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Kaum bekleidete Bonaparte die erste Ehrenstelle eines von innern und äußern Kriegen noch blutenden und durch die eigenen Siege ganz erschöpften Staates, so war seine erste Sorge der Versuch, auf fester Grundlage den Frieden abzuschließen. Daher schrieb er am 5. Nivose des Jahres VIII der Republik mit Umgehung aller diplomatischen Formen, worin die Regenten ihre Gedanken hüllen, direkt und eigenhändig an den König Georg III. und schlug ihm ein Bündnis zwischen Frankreich und England vor. Der König blieb stumm. Pitt nahm die Antwort auf sich, d. h. die Verbindung wurde zurückgewiesen.
Bonaparte wandte sich, von Georg III. zurückgewiesen, an Paul I. Da er den ritterlichen Charakter dieses Fürsten kannte, glaubte er, ihm gegenüber ebenfalls ritterlich handeln zu müssen. Er ließ die in Holland und der Schweiz gefangengenommenen russischen Truppen im inneren Frankreich zusammenkommen, ließ sie neu kleiden und schickte sie ohne Lösegeld oder Auswechslung in ihr Vaterland zurück. Bonaparte hatte sich nicht getäuscht, als er darauf rechnete, durch ein solches Vorgehen Paul I. zu entwaffnen. Als dieser von dem verbindlichen Verfahren des Ersten Konsuls erfuhr, zog er seine noch in Deutschland stehenden Truppen zurück und sagte sich von der Koalition los.
Frankreich und Preußen standen in gutem Einvernehmen, und König Friedrich Wilhelm hatte die Bedingungen des Vertrags von 1795 aufs pünktlichste erfüllt. Bonaparte sandte Duroc an ihn, um ihn zu bestimmen, seinen militärischen Kordon bis an den Niederrhein auszudehnen, um keine so lange Linie verteidigen zu müssen. Der König von Preußen willigte ein und versprach, seinen Einfluß bei Sachsen, Dänemark und Schweden zu verwenden, um diese neutral zu halten.
So bleiben also noch England, Österreich und Bayern übrig. Aber diese drei Mächte waren nichts weniger als bereit, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen. Bonaparte hatte daher Zeit, ohne sie aus dem Auge zu verlieren, seine Blicke nach innen zu richten.
Die neue Regierung hatte ihren Sitz in den Tuilerien. Bonaparte bewohnte den königlichen Palast, und allmählich wurden die alten Hofsitten in diesen Zimmern, aus denen sie die Mitglieder des Konvents vertrieben hatten, wieder lebendig; übrigens war, muß man sagen, das erste Vorrecht der Krone, das Bonaparte sich anmaßte, das der Begnadigung. Herr Defeu, ein französischer Emigrant, war in Tirol gefangengenommen, nach Grenoble geführt und zum Tode verurteilt worden. Als Bonaparte dies erfährt, läßt er seinen Sekretär auf ein Schnitzel Papier schreiben: »Der Erste Konsul befiehlt, die Verurteilung des Herrn Defeu aufzuheben,« unterzeichnet diesen lakonischen Befehl, übergibt ihn dem General Férino, und Herr Defeu ist gerettet.
Sodann fängt eine Leidenschaft an bemerklich zu werden, die bei Bonaparte nach der für den Krieg den ersten Platz einnimmt, die Leidenschaft für Bauten und Denkmäler. Zunächst begnügt er sich damit, die Mauerbuden, die den Hof der Tuilerien verfinstern, wegfegen zu lassen. Als er bald darauf beim Blick aus dem Fenster voll Ärger sieht, daß der Quai d'Orsay von der Vorstadt Saint-Germain durch die Seine abgeschnitten wird, die jeden Winter ausbricht und die Verbindung hemmt, schreibt er nichts als die Worte: »Der Kai der Schwimmschule wird im nächsten Jahre fertig sein,« und schickt sie dem Minister des Innern, der sich beeilt zu gehorchen. Aus der großen Zahl von Menschen, die sich täglich auf Nachen über die Seine zwischen dem Louvre und den Quatre-Nations fahren lassen, ergibt sich die Notwendigkeit einer Brücke; der Erste Konsul läßt die Herren Perrier und Fontaine rufen, und von einem Ufer zum andern streckt sich wie ein magischer Bau der Pont des Arts. Der Vendôme-Platz ist der Statue Ludwigs XIV. beraubt und verwaist; eine Säule, die man aus den den Österreichern in einem Feldzug von drei Monaten abgenommenen Kanonen gießt, wird das alte Standbild ersetzen. Die abgebrannte Getreidehalle wird in Eisen wieder aufgebaut; meilenlange Kais wurden von einem Ende der Hauptstadt zum andern geführt, um die Wasser des Flusses in ihr Bett zu dämmen. Ein Palast soll für die Börse errichtet, die Invalidenkirche ihrer ersten Bestimmung zurückgegeben werden, glänzend, wie sie zum ersten Male im Strahle der Sonne Ludwigs XIV. flammte. Vier Friedhöfe, die an die Totenstadt in Kairo erinnern, sollen an den vier Hauptpunkten von Paris angelegt werden. Endlich soll, wenn Gott ihm Zeit und Vermögen dazu läßt, eine Straße gebaut werden, die von Saint-Germain l'Auxerrois bis zur Barrière du Trone sich hinzieht, sie wird hundert Fuß breit und mit Bäumen angepflanzt werden wie die Boulevards und mit Arkaden eingefaßt wie die Straße Rivoli; aber mit dieser Straße wird er noch warten müssen, denn sie soll den Namen »Kaiser-Straße« führen.
Unterdessen bereitete das erste Jahr des neunzehnten Jahrhunderts denkwürdige Kriege vor; das Rekrutierungsgesetz wurde mit Begeisterung ausgeführt, eine neue Kriegsmacht organisiert, Aushebungen nach Bedarf von der Küste von Genua bis an den Niederrhein vorgenommen. Eine Reservearmee zog sich im Lager bei Dijon zusammen: sie bestand zum großen Teil aus der holländischen Armee, die von der Vendée, der sie den Frieden gegeben hatte, heranzog.
