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Mittlerweile hatte sich der Papst bereits tatsächlich von der Wichtigkeit der Gesellschaft Jesu überzeugt. Der Ruf von der Frömmigkeit, Sittenstrenge, Feinheit und Bildung der Jesuiten war von Italien aus, wo sie zuerst eifrig und mit dem größten Erfolge für Sittenverbesserung gewirkt, in viele Länder gedrungen. So auch nach Portugal zu den Ohren des Königs Johann III., welcher von Eifer brannte, die heidnischen Völkerschaften in Indien zum Christentum zu bekehren. Deshalb schrieb er nach Rom und erbat sich mehrere Jünger Loyolas zur Ausführung jenes gottgefälligen Werkes. Dies war noch vor der Bestätigung des Ordens durch den Papst. Sogleich fuhren Franz Xaver und Simon Rodriguez nach Portugal und gewannen dort in Kürze das Vertrauen des Königs in einem solchen Grade, daß er sie gar nicht nach Indien fortlassen, sondern an seinem Hofe behalten wollte. Rodriguez blieb auch wirklich dort und benutzte seinen Einfluß auf den König mit so großer Klugheit, daß der Jesuitenorden in Portugal festen Fuß faßte und sich in kurzer Frist außerordentlich ausbreitete; der König ließ in Coimbra für die neuankommenden Mitglieder (und deren waren bald an zweihundert) ein prachtvolles Kollegium erbauen.
Franz Xaver aber war ganz und gar von dem Gedanken der Heidenbekehrung begeistert und wollte diesem Zwecke, welcher ihm als der heiligste erschien, sein Leben bis auf den letzten Blutstropfen weihen. Er segelte, mit großen Vollmachten des Papstes und des Königs von Portugal ausgerüstet, von Lissabon nach Ostindien, kam im Mai des Jahres 1542 in der Hauptstadt Goa an, wo das Christentum schon eingeführt war, und trat dort als päpstlicher Legat auf. Mit hohem Eifer und mit erstaunlicher Beharrlichkeit betrieb dieser tüchtige tatkräftige Mann sein Werk von Grund aus. Vor allem lernte er die Landessprache und pflegte die Armen und Kranken. Sodann zog er mit einer Glocke umher, daß die Kindlein zu ihm herankamen, und unterwies sie, mild und treu wie ein Vater, im christlichen Glauben. Hierauf predigte er dem Volke, und es gelang ihm, viele alte Landesbräuche abzuschaffen, welche gegen die christliche Sittenlehre verstießen. Dann zog er nach der Perlenküste, nach Travankor, Cochin, Ceylon, Mallacca, Amboina und Ternate und taufte die Heiden zu Tausenden. Zu seinem Beistand kamen immer mehr seiner Ordensbrüder aus Europa nach Asien und schafften an seinem Werke weiter, und auch die Neubekehrten verwendete man zum Dienste der Gesellschaft Jesu. Das Kollegium zu Goa umfaßte 120 Mitglieder. Xavers kühner Geist schreckte vor keiner Schwierigkeit zurück und entwarf rastlos die gewaltigsten Pläne. Als er einmal einen Flüchtling aus Japan zum Christentum bekehrt hatte, beschloß er in dieses mächtige Reich einzudringen und es für die römisch-katholische Kirche geistlich zu erobern. Im Jahre 1549 kam er nach Japan, erlernte die Landessprache, nahm die Tracht und die Bräuche des Landes an und begann danach wirklich, das Christentum zu verbreiten. Endlich faßte er auch den kühnen Plan, in China die Fahne Christi aufzupflanzen. Das ist ein gar großes wunderbares Reich, seit Jahrtausenden streng nach außen abgeschlossen, und allen Ausländern bei Todesgefahr unzugänglich. Aber einen Mann, wie Franz Xaver, schreckte das nicht. Ungeachtet aller Bitten und Warnungen seiner Freunde, beschloß der begeisterte Glaubensprediger nach China vorzudringen. Es war ihm nicht mehr vergönnt. Auf der kleinen Insel Sancian ergriff ihn ein hitziges Fieber und er starb am 2. Dezember 1552, noch in den letzten Zügen einzig und allein von Gedanken an sein Werk erfüllt; ein Mann, wie es wenige seinesgleichen gegeben hat an Begeisterung, Tatkraft und Beharrlichkeit. Die römische Kirche hat ihn (1623) heilig gesprochen. Zur selben Zeit, als Xaver in Japan wirkte, drangen mehrere seiner Ordensbrüder als Glaubensboten in Amerika vor und suchten die Wilden in Brasilien zu bekehren, ein hartes und gefahrvolles Werk!
