Arthur Conan Doyle
Was ist Spiritismus?
Arthur Conan Doyle

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Einleitung des Übersetzers

»Die Sache mit dem Mars wollen wir gleich haben!« meinte Michel und lehnte zum Fenster heraus. Einen Augenblick starrte er zum Himmel, drehte sich dann kurz herum und schnarrte: »Auf dem Mars leben keinerlei Wesen. Die sogenannten Kanäle sind Früchte erhitzter Phantasie, nichts als Schatten von Bergen. Und damit ist die Angelegenheit ein für allemal erledigt!«

»Aber, Herr Michel! ...« wagte ich zu stammeln, »so schnell? Und Sie haben ja nicht einmal ein Fernrohr benützt!«

»Ich besitze Gott sei Dank zwei gesunde Augen und brauche keinerlei Fernrohre!« lächelte Herr Michel überlegen.

»Aber, Herr Michel! Wenn man eine wissenschaftliche Frage entscheiden will, so muss man doch erst die Forschungen anderer kennen, muss sich der Hilfsmittel bedienen, welche die Wissenschaft bietet, muss ...«

»Unsinn! Unsinn!« unterbrach mich Michel ungeduldig. »Ich bin mit einem gesunden Menschenverstand ausgerüstet, auf daß ich erkenne ... ich besitze meine eigenen gesunden Augen mit zwei scharfen, angeborenen Linsen, auf daß ich sehe ... was brauche ich da die Hilfe anderer? Selbst ist der Mann! ... Der Mars ist und bleibt unbewohnt! Und damit fertig!«

»Aber, Herr Michel! ... es ist doch heller Tag ... die Sonne scheint am wolkenlosen Himmel ... und wir alle wissen, daß der Mars sich im Lichte der Sonne vor dem menschlichen Auge verbirgt!« ...

»Verbirgt sich?« höhnte Michel. »Sehen Sie, da haben wir ja schon den Schwindel. Bedarf des Dunkels und scheut das Licht! Nicht wahr? Zeichen der Ehrlichkeit! ... Wollen Sie noch einen klareren Beweis, daß die ganze Geschichte Schwindel ist?« ...

»Aber, Herr Michel! ... Der italienische Astronom Schiaparelli ...«

»Ausländer! Gehen Sie mir mit den Ausländern! Wir haben deutsche Wissenschaft ... Was brauchen wir die Ausländer!« ...

»Aber, Herr Michel! ... Entschuldigen Sie doch nur ... Sie haben ja gegen Süden gesehen, während der Mars dort drüben stehen muss ... hinter diesem Hause ... durch die Wände verdeckt ... gegen Norden!«

Da wurde Herr Michel zornig. »Die Richtung meiner eigenen Forschung werde ich mir selber wählen! Darüber brauche ich mich nicht von anderen belehren zu lassen! Um es kurz zu machen: Wenn Sie vorgeben oder auch nur die Möglichkeit annehmen, daß der Mars bewohnt ist, daß sich auf demselben die künstlichen Kanäle eines Schiaparelli befinden ... daß sich alle diese wunderbaren Mysterien vor der Sonne verbergen müssen, um nur im Dunklen existieren zu können, dann ... ja dann, ja, ich muss es gerade heraus sagen, denn die Wissenschaft darf keine Höflichkeit kennen ... dann sind Sie ein Betrüger oder ein Verrückter! ... Jedenfalls verlangen Sie nicht von mir, daß ich ebensolch ein Hornochse sei, wie Sie!« ...

 

Herr Michel hat gestern gelebt und heute. Am Südpol, am Nordpol, und dazwischen. Überall dort, wo der Mensch hinkommt mit seiner Qual. Herr Michel wird dieses Büchlein verächtlich beiseite werfen und mir zurufen: »Was bedarf ich der Forschung? Was bedarf ich des Fernrohrs und anderer wissenschaftlicher Instrumente? Was bedarf ich der Zeugnisse anderer? Habe ich nicht selbst zwei scharfe Augen und einen unübertrefflichen Verstand? Und wenn ich bei Tageslicht zum Himmel schaue gegen Norden, auch wenn der Mars gegen Süden sieht, so beanspruche ich das Recht endgültigen Urteils und verachte die Worte: Allah weiß es besser!« ...

Herr Michel sitzt auch heute auf vielen akademischen Lehrstühlen, in vielen Redaktionsstuben großer und kleiner Zeitungen, nimmt teil an vielen gelehrten Versammlungen und kirchlichen Konzilen. Dass Gott erbarm! Er hat eine große Rolle in der Weltgeschichte gespielt (zuletzt in Versailles). Er lebte und entschied damals:

Als Sokrates (geb. 470 v. Chr.) den Giftbecher leeren mußte, weil er die ewige Wahrheit kündete, daß der Tod an und für sich kein Übel sei, daß aber die Schuld das größte aller Übel darstelle. Ganz besonders wurde ihm auch die Lehre verdacht, daß die höchste Weisheit des Menschen in der Erkenntnis gipfelt, daß unser Wissen unsicher und Stückwerk sei.

Als Anaxagoras 500 v. Chr. vertrieben wurde, weil er die Unveränderlichkeit des Stoffes, die unendliche Teilbarkeit des Raumes und der Materie erkannte, den leeren Raum leugnete und behauptete, daß die Sonne viel größer sei als der Peloponnes.

Als Plato und Archimedes, Hipparch und Ptolemäus gegen die Lehre des Pythagoras (geb. 570 v. Chr.) wetterten, daß die Erde sich drehe und Ptolemäus diese Lehre bezeichnete als »im höchsten Grade lächerlich«!

Als im Jahre 1306 König Eduard I. das Verbrennen von Steinkohle verbot, wegen »des Rauches und üblen Geruches«.

Als Christoph Kolumbus (geb. 1447) von dem Kirchenkonzil zu Salamanka mit dem Bannstrahl belegt wurde, weil er im Gegensatz zu den Büchern Mosis, den Psalmen, den Propheten und Kirchenlehrern die Behauptung wagte, daß die Erde rund sei.

Als Kopernikus (geb. 1473) von kirchlichen und weltlichen Behörden gehetzt wurde, weil er lehrte, daß die Sonne im Mittelpunkt des Weltsystems stehe, und die Grundlage zum heliozentrischen Weltsystem legte im Gegensatz zum geozentrischen des Ptolemäus. Noch Luther bezeichnete diese Lehre als eine »Narrheit«, weil, wie die Bibel lehrt, Josua der Sonne und nicht der Erde zugerufen habe: »Stehe still!«

Als Kepler (geb. 1571) verfolgt, seine Mutter wegen Hexerei angeklagt und seine unsterblichen Gesetze von den Bewegungen unseres Sonnensystems 1618 und 1619 von der Kongregation des Index expurgatorius in Acht und Bann getan wurden.

Als der große Physiologe Harvey (geb. 1578) durch die Entdeckung des Blutkreislaufes (1628), welche die Grundlage der modernen physiologischen Erkenntnis legte, zum Gegenstand wütender Angriffe wurde, namentlich von Seiten der Universitäten.

Als Galileo Galilei von der »heiligen« Inquisition gefoltert und 1633 gezwungen wurde, die Lehre abzuschwören, daß die Erde nicht der Mittelpunkt der Welt sei.

Als ein und ein halbes Jahrhundert lang die deutschen Regierungen sich der Einführung des im Jahre 1600 erfundenen Webstuhles widersetzten, »weil er den Arbeitern Konkurrenz machte«.

Als Giordano Bruno im Jahre 1600 verbrannt wurde, weil er bekannte, daß das Universum unendlich und mit unzähligen Welten gefüllt sei, die in ihrer Gesamtheit Gott ausmachen.

Als die Astronomen sich weigerten, das im Jahre 1609 entdeckte Fernrohr zu benutzen. Noch 50 Jahre später verharrte ein Astronom vom Rufe des Helvetius auf seiner Weigerung ... ein Schulbeispiel der geistigen Inertia auch gelehrter Forscher.

Als die gelehrte Londoner Royal Society sich weigerte, Benjamin Franklins (geb. 1706) Erfindung des Blitzableiters anzuerkennen und eine Abhandlung des Erfinders drucken zu lassen.

Als 1752 nach Einführung des gregorianischen Kalenders Mitglieder der Londoner Royal Society vom Volk misshandelt wurden, »weil sie den Engländern elf Tage ihres Lebens geraubt hatten«.

Als Galvani, der 1791 die Elektrizität entdeckt hatte, im folgenden Jahre schreiben mußte: »Ich werde von zwei verschiedenen Parteien angegriffen, von den Weisen und von den Dummen. Den einen wie den anderen bin ich ein Spott und man nennt mich den Tanzmeister der Frösche. Trotzdem weiß ich, daß ich eine neue Naturkraft entdeckt habe.«

Als Lavoisiers große Entdeckung, daß die Luft kein Element sei, sondern vornehmlich aus zwei Elementen (Stickstoff und Sauerstoff) bestehe (1774), von seinen Zeitgenossen höhnend zurückgewiesen wurde. Der große Physiker und Chemiker Baumé, Erfinder des Aräometers, bekämpfte diese große, leicht nachzuprüfende Entdeckung und veröffentlichte folgende charakteristische Äußerung: »Die Elemente oder Grundteile der Körper sind von den Physikern aller Jahrhunderte aller Nationen erkannt und festgestellt worden. Es ist nicht zulässig, daß die Elemente, die seit 2.000 Jahren als solche erkannt sind, heute in die Kategorie der zusammengesetzten Substanzen eingereiht werden, und man darf das Verfahren, Luft und Wasser in seine Bestandteile zu zerlegen, ruhig als unsicher hinstellen ... ganz absurdes Geschwätz, um nicht noch mehr zu sagen, ist es gar, die Existenz von Feuer und Erde als Elemente zu leugnen.«

Klingt es nicht, als ob der gelehrte Baumé eine Satire auf sich selbst, auf die dogmatischen Priester aller Bekenntnisse, auf die geistige Inertia der Weisen hätte schreiben wollen, mit dem Leitwort: »Es ist nicht zulässig, daß ...«

Als auch der große Lavoisier ein Opfer dieser geistigen Inertia wurde, und in einem besonderen Berichte an die Pariser Académie des Sciences den Nachweis zu erbringen sich bemühte, daß Meteorsteine nicht existieren können und nichts als ein Produkt der Phantasie seien.

Als Fulton 1803 vergebens die Hilfe der Gewalten anflehte, ihm behilflich zu sein, seine Erfindung des Dampfschiffes zur Ausführung zu bringen, und sogar Napoleon erklärte: »Der Mann ist ein Verrückter. Er will meine Armee mit kochendem Wasser nach England übersetzen.«

Als Julius Robert Mayer (geb. 1814) auf Grund seiner Entdeckung des ewigen Gesetzes von der Erhaltung der Energie (welches zum Fundamente der modernen Mechanik wurde) durch Hohn und Verfolgung zum Selbstmord getrieben wurde. Er selbst erzählt: »Die Aufnahme meiner Arbeit in Poggendorfs Annalen wurde mir verweigert, und unter den Mitgliedern der Berliner Akademie war es nur C. G. Jacobi, der Mathematiker, der sich meiner annahm. Ruhm und äußere Förderung war in jenen Zeiten mit der neuen Überzeugung noch nicht zu gewinnen, eher das Gegenteil.« (Wissenschaftliche Abhandlungen, Leipzig 1882.)

