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Juliette saß gerade bei Boffin, unterbrach sich plötzlich, fragte: »Welches Ohr klingt, Herr Boffin?«
»Das rechte«, sagte der lachend.
»Richtig, Herr Boffin! Also, das ist ja nett – da spricht einer sehr gut über mich! Ich bin übrigens doch froh, daß Sie die Sache ohne mich machen wollen.«
Boffin wiegte den buschigen Kopf. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, meine teuerste Juliette! Man schläft nicht immer im besten Hotel oder Schlafwagen erster Klasse. Aber wie lange kann es denn dauern, bis Ihr Freund aktionsbereit ist?«
»Oh – spätestens in drei Tagen. Vor einer Stunde bekam ich sein Telegramm. Mein erster Gedanke war: Das ist der Mann, den mein lieber Mr. Boffin sucht!«
»Hauptsache, daß er ein sicherer Autofahrer ist . . .«
»Er nimmt's mit jedem Rennfahrer auf!«
»Gut«, nickte Boffin. »Mit der Sache selbst wird er ja kaum was zu tun haben.«
»Das freut mich sehr. Denn, offen gesagt, in direkte Aktion möchte ich ihn nicht bringen.«
»So teuer ist er Ihnen?« fragte Boffin, mit dem Finger drohend. »Fürchten Sie denn nicht, daß ›Er‹ es erfahren könnte?«
Juliette lächelte schnippisch. »Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Ich glaube kaum, daß James – wollte sagen: Mr. Headstone – erwartet, daß ich ein Klosterleben führe.«
»Wann fahren Sie?«
Juliette sah nach der Uhr. »In zwei Stunden geht mein Zug. Geben Sie mir, bitte, tausend Mark Vorschuß! Ich brauche das Geld dringend.«
Boffin legte ihr den Betrag anstandslos auf den Tisch. »Abgemacht! Sie werden mir also an dem Morgen, an dem Sie von Köln abfahren, telegraphieren. Ich lasse alles vorbereiten, und die Sache wird dann noch in derselben Nacht steigen!« – –
Johanna hatte sich auf ihrer Reise auch zwei Tage in Wiesbaden aufgehalten, wo sie noch viele Verwandte hatte. Ihr nächstes Ziel war Köln. Als ihr Zug in Niederlahnstein hielt, stand sie am Fenster und besah sich den lebhaften Umsteigeverkehr.
Eine junge Dame fiel ihr auf, die sich, von einem Gepäckträger begleitet, ihrem Wagen in großer Hast näherte. Die diskrete Eleganz ihrer Erscheinung, das hübsche, durch die Eile gerötete Gesicht fingen Johannas Blicke. Kaum war die Reisende eingestiegen, ruckte der Zug an. Als sich Johanna zu ihrem Abteil umwandte, ging die fremde Dame gerade an ihr vorbei. Johanna sah ihr nach, bis sie in einem andern Abteil des Wagens verschwand. Ein entzückendes Geschöpf! dachte sie bei sich. Wer sie wohl sein mag?
Als der Zug in Köln einlief und Johanna durch die Sperre schritt, sah sie die junge Dame von vorhin, die wohl schneller ausgestiegen war, in den Armen eines jungen Mannes. Verliebte Leutchen! dachte sie im stillen und betrachtete amüsiert die beiden, die sich immer wieder umarmten und küßten. –
Johanna fuhr in einer Taxe zu ihrer Freundin Margarete Ochsenius, bei der sie absteigen wollte. Als sie in die Wohnung kam, fand sie alles in ziemlicher Aufregung. Eins der Kinder des Ehepaares Ochsenius war plötzlich an Scharlach erkrankt; die anderen mußten streng von ihm getrennt gehalten werden und waren in die Fremdenzimmer einquartiert worden. Unter diesen Umständen mußte Johanna ein Hotel aufsuchen und beschloß, schon am nächsten Tage nach Berlin weiterzufahren. Sie bestellte sich gleich von der Wohnung ihrer Freundin aus ein Zimmer in einem Hotel am Domplatz und ging am Abend dorthin.