Ihrerseits antworteten die Feinde auf diese Zurüstungen durch ähnliche Vorbereitungen. Österreich organisierte eiligst seine Aushebungen: England nahm ein Korps von 12 000 Bayern in Sold, und einer seiner geschicktesten Agenten warb in Schwaben, Franken und im Odenwald Mannschaften an: endlich traten 6000 Württemberger, die Schweizerregimenter und das adelige Korps der Emigranten unter den Befehlen des Prinzen von Condé aus den Diensten Pauls I. in den Sold Georgs III. Alle diese Truppen sollten am Rhein verwendet werden, während Österreich seine besten Soldaten nach Italien schickte, denn hier wollten, die Verbündeten den Feldzug eröffnen.
Am 17. März 1800 wendet sich Napoleon mitten in einer Arbeit über die Einrichtung der von Talleyrand gestifteten diplomatischen Schulen plötzlich an seinen Sekretär und fragt ihn mit einem Gefühl sichtbarer Freude:
»Wo glauben Sie, daß ich Melas schlagen werde?«
»Das weiß ich nicht,« antwortete ihm erstaunt der Sekretär.
»Stellen Sie in meinem Kabinett die große Karte von Italien aus, und ich will es Ihnen zeigen.«
Der Sekretär gehorcht eiligst. Bonaparte nimmt eine Anzahl Nadeln mit Köpfen von rotem und schwarzem Wachs in die Hand, legt sich über die ungeheure Karte und steckt seinen Feldzugsplan aus. In alle Punkte, wo ihn der Feind erwartet, steckt er seine Nadeln mit schwarzen Köpfen, die mit roten Köpfen überall dahin, wo er seine Truppen hinzuführen gedenkt. Dann wendet er sich an seinen Sekretär, der ihm stillschweigend zugesehen hat.
»Nun?« sagt er.
»Ja, ich weiß noch nicht,« erwiderte ihm dieser.
»Sie sind ein Dummkopf! Merken Sie auf! Melas ist in Alessandria, wo er sein Hauptquartier hat, er wird dort bleiben, solange Genua nicht übergeben wird. In Alessandria hat er seine Magazine, seine Spitäler, seine Artillerie, seine Reserven.« Indem er auf den St. Bernhard deutet, fährt Bonaparte fort: »Ich gehe hier über die Alpen, falle ihm in den Rücken, ehe er weiß, daß ich in Italien bin, unterbreche seine Verbindungen mit Österreich, dränge ihn in die Ebenen von Scrivia zusammen,« – er steckte eine rote Nadel in San-Giuliano – »und schlage ihn hier.«
Den Plan der Schlacht von Marengo hatte der Konsul hier gezeichnet. Vier Monate später war er bis auf den kleinsten Punkt ausgeführt: die Alpen waren überstiegen, das Hauptquartier war in San-Giuliano, Melas war abgeschnitten, und es fehlte nur noch die Schlacht. Bonaparte hatte seinen Namen neben den Hannibals und Karls des Großen geschrieben.
Der Erste Konsul hatte die Wahrheit gesagt. Er hatte sich von der Höhe der Alpen herabgestürzt, wie eine Lawine: schon am 2. Juni war er in Mailand, wo er ohne Widerstand einzog und dessen Fort er sogleich belagerte. Denselben Tag wurde Murat nach Piacenza und Lannes nach Montebello gesandt. Beide gingen, ohne noch daran zu denken, daß sie, der eine eine Krone, der andere ein Herzogtum erkämpfen sollten.
Den Tag nach dem Einzug Bonapartes in Mailand läßt sich ein Spion melden, den er schon in seinen ersten italienischen Feldzügen gebraucht hatte und den der General auf den ersten Anblick erkennt. Der Mann steht im Dienste der Österreicher, Melas schickt ihn, die französische Armee zu beobachten: aber er will das gefährliche Handwerk, das er treibt, aufgeben und verlangt 1000 Louisdor, wenn er Melas verraten soll: auch muß er seinem General einige genaue Nachrichten überbringen.
»Das tut nichts,« sagte der Erste Konsul, »es liegt mir wenig daran, daß man meine Macht und meine Stellung kennt, wenn ich nur die Macht und die Stellung meines Feindes kenne; sage mir etwas, was der Mühe wert ist, und die 1000 Louis sind dein.« Darauf gab ihm der Spion die Zahl der Korps, ihre Stärke und Stellung, die Namen der Generale, ihre Tapferkeit, ihren Charakter an, wobei ihm der Erste Konsul auf der Karte folgt, die er mit Nadeln spickt. Zudem sei Alessandrien nicht verproviantiert. Melas denke nicht an eine Belagerung, er habe viele Kranke und keine Arzeneien. Als Gegengabe für diese Angaben stellt Berthier dem Spion eine fast ganz genaue Mitteilung über die Lage der französischen Armee zu. Der Erste Konsul aber übersieht nun klar Melas' Lage, wie wenn der Genius der Schlachten ihn über den Ebenen der Scrivia und Bormida hätte schweben lassen.
Am 8. Juni in der Nacht kommt ein von Murat gesandter Kurier von Piacenza an. Er überbringt einen aufgefangenen Brief, die Depesche Melas' an den Reichshofrat zu Wien; sie meldet die Übergabe von Genua, das Massena am 4., nachdem alles bis auf die Pferdesättel aufgezehrt war, nicht länger halten konnte.
Man weckt Bonaparte mitten in der Nacht, eingedenk seines Befehls: »Laßt mich schlafen bei guten Nachrichten, weckt mich aber bei schlimmen!« »Bah, Sie verstehen das Deutsche nicht,« sagte er anfangs zu seinem Sekretär. Als er denn zugeben mußte, daß dieser die Wahrheit gesagt hat, steht er auf, bringt den übrigen Teil der Nacht damit zu, Befehle zu geben und Kuriere abzuschicken; und um 8 Uhr morgens ist alles gerüstet, um den möglichen Folgen dieses unerwarteten Ereignisses zu begegnen.
