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Immer wieder in seinem Leben war Johannes Valentin Dose »die Galle übergelaufen«: Geboren als Sohn eines »gemeinen« sprich einfachen Mannes, hatte Dose früh erkannt, was auch 150 Jahre nach seiner Geburt noch immer politisch brisant ist: Es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen kommen »mit einem Geldsack auf dem Rücken« zur Welt, werden in beste gesellschaftliche Verhältnisse hineingeboren und machen Karriere, ungeachtet ihrer oft unzureichenden Fähigkeiten und moralischem Defizite. Die anderen jedoch können noch so gut und befähigt sein und sich ›abrackern‹, wie sie wollen; und kommen in den allermeisten Fällen doch nie auf den sprichwörtlichen ›grünen Zweig‹.
Selbstredend müsste eine solch schlichte Erkenntnis nicht erneut in epischer Breite abgehandelt werden; ausschlaggebend für die Neuauflage des »Muttersohn«– und die besondere Art dieser Neuauflage – war ein ganz anderer Aspekt, der den Herausgeber vor Probleme stellt/e:
Als Journalist und Historiker hatte sich d. Hg. anlässlich des 150. Geburtstags des »gelernten Pastors« Johannes Dose ursprünglich ausschließlich auf dessen historische Romane konzentrieren wollen und dabei herausgefunden, dass Dose eines seiner Werke (»Vor der Sündflut«) – inhaltlich völlig unverändert – später unter anderem Titel (»Rungholts Ende«) in einem anderen Verlagen veröffentlicht hatte. Ähnlich schien es zunächst auch beim »Muttersohn« zu sein, der – in unterschiedlicher äußerer Aufmachung – zunächst mit dem Untertitel »Roman eines Agrariers« in Max Hansens Verlag in Glückstadt erschien und später mit dem verkürzten Untertitel »Roman« im Verlag von Hans Bartholdi in Wismar/Mecklenburg.
Die einzige auffindbare, knapp gehaltene und auf dänisch verfasste Vita (J. Dose wurde in der Nähe des heute dänischen Haderslev geboren und ist dort auch bestattet) erwähnt nur kurz diesen Roman: »Der ›Muttersohn‹ mündete in einen Rechtsstreit, da ein Vetter aus Tönder dagegen anging, als Romanfigur Asmus Berg porträtiert zu werden. Der Rechtsstreit wurde in Lübeck mit einem Freispruch beendet.« Das klang völlig unspektakulär, löste seitens d. Hg. aber dennoch Recherchen aus, die zu erstaunlichen Ergebnissen führten, vor allem:
Der »Muttersohn« muss aus Sicht d. Hg. im Kontext zu Werken von Fritz Oswald Bilse (1878 – 1951) und Thomas Mann (1875 – 1955) gesehen werden.
1902 verfasste Leutnant Bilse unter dem Pseudonym ›Fritz von der Kyrburg« den Roman »Aus einer kleinen Garnison. Ein militärisches Zeitbild«, der 1903 zunächst in einem Braunschweiger Verlag erschienen war und dem Autor im November des gleichen Jahres in Metz ein Militärgerichtsverfahren einbrachte. Im Internetauftritt der WFB-Verlagsgruppe heißt es zum Titel von Bernd M. Kraske, Revolution und Schulalltag in Thomas Manns ›Buddenbrooks‹, Erzählte Zeitgeschichte im Roman, Bad Schwartau 2005 zu Bilses militär- und gesellschaftskritischem Werk: »Nichts war in diesem Roman erfunden, alles entsprach der Wirklichkeit, wie das Militärgericht […] ausdrücklich bestätigte.« Dennoch »wurde […] Bilse wegen Verächtlichmachung des Militärs zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Die Dienstentlassung und das Verbot des Romans in Deutschland durch das kaiserliche Militärkabinett folgten.«
Bilse war durch den Prozess, entsprechende Presseberichte und das Verbot seines Romans weithin bekannt geworden und einen Schlüssel-Roman nannte man fortan Bilse-Roman. Das Verbot hat der Verbreitung von Bilses Werk nicht geschadet: Der militärkritische Roman erschien ab 1904 in hohen Auflagen im Wiener Verlag/Österreich; ähnlich wie das wegen seiner erotischen Passagen in Deutschland verbotene Werk »Nixchen, Ein Beitrag zur Psychologie der höheren Tochter«, das Helene Keßler, geb. von Monbart, (1870 – 1957) 1899 unter dem Pseudonym Hans von Kahlenberg veröffentlicht hatte. Wie die Werbung des Wiener Verlages zeigt, nutzte man ein Buch-Verbot sogar zu »PR-Zwecken«. Umso überraschender sind die späteren Vorgänge um Doses »Muttersohn«.