Als im Jahre 1835 die erste Eisenbahn in Deutschland gebaut werden sollte. Die Kirche brandmarkte die Erfindung als Teufelswerk und Versuchung Gottes. Die medizinische Fakultät der Münchener Universität bezeichnete den Plan einer Eisenbahn Nürnberg-Fürth als Verbrechen an dem Volke und verlangte, daß zu beiden Seiten der Schienen eine Mauer aufgeführt werde, welche die Leute auf dem Felde verhindere, durch Einwirkung des schnell fahrenden Zuges einer genau benannten Geisteskrankheit zum Opfer zu fallen.

Als die Pariser Académie des Sciences und die gesamte medizinische Fakultät im Jahre 1829 den menschlichen Magnetismus und die Hypnose leugnete, trotzdem experimentelle Beweise vorlagen, die überzeugend hätten wirken müssen.

Als die größten Autoritäten sich im Jahre 1853 gegen die Möglichkeit aussprachen, einen Kabel zwischen Amerika und Europa zu legen. Einer der hervorragendsten Physiker der damaligen Zeit, Professor Babinet von der polytechnischen Hochschule zu Paris, gab folgendes Gutachten:

»Ich kann diese Pläne nicht ernsthaft nehmen: die Theorie des elektrischen Stromes zeigt unwiderlegbar deutlich die Unmöglichkeit einer solchen Übertragung, selbst wenn man nicht mit dem Strom rechnet, der sich von selbst auf einer so langen elektrischen Strecke bildet und sich schon auf der kurzen Reise von Dover nach Calais fühlbar macht. Das einzige Mittel, die alte und die neue Welt zu verbinden, ist, die Beringstraße zu passieren, vorbei an den Färöerinseln, Island, Grönland und Labrador.«

Als Edison, der Erfinder des Phonographen, als Schwindler gebrandmarkt wurde. Als sein Vertreter am 11. März 1878 in einer Sitzung der Académie des Sciences den Apparat vorführte, stürzte sich einer der Akademiker mit den denkwürdigen Worten auf ihn: »Sie Schuft! Glauben Sie, wir lassen uns von einem Bauchredner zum besten halten?«

Als im Jahre 1890 die gesamte Académie des Sciences die Existenz des Kugelblitzes ableugnete.

Als im Jahre 1896 Graf Zeppelin auf Grund eines Gutachtens der Berliner Universität abschlägig beschieden wurde. Er hatte nach Verausgabung seines eigenen Vermögens die Regierung um Unterstützung gebeten, um seine Erfindung des lenkbaren Luftballons durchzuführen.

Als im Jahre 1897 die Entdeckung der Radioaktivität mit Gelächter begrüßt wurde und einer der gelehrten Professoren höhnend meinte, man müsse offenbar annehmen, daß das Radium-Atom vor allen anderen Atomen mit einer Selbstmordmanie belastet sei.

Die obige Liste ist nicht etwa eine vollständige, aber sie genügt, um uns die verhängnisvolle Rolle vor Augen zu führen, welche die Autoritäten in der Geschichte menschlicher Entwicklung gespielt haben. An jedem entscheidenden Abschnitt dieser Entwicklung wurden die größten, bedeutungsvollsten Fortschritte verlacht, Entdeckungen und Erfindungen wurden in ihrer Ausführung und segensreichen Anwendung behindert, nicht nur von der blöden Masse, sondern auch von den herrschenden Gewalten, von der Kirche und dem Staat, ebenso wie von den Gelehrten, den berufenen Vertretern der Wahrheit, deren Aufgabe es hätte sein sollen, erleuchtete und begeisterte Führer auf dem Wege zur Erkenntnis zu sein. Sokrates und Anaxagoras, Galilei und Pythagoras ... Kolumbus, Kopernikus, Kepler, Giordano Bruno, Lavoisier, Fulton, Franklin, Harvey, Mayer, Curie, Zeppelin ... sie sind Merksteine auf dem Leidensweg des Menschengeschlechtes. Die Erfindungen der Dampfmaschine, des Dampfschiffes und der Eisenbahn, der Telegraphie und des Kabels, der Turbine, des Blitzableiters, der Gasbeleuchtung, des lenkbaren Luftschiffes, des Flugzeuges ... die Entdeckungen der Bewegung der Gestirne, des Kreislaufes des Blutes, der Meteorsteine, des Kugelblitzes, der Zusammensetzung der Luft, der Wellenbewegung des Lichtes, des tierischen Magnetismus, der Radioaktivität ... sie alle wurden verdammt, oft von der Gesamtheit, oft von einem mächtigen Kreise derjenigen, die beanspruchten, das entscheidende Urteil sprechen zu dürfen. Die herrlichsten Gedanken des menschlichen Hirnes nannten sie Wahnsinn, und die auserkorensten Werkzeuge göttlicher Kräfte schalten sie Verführer, Verrückte, Betrüger.

Und dennoch erwies sich die vorwärtsdrängende göttliche Kraft stärker als menschliche Torheit. Oft allerdings erst nach langem Leidensweg.

Es liegt nicht im Rahmen dieser Einleitung, die Gründe für diese Erscheinung ausführlich darzulegen, von so großer und tragischer Bedeutung sich dieselben auch während der ganzen Entwicklung der Menschen erwiesen haben. Professor Camille Flammarion, Direktor der Sternwarte Juvisy-Paris, sagt in seinem Buch »Rätsel des Seelenlebens« (Seite 13): »Der Vorwurf, der die Männer von Geist trifft, daß sie sich den neuen Wahrheiten verschließen, trifft genau so die gesamte Menschheit. Ein Mensch kann in einer Beziehung sehr hochstehend, in einer anderen sehr minderwertig sein. Die angeführten bedauerlichen Beispiele sollen auch keine Spitze gegen die Gelehrten, noch weniger gegen die Wissenschaft an sich enthalten. Aber gerade bei den erleuchteten Geistern bedauert man am meisten, daß auch sie sich von der Engherzigkeit und Beschränktheit ihrer Umgebung nicht frei machen können. Ihre Schwäche sticht von ihrer Größe desto schärfer ab. In gewisser Hinsicht ist dieser Widerstand, diese Halsstarrigkeit, dieser Eigensinn übrigens entschuldbar. Im ersten Moment kann man weder die Größe noch den Wert einer neuen Sache abwägen. Die ersten Dampfschiffe fuhren schlecht und blieben hinter der Leistungsfähigkeit der Segler zurück. Die ersten Gaslaternen gaben sehr wenig Licht und rochen sehr unangenehm. Die Erde schien wirklich fest und stabil zu sein. Luft und Wasser schienen Elemente ... Das Genie und die Erfindung eilt der Zeit voraus. Ganz natürlich, daß die Zeitgenossen da zurückbleiben und nicht sogleich verstehen können ...«

Und derselbe Camille Flammarion sagt an anderer Stelle (Seite 1 und 2 des obigen Werkes): »Viele Menschen leiden buchstäblich an einer geistigen Kurzsichtigkeit. Ihr Horizont bedeutet ihnen die Größe der Welt. Neue Tatsachen, neue Ideen blenden sie und flößen ihnen Abscheu ein. Keine Änderung soll im täglichen Kreislauf der Dinge eintreten. Die Geschichte des Fortschrittes des menschlichen Wissens ist ihnen nur ein toter Buchstabe ... In allen Jahrhunderten, auf allen Stufen der Zivilisation begegnet man solchen Leuten. Kühl leugnen sie alle unerklärlichen Dinge und haben stets ein fertiges Urteil über die unergründliche Organisation des Weltalls bereit. Ebenso gut könnten zwei Ameisen sich über die Geschichte Frankreichs oder über die Entfernung der Sonne unterhalten.«

Der hervorragende Forscher und Arzt Dr. Freiherr von Schrenck-Notzing sagt in seinem Buche »Materialisationsphänomene« (S. 24):

»Nicht die Vernunft überzeugt manchen Forscher, sondern eine Überzeugung tritt erst ein, wenn er gewisse Tatbestände so oft selbst beobachtet hat, daß ihm die Existenz derselben zur Geistesgewohnheit, zu einer vertrauten Sache geworden ist.« Schon Zöllner (Abhandlungen, Band 11) konstatierte dieses psychische Trägheitsgesetz und fügte hinzu: »Dieses ist eine sonderbare Phase des Menschengeistes, und sie ist merkwürdig stark bei Gelehrten, ja, bei diesen noch stärker als bei anderen, wie ich glaube. Aus diesem Grund dürfen wir nicht immer einen Menschen unredlich nennen, weil er sich lange Zeit dem Beweise verschließt. Die alte Mauer des Glaubens muss erst durch viel Belagerungsgeschütz niedergeworfen werden.« Ich meine, daß diese Erklärungen Flammarions, Schrenck-Notzings und Zöllners doch noch einer Ergänzung bedürfen. Ohne Frage ist es Pflicht und Recht wahrhafter Wissenschaftler, über die Reinheit und Wahrheit ihres Heiligtums zu wachen und keinem falschen Priester zu erlauben, mit Irrlehren in das geweihte Gebiet einzudringen. Aber dieses Recht und diese Pflicht dienen nur allzu oft unedlen, unwissenschaftlichen Zielen des kleinen Menschentums. Die große Masse der Wissenschaftler in allen Ländern, das geistige Proletariat, ist Dogmatiker, ebenso wie die große Masse der Geistlichen und der übrigen Menschen. Das Dogma zahlt ihnen Butter und Käse, und jeder Schritt links oder rechts des altgewohnten Weges bedeutet unbezahlte Rechnungen und Gerichtsvollzieher. Das Dogma bringt ihnen den Himmel, soweit derselbe überhaupt für sie erreichbar ist. Das Dogma gibt ihnen Rechtfertigung und Beschuldigung für die Trägheit ihrer Gedanken und schmückt sie überdies mit dem Heiligenschein des Engels, der als Wächter mit dem zweischneidigen Schwerte vor dem Paradies ewiger Wahrheit steht.