Indessen hatte die Zahl der Ordensmitglieder von Jahr zu Jahr erstaunlich zugenommen; und sie verbreiteten sich über ganz Europa, um den römisch-katholischen Glauben wieder herzustellen, aber nicht überall hatten sie gleich anfangs günstigen Erfolg. So waren die Väter Salmeron und Broet mit päpstlichen Freibriefen nach Irland gefahren, um den bedrohten römischen Katholizismus aufrechtzuerhalten; denn Irland hatte das Beispiel des benachbarten Englands vor Augen, welches erst vor kurzem von der römischen Kirche abgefallen war. Aber jene beiden Männer betrieben ihr Geschäft mit allzugroßem Hochmut und mit solcher Gewalt, daß sie das Volk dadurch gegen sich aufbrachten, und unverrichteter Dinge von dannen flüchten mußten. Eben so wenig gelang es den Jesuiten damals in Frankreich festen Fuß zu fassen. Sie wurden verjagt und zogen nach Löwen in den Niederlanden; dort glückte es ihnen, sich anzusiedeln. Auch in Spanien hatten sie anfangs mit großem Widerspruch zu kämpfen; denn die dortige Geistlichkeit hielt ihre Glaubenslehren für verdächtig und ihr Wirken für gefährlich. Aber ein vornehmer und mächtiger Mann, Franz Borgia, Herzog von Gandia, nahm sich ihrer eifrig an und ließ sich selbst in die Gesellschaft Jesu aufnehmen. Die Jesuiten hielten sich nun hauptsächlich an den königlichen Hof und an den Adel, und gewannen beide ganz und gar durch ihren glühenden Eifer für die Erhaltung des reinen römischen Katholizismus; denn dies gefiel den feurigen, schwärmerischen Spaniern gar wohl. Aber der Hauptschauplatz ihres Wirkens und die feste Grundlage ihrer Macht blieb Italien. In diesem Land residierte der General, welcher die ganze Maschine des Ordens mit gewaltiger Hand lenkte; Italien war der Mittelpunkt des ungeheuren Gewebes von Herrschaft und Bekehrungen; von Italien aus verspannen sich die tausend und abertausend Fäden dieses Gewebes über den ganzen Erdkreis. In Deutschland, wo die Reformation entsprungen, war das Wirken der Jesuiten für den römischen Hof besonders wichtig und sie hatten dort keine geringe Aufgabe zu erfüllen. Nicht bloß einen offenen Kampf hatten sie gegen den Protestantismus, gegen die Glaubens- und Denkfreiheit auszufechten, welche von vielen edlen deutschen Fürsten mutig verteidigt wurde, nein, die immer frisch sprudelnde Quelle selbst mußten sie verstopfen, weil sie den Strom nicht mehr aufhalten konnten, welcher schon so viele Tausende von Rom weggerissen hatte; sie mußten planmäßig den freien Geist der Nation abstumpfen, dumm machen, langsam töten; sie mußten das heranwachsende junge Geschlecht durch Erziehung, Lehren und Grundsätze zu ihren blinden Knechten bilden. Ja sie mußten sich sogar derselben Waffe bedienen, wie die Protestanten, nämlich der Gelehrsamkeit, weil sie den Drang des deutschen Geistes nach Erforschung der Wahrheit wohl erkannten und ganz gut einsahen, daß sie durch offenes Dagegenstreben alles Zutrauen verlieren würden; aber sie mußten anderseits von der Gelehrsamkeit nur die toten Formen entlehnen, diese aufs kunstreichste ausbilden und als höchstes Ziel hinstellen, um den Geist darin zu verfangen, und durch den trügerischen Schein der Wahrheit zufrieden zu stellen; und, indem sie den Geist so unter ihrer Vormundschaft hielten, mußten sie andererseits die Einbildungskraft entflammen, und dieser ein Übergewicht über den Verstand und über das Gemüt zu verschaffen suchen. Dies war die Aufgabe