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Viertes Kapitel.

Alexander ersparte Heinrich die Mühe anzufangen. Die Veränderung in dem Jünglinge hatte ihm nicht entgehen können, und er begann zu fürchten, daß er Unrecht gehabt habe, ihn jetzt in Goczyn zu behalten. Eine Zeit lang beobachtete er ihn im Stillen, dann beschloß er mit ihm zu sprechen. Die Gelegenheit dazu fand sich schon am nächsten Tage. Die Brüder hatten einen nothwendigen Besuch in der Nachbarschaft gemacht und ritten eben wieder nach Hause. Es war bald Mittag und glühend heiß; Alexander ließ daher sein Pferd im Schritte gehen. So lange sie auf der schattenlosen Straße waren, folgte Heinrich, wenn auch ungeduldig, schweigend seinem Beispiel; als sie aber auf einen Fußpfad kamen, der durch einen Erlenbruch führte, fragte der Jüngling nach einigen Minuten: »reiten wir nun nicht schneller?« – »Wozu?« fragte Alexander. Heinrich machte eine heftige Bewegung des Unwillens; Alexander sah ihn fest an und fragte: »was ist Dir?« – »Ich denke an Mathilde;« antwortete Heinrich finster.

Alexander ritt noch langsamer und fragte: »warum?«

»Du liebst sie nicht;« erwiederte Heinrich.

»Hat sie Dir das geklagt?«

»Ein Engel und klagen!«

»Ruhig; woraus schließest Du denn, was Du sagst?«

»Aus dem, was ich sehe – und fühle.«

»Du bist schnell gereift, Heinrich, ich läugne nicht –«

»Also wirklich!« rief Heinrich heftig.

»Ruhig!« wiederholte Alexander; »urtheile, wenn Du gehört hast.« – »Willst Du denn offen mit mir sprechen?« fragte Heinrich. »Ich will es;« antwortete Alexander. Sie ritten im scharfen Trabe; nach einer Viertelstunde hielten sie im Hofe. Alexander fragte nach seiner Frau; sie war noch auf dem Spaziergange. »So komm',« sagte er zu dem Bruder und ging in sein Schreibzimmer. Heinrich war ihm gefolgt; Alexander legte Hut und Reitgerte an ihren Platz und setzte sich an den Schreibtisch, in welchem er ein Fach öffnete. Heinrich stand erwartend, Alexander nahm aus dem Fach eine Kapsel und aus dieser ein in Gold gefaßtes Bild. Er reichte es dem Bruder; es stellte ein junges, blondes Mädchen von blendender Schönheit vor. Heinrich sah erst lange das Bild, dann den Bruder an; Alexander war ganz blaß; er fragte langsam: »war sie schön?«

»Nicht schöner, als Mathilde.«

»Dir, das glaub' ich. Mir kann Keine mehr so schön sein, als diese.«

»Wer war sie?«

»Cornelia, eine Gräfin Schweinitz.«

»Wo ist sie?«

»Todt.«

»Sie starb Dir?«

»Mir nicht; einem Andern.«

»So hat sie Dich nicht geliebt?«

»Sie war meine Braut; da lernte sie Edgarn kennen –«

»Und? –«

»Und liebte ihn. Ich willigte ein, unsere Verbindung aufzulösen. Er war nicht Schuld; er hatte ihr nur gehuldigt, wie jedem anderen schönen Mädchen.«

»Und dann?«

»Er trat an meine Stelle, obgleich es ihm schrecklich war, sich so früh zu binden. Er hätte sie auch geheirathet; aber sie fühlte, daß er sie nicht liebte, und gab ihn frei, dann heirathete sie einen vornehmen Russen, einen reichen, aber bedeutend älteren Mann. Das Klima sagte ihr jedoch nicht zu; er ging mit ihr nach Nizza, aber ihre Gesundheit war schon zerstört.«

»Was sagte da Edgar?«

»Er bedauerte sie.«

»Und Du!« rief Heinrich.

