Alexander Dumas d. Ä.
Der Graf von Monte Christo. Vierter Band.
Alexander Dumas d. Ä.

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Die Fortschritte des Herrn Cavalcanti Sohn.

Herr Cavalcanti Vater war abgereist, um seinen Dienst wieder anzutreten, nicht in der Armee Seiner Majestät des Kaisers von Österreich, sondern an der Roulette der Bäder von Lucca, zu deren eifrigsten Kunden er gehörte. Es versteht sich von selbst, daß er gewissenhaft bis auf den letzten Heller die Summe mitgenommen hatte, die ihm für seine Reise und als Belohnung für die majestätische Art und Weise, wie er seine Vaterrolle gespielt, angewiesen worden war.

Andrea erbte bei dieser Abreise alle Papiere, die bestätigten, daß er wirklich die Ehre hatte, der Sohn des Marchese Bartolomeo und der Marchesa Oliva Corsinari zu sein.

Er hatte inzwischen gleichsam Anker geworfen in der Pariser Gesellschaft, die so leicht und nachsichtig die Fremden aufnimmt und sie nicht nach dem behandelt, was sie sind, sondern nach dem, was sie sein wollen. So nahm Andrea schon nach vierzehn Tagen eine recht hübsche Stellung ein; man nannte ihn Herr Graf, man sagte, er habe fünfzigtausend Franken Rente, und sprach von den ungeheuren Schätzen seines Vaters, die in den Steinbrüchen von Saravezza vergraben seien.

In dieser Zeit machte Monte Christo eines Abends einen Besuch bei Herrn Danglars. Dieser war ausgegangen; aber man schlug dem Grafen vor, ihn bei der Baronin anzumelden, was er auch annahm.

Seit dem Mittagsmahle in Auteuil und den Ereignissen, die darauf folgten, hörte Frau Danglars den Namen Monte Christo nie ohne nervöse Erregung aussprechen. Blieb dann der Graf in Person aus, so steigerte sich die schmerzliche Empfindung noch; erschien er dagegen, so zerstreuten sein offenes Gesicht, seine glänzenden Augen, seine Liebenswürdigkeit und Höflichkeit gar bald den letzten Eindruck von Furcht bei der Dame.

Als Monte Christo in das Boudoir trat, betrachtete die Baronin eben Zeichnungen, die ihr ihre Tochter hinreichte, nachdem diese sie mit Herrn Cavalcanti Sohn besehen hatte. Der Graf, von der Baronin nach Überwindung des ersten Schrecks bei Nennung seines Namens mit einem Lächeln begrüßt, übersah die ganze Szene mit einem Blicke. Neben der Baronin saß Eugenie in halb liegender Stellung auf einem Lehnsessel, und Cavalcanti stand vor ihr. Schwarz gekleidet mit lackierten Schuhen und durchbrochenen seidenen Strümpfen, fuhr sich der junge Mann mit einer ziemlich weißen und gepflegten Hand in seine blonden Haare, wobei ein Diamant an seiner Hand funkelte.

Diese Bewegung war von mörderisch verliebten Blicken auf Fräulein Danglars begleitet und von Seufzern, die sich an dieselbe Adresse richteten. Fräulein Danglars war immer dieselbe, das heißt schön, kalt und spöttisch. Kein Blick, kein Seufzer entging ihr, doch es war, als glitten sie am Panzer der Minerva ab.

Eugenie begrüßte den Grafen kalt, und sobald die Unterhaltung allgemein und etwas lauter wurde, benutzte sie dies, um sich in ihr Studierzimmer zurückzuziehen, wo bald zwei lachende Stimmen, vermischt mit den Akkorden eines Pianos, dem Grafen bewiesen, daß Fräulein Danglars seiner Gesellschaft und der des Herrn Cavalcanti die von Fräulein Luise d'Armilly, ihrer Gesanglehrerin, vorzog. Während der Graf mit Frau Danglars plauderte und sich ganz dem Reiz der Unterhaltung hinzugeben schien, bemerkte er doch die Unruhe des Herrn Andrea Cavalcanti, der, um zu horchen, bis an die Tür des Zimmers von Fräulein Eugenie ging, aber die Schwelle nicht zu überschreiten wagte.