Denselben Tag wird das Hauptquartier nach Stradella verlegt, wo es bis zum 12. bleibt, und wo Desaix am 11. sich anschließt. Am 13. auf dem Marsch nach der Scrivia kommt der Kaiser über das Schlachtfeld von Montebello und findet die Kirchen noch voller Toter und Verwundeter.
»Teufel,« sagt er zu Lannes, der ihn herumführte, »es scheint, das Treffen war heiß.«
»Ich denke wohl,« erwiderte dieser, »die Knochen krachten in meiner Division, wie wenn Hagel auf die Fensterscheiben fiele.«
Endlich am 13. abends kommt der Erste Konsul in Torre di Garrofoli an. Obgleich es spät und er von Mattigkeit überwältigt ist, will er doch nicht zu Bette gehen, ehe er sicher weiß, daß die Österreicher keine Brücke über die Bormida haben. Um 1 Uhr morgens kehrt der mit dieser Sendung beauftragte Offizier zurück und meldet, daß keine Brücke geschlagen ist. Diese Nachricht beruhigt den Ersten Konsul; er läßt sich noch einen Bericht über die Stellung der Truppen geben und legt sich nieder, ohne an ein Treffen für den kommenden Tag zu glauben.
Unsere Truppen nahmen folgende Stellungen ein:
Die Divisionen Gardanne und Chambarliac, die das Armeekorps des Generals Victor bildeten, hatten ein Lager bei dem Landhaus Pedra-Bona vor Marengo in gleicher Entfernung von, dem Dorf und dem Fluß bezogen.
Das Korps des Generals Lannes befand sich vor dem Dorfe San-Giuliano rechts von der großen Straße von Tortona auf 600 Ellen (1200 Meter) bei dem Dorfe Marengo.
Die Konsulargarde war als Reserve hinter den Truppen des Generals Lannes auf eine Entfernung von etwa 500 Ellen (1000 Meter) aufgestellt.
Die Kavalleriebrigade unter dem Befehle des Generals Kellermann und einige Schwadronen Husaren und Jäger bildeten den linken Flügel und füllten auf der ersten Linie die Zwischenräume zwischen den Divisionen Vardanne und Chambarliac aus.
Eine zweite Kavalleriebrigade, von General Chambiaux befehligt, bildete den rechten Flügel und füllte auf der zweiten Linie die Räume zwischen der Infanterie des Generals Lannes aus.
Endlich hielt das 12. Husaren- und das 21. Jägerregiment, die von Murat abgegeben waren, unter den Befehlen des Generals Rivaud den Ausgang von Sale, einem auf der äußersten Rechten der Hauptposition gelegenen Dorf, besetzt.
Alle diese Korps, die miteinander Fühlung hatten und schräg mit dem linken Flügel nach vorn gestaffelt waren, machten einen Bestand von 80 bis 90 000 Mann Infanterie und 2500 Pferden aus. Mit ihnen sollten sich im Laufe des andern Tages die Divisionen Monnier und Boudet vereinigen, die nach den Befehlen des Generals Desaix im Rücken, etwa zehn Meilen von Marengo, die Dörfer Acqui und Castel-Novo besetzt hielten.
Seinerseits hatte General Melas während des 13. die Vereinigung der Truppen der Generale Haddick, Kaim und Ott vollendet. Am nämlichen Tage war er über den Tanes gegangen und biwakierte vor Alessandria mit 36 000 Mann Infanterie, 7000 Mann Kavallerie und einer zahlreichen, wohlbedienten und gut bespannten Artillerie.
Um 5 Uhr wurde Napoleon durch den Donner der Kanonen geweckt.
In demselben Augenblick und als er sich kaum angekleidet hatte, eilt ein Adjutant des Generals Lannes im Galopp mit der Meldung, der Feind sei über die Bormida gegangen, habe sich in der Ebene entwickelt und man schlage sich.
Der Offizier des Generalstabs, der auf Kundschaft ausgeschickt worden war, war nicht weit genug gegangen; es führte eine Brücke über den Fluß.
Bonaparte steigt sogleich zu Pferd und begibt sich in aller Eile auf den Kampfplatz.
Hier trifft er den Feind, der in drei Reihen aufgestellt ist; die eine, sein linker Flügel, der aus der ganzen Kavallerie und der leichten Infanterie besteht, marschiert über Sale auf Castelceriole zu, während Zentrum und rechter Flügel, die sich gegenseitig unterstützen und aus den Infanteriekorps der Generale Haddick, Kaim, O'Reilly und der Grenadierreserve, unter den Befehlen des Generals Ott, bestehen, auf der Straße von Tortona und über Fragarolo an der Bormida hinauf vorrücken.
Bei den ersten Schritten, die diese beiden Heeresteile machten, waren sie auf die Truppen des Generals Gardanne gestoßen, die, wie gesagt, bei Pedra-Bona aufgestellt waren. Das Getöse der zahlreichen Artillerie, die vor ihnen herzog, und hinter der sie den Angegriffenen dreimal überlegene Bataillone entwickelten, hatte Bonaparte geweckt und den Löwen auf das Schlachtfeld gelockt.
Er kam in dem Augenblick an, wo die gesprengte Division Gardanne sich wieder zu sammeln begann und ihr der General Victor die Division Chambarliac zur Hilfe sandte. Durch diese Hilfe geschützt, führten die Truppen Gardannes ihren Rückzug in guter Ordnung aus, und zogen ins Dorf Marengo ein.
Jetzt hören die österreichischen Truppen auf, in gedrängten Massen zu marschieren: sie entfalten sich auf dem sich vor ihnen erweiternden Felde in parallelen Linien, aber an Zahl bei weitem denen der Generale Gardanne und Chambarliac überlegen. Die erste dieser Linien war von General Haddick, die zweite von General Melas in Person kommandiert, während das Grenadierkorps des Generals Ott sich ein wenig rückwärts, rechts von dem Dorfe Castelceriolo, formierte.
Eine wie eine Verschanzung ausgetiefte Schlucht bildete einen Halbkreis um das Dorf Marengo. Der General Victor stellte hier die Divisionen Gardanne und Chambarliac, die eben zum zweitenmal angegriffen werden sollen, in Linien auf. Kaum stehen sie in Schlachtordnung, so gibt ihnen Bonaparte den Befehl, Marengo so lange als möglich zu verteidigen; der Obergeneral hat erkannt, daß die Schlacht den Namen dieses Dorfes führen wird.