Und die wenigen, welche geistig, wenn auch oft nicht menschlich, aus der Masse hervorragen, die »Autoritäten«, haben sich nicht selten innerhalb ihres Spezialgebietes so verlaufen, daß sie fürchten, ihre mühevolle Lebensarbeit möge zusammenbrechen, wenn jemand ihnen in die Quere kommt. Dann rufen sie entsetzt mit dem großen Physiker Baumé: »Es ist nicht zulässig ...!«, oder sie ahmen den Astronomen A. Deluc und Vaudin nach, deren ersterer von den Meteorsteinen sagte: »Wenn mir ein solcher, Stein vor die Füße fallen würde, so müsste ich zwar gestehen: ich habe es gesehen! ... aber ich könnte es dennoch nicht glauben!« Und Vaudin meinte, man müsse so unglaubliche Dinge lieber wegleugnen, als sich auf Erklärungen derselben einlassen.Carl Braun: Über Kosmogenien, 3, Auflage S. 370f. Wir wollen uns dem Gegenstand des nachfolgenden Buches mit möglichster Unbefangenheit nähern, wir wollen versuchen, alle Vorurteile abzuschütteln und mit nüchtern-logischem Verstand die Erscheinungen beobachten, welche sich uns unleugbar und durch das unanfechtbare Experiment erwiesen darbieten. Denn noch niemals lag eine so große Verantwortung auf den Schultern des einzelnen und der Gesamtheit als in unseren Tagen. Die Zeit schreit nach einem Gott, schreit nach Liebe, schreit nach Erkenntnis. Was uns die Vergangenheit als Weltanschauung geboten hat, ist in wesentlichen Beziehungen zugrunde gegangen in dem heidnischsten aller Kriege. Wir suchen nach einer neuen Weltanschauung. Wir wollen unseren Gott nicht mehr glauben, denn dieser Gott des dogmatischen Glaubens hat sich als erbarmungsloser Unhold erwiesen, der im Dienste menschlichen Eigennutzes von den Kanzeln und Lehrstühlen Hass und Mord und Untergang predigte und auch heute noch predigt. Wir wollen unseren Gott wissen, soweit unsere menschlichen Kräfte ausreichen, und wollen seinen Wegen nachgehen, um die Gottheit, als Inbegriff der waltenden Kräfte, zu erkennen.

Diesem hohen Zwecke soll auch dieses Büchlein dienen. Aber man darf mich nicht mißverstehen. Wir wollen nicht in der Absicht suchen, einem religiösen Bedürfnis zu dienen, ein Vorurteil zu befriedigen. Wir wollen voraussetzungslos und unparteiisch suchen, und wollen dabei die Wege jeder wahren Forschung gehen, welche sich zunächst mit den von andern bereits erzielten Resultaten vertraut macht, dieselben sorgfältig nachprüft und auf der Grundlage der bereits gewonnenen Fundamente neue Bausteine zum Tempel der Wahrheit zusammenfügt. Das ist keine leichte Aufgabe. Sie stellt hohe Anforderungen an den Sucher, Nüchternheit und vor allen Dingen: Selbstlosigkeit, Liebe zu der Menschheit, wissenschaftliche Qualifikationen!

Heute schon kann über die eine Tatsache kein Zweifel sein, daß neue Naturkräfte entdeckt worden sind, die sich in erstaunlichen, wunderbaren Phänomenen äußern. Man ist allerdings über die Deutung dieser Phänomene heute noch sehr verschiedener Meinung, aber die Tatsache ihrer Existenz kann kein Jünger der Wissenschaft leugnen, der diesen Namen verdient. Wir wollen zunächst einige der hervorragendsten Forscher sprechen lassen:

 

1. Bericht der Mailänder Kommission

Ein aus den hervorragendsten naturwissenschaftlichen Gelehrten der damaligen Zeit bestehendes Komitee, dem die Professoren Schiaparelli, Richet, Lombroso, Brofferio, Gerosa, Ermacora, Finzi, du Prel und Aksakow angehörten, unternahm im Jahre 1892 mit dem bekannten Medium Eusapia Paladino ausgedehnte Untersuchungen unter Wahrung genauester wissenschaftlicher Methoden. Aus dem in den »Psychischen Studien« Januar 1893 veröffentlichten ausführlichen Protokolle sei das Folgende mitgeteilt:

 

Erstens: Bei Licht beobachtete Phänomene:

  1. Unerklärliche mechanische Bewegungen durch direkte Berührung mit den Händen des Mediums. Experimente mit einem Tische von acht Kilo Gewicht. Bewegungen des Tisches nach verschiedensten Richtungen, vollständige Erhebung des Tisches in die Luft und Verbleiben in der Luft ohne Unterlage während mehrerer Sekunden (bewiesen durch einundzwanzig Photographien).
  2. Gewichtsveränderungen des Mediums, während dasselbe auf einer Wage sitzt, Abnahme und Zunahme bis zu zehn Kilogramm.
  3. Gewichtsveränderungen des Mediums, während dasselbe in Entfernung einer Brückenwage sitzt. Der Bericht sagt: »Als nach einigem Zuwarten die Bewegung des Wagebalkens vor aller Augen eintrat und dieser mit Kraft gegen die Barren schlug, erhob sich Prof. Richet sofort von seinem Platze an der Seite des Mediums und versicherte sich, indem er mit der Hand zwischen der Wageplatte und dem Medium in der Luft und auf der Erde umherfuhr, daß dieser ganze Raum frei war von jeglicher Verbindung.«
  4. Unerklärliche mechanische Bewegungen ohne Berührung durch die Hände des Mediums unter Bedingungen, bei denen die mechanische Einwirkung der Hände unmöglich ist. Senkrechtes Aufschweben des Tisches (Levitation). Der Bericht sagt: »Dieses Experiment lieferte uns den unbestreitbaren Beweis, daß seitliche und vertikale Bewegungen des Tisches erhalten werden können, unabhängig von jeder Kraftentwicklung durch die Hände des Mediums.«
  5. Bewegung von Gegenständen auf Entfernung, ohne irgendwelche Berührung mit den anwesenden Personen. Der Bericht sagt: »Spontane (von selbst erfolgende) Bewegungen von Gegenständen sind während der Séance von Zeit zu Zeit beobachtet worden. Oft setzte sich ein zu diesem Zwecke nicht fern von dem Tische zwischen dem Medium und seinem Nachbar aufgestellter Stuhl in Bewegung und näherte sich einige Male dem Tische. Ein überraschender Fall trat ein in der zweiten Séance bei vollem Lichte. Ein großer Stuhl von zehn Kilo Gewicht, der sich einen Meter vom Tisch entfernt hinter dem Medium befand, näherte sich Prof. Schiaparelli, der zur Seite des Mediums saß. Herr Schiaparelli erhob sich und stellte den Stuhl auf seinen Platz zurück; aber er hatte sich kaum wieder hingesetzt, als sich ihm der Stuhl ein zweites Mal näherte ...«
  6. Klopflaute und Erzeugung von Tönen im Tische. Der Bericht sagt: »Diese Klopflaute wurden während der Séance beständig erzeugt, um ›ja‹ oder ›nein‹ damit zu sagen.«

 

Zweitens: Bei Dunkelheit beobachtete Phänomene.

Klopflaute, furchtbare Schläge auf den Tisch, Stöße und Schläge auf die Stühle, einige Male mit solcher Gewalt, daß sie den Stuhl mitsamt der darauf sitzenden Person verrückten, – – Stühle, Kleider und andere Gegenstände im Gewicht von mehreren Kilogrammen wurden aus einer Entfernung von mehreren Metern auf den Tisch plaziert, ja sogar das Medium selbst mit seinem Stuhl,– – tönende Musikinstrumente flatterten in der Luft, – – phosphoreszierende Funken in der Luft, – – Berührungen durch geheimnisvolle Hände, die sich über phosphoreszierender Unterlage sichtbar abheben und Fingerabdrücke auf mit Lampenruß geschwärztem Papier hinterlassen. – – Berührung der Hände durch geheimnisvolles Gesicht, welches sicherlich nicht dem Medium angehört, – – Bildung und Auflösung von Knoten, – – Herbeibringen von Gegenständen, während die Hände des Mediums mit denen seiner Nachbarn zusammengebunden sind.

Der Bericht sagt: »Zweimal (den 16. und 21. Sept.) wurde die Brille des Prof. Schiaparelli ihm abgenommen und auf den Tisch vor eine andere Person gelegt. Diese Brille sitzt hinter den Ohren vermittelst zweier elastischer Spiralbügel, und um sie abzunehmen, erfordert es schon einige Aufmerksamkeit, sogar von Seiten dessen, der bei vollem Lichte tätig ist. Und dennoch wurde sie bei vollständiger Dunkelheit mit einer solchen Zartheit und Genauigkeit abgehoben, daß Prof. Schiaparelli dies erst gewahr wurde aus dem Aufhören der Empfindung, welche die Berührung der Brille gewöhnlich auf der Nase, den Schläfen und den Ohren erzeugt und genötigt war, sich erst mit der Hand zu vergewissern, daß sie sich nicht mehr an ihrem gewohnten Platze befand.« –

»Ein Stuhl mit darauf befindlicher Klingel wurde hinter den Rücken des Mediums gestellt. Man bildete die Kette, und die Hände und die Füße des Mediums wurden überdies noch wie gewöhnlich von den Händen und Füßen der Nachbarn festgehalten. Man machte hierauf Dunkelheit mit dem ausgesprochenen Wunsch, daß sofort wie die Dunkelheit eintrete, die Klingel geschellt werden sollte, worauf das Medium in Freiheit gesetzt werden würde. Sofort hörten wir, wie der Stuhl sich in Bewegung setzte, eine Kurve auf dem Fußboden beschrieb, sich dem Tisch näherte, und dann plötzlich auf den Tisch gesetzt wurde; die Klingel ertönte, dann wurde sie auf den Tisch geworfen. Als das Licht sofort entzündet war, wurde konstatiert, daß alle Knoten sich in Ordnung befanden. Es ist klar, daß dieser Apport des Stuhles nicht hat durch eine Tätigkeit des Mediums erzeugt werden können ...«

 

Drittens: Versetzung des Mediums auf den Tisch.

Der Bericht sagt: »Wir betrachten diesen Transport als eine der wichtigsten und bedeutungsvollsten Tatsachen. Er fand zweimal statt: am 28. September 1892 und am 3. Oktober 1892. Er bestand darin, daß das Medium, welches am einen Ende des Tisches saß, auf einmal unter großem Klagegeschrei mit seinem Stuhl emporgehoben und mit ihm auf den Tisch gesetzt wurde, in derselben Lage wie zuvor sitzend und immer noch von seinen Nachbarn an seinen Händen festgehalten und begleitet.«

»Am Abend des 28. September beklagte sich das Medium, während seine Hände von den Professoren Richet und Lombroso gehalten wurden, über ein Gefühl, als ob Hände es unter den Armen ergriffen, und dann sagte es im Trance mit veränderter Stimme: ›Jetzt trage ich mein Medium auf den Tisch!‹ Nach zwei bis drei Sekunden wurde der Stuhl mit dem darauf sitzenden Medium ohne irgendwelchen Kunstgriff nicht geschleudert, sondern emporgehoben, und auf dem Tisch niedergesetzt, während die Herren Richet und Lombroso gewiss sind, in keiner Art die Emporhebung durch irgendwelche Kraftanstrengung ihrerseits unterstützt zu haben. Nach einer Unterhaltung im Trance kündigte das Medium sein Wiederheruntersetzen an, und nachdem Herr Finzi für Herrn Lombroso eingestellt worden war, wurde das Medium mit derselben Sicherheit und Genauigkeit auf die Erde niedergesetzt, während die Herren Richet und Finzi den Bewegungen seiner Hände und seines Körpers nachfolgten, ohne es im geringsten zu unterstützen und sich beständig über die Haltung der Hände befragten.«

 

Viertens: Phänomene, zuerst in der Dunkelheit beobachtet, dann beim Licht erhalten, mit dem Medium vor den Augen der Kommissionsmitglieder.

