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Drittes Kapitel.

Die Familie Langham sollte am Freitag eintreffen, und während der diesem Tage vorausgehenden Woche wanderte Clay beständig mit einem langen Papierstreifen in der Tasche umher, den er von Zeit zu Zeit in Ecken und Winkeln zu Rate zog, worauf er sich dann und wann aufschrieb, was noch zu thun war. Abends saß er da und starrte das Papier an, drehte es ratlos um und um und fragte Langham, was er wohl gemeint, als er geschrieben habe: »Mit Weimer sprechen,« oder »Messingzeug putzen« oder »S. Q. M.?«

»Worüber sollte ich mit Weimer sprechen?« rief er dann aus, »und welches Messingzeug soll geputzt werden, und was, um Himmels willen, bedeutet denn nur S. Q. M.?«

Im Bungalow wurde eine große Generalprobe abgehalten, um zu sehen, ob alles klappte. Die Dienstboten wurden gedrillt und englisch angeredet, damit sie Bescheid wüßten, wenn die jungen Damen da wären. Das war eine sehr anziehende Thätigkeit, und wäre es den jungen Männer weniger Ernst gewesen, den erwarteten Gästen einen würdigen Empfang zu bereiten, so wären sie sich ohne Zweifel sehr lächerlich vorgekommen. So war es zum Beispiel höchst komisch, wie sich Langham über die Brüstung des Balkons lehnte und, die Stimme seiner Schwester nachahmend, in die Küche schrie: »Bringt mir Kaffee und Brötchen – aber gefälligst heute noch,« während Clay und Mc Williams besorgt unten standen und die Diener zurückschickten, die statt der Pferde, wie ihnen aufgetragen worden war, Kannen mit heißem Wasser gebracht hatten.

»Natürlich ist die Geschichte etwas primitiv,« sagte Clay sodann, »aber die Damen brauchen uns ja nur zu sagen, was sie geändert zu haben wünschen, und dann ist es in einer Stunde in Ordnung.«

»O, meine Schwestern werden schon zufrieden sein,« versicherte ihn Langham. »Sie werden alles fein finden. Es wird ihnen Vorkommen wie eine Landpartie oder ein Picknick, und sie werden den Umständen Rechnung zu tragen wissen.«

Um ihrer Sache sicher zu gehen, und »seine Tragbalken auf die Probe zu stellen«, wie sich Clay ausdrückte, gaben sie ein Diner und später ein Frühstück. Zu jenem erschien der Präsident mit seiner Frau, der Gräfin Manuelata, Madame la Presidenta, und Kapitän Stuart, der früher bei den Gordon-Hochländern gestanden hatte und jetzt die Haustruppen im Regierungsgebäude, die Leibwache des Präsidenten, befehligte. Er war ein Freund Clays und bei allen Anwesenden beliebt, wenn auch die Thatsache, daß er sich in dieser Stellung befand, statt seinem eigenen Vaterlande in dessen Heere zu dienen, manchem nicht gefiel. Einige behaupteten, eine unglückliche Liebe sei der Grund seiner freiwilligen Verbannung, andere wollten wissen, er habe einen Wechsel oder die Rechnungen seiner Compagnie gefälscht, allein Clay und Mc Williams sagten, es gehe niemand etwas an, weshalb er in Olancho sei, und sie gaben dieser Auffassung dadurch Nachdruck, daß sie einen Streit mit einem Manne anfingen, der einen häßlichen Grund für Stuarts Anwesenheit angegeben hatte.

Das Diner verlief sehr befriedigend, und der Präsident nahm eine Einladung des jungen Langham an, nach Ankunft der Familie abermals in der Palmenvilla zu speisen.