der Jesuiten in Deutschland. Es kam ihnen dabei gut zustatten, daß die religiöse Spaltung zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland zugleich eine politische geworden war, und daß die katholischen Fürsten von der Verbreitung des Protestantismus in ihren Ländern auch Gefahr für ihre Herrschaft befürchteten. Deshalb waren ihnen die Jesuiten als eifrige Helfer willkommen. Die ersten Jesuiten kamen mit päpstlichen Gesandtschaften nach Deutschland, zu den Religionsgesprächen in Worms und Regensburg; nämlich Le Jay und Bobadilla; Kurfürst Albert von Mainz nahm sich in Deutschland des Ordens zuerst an, und bald berief der streng romgläubige Herzog Wilhelm IV. von Bayern die Väter Le Jay, Salmeron und Peter Canisius (aus Nymwegen) in sein Land, um darin die Keime der Reformation zu ersticken. Jene drei Männer kamen 1549 nach Ingolstadt und eröffneten auf der dortigen Universität ihre Vorlesungen; Peter Canisius wurde 1559 zum Rektor derselben ernannt. Herzog Wilhelm IV. stiftete ihnen dort ein Kollegium. Sein Sohn, Herzog Albrecht V., begünstigte sie ebensosehr und übertrug ihnen die Zensur über alle Druckschriften. Im Jahre 1556 kamen 18 Jesuiten nach Ingolstadt und legten bald danach den festen Grund zu ihrer Herrschaft. Im Schutze des Hofes, im Besitze der Universität und im Besitze der Zensur, gewannen jene feingebildeten, weltklugen und gelehrten Ordensmänner allmählich großen Einfluß auf das ganze Volk, hielten die religiöse Entwicklung desselben unwiderstehlich auf und machten Bayern zum Bollwerk gegen die Reformation, zum Herd des römischen Katholizismus in Deutschland. Nach Wien kamen die Jesuiten im Jahre 1551, als die Reformation in Österreich bereits zahlreiche Anhänger sowohl unter dem Adel, als unter dem Volke gefunden hatte. Um nun dem entgegen zu arbeiten, hatte der römische König (spätere Kaiser) Ferdinand I., welchen sein Beichtvater, der Bischof Urban von Laibach, auf sie aufmerksam gemacht hatte, an Ignaz von Loyola selbst geschrieben. Daraufhin kamen nun, nach der schnell getroffenen Übereinkunft, Le Jay und 12 seiner Ordensbrüder, und erhielten von Ferdinand anfänglich bloß Wohnung und Unterhalt, bald auch die Universität. Sie begannen ihr Werk mit dem größten Eifer, besonders Peter Canisius, welcher (1552) von Ingolstadt herbeigekommen war. Dieser erkannte, wie wichtig der lutherische Katechismus als gemeinsamer Inbegriff aller Glaubenslehre für die Verbreitung der Reformation war, und schrieb nun deshalb (1554) zum Jugendunterricht und zum Nutzen des gemeinen Mannes einen katholischen Katechismus (einen großen und einen kleinen), dessen Gebrauch durch eine landesfürstliche Verordnung angeordnet wurde und welcher in der Folge einen ungeheuren Einfluß auf die Wiederherstellung und Befestigung des römisch-katholischen Glaubens ausgeübt hat. Mit der größten Selbstverleugnung und Standhaftigkeit stellten sich die Jesuiten in Wien und Österreich dem Haß des protestantischen Adels entgegen und überwanden überhaupt alle Widerwärtigkeiten, welche ihnen im Wege standen. Bald errichteten sie in den Provinzen Erziehungsanstalten und, wie sie ihre wachsende Macht fühlten, fingen sie an, alle Nichtkatholiken heimlich und offen zu verfolgen. In diesem Geschäfte zeichnete sich besonders Canisius aus und machte sich dadurch so verhaßt, daß man ihn nur den »canis austriacus« (den österreichischen Hund) nannte.