»Es ist vorüber,« sagte Alexander; »der Mensch überwindet viel. Lieben kann ich nicht mehr; ich habe auch Mathilden keine Liebe geboten, obwol sie mein früheres Leben nicht kennt und auch nicht zu kennen braucht; aber zu einem ruhigen Glücke bedarf es auch der Liebe nicht: Achtung, Vertrauen, Freundschaft sind hinreichend dazu. Das Alles habe ich für meine Frau, sie hat es für mich, Du kannst also ruhig sein. Freilich, nach Deinem Maßstabe darfst Du nicht messen; ich bitte Dich auch, es nicht zu thun; aber Du darfst mir Deinen Engel ganz getrost anvertrauen,« setzte er mit einem milden Lächeln hinzu.

Reine Besonnenheit hat eine königliche Macht über die Jugend. Aller Unmuth, mit welchem Heinrich in Gedanken gegen Alexander angestürmt war, zersplitterte an dessen Rede, wie eine schlechte Waffe an einem guten Schilde, und der Bruder stand wieder wie sonst als hohes, herrliches Ideal vor dem Jünglinge. Konnte dieser sich auch nicht überzeugen, daß es zum Glücke der Liebe nicht brauche, so fühlte er doch eben so deutlich, daß er hier nichts thun dürfe, als Vertrauen zu Alexander haben. Er verließ diesen daher, nachdem er sich einen Augenblick stumm an seine Brust gelehnt hatte; aber als er auf sein Zimmer geeilt war und sich darinnen verschlossen hatte, betete er leidenschaftlich: »Er sagt, er könne nicht mehr lieben; gieb, daß er sich täusche! Laß die Liebe wieder in seinem Herzen entstehen, wie den Frühling in den Knospen, wo es auch Keiner siehet, bis er hervorbricht. Aber kann sie nicht glücklich werden, laß sie sterben, Vater, und mich auch!« Er sah hinauf in den blauen Himmel; es war ihm, als stehe dieser aller Sehnsucht weit offen. – »O dorthin, und sie in meinen Armen mit mir tragen!« rief er gepreßt. Er sah hinunter, wo sie am ersten Abende seinem nachträumenden Blicke verschwunden war; da stand sie auf der grünumwucherten Brücke, im Sonnenglanze, im leichten blauen Kleide, und schien gewartet zu haben, daß er sie bemerke, denn sie hielt jetzt einen Brief hoch und winkte ihm damit. Er sog erst einige Sekunden mit brennenden Blicken ihren Liebreiz ein, dann eilte er hinunter und ihr entgegen. Sie trat eben in das Schloß; er konnte sie in der düstern Halle nicht ohne ein schmerzliches Mitleid sehen; ihm war, als schließe ihr Leben sie rings eben so kalt als diese Wände ein. Sie gab ihm freundlich den Brief; er nahm ihre Hand mit, zog ihr den Handschuh davon ab und küßte die zarten Finger; sie sah mit den hellen, schwimmenden Augen zu ihm auf, denn er war größer als sie. »Lieber,« sagte sie sanft, »wo ist Alexander?« – »Er zieht sich wol um,« antwortete er, »ich habe es noch vergessen; sieh mich nur nicht an – es war auf der Straße so staubig. Aber wo bist Du gewesen?