»Miß Langham soll ja sehr schön sein,« sagte Madame Alvarez zu Clay. »Vor einigen Jahren, als ich einen Winter in Rom war, wurde dort viel von ihr gesprochen. Sie ist damals auch bei Hofe vorgestellt und viel bewundert worden.«

»Ja, ich glaube, sie gilt für sehr schön,« entgegnete Clay, »ich bin jedoch nur einmal mit ihr zusammengetroffen. Sie hat viele Reisen gemacht und kennt alle interessanten Leute. Sie wird Ihnen ohne Zweifel sehr gefallen.«

»Sie soll mir auch gefallen,« sagte Frau Alvarez. »Unter den eingeborenen Damen hier gibt es nur wenige, die etwas mehr von der Welt gesehen haben, als Paris, wo sie die Zeit in ihren Hotels und bei ihren Schneidern totschlagen, während sich ihre Männer vergnügen, und manchmal habe ich Heimweh und Sehnsucht nach meinen Angehörigen. Als ich vernahm, daß Miß Langham diesen Winter herkommen werde, war ich vor Freude außer mir; Sie dürfen sie aber nicht hier für sich behalten; das wäre gar zu selbstsüchtig. Sie muß einige Zeit zu mir auf Besuch kommen.«

»Ja,« antwortete Clay, »das fürchte ich. Ich mache mir Sorge, daß es den jungen Damen hier etwas einsam vorkommen wird.«

»O nein,« rief Madame Alvarez rasch. »Sie haben es ja so schön hier gemacht, und die Stadt ist überdies in einem halbstündigen Ritt zu erreichen – wenn es nicht regnet,« fügte sie lachend hinzu, »denn dann kann man fast ebenso leicht hinrudern, als reiten.«

»Ich werde die Straße in Stand setzen lassen,« fiel der Präsident hier ein, »und ich wünsche, Mr. Clay, daß Sie in jeder Weise über mich verfügen, denn ich möchte gern alles thun, was in meinen Kräften liegt, um Mr. Langhams Aufenthalt hier so angenehm als möglich zu gestalten, da er so viel für uns thut.«

Das geplante Frühstück wurde später in der Woche gegeben, und dabei waren nur Herren anwesend: reiche Pflanzer und Bankiers von Valencia, Generale, Mitglieder des Kabinetts und die Offiziere des kleinen Kriegsschiffes im Hafen. Der Lufthauch von der Bai drang kühlend durch die offene Thüre, Speisen und Wein versetzten die Gesellschaft in die beste Stimmung, und die unermüdliche Höflichkeit und Gastlichkeit der drei Amerikaner gefiel und schmeichelte den Gästen, denn sie gehörten einem Volke an, das die Annehmlichkeiten des Lebens bedeutend höher schätzt, als dessen Mühen.

Das Gelage dehnte sich bis in die späten Nachmittagsstunden aus, und vom Erfolge des Diners angefeuert, erhob sich Clay ganz unerwartet und dankte seinen Gästen mit der Hand auf dem Herzen für ihr Wohlwollen und die Hilfe, die sie seinem Werke hatten angedeihen lassen.

»Ich habe Ihre Kaffeepflanzungen zertreten, Ihre Bäume und Wälder gefällt, Ihren Schlaf durch meine Maschinen gestört, und Sie haben nicht geklagt,« sprach er in seinem besten Spanisch, »und wir werden Ihnen bald beweisen, daß wir nicht undankbar sind.«

Hierauf ergriff Konsul Weimer das Wort und teilte den Versammelten mit, er habe in seinem jährlichen Bericht, der gerade ans Ministerium des Inneren abgegangen sei, hervorgehoben, wie bereit die Regierung von Olancho gewesen sei, die amerikanische Gesellschaft zu unterstützen. »Und ich hoffe,« schloß er, »Sie gestatten mir, meine Herren, mein Glas zu erheben und auf das Wohl des Präsidenten und der Mitglieder seines Kabinetts zu leeren.«

Die Herren sprangen auf, füllten ihre Gläser und riefen lachend: » Viva el Gobernador!« und als sie, während sie alle standen und sich ins Gesicht sahen, bemerkten, daß nur Freunde anwesend waren, rief einer von ihnen plötzlich: »Auf das Wohl des Präsidenten Alvarez, des Diktators von Olancho!«

Der Ruf wurde von lautem Jubelgeschrei übertönt, die Männer stiegen auf ihre Stühle und schwenkten ihre Servietten über den Köpfen, und diejenigen, welche Säbel trugen, rissen sie aus den Scheiden und schwangen sie, daß sie im hellen Sonnenschein blitzten. Die ruhige, gemütliche Stimmung des Frühstücks verwandelte sich in einen Auftritt der wildesten Aufregung. Clay schob seinen Stuhl am oberen Ende des Tisches mit einem besorgten Blick auf die Diener, die sich in der offenen Thür zusammendrängten, zurück, und Weimer ergriff Langham am Arme und flüsterte: »Hab' ich's nicht gesagt? Ums Himmels willen, wie hat denn die Geschichte eigentlich angefangen?«

