Autorenseite

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Trommelwirbel übertönten den kriegerischen Gesang, unter welchem die Bataillone der Republikaner zur Nachtzeit aus den Thoren von Nantes zogen. – Zwei Männer, einer davon in Generalsuniform, standen auf dem Walle unweit des Thores, und schauten nach Osten. Raketen stiegen aus verschiedenen Punkten empor. Leuchtkugeln schienen vom entgegengesetzten Ufer der Loire beantwortende Zeichen zu geben.

»Ich sage Ihnen, Kapitain,« sprach der Mann in Generalsuniform zu dem andern, »wir haben es mit den sämmtlichen Heerhaufen der Vendéer, oder doch wenigstens mit d'Elbée und Charette, folglich mit sechzig bis achtzigtausend Mann zu thun. Ich habe sichere Nachrichten von beiden Ufern. Hinsichts Elbée bin ich meiner Sache gewiß. Seine Armee allein beträgt vierzigtausend Mann. Sie sind meist aus der ›Boccage‹ und von den Priestern fanatisirt bis in die Haarspitzen.«

»Jedenfalls werden wir einen schweren Kampf haben;« versetzte der Andere, ein junger Mann von einigen zwanzig Jahren, den eine Schärpe um den Arm als Adjutanten bezeichnete. »Erlauben Sie mir indeß eine Frage, mein General! Warum begnügen wir uns nicht, mit unsern zehntausend Mann die Wälle zu besetzten, statt mit der Hälfte der Leute dem Feinde entgegen zu gehen, und die Gewißheit zu haben, von der Masse, wenn nicht erdrückt, doch wenigstens mit Verlust in die Stadt zurückgeworfen zu werden?«

»So wird freilich jeder vernünftige Mensch fragen;« entgegnete der General achselzuckend. »Sie wissen indeß, daß ich an die Befehle eines Dummkopfs und eines Verrückten gebunden bin, und so dürfen Sie sich nicht wundern, uns Dummheiten begehen zu sehen.«

»Ist General Canclaux nicht hier?« rief jetzt eine Stimme in einiger Ferne. Eine andere schien etwas darauf zu erwiedern. Bald darauf laufen zwei Männer den Wallgang herauf. Man konnte bei dem Scheine von ein paar Pechfackeln, die eben angezündet wurden, die Ankommenden genauer betrachten. Ihr Aufputz sah ziemlich abentheuerlich aus. Sie trugen breite dreifarbige Schärpen über die Schultern, auf den Köpfen aber einkrämpige Hüte mit drei großen Straußfedern.

»Nun, Bürger General « sagte der Eine, ein ziemlich vierschrötiger Mann von gemeinem Ansehn, »bist Du noch nicht auf dem Wege zur Vernichtung der Verräther?«

Der General warf ihm einen verächtlichen Blick zu, und sah in die Ferne, wo wieder eine ziemliche Anzahl Raketen aufstiegen und Hörnerschall hörbar wurde.

»Wir suchten Dich bei den Truppen, die sich eben vor dem Thore aufstellen;« sprach der Andere der Fremden, ein Mann mit düstrer Miene und blassem, von Leidenschaften durchwühlten Gesicht.

»Ich berechnete die Stärke des Feindes nach den Lagerfeuern;« versetzte General Canclaux.

»Ganz überflüssig,« erwiederte der, welcher zuerst gesprochen. »Jeder brave Republikaner nimmt es wenigstens mit zehn dieser erbärmlichen Bauern auf. Für die aber, welche anders denken, habe ich ein gutes Ueberzeugungsmittel in petto. Ich habe Befehl gegeben, eine ambulante Guillotine hinter den Kolonnen herführen zu lassen.«

»Kapitain Delrieu!« sagte kalt der General. »Oberst Lebreton soll sich mit der ersten Brigade in Marsch setzen. Ich komme sogleich. – Was Deine Guillotine anbelangt, Bürgerrepräsentant,« fuhr der General fort, und sein schönes Gesicht überflog eine dunkle Röthe, »so sage ich Dir, daß, wenn Du die Truppen beschimpfest und sich Dein Henkerinstrument innerhalb eines Kanonenschusses blicken läßt, ich der nächsten besten Batterie Befehl geben werde, mit Kartätschen darauf zu feuern.«

Mit diesen Worten kehrte der General den Beiden den Rücken, und ging eiligst vom Walle hinab.

»Der ist reif! Mort de ma vie! Meinst Du nicht auch, Bürger Carrier? – Ich will nicht Joseph Lebon heißen, wenn er nicht beim ersten Unfall das rasoir national an seinem Halse fühlen soll.«

»So sind sie alle, diese Herren vom Säbel;« erwiederte dieser. »Aber laß ihn nur machen. Wirft er die ›Weißen‹ nicht zurück, oder bringt er uns nicht Futter für die Guillotine von dem Ausfalle heim, um diesen Epiciers von Nantes ein Schauspiel zu geben, das darauf hindeutet, was ihrer harrt, wenn sie nicht besser die Beutel für das Wohl der Republik öffnen, so mache ich einen Bericht an den Konvent, und der stolze Herr wird sich bald überzeugen, daß ich der Mann war, der über seine Kehle verfügen konnte.« – –

Mit den letzten Worten ergriff Carrier den Arm seines Collegen und Beide entfernten sich. – –

Der Krieg in der Vendée stand damals in voller Blüthe. Elbée, ein tapferer Mann und wohlbewandert in der Kriegskunst, kommandirte einen der ausgezeichnetsten Heerhaufen der »königlichen und katholischen Armee,« wie sich die Schaaren der Vendéer nannten. Außer ihm fochten, in deren Reihen und als Anführer derselben, der ruhige aber edle und hochherzige L'Escure Bonchamp, zwar meistentheils unglücklich in seinen Bestrebungen, aber talentvoll und unternehmend; Stofflet, ein Mann niederer Herkunft, aber an Hingebung und Tapferkeit mit den Genossen vom höchsten Adel wetteifernd; Charrette, zwar grausam gegen die Besiegten, aber tapfer wie Roland; endlich der edle Henri de la Roche-Jaquelin, dessen Tugenden und Aufopferung an die edelsten Charaktere der Vorzeit erinnern, und dessen Name mit den glänzendsten Zügen auf den Tafeln der Geschichte jener Zeit, wie in den Herzen der Ueberlebenden verzeichnet steht.

Der von Elbée, in Gemeinschaft mit Charrette beschlossene Angriff auf Nantes konnte, wenn er geglückt wäre, von unberechenbaren Folgen sein, ja es war möglich, daß von ihm das Geschick der Revolution abgehangen hätte. Gewiß hätte sich dann einer der französischen Prinzen an die Spitze des Aufstandes gestellt; England hatte Hülfe nach der Loire gesendet: die Bretagne und Normandie, ohnehin der königlichen Sache ergeben, hätten sich in Masse erhoben, und man wäre mit einer Macht von mehr als hunderttausend Mann auf Paris marschirt. Wäre nach den Entwürfen der beiden, fast eben so dummen als nichtswürdigen, Volksrepräsentanten verfahren worden, hätte ein so unfähiger Mensch, wie späterhin Westermann sich zeigte, das Oberkommando übernommen gehabt, so würde der Angriff auf Nantes auch unfehlbar gelungen sein. Mit Canclaux aber war es eine andere Sache.

Der General war ein Mann von hohem Muthe und ausgezeichneten militairischen Kenntnissen. Was ihm an Truppenmenge abging, ward ihm durch eine Ueberlegenheit an Geschütz ersetzt. Alle Vertheidigungsmittel, die der Platz darbot, hatte er auf eine geschickte Weise benutzt, die unbedeutenden Vertheidigungswerke verstärkt, und so konnte er den unsinnigen Forderungen Lebons und Carriers, mit den Vendéern sich in freiem Felde zu schlagen, Genüge leisten, da seine Unternehmung im Grunde nichts als ein Ausfall war, der ihn nicht weiter von seinen Verschanzungen entfernte, als er es eben selbst wollte. Da sich gegen den Unsinn nicht mit Vernunftgründen streiten läßt, so hatte er dem Dringen der Volksrepräsentanten ohne Weiteres nachgegeben, aber bei dieser Gelegenheit, wie bei jeder andern, die tiefe Verachtung, die er gegen sie hegte, nicht verläugnen können. Daher der tiefe Grimm derselben, und der Wunsch, den General von einem Posten zu verdrängen, auf welchem sie eine ihrer Creaturen zu sehen wünschten. Daß ein ihnen Gleichgesinnter, durch seine Militairmacht, auch ihre Privaträubereien und die Bedrückungen vermögenbesitzender Verdächtiger unterstützen und beschützen würde, – Canclaux dergleichen Ansinnen aber stets mit Verachtung zurückgewiesen, und sich bei ihren, im Namen der Freiheit verübten, Metzeleien, die er leider nicht verhindern konnte, nicht betheiligt hatte, war ein weiterer Grund ihn zu hassen. –

So wie die Bataillone der Republikaner unter den Tönen jener kriegerischen Hymne, welche Tausende tapferer Herzen zu rascherem Schlage bewegte, aus den Thoren von Nantes hervorbrachen, ertönte auch von den Hügeln, die zunächst lagen und die von Bretagnern besetzt waren, ein Gesang, der sich aber von jenem wesentlich unterschied. Er hatte das Feierliche eines Psalms und, wie Klänge aus einer andern Welt, schallte er durch die Stille der Nacht herüber. Die einfachen Küstenbewohner hatten ihn, wenn sie aus ihren gebrechlichen Booten mit den Wogen des Oceans kämpften, oft angestimmt, er hatte ihr Herz getröstet, ihren Muth erhoben, ihre Kräfte neu belebt. Sie kannten nur diesen einzigen hilfreichen, kräftigen Gesang, sie zogen eben in einen Kampf, wild wie der mit den Wogen des Oceans, und darum stieg feierlich und erhaben das gewohnte: » Ave maris stella,« angestimmt von den, mit dem Kreuz in der Hand, an ihrer Spitze ziehenden Priestern, zu dem Himmel auf. Ehe die Republikaner sich in Schlachtordnung gestellt hatten, dämmerte der Morgen. Canclaux formirte die Seinigen in Bataillonskolonnen und sendete Tirailleure gegen den Feind. Die Vendéer, meist hinter Hecken und andere Terrainhindernisse, nach Scharfschützenart, postirt, hatten eine halbmondförmige Stellung, welche die Republikaner in beiden Flanken bedrohte, eingenommen. Elbée ritt von einem Haufen zu dem andern, sich nach seiner Weise freundlich mit den Bauern besprechend.