Die bereits erwähnte dänische Vita weist mit dem Erscheinungsjahr 1896 den historischen Roman »Der Kirchherr von Westerwohld, Erzählung aus der Zeit des Unterganges des Nordstrandes« als Doses »erstes Buch« aus; doch aus Sicht d. Hg. ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit »Der Muttersohn« Doses erstes Werk, wurde dieser Roman bereits 1894/95 in Schleswig verfasst und es gibt aus Sicht d. Hg. mehrere Gründe, weshalb das Werk erst rund zehn Jahre nach Fertigstellung veröffentlicht wurde:
Der »Muttersohn« ist der autobiografische Roman eines Mannes, der vor 1896 ( Erscheinungstermin des ersten Romanes, der den sturmflutbedingten Untergang von Alt-Nordstrand anno 1634 behandelte und mindestens zehn Auflagen erlebte) völlig unbekannt war, der (anders als »Der Kirchherr von Westerwohld«) kein »bedeutsames« (historisches) Thema behandelte und der mit einem Umfang von rund 500 Seiten in der Herstellung sehr teuer war und für jeden Verlag zunächst ein zu hohes unternehmerisches Risiko darstellte (Verleger S. Fischer hatte sogar Thomas Mann seinerzeit ersucht, den Umfang seiner »Buddenbrooks« um die Hälfte zu kürzen, was dieser ablehnte). Mit aus Sicht d. Hg. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat Dose auch selber erst nach 1902, nach dem Tod seiner Mutter, versucht, den lange abgeschlossenen Roman zu veröffentlichen: Der »Muttersohn« ist zwar Doses Mutter gewidmet, doch dass der Sohn mit einem solchen Roman innerfamiliären Zündstoff publik machte, hätte seine ehrbeflissene Mutter fraglos niemals gebilligt.
Nach seinem Studium war Dose laut der bereits benannten dänischen Vita von 1889 bis 1893 nach Nebraska/USA ausgewandert, danach aber wieder nach Deutschland zurückgekehrt, wo er zunächst in Schleswig lebte, dem damaligen Wohnort seiner Mutter. Von 1896 bis 1924 veröffentlichte Dose nach den Recherchen d. Hg. insgesamt 32, meist umfangreiche, Bücher; viele davon in den Jahren zwischen 1896 und 1904 (vgl. die vom Hg. erarbeitete Vita als Anhang in Bd. 2 der Neuauflage des »Muttersohnes«). Es erscheint aus Sicht d. Hg. kaum vorstellbar, dass zwischen 1896 und 1903/04 auch noch der »Muttersohn« verfasst worden sein könnte. Als Entstehungszeit bietet sich aus Sicht d. Hg. der Zeitraum zwischen Doses Rückkehr nach Deutschland und der Veröffentlichung seines ersten historischen Romans geradezu an, also die Jahre 1894/95 (zwei Jahre, aus denen keinerlei Aktivitäten des stets emsigen Theologen bekannt sind).
Und noch etwas spricht aus Sicht d. Hg. dafür, dass »Der Muttersohn« Doses erstes Werk war: An vielen Stellen in diesem autobiografischen Roman wird Doses Verbitterung spürbar: die Verbitterung des Sohnes eines Totengräbers/ Tagelöhners/Gerichtsdieners u.a. über den hochgestellten, reichen »Onkel Hardesvogt« und noch mehr über dessen Sohn, im Roman ›Asmus Berg‹. Aus Sicht d. Hg. musste sich Dose erst seine Wut gleichsam von der Seele schreiben und sich mit seinem »Muttersohn« ein »Ventil« verschaffen, bevor er in seinen späteren Romanen sich schöngeistigen Themen widmen konnte.