Nach einem Augenblick entbrennt der Kampf von neuem auf der ganzen Front der Linie, Plänkler feuern von beiden Seiten der Schlucht aufeinander, und die Kanonen donnern Kartätschen auf Pistolenschußweite auf den Feind. Unter dem Schutz dieser fürchterlichen Artillerie braucht sich der Feind nur auszudehnen, um uns zu überflügeln. Der General Rivaud, der den äußersten rechten Flügel der Brigade Gardanne kommandiert, rückt jetzt vor und stellt außerhalb des Dorfes unter dem heftigsten Feuer des Feindes ein Bataillon auf freiem Felde auf mit dem Befehle, sich töten zu lassen, ohne einen Schritt zu weichen; es bildet so eine Zielscheibe für die österreichische Artillerie, von der jede Kugel trifft. Aber inzwischen faßt General Rivaud seine Kavallerie zusammen, umreitet das Schutzbataillon, stürzt sich auf 3000 Österreicher, die mit gefälltem Bajonett vorrücken, wirft sie zurück und zwingt sie, obgleich er selbst von einer Flintenkugel verwundet ist, sich hinter ihrer Linie wieder zu sammeln: dann reitet er auf die rechte Seite des Bataillons, das wie eine Mauer stehengeblieben war, zurück.
In diesem Augenblick wird die Division des Generals Gardanne, an der sich das ganze feindliche Feuer seit dem Morgen erschöpft, nach Marengo geworfen, wohin ihr die erste Linie der Österreicher folgt, während die zweite die Division Chambarliac und die Brigade, Rivaud hindert, ihr zu Hilfe zu kommen; auch sind diese, selbst zurückgeworfen, bald gezwungen, sich auf ihrem Rückzug an den Enden des Dorfes zu schlagen. Hinter diesem vereinigen sie sich wieder; der General Victor formiert sie aufs neue, erinnert sie daran, welchen Wert der Erste Konsul auf den Besitz von Marengo legt, stellt sich an ihre Spitze und dringt in die Straßen, die die Österreicher noch nicht Zeit gehabt hatten zu verbarrikadieren, nimmt das Dorf, verliert es, nimmt es noch einmal, ist aber, von der Überzahl erdrückt, gezwungen, es zum zweitenmal zu verlassen. Dann stellt er, von den beiden Divisionen des Generals Lannes, der ihm zu Hilfe kommt, unterstützt, seine Linie parallel mit der des Feindes auf, der seinerseits aus Marengo vorrückt, sich entwickelt und eine unermeßliche Schlachtlinie darbietet. Sogleich entwickelt sich Lannes, der die beiden Divisionen des Generals Victor wieder vereinigt und kampfbereit steht, nach rechts, als eben die Österreicher im Begriff sind, uns zu überflügeln. Dieses Manöver bringt ihn den Truppen des Generals Kaim, die eben Marengo genommen haben, gegenüber; die beiden Korps, das eine durch seinen Erfolg begeistert, das andere von der Ruhe erfrischt, schlagen sich mit Wut, und der Kampf, der einen Augenblick geruht hat, entspinnt sich auf der ganzen Linie heftiger als je.
Nach einstündigem Kampfe, wo Mann gegen Mann mit dem Bajonett ringt, wankt das Armeekorps des Generals Kaim und zieht sich zurück. Der General Champeaux stürzte an der Spitze des ersten und achten Dragonerregiments auf die Weichenden und bringt sie noch mehr in, Unordnung, worauf General Watrin sie mit dem 6. leichten und dem 22. und 40. Linienregiment verfolgt und sie auf 100 Ellen (200 Meter) hinter den Bach Barbotta zurückwirft. Aber die Bewegung, die er gemacht, hat ihn von seinem Armeekorps getrennt, die Divisionen des Generals Victor sind durch seinen Sieg gefährdet, und er ist genötigt, den Posten wieder einzunehmen, den er einen Augenblick offen gelassen hat.
Zur gleichen Zeit tat Kellermann auf dem linken Flügel, was Watrin soeben auf dem rechten getan hatte. Zwei seiner Kavallerieangriffe hatten die feindliche Linie durchbrochen; aber nach der ersten war er auf eine zweite Linie gestoßen, und da er wegen der Überzahl den Kampf nicht wagte, ging ihm die Frucht des augenblicklichen Sieges verloren.
Am Mittag wurde diese Linie, die wie eine feurige Schlange fast eine Meile lang hin und her wogte, im Zentrum zurückgedrängt, nachdem sie das Menschenmögliche geleistet hatte; sie zog sich zurück, nicht besiegt, sondern zerschmettert von dem Feuer der Artillerie und zerdrückt durch den Stoß der Massen. Das Korps entblößte durch den Rückzug seine Flügel, die daher gezwungen waren, der rückgängigen Bewegung des Zentrums zu folgen; und Watrin und Kellermann gaben beide ihren Divisionen den Befehl zum Rückzug.
Der Rückzug wurde sogleich regelmäßig, wie auf dem Schachbrett, unter dem Feuer von achtzig Stück Geschütz, die dem Marsche der österreichischen Bataillone vorarbeiteten, vollzogen. Zwei Stunden weit zog sich die ganze Armee, von Kanonenkugeln durchfurcht, von Kartätschen zerfleischt und von Haubitzen zerrissen, zurück, ohne daß ein einziger Mann seine Reihe verließ, um zu fliehen, und indem sie die verschiedenen vom Ersten Konsul angeordneten Bewegungen mit der Regelmäßigkeit und der Kaltblütigkeit einer Parade ausführte. In diesem Augenblick erschien die erste österreichische Kolonne, die, wie geschildert, nach Castelceriolo marschiert und noch nicht ins Feuer gekommen war, indem sie uns rechts überflügelte. Dieser Andrang wäre zu stark gewesen, und Bonaparte entschied sich daher, die Konsulargarde zu verwenden, die er mit zwei Grenadierregimentern als Reserve aufgespart hatte. Er ließ sie bis auf 300 Ellen (600 Meter) auf der äußersten Rechten vorrücken, befahl ihr, sich in Vierecken aufzustellen und Elsnitz mit seiner Kolonne wie durch eine Granitschanze aufzuhalten.