Bald kehrte der Bankier zurück. Sein erster Blick galt Monte Christo, sein zweiter Andrea.

Haben Sie die Fräulein nicht eingeladen, mit Ihnen zu musizieren? fragte Danglars Andrea.

Nein, mein Herr, antwortete Andrea mit einem Seufzer, der noch auffälliger war als die früheren. Danglars ging sogleich zur Tür und öffnete sie, so daß man die beiden Mädchen auf demselben Sitze nebeneinander vor dem Piano sitzen sah. Fräulein d'Armilly besaß eine interessante Schönheit, oder vielmehr eine ausgesuchte Zierlichkeit. Es war eine kleine, feenartig schlanke und blonde Dame mit langen, gelockten Haaren, welche auf einen etwas zu gestreckten Hals fielen, und mit einem etwas matten, verschleierten Blick. Man sagte, sie habe eine schwache Brust und würde wie Antonia in der ›Cremoneser Geige‹ eines Tages beim Singen sterben.

Monte Christo warf einen raschen, neugierigen Blick in dieses Frauengemach; er sah zum ersten Male Fräulein d'Armilly, von der er so oft im Hause hatte sprechen hören.

Nun! fragte der Bankier seine Tochter, sind wir ausgeschlossen?

Dann führte er den jungen Mann in den kleinen Salon, und – war es nun Zufall, war es Absicht – hinter Andrea wurde die Tür so zugestoßen, daß Monte Christo und die Baronin von dem Orte, wo sie saßen, nichts mehr sehen konnten.

Bald darauf hörte der Graf Andreas Stimme zu den Akkorden des Klaviers ein korsisches Lied singen. Während der Graf lächelnd auf dieses Lied horchte, das ihn Andrea vergessen ließ und an Benedetto erinnerte, rühmte Frau Danglars die Seelenstärke ihres Mannes, der an demselben Morgen bei einem Bankerott in Mailand abermals 3-400 000 Franken verloren hatte. Und dieses Lob war in der Tat verdient; denn wenn es der Graf nicht durch die Baronin oder durch ein anderes ihm zu Gebot stehendes Mittel erfahren hätte, das Gesicht des Barons würde ihm kein Wort davon gesagt haben.

Gut! dachte Monte Christo, er ist bereits so weit, daß er verbirgt, was er verliert, während er sich vor einem Monat noch seiner Verluste rühmte.

Dann sagte der Graf laut: Oh! gnädige Frau, Herr Danglars kennt die Börse so gut, daß er dort stets wieder gewinnen wird, was er anderswo verlieren mag.

Ich sehe, daß Sie den allgemeinen Irrtum, Herr Danglars spiele, teilen. Das ist nicht der Fall.

Ach ja! das ist wahr. Gnädige Frau, ich erinnere mich dessen, was mir Herr Debray gesagt hat . . . Doch was ist eigentlich aus Herrn Debray geworden? Ich. habe ihn seit drei oder vier Tagen mit keinem Auge gesehen.

Ich auch nicht, sagte Frau Danglars mit der gelassensten Miene. Was haben Sie von Herrn Debray gehört?

Er hat mir gesagt, Sie selbst opferten dem Dämon des Spieles.

Ich gestehe, das Börsenspiel lockte mich eine Zeitlang; aber ich habe den Geschmack daran verloren.

Darin haben Sie unrecht, gnädige Frau. Mein Gott, die Wechselfälle des Glücks sind unberechenbar, und wäre ich ein Weib und zufällig Frau eines Bankiers geworden, so würde ich trotz allen Vertrauens zu meinem Manne mir doch ein unabhängiges Vermögen zu sichern suchen.

Frau Danglars errötete unwillkürlich.

Hören Sie, fuhr Monte Christo fort, als ob er nichts gesehen hätte, haben Sie gehört, wie gestern die Neapolitaner gestiegen sind?