« – »O, ich war im Schatten,« sagte sie, »zwischen den Gehölzen auf der großen Wiese; ich dachte, ich würde da noch Vergißmeinnicht finden, doch sie sind auch schon abgehauen. Ich habe aber recht an Euch gedacht, ihr Armen.« Sie hatte, während sie sprach, sich der einen Treppe genähert; er umfaßte sie leise mit dem rechten Arme, und sie stiegen die grauen Stufen hinan. Oben trennten sie sich; Mathilde ging in ihre Zimmer, er blieb stehen und las den Brief, der von einem jungen Freunde, einem Akademisten, war und für die Ferien eine Einladung in dessen väterliches Haus, so wie den Vorschlag zu einer Fußreise in das Gebirge enthielt. Heinrich dachte nach; er konnte es schon, Alexander hatte ihn frühzeitig zur Ueberlegung hingeleitet; jetzt führte diese ihn zu der Erkenntniß, daß es besser für ihn sei, wenn er Goczyn verlasse. »Und ich will es,« sagte er, »und zwar morgen.« Die Zeit, welche zwischen dem morgenden und dem von dem Freunde ihm bestimmten Tage lag, wollte er dazu anwenden, einige Orte, die ihm von seiner Kindheit her erinnerlich waren, wieder einmal zu besuchen; auch zu Frau von Hain wollte er noch, da er es ihr versprochen hatte. Sobald er mit den Geschwistern zusammenkam, theilte er ihnen diese Entschlüsse mit. Der Brief war für Mathilde eine hinlängliche Erklärung derselben, Alexander verstand den Bruder sogleich und freute sich über ihn. Der Jüngling nahm am Abende von ihnen Abschied und war mit Sonnenaufgang schon fort; er hatte sich bei dem Lebewohl keine Weichheit gestattet und überwand sich auch, als er den letzten Blick auf Goczyn warf. »Gott segne sie!« sagte er fest auf englisch, dann trieb er sein Pferd an. Er reiste allein; das Pferd sollte er vor der Gebirgsreise verkaufen und das Geld auf diese mitnehmen. Er streifte acht Tage lang in einem Umkreise von zwölf bis sechszehn Meilen herum und besuchte und zeichnete ehemalige Klöster und schwarze, wunderliche Rathhäuser, welche bei gelegentlichen Reisen mit dem Oheim sonst in den kleinen Städten seinen kindischen Blick angezogen hatten. Er fand sie alle noch unverändert; er dachte an die Veränderungen in seinem Innern und wurde oft ernst wie ein Mann. Unter die Zeichnungen, die er von diesen alten Baulichkeiten machte, schrieb er Alles, was ihm bei den Gegenständen aus seiner Kindheit erinnerlich war. Diese Blätter schickte er Mathilden; andere aber, auf denen er die Schwester gezeichnet hatte, behielt er zurück; sie hätten ihn verrathen. Bei Frau von Hain war er acht Tage; von hier aus schrieb er förmlich an Mathilde und erzählte ihr, wie ihre Geschwister sich um ihn hergedrängt hätten, um ihn nach ihr zu fragen. Er schickte ihr Blumen, die sie noch gesäet und gepflegt hatte, und die jetzt blühten; auch jedes der Kinder hatte eine solche abgedrückt und sie mit ihren Namen unterschrieben. Ungern trennte sich Heinrich von den Kindern, die Mathilden so liebten.