General Elsnitz beging jetzt den Fehler, in den Bonaparte gehofft hatte, daß er fallen würde. Statt diese 900 Mann, die im Rücken einer siegreichen Armee nicht zu fürchten waren, unbeachtet zu lassen und weiter zu marschieren, um den Generalen Melas und Kaim zu Hilfe zu kommen, verbiß er sich in diese Handvoll Tapferer, die alle ihre Patronen beinahe auf Schußweite abschossen, ohne überwältigt zu werden, und, als sie ihre Kugeln verschossen hatten, den Feind mit der Spitze des Bajonetts empfingen.
Allein diese Handvoll Leute konnte es unmöglich lange so aushalten, und Bonaparte wollte ihnen daher Befehl geben lassen, der rückgängigen Bewegung der übrigen Armee zu folgen, als eine der Divisionen Desaix', die des Generals Monnier, im Rücken der französischen Linie erschien. Bonaparte zitterte vor Freude; es war die Hälfte der erwarteten Verstärkung. Sofort wechselt er ein paar Worte mit General Dupont, dem Chef des Generalstabs. General Dupont stürzt auf sie zu, übernimmt das Kommando, findet sich einen Augenblick von der Kavallerie des Generals Elsnitz umringt, durchbricht ihre Reihen und stößt mit schrecklichem Ansturm auf die Division des Generals Kaim, die schon auf General Lannes losbrach, und treibt den Feind bis zum Dorfe Castelceriolo zurück. In diesen Ort wirft er eine seiner Brigaden unter den Befehlen des Generals Carra Saint-Cyr, der die überraschten und durch den ungestümen Angriff ganz verblüfften Tiroler Jäger und die Wolfsjäger daraus vertreibt, befiehlt ihm im Namen des Ersten Konsuls, sich hier eher mit allen seinen Leuten töten zu lassen, als zu weichen; dann macht er auf dem Rückweg das Bataillon der Konsulargarde und die zwei Grenadierregimenter, die sich unter den Augen der ganzen Armee so schön verteidigt hatten, frei und schließt sich nun der rückgängigen Bewegung an, die fortwährend, mit derselben Ordnung und Genauigkeit ausgeführt wird.
Es war drei Uhr mittags. Von 19 000 Mann, die um fünf Uhr morgens die Schlacht eröffnet hatten, waren auf einem Bogen von zwei Meilen kaum noch 8000 Mann Infanterie, 1000 Pferde und 6 Kanonen übrig und kampffähig; der vierte Teil der Armee war kampfunfähig, und mehr als das zweite Viertel war aus Mangel an Wagen mit dem Transport der Verwundeten beschäftigt, die nach Bonapartes Befehl nicht zurückgelassen werden durften. Alles zog sich zurück, mit Ausnahme des Generals Carra Saint-Cyr, der, das Dorf Castelceriolo besetzt haltend, schon über eine Meile von der Hauptarmee entfernt war. Noch eine halbe Stunde, und es schien allen unvermeidlich, daß der Rückzug sich in ungeordnete Flucht auflösen mußte. Da sprengt ein der Division Desaix, auf der zur Stunde nicht nur das Glück des Tages, sondern das Schicksal Frankreichs ruht, vorausgeschickter Adjutant in vollem Galopp an mit der Nachricht, daß die Spitze ihrer Kolonnen auf der Höhe von San Giuliano erscheint. Bonaparte wendet sich um, sieht den Staub, der ihre Ankunft bezeichnet, wirft einen letzten Blick auf die ganze Linie und gebietet Halt!
Das elektrische Wort läuft durch die Front der Schlacht: alles macht halt. In diesem Augenblick kommt Desaix an, der seiner Division eine halbe Stunde vorauseilt. Bonaparte zeigt ihm die mit Toten bedeckte Ebene und fragt ihn, was er von der Schlacht denke. Desaix übersieht alles mit einem Blick: »Ich denke, sie ist verloren,« sagt er; dann zieht er seine Uhr: »aber es ist erst drei Uhr, und wir haben noch Zeit, eine zweite zu gewinnen.«
»Das ist meine Absicht,« erwiderte lakonisch Bonaparte, »und ich habe zu diesem Zweck Vorkehrungen getroffen.«
In der Tat, hier fängt der zweite Abschnitt des Tages an oder vielmehr die zweite Schlacht von Marengo, wie Desaix sie genannt hat.
Bonaparte reitet an der Front der Linie, die sich jetzt von San Giuliano nach Castelceriolo erstreckt, vorüber.
»Kameraden,« ruft er mitten in den Kugeln, die die Erde unter den Füßen seines Pferdes aufwühlen, »wir haben zu viele Schritte rückwärts gemacht; der Augenblick ist gekommen, vorwärtszugehen. Vergeßt nicht, daß ich gewohnt bin, auf dem Schlachtfelde zu schlafen!«
Der Ruf: »Es lebe Bonaparte! Es lebe der Erste Konsul!« erhebt sich von allen Seiten und erstirbt in den Wirbeln der Trommeln, die zum Angriff schlagen.
Die verschiedenen Armeekorps waren jetzt in folgender Ordnung aufgestellt: der General Carra Saint-Cyr behauptete fortwährend, trotz den Anstrengungen, die der Feind machte, es wiederzunehmen, das Dorf Castelceriolo, die Hauptstütze der ganzen Armee.
Nach ihm kamen die zweite Brigade der Division Monnier, die Grenadiere und die Konsulargarde, die zwei Stunden lang allein gegen das ganze Armeekorps des Generals Elsnitz ausgehalten hatten.
Hierauf die zwei Divisionen Lannes'.
Dann die Division Boudet, die noch nicht im Feuer war, und an deren Spitze sich der General Desaix befand, der scherzend sagte, es werde ihm Unglück begegnen, da ihn die österreichischen Kugeln seit den zwei Jahren, die er in Ägypten gewesen sei, nicht mehr kennten.