Ich habe keine und habe nie welche gehabt, sagte rasch die Baronin; doch nun ist genug von der Börse gesprochen, Herr Graf, wir gleichen zwei Wechselagenten; reden wir lieber von den armen Villeforts, die in diesem Augenblick so sehr vom Unglück heimgesucht werden.

Was ist ihnen denn widerfahren? fragte Monte Christo mit gutgespielter Unwissenheit.

Sie wissen doch, daß sie nach dem plötzlichen Tode des Herrn von Saint-Meran auch die Marquise drei Tage nach ihrer Ankunft verloren haben.

Ah! es ist wahr, versetzte Monte Christo, ich habe davon gehört; doch das ist, wie Claudius zu Hamlet sagt, das Gesetz der Natur: ihre Väter sind vor ihnen gestorben, und sie haben sie beweint; sie werden vor ihren Söhnen sterben, und ihre Söhne werden sie beweinen.

Doch das ist noch nicht alles. Sie wissen doch, daß sie ihre Tochter verheiraten wollten? An Herrn Franz d'Epinay. – Hat die Heirat nicht stattgefunden? – Gestern morgen hat ihnen Franz, scheint es, ihr Wort zurückgegeben. – Ah! wirklich . . . Kennt man die Ursache dieses Bruches? – Nein. – Und wie nimmt Herr von Villefort alle diese Unglücksfälle auf? – Wie immer, als Philosoph.

In diesem Augenblick kehrte Danglars zurück.

Wie! rief die Baronin, Sie lassen Herrn Cavalcanti mit Ihrer Tochter allein?

Und als was sehen Sie denn Fräulein d'Armilly an? erwiderte der Bankier und bemerkte sodann, sich an Monte Christo wendend: Ein reizender junger Mann, nicht wahr, Herr Graf, dieser Prinz Cavalcanti? Nur fragt es sich, ob er wirklich Prinz ist?

Ich stehe nicht dafür. Man hat mir seinen Vater als Marquis vorgestellt; demnach wäre er Graf. Doch ich glaube nicht, daß er sich viel auf seinen Titel einbildet.

Warum? Wenn er Prinz ist, so hat er unrecht, sich dessen nicht zu rühmen. Jedem sein Recht! Ich liebe es nicht, daß man seinen Ursprung verleugnet.

Aber sehen Sie, welcher Unannehmlichkeit Sie sich aussetzen, sagte die Baronin. Wenn Herr von Morcerf zufällig käme, so würde er Herrn Cavalcanti in einem Zimmer finden, in das er, der Bräutigam, nie eintreten durfte.

Sie tun recht, zufällig zu sagen, erwiderte der Bankier, denn man sieht ihn so selten, daß es in der Tat nur der Zufall zu sein scheint, der ihn zu uns führt.

Wenn er aber käme und diesen jungen Mann bei Ihrer Tochter träfe, so würde er mit Recht darüber aufgebracht sein.

Er! mein Gott, Sie täuschen sich; Herr Albert tut uns nicht die Ehre an, eifersüchtig auf seine künftige Frau zu sein, dazu liebt er sie nicht genug. Was liegt mir auch daran, ob er aufgebracht ist oder nicht.

Doch bei dem Verhältnis, in dem wir zu einander stehen . . .

Wollen Sie wissen, in welchem Verhältnis wir stehen? Auf dem Balle seiner Mutter tanzte er ein einziges Mal mit meiner Tochter, während Herr Cavalcanti dreimal mit ihr tanzte, und er hat es gar nicht bemerkt.

Der Herr Vicomte Albert von Morcerf, meldete der Kammerdiener.

Die Baronin stand rasch auf. Sie wollte ihre Tochter schnell benachrichtigen, aber Danglars hielt sie am Arme zurück und sagte:

Lassen Sie das!

Sie schaute ihn erstaunt an. Monte Christo stellte sich, als hätte er dieses Zwischenspiel nicht bemerkt.