Auch in Böhmen fanden sie im Jahre 1556 Eingang, gründeten ein Kollegium in Prag und erhielten sogar die dortige Universität, wie die zu Wien. Im Jahre 1561 erhielten sie ein Kollegium zu Tyrnau in Ungarn; bald setzten sie sich auch in Mähren, in Olmütz und Brünn fest. In Köln hielt es ihnen anfangs schwer, Eingang zu finden, weil dort die Reformation in den Gemütern eines großen Teils der Bevölkerung Wurzel zu schlagen begonnen hatte; der Erzbischof Hermann von Wied war derselben keineswegs abgeneigt; denn dieser aufgeklärte Prälat sah wohl ein, daß das wahre Interesse der katholischen Kirche durch Abschaffung alter Mißbräuche und zeitgemäße Verbesserungen bei weitem mehr gefördert würde, als durch Zwangsmaßregeln und Verdummung des Volkes. Aber nicht minder energisch war jene Partei in der Stadt, welche alles daran setzte, um den Katholizismus aufrecht zu erhalten und zwar insbesondere die Universität als Pflanzschule des römisch-katholischen Glaubens zu bewahren. Die Jesuiten erkannten und benutzten dies, und es gelang ihnen wirklich, im Jahre 1556 die Universität zu erhalten. Ebenso ließen sie sich in Trier, Mainz und Aschaffenburg u. s. w. nieder; in Trier eröffneten sie ihr Kollegium 1561. Ignaz von Loyola aber hatte schon beizeiten sein Augenmerk auf Deutschland gerichtet und deshalb (1552) in Rom ein eigenes Kollegium gestiftet, in welchem junge Deutsche unter seinen Augen im Geiste des Ordens erzogen werden sollten, um nachher die Grundsätze desselben als rüstige Streiter in ihrem Vaterland zu verfechten.
Loyola lebte überhaupt einzig und allein für den Orden, und entwickelte jetzt eine Verstandeskraft, welche ebenso groß war, wie ehemals seine Schwärmerei, und wie immer seine Charakterstärke. In gleichem Grade, wie der Orden immer mehr Mitglieder und äußere Anerkennung gewann, sich weiter ausbreitete und durch rastlose Wirksamkeit tiefer ins Staats- und Völkerleben eingriff, im gleichen Grade war Loyola darauf bedacht, die Existenz des Ordens auch innerlich zu befestigen, die Verfassung desselben auszubilden, etwaige Mängel zu beseitigen, und ihm überhaupt eine immer größere Selbstständigkeit zu erringen. Da sich nun der Papst tagtäglich mehr von dem Eifer des Ordens und von dessen Wichtigkeit für den römischen Stuhl überzeugte, so verlieh er dem Orden gern viele Privilegien, eine kostbarer als die andere, um das Interesse desselben dauernd und unauflöslich an sein eigenes zu knüpfen. So hob Paul III. schon im Jahre 1543 seine frühere Bestimmung auf: »daß der Orden nicht mehr als 60 Mitglieder haben dürfte,« und gestattete, deren so viel aufzunehmen, als der General für gut finde; ferner erlaubte er demselben, ohne vorhergehende besondere päpstliche Genehmigung neue Ordensgesetze abzufassen und frühere nach Zeit und Umständen zu verändern. Zwei Jahre später ermächtigte er die Jesuiten: allerorten, sei es in Kirchen oder unter freiem Himmel, zu predigen, von allen Sünden zu absolvieren, vor Sonnenaufgang und Nachmittag Messe zu lesen, und die Sakramente zu spenden; dies alles ohne besondere Erlaubnis der Bischöfe und Pfarrer, in deren Kirchensprengeln sie sich befänden. Danach bestätigte er (1546) eine sehr wichtige neue Einrichtung, welche Loyola damals getroffen hatte. Bis dahin bestand nämlich der Orden nur aus zwei Klassen von Mitgliedern, aus solchen, welche alle vier Gelübde abgelegt hatten, oder sogenannten »Professen,« und aus Schülern. Da nun immer mehr Menschen in den Orden aufgenommen werden wollten, welche sich doch entweder wegen ihres Alters oder wegen ihres Standes weder zu Schülern, noch zu Professen eigneten, so errichtete Loyola eine dritte Klasse von Mitgliedern, die der sogenannten Mithelfer oder »Koadjutoren.