»Ich hoffe, « sagte er lächelnd zu einem Häuflein, »Ihr habt an nichts Mangel gelitten. Es schlägt sich schlecht mit leerem Magen.«

» Par dieu, Monseigneur!« erwiederte lachend ein junger Bauer. »Wir haben gegessen und getrunken, und hätte ich eine Handvoll Tabak, um sie mir in den Mund zu stopfen, so wüßte ich nicht was mir abginge.«

»Wie?« rief Elbée. »Erst gestern habt Ihr einen Ort mit Sturm genommen. Fandet Ihr denn keinen Tabak in den Kaufläden?«

»Das wohl, gnädiger Herr,« entgegnete der ehrliche Bursche, und charakterisirte so die rechtliche Sinnesart seines ganzen Trupps. »Das wohl! Aber wir hatten kein Geld ihn zu bezahlen.«

Die Tirailleurs begannen jetzt in der Ferne ihr Feuer.

»Vorwärts« rief Elbée. »Dort kommen die Blauen!«

Sogleich stob das Häuflein, bei dem er hielt, auseinander. Mit Andern rechts und links eine halbmondförmige, aber ziemlich unregelmäßige, Kette bildend, eilten sie dem Feind entgegen, und begannen, sich bald durch einen Baum, einen Stein deckend, bald platt auf die Erde niederwerfend, ein rollendes Tirailleurfeuer.

Diese Kampfart nannte man » s'egailler,« sie ward meist mit einem tobenden Angriffsgeschrei begleitet, und mehr oder minder von den Republikanern im Revolutionskriege angenommen. Später bildete sich aus ihr das regelmäßigere Tirailliren.

Eine Viertelstunde mochte das Feuern auf diese Weise gedauert haben, als drei Angriffskolonnen der Republikaner vorrückten. Sie begleitete eine Achtpfünderbatterie. Sogleich wichen die Vendéer den Spitzen derselben aus, aber sie überschütteten die Feinde in den Flanken mit einem Regen von Kugeln. Obwohl ein feuriges En avant und Vive la republique aus den Reihen der Blauen ertönte, so ließ General Canclaux die Kolonnen dennoch Halt machen. Er kannte die Fechtart der Vendéer zu gut, als daß er sich hätte von ihnen in Defilées locken lassen, oder zu weit von der Stadt entfernen sollen. Die Batterie sandte deshalb dem Feinde, von einem Hügel, Kugeln und Granaten zu. Bis jetzt hatte d'Elbée auf einer Anhöhe gehalten und dem Gefechte zugeschaut. Zwei Reiter kamen plötzlich um den Hügel herumgesprengt. Der Eine war ziemlich groß, schlank und von äußerst kühnen Zügen. Der Zweite war ein blonder junger Mann von angenehmen Aeußern. Beide waren im ersten Drittheil des Lebens. Ihr Anzug war gleichförmig. Sie trugen eine kurze Jacke von blauem feinen Tuch, gestreifte Pantalons und runde Hüte. Um letztere, so wie um den Leib, hatten sie rothseidene Taschentücher geknüpft. Ein Säbel an der Seite und ein paar Pistolen im Gürtel waren ihre Waffen.

»Wir sind zu Ihrem Befehl, Herr von Elbée!« rief der Erste, der ein kostbares englisches Racepferd ritt. »Die Kolonne aus dem Boccage ist hinter der Anhöhe.«

»Wohl, Herr von la Roche Jaquelin!« erwiederte dieser. »Ich hätte die Batterie der Blauen gern noch etwas näher kommen lassen. Da diese indeß keine Lust dazu zu haben scheint, so greifen Sie an.«

»Lassen Sie die Leute die Gewehre und die Holzschuhe hinter der Anhöhe niederlegen, Herr von la Rigaudiere, und führen Sie sie herbei;« sagte la Roche Jaquelin zu seinem Adjutanten, der sogleich davonsprengte.

Ein paar Minuten darauf kam ein dichtgedrängter Haufen Menschen barfuß und eiligen Schrittes, über den Hügel. Es waren stämmige, sonnverbrannte Männer, jeder mit einem starken eisenbeschlagenen Knittel bewaffnet.

»Wenn ich fliehe: tödtet mich, wenn ich vorrücke: folgt mir, wenn ich falle: rächt mich!« rief ihnen la Roche Jaquelin zu. – »Vorwärts, Männer aus dem Boccage! Dort ist der Feind.«

» Dieu le veut!Dieu le veut!« rief ein junger Mann in Priestertracht, der an der Spitze des Haufens zog, in dem er ein Krucifix emporhielt.

» Dieu le veut!« riefen Alle; mit Windeseile stürzten sich die Männer den Hügel herab und auf die Batterie zu, die wie ein Vulkan auf der jenseitigen Anhöhe tobte, und sie mit einem Kartätschenhagel überschüttete.

Obgleich der Weg, den die Vendéer nahmen, wie mit Leichen besäet war, drangen sie doch bis an die Mündungen der Geschütze. Zwei davon wurden umgeworfen, die Kanoniere getödtet, la Roche Jaquelin hieb den kommandirenden Offizier mit eigner Hand nieder. Die ganze Batterie würde genommen worden sein; aber eine Bataillonskolonne, General Canclaux an der Spitze, eilte mit gefälltem Bajonnet herbei. In einiger Entfernung folgte eine zweite. So wüthend auch die Vendéer fochten, so war doch einer solchen Uebermacht nicht zu widerstehen, auch die beiden eroberten Kanonen konnten nicht fortgebracht werden.

Sie fingen an zu weichen, aber langsam wie der Löwe weicht, von Zeit zu Zeit stillstehend, und von Neuem angreifend. La Roche Jaquelin, stets mitten im Gedränge wie ein Ritter der Vorzeit fechtend, feuerte die Seinen fortwährend zum Kampfe an.

»Feuert Alle auf das rothe Schnupftuch!« rief jetzt ein Offizier der Republikaner, auf Jenen zeigend. »Es ist einer der Rebellenchefs.«

Hundert Schüsse fielen auf la Roche Jaquelin, keiner traf, aber eine Kugel durchbohrte die Brust des Pferdes seines Adjutanten, es stürzte mit seinem Reiter.

Obgleich die Vendéer sich große Mühe gaben, ihren Offizier zu retten, so war dies doch unmöglich. Das Pferd war auf ihn gestürzt, und ehe sie ihn von der Last desselben befreien konnten, waren sie von den Gegnern zurückgedrängt. Mehrere Feinde fielen über Rigaudiere her, und rissen ihn unter dem Pferde hervor. So wie er auf den Füssen stand, fühlte er bereits einige Bajonette auf der Brust. Er drängte sie mit der Hand weg, aber in diesem Momente erblickte er einen Gewehrkolben über seinem Haupte. Nur das Gedränge um ihn her schützte ihn vor dem Niederschmettern. Es war so arg, daß sein Gegner fürchten mußte, die Kameraden zu verletzen. Rasch riß Rigaudiere die Uhr aus der Tasche.

»Nimm sie!« rief er dem Wüthenden zu, der ihn niederzumetzeln drohte.

»Hund von einem Brigand!« entgegnete dieser, indem er die Uhr gegen den Boden warf und sie zertrat. »Ich will Dein Blut, aber nicht Deine Uhr.«

»Was Bürger? Du willst einen Wehrlosen tödten?« rief in diesem Augenblick eine helle Stimme. »Der Mensch ist unser Gefangener. – Dort sind bewaffnete Feinde!«

»Du hast Recht, Bürger Delrieu!« erwiederte der Soldat, sich schnell besinnend. »Uebrigens wird die Guillotine mit dem Brigand kurzen Proceß machen.«

Mit den letzten Worten stürzte der Soldat sich in das Getümmel und verließ den fast Betäubten.

So wie letzterer um sich her blickte, sah er den Adjutanten des General Canclaux neben sich.

»Wie?« rief er, sichtlich erschrocken. »Du bist es, Charles Delrieu? – Dir soll ich das Leben verdanken?«

Delrieu schien fast eben so überrascht, als Jener. Er blickte ihn einen Augenblick schweigend an. Seine Mienen wurden finster.

»Es war Zufall, Herr von Rigaudiere!« sprach er düster. »Sie verdanken mir nichts. Ich hatte Sie nicht erkannt.«

Plötzlich wendete er dem Gefangenen den Rücken.