Albert trat ein; er war sehr schön und sehr heiter, grüßte die Baronin mit Leichtigkeit, Danglars mit Vertraulichkeit, Monte Christo mit Liebe und sagte sodann, sich wieder zur Baronin wendend: Wollen Sie mir erlauben, mich bei Ihnen nach dem Befinden von Fräulein Danglars zu erkundigen?

Sie befindet sich sehr wohl, antwortete rasch Danglars, sie musiziert soeben in ihrem kleinen Salon mit Herrn Cavalcanti.

Albert behielt seine ruhige, gleichgültige Miene; er empfand vielleicht einen inneren Ärger, aber er fühlte Monte Christos Blick auf sich geheftet und bezwang sich.

Herr Cavalcanti hat eine sehr schöne Tenorstimme, sagte er, und Fräulein Danglars einen prachtvollen Sopran. Es muß ein entzückendes Konzert sein.

Sie stimmen allerdings vortrefflich zusammen, sagte Danglars.

Ich bin auch musikalisch, wenigstens wie meine Lehrer sagten, fuhr der junge Mann fort; doch seltsamerweise konnte ich meine Stimme nie mit einer andern Stimme in Einklang bringen.

Danglars lächelte auf eine Weise, die wohl bedeuten sollte: Ärgere dich doch! Dann sagte er laut: Der Prinz und meine Tochter haben auch gestern die allgemeine Bewunderung erregt. Waren Sie gestern nicht hier, Herr von Morcerf?

Welcher Prinz? fragte Albert.

Der Prinz Cavalcanti, erwiderte Danglars, der dem jungen Italiener hartnäckig diesen Titel gab.

Verzeihen Sie, ich wußte nicht, daß er Prinz ist. Also der Prinz Cavalcanti hat gestern mit Fräulein Eugenie gesungen! Das muß in Wahrheit entzückend gewesen sein, und ich bedaure lebhaft, es nicht gehört zu haben. Doch ich konnte Ihrer Einladung nicht entsprechen, da ich Frau von Morcerf zur Baronin Chateau-Renaud, wo die Deutschen sangen, begleiten mußte.

Dann wiederholte er nach einem Stillschweigen: Wird es mir erlaubt sein, Fräulein Danglars meine Achtung zu bezeigen?

Oh! warten Sie, warten Sie, ich bitte Sie, erwiderte der Bankier, den jungen Mann zurückhaltend, hören Sie die köstliche Cavatine: Ta, ta, ta, ti, ta, ti, ta, ta; es ist entzückend, sie sind sogleich fertig . . . nur eine Sekunde, vortrefflich! Bravo! bravi! brava!

Und der Bankier fing an, wie wütend Beifall zu klatschen.

In der Tat, rief Albert, das ist vortrefflich, und man kann unmöglich die italienische Musik charakteristischer wiedergeben als der Prinz Cavalcanti. Nicht wahr, Sie sagten Prinz? Wenn er übrigens nicht Prinz ist, so wird man ihn schon noch dazu machen, denn das hält in Italien nicht schwer. Doch um auf unsere anbetungswürdigen Sänger zurückzukommen . . . Sie sollten uns das Vergnügen machen, Herr Danglars, Fräulein Danglars und Herrn Cavalcanti, ohne etwas von der Anwesenheit eines Fremden zu sagen, zu bitten, ein anderes Stück anzufangen. Es ist so köstlich, die Musik zu genießen, ohne daß man sieht, oder gesehen wird, und folglich, ohne den Musiker zu beengen, der sich ganz dem Instinkt seines Genies oder dem Ergusse seines Herzens überlassen kann.

Diesmal wurde Danglars durch das Phlegma des jungen Mannes aus dem Sattel gehoben. Er nahm Monte Christo beiseite und sagte zu ihm: Nun, was denken Sie von unserem Verliebten?

Verdammt, er kommt, mir ziemlich kalt vor; doch, was wollen Sie? Sie haben sich nun einmal verbindlich gemacht!