Bevor sie ihr Zimmer aufsuchte, ließ sie sich im Restaurant noch eine Tasse Tee geben. Während sie ein Journal durchblätterte, hörte sie von dem rechten Nebentisch, der durch eine Garderobenwand von dem ihren getrennt war, den Namen »Fortuyn« fallen. Neugierig bog sie sich zur Seite, blickte durch eine Lücke, um festzustellen, wer die wohl sein mochten, die hier über Fortuyn sprachen. Zu ihrem Erstaunen sah sie das verliebte Pärchen von heut mittag dort sitzen.
Gespannt horchte sie auf das Gespräch der beiden. Nur einmal noch hörte sie Fortuyns Namen, häufig dagegen einen Namen »Boffin«. Aus den Bruchstücken, des Gesprächs, die sie verstand, entnahm sie, daß die beiden am nächsten Morgen nach Berlin fahren würden.
Die jungen Leute gingen frühzeitig nach oben. Johanna saß noch eine Weile, dachte darüber nach, was die wohl über Fortuyn zu sprechen hatten, und wie gar Fortuyn mit einem gewissen Boffin in Verbindung zu bringen wäre. Den Namen hatte sie noch nie gehört.
Sie hatte ursprünglich beabsichtigt, einen späteren Zug nach Berlin zu nehmen und nochmals bei ihrer Freundin vorzusprechen. Doch irgendein Gefühl der Unruhe oder Sorge – sie konnte sich darüber selbst keine Rechenschaft geben – bewog sie, von diesem Besuch abzustehen und mit demselben Zug zu fahren wie jene beiden. Wer mochten die sein? Immer wieder dieselbe Frage. Eheleute? Kaum. Der junge Herr machte äußerlich nicht ganz den Eindruck, als wenn er der Gatte dieser so vorzüglich gekleideten Dame wäre.
Johanna ließ sich den Morgenkaffee auf ihr Zimmer bringen und ging dann frühzeitig zur Bahn. Das junge Paar kam erst ziemlich spät. Unauffällig folgte ihnen Johanna in einen Wagen, wo sie zwei anscheinend bestellte Fensterplätze einnahmen. Da die beiden Gangplätze bereits belegt waren, wählte sie den einen der beiden Mittelplätze, so daß sie dem jungen Herrn schräg gegenübersaß.
Das Gespräch der beiden, die sich am Abend vorher in geläufigem Deutsch unterhalten hatten, wurde in englischer Sprache geführt und bewegte sich zunächst um gleichgültige Dinge. Sie betrachteten die vorübergleitende Landschaft. Ein paarmal fragte der Herr seine Begleiterin nach besonderen Punkten, sah jedoch dabei auch Johanna fragend an, als ob sie vielleicht Auskunft geben könne.
Johanna tat, als merke sie das nicht, und vertiefte sich immer wieder in ihre Zeitungen. Als sie sich Düsseldorf näherten, stellte der Herr in englischer Sprache direkt die Frage an Johanna, ob sie bald nach Düsseldorf kämen.
Johanna zuckte die Achseln, schüttelte den Kopf, sagte auf deutsch: »Verstehe leider nicht, mein Herr.«
Der Angeredete zuckte nun seinerseits die Achseln und sah Johanna mit verständnislosem Lächeln an, bis seine Begleiterin ihm in englischer Sprache zurief: »Die Dame hat gesagt, sie verstünde dich nicht – sie verstünde kein Englisch!«
Als der Zug Düsseldorf verlassen hatte, sagte die Dame zu ihrem Begleiter: »Nun, Waldemar, erzähl noch ein bißchen von deinen französischen Erlebnissen! Wie war's denn eigentlich in der Prison?«
Johanna hörte mit Erstaunen, wie der Herr allerlei kleine, mehr oder weniger heitere Scherze aus einem französischen Gefängnis zum besten gab. Ein sonderbares Pärchen! Sie schielte verwundert auf ihre Nachbarin, die sich vor Lachen ausschütten wollte.
»Da hast du nicht mal Gelegenheit gefunden, einen Spaziergang durch den Park von Saint-Cloud zu machen? Weißt du noch – die Katastrophe damals, wo du mit Dolly Farley und ich mit James Headstone uns geradeswegs in die Arme liefen? Das Gesicht dieser Dolly werde ich in meinem Leben nicht vergessen!«
»Aber natürlich, Juliette. Das vergess' ich auch so leicht nicht. Wo sind die beiden übrigens?«
»Wahrscheinlich noch an der Riviera. Ich habe lange nichts von Headstone gehört.«
Johanna wurde innerlich immer unsicherer. Der Name »Headstone« war ihr natürlich geläufig. Sie hatte auch gehört, daß er sich mit einer Dame namens Farley verlobt hätte. Was bestand für ein Zusammenhang zwischen diesen zweifelhaften Leuten neben ihr und den amerikanischen Millionären? Jetzt horchte sie aber hoch auf. Was war das, was diese Dame Juliette sprach?