»Sergeant!« rief er einem leicht Verwundeten zu, der so eben verbunden worden war. »Bringe den Gefangenen zurück! – Du haftest dafür, daß er nicht mißhandelt wird.«

Ohne Rigaudiere weiter anzublicken, sprengte Delrieu dem Getümmel der Kämpfenden zu. –

Charles Delrieu und der Marquis Armand de la Rigaudiere waren, in ihrem Knaben- und Jünglingsalter, durch die engsten Freundschaftsbande verbunden gewesen. Der Vater des Ersteren war Advokat in Bressuire und Geschäftsführer des Vaters des Marquis. Da Delrieu sehr früh schon die Mutter verloren hatte, so ward das Anerbieten, den kleinen Charles zu Chateau Rigaudiere mit Armand zusammen erziehen zu lassen, mit Freuden angenommen. Zu Jünglingen herangewachsen, bezogen die Freunde gemeinschaftlich das College zu Paris. Sie lebten hier wie Brüder. Alles war ihnen gemeinschaftlich. Einer konnte nicht eine Stunde ohne den Andern sein. Dies Verhältniß setzte sich fort, als Delrieu die Rechte studirte und la Rigaudiere als Offizier in das Corps der » Mousquetaires du roi« getreten war. Jetzt trennten sie sich auf einige Zeit, denn Delrieu ließ sich als Advokat zu Nantes nieder. Die Revolution kam nun heran. Delrieu ergriff sie mit Leidenschaft. Die Garden des Königs waren inzwischen aufgelöst worden. Rigaudiere wanderte nicht aus, wie viele seines Standes. Er ging auf seine Güter zurück. Der Sache des Königs eifrig ergeben, verbündete er sich sogleich mit dem Adel der Vendée. Jeder suchte jetzt seine Freunde und Bekannten für die Sache, der er diente, zu gewinnen. Der Marquis eilte nach Nantes, um den Freund zu veranlassen, sich gleichfalls der Sache des Monarchen zu weihen. Er war aufs Höchste überrascht, in ihm einen eifrigen Republikaner zu finden. Er wendete Vorstellungen und Bitten an, um Delrieu zu vermögen, diese Partei zu verlassen. Dieser verweigerte es hartnäckig, und suchte ihm zu beweisen, daß man vor Allem das Vaterland gegen auswärtige Feinde zu schützen habe. Jung und lebhaft wie Beide waren, kam es bald zu heftigem Wortwechsel. Der Marquis sagte, daß er die Gesinnungen, die ihn erfüllten, mit der Muttermilch eingesogen habe, und daß er nie für die »Herrschaft des Pöbels« kämpfen werde. Delrieu nannte eine Verbindung mit dem Auslande »Verrath an Frankreich.« In größtem Zorn trennten sich Beide. Ein Brief, welchen Delrieu an Rigaudiere schrieb, und in dem er sagte, daß, wenn sie auch sich nicht über die ergriffene Partei verständigen könnten, sie dennoch Freunde sein wollten, ward von dem Marquis uneröffnet zurückgesendet. Somit waren die Bande der Freundschaft, die sie seit den Knabenjahren an einander geknüpft, für immer zerrissen. – –

Doch zurück zu dem Verlauf jenes Gefechtes.

So wie die Männer aus dem »Boccage« von den sie angreifenden Bataillonskolonnen wieder zurückgedrängt worden waren, ließ Elbée auf der ganzen Linie zum Rückzug blasen. Er suchte dadurch die Republikaner so weit wie möglich von der Stadt fortzulocken. Die List würde vielleicht geglückt sein, aber Canclaux war ein zu vorsichtiger Anführer, als daß er sich so leicht hätte berücken lassen. Er ließ sogleich den Angriff einstellen und zog sich, da Charrette auf der andern Seite des Flusses sein Feuer begann, langsam nach der Stadt zurück. So wie Elbée dies bemerkte, und sich überzeugen konnte, daß sein Vorhaben auf diese Weise nicht gelingen würde, ging er sogleich zu einem neuen und zwar allgemeinern Angriff über. Seine Meinung war, wo möglich mit den Republikanern zugleich in Nantes einzudringen und sich so der Stadt zu bemächtigen. Unter dem Rufe: » Dieu le veut!« und dem Blasen der Kuhhörner, deren die Vendéer sich zu ihren Signalen bedienten, drangen sie mit einer Begeisterung vorwärts, die verdient hätte, mit glänzendem Erfolg gekrönt zu sein. Sie kamen bis in die Vorstädte. Henri de la Roche Jaquelin focht, Mann gegen Mann, an der Spitze des »Boccage.« Das rothe Tuch, das er um das Haupt trug, den blitzenden hochgeschwungenen Säbel des jungen Rolands der Vendée, sah man oft in dem dichtesten Haufen der »Blauen,« und es schien ein Wunder, daß er nicht schon hier den glorreichen Tod fand, der ihn später ereilte. Der Kampf dauerte bis vier Uhr Nachmittags. Jeden Augenblick glaubten die Einwohner von Nantes die Vendéer hereinbrechen zu sehen; Carrier und Lebon zitterten in ihren Schlupfwinkeln. Der tapfere Canclaux hatte indeß Alles vorausgesehen. Seine Gegenanstalten waren von so ausgezeichneter Art gewesen, die Republikaner schlugen sich mit so tapferem Muth, daß die Vendéer, denen überdies die Munition zu mangeln begann, endlich die Vorstädte, deren Straßen mit Verwundeten und Sterbenden bedeckt waren, wieder verlassen mußten.– –

Es war zwei Tage nach diesem Gefecht. Die Guillotine, auf dem Marktplatze von Nantes aufgeschlagen, hatte während dieser Zeit kein Menschenblut getrunken. Heute indessen sollten dem Moloch des Volkswahns neue Opfer gebracht werden. Ein Bataillon umgab im Quarré das Schaffott; der Henker wartete. Die Fenster der umliegenden Häuser waren geschlossen, nur ein Haufen zerlumpten Gesindels trieb sich auf dem Platze umher. In einer der Gruppen desselben ward erzählt, daß drei gefangene Vendéer, und unter diesen der in Nantes wohlbekannte Marquis de la Rigaudiere, hingerichtet werden sollten.

»Schade um den hübschen Jungen!« sagte ein ziemlich anständig gekleideter Mann zu einem zerlumpten Kerl. »Er war ein munterer Vogel, und ich habe manch Billet von ihm zu der kleinen hübschen Mezeray getragen, als sie noch auf unserm Theater war.«

»Hübsch oder nicht, er ist einmal ein Brigand;« versetzte der Andere. »Aber Dir steckt auch noch eine Portion Aristokratie im Leibe, Du bist kein rechter Sansculotte. Warum trägst Du nicht Holzschuhe, sondern Stiefeln, und bindest Dir einen Zopf in's Genick? – ›Rundgeschnittenes Haar, Holzschuhe und eine rothe Mütze, daran erkennt man einen guten Republikaner!‹ hat der Bürger Carrier neulich gesagt, und der muß es wissen.«

»Bah!« rief der Erste. »Man kann auch ein guter Bürger sein, ohne ungekämmte Haare und zerrissene Hosen zu tragen.«

Diese Worte würden, da sie mit einem spöttischen Seitenblick auf die Inexpressibles des Andern begleitet waren, zu Händeln Veranlassung gegeben haben, aber ein Dritter rief plötzlich:

»Still, Poitevin, schweige Gevatter Brutus Sabottier, dort kommen der General und die Volksrepräsentanten.«

»Ja, und die Strickerinnen der Guillotine,« rief der Vorige.

Mit diesen » tricoteuses de la guillotine« hatte es aber folgende Bewandtniß.

Die Gattin des Volksrepräsentanten Lebon war von so gemeiner Herkunft als Sitten. Anfangs ein gewisses vornehmes Wesen affectirend, gelang es ihr doch nicht, einen Umgang mit anständigen Frauen in Nantes zu gewinnen. Beschämt und erbittert hierdurch, suchte sie ihren Verdruß damit zu verdecken, daß sie alten exaltirten Republikanismus zur Schau trug, und sich, gleichsam freiwillig, mit Frauen aus der Hefe des Pöbels umgab. Was sie anfangs aus Affectation that, geschah später aus Neigung, und diese artete dergestalt aus, daß sie nicht nur bei jeder Hinrichtung zugegen war, sondern, um das gräßliche Schauspiel in größter Nähe zu genießen, für sich und einige Freundinnen ein paar Stühle auf dem Schaffot bereit halten ließ, wo diese Megären mit dem Strickstrumpf in der Hand zur Schau saßen. Auch heute hatten diese Weiber bereits ihren Platz eingenommen, eine Masse zerlumpter Kerle sie applaudirt und Lebon sich an der Scene geweidet, als letzterer sich auf eine gewisse feierliche Weise an Canclaux wendete.

»Bürgergeneral,« sagte er, »ich bin mit Deinem heutigen Benehmen zufrieden, und werde dem Nationalkonvent darüber Bericht erstatten. Meiner Gemahlin habe ich Erlaubniß ertheilt, Dich öffentlich mit einem Kusse für Deine Tapferkeit zu belohnen.«

Der General schien indeß diese Belohnung durchaus nicht in Anspruch nehmen zu wollen, er biß sich verdrüßlich auf die Lippen und wandte sich zu Carrier.

»Ich habe, da Ihr es verlangt, ein Bataillon zur Deckung der Hinrichtung gegeben;« sagte er. »Bei alledem erscheint es mir sehr unpolitisch, die Gefangenen zu guillotiniren. Auch Republikaner wurden gefangen, und zwar tüchtige Offiziere. Richtet Ihr die Gefangenen hin, so werden die Vendéer die unsrigen gleichfalls erschießen.«

»Immerhin!« versetzte Carrier. »Desto besser werden sich unsere Leute schlagen, wenn sie wissen, was ihnen in solchem Falle bevorsteht.«

»Jedenfalls werde ich darüber an den Konvent berichten und, bis dieser entschieden hat, ferner keine Hinrichtung der Gefangenen gestatten;« rief Canclaux heftig.