Allerdings habe ich mich verbindlich gemacht, aber nur, meine Tochter einem Manne zu geben, der sie liebt, und nicht einem Manne, der sie nicht liebt. Sehen Sie ihn an, er ist kalt wie Marmor, stolz wie sein Vater. – Wenn er noch reich wäre, wenn er das Vermögen der Cavalcanti besäße, könnte man darüber hinwegsehen! Meiner Treu, wenn meine Tochter jedoch einen guten Geschmack hätte . . .

Ich weiß nicht, ob meine Freundschaft für ihn mich verblendet, erwiderte Monte Christo, doch ich versichere Ihnen, Herr von Morcerf ist ein liebenswürdiger junger Mann, der Ihre Tochter glücklich machen und früher oder später etwas erreichen wird; denn die Stellung seines Vaters ist im ganzen ausgezeichnet.

Hm! machte Danglars.

Warum dieser Zweifel?

Es ist da immer noch die Vergangenheit . . . die dunkle Vergangenheit.

Doch die Vergangenheit des Vaters geht den Sohn nichts an. – Warum nicht?

Seien Sie nicht eigensinnig! Vor einem Monat fanden Sie diese Verbindung vortrefflich. Sie begreifen, ich bin in Verzweiflung, denn bei mir haben Sie diesen Cavalcanti gesehen, den ich, ich wiederhole es, nicht kenne.

Ich kenne ihn, das genügt.

Sic kennen ihn? Haben Sie Erkundigungen über ihn eingezogen?

Bedarf es deren? Weiß man nicht beim ersten Blicke, mit wem man es zu tun hat? . . . Einmal ist er reich. – Ich kann keine Versicherung hierüber geben.

Sie haften doch für ihn? – Bis fünfzigtausend Franken, eine Lappalie.

Er hat eine ausgezeichnete Erziehung. – Hm!

Er ist musikalisch. – Alle Italiener sind das.

Hören Sie, Graf, Sie sind nicht gerecht gegen diesen jungen Mann.

Ja, ich gestehe es; da ich Ihre Verbindlichkeit Herrn Morcerf gegenüber kenne, sehe ich zu meinem Schmerze, daß er so dazwischentritt und sein Vermögen mißbraucht!

Danglars schlug ein Gelächter auf und rief: Was für ein Puritaner Sie sind! Das kommt täglich vor.

Sie können aber doch so nicht brechen, lieber Danglars; die Morcerf rechnen auf diese Heirat.

Sie rechnen darauf? – Bestimmt.

Dann mögen sie sich erklären. Sie, Herr Graf, sollten ein paar Worte hierüber bei dem Vater fallen lassen, da Sie im Hause so gut angeschrieben sind.

Ich? zum Teufel, wo haben Sie das gesehen?

Auf ihrem Balle, mir scheint. Wie! die Gräfin, die stolze Mercedes, die hochmütige Katalonierin, die sich kaum herabläßt, den Mund für ihre ältesten Bekannten zu öffnen, hat Sie am Arme genommen, ist mit Ihnen in den Garten und in die kleinen Alleen gegangen und erst nach einer halben Stunde zurückgekommen!

Ah! Baron, Baron, unterbrach Albert das leise geführte Gespräch, Sie hindern uns, zu hören; wie kann ein Musikfreund wie Sie so barbarisch sein!

Gut, gut, Herr Spötter, rief Danglars und fügte leise, zu Monte Christo gewandt, hinzu: Sie übernehmen es, dies dem Vater zu sagen?

Gern, wenn Sie wünschen.

Doch es muß bestimmt und unumwunden geschehen; er soll meine Tochter von mir verlangen, eine Zeit festsetzen, seine pekuniären Bedingungen nennen, damit man sich verständigt oder nicht verständigt, aber Sie begreifen, Aufschub gibt es nicht mehr!

Gut, ich werde den Schritt tun.

Ich sage nicht, daß ich ihn mit Vergnügen erwarte, aber ich erwarte ihn. Sie wissen, ein Bankier muß der Sklave seines Wortes sein. Hier stieß Danglars einen Seufzer aus.

Bravo! bravo! bravo! rief Morcerf, den Bankier parodierend und am Schlusse des Stückes Beifall klatschend.

