beklagen; er weiß, was ich von ihm halte und daß ich ihm auf den Leib zu rücken gewillt bin. Wollt' ich seinen Listen mit Listen begegnen, würde ich den kürzern ziehen; denn im Ränkespinnen ist er mir überlegen. Mit meiner unversteckten Kampfart, die ihm neu ist und ihn verblüfft, komm' ich ihm gegenüber am weitesten, und sie ist ja auch angemessener meiner Art und mir bequemer als jede andere. Er ist schlau, ja mehr als das, er ist scharfsinnig, und so brachte er die Anklage, mit der ich ihm drohte, sogleich mit der Schrift in Zusammenhang, die mir der Klausner Serapion in seiner Gegenwart reichte.

Da liegt sie.

Schau nur!

Weil er aber nicht nur schlau, sondern auch schurkisch ist – zwei Eigenschaften, die sich einander übrigens widersprechen, denn entgegen den Gesetzen kann keiner leben, der in Wahrheit klug ist – hat er den Faden, mit dem sie verschlossen war, heimlich geöffnet. Aber sieh nur, er fand keine Zeit, die Rolle wieder zu schließen! Er wird sie ganz oder teilweise gelesen haben, und ich gönn' ihm die Freude an dem Spiegelbild seiner eigenen Person, das er da drin gefunden. Der Klausner führt eine kräftige Feder und malt mit derben Pinselstrichen und grell leuchtenden Farben. Las er die Schrift dort zu Ende, so erspart mir das die Mühe, ihm zu erklären, was ich gegen ihn vorzubringen gedenke; hast du ihn beizeiten gestört, so hab' ich bei meiner Anklage ausführlicher zu sein. So oder so, mir kann es gleich sein!«

»Nein, gewiß nicht,« rief Lysias, »denn Euläus wird im ersteren Falle Zeit haben, Lügen zu erdenken und für seine Verteidigung Zeugen zu erkaufen. Solche wichtige Schriften würde ich, wenn mir überhaupt jemand welche anvertraute und wenn ich es nicht wie du zu tun vergäße, sorgfältig einschließen oder versiegeln. Wo hast du denn das Schreiben des Senats, das dir der Bote vorhin überbrachte?«

»Das liegt längst verschlossen in diesem Kasten,« entgegnete Publius und bewegte die Hand, als wollt' er sie fest auf die Kleider drücken, unter die er es behutsam verborgen.

»Darf man nicht wissen, was es enthält?« fragte der Korinther.

»Nein! es ist auch jetzt keine Zeit für dergleichen, denn zunächst gilt es zu bedenken, wie das letzte Unheil, das du anrichtetest, wieder gut gemacht werden kann. Ist es nicht schmählich von dir, daß du das anmutige Geschöpf, dessen kindliche Befangenheit uns heute morgen erfreute und von dem du selbst bei unserer Heimkehr sagtest, daß es dich an deine liebliche Schwester erinnere, an den wildesten aller Wüstlinge, der mir jemals begegnete, an dieses Ungetüm, dessen Lust das Unerhörte, dessen Ruhm das Laster ist, ausliefern willst? Was hat Euergetes –«

»Bei unserem Herrn Poseidon,« rief Lysias, indem er den Freund eifrig unterbrach, »ich dachte gar nicht an diesen doppelten Alcibiades, als ich auf sie hinwies. Was tut der Leiter eines Schauspiels nicht alles, um sich den Beifall der Zuschauer zu sichern! Und – daß ich ehrlich bin! – für mich selbst wollte ich Irene in den Palast schaffen; denn ich glühe für sie; sie tat es mir an.«

»Wie Kalliste und Phryne und die Flötenspielerin Stephanion,« unterbrach ihn der Römer, die Achsel zuckend.