»Nicht gestatten?« fiel Lebon zornig ihm ins Wort. »Du willst den Repräsentanten des souverainen Volks Vorschriften machen? Willst den Cäsar spielen? Wisse, daß ich in diesem Falle Brutus nachahmen und einen Dolch in Deinen Busen stoßen würde.«

Der General lächelte verächtlich.

»Mein guter Lebon,« sagte er, »ich gleiche dem Cäsar nicht mehr, als Du dem Brutus, und eine Versicherung, daß ich leben soll bis Du mich tödtest, hieße mir ein Brevet auf die Unsterblichkeit ausstellen.«

Wahrscheinlich würde es zwischen dem General und den beiden Vertretern der Republik zu einer Scene gekommen sein, wenn man nicht in diesem Augenblick einen der Hinzurichtenden herbeigebracht hätte. Es war dies ein alter Priester mit schneeweißem Haar. Ergebung in den Mienen, bestieg er ruhig das Schaffot. Schon wollte man ihn auf das Bret binden, aber Lebon winkte pathetisch, stieg vom Pferde und eilte auf das Blutgerüst.

»Bürger!« rief er aus. »Die Repräsentanten der einen und untheilbaren Republik glauben den über ihre Gegner erfochtenen Sieg nicht besser feiern zu können, als daß sie drei der Elenden, die in die Hände unserer tapferen Republikaner gefallen sind, hinrichten lassen. Wir haben – Ihr werdet das Sinnige, das darin liegt, zu würdigen wissen – drei Individuen der uns besonders feindlich gegenüberstehenden Stände, einen Priester, einen Bauer und einen Edelmann, dazu ausgewählt. Danken wir der Göttin der Freiheit für den Schutz, den sie der Stadt Nantes gewährt, aber erneuern wir auch unsern Schwur, diese eher in einen Steinhaufen verwandeln, als sie in die Hände jener Ungeheuer von Aristokraten fallen zu lassen. – Was mich anbelangt, so würde ich, wenn die Stadt in Schutt und Trümmern läge, mich, sobald die Feinde heranzögen, auf die rauchenden Ruinen stellen. Den Säbel in der Faust, würde ich mich mit der andern Hand bei den Haaren ergreifen, ich würde mir den Kopf abhauen, und indem ich ihn dem Anführer der anstürmenden Rotte hinreichte, würde ich ausrufen: ›Siehe hier, Tyrann, die Handlung eines freien Mannes!‹«

»Bravo! – Trefflicher Bürger! – Wahrer Sansculotte! – Der Bürger Lebon soll leben!« rief der ganze Schwarm, der das Schafott umgab.

»Sagen Sie, Delrieu, ist der Mensch mehr Schurke oder mehr Dummkopf?« sprach Canclaux achselzuckend zu seinem Adjutanten.

»Unsere Sache muß eine sehr gute sein, wenn sie nicht durch Volksrepräsentanten, die entweder aus Charenton, oder dem Bagno genommen sind, zu Grunde gerichtet werden sollte;« erwiederte dieser schmerzlich.

Der alte Priester war inzwischen auf's Bret gebunden und in die zur Hinrichtung nöthige Lage gebracht worden.

» In manus tuas, Domine –« betete er laut. Das Gebet war nicht vollendet. Das Fallbeil sauste herab. Er hatte zu leben aufgehört.

» Vive la republique!« rief der Henker, indem er das ehrwürdige Haupt bei den weißen Haaren emporhielt.

»Vive la republique!« riefen Carrier, Lebon und das Gesindel, das um das Schaffot umherstand. Die Soldaten schwiegen. –

Ein Bauer, dessen langes Haar und die eigenthümlichen Gesichtszüge den Bretagner kund gaben, ward jetzt auf das Blutgerüst geführt. Ohne eine Miene zu verziehen, ließ er sich auf das Bret binden und niederlegen. Schon wollte der Scharfrichter nach der Schnur greifen, die das Beil an dem Querbalken hielt. Plötzlich winkte Lebon, der eben einen Brief erhalten und ihn rasch durchblickt hatte.

»Bürger von Nantes! Brave Sansculotten:« rief er laut. »Unsere tapfere Soldaten haben an den Ufern des Rheins einen neuen Sieg erfochten. Ich werde Euch die Depesche vorlesen, und auch dieser Brigand soll sie lesen hören und die Nachricht mit in die andere Welt – wenn es eine solche giebt – hinübernehmen.«

»Bürger Vollzieher gesetzlicher Urtheile!« sagte er zu dem Henker. »Lege den Menschen auf den Rücken. Le nez en l'air! Er soll das Nationalrasirmesser über seinem Haupte schweben sehen und mit Verzweiflung im Herzen die Siegesbotschaft anhören.«

Der Bauer, der nicht ein Wort Französisch verstand, wußte nicht was vorging. Er glaubte, daß man sich an seiner Angst weiden wolle. Seine von Natur harten und düstern Züge zogen sich noch mehr zusammen, und er rief mit rauhem trotzigem Tone:

» God called densan Armorique!«
   (»Seht hier einen mannhaften Bretagner.«)

Lebon las einen langen Schlachtbericht. Er beendigte ihn mit dem gewöhnlichen Ausruf. Das Gesindel wiederholte letztern und der Kopf des Vendéers rollte auf das Gerüst.

»Wird die Freiheit uns je das Andenken an solche Scheußlichkeiten vergessen lassen?« sagte Delrieu ganz empört zu seinem General. –

Ein Getümmel, das sich eben erhob, verhinderte diesen zu antworten. Ein Municipalbeamter drängte sich durch die Massen und eilte auf das Schaffot.

»Bürgerpräsentant!« sagte er zu Lebon. »Der cidevant Marquis Rigaudiere ist eben, als er aus dem Gefängniß hergebracht werden sollte, seinen Wächtern entsprungen.«

»Der Maire von Nantes, die Municipalität, die sämmtlichen Einwohner sollen mir mit ihren Köpfen für die Wiedererlangung dieses Brigands haften!« schrie Lebon. »Ich lasse Euch Alle guillotiniren, Ihr verdammten Aristokraten!«

»Lasse sogleich die Wächter, und jeden, der bei der Flucht gegenwärtig gewesen, verhaften, Bürgergeneral!« rief Carrier von dem Gerüste herunter dem General Canclaux zu, der so eben erfahren hatte, was vorgegangen war.

»Ich denke,« erwiederte dieser trocken, »es wird vor der Hand am besten sein, wenn wir den Entsprungenen wieder zu bekommen suchen. – Gehen Sie, Delrieu, lassen Sie die Thore schließen, und fordern sie die Municipalität auf, alle Häuser innerhalb der Stadt durchsuchen zu lassen. Außerdem senden Sie Patrouillen auf die Landstraßen.« –

Das Entkommen Rigaudiere's hatte folgendermaßen stattgefunden.

So wie er vom Schlachtfelde in die Stadt transportirt worden war, ward er sogleich in das öffentliche Gefängniß gebracht. Hier fand er eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft. Priester, die es verweigert hatten, der Republik den Eid zu leisten, ehemalige Edelleute, Bürger, die das Verbrechen begangen Vermögen zu besitzen, Lumpenpack, das beim Glase Wein Carrier und Lebon ein paar Spitzbuben und die Frau des letztern eine Vettel genannt hatte, Alles wirbelte in einem großen Saale durcheinander. Er war, so zu sagen, die Vorrathskammer, aus welcher Carrier und Lebon ihre Liefrungen holten, um die Guillotinen zu Paris, Nantes und Bordeaux damit zu versehen. Als später die Verhafteten so zahlreich wurden, daß das Mordmesser nicht alle bewältigen konnte, fand Carrier ein anderes Mittel aus. Er ließ immer eine Manns- und eine Frauensperson zusammenbinden, und sie so in die Loire werfen. Dies wurde damals eine »republikanische Hochzeit« genannt. Da man dies Auskunftsmittel aber dennoch zu umständlich fand, so versammelte man endlich die Gefangenen auf einem Haufen und ließ sie mit Kartätschen niederschießen. Was etwa noch lebte, ward mit dem Bajonnet getödtet. In der Zeit, in welcher diese Erzählung spielt, hatte das republikanische Genie der beiden Volksrepräsentanten aber noch nicht das Mittel der »Nayaden« und »Mitrailladen« erfunden, und man mußte sich einstweilen noch der umständlichern und langsamern Guillotine bedienen. –

Obwohl Rigaudiere sehr gut wußte, daß der Weg aus dem Gefängniß für ihn nur über die Guillotine gehen würde, so verließ ihn doch die Lebhaftigkeit und der Humor eines jungen Franzosen nicht. Ueberdies war er fast von allen Anwesenden gekannt. Die Royalisten kannten seine Hingebung für die Sache des Königs, die Bürger von Nantes wußten von seinen lustigen Streichen manches zu erzählen, so wie er auch durch seine Freigebigkeit und Freundlichkeit bei den untern Klassen bekannt und beliebt war. Als er nun vollends ein paar in seinen Kleidern verborgene Louisd'or hervorholte, um wie er sagte, seine Aufnahme in so respectable Gesellschaft festlich zu begehen, versicherten die um ihrer Wahrheitsliebe willen eingesperrten Sansculottes: es sei jammerschade, daß der citoyen Rigaudiere ein Marquis und Brigand sei, da er doch so viel natürliche Anlage und die edlen Gefühle eines echten Ohnehosen habe. – So war denn der junge Mann in wenigen Stunden allgemein beliebt geworden.