Danglars schaute Albert erstaunt von der Seite an, als ein Diener eintrat und ihm ein paar Worte zuflüsterte.

Ich komme zurück, sagte der Bankier zu Monte Christo, erwarten Sie mich, ich habe Ihnen vielleicht sogleich etwas zu sagen. Und er ging hinaus.

Die Baronin benutzte die Abwesenheit ihres Mannes, um die Tür des Zimmers ihrer Tochter wieder aufzustoßen, worauf man Andrea, der mit Fräulein Danglars vor dem Klavier saß, wie eine Feder aufspringen sah.

Albert verbeugte sich lächelnd vor Fräulein Danglars, die ihm ohne jede Verlegenheit, wie gewöhnlich, einen kalten Gruß zurückgab.

Cavalcanti war sichtbar verlegen; er grüßte Morcerf, der seine Begrüßung mit geringschätzender Miene erwiderte und sich sodann in den ausgesuchtesten Lobeserhebungen über Fräulein Danglars' Stimme erging.

Nun haben wir genug Musik und Komplimente gehabt, sagte Frau Danglars; wir wollen den Tee nehmen.

Komm, Luise, sagte Fräulein Danglars zu ihrer Freundin, worauf alle in den anstoßenden Salon gingen, in dem schon der Tee bereit stand.

In dem Augenblick, als man sich niedersetzte, öffnete sich die Tür wieder, und Danglars erschien sichtlich bewegt.

Auf einen fragenden Blick des Grafen erwiderte der Bankier: Ich habe einen Kurier von Griechenland bekommen.

Ah! ah! deshalb hat man Sie gerufen!

Wie geht es König Otto? fragte Albert munter.

Danglars schaute ihn von der Seite an, ohne ihm zu antworten, und Monte Christo wandte sich ab, um den Ausdruck des Mitleids zu verbergen, der auf seinem Gesichte hervortrat, bald aber wieder verschwand.

Nicht wahr, wir gehen miteinander? fragte Albert den Grafen.

Ja, wenn Sie wollen, antwortete dieser.

Albert verstand den Blick des Bankiers nicht und sagte erstaunt zu Monte Christo, der ihn vollkommen verstanden hatte: Haben Sie gesehen, wie er mich anschaute, und was will er mit seinen Nachrichten aus Griechenland sagen?

Wie soll ich das wissen?

Ich setze voraus, Sie stehen in einer gewissen Beziehung zu diesem Lande.

Monte Christo lächelte, wie man lächelt, wenn man sich einer Antwort überheben will.

Sehen Sie, er nähert sich Ihnen, sagte Albert; ich will Fräulein Danglars ein Kompliment über ihre Kamee machen, inzwischen hat der Vater Zeit, mit Ihnen zu sprechen.

Wollen Sie ihr ein Kompliment machen, so tun Sie es wenigstens über ihre Stimme, versetzte Monte Christo.

Nein, das tut jeder.

Mein lieber Vicomte, erwiderte Monte Christo, Ihr Benehmen kommt mir etwas sonderbar vor.

Albert trat mit lächelnden Lippen auf Eugenie zu.

Inzwischen neigte sich Danglars dem Grafen zu und flüsterte: Sie haben mir einen guten Rat gegeben, es liegt eine ganz furchtbare Geschichte in den Worten: Fernand und Janina. – Ah! bah!

Ja, ich werde es Ihnen erzählen; doch nehmen Sie den jungen Mann mit! Es wäre mir unangenehm, mit ihm zusammen zu bleiben.

Er begleitet mich; muß ich Ihnen immer noch den Vater schicken? – Mehr als je.

Gut.

Der Graf machte Albert ein Zeichen.

Beide verbeugten sich vor den Damen und gingen weg, wobei Albert sich Fräulein Danglars' geringschätzender Art gegenüber völlig gleichgültig verhielt, während Monte Christo Frau Danglars seine Ratschläge wiederholte, wie sich die Frau eines Bankiers klüglich ihre Zukunft sichern müßte.

Andrea Cavalcanti blieb Herr des Schlachtfeldes.


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