Aus Sicht d. Hg. ist durchaus vorstellbar: Wäre Doses »Muttersohn« nicht nur als erster Roman verfasst, sondern auch zeitnah veröffentlicht worden, wäre es möglicherweise nie zu einem Prozess gekommen – und der Roman gänzlich in Vergessenheit geraten.
Doch als der »Muttersohn« erst 1904 – nach dem Skandal um den Roman »Aus einer kleinen Garnison« – erschien, da war der Begriff vom »Bilse-Roman« in aller Munde; und ganz sicher hatte Doses Vetter, Rechtsanwalt Ritter aus Tondern, den Prozeß in Metz genau verfolgt: Bilse war verurteilt worden, obwohl die in seinem Buch aufgestellten Tatsachenbehauptungen zutrafen. Unschwer konnte manch einer in Doses Romanfigur des ›Asmus Berg‹ Rechtsanwalt Ritter wieder erkennen und fraglos war das, was Dose über ›Asmus Berg‹ = Rechtsanwalt Ritter – wenngleich wohl weitgehend der Wahrheit entsprechend – geschrieben hatte, für einen Rechtsanwalt ruf- und geschäftsschädigend. Da Johannes Dose nach dem Tod seiner Mutter (Helene/a Maria Dose, geb. Ritter) von Schleswig nach Lübeck umgezogen war, reichte der Anwalt seine Klage gegen den Vetter an Doses neuem Wohnort, also bei Gericht in Lübeck, ein und hätte seiner Sache eigentlich von Anfang an sicher sein können.
Laut der freundlichen Auskunft des Amtsgerichts Lübeck von Anfang Juni 2010 war die Akte im Verfahren Ritter ./. Dose, wie seinerzeit üblich, nur fünf Jahre lang aufbewahrt worden, so dass die Prozessakte leider als Quelle nicht zur Verfügung steht. Als außerordentlich aufschlussreich allerdings erwies sich der Beitrag von Heinrich Detering, Thomas Manns Lübeck, in: Werner Frick, Gesa von Essen, Fabian Lampart (Hg.), Orte der Literatur, Göttingen 2002, S. 226-243. Danach war – entsprechend der bereits mehrfach benannten dänischen Quelle – Dose zunächst zwar freigesprochen worden, doch der Prozess entwickelte eine folgenreiche Eigendynamik: Dose wollte über seinen Anwalt gleich fünf Schriftsteller, die ihre Romanfiguren gleich ihm unbewußt lebenden Vorbildern nachbildeten, als Zeugen oder Gutachter bestellen; unter anderen denkt er an Hermann Sudermann und Thomas Mann. Zwar wird der Antrag abgewiesen. Aber der junge Staatsanwalt Enrico von Brocken greift den einen Namen auf, den in Lübeck ohnehin jeder im Sinn hat, spitzt Doses Unterstellung einer ›unbewußten‹ Gestaltung zum Vorwurf zielgerichteter literarischer Denunziation lebender Personen zu und errichtet auf diesem Exempel den provozierendsten Teil seines Schlußplädoyers: Nicht bei Doses Roman eines Agrariers, wohl aber bei Thomas Manns Roman vom Verfall einer Familie handele es sich um – na was? Einen ›Bilse-Roman‹! Damit ist der Skandal perfekt. […] Schon im folgenden Frühjahr wird der Rechtsstreit um Doses Roman wiederaufgenommen; und um April 1906 wird der Heimatdichter nicht nur zu zweihundert Mark Geldstrafe verurteilt, sondern auch zur Vernichtung sämtlicher Exemplare und Druckplatten seines Romans. […] Dose legt erneut Revision ein, bleibt wiederum erfolglos, und [Hervorhebung d. Hg.] so endet der Prozeß um die Freiheit seines Romans mit dessen restloser Vernichtung.«
Letzteres allerdings trifft nicht zu, wie die Recherchen des Hg. ergeben haben (der sich als Journalist und Historiker hier nur auf Dose und dessen »Muttersohn« beschränkt und sich als Nicht-Literaturwissenschafter dieses Themas auch nur annahm, nachdem weit berufenere Dritte auf eine entsprechende Anregung nicht reagierten): Johannes Dose hat das Verbot seines Romans »Der Muttersohn« weitgehend ignoriert. Offenbar führte dies jedoch zu keinem neuen Prozess, dessen konnte sich Dose allerdings keineswegs sicher sein. Als inzwischen erfolgreicher Schriftsteller – zu Lebzeiten galt er als einer der bedeutendsten protestantischen Erzähler Norddeutschlands, dessen Werke z. T. zehn bis 15 Auflagen erlebten – hätte Dose die Hintergründe um den »Muttersohn« auf sich beruhen lassen und einem etwaigen neuen Prozess aus dem Weg gehen können. Dass er das Risiko einging, seinen verbotenen Roman in überarbeiteter Form erneut zu veröffentlichen, mag ein deutlicher Beleg dafür sein, in welchem Ausmaß sich Dose vom Schicksal allgemein und von seinen Verwandten insbesondere ungerecht behandelt fühlte.