»Wie denn anders?« fragte der Korinther und schaute den Freund mit Erstaunen an. »Eros hat viele Pfeile im Köcher; einer trifft tiefer, der andere weniger tief, und ich glaube, daß mich die Wunde, die ich heute empfing, wochenlang schmerzen würde, wenn ich dieses Kind, das noch reizender ist als die vielbewunderte Hebe an unserem Brunnen, aufgeben müßte.«

»An diesen Gedanken rate ich dir aber, dich möglichst bald zu gewöhnen,« versetzte Publius ernst und stellte sich dem Korinther mit gekreuzten Armen gegenüber. »Was tätest du wohl mit mir, wenn es mir beikommen wollte, dein anmutiges Schwesterchen, dem ja – ich wiederhol' es – Irene gleichen soll, mit List aus dem Hause deiner Eltern zu locken?«

»Ich verbitte mir solche Vergleiche,« rief der Korinther sehr entschieden und so aufrichtig entrüstet, wie ihn der Römer noch niemals gesehen.

»Du ereiferst dich mit Anrecht,« entgegnete Publius ruhig und ernst. »Deine Schwester ist eine anmutige Jungfrau, die Zier eines stattlichen Hauses, und doch darf ich die arme Irene ...«

»Mit ihr vergleichen, willst du sagen,« brauste Lysias von neuem auf. »Das ist ein schlechter Dank für die Gastlichkeit, die dir bei meinen Eltern zuteil ward, und die du sonst zu rühmen wußtest. Ich bin ein guter Kerl, der sich von dir mehr gefallen läßt als von irgendeinem anderen Menschen – ich weiß selbst nicht warum; – in diesen Dingen aber verstehe ich keinen Spaß! Meine Schwester ist die einzige, viel umworbene Tochter des reichsten und edelsten Hauses von Korinth. Sie ist um nichts schlechter als deiner eigenen Eltern Kind, und ich möchte wohl sehen, was du sagtest, wenn ich mich unterstehen wollte, die stolze Lucretia mit diesem armen Ding zu vergleichen, das Wasser trägt wie eine dienende Magd ...«

»Tu es nur!« unterbrach Publius den Korinther gelassen. »Ich nehme dir auch deinen Zorn nicht übel; denn du weißt nicht, wer die Schwestern im Serapistempel sind. Sie füllen übrigens für keinen Menschen, sondern für einen Gott die Krüge. Da nimm diese Rolle und lies sie durch, während ich das Schreiben aus Rom beantworte. He! Spartacus, zünde noch einige Lampen an!«

Bald darauf saßen die jungen Männer an dem in der Mitte des Zeltes stehenden Tische einander gegenüber. Publius schrieb eifrig und schaute nur auf, wenn sein Freund, der den Bericht des Klausners las, unwillig mit der Hand auf den Tisch schlug oder von dem Sitze aufsprang und bittere Worte der Entrüstung vor sich hinrief.

Beide wurden zu gleicher Zeit fertig, und als der Kornelier seinen Brief gefaltet und gesiegelt, Lysias aber die Rolle auf den Tisch geworfen hatte, fragte der Römer, indem er den Freund fest anblickte, mit gedehnter Stimme:

»Nun?«

»Ja nun!« wiederholte Lysias. »Nun befind' ich mich wieder in der schmählichen Lage, mich für dümmer zu halten als dich, und dir recht geben und abbitten zu müssen, daß ich dich für unverschämt und dergleichen hielt. – Aber wie konnt' ich auch wissen! Nein, eine so verdammte, nichtswürdige Geschichte wie die in dem Ding da hab' ich meiner Tag' nicht gehört, und dergleichen kann auch nur in diesem verruchten Ägypten vorkommen!

Die arme kleine Irene!

Und wie das gute Kind sich nur bei alledem solchen sonnigen Blick bewahren konnte!

Prügeln möchte ich mich wie einen Schulknaben, daß gerade ich Narr der Narren den mächtigsten und zügellosesten Mann in diesem ganzen Lande, daß ich, ich, ich – gerade Euergetes auf dieses Mädchen aufmerksam machen mußte!

Was kann man nur tun, um Irene vor ihm zu retten?

Unerträglich ist mir der Gedanke, sie in seine Klauen geraten zu sehen, und ich will's auch nicht leiden!