Berührungen, Fortziehen der Stühle, Erscheinung von Händen, Funken, Ergreifen und Hinwerfen von Gegenständen usw.

Der Bericht sagt: »Es ist unmöglich, die Zahl anzugeben, wie oft die Hand uns erschienen ist und wir sie berührt haben. Es genüge, zu sagen, daß kein Zweifel weiter möglich war: das war wirklich eine menschliche und lebende Hand, die wir sahen und berührten, während zu gleicher Zeit die ganze Büste und die Arme des Mediums uns gut sichtbar waren, und ihre beiden Hände immer von ihren Nachbarn gehalten wurden. Nach dem Schlusse der Séance trat Herr du Prel als erster hinter den Vorhang ein und verkündigte uns, daß in dem Tone ein Abdruck vorhanden wäre. Wir fanden in der Tat, daß der Ton durch einen starken Griff von fünf Fingern einer rechten Hand ausgegraben war. Ein bleibender Beweis, daß die Erscheinung keine Halluzination war, und dies erklärte uns die Tatsache, daß gegen das Ende der Séance uns ein Stück Ton durch die Öffnung des Vorhangs auf den Tisch geworfen wurde. Obgleich die Lage der geheimnisvollen Hand nicht die Vermutung zuließ, daß sie dem Medium angehörte, so wandten wir doch, um der größeren Sicherheit willen, bei der Séance am 15. Oktober ein Kautschukband an, welches jeden Finger besonders umflocht. Die Erscheinungen der Hand fanden trotzdem statt.«

Die Kommission kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:

Somit haben wir also alle die erstaunlichen Phänomene, welche wir während einer vollständigen oder nahezu vollständigen Dunkelheit erhielten, auch bei dieser Séance beobachtet, während wir das Medium keinen Augenblick aus dem Auge verloren. Die Séance am 6. Oktober wurde also für uns zur evidenten und absoluten Bestätigung der Richtigkeit unserer früher in der Dunkelheit empfangenen Eindrücke. Indem wir diesen kurzen und unvollständigen Umriß unserer Experimente veröffentlichen, müssen wir unsere Überzeugung noch dahin aussprechen:

  1. daß unter den gegebenen Bedingungen keines der Phänomene, welche bei mehr oder minder starkem Licht erhalten sind, durch irgendein künstliches Mittel hatte erzeugt werden können;
  2. daß dieselbe Überzeugung ausgesprochen werden kann bezüglich des größten Teiles der Phänomene bei vollkommener Dunkelheit.

 

2. Professor William Crookes

Professor William Crookes, Professor der Chemie an der Universität London, einer der hervorragendsten Chemiker unserer Zeit, Mitglied der Royal Society, stellte im Auftrage seiner gelehrten Gesellschaft mit dem berühmten Medium Daniel Douglas Home Versuche an, welche mit größter wissenschaftlicher Vorsicht, unter Benutzung von Instrumenten und sonstigen automatisch wirkenden Hilfsmitteln durchgeführt wurden. Aus dem Berichte des Prof. Crookes sei folgendes mitgeteilt:

»Die Sitzungen wurden am Abend in einem großen, von Gas erleuchteten Zimmer abgehalten. Der Apparat, welcher dazu diente, die Bewegungen der Harmonika zu kontrollieren, bestand aus einem Bauer. Die Höhe des Bauers war so groß, daß es gerade unter meinen Eßtisch geschoben werden konnte, und wenn es dort stand, konnte weder eine Hand noch ein Fuß von oben oder von unten hineinkommen. Die Harmonika war ganz neu, da sie eigens zu diesen Versuchen gekauft wurde. Home hatte das Instrument nie gesehen und noch weniger vor Beginn der Versuche in der Hand gehabt. In einem anderen Teil des Zimmers war ein Apparat aufgestellt, um die Gewichtsveränderungen der Körper zu untersuchen. Bevor Home die Stube betrat, war der Apparat in Ordnung gebracht; der Zweck desselben wurde ihm in keiner Weise erklärt, ehe er Platz nahm. Um naheliegenden kritischen Einwendungen zu entgehen, ist es vielleicht von Wert zu bemerken, daß ich Home am Nachmittag einen Besuch in seiner Wohnung abstattete. Er bat mich, das Gespräch in seinem Schlafzimmer fortzusetzen, während er sich umkleidete. Ich muss daher bezeugen, daß keine Maschinerie oder andere geheime Einrichtung an seinem Körper verborgen war. Bei den Versuchen war der hervorragende Physiker Dr. W. Huggins, Sergeant of Law, ferner E. W. Cox, mein Bruder und der Assistent an meinem chemischen Laboratorium zugegen. Home saß auf einem niedrigen Lehnstuhl. Zwischen seinen Beinen stand unter dem Tisch das obenerwähnte Bauer. Ich selbst saß dicht bei ihm zu seiner Linken; ein anderer Beobachter hatte ebenfalls dicht neben ihm zu seiner Rechten Platz genommen; die übrigen Anwesenden hatten sich rund um den Tisch verteilt. Den größten Teil des Abends, namentlich, wenn etwas von Bedeutung sich ereignete, hatten die Beobachter auf beiden Seiten von Home ihre Füße auf die seinigen gestellt, so daß sie die geringste Bewegung seinerseits zu entdecken imstande waren. Home nahm die Harmonika zwischen dem Daumen und Mittelfinger der einen Hand an dem Ende, wo die Schlüssel sich nicht befanden. Darauf öffnete ich selbst den Baßschlüssel und zog das Bauer gerade so weit unter dem Tisch hervor, daß die Harmonika mit den Schlüsseln nach unten in dasselbe gesteckt werden konnte; sodann wurde es wieder so weit zurückgeschoben, als Homes Arm es erlaubte, jedoch ohne daß seine Hand den am nächsten Sitzenden verborgen war. Bald darauf begann die Harmonika in einer höchst merkwürdigen Weise hin und her zu schwingen, dann gingen einige Laute von ihr aus und schließlich wurden mehrere Töne nacheinander von ihr gespielt. Während dies geschah, kroch mein Assistent unter den Tisch und teilte mit, daß die Harmonika sich ausdehne und zusammenziehe; zugleich sahen wir anderen, daß die Hand, mit der Home die Harmonika hielt, ganz ruhig war; seine andere Hand ruhte auf dem Tische. Gleich darauf sahen wir, die wir dicht bei Home saßen, daß die Harmonika sich im Bauer bald hin und her, bald in einem Kreise bewegte, während sie gleichzeitig spielte. Dr. Huggins sah nun unter den Tisch und sagte, das Instrument bewege sich, obgleich Homes Hand ganz ruhig zu sein schiene. Aber das Folgende war noch schlagender: denn Home entfernte seine Hand vollständig von der Harmonika, indem er jene aus dem Bauer herauszog und dem nächsten Nachbar reichte. Das Instrument fuhr fort zu spielen, obgleich kein Mensch daran rührte ...«

Crookes schildert dann seine Experimente, um den Einfluss der mediumistischen Kraft auf die Wage festzustellen, und konstatiert, daß diese Kraft die Wage in wunderbarster Weise beeinflußte, trotzdem diese Experimente mit allen wissenschaftlichen Finessen durchgeführt werden.Vgl. das Buch: Der Schotte Home, ein physiopsychischer Zeuge des Transzendenten im 19. Jahrhundert. Von Dr. Walter Bormann. Verlag Oswald Mutze, Leipzig.

Noch merkwürdiger als diese Experimente mit Home erscheinen die Versuche, welche Crookes zusammen mit dem berühmten Elektriker Cromwell Flutwood Varley angestellt hat, während die fünfzehnjährige Florence Cook als Medium diente. Bei diesen Sitzungen traten Phänomene auf, welche durch Auge, Ohr, Tastsinn, photographische Platte, Wage und verschiedenartige physikalische Instrumente wahrgenommen und nachgewiesen wurden. Eines der merkwürdigsten Phänomene war das häufige Erscheinen einer Gestalt, die sich Katie King nannte. Crookes berichtet:

... »Ich zog häufig den Vorhang von einer Seite fort, wo Katie demselben nahestand, und es war eine gewöhnliche Erscheinung für uns sieben oder acht im Laboratorium Anwesende, Miß Cook und Katie zu gleicher Zeit unter dem vollen Glanze des elektrischen Lichtes zu sehen. Ich habe die absoluteste Gewißheit, daß Miß Cook und Katie zwei verschiedene und getrennte Individuen sind, soweit ihre Körper in Betracht kommen.«

Am 1. August 1874 schrieb Crookes in Beantwortung des Briefes einer Russin:

»Die Identität einer verstorbenen Person festzustellen, ist der Hauptzweck gewesen, den ich in den letzten drei bis vier Jahren vor Augen gehabt habe, und ich habe keine günstige Gelegenheit verabsäumt, mich über diesen Punkt aufzuklären. Ich habe fast unumschränkte Gelegenheit zu dieser Untersuchung gehabt, mehr als vielleicht ein anderer Mann in Europa. Während dieser ganzen Zeit habe ich auf das ernstlichste gewünscht, den einen Beweis zu erhalten, den Sie wünschen, den Beweis, daß die Toten wiederkehren und mit uns in Verbindung treten können. Ich habe aber noch kein einziges Mal den befriedigenden Beweis erhalten, daß dies der Fall sei. Ich habe Hunderte von Mitteilungen erhalten, welche von abgeschiedenen Freunden zu kommen vorgaben; aber sobald ich den Beweis zu erhalten suchte, daß sie wirklich die Individuen sind, welche sie zu sein vorgeben, so hielten sie nicht Stich. Kein einziger ist imstande gewesen, die notwendigen Fragen zu beantworten, um seine Identität zu beweisen, und das große Problem eines zukünftigen Lebens ist für mich noch ebenso undurchdringliches Geheimnis, als es jemals war. Alles, wovon ich überzeugt bin, ist, daß unsichtbare intelligente Wesen existieren, welche die Geister abgeschiedener Personen zu sein vorgeben; aber die Beweise, welche ich für die Wahrheit dieser Behauptung fordere, habe ich noch niemals erhalten, obgleich ich zuzugeben geneigt bin, daß viele meiner Freunde die gewünschten Beweise wirklich erhalten zu haben erklären, und ich selbst schon mehrere Male dieser Überzeugung ganz nahe gewesen bin. Die nächste Annäherung an einen befriedigenden Beweis, den ich erhalten habe, ist mir durch die private Mediumschaft einer Dame vermittelt worden, die sich unter meinen eigenen Augen als ein Schreibmedium entwickelte und niemals sonst mit irgendjemand Sitzung hielt. Bei ihr gewann ich große Hoffnung, daß meine Zweifel aufgeklärt würden; aber unglücklicherweise verlor sie die Gabe.«