Endlich die zwei Divisionen Gardanne und Chambarliac, die während des Tags am meisten mitgenommen worden und von denen kaum mehr 1500 Mann übrig waren.
Alle diese Divisionen waren in einer Diagonale hintereinander aufgestellt. Die Kavallerie stand auf der zweiten Linie, bereit, in die Zwischenräume der Korps einzurücken: die Brigade des Generals Champeaux lehnte sich an die Straße von Tortona; die des Generals Kellermann stand im Zentrum zwischen dem Korps Lannes und der Division Boudet.
Die Österreicher, die von der uns zugekommenen Verstärkung nichts gesehen haben und glauben, der Tag sei gewonnen, rücken in guter Ordnung immer weiter vor. Eine Kolonne von 5000 Grenadieren, von General Zach kommandiert, dringt auf der großen Straße vor und marschiert im Sturmschritt gegen die Division Boudet, die San Giuliano deckt. Bonaparte läßt fünfzehn Kanonen als Batterie aufstellen, die eben angekommen waren und von der Division Boudet maskiert werden; dann kommandiert er mit einem Wort, das im Umkreis einer ganzen Stunde widerhallt: »Vorwärts!« Das ist der allgemeine Befehl; folgendes sind die besonderen:
Carra-Saint-Cyr soll das Dorf Castelceriolo verlassen, alles, was sich ihm entgegenstellt, über den Haufen werfen und sich der Brücken über die Bormida bemächtigen, um den Österreichern den Rückzug abzuschneiden. General Marmont soll die Artillerie demaskieren, wenn man nur noch auf Pistolenschußweite vom Feinde entfernt ist. Kellermann soll mit seiner schweren Kavallerie in die gegenüberstehende Linie eine Öffnung brechen, wie er sie so gut zu brechen weiß. Desaix soll mit seinen frischen Truppen die Grenadiere General Zachs vernichten; endlich soll Champeaux mit seiner leichten Kavallerie sofort einhauen, wenn die bisherigen Sieger zum Rückzug blasen.
Die Befehle werden, kaum gegeben, sofort befolgt; mit einer einzigen Bewegung haben unsere Truppen wieder die Offensive ergriffen; auf der ganzen Linie kracht das Gewehrfeuer und donnern die Kanonen. Der schreckliche Sturmschritt, zu dem die Marseillaise den Takt gibt, läßt sich hören. Ist ein Führer auf der anderen Seite des Engpasses angekommen, so zögert er keinen Augenblick, in die Ebene zu dringen. Die von Marmont enthüllte Batterie speit Feuer; Kellermann stürzt mit seinen Kürassieren vor und durchbricht beide Linien; Desaix sprengt über die Gräben, setzt über die Hecken, langt auf einer kleinen Erhöhung an und fällt in dem Augenblick, wo er sich umdreht, um zu sehen, ob seine Division ihm folgt. Durch seinen Tod wird das Feuer seiner Soldaten nicht gedämpft, sondern verdoppelt. Der General Boudet nimmt seine Stelle ein und stürzt auf die Kolonne der Grenadiere, die ihn mit dem Bajonett empfängt. In diesem Augenblick kehrt Kellermann, der, wie oben gesagt, bereits die beiden Linien durchbrochen hat, um, sieht die Division Boudet im Handgemenge mit dieser unbeweglichen Masse, die sie nicht zum Weichen bringen kann, fällt ihr in die Flanke, dringt in die Zwischenräume, öffnet, vierteilt und bricht sie. In weniger als einer halben Stunde sind die 5000 Grenadiere durchbrochen, geworfen, zerstreut: sie verschwinden wie Rauch, zerschmettert, vernichtet, der General Zach und sein Generalstab werden gefangen, und das ist alles, was davon übrigbleibt.
Jetzt will der Feind seinerseits seine unzählige Kavallerie angreifen lassen, aber das unaufhörliche Feuer der Musketen, die verzehrenden Kartätschen und das furchtbare Bajonett lassen ihn nicht weit kommen. Murat manövriert in seinen Mannen mit zwei Stücken leichter Artillerie und einer Haubitze, die ihm noch im Fahren den Tod zuschleudern. In diesem Augenblick zerplatzt in den Reihen der Österreicher ein Munitionswagen und vermehrt noch die Unordnung. Darauf hat General Champeaux mit seiner Reiterei gewartet; er bricht vor, verdeckt durch ein geschicktes Manöver seine geringe Zahl und dringt mitten in die Feinde ein. Die Divisionen Gardanne und Chambarliac, denen der frühere Rückzug noch schwer auf dem Herzen liegt, fallen über sie mit der ganzen Wut der Rache her: Lannes stellt sich an die Spitze seiner zwei Armeekorps und stürzt ihnen voran mit dem Rufe: »Montebello! Montebello! Bonaparte ist überall.«
Jetzt schwankt alles, alles zieht sich zurück, alles löst sich; die österreichischen Generale versuchen umsonst, den Rückzug zu regeln: der Rückzug wird zur regellosen Flucht: in einer haben Stunde durchziehen die französischen Divisionen die Ebene, die sie Fuß um Fuß vier Stunden lang verteidigt haben: erst in Marengo hält der Feind an, wo er sich wieder unter dem Feuer der Plänkler sammelt, die General Carra Saint-Cyr von Castelceriolo bis an den Bach Barbotta geworfen hat. Aber die Division Boudet, die Divisionen Gardanne und Chambailiac verfolgen ihn ihrerseits von Straße zu Straße, von Platz zu Platz, von Haus zu Haus. Marengo ist genommen: die Österreicher ziehen sich auf Pedra-Bona zurück, wo sie auf der einen Seite von den drei Divisionen, die so erbittert auf sie sind, und auf der andern von der Halbbrigade Carra Saint-Cyrs angegriffen werden. Um neun Uhr abends ist Pedra-Bona genommen, und die Divisionen Gardanne und Chambarliac haben ihre Stellungen vom Morgen wieder gewonnen. Der Feind stürzt gegen die Brücken, um über die Bormida zu gehen, aber er stößt auf den General Carra Saint-Cyr, der ihm zuvorgekommen ist. Da sucht er Furten und setzt über den Fluß unter dem Feuer aller unserer Linien, das erst um 10 Uhr abends erlischt, die Trümmer der östereichischen Armee erreichen wieder ihr Lager von Alessandria, die französische Armee biwakiert vor den Verschanzungen des Brückenkopfs.