Bekannt ist u.a. die so genannten »geschwärzte Ausgabe« von Corvins Pfaffenspiegel, und da es im Prozeß Ritter ./. Dose um die Frage ging, ob »Der Muttersohn« ein »Bilse-Roman« sei, müssen Dose der Roman »Aus einer kleinen Garnison«, dessen Verbot in Deutschland und daraufhin sein auflagenstarkes Erscheinen in Österreich bekannt gewesen sein; doch als Dose das Verbot seines Romans weitgehend ignorierte, erschien »Der Muttersohn« nicht als »geschwärzte Ausgabe« und auch nicht unverändert in einem Verlag im Ausland, beispielsweise also im »Wiener Verlag« wie Bilses und Helene Keßlers Werke, sondern Dose brachte seinen »Muttersohn« offenbar kurz nach der Prozeßniederlage im April 1906 und anschließender erfolgloser Revision neu heraus: 1908 erschien sein verbotener Roman in der überarbeiteten Fassung bereits in zweiter Auflage; es muss also seinerzeit – trotz oder gerade aufgrund des Prozesses – ein reges Interesse an dem Buch gegeben haben.
In dieser überarbeiteten Fassung hat Dose die Figur des ›Asmus Berg‹, also seinen Vetter und Kläger, komplett gestrichen und häufig durch eine Figur namens ›Viggo Evers‹ ersetzt, in dem Roman ein früheres Mitglied der Herrnhuter Brüdergemeine, und einen ›Amtsrichter Lüdemann‹ in einen ›Justizrat Lindemann‹ umbenannt; zahlreiche kritische Passagen u.a. über »Onkel Hardesvogt« ›Karl Berg‹ (= Ritter) wurden in der überarbeiteten Fassung des verbotenen Buches jedoch übernommen. Offensichtlich unabhängig vom Roman-Verbot wurden in der Überarbeitung auch einzelne Worte, Sätze, Absätze gestrichen und auch, z.T. inhaltlich abweichend oder ergänzend, hinzugefügt. Auffallend ist: Erst in der 1906/1907 überarbeiteten Fassung finden sich (beispielsweise über die Gruft der Kirche in ›Norderhafen‹ [vermutlich Hadersleben/Haderslev] Passagen wie in seinen ab 1896 veröffentlichten historischen Romanen; auch dies stützt aus Sicht d. Hg. die These, dass »Der Muttersohn – Roman eines Agrariers« Doses erster Roman war, bereits vor 1896 verfasst worden war und mit Rücksicht auf seine Mutter erst nach deren Tod (1902) und J. Doses anschließendem Umzug von Schleswig nach Lübeck veröffentlicht wurde; auch der Stil der Erstfassung des »Muttersohnes« spricht aus Sicht d. Hg. dafür, dass es sich bei diesem Roman um Doses ›Erstlingswerk‹ handelt.
Der »Pfaffenspiegel« ist ungeschwärzt im Projekt Gutenberg-DE vorhanden.