« Diese hatten bloß drei Gelübde abzulegen, das der Keuschheit, das der Armut und das des Gehorsams; und solcher Koadjutoren sollte es fortan sowohl geistliche, als auch weltliche geben. So gewann der Orden immer mehr das Wesen und die Ausbildung eines in Stände gegliederten monarchistischen Staates und Loyola betrieb beim päpstlichen Stuhl unablässig, daß das strenge monarchistischsche Prinzip desselben, welches in der Würde des Generals enthalten war, immer mehr völlige Unumschränktheit erreichte. Die Gebote des Generals sollten als ebenso heilig und unfehlbar gelten, wie die des Papstes. So brachte es Loyola dahin, daß das von ihm verfaßte Buch: »Die geistlichen Übungen« zur Bildung aller neu im Orden Aufgenommenen, welches vom Erzbischof von Toledo angefochten worden war, im Jahre 1548 durch eine päpstliche Bulle gutgeheißen und empfohlen, ja daß sogar jeder Zweifel daran mit den schwersten Kirchenstrafen belegt ward. Ein Jahr später (1549) erwirkte der rastlos tätige Loyola vom Papste Paul III. eine neue wichtige Bulle zugunsten des Ordens. Der Hauptinhalt aller in dieser Bulle enthaltenen Privilegien betraf zwei Punkte, nämlich erstens: die Befreiung des Jesuitenordens von aller bischöflichen und pfarrlichen Gewalt, und zweitens: die unumschränkt-monarchistische, ja despotische Verfassung desselben. Beide Bestimmungen hingen aufs innigste zusammen; denn wenn der Papst ein ihm unbedingt ergebenes geistliches Heer haben wollte, so mußte dies von jeder Zwischenmacht in der Hierarchie völlig unabhängig und zugleich auch streng militärisch organisiert sein. Die einzelnen Bestimmungen jener päpstlichen Bulle waren folgende: Kein Bischof durfte Jesuiten exkommunizieren. Diese hingegen durften sogar dann Gottesdienst halten, wenn ein Land mit dem päpstlichen Interdikt belegt war, währenddessen sonst kein andrer Geistlicher Gottesdienst halten durfte. Ebenso brauchten weder der General, noch die unter ihm stehenden Ordensobern irgend einem Bischof oder Prälaten Mitglieder des Jesuitenordens zu geistlichen Verrichtungen überlassen, und, wenn sie dies auch taten, so mußten die Mitglieder doch stets unter der Gewalt ihrer Ordensobern bleiben. Sodann sollte der Ordensgeneral immer eine völlig unbeschränkte Gewalt haben, sowohl in Regierungssachen, als auch über alle Ordensmitglieder. Über die Ordensregeln gab es kein Klagerecht auf Erden. Der Ordensgeneral oder seine Bevollmächtigten durften jeden, der in irgend einer Art dem Orden angehörte, von jeder Sünde absolvieren, auch sogar Exkommunikationen aufheben, und von allen kirchlichen Strafen Dispens erteilen. Ein anderes sehr wichtiges Mittel, wodurch sich der Jesuitenorden als unabhängige Macht behaupten konnte, war das Gebot, daß Jesuiten nur in ihrem Orden, d. h. bloß Angehörigen desselben beichten, und aus demselben in keinen andern Orden, außer den der Kartäuser übertreten durften, in welchem ewiges Schweigen Ordensregel war. Auf der andern Seite hatten jedoch der General und seine Bevollmächtigten das Recht, Mitglieder des Ordens auszustoßen und gefangen zu halten. Ohne Bewilligung des Ordensgenerals durfte ferner kein Jesuit außerhalb des Ordens irgendwelche höhere geistliche Würden (z. B. bischöfliche) annehmen; angeblich aus Demut, eigentlich aber, damit das absolut-monarchistische Prinzip des Ordens nicht gefährdet wurde. Ferner wurde in jener Bulle jede Schenkung an den Orden für heilig und unwiderruflich erklärt und wurden alle Besitzungen desselben von jedem Zehnten (selbst dem päpstlichen) befreit. Endlich durfte der General oder sein Bevollmächtigter jedermann ohne Unterschied, selbst Verbrecher, in den Orden aufnehmen und ihnen die Priesterweihe erteilen, nach eigenem Gutdünken Koadjutoren in unbestimmter Zahl zuziehen und den Professen erlauben, ihr viertes Gelübde auch außerhalb Roms abzulegen.
Der Papst Julius III., der Nachfolger des Paul III., bestätigte (1550) die Gesellschaft Jesu mit allen ihren Vorrechten und gab ihr noch neue dazu. Er berechtigte nämlich die Ordensobern: Studenten, welche zur Gesellschaft gehörten, alle akademischen Würden zu verleihen. In Folge dieses Vorrechts konnte nun der Jesuitenorden auch allen feindseligen Einfluß der Universitäten bekämpfen, ja er bekam diese ganz in seine Hand und hatte dadurch zugleich volle Gewalt, sich auch fürs Welt- und Staatsleben lauter künftige Männer in seinem Geiste, von seinen Grundsätzen, zu seinen Zwecken, lauter einstige Freunde und Verteidiger zu bilden.