In dem Hause, wohin er jetzt kam, waren viele junge Mädchen, und es fehlte keinen Tag an Spielen und Scherzen; solches Treiben hatte ihm noch nie zugesagt, jetzt war es ihm mitunter zuwider, und er athmete erst wieder auf, als er mit seinem Freunde und noch einigen jungen Leuten auf dem Wege in das Gebirge dahinschritt. In den Bergen ward ihm noch wohler, die Welt schien draußen zu liegen, doch der Geschwister konnte er keinen Augenblick vergessen. Wo er eine schlanke Fichte sah, dachte er an Alexander; wenn er das Wasser rauschen hörte, an Mathilde. Oft lag er stundenlang und horchte darauf; von solcher Stelle nahm er dann Moos, oder einen Stein, oder Blumen und Zweige mit und schickte Alles der Schwester, die bald eine ganze Schachtel voll von seinen Sendungen hatte. Sie hatte ihm nur zweimal geschrieben, da sie später nicht mehr wußte wohin. – Diese Briefe trug er auf der Brust und küßte sie vor dem Einschlafen und bei seinem Erwachen, und so lebte er hin, bis er wieder auf der Forstschule war und die Nothwendigkeit zu arbeiten dem Träumen und Schwärmen glücklich ein Ende machte.

Früher schon, als er, war Edgar wieder in der Residenz eingetroffen, aber gleich wieder zum Manöver abgegangen, so daß Heinrich ihn nicht fand. Es war diesem wenig daran gelegen; er liebte Edgar nicht und hatte auch nicht Ursache dazu, denn Edgar nahm wenig Theil an ihm, wie überhaupt an allem sich erst Entwickelnden. Dennoch waren Beide für einmal überraschend zusammengetroffen und zwar in einem Gefühle, welches, wie Jeder glauben mußte, Edgarn ein völlig fremdes war, in der Schwärmerei, nur daß Heinrich es aussprach, Edgar hingegen selbst in seinen Briefen an Hortense den Ton beibehielt, den wir kennen gelernt haben, und auch das Unerwartete, daß er seine ganze Urlaubszeit in Venedig zubrachte, statt, wie er gewollt hatte, nach Steiermark und Tyrol zu besuchen, auf Alles eher als auf den Zauber schob, mit welchem ihn gleich die erste, vom Monde feierlich durchleuchtete Nacht in der Stadt der Inseln gefesselt hatte. Seine Briefe waren sogar kalt, und Hortense weinte bei den meisten; dennoch lebte sie nur die Tage, an denen sie ein Schreiben erwarten konnte, und der Bediente der Frau von Bayer war eigentlich die einzige Erscheinung, die sie zum Antheil erweckte. Diese Freundin hatte nämlich eingewilligt, daß Edgar seine Briefe an sie sende, damit Hortense sie ohne Aufsehen empfangen könne. Hortense hatte die Freundin darum beschworen; denn nur so konnte sie den Briefwechsel vor ihrem Manne verheimlichen, und das glaubte sie um jeden Preis zu müssen. Frau von Bayer hielt das zwar nicht für so nöthig; denn sie hatte ihre Vermuthungen, daß der Rath das Verhältniß seiner Frau mit Edgar recht gut wisse, aber sehr gern hingehen lasse, indem er dadurch Freiheit zu einem ähnlichen gewinne, doch willigte sie eben deshalb um so leichter ein. Ihr Mann, den sie durch ein Paar hingeworfene Worte unterrichtet hatte, legte den leidenschaftlichen Briefen Hortensens und den kühlen Edgars kein Hinderniß in den Weg, nur daß er über das ganze Geheimniß lachte und einst sagte: »die Frauen haben doch eine wahre Leidenschaft, Opfer zu bringen; auch Hortense überredet sich mit aller Gewalt, daß sie die schuldigste Frau auf der Welt sei, während sie ihr Gewissen vollkommen beruhigen könnte; aber freilich, dann brächte sie ja keine Opfer mehr.«

Der Spätherbst machte jetzt den langen Monaten der Trennung und Trauer ein Ende, und Edgar war wieder täglich im Hause des Rathes und entschädigte durch seine ganze Liebenswürdigkeit die ihm so schmerzlich ergebene Frau. Es war immer so mit ihm: einer Zeit der Kälte und Abgeschlossenheit folgte eine andere, in der es ihm wieder in der Welt gefiel, und da er Hortensen schöner und wo möglich noch leidenschaftlicher wiederfand, als er sie verlassen hatte, so huldigte er ihr mit Vergnügen aufs Neue und machte ihr sogar einen Vorschlag, der ihre geheimsten Wünsche erfüllte, nämlich Alexandern zu veranlassen, daß er sie nebst Herrn und Frau von Bayer nach Goczyn einlade; der Rath mußte freilich auch mit eingeladen werden, doch war er ein so eifriger und zugleich ein so ungeschickter Jäger, daß für ihn in der forstreichen Umgegend von Goczyn hinreichend gesorgt war, um hoffen zu dürfen, er werde seine Frau nicht stören. Edgar schrieb daher unverzüglich an Alexander und erhielt mit umgehender Post die Einladungsbriefe an beide Herren, und zwar für die Weihnachtszeit, die sie, wie Alexander schrieb, einmal nach englischer Art auf dem Lande am Kamin verleben möchten. Beide hatten auch gar nichts dagegen, und der Tag der Abreise war schon bestimmt, als der Rath plötzlich von seinem Bruder einen Brief erhielt, der ihn in ein unaufschiebbares Geschäft so tief verwickelte – er sagte dies wenigstens – daß er nicht daran denken konnte, seine Frau zu begleiten, und Edgarn sehr höflich bat, ihn nicht nur bei Alexander zu entschuldigen, sondern auch seinen Platz im Wagen einzunehmen – ein Wechsel, der so glücklich war, daß er Hortensen fast ein Traum dünkte. Herr von Bayer sah lächelnd seine Frau an, als Edgar in den Wagen stieg; auch Edgar konnte ein flüchtiges Lächeln nicht unterdrücken, doch faßte er sich sogleich und sagte dem Rathe, der am Schlage stand und seine Frau zärtlich bat, sich ja in Acht zu nehmen, völlig unbefangen Lebewohl.

