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Professor O'Neils hatte eher zuwenig als zuviel gesagt, als er von Zehntausenden sprach, die in Washington auf seine Ankunft warteten. Eine unabsehbare Volksmenge umlagerte den Startplatz. Viele Tausende hatten bereits dem Aufstieg des amerikanischen Strahlschiffes zugesehen. Andere Tausende waren später hinzugekommen.
Sie hatten gejubelt, als die ersten Nachrichten über die schnelle Erreichung und Überfliegung des amerikanischen Kontinents aus den mächtigen Lautsprechern des Instituts erklangen, und in bedrücktem Schweigen ausgeharrt, als danach die Kunde von dem Maschinendefekt bekannt wurde. Vieltausendstimmiger Beifall war über den weiten Platz gebraust, als man die Hilfeleistung des japanischen Schiffes erfuhr. Niedergeschlagenheit hatte die Massen befallen, als dann die Notrufe O'Neils' kamen, die von einer unerträglichen Glut berichteten. In atemloser Spannung hatte man später die Funkmeldungen über die Rettungsmanöver des deutschen Strahlschiffes vernommen, während von Minute zu Minute immer neue Tausende zu der bereits versammelten Menschenmenge hinzuströmten. Von Beifallsrufen erzitterte die Luft, als die Lautsprecher meldeten, daß O'Neils' Schiff sicher in den Trossen der deutschen Maschine hing, und in tosendem Jubel überschlug sich die Menge, als die glückliche Landung in Gorla verkündet wurde.
Glücklich in Gorla gelandet. Dort würde man den Schaden mit den Hilfsmitteln des dortigen Werkes beseitigen, und später . . . vielleicht schon übermorgen würde Professor O'Neils nach Washington zurückkehren. Schon begann die versammelte Menge sich zu zerstreuen, als neue überraschende Kunde aus den Lautsprechern aufklang: »Der Schaden wird behoben sein. In einer Stunde wird das Schiff hier landen.« Da strömten die Massen zu den eben verlassenen Plätzen zurück, und zahllose andere kamen noch hinzu.
»In einer Stunde wird Professor O'Neils landen.« Die kurze, aber inhaltsreiche Nachricht bannte die Menge, die jetzt auf mehr als hunderttausend angeschwollen war, auf ihren Platz. Erwartungsvoll starrten ungezählte Augenpaare zum Himmel empor, obwohl man doch wußte, daß das Schiff zur Zeit im Gorla-Werk lag.
Eine Stunde kann sehr lang sein, aber auch die längste Stunde nimmt einmal ein Ende. Uhren wurden hervorgeholt und verglichen, Minuten wurden gezählt, Berechnungen angestellt. Langsam rückten inzwischen die Zeiger weiter. In fünf Minuten dreizehn Uhr . . . in drei Minuten . . . in zwei Minuten . . . in atemloser Spannung verharrte die Menge, den Blick nach Norden gerichtet, von wo der Erwartete kommen mußte.
Ein Aufbrausen dann. Wie ein Lauffeuer ging es durch die Massen. Hier, da und dort hatte der eine oder andere etwas im Äther erspäht und machte seiner Erregung in Ausrufen Luft. Jetzt sahen es schon viele, und jetzt sahen es alle. Das amerikanische Schiff zog in geringer Höhe von Norden heran, aber es kam nicht allein. Drei in ihrer äußeren Form fast gleiche Schiffe waren es, die immer näher herankamen, für kurze Zeit über dem freien Platz schwebten und in sanftem Fall nach unten sanken.
Über den gemeinsamen Flug nach Washington hatte man von Gorla aus nichts gefunkt, aber im Augenblick begriffen die um den Start- und Landeplatz versammelten Massen, daß das deutsche und das japanische Strahlschiff ihrem berühmten Landsmann ein Ehrengeleit gaben, und orkanhaft brach die Begeisterung los. Die Polizei konnte die Absperrung nicht mehr aufrechterhalten. Von allen Seiten drängte die Menge zu den drei Schiffen, befühlte die schimmernden Metallwände, betastete die Steuerflächen, während ständig donnernde Beifallrufe, vermischt mit den Namen der erfolgreichen Piloten, die Luft erschütterten.