Meinst du nicht, daß wir uns der Krugträgerinnen annehmen sollten?«

»Wie sollten nicht nur, sondern wir müssen,« sagte Publius entschieden; »und täten wir es nicht, wären wir Wichte.

Seit mich der Klausner ins Vertrauen gezogen, kommt es mir vor, als sei es meine Schuldigkeit, über diese Mädchen, denen man die Eltern gestohlen, wie ein Vormund zu wachen, und du sollst mir helfen, mein Lysias!

Die ältere der Schwestern ist mir nicht eben freundlich begegnet, aber darum acht' ich sie nicht geringer. Die jüngere scheint weniger ernst und streng gesinnt zu sein als Klea. Ich sah wohl, wie sie dein Lächeln erwiderte, als die Prozession sich auflöste. Später bist du so wenig wie ich sogleich nach Hause gefahren, und ich möchte glauben, daß Irene es war, die dich zurückhielt. Sei offen, ich bitte dich dringend, und sage mir alles; denn wir müssen ganz einig und sehr besonnen handeln, wenn es glücken soll, dem Euergetes das Spiel zu verderben.«

»Viel hab' ich nicht eben zu erzählen,« entgegnete der Korinther. »Nach dem Aufzuge ging ich ins Pastophorium; – natürlich um Irene zu sehen, und ließ mir, um nicht aufzufallen, von den Pilgern erzählen, welche Gesichte ihnen der Gott im Traum gesandt, und was man ihnen im Tempel des Asklepius gegen die eigenen und die Leiden ihrer Vettern und Basen zu tun geraten.

Wohl eine halbe Stunde verging so, bis Irene kam.

Sie trug ein Körbchen, worin der Goldschmuck lag, den sie beim Feste getragen, und den sie nun dem Schatzmeister zurückbringen mußte.

Meine Granatenblüte, die sie heute morgen angenommen hatte, leuchtete mir entgegen, und als sie mich dann bemerkte und über und über errötend die Augen niederschlug, da mußt' ich zum erstenmal denken: Gerade wie die Hebe an unserem Brunnen!

Sie wollte an mir vorbei gehen, ich aber hielt sie an, bat sie, mir den Schmuck in ihrer Hand zu zeigen, sagte ihr mancherlei Dinge, die ein Mädchen gern hört, und fragte sie dann, ob man sie streng bewache, und ob man ihre feinen Händchen und Füßchen, die zu weit besseren Dingen als zum Wassertragen taugten, viel in Bewegung setze.

Sie blieb mir keine Antwort schuldig, aber bei allem, was sie sagte, schlug sie nur selten die Augen auf.

Je länger man sie anschaut, desto liebreicher erscheint sie, und sie ist doch noch ein ganzes Kind, aber freilich eines, dem es nicht mehr zu Hause gefällt, und das von Glanz und Freude und Freiheit träumt, während man es an einer trübseligen, finstern Stätte einschließt und darben läßt. Niemals dürfen die armen Dinger den Tempel verlassen, außer bei Aufzügen oder bevor die Sonne sich zeigt.

Es klang gar zu reizend, als sie sagte, daß sie immer so entsetzlich müde sei und so gern noch etwas schliefe, wenn sie geweckt werde, um gerade, wenn es vor Sonnenaufgang am kühlsten sei, in das kalte Halbdunkel hinaus zu gehen. Dann müsse sie aus einer Zisterne, die sie den Sonnenbrunnen nennen, Wasser schöpfen.«

»Weißt du, wo dieser Brunnen liegt?« fragte Publius.

»Hinter dem Akazienhaine,« antwortete Lysias. »Der Fremdenführer zeigte ihn mir. Er soll besonders heiliges Wasser enthalten, und es darf bei Sonnenaufgang dem Gotte mit keinem andern gespendet werden. Die Mädchen müssen so früh aufstehen, damit es, wenn das junge Licht sich zeigt, am Altar des Serapis nicht an Wasser aus diesem Brunnen fehle. Als Trankopfer wird es von den Priestern auf die Erde gegossen.«

Publius hatte, scharf aufhorchend, kein Wort aus dem Munde des Freundes verloren.

