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Ueberall sind es dieselben socialen Fragen, welche die moderne Welt in ihren Tiefen aufregen. Es ist der Kampf zwischen Aberglauben und Wissenschaft, zwischen Autorität und Vernunft, zwischen dem natürlichen und dem traditionellen oder historischen Recht des Menschen, der immer stärker und nachhaltiger das Bewußtsein der Völkerseelen durchdringt.
Man könnte vielleicht sagen, es sei ein Kampf zwischen Gott und Mensch, der gegenwärtig die Grundpfeiler der Gesellschaft erschüttert.
Der Gott, der überwunden werden soll, ist jener Götze mit dem Medusenhaupt, vor dessen Starrblick der natürliche Mensch zu einem Automaten eingeschrumpft ist, es ist jener Monopolgott, aus dessen Allmacht das Königthum, die Kirche, die Klassen und die Geschlechter ihre Privilegien herleiten, jener Gott, der stets hinter dem Mächtigen steht und sein Angesicht leuchten läßt über ihm.
Ein Hauptfactor dieser großen geistigen Revolution unserer Zeit ist die Frauenbewegung, die eine völlige Reform aller bestehenden Verhältnisse anstrebt. Der Anfang der Aktion auf diesem Gebiet ist das Stimmrecht der Frauen.
Im diesjährigen englischen Parlament ist von Mr. Forsyth, dem conservativen Vertreter für Marylebone die Bill für das Stimmrecht der Frauen zum zweiten Mal eingebracht worden.
Die Fortschritte, die diese Frage in der öffentlichen Meinung zu verzeichnen hat, sind außerordentliche.
Von 1869 bis 1873 wurden gegen die Frauenstimmrechtsbill vier Petitionen eingebracht. Alle vier kamen von kleinen schottischen Municipalflecken. Im vergangenen Jahr waren es drei und in diesem Jahr hatte das Parlament nicht eine einzige derartige Petition in Empfang zu nehmen.
Dagegen ist die Zahl der Petitionen für das Stimmrecht der Frauen von Jahr zu Jahr gestiegen. Bereits zwei Monate nach Eröffnung des Parlaments waren 900 – 1000 Petitionen mit 219,000 Unterschriften zu Gunsten der Bill präsentirt worden. Die feindliche Majorität der vorletzten Abstimmung betrug 161. Für die zweite Lesung der Bill stimmten bei der diesjährigen Abstimmung 152, dagegen 187. Die Bill fiel demgemäß durch die kleine Majorität von 35 Stimmen.
Wenn eine Frage mit einer gewissen Autorität vor das englische Parlament kommt, so kann man sicher sein, daß sie von der öffentlichen Meinung getragen wird, und in der That gehört in England und Amerika die Frauenfrage zu den großen nationalen Angelegenheiten.
So scheint der Zeitpunkt nicht ungeeignet, auch in Deutschland für die Frauen ein Recht in Anspruch zu nehmen, das klar ist wie das Licht der Sonne und ebenso unantastbar.
Wer geneigt ist, Ideen und Principien abzuweisen, weil sie neu sind und unerprobt, wem daran liegt, neue Ansprüche und Forderungen auf historische Rechte zurückzuführen, für denjenigen seien hier einige geschichtliche Notizen zusammengestellt, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß die politischen Ansprüche der Frauen einer geschichtlichen Basis nicht entbehren.
Noch vor der normannischen Invasion und häufig nach derselben haben Frauen in England, als Inhaberinnen von Lehnsgütern, an der Regierung des Landes theils durch Mandatare, theils direct und persönlich theilgenommen.
Thomas Hughes in seinem "Leben Alfred des Großen" berichtet, daß Edeldamen, selbst Verheirathete, im Besitz ihrer Güter belassen wurden, daß sie darüber frei verfügen konnten und auf ihre Besitztitel hin in dem "Wittenagamott", dem Nationalrath der Angelsachsen, Sitz und Stimme hatten. Sie saßen auch mit in den Provinzial-Versammlungen und bei den Gemeindeberathungen.
Gurdon, in seinem Buch "Considérations sur les antiquités du parlement", weiß von vornehmen Frauen, welche im Rath der angelsächsischen Häupter zugelassen wurden.
Der Historiker Beda theilt mit, daß die Aebtissin Wilde einer geistlichen Synode präsidirte.
Unter Heinrich VIII. hielt Lady Anne Berkeley im Saal von Glocester als Gerichtspräsidentin einen Gerichtstag ab. Fosbrook, der Gerichtsschreiber von Glocester schildert, wie sie kam, sich im öffentlichen Sitzungssaal auf die Bank setzte, die Präsidentschaft versah, die Zeugenschaften in Empfang nahm, die Angeklagten für schuldig erklärte des Complotts und der Erregung öffentlicher Unordnung, und wie sie dieselben als Feinde des Menschengeschlechts verurtheilte.
Unter Heinrich III. berief man vier Aebtissinnen ins Parlament. Unter der Regierung Eduards wurden im Parlament mehrere Edeldamen durch Mandatare vertreten.
Die letzte öffentliche Manifestation politischer Frauenrechte in England datirt von 1640, doch waren diese Rechte bereits im Absterben begriffen, denn der Sheriff machte damals die Bemerkung, daß es demüthigend für einen Mann sei, von einer Frau gewählt zu werden.