In Goczyn wurden sie von Alexander mit Vergnügen erwartet. Herr von Bayer war ein kluger, behaglicher Mann, seine Frau munter und angenehm; Alexander war oft und gern in ihrem Hause gewesen und freute sich, daß Mathilde sie kennenlernen sollte. Was das Verhältniß zwischen Edgar und Hortensen betraf, so wußte er, daß er die Welt nicht ändern könne, und ließ es gehen, ohne es zu billigen. Uebrigens fand er Hortensen liebenswürdig und war Edgars Wunsche gern zuvorgekommen; nur hatte er ihn gebeten, sich mit Hortensen vor Mathilden in Acht zu nehmen.

Mathilde hatte seit Heinrichs Abreise still und heiter hingelebt. Sie hatte Blumen für den nächsten Sommer gesäet, Blumenzwiebeln in Töpfe gelegt, Herbstblumen gestickt und gemalt, der Frau Henne Früchte einkochen helfen, fleißig Englisch gelernt, Alexandern auf Spazierritten begleitet, kurz, Alles getrieben, was die Stunden ausfüllt und doch das Leben ruhig läßt. Eine Zeit lang hatte sie viel gelesen, besonders französische Romane, von denen Alexander die neuesten monatlich empfing; aber sie fühlte bald, daß die Sprache der Leidenschaft in diesen Büchern Sehnsucht in ihr erwecke, und las daher jetzt meistens nur Reisen oder englische Romane, bei denen sie so ruhig bleiben konnte, als sie wollte. Sie hielt zwar mehr als je die Liebe, die sie so brennend geschildert fand, für einen schönen Traum; aber eben deswegen wollte sie nicht undankbar gegen die Wirklichkeit werden. In diesem demüthigen Sinne schrieb sie um diese Zeit in ihr Tagebuch: »Warum nach den Sternen verlangen, die wir ewig nie erreichen können, da wir die Blumen haben, die für uns blühen dürfen! Laß mich, o Gott, nicht mehr Glück begehren, als Du zu unserm Theile bestimmt hast; wozu wäre denn auch die Hoffnung auf den Himmel, wenn die Erde schon solche Seligkeit geben könnte? Darum laß mich danken und harren.« – So wußte sie ihr Herz still zu erhalten und begegnete Alexandern stets mit dem Lächeln des Friedens, als hätte er ihr Alles gegeben, was ihr Herz sich nur hätte träumen können.

Alexander ahnte nichts von ihrer Sehnsucht und ihrem stummen Verzichten; aber ihr Lächeln war ihm wie Sonnenschein, und er zog sie täglich inniger an seine Brust. Zweimal, am Erntefeste und zum Geburtstage der Frau von Hain, hatte er sie in den Kreis der Ihren geführt und jedesmal in dem herzlichen Händedrucke des Predigers gefühlt, daß Mathilde noch keinen Schimmer ihrer Reinheit verloren habe. Auch Frau von Hain war mit ihrer Tochter zufrieden gewesen; man kann nicht sagen, sie habe sich glücklich über die Tochter gefühlt, denn das erlaubte sie sich nicht; nach ihrer Ansicht hatte der sündige Mensch nicht das Recht, glücklich zu sein. Jetzt wollte auch sie nach Goczyn kommen. Mathilde richtete sorglich und mit guter Uebersicht Alles ein, und am Tage vor dem Weihnachtsabende rollten die Wagen fast zu einer Zeit in den Hof, und alle Ankommenden, außer Edgarn, sahen zum ersten Male das ernste alte Schloß mit dem Schnee auf seinem schwärzlichen Dache und seiner einsamen Ruhe zwischen den stillen entlaubten Bäumen.


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