 

3. Professor Cromwell Flutwood Varley

Professor Cromwell Flutwood Varley, Elektriker und Physiker, berichtet über die Untersuchungen, die er in Gemeinschaft mit Professor Crookes vorgenommen, das Folgende:

Zunächst erfolgt ausführliche Beschreibung einer elektrischen Fesselung des Mediums, so daß jede ihrer Bewegungen, auch die kleinste, durch elektrische Apparate registriert wurden. Die Apparate wurden während der Sitzungen genau kontrolliert. Professor Varley fährt fort:

»... Das Vorderzimmer wurde von einer mit kleiner Flamme brennenden Paraffinschirmlampe beleuchtet. Gegen Schluß der Sitzung wurde das Zimmer verdunkelt, und Katie gestattete mir, mich ihr zu nähern. Sie ließ mich dann ihre Hand ergreifen: dieselbe war lang, ganz kalt und klebrig. Ein oder zwei Minuten später hieß mich Katie ins Dunkelzimmer gehen, um Miß Cook aus ihrer Trance zu wecken. Ich fand sie in einem tiefen Trancezustand in ihrem Lehnstuhl zusammengesunken, ihr Kopf lag auf ihrer Schulter, ihre rechte Hand hing herab. Ihre Hand war klein, warm und trocken und nicht wie Katies Hand lang, kalt und feucht ...

»... Um 7 Uhr 41 Minuten streckte Katie ihren Arm in voller Länge aus und bat um Bleistift und Papier. Katie begann jetzt angesichts der Beobachter zu schreiben. Ich beobachtete das Galvanometer genau die ganze Zeit über, wo sie schrieb, es variierte aber nicht um einen Grad. Ausgezeichneter Beweis! Katie bewegte dann auf meine Bitte ihre Handgelenke, öffnete und schloss ihre Finger, aber das Galvanometer blieb die ganze Zeit über stationär. Wäre es Miß Cooks Hand gewesen, so würde das Galvanometer mindestens um zehn Teilgrade variiert haben ...«

 

4. Professor William James

Professor William James sagt in seiner »Psychologie« (Meyer, Leipzig, 1909): »Ich teile meine Ansicht mit, nicht um irgend jemand zu meiner Auffassung zu bekehren, sondern weil ich überzeugt bin, daß ein ernsthaftes Studium dieser Phänomene von größter Wichtigkeit ist, und weil ich denke, daß mein persönliches Bekenntnis möglicherweise einen Leser oder zwei auf ein Untersuchungsgebiet locken könnte, das von den ›soidisant𔉵-Wissenschaftlern gewöhnlich mit Geringschätzung behandelt wird.«

An anderer Stelle sagt dieser hervorragende Psychologe: »Wirklich starke Medien sind eine Seltenheit, wenn man aber mit ihnen zu arbeiten anfängt und dann abwärts in die wenig klaren Regionen des Automatismus taucht, neigt man dazu, viele seltsame Zufälle für rudimentäre Wahrheitsformen zu halten. Die Phänomene sind in ihren Faktoren unendlich kompliziert und heute noch so wenig verstanden, daß kurz gefaßte Urteile wie ›Geister‹ oder ›Blödsinn‹ gleicherart unvernünftig sind. – Was den Punkt betrifft, daß es solche Typen von Phänomenen gibt, die von der orthodoxen Wissenschaft ignoriert werden, so bin ich vollständig davon überzeugt.«Siehe William James, Psychologie, Meyer, Leipzig 1909, S. 214, ferner Psychische Studien Januar 1912, Memories and Studies 1911, Endgültige Eindrücke eines psychischen Forschers.

 

5. Edward William Cox

Edward William Cox, hervorragender Psychologe, nahm an den Untersuchungen des Professor Crookes persönlich teil und kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:

  1. Für die Existenz einer psychischen Kraft spricht die Tatsache, daß derartige Phänomene nur bei Anwesenheit eines »Psychikers« zustande kommen, dessen »Psyche« unbewußt wirke und nicht beherrscht oder gelenkt werden könne.
  2. Die psychische Kraft wirkt außerhalb des Bereiches der Muskelstärke des Psychikers in einer in den verschiedenen Fällen verschieden großen Zone.
  3. Die Intelligenz, welche sich in der Kraft äußert, zeigt alle Charakterzüge des Psychikers, pulsiert gewissermaßen in rhythmischen Wellen, die Klopflaute und Bewegungen schwerer Gegenstände gehen rhythmisch vor sich, und das Erheben und Fallen von Tischen usw. geht nicht ruckweise, sondern schwebend und pendelnd, gewissermaßen zitternd vor sich.
  4. Die Beschreibungen des zukünftigen Lebens entsprechen der Weltanschauung des Psychikers.Siehe »Beweise für die Existenz einer psychischen Kraft« von E. W, Cox, Verlag Oswald Mutze, Leipzig.

 

6. Sir Oliver Lodge

Sir Oliver Lodge sagt: »Wenn jemand daran liegt, zu hören, welche Überzeugung sich mir als Gelehrten, der schon zwanzig Jahre mit diesen Fragen vertraut ist, aufgedrängt hat, so will ich ihm so offen Antwort stehen, als ich kann. Ich bin für alle persönlichen Ziele von der Dauer des menschlichen Daseins über den Tod hinaus überzeugt, und wenn ich auch diesen Glauben nicht voll und ganz rechtfertigen kann, so ist es doch ein Glaube, der sich aus wissenschaftlichen, auf Tatsachen und Erfahrungen beruhenden Nachweisen ergeben hat.«Siehe Robert J. Thompson, »Beweise für ein Leben nach dem Tode«.

 

7. Friedrich Zöllner

Friedrich Zöllner, Professor der Astro-Physik, Universität Leipzig. Durch ausführliche Versuche mit Slade kam Zöllner zu der Überzeugung, daß die direkte Schrift kein Taschenspielerkunststück, sondern wahrhafte Tatsache sei, welche er sich mit der mathematischen Vorstellung eines vierdimensionalen Raumes erklärte. Er sagt: »Ich habe in der nun bereits oben zitierten Abhandlung (Über Wirkungen in die Ferne) einige von den physikalischen Erscheinungen diskutiert, welche solche vierdimensionale Wesen auszuführen imstande sein müßten, falls es ihnen unter gewissen Umständen gestattet ist, sichtbare, daß heißt uns dreidimensionalen Wesen vorstellbare Wirkungen in der realen Körperwelt zu erzeugen. Als eine solche Wirkung hatte ich ausdrücklich die Verschlingung eines Fadens ohne Ende diskutiert. Wenn ein solcher Faden mit seinen Enden zusammengeknüpft und mit einem Siegel versehen worden ist, so müsste ein intelligentes Wesen, welches willkürlich vierdimensionale Biegungen und Bewegungen mit dem Faden vornehmen könnte, imstande sein, ohne Lösung des Siegels einen oder mehrere Knoten in den einfachen Faden zu knüpfen. Dieser Versuch ist mir nun mit Hilfe des amerikanischen Mediums Mr. Henry Slade zu Leipzig am 17. Dezember 1877 vormittags 11 Uhr innerhalb einer Zeit von wenigen Minuten gelungen.«

Zöllner setzt ausführlich die Maßregeln auseinander, die von ihm und seinen wissenschaftlich geschulten Mitforschern getroffen worden waren, um jeden Betrug auszuschließen, und fährt dann fort:

»Um die auf menschlichem Zeugnis beruhenden Tatsachen uns unerklärlicher Erscheinungen womöglich gänzlich auszuschließen, war ich darauf bedacht, solche Experimente zu ersinnen, bei denen die als Endresultat hervortretende bleibende Wirkung, nach unserer bisherigen Auffassung der Naturgesetze, vollkommen unerklärlich ist. Zu diesem Zweck hatte ich folgende Versuche vorbereitet:

»Zwei Holzringe, der eine von Eichen– der andere von Erlenholz waren jeder aus einem Stück gedrechselt... Wenn diese beiden Ringe, ohne daß ihr Zusammenhang gelöst wird, ineinander gekettet werden könnten, so würde man sich nachträglich durch genaue mikroskopische Untersuchung von dem unverletzten Zusammenhang der Holzfasern überzeugen können. Da außerdem zwei verschiedene Holzarten gewählt wurden, so ist die Möglichkeit, beide Ringe aus ein und demselben Stück Holz zu schneiden, gleichfalls ausgeschlossen. Zwei solche ineinander gekettete Ringe würden demnach für sich ein Wunder darstellen, das heißt eine Erscheinung, die wir auf Grund unserer bisherigen Vorstellungen vom Zustandekommen physikalischer oder organischer Prozesse absolut unfähig wären, zu erklären.

»Aus einem getrockneten Darme, wie er zur Wurstfabrikation gebraucht wird, wurde ein in sich geschlossenes Band von etwa vier bis fünf Millimeter Breite und 400 Millimeter Umfang ausgeschnitten. Im Falle in diesem Bande eine Knotenschürzung stattfand, konnte gleichfalls nachträglich durch mikroskopische Untersuchung konstatiert werden, ob hierbei der Zusammenhang der Teile jenes Streifens gelöst worden sei oder nicht.

»Am 9. Mai dieses Jahres sieben Uhr befand ich mich allein mit Slade in unserem gewöhnlichen Sitzungszimmer. Der Himmel hatte sich im Lauf des Nachmittags unter dem Einfluss eines frischen Windes zu einer seltenen Klarheit aufgehellt, so daß das nach Westen gelegene Zimmer von den Strahlen der untergehenden Sonne hell erleuchtet war. Die beiden Holzringe nebst dem oben erwähnten, aus einem Stück eines Darms geschnittenen Bande waren an einer ca. 1 Millimeter dicken und 1 m langen Darmsaite aufgereiht. Letztere war mit ihren beiden Enden von mir durch einen Doppelknoten zusammengeknüpft und alsdann in der früheren bei den Bindfäden angegebenen Weise mit meinem Petschaft eigenhändig versiegelt worden. (Veranschaulicht durch ein dem Bericht angefügtes Bild.)

»Nachdem ich in der gewöhnlichen Weise mit Herrn Slade am Tische Platz genommen hatte, legte ich beide Hände fest auf den oberen Teil der versiegelten Darmsaite, wie dies auf Bild 163 nach der Natur fotografiert ist. Der kleine runde Tisch war kurz nach unserem Eintritt in das Zimmer an die auf Bild 163 abgebildete Stelle gesetzt worden.