Der Tumult beruhigte sich indes ebenso plötzlich, als er ausgebrochen war, und der alte General Rojas, der Vizepräsident, rief: »Was gesagt ist, ist gesagt, aber es darf nicht wiederholt werden.«

Stuart wartete, bis alle übrigen gegangen waren, und dann führte ihn Clay nach dem Ende der Terrasse.

»Wollen Sie so gut sein, mich darüber aufzuklären, was das war?« fragte er. »Wie Champagnerlaune klang es mir nicht.«

»Nein,« antwortete Stuart, »ich dachte, Sie wüßten es: Alvarez will sich, wenn er kann, vor den Frühlingswahlen zum Diktator ausrufen.«

»Und werden Sie ihm helfen?«

»Natürlich,« sagte der Engländer einfach.

»Nun, das ist ganz in der Ordnung,« entgegnete Clay, »aber es kann doch nichts nützen, die Geschichte so von den Dächern in die Welt hinauszubrüllen, und dann sollten Sie mich auch nicht hinein verwickeln.«

Stuart lachte sorglos und schüttelte den Kopf.

»Es wird nicht lange dauern, so werden Sie von selbst drin stecken,« erwiderte er.

Als Clay am Freitag morgen beizeiten erwachte, hörte er, wie die Fensterläden mit einem unangenehmen Klappern gegen die Seiten des Hauses schlugen. Der Wind heulte zwischen den Palmen, und der Regen trommelte auf dem Zinkdache. Nicht sachte und in einem steten Gusse fiel er, sondern mit Unterbrechungen wie das Branden der Wogen auf einem steinigen Strande. Mit demselben ohnmächtigen und widerspenstigen Gefühl der Enttäuschung, das er als Knabe empfunden hatte, wenn er an einem freien Tage aufwachte und fand, daß das Wetter schlecht war, drehte er sich auf seinem Kissen um und versuchte, noch einmal zu schlafen, in der Hoffnung, daß ihm beim Wiedererwachen die Sonne in die Augen scheinen werde, allein der Sturm ließ nur etwas nach, ohne ganz aufzuhören, und der Regen fiel mit trostloser, unerbittlicher Ausdauer weiter. Die Männer kletterten die schmutzige Straße nach der Palmenvilla hinan und betrachteten schweigend das Unheil, das die Nacht unter ihren Pflanzen und Gartenpfaden angerichtet hatte. Bächlein von trübem Wasser furchten Rinnen in den Rasen und kamen unter der Veranda hervor, Pflanzen und Palmen lagen verbogen und geknickt auf der Erde, und ihre breiten Blätter waren beschmutzt und mit Schlamm bedeckt. Nur undeutlich waren der Hafen und die umgebenden Berge durch den warmen Regen zu sehen, und als Langham sagte, man müsse der Sache ihre beste Seite abzugewinnen suchen, antwortete Mc Williams trübselig, er werde gar nicht überrascht sein, wenn sich die Damen weigerten, das Schiff zu verlassen, und verlangten, sofort nach Hause zurückzukehren. »Mir thut es leid,« sagte Clay einfach, »denn mein Wunsch ist, daß es ihnen hier gefallen möge.«

In düsterem Schweigen kehrten die Männer ins Verwaltungsgebäude zurück und beobachteten abwechselnd mit einem Fernglase die Arme des optischen Telegraphen, der drei Meilen entfernt am schmalen Eingang der Bai stand. Trotzdem, daß ihm das Herz schwer war, spielte ein nervöses Lächeln um Clays Lippen, und ein heißes Erröten der Freude stieg ihm in die Wangen, als er daran dachte, wie oft er die großen Arme des Telegraphen, der sich wie ein Schiffsmast am Himmel abzeichnete, betrachtet und ihnen im voraus gedankt hatte, weil er von ihnen die frohe Botschaft erhalten sollte, daß sie nahe sei. Im Hafen unten lagen die Schiffe mit kahlen Rahen und verlassenem Deck, die Landungsbrücken waren vereinsamt, und nur gelegentlich bewegte sich ein kleines Boot über die vom Regen gepeitschte Wasserfläche des Hafens.