Unter allen diesen neuen Bekanntschaften aber erblickte Rigaudiere auch eine alte, und diese sollte ihm gerade am nützlichsten werden. Es war dies die noch ziemlich junge und hübsche Frau des Kerkermeisters, welche sich so nebenbei ein Geschäft daraus machte, die Gefangenen für ihr Geld mit allerlei Eßwaaren zu versorgen. Anfangs erschrak der Marquis ein wenig, als er sie erblickte. Sophie war Kammermädchen zu Chateau Rigaudiere bei der Mutter des jungen Mannes gewesen, und damals hatte sie sich nicht stets so fremd und zurückhaltend wie heute gegen den jungen Herrn benommen. Die Frau Marquise, eine sonst ihrer Kammerjungfer sehr wohlgeneigte Herrin, hatte plötzlich Veranlassung gefunden, Sophien des Dienstes zu entlassen, dabei aber diese, welche sich bald darauf verheirathete, mit einer guten Aussteuer bedacht. Entlassung und Aussteuer hatten Schadenfreude und Neid erregt, und diese wieder ein Histörchen erfunden, in welchem der Name Armands de la Rigaudiere nicht ungenannt geblieben war. –

Die paar Tage, in welchen der Marquis sich im Gefängnisse befand, hatte sich die junge Frau von dem Sohne ihrer ehemaligen Gebieterin ziemlich entfernt gehalten, und wenn der Marqnis sie gebeten, ihm Dies oder Jenes zu besorgen, nur Weniges und ohne ihn anzublicken erwiedert.

Eines Morgens kam sie indeß ganz verstört auf ihn zu, und winkte ihm, ihr in ein anstoßendes Zimmer zu folgen.

»Herr Marquis,« flüsterte sie ihm angstvoll und heftig zu, »so eben hat mein Mann die Liste der heute Hinzurichtenden empfangen. Es sind deren drei, und Sie – erschrecken Sie nicht – sind der Letzte derselben.«

»Das Tribunal verfährt rasch mit mir,« versetzte Rigaudiere leicht. – »Eins indeß,« setzte er ernst hinzu, »schmerzt mich. Es ist ein eigenes Fatum, daß Du es gerade sein mußt, die mir den Tod ankündigt – ich habe Dir etwas abzubitten, Sophie –«

»Schweigen wir davon!« sagte die junge Frau erröthend. »Aber Sie dürfen nicht sterben, Herr Marquis! Nein, Sie dürfen nicht sterben! Ich habe meinen armen Kopf, seitdem Sie hier sind, Tag und Nacht abgequält, um ein Mittel ausfindig zu machen –«

»Vielleicht daß Dein Mann –« hob Rigaudiere an.

»Nein,« fiel ihm die Frau in's Wort, »er haßt die Edelleute, und Sie« – hier schlug sie den Blick zu Boden – »Sie ganz besonders. – Nein, es gibt nur ein Mittel, und Gott weiß ob es gelingt; aber versuchen müssen wir es.«

»Die Gefangenen,« fuhr sie lebhaft nach kurzer Pause fort, in welcher ihre Brust heftig zu arbeiten schien, »werden immer einzeln und in einem verschlossenen Wagen abgeholt. Zwei Municipalgardisten begleiten diesen. Einer bleibt bei dem Kutscher auf dem Bock. Der zweite und mein Mann begleiten den Gefangenen, der ungefesselt ist, zum Wagen. Der Municipalgardist steigt gewöhnlich zuerst ein, nun der Gefangene, und mein Mann verschließt dann den Wagen, der von Innen nicht zu öffnen ist. Darauf ist mein Plan gebaut. Ich begleite Sie, gleichsam aus Neugier, bis zur Hausthüre. Nun steigt der Municipalgardist ein. In diesem Augenblick fassen Sie meinen Mann bei der Brust und stoßen ihn von sich. Ich packe Letztern, als wolle ich ihn in Schutz nehmen, beim Kragen und halte ihn fest. Sie springen indeß um den Wagen herum, in das gegenüberliegende Haus, und durch dessen Hof in den Garten. Am Ende desselben, im Winkel rechts, steht eine kleine Leiter – ich bin vor zwei Minuten dort gewesen – auf dieser steigen Sie über die Mauer und kommen in ein Gäßchen, das wieder in ein zweites und drittes einmündet, und endlich aus dem Thore führt. – Ob Sie nun dort als ein Spaziergänger hinaus zu kommen suchen, ob Sie sich in ein Ihnen bekanntes Haus flüchten sollen – Gott mag es wissen! Es wäre aber mein Tod, wenn Sie ergriffen und hingerichtet würden.«

Armand war beschämt und gerührt von so viel Anhänglichkeit. Mit glühend rothen Wangen, aber niedergeschlagenen Blickes, stand das hübsche junge Weib vor ihm. Ihre Brust arbeitete, sie konnte kaum noch sprechen.

»Und Du, Sophie, Du willst mich retten!« sagte er mit tiefer Rührung. »Bedenke doch –«

»Nichts bedenke ich! Sie müssen leben, Sie müssen gerettet sein! Was ist da noch zu bedenken?« rief die junge Frau. »Aber gehen Sie jetzt in den Salon, daß man nicht aufmerksam auf uns wird.«

Rigaudiere sagte sich nach kurzem Nachdenken, daß das Mittel versucht werden müsse. Ohnehin konnte sein Loos nicht dadurch verschlimmert werden, auch wurde auf diese Weise, das Vorhaben mochte gelingen oder nicht, Niemand in das Unternehmen, das wie vom Augenblick eingegeben schien, verwickelt.

Es verging keine halbe Stunde, als der Kerkermeister erschien und ihm mit sichtlicher Freude andeutete, sich bereit zu halten, da in wenig Minuten der Wagen erscheinen würde, der ihn zur Guillotine abholen werde. Rigaudiere stellte sich sehr erschrocken, er sagte, daß er ein paar Augenblicke allein sein wolle, um ein Gebet zu verrichten. Er benutzte indeß diese Zeit, um mit einem zerlumpten Sansculotten seine Kleider zu vertauschen, indem er ihm sagte, daß, da dieser unfehlbar in Freiheit gesetzt werden würde, er ihm solche lieber als dem Henker gönne. Der Ohnehose war so vergnügt darüber, daß er den »Bürger Rigaudiere« einen » honnête homme« nannte, und ihm den »Bruderkuß« mit auf den Weg zu geben versprach. Damit der Kleiderwechsel indeß nicht auffiel, zog Rigaudiere seinen Mantel über den eingetauschten Anzug.

Kaum war dies geschehen, als der Kerkermeister erschien und ihm ankündigte, daß der Wagen warte. Der junge Mann affectirte einen noch größern Schreck als früher, er nahm, als ob er kein Wort herauszubringen vermögend wäre, mit stummen Winken Abschied von seinen Mitgefangenen, und bat den auf dem Corridor wartenden Municipalgardisten, daß er ihm seinen Arm leihen möge, da er fühle, daß ihm die Füße den Dienst versagten. Der Kerkermeister lächelte spöttisch, als Rigaudiere dessen Frau, gleichsam nur auf ewig Abschied zu nehmen, jedoch mit einem leisen und bedeutsamen Druck, die Hand reichte und war äußerst zufrieden, als diese es mit einem schnippischen: » Bon voyage citoyen!« erwiederte.

Auf die von Sophien angegebene Weise hielt richtig der Wagen – ein Municipalgardist auf dem Bocke – vor der Hausthür. Der andere Wächter, an dessen Arm sich Rigaudiere bis dahin wie ein Todtkranker angehangen, stieg nun in die Chaise und der junge Mann sollte ihm eben folgen. Plötzlich kehrte sich dieser um und versetzte dem Kerkermeister einen so kräftigen Stoß auf die Brust, daß er seine Frau, die hinter ihm stand und die ihn sogleich am Kragen packte, beinahe zu Boden gerissen hätte. Mit Windeseile stürzte der Marquis nun in das gegenüberliegende Haus, und durch den Flur desselben in den Garten, dessen Thüre er hinter sich zuschlug und den Schlüssel in die Sträucher warf. Jetzt riß er sich den Mantel vom Leibe und schleuderte ihn auf eine Staketterie, die den Garten von einem benachbarten trennte. Er sprang sodann durch eine Hecke, nach dem von Sophien bezeichneten Winkel. Hier fand er die angelehnte Leiter, aber wenn solche auch nicht vorhanden gewesen wäre, so würde er, bei seiner besondern Geschicklichkeit im Klettern, dennoch die Mauer mit Leichtigkeit überstiegen haben. In ein paar Augenblicken befand er sich in einem kleinen Gäßchen, das zwischen unansehnlichen Häusern nach dem Thore führte. Langsam ging er in der Straße fort, und hatte jetzt in den zerlumpten Kleidern das Ansehn eines Arbeitsmannes. Der Weg bis zum Thore war ziemlich weit, dennoch hoffte er glücklich hinauszukommen. Schon hatte er es im Auge, da hörte er Pferdegetrappel und erblickte – Delrieu, der längere Zeit mit dem Offizier der Wache sprach: Er wußte nun nicht, sollte er weiter gehen, sollte er umkehren. Daß Delrieu ihn unter jeder Verkleidung erkennen würde, schien ihm gewiß. Würde dieser großmüthig sein und ihn entkommen, würde er ihn verhaften lassen? Schon wollte er es wagen, vorwärts zu gehen, als Delrieu sein Pferd wandte und weiter ritt.