Lange dauerte es, bis sich der Sturm der Begeisterung so weit gelegt hatte, daß die Insassen es wagen konnten, ihre Schiffe zu verlassen, ohne Gefahr zu laufen, von der Menge erdrückt zu werden. Und immer wieder noch mußten sie danach auf den Altan des Carnegie Building hinaustreten, sich den Volksmassen zeigen und für nicht enden wollende Zurufe danken.
Der Neubau des Instituts war erst halb vollendet. Noch standen Teile der Betonwandungen in Holzverschalungen, lagen Eisenträger und hölzernes Gebälk frei zutage. Fertig und auch im Innern wohnlich war erst der Mittelbau des mächtigen Hauses, und hier saßen nun alle in einer Beratung zusammen.
Chefingenieur Grabbe nahm das Wort. »Meine Herren! Die bisher von unseren Maschinen geleisteten Flüge haben erwiesen, daß das Strahlschiff aus dem Versuchsstadium heraus ist. Seine Entwicklung ist so weit vorgeschritten, daß wir daran denken können, es als öffentliches Verkehrsmittel einzusetzen. Daß es den Stratosphärenschiffen auf Langstrecken unendlich überlegen ist, steht außer Zweifel.
Die Gorla-Werke und japanische Konzerne haben sich entschlossen, eine Verkehrsgesellschaft zu gründen und eine Strahlschifflinie zu eröffnen . . .«
»Wir machen mit, Herr Grabbe! Wir müssen auch dabeisein«, unterbrach ihn O'Neils.
»Bravo, Herr Professor!« Grabbe reichte dem ihm gegenübersitzenden O'Neils die Hand. »Ich habe es erwartet. Es freut mich, aus Ihrem Munde zu hören, daß Sie auch hier mit uns zusammengehen wollen.«
»Die neue Gesellschaft muß über eine hinreichende Flotte verfügen«, schlug Watson vor. »Wir müssen noch mehr Schiffe bauen.«
»Aber ohne Überstürzung!« bremste Hegemüller den Eifer des Amerikaners ab. »Jedes neue Schiff muß eine Weiterentwicklung, eine Verbesserung des bisher Erreichten bedeuten.«
Hidetawa nahm das Wort. »Nach der Erklärung des Herrn Professors O'Neils verfügen wir im Augenblick über drei Strahlschiffe. Damit können wir unseren ursprünglichen Plan erweitern. Wir können die Linie Deutschland-Japan zu einer Ringlinie um den Erdball erweitern und in Ostwestrichtung und in Westostrichtung befliegen. Dafür reichen zwei Schiffe aus, so daß wir das dritte als Reserve behalten und die Maschinen gut pflegen und instand halten können. Wir folgen damit der Anregung, die uns Herr Professor O'Neils durch seinen Rundflug gegeben hat.«
Mit Beifall wurde der Vorschlag Hidetawas von den Anwesenden aufgenommen. Flugpläne wurden aufgestellt, Landungsorte festgelegt und Zeittafeln entworfen.
Als sich nach Stunden die Japaner und Deutschen zum Abschied rüsteten, lag der Verkehrsplan für die neue Gesellschaft fertig vor. Nur noch die juristischen Formalitäten der Gesellschaftsgründung und die Betriebsorganisation blieben zu erledigen. Man trennte sich in der sicheren Hoffnung, daß schon in wenigen Wochen die neuen Strahlschiffe dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung stehen würden.
»Was, Freund Hegemüller«, meinte Chefingenieur Grabbe zu Dr. Hegemüller, während das deutsche Schiff über den Ozean dahinstrich, »das haben Sie sich nicht träumen lassen, als Sie vor einem Jahr unsere Strahlröhre zerschmetterten!«
»Doch, Herr Grabbe!« widersprach Dr. Hegemüller. »Ich habe es mir gleich gedacht. Als damals die Bleikathode durch unser Glasdach brach und in den Himmel flog, da habe ich mir gesagt: Wenn der Brocken da flügge geworden ist, so müssen auch größere Stücke fliegen können. Strahlraketen . . . Strahlschiffe . . .«
Chefingenieur Grabbe lachte. »Und dann haben Sie die Abteilung C III um ihre Versuchskammer gebracht und das Ding zu einem wahren Seelenverkäufer von einer Strahlrakete umgebaut. Meinetwegen! Mag es so sein.«
»Es war die erste Strahlrakete!« sagte Dr. Hegemüller und behielt damit wie fast immer das letzte Wort.