Im folgenden Jahrhundert erkennen die Richter zwar die Rechte der Frauen noch an, aber die Ausübung derselben ist nicht mehr üblich.
1739, unter der Regierung Georg II., als Sir William Lee als Oberrichter und Sir Francis Page als zweiter Richter fungirten, stellte man dem königlichen Gerichtshof die Frage, ob eine "feme sole" (begüterte unverheirathete Frau) ihre Stimme abgeben dürfe für die Beamten der Gemeinde und für die Sakristane, und ob sie selber befähigt sei, diese Funktionen auszuüben. Im Lauf der Verhandlung erklärte Sir William Lee, daß dieses Recht unanfechtbar sei und daß in vielen Fällen die "feme sole" selbst für Parlamentsmitglieder ihre Stimme abgegeben habe. Der Richter Sir Francis Page sprach in einem analogen Falle dieselbe Ansicht aus, und Lord Coke, der in diesen Dingen für eine Autorität galt, bestätigte lediglich das Urtheil der beiden Richter.[Diese historischen Notizen sind zum Theil der kleinen Schrift der Mme. C. Coignet "De l’affranchissement politique des femmes en Angleterre" entlehnt.]
Eine logische Folge der Feudalrechte der englischen Frau ist die Frau als regierende Königin.
Den "ricos hombres" (vornehme Edelleute) in Aragonien war es gestattet, ihre Stimmen in den Cortes einem andern dieses Standes zu übertragen. Ein ähnliches Vorrecht genossen die Erbtöchter der Freiherrn.[Prescott: Ferdinand und Isabelle.]
Die Gallier, sagt Tacitus, ließen die Frauen an ihren berathenden Versammlungen, in denen die wichtigsten Gegenstände zur Verhandlung kamen, Theil nehmen. Ihre Stimmen entschieden über die Entschlüsse, die man faßte.
Die Föderativ-Republiken der alten Basken verliehen ebenfalls in allen öffentlichen Angelegenheiten den Frauen das Stimmrecht. Später scheint in Frankreich der Einfluß der Frauen auf Staatsangelegenheiten mehrere Jahrhunderte hindurch verdrängt worden zu sein, in der Feudalzeit aber sehen wir ihn wieder aufleben. Die Frauen werden erhoben zur Würde von Herzoginnen, Pairinnen, Richterinnen und Gesandtinnen. Mit allen Rechten einer Feudalherrin bekleidet, entwickelt die Frau bei der Verwaltung ihrer Besitzungen ein ungewöhnliches administratives Talent. Drei Frauen unterzeichnen den Vertrag von Cambrai.
Nach Montaigne durften die Frauen, welchen die Pairswürde verliehen war, in allen Angelegenheiten, die zur Competenz der Pairskammer gehörten, mitstimmen. Man sah sie in ihrer Eigenschaft als Pairinnen von Frankreich ihre Sitze im Parlamente einnehmen, und bei öffentlichen Feierlichkeiten, wie die Krönung der Könige, sich ihrer Würde gemäß verhalten. Die Gräfin von Flandern saß in der Pairsversammlung, der der heilige Ludwig präsidirte.
Es sind uns zahlreiche Verhaftsbefehle aufbewahrt worden, die von weiblichen Richtern aus dem 13. und 14. Jahrhundert herrühren.
Die Aebtissinnen von Remiremont und ihre Dechantinnen handhabten das Richteramt in den zu ihrem Kloster gehörigen Distrikten, auch hatten sie das Recht, Deputirte zu den lothringischen Staaten zu ernennen.
Die Geschichte weiß Beispiele davon, daß die höchsten Aemter in der Magistratur durch Erbschaft jungen Mädchen zugefallen waren.
Unter dem Titel von Lehnsherrinnen ( chevalières fieffées) wohnten sie den Gerichtssitzungen bei und präsidirten den Plaidoyers mit dem Federhut auf dem Kopf und der Audienzrobe angethan. In ihrer Abwesenheit durften die Beisitzer und Schöffen nicht plaidiren.
Ungeachtet energischer Protestationen von Seiten der Feudalherren bestätigten eine Zeit lang Päpste und Könige die Frauen in diesen Rechten.
Als Ermengarde, Vicomtesse de Narbonne, in der Ausübung ihrer richterlichen Befugnisse gehindert wurde, flehte sie den Schutz des Königs, Ludwigs des Kindes, an, der ihr als Antwort einen Brief schrieb, in dem die Worte standen: "Nous ordonnons qu’il ne soit permis à personne de décliner votre juridiction".
Machaut, Gräfin von Artois und Bourgogne, wohnte als Pairin von Frankreich der Krönung Philipps V. zu Rheims bei und hielt mit den andern Pairs des Königreichs die Krone.
Nicht klein war die Zahl souveräner Feudalherrinnen, welche ihre Lehnsleute in den Krieg führten, welche Truppen equipirten und Milizen von Edelleuten und Bürgern befehligten.
Bei einer Belagerung von Remiremont, so erzählt der Geschichtsschreiber der Abtei, erfüllte die Aebtissin Katharina von Lothringen treu ihre Pflicht als Capitain, als Soldat und gute Fürstin.