»Ich glaube, daß er nicht so bald nach New York zurückkehrt. Nicht allein seiner Dolly wegen, sondern dringender Geschäfte halber wird er wohl noch etwas länger in Europa bleiben.«
»Ah, du meinst wohl damit diese Sache mit Fortuyn?«
Das Zeitungsblatt in Johannas Hand begann zu zittern. Der Name »Fortuyn« aus dem Munde dieser Leute in Verbindung mit Headstone . . . Eine unbeschreibliche Erregung überkam sie; sie mußte alle ihre Selbstbeherrschung aufbieten, um äußerlich ruhig zu bleiben.
»In gewisser Beziehung ja. Die Sache mit Fortuyn hat natürlich für ihn das größte Interesse . . . Obgleich . . .« Juliette hielt ihm abwinkend die Hand entgegen. »Obgleich er selbstverständlich von unsrer Geschichte nichts weiß – auch nichts wissen darf!«
Waldemar schnitt eine Grimasse. »Du meinst, das Stückchen sei selbst für einen Mann wie Headstone, der einen Pneumatik statt eines Gewissens besitzt, etwas zu stark?«
»Ja, das ist nun mal so«, meinte Juliette mißmutig. »Klappt's, ist's gut. Geht's schief, passiert was, heißt's: Ja, wie konnten Sie auch so etwas . . .?«
»Ich weiß nicht, was bei der Sache eigentlich so – so bedenklich ist. Einen Mann . . . zum Lachen zu bringen, ist doch schließlich nicht strafbar!«
Juliette sprach zögernd: »Ich weiß ja mit diesem Zeug nicht Bescheid. Aber ich kann mir nicht denken, daß die Sache so ganz harmlos sein wird . . . Na, das müssen die wissen!«
Der Gong des Kellners rief zum Mittagessen. Die beiden standen auf und gingen hinaus.
Johanna saß eine Weile wie betäubt von dem Gehörten da. Eine unbestimmte Ahnung in ihr ließ sie an irgendeine schwarze Tat denken. Und doch –: diese beiden Leute Verbrecher? Sahen die wie Verbrecher aus? Nein, unmöglich! Sie hatte hinreichend Gelegenheit gehabt, das Gesicht des jungen Mannes zu studieren. Hübsche, offene Züge. Nichts darin deutete auf einen Verbrecher. Aber hatte er nicht von seinen Erlebnissen in einem französischen Gefängnis erzählt?
Sie stand vor einem Rätsel; versuchte vergeblich, sich ein klares Bild dieses Menschen zu machen. Seine Gesichtsbildung, seine ganze Redeweise ließen wohl auf einen schwachen Charakter schließen, aber nicht auf einen Verbrecher.
Seine Begleiterin? Dieses natürliche, frische Geschöpf, dessen Eleganz und Schönheit ihr, wenn nötig, Anbeter in Hülle und Fülle verschafften – die eine Verbrecherin? Niemals!
Sie schalt sich selbst überängstlich, nervös. Suchte sich zu beruhigen. Doch es gelang ihr nicht ganz. Warum die Täuschung, nicht Deutsch sprechen zu können? Warum nannten sie Fortuyns Namen? Wäre das nicht gewesen, wäre sie wohl allmählich zur Ruhe gekommen. Doch der Name des Geliebten aus dem Munde dieser fremden, zweifelhaften Menschen?
Von Hannover aus war das Abteil voll besetzt. Das junge Paar am Fenster verhielt sich ziemlich einsilbig. Schließlich lehnte der Herr den Kopf an das Polster, sagte gähnend: »Will ein bißchen Schlaf vorwegnehmen.« – –
Um halb sieben traf der Zug fahrplanmäßig auf dem Bahnhof Friedrichstraße ein. Schon beim langsamen Einfahren hatten zwei Herren von draußen dem jungen Paar, das am Fenster stand, zugewinkt. Auf dem Bahnhof setzte sofort eine lebhafte Bewillkommnung ein. Der Herr wurde besonders freudig begrüßt.