»Nachdem einige Minuten verstrichen waren, und Slade wie gewöhnlich während physikalischer Manifestationen Lichter zu sehen behauptete, verbreitete sich ein schwacher Brandgeruch im Zimmer, der unter dem Tisch hervorzudringen schien und etwas an den Geruch schwefliger Säure erinnerte. Kurz darauf hörte man an dem kleinen runden Tisch mir gegenüber vorübergehend ein Klappern wie von zwei aneinander stoßenden Hölzern. Als ich fragte, ob wir die Sitzung schließen sollten und das Werk vollendet sei, wiederholt sich das Klappern dreimal hintereinander. Unmittelbar darauf erhoben wir uns, um zunächst die Ursache des Klapperns an dem runden Tisch zu erforschen. Zu unserem größten Erstaunen befanden sich die beiden Holzringe, welche ungefähr sechs Minuten vorher noch an der Darmsaite aufgereiht waren, unversehrt um den Fuß des kleinen Tisches, wie dies auf Bild Seite 873 dargestellt ist. Die Darmsaite enthielt zwei Schlingen, welche in dem unversehrten endlosen Darmstreifen angebracht waren ...«

 

8. Dr. Carl du Prel

Dr. Carl du PrelVgl. Dr. Carl du Prel, Philosophie der Mystik 1855.: »... Zu den Fähigkeiten der Somnambulen gehören nun auch solche, welche unbestreitbar jeder physiologischen Erklärung spotten, z. B. Fernsehen und Fernwirken. Man kann ein zeitliches Fernsehen unmöglich den körperlichen Gehirnzellen zuschreiben. Wer also einem Fall von Fernsehen auch nur ein einziges Mal begegnet, ist logischerweise genötigt, einen Träger dieser Fähigkeit vorauszusetzen, und zwar einen vom leiblichen Menschen verschiedenen und unabhängigen Träger. Diesen kennen wir aber nicht; wir sind uns unserer somnambulen Fähigkeit nicht bewusst und können sie nicht willkürlich gebrauchen. Daraus folgt, daß unser Selbstbewußtsein sich nicht über unser ganzes Wesen erstreckt. Es steckt also in uns verborgen, unserem irdischen Selbstbewußtsein entzogen, ein Wesenskern, der eine durchaus andere Anpassung an die äußere Welt zeigt als die leibliche. Er ist der Träger der okkulten Fähigkeiten. Wir sind also ein Doppelwesen, und die irdische Leiblichkeit samt dem leiblich bedingten Bewusstsein bildet nur die eine Seite unserer Existenz. Damit lebt aber das Problem der Unsterblichkeit wieder auf, das für die Wissenschaft nur darum optisch verschwunden war, weil sie nur die leibliche Seite des Menschen in Betracht zog. Der Tod beseitigt nur die leibliche Form der Erscheinung; wenn wir aber Fähigkeiten besitzen, die nicht an der Leiblichkeit haften, so wird deren Träger vom Tode nicht betroffen. Er lebt also mit den nicht leiblich bedingten Fähigkeiten fort. Sollten es etwa solche Wesen sein, denen die Phänomene des Spiritismus zuzuschreiben sind? ... Ich kann nun meine Wanderung zusammenfassen: Die Astronomie lehrt mich, daß das Gesetz der Anpassung im ganzen Kosmos gilt. Der Darwinismus lehrte mich, daß es auf der Erde Millionen von Anpassungsarten der Lebewesen an die Natur gibt. Wiewohl hier das Bildungsmaterial der Wesen das Gleiche ist, die Zelle, so finden wir doch schon auf der Erde Zellwesen, die sich gegenseitig verborgen bleiben. Wir können aber unmöglich annehmen, daß diese so unerschöpflich reiche Natur nur über dieses eine Mittel, die Zelle, verfügt, um das Leben kosmisch durchzusetzen. Nichts hindert uns, Wesen sogar von ätherischer Natur anzunehmen, die ebendarum auch die Fähigkeit des Äthers besitzen. Dies ist also das Verhältnis zwischen Somnambulismus und Spiritismus: die Agenten sind in beiden gleichartig, dort wirken sie ohne den Gebrauch der Körperlichkeit, hier ohne den Besitz der Körperlichkeit, durch Kräfte und Fähigkeiten, die vorbehaltlich der Grundunterschiede wesentlich gleich sind. Der Somnambulismus ist also der abgeschwächte Spiritismus des Diesseits; der Spiritismus ist der gesteigerte Somnambulismus des Jenseits.«

 

9. Camille Flammarion

Camille Flammarion, Direktor der Sternwarte zu Juvisy-Paris, sagt in seinem Werk »Rätsel des Seelenlebens« (Julius Hoffmann, Stuttgart):

»Absolut wissen wir gar nichts. Unsere Urteile sind nur relativ und darum unvollkommen und unzuverlässig. Die wissenschaftliche Weisheit besteht also hauptsächlich darin, im Verneinen sehr maßzuhalten. Wir müssen bescheiden sein. ›Der Zweifel ist ein Zeichen der Bescheidenheit‹ sagt Arago. ›Er hat selten dem Fortschritt der Wissenschaft geschadet. Man soll aber nicht dasselbe von der Ungläubigkeit sagen.‹« –

»Es gibt noch eine große Anzahl unerklärter Tatsachen, die alle in ein unbekanntes Gebiet gehören, und zu ihnen zählen auch die Phänomene, mit denen wir uns hier beschäftigen wollen. Die Telepathie oder das Fernfühlen, die Erscheinungen oder Manifestationen Sterbender, Gedankenübertragung, das Sehen im Traum oder Somnambulismus bei geschlossenen Augen von Gegenden, Orten, Ereignissen, das Weissagen der Zukunft, die Ankündigungen und Vorahnungen, gewisse seltene magnetische Fälle, die unbewußten Diktate durch Tischklopfen, unerklärbare Geräusche, die Spukhäuser, die Levitationen, die dem Gesetz der Schwere entgegenwirken, das Bewegen und Fortbringen von Gegenständen ohne Berührung und von scheinbar materialisierten Kräften (so absurd es klingt) bewirkt die verschiedenen Kundgebungen »entkörperter Seelen« oder »Geister«. Und viele andere bizarre und jetzt noch unerklärliche Phänomene erregen unsere Neugier und unsere wissenschaftliche Aufmerksamkeit ...«

Nach seinen 425 Seiten einnehmenden Untersuchungen kommt der Astronom und strenge Wissenschaftler Flammarion zu dem Schluß: »Wir können aus der Gesamtheit der Fälle folgende Schlußfolgerungen ziehen:

  1. Die Seele existiert als eine wirkliche, vom Körper unabhängige Wesenheit.
  2. Sie ist mit Fähigkeiten ausgestattet, die bis jetzt der Wissenschaft unbekannt sind.
  3. Sie kann in die Ferne wirken und sehen, ohne Hilfsmittel der Sinne.
  4. Die Zukunft ist im Voraus bestimmt und durch die Ursachen, die sie herbeiführen, bedingt. Die Seele kann dies mitunter wahrnehmen.

Diese vier Punkte stehen fest und sind erwiesen.«

 

10. Charles Richet

Charles Richet, Professor der Physiologie, Universität Paris.

Der Pariser Physiologe Professor Charles Richet berichtet über seine Sitzungen in Algier (Materialisationssitzungen in Algier, Psychische Studien 1906, Seite 62):

»Ich sehe etwas wie eine weiße leuchtende Kugel, die über dem Boden schwebt und deren Umrisse unbestimmt sind. Dann erscheint plötzlich aus dieser Transformierung der weißlichen Leuchtkugel hervorgegangen, gerade und rasch, wie aus einer Falltür emporsteigend, das Phantom »Bien-Boa«. Seine Statur scheint mir nicht besonders groß zu sein. Es ist in ein faltenreiches Gewand gehüllt mit einem Gürtel um die Taille ... Der leuchtende Fleck auf dem Fußboden war dem Erscheinen des »Bien-Boa« vorhergegangen. Aus diesem heraus hatte sich die Gestalt sehr rasch nach oben emporsteigend entwickelt ... Ohne den Vorhang zu öffnen, sinkt er plötzlich zusammen und verschwindet auf dem Boden. Gleichzeitig hört man das Geräusch eines sich zu Boden werfenden Körpers. Drei bis vier Minuten später erscheint im Schlitze des Vorhangs dieselbe weiße Kugel wieder in der Höhe des Bodens, dann bildet sich ein rasch gerade in die Höhe steigender Körper, welcher bis zur Höhe eines erwachsenden Menschen aufsteigt und dann plötzlich wieder auf dem Boden zusammensinkt.

»Es hat sich vor meinen Augen außerhalb des Vorhanges ein lebender Körper gebildet, der aus dem Boden hervortauchte und wieder in dem Boden verschwand. Eine Falltür war nicht vorhanden.«

 

11. Alexander N. Aksakow

Alexander N. Aksakow, Kaiserl. Russischer Wirkl. Staatsrat, sagt in seinem hervorragenden Werke: »Animismus und Spiritismus« (Verlag Oswald Mutze, Leipzig):

»Seit ich mich an der spiritistischen Bewegung vom Jahre 1855 ab interessierte, habe ich nicht aufgehört, sie in allen ihren Details zu studieren – und zwar in allen Teilen der Welt und in allen Literaturen. Zuvor hatte ich die Tatsachen auf das Zeugnis anderer hingenommen; erst im Jahre 1870 wohnte ich der ersten Séance in einem von mir selbst gebildeten, intimen Zirkel bei; – ich war nicht erstaunt zu sehen, daß die Tatsachen wohl solche waren, wie sie von anderen berichtet standen; ich fasste die tiefe Überzeugung, daß wir in diesen Tatsachen – – wie in allem, was in der Natur existiert – – eine unerschütterliche Basis, einen festen Boden für die Grundlegung einer neuen Wissenschaft vom Menschen haben, welche in ferner Zukunft vielleicht die Lösung des Problems seiner Existenz verspricht. Ich tat, was in meinem Vermögen stand zur Verbreitung dieser Tatsachen, um die Aufmerksamkeit vorurteilsfreier Denker auf sie zu lenken.«

 

12. Prof. Dr. Cesare L'ombroso

Prof. Dr. Cesare L'ombroso, Physiologe und Kriminologe:

»Wir haben jetzt durch psychische und spiritistische Forschungen eine große Wahrscheinlichkeit erhalten, daß die Seele nach dem Tode fortbesteht und eine schwache Identität bewahrt, welcher die fortlebende Seele neues Leben und Wachstum aus dem umgebenden Milieu verschafft.« Vergl. Lombroso, Hypnotische und spiritistische Forschungen (Hoffmann, Stuttgart).