So hatte sich der Jesuitenorden durch sein rastloses und erfolgreiches Wirken für das Papsttum das unbegrenzte Vertrauen der Päpste und dadurch eine Macht erworben, welche der päpstlichen in der Tat gleich war. Die natürliche Folge davon war, daß der Orden, streng geregelt und völlig wie ein Staat eingerichtet, bald nur sich selbst, als einzigen Weltstaat, anerkannte und das Papsttum, zu dessen Schutz er doch entstanden war, insgeheim bloß wie eine Maschine betrachtete, welche er zum eignen Vorteil leitete, und als Aushängeschild vor sich hinstellte.
Die allernächste Folge aber solcher unbegrenzter, unantastbarer Macht war die, daß, die einzelnen Mitglieder des Ordens dieselbe mißbrauchten. So geschah es in Spanien und besonders in Portugal. In diesem Land waren die Jesuiten Beichtväter am königlichen Hofe und leiteten die Erziehung des Kronprinzen. Durch diesen Einfluß und durch den Besitz großer Schätze wurden sie übermütig, vernachlässigten ihre Pflichten und die guten Sitten, schmiedeten Intrigen und gaben sowohl beim Bürgerstande, als auch bei den Gelehrten viel Ärgernis. Als Loyola dies vernahm, war er über Simon Rodriguez sehr ungehalten; denn er glaubte, daß dessen allzugroße Nachsicht an jener Ausartung schuld sei, und gebot ihm, den Hof zu verlassen. Rodriguez gehorchte, verleumdete aber nun seinen General beim König, dessen ganzes Vertrauen er besaß. Da wurde der König heftig erzürnt und Loyola, welcher selbst wie ein unumschränkter König über seinen Orden zu herrschen wähnte, sah sich nun genötigt, alles aufzubieten, um den König von Portugal wieder geneigt zu machen und das üble Aufsehen, welches für den ganzen Orden nachteilige Folgen haben konnte, zu verwischen. Auch die portugiesischen Jesuiten selbst sahen ein, wie nötig dies war: deshalb zogen die zu Coimbra, welche wegen ihrer Ausschweifungen in schlechtem Leumund standen, aus ihrem Kollegium hervor, auf die Straßen, sangen Litaneien und geißelten sich zur Buße ihrer Vergehungen vor allem Volke, daß dies davon erbaut und hingerissen ward und sie als heilige Männer verehrte.
Solchen Kummer hatte Ignaz von Loyola am Abend seines tatenreichen Lebens. Dazu kam nun auch der Schmerz, daß sich der Jesuitenorden in Frankreich, ungeachtet aller eifrigen Bemühungen, noch immer nicht festsetzen konnte. Das Parlament, der Bischof von Paris und das streng rechtgläubige, theologische Kollegium der Sorbonne widersetzten sich standhaft der Aufnahme der Jesuiten in Frankreich, aus dem Grunde, weil durch die Privilegien derselben die Freiheiten der französischen Kirche gefährdet würden. Loyola erlebte die Erfüllung seines Wunsches nicht. Sein Körper war durch die zahllosen Kasteiungen, welchen er sich während seiner Schwärmerei unterworfen hatte, vor der Zeit entkräftet worden, und seine immerwährende, angestrengteste, geistige Tätigkeit, seine vielfältigen Herrschersorgen während einer 16jährigen Ordensregierung hatten ihn vollends aufgerieben. Er starb zu Rom am letzten Juli 1556, und hatte im Verscheiden die Genugtuung, daß sein Orden bereits tausend Mitglieder zählte (obwohl nur 35 Professen von 4 Gelübden) in Europa, wie im fernen Asien und in Amerika; die Hoffnung, daß das Werk, für welches er sein ganzes Leben hingegeben, ihn Jahrhunderte lang überleben würde, ja daß es nicht eher zu Grunde gehen könne, als der römische Katholizismus selbst, diese stolze Hoffnung erleichterte Loyolas Todeskampf. Am 12. März des Jahres 1622 wurde er durch den Papst Gregor XV. heiliggesprochen, und die römisch-katholische Christenheit verehrt ihn seit jenem Tage als einen gewaltigen Fürsprecher bei Gott; ja die Jesuiten stellten den Stifter ihres Ordens Jesus Christus selber gleich. So ward diesem ruhmsüchtigen Kriegsmann noch 66 Jahre nach seinem Tode ein Triumph zuteil, wie ihn nie eine Welteroberer erlebt hat.