Johanna folgte der Gruppe unauffällig durch die Sperre. In dem Lärm und Gedränge konnte sie nur wenige Worte von der an sich reichlich lauten Unterhaltung verstehen. Unten am Ausgang blieb das Paar mit einem der Herren stehen, während der andere ein Auto besorgte. Johanna tat, als wenn sie einen Fahrplan studierte, und hörte, wie der Fremde sagte: »Du mußt dich beeilen, Waldemar! Um neun Uhr dreißig mußt du mit dem Wagen in der Lützowstraße sein.«
»Soll ich an der nächsten Ecke halten?« fragte der.
»Nein – ist nicht nötig. Kannst direkt vor dem Schultheiß am Magdeburger Platz vorfahren.«
Der andere winkte ihnen vom Ausgang her zu. Waldemar und Juliette verabschiedeten sich und fuhren fort. Johanna ging, in Gedanken versunken, durch die Friedrichstraße nach den Linden zu. Ein plötzlicher Regen setzte ein. Sie blieb vor einem Schaufenster stehen. Eine Ausstellung von Regenmänteln in der Auslage brachte sie auf einen Gedanken. Sie trat in das Geschäft, wählte sich einen einfachen Mantel mit dazugehöriger Kappe. Ließ die gekauften Stücke in das Dorotheen-Hotel schicken, wo sie auch Wohnung nahm.
Eine halbe Stunde später verließ sie das Hotel, mit dem neuen Mantel angetan, die Kappe tief in das Gesicht gezogen. Ein paarmal blieb sie vor den Spiegelscheiben der Geschäfte stehen, war zufrieden mit dem gänzlich veränderten Bild, das sie jetzt bot. Für jemand, der sie nicht sehr genau ansah, war sie schwer wiederzuerkennen.
Trotz des rieselnden Regens ging sie die Strecke bis zum Potsdamer Platz zu Fuß, und trotz aller Beschwichtigungsversuche wurde die innere Unruhe in ihr immer größer. Die Gesichter der beiden Leute auf dem Bahnsteig hatten ihr wenig gefallen. Immer wieder tauchte der Gedanke in ihr auf, zu einem Postamt zu gehen und nach Rieba zu telephonieren. Doch immer wieder scheute sie davor zurück. Was sollte sie Fortuyn sagen? Ihn warnen vor einer Gefahr? Vor welcher Gefahr? Und wenn keine Gefahr da, wenn alles nur Einbildung war – wie würde sie dann vor sich selber, vor Fortuyn dastehen wegen ihrer kindischen Angst?
Während sie so noch mit sich selbst uneins war, fiel ihr Auge auf ein Transparent »Postamt«. Unwillkürlich trat sie hinein, meldete ein dringendes Gespräch nach Rieba an. Sie schreckte auf, als der Beamte sie an den Apparat rief. Alles, was sie sich vorher an Worten zurechtgelegt hatte, war vergessen. Sie ergriff den Hörer. Die Stimme von Fortuyns Wirtschafterin klang ihr aus dem Apparat entgegen.
»Ist Herr Doktor Fortuyn nicht da?« fragte Johanna.
»Nein – er ist vor kurzem ausgegangen. Wann er wieder zurückkommt, weiß ich nicht. Es kann spät werden.«
Enttäuscht legte Johanna den Hörer aus der Hand. Sie hatte es vermieden, ihren Namen zu nennen. Dachte jetzt im stillen: Vielleicht ist es gut so; war ja am Ende doch alles Hirngespinst!
Es war gerade acht Uhr. Sie stieg in eine Elektrische und fuhr zur Lützowstraße. Nach einigem Suchen fand sie das Restaurant. Als sie eintrat, sah sie die beiden Fremden vom Bahnhof Friedrichstraße an einem Tisch in der Nähe des Büfetts sitzen. Johanna nahm an einem Nebentisch Platz, so daß sie den beiden den Rücken kehrte. Sie bestellte sich eine Kleinigkeit und beschäftigte sich einstweilen mit einer Zeitung.