Erst Ludwig der Vierzehnte hob im Interesse der Centralisation die Rechte der Feudalherrinnen auf.
Die wenigen Daten genügen, das traditionelle Recht der Frau auf politische Theilnahme am Staatsleben festzustellen.
Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, daß die Frauen dieser historischen Basis keineswegs bedürfen.
Hätte nie eine Frau Gericht gehalten, hätte nie eine Frau im Wittenagamott der Angelsachsen oder im Rath der Gallier gesessen, hätte nie eine Pairin über einem König eine Krone gehalten, so wäre dennoch ihr Anspruch, als selbstständiger Mensch und als Bürgerin im Staate betrachtet zu werden, um kein Gedankenatom geringer.
Diese historischen Notizen beweisen nur die Inkonsequenz der Männer in ihrem Handeln und Denken den Frauen gegenüber und die Willkür, mit der sie die Geschicke derselben von jeher bestimmt haben.
Das Stimmrecht der Frauen findet in England, selbst im Hause der Lords, lebhafte Unterstützung. Mitglieder der Cabinette sprechen zu Gunsten desselben, und im Hause der Gemeinen giebt es keine einzige Partei, die nicht einflußreiche Verfechter des Frauen-Stimmrechts aufzuweisen hätte.
Sehr einfach und sehr stark müssen in der That die Ansprüche der Frauen sein, da sie in gleicher Weise von Radikalen und Conservativen, von kirchlich Gesinnten und Freidenkern anerkannt und unterstützt werden.
Lange Zeit galt es in England, wo die Sitte mächtiger die Meinung beherrscht als vielleicht in irgend einem andern Lande, für ein Zeichen schlechten Geschmacks, ein lebhaftes Interesse für die Frauenfrage an den Tag zu legen. Die Theilnahme an der Bewegung hat aufgehört für unziemlich zu gelten, seitdem hocharistokratische Personen, Mitglieder selbst der königlichen Familie, sich zu Gunsten der Sache ausgesprochen haben. Unter den vornehmen Gönnern des Frauen-Stimmrechts nennt man den Marquis von Lorne, Gemahl der Prinzessin Louise. Im Jahr 1868, als der Marquis sich den Wählern der kleinen Stadt Dunoow als Candidat präsentirte, erklärte er, zu Gunsten der Bill stimmen zu wollen. Man nennt den Vicomte Amberly, ältesten Sohn des Lord Russel, Lord Haughton, Lord John Manners, den berühmten Professor Maurice, Professor Newman, Herbert Spencer, Kingsley, Coleridge und viele andere nicht weniger gewichtige und maßgebende Männer.
Unter den Frauen seien erwähnt: Vicomtesse Amberly, die Schwester des Herzogs von Buckingham, Lady Bowring, Lady Cane, Florence Nightingal, Harriett Martineau und eine große Zahl von Frauen, den ersten und einflußreichsten Familien des Adels und der Bürgerschaft angehörend.
Es ist Thatsache, daß in Amerika fast alle in irgend einer Weise ausgezeichneten Frauen, Anhängerinnen des Stimmrechts sind. Alle diejenigen, welche, trotz Haß, Spott und persönlicher Gefahr als Abolitionistinnen die Führerschaft in der Sklavenfrage übernommen hatten, sie sind es, die wiederum an der Spitze der politischen Frauenrechts-Vereine stehen.
In Deutschland befindet sich die Frauenfrage noch vor dem Beginn ernsterer Diskussion. Von Uebelwollenden verspottet, obwohl Spott noch niemals ein Probirstein der Wahrheit gewesen ist, von Wohlwollenden als Bagatellsache vorläufig bei Seite geschoben, ist sie bei uns noch so sehr in der Kindheit, daß, o heilige Einfalt, selbst socialdemokratische Blätter mit Phrasen, die der Kreuzzeitung entlehnt sein könnten, Phrasen von der Sprengung heiliger Familienbande, gegen das Stimmrecht der Frauen agitiren. Deutschland ist es vorbehalten gewesen, diese Socialphilister zu produciren, diese sittlichen Harlekins, die, mit der einen Hand ihr purpurnes Banner entfaltend, auf dem die strahlendsten Principien reinster Demokratie prunken, mit der andern Hand die Peitsche schwingen für die Hälfte des Menschengeschlechts.
Ein Freidenker Südamerikas faßte sein politisches Glaubensbekenntniß in die Worte zusammen: "All men are borne free except niggers" (Alle Menschen sind frei geboren, die Neger ausgenommen). Viel größer ist das Deficit an Menschenliebe und logischer Gedankenkraft, das jene Charlatane der Demokratie mit ihrer Ausschließung der Frauen vom Stimmrecht documentiren. Gewiß ist es nur ein kleiner Bruchtheil der Socialdemokratie, der mit dieser Prostitution seiner eigenen Principien einverstanden ist. Warum aber desavouirt die große socialistische Partei solche Gesinnungsgenossen nicht und schickt diese Abenteurer der Gedankenwelt dahin wohin sie gehören, in die Redaction der Kreuzzeitung oder an ähnliche Orte. Wer die Selbstständigkeit der Frau nicht will, wird, zur Macht gelangt, die seiner Mitbürger zerstören.