Nun wandte er ihm schnell den Rücken, öffnete das Zelttor, trat ins Freie und schaute, um sich über ihren Stand zu unterrichten, nach den Gestirnen auf, die in unzählbarer Menge still und wundervoll glänzend am blauen Himmel ewige Bahnen beschrieben.

Der Mond war bereits untergegangen und der Morgenstern, dessen Glanz und Größe der Römer, seitdem er in der Pyramidenstadt weilte, allnächtlich bewunderte, längst aufgegangen.

Ein kalter Hauch streifte die Stirn des Jünglings, und während er fröstelnd das Gewand über der Brust zusammenzog, dachte er der bald in die frische Morgenluft hinaustretenden Schwestern. Noch einmal schlug er den Blick von der Erde zum hohen Firmament auf, und dabei war es ihm, als sähe er Kleas stolze Gestalt, umwallt von einem mit Sternen besäten Mantel, vor seinen Augen.

Das Herz ging ihm auf, und es war ihm, als sei der Lufthauch, den seine Brust, die sich höher hob und tiefer senkte, einsog, rein und frisch wie der das Elysium umschwebende Äther und dabei von mächtiger, seinen Atem beengender Kraft. Noch immer meinte er Kleas Bildnis vor sich zu sehen, aber sobald er die Hand nach der wundervollen Erscheinung ausstreckte, zerrann sie; denn Hufschlag und Rädergerassel ließen sich hören und mahnten Publius, der nicht gewohnt war, sich Träumen hinzugeben, wenn es zu handeln galt, an die Ursache, die ihn ins Freie geführt hatte.

Wagen auf Wagen fuhr heran, während er in das Zelt trat.

Hier empfing ihn Lysias, der während seiner Abwesenheit nachdenkend auf und nieder geeilt war, mit der Frage:

»Wie lange hat es noch Zeit bis zum Sonnenaufgang?«

»Kaum zwei Stunden,« entgegnete der Römer, »und sie müssen benützt werden, wenn wir nicht zu spät kommen wollen.«

»Das dacht' ich auch,« rief der Korinther. »Bald sind die Schwestern beim Sonnenbrunnen außerhalb des Tempels, und ich veranlasse Irene, mir zu folgen. Du glaubst nicht, daß ich das fertig bringe? Ich eigentlich auch nicht; aber vielleicht kommt sie doch, wenn ich ihr etwas Schönes zu zeigen verspreche, und sie nicht ahnt, daß es gilt, sie von der Schwester zu trennen, denn sie ist wie ein Kind.«

»Aber Klea,« unterbrach ihn Publius bedenklich, »ist ernst und besonnen, und ihr gegenüber wird der leichte Ton, in dem du gern redest, schlecht angebracht sein. Bedenke das und wage den Versuch; – nein, du darfst sie nicht täuschen! Erzähl ihr, ohne daß Irene es hört, die volle Wahrheit, so ernst, wie diese Sache es fordert, und sie wird die Schwester nicht zurückhalten, wenn sie weiß, wie groß und nah die Gefahr ist, die sie bedroht.«

»Gut,« sagte der Korinther. »Ich werde so feierlich ernst sein, daß der an Stirnrunzeln reichste und graubärtigste Zensor in deiner Vaterstadt wie ein dionysischer Tänzer gegen mich aussehen soll. Ich werde reden wie euer Kato, als er sich bitter beklagte, daß jetzt die Leckermäuler in Rom für ein Fäßchen neuer Heringe mehr bezahlten als für ein Joch Ochsen. Du sollst mit mir zufrieden sein! Aber wohin führ' ich Irene? Vielleicht kann ich einen Wagen des Königs benützen, die da dutzendweise vorfahren, um die Gäste nach Hause zu bringen?«

»Das dacht' ich auch,« entgegnete Publius. »Begleite den Obersten der Diadochen, dessen stattliches Haus uns gestern gezeigt ward. Es liegt auf dem Wege zum Serapeum, und neulich beim Gastmahl hast du dich ja unaufhörlich mit ihm unterhalten. Entledige dich dort mit einem Goldstück des Lenkers, damit er uns nicht verrät, und fahre nicht hierher zurück, sondern zum Hafen. Bei dem kleinen Tempel der Isis werde ich mit unserem Reisewagen und den eigenen Pferden warten, Irene in Empfang nehmen und sie in ihr neues Asyl führen, während du das Fuhrwerk des Euergetes zu seinem Lenker zurückführst.«