 

13. Prof. Dr. Huxley

Prof. Dr. Huxley: »Nach meinem Urteil liegt die Wirklichkeit der spiritualistischen Welt – – – der Wert des Beweises für ihre objektive Existenz und ihr Einfluss auf den Lauf der Dinge – – – ebenso innerhalb des Bereiches der Wissenschaft als irgendeine andere Frage über das Dasein und die Macht verschiedener Formen lebender und bewußter Tätigkeit.«

 

14. Dr. Ostwald

Dr. Ostwald, Professor der Physik, Leipzig.Vgl. Professor W. Ostwald, Werdende Wissenschaften, technisch-naturwissenschaftliche Beilage der Zeit Nr. 2134.

Vgl. Dr. A. Freiherr von Schrenck-Notzing, »Materialisationsphänomene« (Verlag Ernst Reinhardt, München), Seite 42:

»Dass es trotzdem nicht unmöglich ist, dieses an der Grenze des menschlichen Erkenntnisvermögens liegende Problem mit den heutigen physikalischen Theorien in Einklang zu bringen, darauf hat der bekannte deutsche Physiker Professor Ostwald (Leipzig) aufmerksam gemacht gelegentlich seiner Besprechung des Flammarionschen Werkes »Unbekannte Naturkräfte«. Ostwald kann sich dem Eindrucke nicht entziehen, daß es sich bei den von Flammarion gesammelten wissenschaftlichen verwertbaren Materialien um »beobachtete Tatsachen« handelt, die man generell zu leugnen nicht das Recht hat. Es wird besonders hervorgehoben, daß fast alle Medien betrügen, weil sie nicht immer die gewünschten Erscheinungen hervorzubringen vermögen und dennoch den Ruf ihrer besonderen Fähigkeit nicht verlieren möchten. Daher helfen sie, wenn es nicht gehen will, künstlich nach. Aber auch nach Abzug dieser Täuschungen bleibt, wie Ostwald ausführt, dennoch ein so großer Betrag wohlkonstatierter Tatsachen, daß man den Versuch machen muss, sich mit ihnen ins Verhältnis zu setzen. Ostwald wendet die energetische Weltauffassung in folgender Weise auf die mediumistischen Erscheinungen an:

»Gewisse Menschen vermögen ihren physiologischen Energievorrat (der bekanntlich fast ausschließlich als chemische Energie vorhanden ist) in andere Formen zu verwandeln, die sie durch den Raum versenden und an vorgeschriebenen Stellen in eine der bekannten Energien zurücktransformieren können. Das geht daraus hervor, daß die Medien meist sehr erheblich erschöpft werden, d. h. ihre Körperenergie verbrauchen. Auch eine Transformation in psychische Energie scheint möglich zu sein ... In dieser Auffassung wird man nichts finden, was grundsätzlich den bekannten Naturgesetzen widerspräche. Es liegt also die Möglichkeit einer Wissenschaft vor.«

 

15. Dr. A. Freiherr von Schrenck-Notzing

Dr. A. Freiherr von Schrenck-Notzing, Psychiater und Arzt in München, sagt in seinem grundlegenden, klassischen Werke: »Materialisationsphänomene« (Verlag von Ernst Reinhardt, München):

»Die Beschäftigung mit den in Mißkredit stehenden sogenannten ›spiritistischen Erscheinungen‹ hat heute noch gewisse Nachteile für den betreffenden Forscher zur Folge. Nicht nur, daß man ihm Beobachtungsfähigkeit, kritische Besonnenheit und Glaubwürdigkeit abzusprechen pflegt und ihn durch den Vorwurf des »Scharlatanismus« der Lächerlichkeit preisgibt, so z. B. den verstorbenen Kriminalanthropologen Lombroso, sondern er läuft auch Gefahr, für geistig minderwertig, wenn nicht direkt für geisteskrank zu gelten, wie es bei dem Astronomen Zöllner und dem englischen Physiker Crookes geschehen ist ...«

»... Kaum ein anderes Medium wirkte in den letzten 40 Jahren auf das Studium der spiritistischen Erscheinungen derart anregend und nachhaltig ein und gewann so viele überzeugte Anhänger in den Kreisen der Gelehrten, als Eusapia Paladino.« Der Verfasser verfolgte ihren Entwicklungsgang etwa sechzehn Jahre hindurch.

Der Verfasser erzählt, daß sich an den zur Erforschung der Phänomene angestellten Untersuchungen die folgenden Gelehrten beteiligt haben: Prof. Charles Richet (Paris), Prof. Lombroso (Turin), Prof. Danilewski (Petersburg), Prof. Flournoy (Genf), Prof. Sir Oliver Lodge (London), Prof. Sidgwick, Frederic Myers nebst anderen Gelehrten.

Schrenck-Notzing fährt fort: »Mißtrauisch gegen die Richtigkeit seiner eigenen Feststellungen fühlte der Verfasser sich immer von neuem zu Nachprüfungen veranlasst, die er 1896 (Mai) in Rom, 1898 (März) in Neapel, 1902 (April) in Rom und Neapel, 1903 (März) in Rom und endlich 1909 (April) in Genua und Nizza vornahm.Schrenck-Notzing setzte diese Studien in Jahrelanger Forschung in München fort. C. A. M. In diesem Misstrauen lag auch der Grund, warum über das Ergebnis dieser 55 Sitzungen bis jetzt nichts Näheres publiziert wurde.«

»... Wenn z. B. ein Gelehrter wie Morselli, Professor der Psychiatrie in Genua, der von jeher den Spiritismus literarisch bekämpft hat, zuerst als Neuling und Ungläubiger an den Sitzungen mit dem Medium Eusapia Paladino teilnahm, sich darauf von der Realität mediumistischer Vorgänge überzeugte und nun diesen Gegenstand mit wissenschaftlicher Exaktheit und Gründlichkeit studierte, so wird das Urteil eines solchen hervorragenden Psychologen sehr schwer in die Wagschale fallen ... Derselbe betont immer wieder, daß über die Wirklichkeit der Eusapianischen Phänomene nicht der geringste Zweifel bestehen kann ...«

»... Der Spiritismus ist nach Morsellis Auffassung eine Religion und hat als solche seine Apostel, seine Priester, seine Dogmen, seine Rituale und seine Zeremonien.«

»... Die Grundlage der objektiven Registrierung bildete ... das photographische Verfahren, angefangen mit einzelnen Apparaten, bis am Schluß des vierten Jahres mitunter neun photographische Apparate (darunter mehrere stereoskopische) zugleich in Tätigkeit traten ...«

»In den letzten Jahren konnten die Phänomene vielfach mit elektrischen Handlaternen (rot und weiß) von den Anwesenden beleuchtet werden. In einzelnen Sitzungen wurden die Vorhänge gar nicht mehr geschlossen und man beobachtete die Entwicklung der Phänomene oftmals von Anfang bis zu Ende bei immobilem, sichtbarem Körper des Mediums ...«

 

16. Ingenieur Fritz Grunewald

Fritz Grunewald,Vgl. Physikalisch-mediumistische Untersuchungen von Fritz Grunewald, Verlag Johannes Baum, Pfullingen in Württemberg. Ingenieur aus Charlottenburg (bei Berlin):

»Gleich die erste Sitzung am 15. April, bei der vorerst noch allein die Mediumwage in Betrieb war, ergab ein unerwartet großes Resultat. Es traten Belastungsänderungen der Mediumwage im negativem und positivem Sinn auf, derart, daß scheinbare Gewichtsverminderungen des auf der Mediumwage sitzenden Mediums bis um 25 kg und Gewichtszunahmen bis um 10 kg konstatiert wurden, bei einem Normalgewicht des Mediums von rund 60 kg. Es wurde also das Phänomen der Levitation des menschlichen Körpers und die Umkehrung davon, das Phänomen des Schwererwerdens, festgestellt, das ich als Antilevitation bezeichnen will ...«

Von einer anderen Sitzung berichtet der Verfasser:

»In einer weiteren Hinsicht war diese Sitzung noch ausgezeichnet vor den früheren. Es gelang nämlich gegen Schluß derselben, bei der siebenten Beeinflussung der Tischwage, die sich wie die vorhergehenden durch das Geräusch der aneinander gleitenden Teile für das Ohr bemerkbar machte, eine photographische Blitzlicht-Aufnahme zu bewerkstelligen. Diese ist insofern glänzend gelungen, als der eine genau über der Mitte der Tischwage in 2 m Höhe über dem Fußboden angeordnete Stereoapparat das Bild der ganzen Apparatanordnung von oben gesehen wiedergibt ...«

»Der Zeit ist von Einstein der ihr früher fälschlich zugeschriebene Charakter des Absoluten genommen worden. Im Zusammenhang mit der Erkenntnis der Relativität des Zeitbegriffes steht die neuartige Anschauung, daß alles physikalische Geschehen in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Gebiet sich abspielt, welches dem Schöpfer dieser Anschauungsform zu Ehren Minkowski-Welt genannt wird. In Verbindung mit der exakten Formulierung seines allgemeinen Relativitätsprinzips ist es Einstein gelungen, eine großartige Theorie der Gravitation auf geometrischer Grundlage zu entwickeln. Die Physik lässt sich nach den neuesten, auf der allgemeinen Relativitätstheorie fußenden und besonders durch Weyl geförderten Erkenntnissen auffassen als die Geometrie der vierdimensionalen Minkowski-Welt, welche letzten Endes zurückgeführt werden kann lediglich auf Beziehungen zwischen Größen, welche Elektrizität und Gravitation miteinander verknüpfen.

»Parallel mit dieser großartigen Entwicklung in der Auffassung des inneren Zusammenhanges aller physikalischen Gesetzmäßigkeiten ist die Erkenntnis vom Aufbau dessen gegangen, was wir Materie nennen. Das Atom, das lange Zeit als die letzte unteilbare Einheit der Materie galt, hat sich als ein äußerst kompliziertes Gebilde von in Bewegung befindlichen Elektronenverkettungen erwiesen ... Das Atom hat damit den Charakter des absolut Starren verloren, den man ihm zuvor zugeschrieben hatte ...

»... Das, was einer streng wissenschaftlichen Untersuchung des Okkultismus vorläufig noch die meisten Schwierigkeiten bereitet, ist der Umstand, daß hier psychisches Geschehen mit physikalischen Erscheinungen eng verbunden auftritt ... Die gute Hälfte dieses Gebietes ist wohl wesentlich ein psychologisches Problem, das letzten Endes sich ins Gebiet der Religion verliert. Die andere Hälfte dagegen muss gleicherweise die biologischen Wissenschaften wie die Physik einschließlich ihrer Schwester, der Chemie, interessieren ...«

 

17. W. J. Crawford, Dr. Sc.

W. J. Crawford, Dr. Sc., Professor der Physik, Universität Belfast.

Zu den neuesten mit wissenschaftlicher Gründlichkeit durchgeführten Untersuchungen gehören die Arbeiten des Prof. Crawford, der seine Ergebnisse in den beiden Werken niedergelegt hat: »The Reality of Psychic Phenomena, London, John M. Watkins 1919« und »Experiments in Psychical Science, London, John M. Watkins 1919«. Prof. Crawford ist in dem Sinne Spiritist, daß er außerhalb der zum Menschengeschlecht gehörigen Wesen die Existenz anderer, intelligenter Wesen annimmt, mit denen Menschen unter geeigneten Verhältnissen in Verbindung treten können. Prof. Crawford hat für einzelne der mediumistischen Erscheinungen zum ersten Mal physikalische Gesetze nachgewiesen. Er hat Abdrücke der sich aus dem Medium entwickelnden, materieartigen Fluoreszenzen (Teleplasma) erhalten (in Glaserkitt usw.) und hat dieses Teleplasma in zahlreichen Fällen photographiert.