Ich will mich nun so kurz als möglich der Sisyphusarbeit unterziehen, die Hauptgründe der Männer gegen die politische Wirksamkeit der Frau zu erörtern und die Sophistik und Unhaltbarkeit derselben darzulegen. Eine Sisyphusarbeit nenne ich es, weil die Männer niemals unsere Argumente widerlegen, sondern immer nur darauf antworten mit wohlfeilen, längst verjährtem Spott, mit antiquirter physiologischer mittelalterlicher Gelehrsamkeit[So führt Schopenhauer als Gewährsmann für die phrenologische Inferiorität der Frau einen vor drei Jahrhunderten verstorbenen spanischen Gelehrten, Namens Huerte, seines Standes einen Juristen, an.], mit poetischen Deklamationen à la Jean Paul und Schiller und im schlimmeren Fall mit philosophischen Zoten à la Schopenhauer.
Diese Enthaltsamkeit wirklicher Beweisgründe ist nur zu natürlich. Noch nie traten andere Argumente gegen die Frauenfreiheit zu Tage als solche, welche aus Gemüthserregungen, aus Gewohnheit und Vorurtheil stammen.
Ich bitte meine Leser um Entschuldigung, wenn ich hin und wieder schon oft Gesagtes wiederholen muß, aber es gibt wohl kaum neue Gründe, um das einfachste und natürlichste aller menschlichen Rechte zu beweisen. Für die politischen Rechte der Frauen gelten genau dieselben Argumente, deren Anerkennung man in Bezug auf die politische Emancipation der Besitzlosen, der Arbeiter und zuletzt der Neger erzwungen hat.
Die Gründe der Männer heißen:
1) Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht. Das heißt: die Männer sind von jeher so gerecht, so gut, so edel gewesen, daß man getrost die Geschicke der Hälfte des Menschengeschlechts in ihre reinen Hände legen konnte. Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht. Das heißt: Es ist eine den Männern eingeborene Idee, ein göttlicher Impuls, der sie antreibt, mögen sie nun der barbarischen oder der civilisirten Welt angehören, das Weib zu schützen in seinen Rechten und in seinem Glück. Alle Arglist des Schurken, alle Niedertracht des Buben, alle Laster des Vornehmen und Schlechten haben sich von jeher nur gegen ihresgleichen gerichtet. Nur Mann gegen Mann hat sich das starke Geschlecht im Kampf um’s Dasein geschädigt und zu Grunde gerichtet.
Abseits auf einem Piedestal stand das Weib und bei ihrem Anblick verstummten im Busen des Mannes die Lockungen des Lasters und der Quell der Tugend that sich auf.
Nie hat ein Mann ein Weib betrogen, geschändet, gemordet, in Tod und Verzweiflung getrieben.
Die Frauen brauchen das Stimmrecht nicht – nein – sie brauchen es nicht in Arkadien, in Utopien und in allen jenen Feen- und Märchenländern, an die kleine Kinder und große Männer mitunter glauben.
Und die Meinung der Geschichte?
Die Geschichte der Frauen ist nur eine Geschichte ihrer Verfolgung und ihrer Rechtlosigkeit und die Geschichte sagt: Die Männer haben von jeher die Frauen unterdrückt in unerhörter und beispielloser Weise, und die menschliche Vernunft fügt hinzu: Und sie werden sie unterdrücken bis das weibliche Geschlecht Theil hat an der Abfassung der Gesetze, von denen es regiert wird, denn jedes Recht, hinter dem nicht eine Macht steht, ist ein Traumbild und ein Phantom.
Ein flüchtiger Blick auf die Stellung der Frauen bei civilisirten und barbarischen Völkern wird genügen zur Aufklärung über die männliche Fürsorge, die von Alters her, von der Wiege bis zum Grabe dem weiblichen Geschlecht zu Theil ward.
In früheren Zeiten ist es selbst eine Streitfrage gewesen, ob die Geburt der weiblichen Kinder ein dem Willen der Natur entsprechender Akt sei? Bischöfe, Philosophen, Heilige und Anatomen haben die Frage verneint und in vollem Ernst behauptet, daß die Geburt eines Mädchens etwas in der Schöpfung Unvorhergesehenes, eine Ungeheuerlichkeit sei, welche ohne Wissen und Willen des Schöpfers aller Dinge vor sich gegangen sei.
Ihrer Zeit angesehene Männer traten für diese Meinung ein. So der Schriftsteller Martely in einer lateinischen Schrift: "de natura animale", in der er sagt, daß die Frau mit Recht ein Ungeheuer zu nennen sei, denn es sei Brauch, in die Klasse der Ungeheuer alles dasjenige zu verweisen, was gegen den Willen der Natur in’s Dasein trete; und da nun, fährt er fort, die schöpferische Kraft der Natur, wie ich bewiesen, nur dahin zielt, Männliches zu produciren, so folgt daraus, daß die Geburt der Frau eine Art Anomalie ist und sie zu denjenigen Bildungen zu rechnen ist, welche als eine Ausnahme der natürlichen Schöpfungsgesetze hervorgebracht werden.