»Jetzt ist es Zeit!« sagte Rigaudiere zu sich selbst, und ging frisch vorwärts, aber – o Gott! – eben ward das Thor geschlossen. –

War seine Flucht bereits bekannt? hatten sich Vendéer blicken lassen? Er wußte es nicht. So viel war gewiß, heute aus Nantes zu entkommen, daran war nicht zu denken. Wohin also? Ein Entschluß mußte gefaßt werden.

»In das erste beste Haus und mich dem Eigenthümer entdeckt! Ich bin ja doch verloren;« sprach der junge Mann verzweiflungsvoll und blickte umher. Er befand sich eben einem kleinen hübschen Hause gegenüber, das in einem Gärtchen lag. Eine junge Dame, ein Mädchen von einigen zwanzig Jahren, saß am Fenster. Ihre Züge erschienen ihm edel, sanft und Wohlwollen ausdrückend.

»Ihr entdecke ich mich! Es ist das einzige Mittel;« sagte er, und ging durch den Garten in das Haus.

Das Mädchen hatte ihn erblickt und ging ihm entgegen.

»Du suchst meinen Vater, den Doctor Dupuis?« sagte sie zu ihm, den Marquis für einen Arbeiter aus dem Weinberge desselben haltend. »Er ist nach Tours gereist und kommt erst nach acht Tagen zurück.«

»Nein, Mademoiselle,« erwiederte Rigaudiere, sie schmerzlich anblickend, »ich suche nicht Ihren Vater. Bei Ihnen suche ich Rettung, ohne Sie bin ich verloren.«

Erschrocken trat das Mädchen einen Schritt zurück.

»Ich bin,« fuhr der Marquis fort, »ein Vendéer, ich sollte eben auf das Blutgerüst geführt werden und bin entsprungen.«

»O mein Gott!« rief das Mädchen entsetzt. »Wie kommen Sie darauf, gerade in dieses Haus sich zu flüchten? Mein Vater ist ein Feind der Royalisten, mein Bräutigam ein Offizier der Republik.«

»Dann freilich,« sagte Rigaudiere bitter, »hätte ich mich nicht in dies Haus flüchten sollen. Es ist kein Haus des Erbarmens und diese Schwelle keine gastliche. – Mademoiselle,« setzte er mit festerer Stimme hinzu, »ich habe dem Tode in blutigen Gefechten ohne zu zittern in's Auge gesehen, aber ermordet zu werden ist bitter. Durch mich sollen Sie indeß nicht in Gefahr gerathen. Ich verzichte auf Ihre Hilfe. Gebe Gott, daß Ihr Vater, Ihr Bräutigam, Sie selbst, nie in den Fall kommen, auf diese Weise eine Zufluchtsstätte aufsuchen zu müssen.«

Mit den letzten Worten kehrte er sich um und wollte eben zur Thüre hinausgehen, als er sich am Arm ergriffen fühlte.

»Wo wollen Sie hin? Sie gehen in Ihr Verderben. So war es nicht gemeint;« rief das Mädchen lebhaft. »O Gott, ich will Sie ja retten, aber lassen Sie mich nur zur Besinnung kommen! Ich will nur ein paar Minuten nachdenken.«

Sie ging ein paar Augenblicke mit gefaltenen Händen heftig im Zimmer auf und ab.

»Unser Bedienter? – Ein Arbeiter aus dem Weinberge?« sagte sie, doch mehr wie vor sich hin; indem sie auf den Marquis blickte. »Nein; das geht nicht! Ihre Hände – Ihr Gesicht – Sie sehen nicht wie ein Arbeiter aus. – Ich hab's!« rief sie nach einer Weile lebhaft aus. »Sie sind ein Kranker, ein Pensionair meines Vaters, der in unserm Hause in der Kur ist. – Geschwind dort hinein! Dort in's Kabinet meines Vaters; Ziehen Sie Ihre Kleider aus, legen Sie sich in's Bett. Ich hole dann Ihre Kleidungsstücke und werfe sie in den Brunnen im Garten. Andere aus dem Schranke meines Vaters lege ich auf den Stuhl. Sie setzen eine Nachtmütze auf und binden ein Tuch um den Kopf. Ja, so geht's! So muß es gehen! Ehe mein Vater von der Reise zurückkehrt, schaffe ich Sie auf die eine oder die andere Weise aus der Stadt. Auf unsern Bedienten und die Köchin kann ich rechnen. Sie mögen überdies bei diesen für einen Verwandten unseres Hauses gelten.«

»Engel des Himmels, wie soll ich Ihnen danken!« rief der Marquis entzückt, indem er beide Hände des Mädchens ergriff und sie wiederholt an seine Lippen drückte

»Fort! – Fort!« rief diese, indem sie den jungen Mann ist's Kabinet schob. »Jetzt ist es nicht Zeit, schöne Reden zu halten. Machen Sie, daß Sie in's Bett kommen, dann rufen Sie, daß ich die Kleider holen kann.«

Nach einigen Minuten war dies geschehen. Adele Dupuis – so hieß das junge Mädchen – brachte einige Kleidungsstücke ihres Vaters, die sie neben das Bett auf einen Stuhl legte, machte aus denen des Marquis ein Packet, und eilte dann das letztere in den Brunnen zu werfen. Sie nahm dann die beiden Dienstboten bei Seite, sagte diesen was sie zu antworten hätten, wenn Nachfrage wäre, und eilte wieder zu Rigaudiere. Die Munterkeit einer jungen Französin verläugnete sich auch nicht in der ängstlichen Situation, in der sie sich befand, als sie den Marquis bereits mit der von einem breiten Bande umgebenen, Nachtmütze des Doctors geschmückt im Bette liegen sah. Sie lachte recht aus Herzensgrunde.

»Sie stellen einen recht respectablen Kranken vor;« rief sie munter. »Was mein Vater wohl sagen würde, wenn er plötzlich hereinträte, und Sie so ganz gemüthlich in seinem Bette liegen sähe! – Er würde mich tüchtig ausschelten – dafür stehe ich – daß ich einen Vendéer aufgenommen hätte, aber fortjagen würde er Sie nicht, und an eine Auslieferung wäre schon gar nicht zu denken. – Aber,« setzte sie aufhorchend hinzu, »was ist denn für ein Spektakel auf der Straße?«

»Mademoiselle,« sprach die eben in's Zimmer stürzende Köchin, »es wird eine Hausvisitation gehalten. Ein Brigadier von der Municipalgarde und einige Soldaten gingen eben in das Haus unsers Nachbars.«

Adele erschrack ein wenig.

»Du weißt was Du zu sagen hast, wenn sie etwa auch bei uns nachsuchten. – Oeffne übrigens augenblicklich, wenn sie kommen.«

Sie eilte nun in das Wohnzimmer, setzte sich mit einer weiblichen Handarbeit an's Fenster und warf dann und wann einen Blick auf das Nachbarhaus. Endlich öffnete sich die Thüre desselben. Municipalgarden und ein paar Soldaten traten heraus, außerdem aber auch ein zerlumpter Kerl, dessen Gesicht von genossenem Weine glühte. Sie erkannte in letzterem einen versoffenen Schneider, der für einen der exaltirtesten Jakobiner galt.

»Ich sage Euch, Bürger,« schrie der Kerl beim Heraustreten, »ist der Brigand nicht in diesem Hause, so ist er in jenem des Doctor Dupuis, denn in diese Straße muß er geflohen sein, und in keinem der andern Häuser hätte man ihn aufgenommen, denn sie gehören sämmtlich Mitgliedern unsers Klubs.«

Der ganze Schwarm näherte sich nun dem Hause. Adele öffnete die Stubenthüre und die Ankommenden traten ein.

»Was steht zu Euren Diensten, Bürger?« fragte sie den Municipalgardisten. – »Aber,« setzte sie schnell hinzu, indem sie sich wie überrascht an den Lumpenkerl wendete, »bist Du nicht der würdige Präsident des Klubs der Patrioten? Eine große Ehre für unser Haus.«

»Nur Vicepräsident!« erwiederte der Schneider, indem er das Haupt stolz emporrichtete. »Du bist, wie es scheint, ein angenehmes und verständiges junges Frauenzimmer, und es würde mir deshalb leid thun, wenn Du Deinen hübschen Hals unter das Nationalrasirmesser legen müßtest. Dies würde indeß gewiß geschehen, wenn Du einen entsprungenen Brigand aufgenommen und versteckt hättest. Da Du es indeß dennoch aus unzeitigem Mitleid und weiblicher Schwäche gethan haben könntest, so will ich Dir Gelegenheit geben, diesen Fehltritt wieder gut zu machen, und ich sage Dir daher: ich Decius Brutus Sabottier, Vicepräsident des Patriotenklubs, verbürge Dir vollkommene Verzeihung, wenn Du uns den gedachten Räuber sogleich überlieferst!«

»Wie? Tugendhafter und verständiger Bürger und Vicepräsident, Du trauest mir zu, daß ich wissentlich einen Vendéer, der sich dem Racheschwert der Republik entziehen wollte, aufgenommen haben könnte?« rief Adele mit dem Tone einer Beleidigten.

»In diesem Hause muß er sein, da wir ihn dort drüben nicht gefunden, er mag nun mit oder ohne Dein Vorwissen aufgenommen worden sein;« rief Decius Sabottier hartnäckig.

»Es bleibt nichts übrig, als das Haus zu durchsuchen,« sprach kurz der Municipalgardist.

»Die Folgen, Bürgerin, kommen auf Dein Haupt, wenn wir ihn finden;« sagte der Schneider. »Wer bewohnt außer Dir dieses Haus?«

»Mein Vater – welcher aber verreist ist – zwei Domestiken und ein Kranker, den mein Vater in der Kur hat;« erwiederte Adele ruhig.

»Rufe uns diese Leute her, dann werden wir das Haus durchsuchen;« sagte der Municipalgardist. Köchin und Bedienter erschienen.