Der Tag hatte die Österreicher 4500 Tote, 8000 Verwundete, 7000 Gefangene, 12 Fahnen und 20 Geschütze gekostet.
Vielleicht niemals hat sich das Glück an einem und demselben Tage von zwei so verschiedenen Seiten gezeigt. Um 2 Uhr nachmittags war es für die Franzosen eine Niederlage samt allen ihren verderblichen Folgen; um 5 Uhr hatte sich der Sieg dem Banner von Arcole und Lodi wieder zugewendet; um 10 Uhr war Italien mit einem Schlage wiedererobert und winkte der französische Thron.
Am folgenden Morgen meldete sich der Fürst von Liechtenstein bei den Vorposten, um dem Ersten Konsul die Aufträge des Generals Melas zu überbringen. Da sie aber Bonaparte nicht zusagten, diktierte er ihm dafür die seinigen zur Übermittelung an Melas. Die österreichische Armee sollte frei und mit kriegerischen Ehren Alessandria verlassen dürfen, jedoch unter den bekannten Bedingungen, die ganz Italien wieder vollständig unter französische Herrschaft brachten.
Der Fürst von Liechtenstein kehrte am Abend ins französische Hauptquartier zurück. Melas, der um 3 Uhr den Tag gewonnen geglaubt, die Vervollständigung unserer Niederlage seinen Generalen überlassen und sich zum Ausruhen nach Alessandria zurückbegeben hatte, war der Ansicht gewesen, die Bedingungen seien zu hart. Aber gleich bei den ersten dahin zielenden Bemerkungen unterbrach Bonaparte den Abgesandten mit den Worten:
»Ich habe Ihnen meine letzte Willensmeinung erklärt, überbringen Sie sie Ihrem General und kommen Sie schnell zurück, denn sie ist unwiderruflich. Sie müssen wissen, daß ich Ihre Lage so gut kenne, wie Sie selbst, denn ich führe nicht erst seit gestern Krieg. Sie sind in Alessandria belagert, Sie haben viele Verwundete und Kranke, es fehlt Ihnen an Lebensmitteln und Arznei, während ich Ihre ganze Rückzugslinie besetzt halte. Sie haben an Getöteten oder Verwundeten den Kern ihres Heeres verloren. Ich könnte noch mehr verlangen, meine Stellung berechtigt mich dazu; aber ich mäßige meine Forderungen aus Achtung für die grauen Haare Ihres Generals.«
»Diese Bedingungen sind hart!« erwiderte der Fürst, »besonders die Rückgabe Genuas, das nach einer so langen Belagerung vor kaum fünfzehn Tagen gefallen ist.«
»Wenn Sie nur das beunruhigt,« entgegnete der Erste Konsul, dem Fürsten ein aufgefangenes Schreiben zeigend, »so sehen Sie hieraus, daß Ihr Kaiser die Einnahme von Genua noch gar nicht erfahren hat, und man braucht sie ihm nur nicht zu melden.«
Noch am Abend wurden alle seine Bedingungen angenommen, und Bonaparte schrieb an seine Kollegen:
»Am Tage nach der Schlacht von Marengo, Bürger, Konsuln, hat der General Melas auf den Vorposten die Erlaubnis nachgesucht, mir den General Schall zu schicken. Im Laufe des Tages ist dann die Übereinkunft abgeschlossen worden, die hier beiliegt. Sie ist während der Nacht von General Berthier und General Melas unterzeichnet worden. Ich hoffe, das französische Volk wird mit seiner Armee zufrieden sein.
Bonaparte.«
So war die Prophezeihung erfüllt, die der Erste Konsul seinem Sekretär vier Monate zuvor im Kabinett der Tuilerien verkündet hatte.
Darauf kehrte Bonaparte nach Mailand zurück, wo er die Stadt erleuchtet und von lebhafter Freude erfüllt vorfand. Dort erwartete ihn auch Massena, den er seit dem ägyptischen Feldzuge nicht mehr gesehen hatte, und erhielt zur Vergeltung für seine schöne Verteidigung Genuas den Oberbefehl der italienischen Armee.
Dann begab sich der Erste Konsul, vom Jubelruf der Völker begleitet, nach Paris zurück. Er kam nachts in der Hauptstadt an; als aber die Pariser am Morgen seine Rückkehr erfuhren, eilten sie in Massen mit solchem Geschrei und so ungeheurer Begeisterung nach den Tuilerien, daß sich der junge Sieger von Marengo auf dem Balkon zeigen mußte.
Einige Tage darauf wurde die allgemeine Freude durch eine entsetzliche Nachricht verdüstert. Kleber war zu Kairo unter dem Dolche Soliman-el-Alebis an demselben Tage gefallen, an dem Desaix auf den Ebenen von Marengo unter den Kugeln der Österreicher fiel.
Infolge der von Berthier und dem General Melas in der auf die Schlacht folgenden Nacht unterzeichneten Übereinkunft wurde am 5. Juli ein Waffenstillstand geschlossen, der aber am 5. September gebrochen und erst nach dem Sieg bei Hohenlinden wieder erneuert wurde.
Während dieser Zeit nahmen die Verschwörungen ihren Fortgang. Ceracchi, Arena, Topineau-le-Brun und Demerville waren in der Oper verhaftet worden, wo sie sich dem Ersten Konsul genähert hatten, um ihn zu ermorden. Eine Höllenmaschine war in der Straße Saint-Nicaise fünfundzwanzig Schritte hinter seinem Wagen aufgeflogen, und Ludwig XVIII. schrieb an Bonaparte einen Brief über den andern, er solle ihm seinen Thron zurückgebend.