Als Verfechter dieser Ansicht wird ferner angeführt ein Gelehrter Balthazar de Castillon in seinem Buch: "le parfait courtisan".
"Es scheint," sagt auch Thomas Aquino, "daß die Frau keine Stelle findet in der Schöpfung der ersten Dinge; hat doch Aristoteles in seinem Buche über die Schöpfung der Thiere erklärt, daß die Frau ein verunglücktes männliches Geschöpf sei. Nichts Verfehltes und Zufälliges aber dürfte aus der ersten Schöpfung der Dinge hervorgegangen sein."
Man hat Jahrhunderte lang darüber disputirt, ob das Weib wieder auferstehen würde oder nicht.
In verschiedenen Ländern Asien’s und Afrika’s, bei den alten Arabern z.B., galt die Frau für ein höheres Thier. Man sprach ihr eine menschliche Seele ab und beschränkte ihre Existenz auf diese Erde.
Mahomet schließt zwar die Frauen nicht gänzlich vom Himmel aus, aber er läßt sie nicht in’s Paradies der Männer gelangen. Er weist ihnen im Jenseits eine Wohnstätte zweiten Ranges an, von Allah für untergeordnete Wesen hergerichtet.
Ja selbst im siebenzehnten Jahrhundert gab es noch religiöse Sekten, die da behaupteten, die Weiber seien nicht erlöst worden. Nicht für sie, sondern nur für die Männer sei Christus geboren und gestorben. Und solche Interpretationen der Schrift hatten damals durchaus nichts Lächerliches.
Gratien Dupont, ein Schriftsteller im Mittelalter, spricht seine Meinung dahin aus, daß die Frau im Jenseits keine Existenz haben könne, weil am Tage der Auferstehung der Mann in seiner ganzen Vollständigkeit auferstehen werde, und seine Rippe wieder erhalten müsse, aus der der Herr das Weib geschaffen, und darum müsse Eva wieder zur Rippe werden und aufhören Weib zu sein. Dasselbe würde allen Weibern geschehen. (Dr. Raymond)
Fast bei allen Völkern pflegte die Geburt einer Tochter Verstimmung und Kummer zu verursachen.
In Indien erhebt sich die Mutter eines Sohnes vermittelst dieses Titels über alle anderen zur ersten Frau ihres Gatten. Bei der Geburt einer Tochter ertönen keine heiligen Gesänge, keine religiösen Feste finden statt. Die Mutter weint und zittert. Die Frau, welche nur Mädchen zur Welt brachte, durfte im elften Jahre verstoßen werden.
Mahomet sagt in Bezug auf die weiblichen Kindern: "Wenn man einem unter uns die Geburt einer Tochter verkündigt, so verfinstert sich seine Stirn und er erscheint wie übermannt vor Schmerz. Er verbirgt sich um dieses unheilvollen Ereignisses willen vor den Seinen. Soll er das Kind auferziehen und die Schande tragen oder es in den Staub verscharren? ..."
Bei den Juden war die Frau, die einen Sohn geboren hatte, 40 Tage vom Tempel ausgeschlossen; um eines Mädchens willen durfte sie 80 Tage die heilige Stätte nicht betreten.
Zu Athen befahl der Vater, dem eine Tochter geboren wurde, daß man einen Spinnrocken mit Wolle über seine Thür hänge anstatt der Olivenkränze, die freudig der ganzen Stadt verkünden sollten: Diesem Hause ist ein Sohn geboren.
Bei den Chinesen bestand die Sitte, daß, wenn ein Mädchen zur Welt kam, so bekümmerte man sich drei Tage lang gar nicht um dasselbe. Man ließ es auf der Erde auf einem Paar alter Lumpen liegen und erst am dritten Tage nahmen die Eltern Notiz davon. "Das Stillschweigen," sagt eine chinesische Schriftstellerin, "womit ein neugeborenes Mädchen in der Familie aufgenommen wird, die laute Freude bei der Geburt eines Knaben, die Verachtung, die man dem ersteren beweist, deuten genugsam an, für wie viel geringer man sie ansieht." Die Tödtung neugeborener weiblicher Kinder ist bei allen alten Völkern ein alltägliches Vorkommniß und findet noch heutigen Tages in einigen orientalischen Ländern statt.
Die Frauen der Guana’s, eines amerikanischen Stammes, tödten häufig die neugebornen Mädchen, indem sie dieselben lebendig begraben. Sie thun dies, wie sie sagen, um ihrem Geschlecht ein besseres Loos zu bereiten.
Ein französischer Schriftsteller berichtet: "Was das neugeborene Mädchen in Asien betrifft, so erzieht man es wohl bisweilen, wenn gerade Mangel an dieser Waare herrscht; ist aber Ueberfüllung vorhanden, dann wird eine andere Maßregel ergriffen. Am Abend, wenn es dunkel wird, da hört man oft am Ufer des Flusses mit der Strömung herab leises ersticktes Gewimmer schwimmen, das in der Ferne erstirbt. Es ist das arme kleine Mädchen, das der Vater in eine Kürbisschale gelegt und dann dem Strom übergeben hat. So schwimmt die unglückliche Ophelia in Windeln dem Tode entgegen, ohne noch den ersten Strahl des Daseins gesehen, den ersten Tropfen Milch des Lebens gekostet zu haben.