»Diese Leute kenne ich. Ich habe sie oft gesehen. Wo ist Dein Kranker?« fuhr der Vorige fort.

»Dort im Kabinet, Bürger. – Ich bitte Dich indeß, quäle ihn nicht mit vielen Fragen. Er leidet an den Folgen einer Lungenentzündung.«

Der Schneider, so wie der Municipalgardist, gingen mit Adele in das Kabinet. Der Marquis hatte die Nachtmütze bis zu den Augen heruntergerückt, er sah indeß nichts weniger als wie ein Lungenkranker aus.

»Du bist ein Pensionär des Doctor Dupuis?« fragte der Municipalgardist. »Wie lange bist Du in Nantes?«

»Seit acht Tagen;« stöhnte der Marquis.

»Hast Du Dich auf der Municipalität gemeldet?«

»Ich war zu krank dazu.«

»Du heißest?«

»Beaufremont, aus Angers.«

»Beaufremont?« schrie der Schneider. »Das klingt verteufelt aristokratisch. Und aus Angers? Dort giebt es so viel verdammte Aristokraten als Maikäfer im Frühling. Du siehst mir überhaupt gar nicht besonders krank aus, und bist Du nicht der entsprungene Brigand, den wir suchen, so magst Du wohl ein aus Angers entflohener Adlicher, oder ein eidscheuer Priester sein.«

»Der Sache wollen wir bald auf den Grund kommen;« versetzte der Municipalgardist. – Er zog seine Brieftafel hervor. – »Signalement des cidevant Marquis Rigaudiere,« murmelte er. »Blondes Haar – Schiebe Deine Nachtmütze ein wenig in die Höhe! – Das träfe ein. – Blaue Augen. – Nase, mittelmäßig. – Mund, klein. – Kinn, rund. – Bart, schwach. – Hm, Bürger Vicepräsident, das Signalement scheint zu stimmen –«

»Was?« rief Adele lachend. »Ihr glaubt, dieser arme Kranke sei der Brigand, den Ihr sucht? – Nun bei Gott, Bürger, Ihr seid gewiß treffliche Patrioten, aber das Gras habt Ihr nicht wachsen hören.«

»Ich werde,« sagte der Municipalgardist, ohne sich irren zu lassen, »nach jemand senden, dem der Entflohene persönlich bekannt ist.«

»Richtig!« rief der Schneider. »Der Schließer des Gefängnisses würde gleich sagen können –«

»Was geht hier vor? – Was sucht Ihr, Bürger?« rief plötzlich eine laute Stimme außerhalb des Kabinets.

»Ah, der Bürger Delrieu!« sagte Adele lebhaft und eilte nach der Thüre. – »Denke Dir, Delrieu,« fuhr sie lachend fort, »hier dieser brave Mann, so wie der sonst so scharfsinnige Präsident unseres Patriotenklubs, glauben in unserm Kranken den entsprungenen Brigand, den sie suchen, gefunden zu haben. Du kennst hier diesen armen Mann, unsern Verwandten aus Angers, den guten Philipp Beaufremont, und kannst die beste Auskunft geben.«

»Ah, dann ist es etwas Anderes!« sagte der Municipalgardist. »Wenn der Bürger Adjutant den Mann kennt, so bin ich zufrieden gestellt. – Tritt näher, Kapitain! – Kennst Du den Kranken?«

Delrieu wußte nicht wie ihm geschah, als er näher trat und – Rigaudiere erblickte. – Er sah ihn starr an, während dem Letztern jeder Blutstropfen aus den Wangen entwich, und er nun wirklich das Ansehn eines Todtkranken bekam. Es entstand eine für Rigaudiere entsetzliche Pause.

»Allerdings,« sprach Delrieu nach einer Weile ruhig, »kenne ich diesen Mann. Ich war mit dem Bürger in meiner Jugendzeit innig befreundet, wir studirten in demselben Kollege, und wiewohl wir auf längere Zeit getrennt lebten, würde ich ihn unter Tausenden auf den ersten Blick erkennen.«

»Dann habe ich nichts hinsichts der Identität dieses Bürgers und Deiner Angabe einzuwenden;« sagte der Municipalgardist zu Adele, indem er seine Brieftasche wieder in den Busen schob.

»Und ich auch nicht!« setzte der Schneider hinzu, sich auf den Schuhspitzen einige Zoll erhebend und ein gravitätisches Ansehn annehmend. »Ich bin zwar im allgemeinen etwas mißtrauisch gegen die Epaulettenträger und Säbelschlepper, aber ich habe den Bürger Delrieu vor ein paar Tagen im Gefecht gegen die Brigands sich zu meiner Zufriedenheit benehmen sehen, auch ist sein Name im Klub der Patrioten mit Anerkennung erwähnt worden, und so will ich seiner Angabe Glauben schenken.«

»Habe nun die Güte, Bürgerin, uns durch die übrigen Räume dieses Hauses zu führen, denn unsere Pflicht heischt, sie zu durchsuchen;« sprach der Municipalgardist zu Adelen.

»Mit Vergnügen!« versetzte sie. – »Bürger Delrieu,« sprach sie, zu dem Adjutanten gewendet, der das Mädchen scharf und in sichtlicher innerer Gemüthsbewegung ansah. »Du hast wohl die Güte, hier bei Deinem Freunde zu verweilen, bis ich zurückkehre.«

»Ich bedauere, durch den Dienst verhindert zu sein;« erwiederte er mit bebender Stimme. »Ich kann nicht eine Minute länger in diesem Hause verweilen, das ich auch nur betrat, weil durch eine Schildwache am Eingange meine Aufmerksamkeit erregt worden war.«

»Dann sehe ich Dich doch heute noch? Ich habe Dir etwas mitzutheilen;« sprach das Mädchen dringend.

»Ich bitte Dich um Entschuldigung, wenn ich auf längere Zeit durch meine Pflicht daran verhindert bin;« versetzte er frostig, und ging nach einer kalten Verbeugung zur Thüre hinaus.

Adele verblich. Sie biß sich auf die Lippen, und ging sodann mit dem Municipalgardisten und dem Sansculotten aus dem Zimmer.

Es verging mehr als eine Viertelstunde, während welcher Rigaudiere freier aufzuathmen begann, endlich trat Adele wieder in's Kabinet, und warf sich wie erschöpft auf einen Stuhl.

»Sie sind fort?« flüsterte Rigaudiere.

Adele nickte bejahend.

»O Gott im Himmel!« rief der Marquis. »Der großmüthige Delrieu! Er hat mich erkannt; es ist nicht anders möglich. – Wir waren früher eng befreundet. Die politischen Verhältnisse zerstörten dies schöne Verhältniß. Wir entfernten uns von einander. Fast wurden wir Feinde. Dennoch hat er mich gerettet. – Sie sehen in mir den Marquis Rigaudiere. Vielleicht hat Delrieu meiner auch gegen Sie erwähnt. – Nie, Mademoiselle, niemals werde ich vergessen, was Sie und Delrieu für mich gethan haben! Aber, mein Gott,« fuhr er nach einem Augenblick, in großer Bestürzung, fort, als Adele sich das Gesicht mit beiden Händen bedeckte und laut zu schluchzen anhob, »was ist das? – Sie weinen? – Sollte Sie Ihre edle Handlung reuen? – Sollten Sie vielleicht fürchten –«

»Nichts fürchte ich;« unterbrach ihn das Mädchen. »Es reuet mich auch nicht so gehandelt zu haben, wie ich gethan, aber – mein ganzes Erdenglück ist zerstört.«

Rigaudiere erschrack, er drang heftig in Adelen sich zu erklären, lange verweigerte sie es.

»Wohlan denn, « sagte sie endlich, »mögen Sie Alles wissen. Delrieu ist mein Verlobter.« –

»O mein Gott!« rief der Marquis erschrocken. »Aber dennoch –«

»Delrieu ist ein eifriger Republikaner, und wenn er Sie auch schonte, und Sie niemals ausliefern würde, so haßt er Sie doch, wie er sie früher geliebt. Ihr Ruf – Sie werden dies zugeben müssen, Herr Marquis – ist in Nantes nicht ohne Tadel geblieben. Delrieu ist nicht ohne die kleine Schwäche der Eifersucht. Sie haben unter allen übrigen gerade das Haus seiner Braut zum Zufluchtsort erwählt. Dies deutet auf frühere Bekanntschaft. Bedenken Sie nun noch die Situation, in der er Sie gefunden, die Art, mit der ich ihn mit seiner Pflicht in Conflict gebracht, indem ich ihn zu einer falschen Angabe veranlaßte, die Gefahr, in die er gerathen könnte, wenn Ihr Aufenthalt am Ende dennoch entdeckt würde.« –

»Sie haben Recht, Mademoiselle;« versetzte Rigaudiere nach einer Pause, in welcher er tief nachzudenken schien. »Ihr ganzes Lebensglück kann durch mich zerstört werden. Dies darf nicht sein. Als Edelmann und Mann von Ehre kann ich ein solches Opfer nicht annehmen. – Ich werde mich ankleiden, werde unbemerkt aus dem Hause zu schlüpfen suchen und mich dem Tribunal selber überliefern. – An Delrieu lasse ich ein paar Zeilen zurück, die ihn über den ganzen Vorgang aufklären, und die Sie ihm sogleich zustellen lassen, damit ich solche, wenn er es wünscht, noch mündlich wiederholen kann.«

»Nein, mein Herr!« rief Adele heftig, als der junge Mann geendigt hatte. »Habe ich Sie auch auf Kosten meines Glücks gerettet, so soll doch diese Rettung vollständig sein. Ehe Sie nicht in Sicherheit Nantes verlassen haben, erfährt Delrieu kein Wort.«

Obwohl Rigaudiere das Opfer – das ihm Adele auf Kosten ihrer Zukunft zu bringen bereit war – durchaus nicht annehmen, sondern sich lieber den Wüthrichen Carrier und Lebon ausliefern wollte, so bestand sie dennoch darauf, daß dies nicht geschehe. Alles was sie zugab war, daß er an Delrieu schreiben dürfe, um ihm den Zusammenhang dessen, was er gesehen hatte, zu erklären. Am Abende desselben Tages, ehe die Thore von Nantes geschlossen wurden, drang sie in den Marquis, die Kleider ihres Vaters anzulegen, besonders sich seines Hutes und Mantels zu bedienen, und nun an ihrem Arm – wie dies Doctor Dupuis fast täglich zu thun gewohnt war, da er Gesundheits wegen einen kurzen Spaziergang zu machen pflegte – das Thor zu passiren. Lange bestand Rigaudiere darauf, allein und ohne Adelens Begleitung diesen Versuch zu machen, das Mädchen gab es indeß durchaus nicht zu.