Anmerkung:
Ein erster vom 20. Februar 1800 datierte Brief lautet folgendermaßen: »Männer wie Sie, mein Herr, flößen niemals Besorgnis ein, mag auch der Schein gegen sie sein. Sie haben einen ausgezeichneten Platz errungen, und ich weiß Ihnen Dank dafür. Besser als einer wissen Sie, daß Kraft und Macht erforderlich ist, um eine große Nation glücklich zu machen. Retten Sie Frankreich vor seiner eigenen Wut, und Sie werden den Wunsch meines Herzens erfüllen. Geben Sie ihm seinen König zurück, und die künftigen Geschlechter werden Ihr Andenken ehren. Sie werden für den Staat immer nur allzu nötig sein, als daß ich durch Übertragung wichtiger Stellen meines Ahnen Schuld und die meinige bezahlen könnte.Ludwig.«
Da dieser Brief unbeantwortet geblieben war, so folgte ihm ein zweiter, in dem es hieß: »Lange schon, General, müssen Sie wissen, daß Sie meine Hochachtung erworben haben. Vermöchten Sie an meiner Erkenntlichkeit zu zweifeln, so bezeichnen Sie Ihren Platz, bestimmen Sie das Los Ihrer Freunde! Was meine Grundsätze betrifft, so bin ich Franzose. Milde von Charakter, werde ich es auch aus guten Gründen sein. Nein, der Sieger von Lodi, Castiglione und Arcole, der Erobrerer von Italien und Ägypten kann unmöglich eine eitle Prunkstellung über wahren Ruhm stellen. Indessen verlieren Sie eine kostbare Zeit. Wir können Frankreichs Ruhm sicherstellen. Ich sage wir, weil ich Bonapartes dazu bedarf und er es ohne mich nicht zu erreichen vermöchte. General, Europa schaut auf Sie, der Ruhm erwartet Sie, und ich bin ungeduldig, meinem Volke den Frieden wiederzugeben.
Ludwig.«
Bonaparte antwortete am 24. September: »Ich habe Ihren Brief erhalten, mein Herr! Ich danke Ihnen für die Artigkeiten, die Sie mir darin sagen. Sie können Ihre Rückkehr nach Frankreich nicht wünschen, denn Sie müßten auf hunderttausend Leichnamen einziehen. Opfern Sie Ihr Interesse der Ruhe und dem Glück Frankreichs, die Geschichte wird es Ihnen gutschreiben. Ich bin nicht fühllos gegen das Unglück Ihrer Familie und werde mit Vergnügen erfahren, daß Sie alles um sich haben, was Ihnen in Ihrer Zurückgezogenheit Ruhe gewähren kann.
Bonaparte.«
Um das Bild dieser Unterhandlungen vollständig zu machen, wollen wir noch den vielgenannten Brief, mit dem Ludwig XVIII. drei Jahre später seine Ansprüche auf den Thron Frankreichs festhielt, ins Gedächtnis rufen: »Ich verwechsle Herrn Bonaparte nicht mit seinen Vorgängern; ich schätze seinen Wert, seine militärischen Talente; ich weiß ihm für mehrere Verwaltungsmaßnahmen Dank, was man Gutes an meinem Volke tut, wird mir immer teuer sein, aber er täuscht sich, wenn er glaubt, er könne mich zum Aufgeben meiner Rechte bewegen, im Gegenteil, er würde sie, könnten sie jemals anfechtbar werden, durch den Schritt, den er in diesem Augenblick tut, selbst begründen. Mir ist unbekannt, was Gott über meinen Stamm und mich verhängt hat, aber ich kenne die Verpflichtungen, die er mir durch den Rang, worin er mich geboren werden ließ, auferlegte. Als Christ werde ich den Verpflichtungen bis zu meinem letzten Seufzer nachkommen, als Sohn des heiligen Ludwig werde ich mich, seinem Beispiel getreu, auch in den Fesseln zu achten wissen! als Nachfolger Franz des I. will ich wenigstens gleich ihm sagen können: »Wir haben alles verloren, nur die Ehre nicht!«
Endlich, am 9. Februar wurde der Vertrag von Lunéville unterzeichnet, der alle Bedingungen des Friedens von Campo Formio bestätigte. Alle auf dem linken Rheinufer gelegenen Staaten wurden neu an Frankreich abgetreten, die Etsch als Grenze der österreichischen Besitzungen festgesetzt, die Zisalpinische, Batavische und Helvetische Republik vom Kaiser anerkannt, endlich Toskana an Frankreich überlassen.
Die Republik war im Frieden mit der ganzen Welt, außer mit England, ihrem alten und ewigen Feind. Diesen beschloß Bonaparte mit einer gewaltigen Kundgebung in Schreck zu setzen. Ein Lager von 200 000 Mann wurde bei Boulogne angelegt, und eine ungeheure Menge flacher, zum Transport dieser Armee bestimmter Fahrzeuge in allen nördlichen Häfen Frankreichs zusammengebracht. England erschrak, und am 25. März 1802 wurde der Vertrag von Amiens unterzeichnet.
Unterdessen ging der Erste Konsul mit unvermerkten Schritten, doch rasch dem Throne entgegen, und Bonaparte machte sich allmählich zum Napoleon. Am 15. Juli 1801 unterzeichnete er ein Konkordat mit dem Papst; am 21. Januar 1802 nahm er den Präsidententitel der Zisalpinischen Republik an; am folgenden 2. August wurde er zum Lebenslänglichen Konsul ernannt; am 21. März 1804 ließ er den Herzog von Enghien in den Gräben von Vincennes erschießen.
Nachdem der Revolution dieses letzte Unterpfand gegeben war, wurde an Frankreich die große Frage gerichtet: »Soll Napoleon Bonaparte Kaiser der Franzosen sein?«
Fünf Millionen Unterschriften antworteten bejahend, und Napoleon stieg auf den Thron Ludwigs XVI. Nur drei Männer legten im Namen der Wissenschaft, dieser ewigen Republik, die keine Cäsaren hat und keinen Napoleon anerkennt, Verwahrung ein.
Diese Männer waren Lemercier, Ducis und Chateaubriand.
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