Da aber ein Fluß nicht immer in der Nähe ist, um seine Kinder zu ersäufen, wirft man sie ohne weiteres in irgend eine Ecke oder auf die Landstraße; jeden Tag wird auf einem Karren diese todte oder lebendige Brut weggeschafft und auf einer Art Schindanger abgeladen, wo die Hunde und Schweine sie fressen."
Bei den Asiaten bekommen nur die Knaben einen Namen, nicht die Mädchen.
Nicht nur im Alterthum, auch im Feudalstaat war die Geburt einer Tochter ein Trübsal. Ludwig VII., König von Frankreich, sagt in einem Erlaß: "Erschreckt von der großen Anzahl unserer Mädchen, wollen wir inbrünstig zu Gott beten, daß er uns mehr Kinder eines besseren Geschlechts schenke ( des enfants d’un sexe meilleur)." Und er bewilligte ein jährliches Geschenk demjenigen, welcher ihm die Geburt eines Sohnes anzeigen würde.
Die Geschichte erzählt, daß der Zorn Ludwigs, als man ihm zu Nogent le Rotron sein erstes Kind, ein Mädchen, zeigte, so groß gewesen sei, daß er sofort nach Paris zurückreiste, jede öffentliche Lustbarkeit verbot, das Kind in das Schloß von Linières einsperren ließ und es während vier Jahre seiner Mutter beraubte.
Lange Zeit haftete dem Mann, dem seine Gattin nur Töchter gebar, eine gewisse Lächerlichkeit an; man hielt ihn für einen Schwächling. Der bretonische Bauer, dessen Frau mit einer Tochter niederkommt, sagt noch heut: "Meine Frau hat falsche Wochen gehalten ( a fait une fausse couche)."
Das wäre die Fürsorge der Männer in barbarischen und halbcivilisirten Ländern für das weibliche Geschöpf in der Wiege.
Das junge Mädchen. Die Thatsache, daß bei den alten germanischen Völkern sowohl als bei den Völkern des Orients das Mädchen als ein Handelsartikel betrachtet wurde, den man zum Vortheil des Vaters an den Meistbietenden zu verkaufen pflegte, ist allzu bekannt, als daß wir ausführlicher darüber zu berichten brauchten.
Die Gattin. Nach allen orientalischen Verfassungen ist der Mann der unumschränkte Herr im Hause.
Sobald er seiner Frau überdrüssig wird, schickt er sie fort und nimmt eine andere. "Geh, du gefällst mir nicht mehr und er stößt sie in Elend, Verzweiflung, Schande." Er konnte sie prügeln, tödten, ohne den Gerichten Rechenschaft zu geben. Machte aber die Frau ein Attentat auf die Existenz des Mannes, so ward sie zur Strafe des Messers verurtheilt. Die Operation bestand darin, die Delinquentin stückweis zu schlachten und ihr die Haut in schmalen Riemen abzureißen.
Bei den Samojeden gelten die Frauen für unrein und haben im Alter ein hartes Loos. Sie müssen in der Hütte auf einer bestimmten Seite bleiben, berühren sie eine andere oder das Geräth der Männer, so werden Hütte und Geräthe durch verbrannte Rennthierhaare gereinigt. Auf den Zügen dürfen sie nicht über den Steig der Männer und Rennthiere, sondern nur an einer Seite desselben gehen. Die Frauen dürfen ferner nicht mit den Männern speisen, sie bekommen nur was diese übrig lassen.
Bei den Tartaren und vielen andern Volksstämmen fällt die Wittwe mit den Kindern dem nächsten männlichen Verwandten zu, der sie behalten oder verkaufen kann.
Dem Nogaier ist die Frau, wie allen Bekennern des Islam, eine Dienerin seiner Lust und seiner Bequemlichkeit. Kommt der Mann von der Reise oder der Arbeit heim, so darf sie erst dann an die eigene Ruhe denken, wenn dem Manne nichts mehr von ihr zu verlangen übrig bleibt. Der Ungehorsamen giebt der Mann seinen Widerwillen durch die Peitsche zu erkennen, wobei er der Sitte gemäß in vollem Recht ist. Sie geht, wenn er im Zimmer sitzt, nie vor ihm vorbei, sondern stets hinter seinem Rücken; sie bleibt auf der Querstraße stehen, bis der Mann, der ihr von ferne entgegenkommt, vorübergegangen ist, sie darf nie ein Wort reden, wenn der Mann spricht, sie sattelt ihm das Pferd u.s.w.
Sollte etwa ein pfiffiger Logiker oder ein malitiöser Spaßvogel aus dem Mitgetheilten schließen, daß ich das Stimmrecht für die Frauen fordere, weil bei den Nogaiern die Frauen hinter dem Rücken des Mannes vorübergehen müssen, so muß ich ihm allerdings zugeben, daß diese wahrheitsgetreuen Sittenschilderungen[Sie sind zum größeren Theil Klemm’s "Geschichte der Frauen" entlehnt, einem sehr conservativen und in jeder Beziehung zuverlässigen Schriftsteller.] eine Illustration zu der Behauptung liefern sollen, daß immer und überall die männliche Fürsorge genüge, die Geschicke der Frauen festzustellen.