Was die beiden sprachen, konnte sie bei scharfem Hinhören ganz gut verstehen; aber es waren gleichgültige, harmlose Dinge, um die sich ihr Gespräch drehte. Nach einer knappen Weile kam ein Mann in das Restaurant, der sich zu den beiden setzte. Jetzt wurde die Unterhaltung leiser, beinahe im Flüsterton geführt. Trotz größter Anstrengung vermochte Johannas Ohr nur wenige Worte aufzufangen. Doch diese wenigen und zusammenhanglosen Worte genügten, um sie von neuem in größte Angst zu setzen.
Der zuletzt Gekommene sagte einmal betont: »Passieren darf ihm nichts – sonst mache ich nicht mit!« Derselbe sprach eine Weile später: ». . . eine Alarmvorrichtung an der Tür? . . . Muß dann anders . . .«
Während der Kellner die Teller vor Johanna hinstellte, drehte sie sich unauffällig zur Seite. Da sah sie, wie der Letztgekommene ein Bündel Geldscheine in seine Brieftasche steckte, das er augenscheinlich von einem der beiden anderen bekommen hatte, und lachend sagte: »So weit wär's ja richtig!«
Je näher die Uhr auf halb zehn ging, desto nervöser wurde Johanna. Sie hatte gleich bezahlt, um später nicht aufgehalten zu werden. Als der Zeiger auf halb stand, hörte sie von draußen die Hupe eines Autos. Auch die am Nebentisch hatten das Signal vernommen. Einer stand auf, sah durch die Tür, winkte dem anderen.
Johanna erhob sich, ging zur Tür und trat fast gleichzeitig mit den dreien auf die Straße. Im Schein der Autolaternen erkannte sie am Steuer des Wagens ihren Reisegefährten von Köln her. Der zuletzt in das Lokal Gekommene stieg allein in den Wagen. Einer der beiden anderen reichte ihm eine anscheinend sehr schwere Ledermappe, sagte: »Erich soll nicht vergessen, das Zeug nachzuschicken!« Die Tür fiel ins Schloß. Die beiden Zurückbleibenden winkten dem Chauffeur grüßend zu: »Gute Fahrt, Waldemar!« Dann verschwand das Auto in der Richtung der Potsdamer Straße.
Johanna stand eine Weile und schaute dem Wagen nach. Ein beklemmendes Angstgefühl stieg in ihr auf. Planlos ging sie eine Strecke hinter den beiden Fremden her, die in der Richtung nach dem Lützowplatz weitergegangen waren. Blieb dann wieder stehen, überlegte, ob sie ihnen noch länger folgen sollte.
Nein, besser wäre es gewesen, sie hätte ein Auto genommen, wäre hinter dem Wagen her gefahren. Jetzt war's zu spät. Unschlüssig ging sie an dem Platz hin und her. Immer höher stieg ihre Angst. Sie mußte zu einem Entschluß kommen; die qualvolle Unruhe drohte sie zu überwältigen.
Ein Autobus hielt mit knirschende Bremsen dicht vor ihr. »Anhalter Bahnhof«, lautete das Schild am Kopf. Ohne weitere Überlegung sprang sie hinein. Auf dem Bahnhof fragte sie hastig nach dem nächsten Zug, der nach Leipzig ginge. In einer knappen Stunde fuhr ein Eilzug, der Anschluß nach Rieba hatte. Kurz entschlossen löste sie eine Fahrkarte, telephonierte vom Bahnsteig aus an das Dorotheen-Hotel wegen ihres Gepäcks.
Vergeblich suchte sie sich die Zeit durch Zeitungslektüre zu verkürzen. Immer wieder sprangen ihre Gedanken von den Zeilen nach Rieba . . . zu Fortuyn . . . zu dem Wagen – dem Wagen, an dessen Steuer dieser Waldemar saß.–
Jener Wagen hielt gerade auf der Landstraße zwischen Potsdam und Beelitz. Seine Insassen waren eifrig beschäftigt, die beiden Nummernschilder des Autos abzunehmen und durch andere eines fremden Bezirks zu ersetzen. Herr Rentier Metzsch in Zwickau, dessen eigener Wagen um diese Zeit friedlich in der Garage stand, hatte keine Ahnung, daß es seine Autonummer doppelt gab, und er würde sich über dieses Faktum sicherlich stark gewundert haben, wenn er darum gewußt hätte.
Als der Zug, in dem Johanna saß, über die Wittenberger Elbbrücken fuhr, hatte der Wagen mit der Autonummer des Herrn Rentiers Metzsch diese Brücken bereits vor einer halben Stunde passiert.
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