 

18. Dr. Gustave Geley

Dr. Gustave Geley, Psychologe und Arzt, Paris.

Dr. Geley berichtete die Resultate seiner Untersuchungen über »Supranormale Physiologie und die Phänomene der Ideoplastik« in einem Vortrag, den er vor den Mitgliedern des Psychologischen Instituts im Collège de France (Paris) am 28. Jan 1918 hielt. Mehr als 100 Männer der Wissenschaft nahmen an diesen Untersuchungen teil; sie konnten die Materialisationen sehen, fotografieren und wiederholt berühren. Geley sagt: »Wie unerwartet, wie seltsam, wie unmöglich auch solche Manifestation erscheint, ich habe nicht mehr das Recht, einen Zweifel über ihre Wirklichkeit zu äußern.« Aus dem Körper des Mediums treten weißliche, bewegliche, leuchtende Flocken, dann folgt leuchtende, mit Eigenbewegung begabte Substanz, amorph oder polymorph, bald wie ein streckbarer Teig, bald eine protoplastische Masse, bald zahlreiche dünne Fäden, Schnüre, gewebeartige Bänder. Dieses Teleplasma ist leicht empfindlich, namentlich gegen Licht, erträgt aber in gewissen Fällen selbst das Tageslicht und kann blitzartig schnell verschwinden. Jede Berührung der Substanz wirkt schmerzhaft auf das Medium zurück. Das Teleplasma hat starke Neigung zur Organisation und gestaltet sich zu anscheinend menschlichen Gliedern, bildet Finger, Gesichter, allmählich entstehende Köpfe und Körper. Das materialistische Organ hat Aussehen und Eigenschaften des lebenden Organismus. Dr. Geley sagt: »Die normale und supranormale Physiologie streben dahin, den Begriff der Einheit der organischen Substanz festzustellen. In unseren Experimenten haben wir an allem beobachtet, daß sich vom Körper des Mediums eine einheitliche, amorphe Substanz exteriorisiert, aus welcher dann die verschiedenen ideoplastischen Formen entstehen. Wir haben gesehen, wie sich diese einheitliche Substanz unter unseren Augen organisierte und transformierte.

Wir sahen eine Hand aus der Masse der Substanz hervorgehen; eine weiße Masse wird zum Gesicht, wir haben gesehen, wie in wenigen Augenblicken das Gebilde eines Kopfes der Form einer Hand Platz macht, sie konnten durch das übereinstimmende Zeugnis von Gesicht und Getast den Übergang der amorphen, nicht organisierten Substanz zu einem organisch gestalteten Gebilde erkennen, das momentan alle Attribute des Lebens hatte, eine vollständige Bildung, in Fleisch und Bein, um populär zu sprechen. Wir haben diese Form verschwinden sehen, zurücksinken in die ursprüngliche Substanz und dann beobachtet, wie sie in einem Augenblick durch den Körper des Mediums resorbiert werden.«

Geley sagt zum Schluß: »Ich sage nicht: ›Es wurde in diesen Sitzungen nicht betrogen.‹ Sondern ich sage: die Möglichkeit zu einem Betrug war überhaupt nicht vorhanden! Ich kann es nicht oft genug wiederholen! Die Materialisationen haben sich immer vor meinen Augen gebildet, ich habe ihre ganze Entstehung und Entwicklung mit eigenen Augen beobachtet.« (Nicht nur mit eigenen Augen, sondern mit den unbestechlichen Augen der photographischen Platte. Dr. Geley erhärtet seine Aussagen durch zahlreiche Photographien. C. A. M.)Vgl. Geley, De L'inconscient en Conscient, Paris 1919 und Prof. Hyslop, Supernormal Physiology and the Phenomenon of Ideoplastic. Journal of the American Society of Psychic Research XIII Mai 1919. – – –

 

Wer über die obigen auf streng wissenschaftlich durchgeführten Untersuchungen beruhenden Zeugnisse und Urteile wissenschaftlich nachdenkt, wird, namentlich, wenn er selbst Gelegenheit zur experimentellen Nachprüfung hatte, zu folgenden, unumstößlichen Schlüssen kommen müssen:

»Bestimmt veranlagte Menschen, Medien genannt, besitzen eine unanfechtbar, mit allen Mitteln wissenschaftlicher Kritik nachgewiesene, wenn auch bisher sehr unvollständig erforschte Kraft, welche unter bestimmten Bedingungen Phänomene erstaunlicher Art hervorbringt. Die seit mehr als einem halben Jahrhundert von einzelnen, an der Spitze ihrer Wissenschaft stehenden Forschern durchgeführten experimentellen Untersuchungen entsprechen allen Anforderungen streng wissenschaftlicher Methode, unter Zuhilfenahme exakt wissenschaftlicher Instrumente (Galvanometer, elektrische Sicherungen, photographische Platte, Kinematograph, Wage usw.) und peinlicher Beobachtung raffinierter wissenschaftlicher Vorsichtsmaßnahmen (genaueste Kontrolle des Medium, seines nackten Körpers, seiner Kleidung, seiner Umgebung, Fesselung durch Stricke und elektrische Anordnung, Blitzlicht usw.) –

Maßregeln, welche in der Hand des Wissenschaftlers (dem wiederholt hervorragendste PrestigiateurePrestigiateur (frz., spr. -ischiatöhr), Gaukler, Taschenspieler. Quelle: Brockhaus-KKL5 Bd. 2, S. 452. zur Seite standen) jeden Betrug, ohne sofortige Aufdeckung, ausgeschlossen haben. Die Existenz dieser »psychischen Phänomene« ist also mit derselben Sicherheit bewiesen, wie die Existenz irgendeines anderen Naturphänomens, z. B. des Blitzes, des Magnetismus, des Erdbebens. Die mediumistische Kraft und ihre Wirkungen sind bisher sehr unvollständig erforscht, zum großen Teil deshalb, weil die orthodoxe Wissenschaft die Tatsachen geleugnet und sich spöttelnd ferngehalten hat. Die Möglichkeiten, welche aber im Schoße dieser heut noch geheimnisvollen Kräfte liegen, sind in ihrer wissenschaftlichen wie religiösen Auswirkung so ungeheure, daß sie für die menschliche Entwicklung eine heute noch unberechenbare, vielleicht ausschlaggebende Bedeutung erlangen können.«

 

Dieses aus unserer bisherigen Betrachtung sich ergebende Endurteil kann von niemandem abgeleugnet oder auch nur erschüttert werden; der sich mit diesen Forschungen befaßt hat. Und mit dieser Erkenntnis wälzt sich auf unsere Schultern die Last einer furchtbaren Verantwortung.

Die Zeit schreit nach einem Gotte, sagte ich schon oben, schreit nach Liebe, schreit nach Erkenntnis, schreit nach heiliger Verwendung der im All verborgenen Kräfte. Sollen die Möglichkeiten, welche im Schoße mediumistischer Begabung liegen, unbenutzt bleiben, inmitten der von geistigem und physischem Hunger geplagten menschlichen Gemeinschaft?

Während des grausamsten aller Kriege ist die alte Welt in Blut, Verlogenheit, Selbstsucht und Unwissenheit zugrunde gegangen. Aber aus den Trümmern streckt ein neuer Gott der Erkenntnis die segnende Hand nach uns aus. Wer hat den Mut, sie höhnend zurückzustoßen?

Wenn jemals, so wird in dieser Zeit des Jammers die Ergründung der Kräfte der Natur höchste Pflicht. Denn wir wollen nicht unseren Gott als nebelhaftes, von menschlicher Torheit und Gier geformtes Gebilde glauben, wir wollen ihn wissen ... soweit die uns gegebenen Kräfte reichen ... ihn – – die heilige Einheit aller Kräfte, unseren Gott, unseren Vater.

 

Und in diesem Geiste, in dieser Absicht übergebe ich meine Übersetzung des kleinen Werkes »The New Revelation« der deutschen Öffentlichkeit. Ich kenne den Verfasser, Sir Arthur Conan Doyle, seit langen Jahren und habe ihn als Vorkämpfer für die Wahrheit, (wenn ich selbst auch öfters nicht seiner Ansicht war), als Beschützer der Unterdrückten, als Urbild des »Gentleman« bewundern und achten gelernt. Ihn durchglüht der hehre Wunsch, sich ganz in den Dienst der Göttlichkeit und Menschheit zu stellen. »Ich will der Evangelist dieser Botschaft sein!« schrieb er mir.

Ein wahrhaft ehrlicher Mann spricht zu uns aus der Tiefe seines Gewissens heraus. Aber auch ein mit durchdringendem Verstande begabter Beobachter, der schon am Beginn seiner Laufbahn als Schöpfer des scharfsinnigsten aller Detektive, Sherlock Holmes, die weltweite Beachtung fand, wie kaum ein anderer moderner Schriftsteller. Und überdies hat Sir Arthur Conan Doyle die naturwissenschaftliche Schulung eines Arztes durchgemacht, zunächst auf der Universität, dann in langjähriger Praxis. Ein solcher Mann, der wissenschaftliche Qualifikationen mit besonderem Scharfsinn und einer über jeden erhabenen Ehrlichkeit verbindet, hat ein Recht darauf, angehört zu werden, wenn er – in Übereinstimmung mit anderen hervorragenden Forschern – der Überzeugung ist, in langjähriger Arbeit neue Wahrheiten von ungeheurer Bedeutung gefunden zu haben.

Und dennoch: Niemand würde aufrichtiger verschmähen, unser Urteil durch bestechende Dialektik und Kniffe seiner Überredungsgabe blenden zu wollen, als Conan Doyle. Und darum spreche ich in seinem Sinne, wenn ich zum Schluß meiner Ausführungen mahne: In voller Erkenntnis unserer Verantwortung und der tieferen Bedeutung der mit der Äußerung mediumistischer Kräfte verbundenen Fragen wollen wir vorurteilsfrei an die Untersuchung herantreten, wollen dieselbe mit durchaus selbständigem Urteil durchführen und wollen das, was wir nach gewissenhafter Prüfung gefunden haben, ehrlich und freudig bekennen, ohne anderen Wunsch, als der Menschheit zu dienen.

Königstein in Taunus, August 1921 Dr. Curt Abel-Musgrave.


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