Alle Reisenden zeigen uns bei den wilden Völkerstämmen die Frauen schwere Lasten tragend, die Waffen des Kriegers, das Wild des Jägers; die Frau ist dem Manne nicht nur untergeordnet, sie ist sein Lastthier.
Ein wissenschaftliches deutsches Journal brachte vor einiger Zeit einen Aufsatz über die Sitten nord-amerikanischer Indianerstämme. In einem dieser Stämme (der Name ist mir entfallen), so berichtet der Gelehrte, wurde ein Indianer krank. Er hielt die Frau für die Urheberin seines Leidens und verlangte von ihr geschieden zu werden. Der Friedensrichter begab sich mit einigen Gefährten in den Wigwam des Kranken.
Er führte die Frau hinaus in die Prairie. Er schoß sie nieder und verscharrte sie in den Sand. Das ist eine Form der Ehescheidung, so schließt unser Gewährsmann seinen Bericht, welche bei diesem Stamm der Indianer üblich ist und kein Einfluß der gebildeten Amerikaner hat sie bewegen können, den alten Brauch aufzugeben. Bei den Aenez-Arabern finden die Scheidungen selbst während der Schwangerzeit statt, ja es werden Frauen verstoßen, weil sie ihrem Manne mehrere Kinder geboren haben.
Wenn dem Beduinen seine Frau nicht gefällt, so löst er die Ehe mit den Worten auf: ent-talek! Du bist geschieden. Er ist durchaus nicht genöthigt, irgend einen Grund dafür anzugeben. Zuweilen gestattet er einer alten verstoßenen Familienmutter unter ihren Kindern in seinem Zelt zu leben. Burckhardt kannte einen Mann, der 50 Weiber gehabt hatte, obwohl er erst 45 Jahr alt war.
Nur in sehr wenigen vereinzelten Fällen steht der Frau das Recht der Scheidung zu.
In Neuseeland herrschte ehedem die Sitte, daß bei dem Ableben vornehmer Männer die Sclaven derselben getödtet und seine Frauen genöthigt wurden, sich zu hängen. Die Frauen der Häuptlinge der Fidschiinseln wurden bei dem Tode ihrer Männer erdrosselt.
Dem Verbrennen der indischen Wittwen hat bekanntlich erst der langjährige Einfluß der Engländer ein Ziel gesetzt.
"Wenn die Flamme um den Leichnam des Mannes auf dem Scheiterhaufen knisterte," so berichtet ein französischer Reisender, "und flackernd emporstieg, erschien die Wittwe beim Klange wonnerauschender Musik im scharlachenen Kleide, mit Blumen und Betelblättern bekleidet. Bleich, halb wahnsinnig, betrunken von Safran-Branntwein, halb bewußtlos an die Brust eines Brahmanen angelehnt, ging sie schwankenden Schrittes dreimal um die im Scheiterhaufen befindliche Oeffnung. Beim dritten Mal stieß der Priester sie hinein und mit herzzerreißendem Schrei verschwand sie im prasselnden Scheiterhaufen."
Diejenige Hinduwittwe, welche das Sutti-Opfer nicht bringen wollte, ward verflucht. Ihr Haupt ward kahl geschoren und sie lebte fortan in Schande und Schmach. "Was hilft ihr Gold," heißt es im Ramayana, "wer die Sache zu beurtheilen weiß, wird sagen: Es ist nur eine Wittwe! Voll Ekel und Abscheu wich die Menge einer solchen aus, sogar ihr Sohn wendet den Kopf ab, wenn er sie vorübergehen sah: die Erde speit dich aus, stirb, Elende!"
In den Hindudramen spricht die Frau nicht dieselbe Sprache wie ihr Herr, sondern bedient sich des Dialekts der Sklaven.
Das indische Gesetzbuch weist den Frauen ihre Stellung an, indem es sagt: "Ein Mädchen, eine Jungfrau oder eine bejahrte Frau müssen auch in ihrer eigenen Wohnung nichts nach ihrem Belieben vornehmen. In der Kindheit muß ein Frauenzimmer von ihrem Vater abhängen, in ihrem jungfräulichen Alter von ihrem Ehemann, und wenn er todt ist, von ihrem Sohn; wenn sie keine Söhne hat, von den nahen Verwandten ihres Gatten, oder, hat er keine hinterlassen, von den Verwandten ihres Vaters und wenn sie keine väterlichen Blutsfreunde hat, von dem Landesherrn. Ein Frauenzimmer darf nie nach Unabhängigkeit streben. Sollte ein Ehemann auch die eingeführten Gebräuche nicht beachten, in eine andere Frau verliebt sein oder keine guten Eigenschaften haben, so muß ein tugendhaftes Weib ihn doch immer als einen Gott verehren. Nur insofern eine Frau ihren Herrn ehrt, wird sie in den Himmel erhoben." Nach diesem Gesetzbuch dürfen die religiösen Gebräuche von den Frauen während der Abwesenheit der Männer nicht geübt werden.
Noch viel entschiedner sprechen die Mohamedaner der Frau Menschenthum und Seele ab, indem sie sie außerhalb der Religion stellen.