Zweifellos ist »Der Muttersohn« ein autobiografischer Roman; doch im Prozess hatte Dose zu seiner Verteidigung selbst den Roman-Charakter seines Werkes betont. Ein einfaches Beispiel belegt, wie schwer es heute einzuordnen ist, was im »Muttersohn« einerseits Fiktion/dichterische Freiheit ist und was andererseits auf Tatsachen beruht: Als Geburtstag von Johannes Dose gilt nach Eintrag aus dem Melderegister in Schleswig (vgl. die vom Hg. erarbeitete Vita als Anhang in Bd. 2 der Neuauflage des »Muttersohnes) und auch nach der dänischen Vita der 23. August (1860); doch in beiden Romanversionen des »Muttersohnes« nennt Dose als Geburtstag übereinstimmend den 10. August.
Die Beschaffung des Originalromans (3., undatierte, Auflage mit handschriftlichem Eintrag von Anfang März 1905, Max Hansens Verlag/Glückstadt) und der überarbeiteten Fassung (2., datierte Auflage von 1908, Verlag von Hans Barholdi, Wismar/Mecklenburg) ermöglichte es bei der hiermit vorliegenden Neuausgabe, beide Roman-Versionen gegenüberzustellen.
Damit steht jener verbotene Roman wieder zur Verfügung, der vor rund 100 Jahren ungewollt den juristischen Literaturskandal um Thomas Manns »Buddenbrooks« ausgelöst hatte. [Kunstfreiheit/Literatur versus Persönlichkeitsrecht ist eine Thematik, mit der sich wiederholt auch das Bundesverfassungsgericht befasst hat, auf die hier im Zusammenhang mit Doses Roman »Der Muttersohn« jedoch nicht eingegangen wird. Stattdessen sei an dieser Stelle auf die Entscheidung des BVerfG im Fall »Esra« verwiesen. Der Beschluß vom 13. Juni 2007 unter Az. 1 BvR 1783/05 sowie die Pressemitteilung Nr. 99/2007 vom 12. Oktober 2007 sind ins Internet eingestellt; durch entsprechende Links sind auch die anderen relevanten juristischen Entscheidungen im Kontext auffindbar.] Zugleich kann am Beispiel des »Muttersohnes« deutlich werden, wie ein Autor Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf ein Buchverbot reagierte; und – folgt man der These, dass »Der Muttersohn« Doses erstes Werk war und bereits um 1894/95 verfasst wurde, – so kann zudem verfolgt werden, wie sich der Roman-Stil eines seinerzeit erfolgreichen Autors innerhalb von rund zehn Jahren verändert hatte.
Ganz sicher hätte aus Sicht d. Hg. Johannes Valentin Dose gewollt, dass zwischen dem Romaninhalt in seinem »Muttersohn« und der Gegenwart rund 100 Jahre später ein Bezug hergestellt wird: Vor dem Hintergrund u.a. eines offiziell »sozial ausgewogenen Sparprogrammes der Bundesregierung«, die anno 2010 Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld streicht, wäre wünschenswert, dass Entscheidungsträgern durch den »Muttersohn« vor Augen geführt wird, wie bitter sich für die Betroffenen jene Armut anfühlt, die andere für sie beschliessen; und welcher soziale Zündstoff darin steckt, dass sich weltweit inzwischen die ›Schere zwischen arm und reich‹ jüngsten Studien zufolge wieder weiter öffnet.
Orthografie und Interpunktion folgten (außer bei der früher zuweilen falschen Position von Abführungszeichen nach wörtlicher Rede) bei dieser Neuauflage des »Muttersohn« dem jeweiligen Original. Die Erstfassung des Romans zählt (ohne Vorsatzpapier, Titelei, Widmung des Autors für seine Mutter und Inhaltsverzeichnis) trotz eines kleinen Schriftgrades 488 Seiten, die überarbeitete Version enthält neben Kürzungen/Änderungen auch zahlreiche später eingefügte Passagen und z.T. mehrseitige Ergänzungen. Die Gesamtseitenzahl von somit über 500 Seiten sprengte den angestrebten Rahmen einer einbändigen Taschenbuch-Neuausgabe. Die technisch bedingte Zäsur erfolgte so, dass Band II mit dem ›titelprägenden‹ Kapitel »Das Muttersöhnchen« beginnt und – als Anhang – mit einer ersten detaillierten Vita des Autors endet.
Nordstrand/Nordsee, im Juli 2010
Manfred-Guido Schmitz