Auf jeden einzelnen, sagte sie, würde man aufmerksam sein, während man ihn, wenn er an ihrem Arm erschiene, für den von aller Welt gekannten Arzt, der täglich auf diese Weise und stets zu demselben Thore hinausginge, halten würde. So geschah es denn endlich, und nachdem Rigaudiere einen Brief an Delrieu geschrieben, in welchem er ihm für seine Großmuth dankte und sich über seine Flucht erklärte, verließen sie das Haus. Unter Herzpochen erreichten sie das Thor. Rigaudiere hüllte sich dicht in den Mantel und drückte den Hut in's Gesicht. Schon waren sie vor der Thorwache vorbei; als ein Municipalgardist herantrat.

»Wer bist Du, Bürger?« sagte er, zu Rigaudiere tretend.

»Ei,« rief Adele lachend, »bist Du so neu in Nantes, daß Du den Doctor Dupuis nicht kennst? Den kennt ja sonst jedes Kind.«

»Doctor Dupuis?« versetzte Jener.

»Frage nur dort den Thorwart, der wird Dir sagen, daß wir jeden Abend das Thor passiren, um einen kleinen Spaziergang zu machen. – Guten Abend, Bürger;« setzte sie hinzu, indem sie dem Thorwärter, der aus dem Fenster sah, mit dem Kopfe zunickte.

»Guten Abend, schöne Bürgerin!« erwiederte dieser wie ein alter Bekannter. – »Es ist Adele Dupuis! Es ist da nichts zu bedenken. Die Leute sind brave Patrioten.«

Der Municipalgardist winkte mit der Hand und das Mädchen und der Marquis gingen langsam, nach Spaziergänger Art zum Thore hinaus.

So wie sie auf einem engen Fußpfade, zwischen zwei Breterzäunen, welche Gärten einschlossen, angekommen waren, blieb Adele stehen.

»Diesen Weg verfolgen Sie! Er führt Sie gerade nach dem kleinen Wäldchen, das sie dort sehen, jenseits desselben streifen Patroillen der Ihrigen. Gott möge Sie geleiten!«

Adele sprach diese Worte in Hast, sich nach allen Seiten umblickend.

»Engel, zu meiner Rettung gesendet! Wie soll ich Ihnen danken?« rief der Marquis.

»Kein Wort weiter;« entgegnete das Mädchen. »Ich muß eilen, durch ein anderes Thor in die Stadt zu kommen, ehe dieses geschlossen wird. – Fort! Eilen Sie! Leben Sie wohl!«

Mit den letzten Worten sprang sie davon und der Marquis verfolgte mit schnellen Schritten seinen Weg. –

Als Adele zu Hause kam, war sie nicht wenig überrascht, ihren Vater daheim zu finden. Er hatte seine Geschäfte schneller als er glauben konnte abgemacht, und war seiner Kranken wegen ein paar Tage früher zurückgekehrt. Der Doctor war ein Mann in der Mitte des Lebens und von etwas düstern Zügen. Heute erschien er noch ernster als gewöhnlich.

»Du hast mich heute noch nicht zurück erwartet, Adele?« sagte er. »Nun; ich glaub's wohl! Ich komme eher als ich dachte. Schöne Dinge sind indessen passirt!«

»Wie so, lieber Vater?« erwiederte das Mädchen betroffen.

»Was fragst Du da noch? Ich meine die Sache mit dem Vendéer, oder dem Chouan, dem Rigaudiere.«

Adele erstarrte.

»Wie meinen Sie dies, lieber Vater?« fragte sie ängstlich.

»Ich komme an's Thor! Da ist ein Fragen, ein Examiniren! Jeder Bettler wird besichtigt und ausgefragt. ›Der Rigaudiere ist entsprungen und er soll noch in der Stadt sein! Da werden wohl wieder ein halb Dutzend Köpfe fliegen!‹ heißt es. Wie ich so zuhöre, kommt Delrieu. Der erzählte mir Alles.«

»O mein Gott! So ungroßmüthig wäre er gewesen, und so unvorsichtig obendrein?« sprach das Mädchen entsetzt.

»Warum soll er mir nicht sagen, was er weiß und was sich nicht verbergen läßt?« sagte Dupuis. »Ich war aus dem Wagen gestiegen und ging zu Fuße nach Haus. Delrieu begleitete mich, und nun sprach er ausführlich über Dich und das Verhältniß, wie es bisher zwischen Euch bestanden habe.«

»Das wird sich nun freilich auf eine andere Weise gestalten;« sprach Adele mit bebendem Tone.

»Natürlich!« versetzte der Doctor kalt. »Ich danke indeß Gott, daß es so ist, denn eine so weit aussehende Brautgeschichte ist mir immer fatal gewesen.«

»Es hing indeß das Glück meines Lebens daran;« sagte Adele, und ein paar Thränen rollten über ihre Wangen.

»Alles gut, aber ich hatte die Sache satt! Satt bis an den Hals! – Ich freue mich, daß Delrieu wegen der Bravour, die er gegen die Vendéer gezeigt hat, Bataillonschef geworden ist, und daß er Dich nun heirathen kann. Ich sagte natürlich ja, obwohl es sonderbar von ihm war, daß er auf offener Straße, und indem er mich herbegleitete, um Dich anhielt.«

Adele glaubte kaum ihren Ohren trauen zu dürfen. – Delrieu hatte dem Vater Alles gesagt und dann um ihre Hand angehalten? – Es schien unmöglich, Beides zu vereinigen.

Das Räthsel würde noch länger ungelöst geblieben sein, wenn Delrieu nicht selbst in diesem Augenblicke zur Thüre hereingetreten wäre.

»Da ist er ja!« rief der Doctor. – »Sagen Sie ihr nun selbst, was Sie mir vorhin mitgetheilt haben. Ich muß noch einen Krankenbesuch machen.«

Adele war ganz überwältigt von den verschiedenartigsten Empfindungen. Sie war nicht vermögend zu sprechen. Stumm reichte sie dem Geliebten die Hand.

»Was müssen Sie von mir gedacht haben, mein edler Freund?« sprach sie nach einer Weile mit zitternder Stimme.

»Daß Sie gehandelt haben wie immer: schön und edel;« erwiederte Delrieu, ihr zärtlich die Hand küssend. »Erschrocken war ich freilich ein wenig über das was Sie gethan. Welche Folgen konnten daraus entstehen! – Hoffentlich ist Rigaudiere glücklich zum Thore hinaus?«

»Er ist fort, und wie ich denke bereits in Sicherheit.«

»Gott sei Dank! Mir fällt ein Stein von der Brust;« erwiederte Delrieu. – »Vielleicht hat Ihnen Ihr Vater bereits von meinem Avancement, so wie von meinem Wunsche, der Vollziehung unserer Verbindung, gesagt. Ich beabsichtige dadurch das Recht zu Ihrer Vertheidigung zu erlangen, wenn von der Aufnahme Rigaudiere's dennoch etwas verlautbaren sollte. An die Gattin des Adjutanten des kommandirenden Generals würde man sich vielleicht weniger wagen, als es sonst geschähe; auch würden mir dann mehrere Mittel zu Ihrem Schutze zu Gebote stehen, – Ich hoffe, Sie begleiten mich morgen auf die Mairie?«

Eine stumme Umarmung bezeichnete die Einwilligung.

Am folgenden Tage wurden Charles Delrieu und Adele Dupuis als Gatten in die Register der Municipalität von Nantes eingetragen. Eine kirchliche Trauung war in jener Zeit, und unter der Schreckensherrschaft Carriers und Lebons, nicht gestattet. Erst später, als die Blutmenschen selbst unter dem Beile der Guillotine verblutet hatten, besiegelte die Kirche den Bund der Glücklichen.

Rigaudiere, welcher glücklich zu dem Heere Elbée's entkommen war, focht in den Reihen der Vendéer, bis diese genöthigt waren den fruchtlosen Kampf aufzugeben, dann ging er nach Paris, wo er lange in Zurückgezogenheit lebte.

Als die Zeit den Eifer der Parteien abgekühlt, gelang es Adele, ihren Mann mit dem Jugendfreunde auszusöhnen, und die erneuerte Freundschaft ward durch keinen politischen Zwist mehr unterbrochen. Der Marquis, welcher unter den Bourbons eine ansehnliche Entschädigung für die verlornen Güter erhielt und sich nie verheirathete, setzte in seinem Testamente die Kinder Adelens und Delrieu's zu Erben ein.


Ende.

 


 << zurück