Die mohamedanischen Frauen sind keine Mitglieder der Kirche. Es ist ihnen nicht erlaubt, beim Gottesdienst der Männer anwesend zu sein, für sie hat die nach Mekka zeigende Tafel "Mehral" keinen Sinn. Sie sind zu den Waschungen nicht verpflichtet, weder zum "Abdestan" noch zum "Güzül", noch zum "Thüseret". Sie halten weder die Ramazan-Fasten noch feiern sie das Beyramsfest u.s.w. Der Geistliche traut, unterrichtet, konfirmirt sie nicht und läßt sie nicht beichten, sie haben keine Seele; um sie kommt nicht in der Todesstunde der die Seele vom Leibe scheidende Engel Asrael; sie verhört nicht nach dem Tode der Engel Monkai und Nakir über das Gute und Böse, daß sie in ihrem Erdenleben gethan. Sie gelangen nicht in’s Paradies, in den Schatten des großen Baumes "Tuba", denn ihrer bedürfen dort die Männer nicht mehr, diese erwarten dort die in ewiger Jugend blühenden "Huris", jeden ihrer sieben und siebzig u.s.w. Die Männer werden im Koran ermahnt: Denjenigen Frauen, von denen ihr fürchten könnt, daß sie unredlich handeln, gebt Verweise, enthaltet euch ihrer und peitscht sie.
Die männlichen Juden haben in ihren Gebeten einen Abschnitt, in dem sie Gott danken, daß sie nicht als Weiber zur Welt gekommen sind.
Fernand Mendoz Pinto erzählt uns in seinen Reisen: der König von Achem führte Krieg mit den Königen von Jantana (Reich in Ostasien). Er wurde besiegt und als die Flotte zurückkehrte, ließ er in seinem maßlosen Zorn den Hauptleuten die Köpfe abschlagen, den Soldaten aber befahl er, bei Strafe lebendig in Stücke gesägt zu werden, fortan in weiblicher Kleidung einherzugehen und nur weibliche Arbeiten zu verrichten, welche Schmach die meisten so wenig vertragen konnten, daß sie entweder als Flüchtlinge die Heimath verließen, oder sich selbst durch das Schwert oder durch Gift den Tod gaben.
Wie man von jeher der Frau das Verfügungsrecht über ihre eigene Person geraubt hat, so hat man ihr auch ihr Eigenthum vorenthalten. Ein römisches Gesetz, das Gesetz "Voconia", welches gegen den Luxus der Frauen gerichtet war, verbot einem Vater, seiner Tochter und wenn es sein einziges Kind wäre, mehr als einen gewissen Theil seines Vermögens zu hinterlassen.
In Rom lebte um’s Jahr 600 ein reicher Bürger Namens Annius Asellus. Er hatte im Handel ein beträchtliches Vermögen erworben und seine Mühe und Arbeit galten einem einzigen Kinde, einer Tochter, die er zärtlich liebte. Alle seine Fürsorge sollte nun vergebens gewesen sein. Nur ein einziges Mittel blieb ihm, das Gesetz zu umgehen, ein verzweifeltes Mittel, denn es beraubte ihn seiner Stellung, seines Ranges und der Achtung seiner Mitbürger. Annius zögerte keinen Augenblick. Das Gesetz theilte die römischen Bürger in sechs Klassen. Fünf davon zahlten Abgaben an den Staat. Die sechste, aus Proletariern bestehend, war von allen Rechten und bürgerlichen Privilegien ausgeschlossen und bildete den Uebergang zwischen dem freien Mann und dem Sclaven. Dieser letzten Klasse anzugehören, war eine Art Schande und das Gesetz Vaconia erlaubte den Vätern dieser Klasse – ein Hohn auf ihre Armuth – ihren ganzen Besitz auf die Töchter zu vererben. Annius ließ sich in die Klasse dieser bürgerlichen Parias aufnehmen. – Eine Protestation gegen die Enterbung der Töchter, die an Energie Nichts zu wünschen übrig läßt.
Legouvé, ( l’histoire morale des femmes) dem wir diese Geschichte entlehnt haben, theilt uns auch die rührende Klage eines germanischen Vaters aus dem siebenten Jahrhundert über die Enterbung seiner Tochter mit, eine Stimme, wie er sagt, voll männlicher Kraft, die mit Thränen getränkt ist.
Ein lombardisches Gesetz bestimmt, daß eine Tochter, die verheirathet ist und eine Mitgift empfangen hat, keinerlei Recht mehr an der väterlichen Erbschaft habe, bestände die Mitgift gleich nur aus einem Rosenkranz.
Ferner war es ein mittelalterlicher Brauch, daß Väter und Brüder junge Bräute zwangen, am Vorabend ihrer Vermählung jeden Anspruch an das väterliche Erbe beim Heil ihrer Seele abzuschwören.
Die Autorität des Bruders war in der Feudalzeit eine so absolute, daß er sich nicht nur der Besitzthümer der Schwester bemächtigen, sondern auch ihre Ehre und ihre Person zu seinem Vortheil verkaufen durfte, ohne daß selbst die Eltern Einspruch zu erheben wagten.
Legouvé theilt uns eine rührende bretonische Ballade aus dem 4ten Jahrhundert mit, die einen solchen Kauf zum Inhalt hat.