»Das will mir doch nicht gefallen,« versetzte Lysias bedenklich. »Meine Granatenblüte hätt' ich dir vielleicht gestern für Irene überlassen, aber sie selbst ...«

»Ich will nichts von ihr,« rief der Römer unwillig. »Aber du solltest, mein' ich, dich beflissener zeigen, mir zu helfen, da ich sie vor dem Unglück bewahren will, das sie durch dein Verschulden bedroht.

Hierher können wir sie unmöglich führen, aber ich glaube, daß ich einen sicheren Versteck für sie weiß.

Erinnerst du dich des Bildhauers Apollodor, an den mein Vater uns empfohlen hatte, und seines freundlichen Weibes, das uns den herrlichen Wein von Chios vorsetzte? Der Mann ist mir verpflichtet; denn mein Vater hat ihm und seinen Gehilfen die Ausführung des Mosaikbodens in der neuen Bogenhalle, die er auf dem Kapitol erbauen ließ, übertragen, und später rettete ihn wieder mein Vater, als die neidischen Kunstgenossen ihm nach dem Leben trachteten. Du hörtest ja mit an, wie er mir sich selbst und alles, was sein eigen, zur Verfügung stellte.«

»Gewiß, gewiß,« fiel Lysias ein. »Aber sage, ist es dir nicht auch als höchst befremdlich aufgefallen, daß gerade die Künstler, das heißt diejenigen, die ihr Leben hingebender als andere Menschen idealen Bestrebungen weihen, sich besonders willig den niedrigsten Regungen, wie Neid, Mißgunst und ...« »Aber, Mensch!« rief Publius, den Korinther unwillig unterbrechend, »kannst du denn keine zehn Augenblicke bei derselben Sache bleiben und gar keinen Einfall für dich behalten? Wir hätten jetzt, dächt' ich, über wichtigere Dinge zu reden, als die Mißgunst, mit der die Künstler und meinetwegen auch die Gelehrten einander verfolgen. Der Bildhauer Apollodor, der mir verpflichtet ist, wohnt also seit sechs Monaten hier mit seinem Weib und den Töchtern, denn er hat für Philometor die Philosophenbüsten und Tierbilder ausgeführt, die den Platz vor den Apisgräbern schmücken. Seine Söhne stehen seiner großen Werkstatt in Alexandria vor, und wenn er, was oft geschieht, in dem eigenen Nilbot dorthin fährt, kann er Irene mitnehmen und sie auf ein Schiff setzen.

Wohin wir sie schaffen lassen, um sie vor Euergetes zu retten, das wollen wir später mit Apollodor überlegen.«

»Gut, sehr gut,« sagte der Korinther beistimmend. »Ich bin, beim Herakles, nicht mißtrauisch, aber daß du Irene selbst zu Apollodor bringen willst, das gefällt mir doch nicht; denn wenn man dich mit ihr sieht, kann unser ganzes Unternehmen scheitern. Schick doch das Weib des Bildhauers, das in Memphis wenig bekannt ist, zum Isistempel, und zwar mit einem Schleier und Mantel, um das Mädchen zu verhüllen. Grüß auch die muntere Milesierin von mir und sage ihr – nein, sage ihr nichts – ich sehe sie ja nachher selbst beim Tempel der Isis.«

Die letzten Worte hatten die Jünglinge miteinander getauscht, während ihnen ihre Sklaven die Mäntel umlegten.

Jetzt traten sie gemeinsam vor das Zelt, wünschten einander gutes Glück und schritten rasch vorwärts, der Römer, um die eigenen Rosse anschirren zu lassen, Lysias, um mit dem Obersten der Diadochen einen Wagen des Königs zu besteigen und Irene aufzusuchen.


 << zurück weiter >>