Um zwölf Uhr setzte Mc Williams das Fernrohr mit einem Seufzer der Befriedigung ab, trocknete die feucht gewordenen Linsen am Futter seines Rockes und richtete es wieder auf den schlappen Streifen eines bunten Wimpels, der langsam am Flaggenfall des Semaphors in die Höhe kroch. Ein zweiter triefender Wimpel beantwortete das Zeichen an dem vor dem Zollhause stehenden Semaphor, und Mc Williams schob mit einem nervösen Lachen das Glas zusammen.

»Es ist rot,« sagte er, »sie sind da.«

Die Herren hatten ursprünglich beabsichtigt, weißleinene Anzüge anzulegen und den Kommenden in einem Boot mit fliegender Flagge entgegenzufahren, auch hatte sich Mc Williams auf Zureden der beiden andern eine rote Leibbinde und einen Korkhelm kaufen müssen; unter den obwaltenden Umständen begnügten sie sich jedoch damit, naß und schmutzig, wie sie waren, ins Boot zu stolpern. Dann ruderten sie mit dem des Konsuls Weimer, an dessen Flaggenstock die Sterne und Streifen wehten, um die Wette, bis sie den großen Dampfer erreicht hatten. Zahlreiche andere Boote und Jollen stießen von den Landungsbrücken ab, Menschen erschienen unter den triefenden Markisen der am Hafen stehenden Häuser, und die Beamten des Zollhauses und des Gesundheitsamtes stiegen in glänzenden Gummiregenmänteln an Bord.

»Ich sehe sie!« rief Langham, indem er in seiner Erregung aufsprang, so daß das Boot bedenklich ins Schwanken geriet. »Da sind sie! Vorn im Bug! Hope winkt mit dem Taschentuche! Hope, holla, Hope!« schrie er.

Clay erkannte Alice, die zwischen ihrer jüngeren Schwester und ihrem Vater stand, alle drei dem Regen trotzend, und Miß Langham winkte ihrem Bruder mit der Hand zu. Die Männer nahmen die Hüte ab, und als sie an die Seite des Dampfers gelangten, machte Alice auch Clay eine Verbeugung und nickte freundlich. Clay und Mc Williams ließen den Bruder zuerst die Treppe hinansteigen und warteten, um ihn seine Familie allein begrüßen zu lassen.

»Wir haben eine schreckliche Reise gehabt, Mr. Clay,« sagte Miß Langham, wie es denn die Gewohnheit der Menschen ist, mit den letzten Tagen zu beginnen, als ob diese von der größten Wichtigkeit wären, »und als wir an den Bergwerken vorbeikamen, konnten wir nichts von Ihnen entdecken – nur eine nasse Flagge und eine große Zahl sehr freundlicher Arbeiter, die hurra riefen und Dynamitpatronen abfeuerten.«

»Also das ist doch richtig besorgt worden?« fragte Clay mit zufriedenem Nicken, »Das war nur in der Ordnung; es sollte den Königssalut zu Ihrer Begrüßung vorstellen. Kirkland, der Obersteiger beim Stollen A ist, war damit betraut. Daß es aber so regnet, thut mir furchtbar leid – das verdirbt alles.«

»Hoffentlich hat der Regen nicht auch unser Frühstück verdorben,« sagte Mr. Langham. »Wir haben heute morgen noch nichts gegessen, weil wir endlich einmal etwas anderes genießen wollten, als Schiffskost, und der Kapitän hatte uns gesagt, wir würden früher landen.«

»Wir haben ein paar Wagen an der Landungsbrücke und wollen geradeswegs nach der Palmenvilla fahren,« entgegnete der junge Langham. »Zu Wasser wäre der Weg allerdings kürzer, aber wir müßten dann über einen Berg, den die Mädchen heute nicht erklettern könnten. Dort ist das Haus, das wir für dich gebaut haben, Alter, da, wo der Flaggenmast auf der Anhöhe steht, und das ist dein häßlicher Erzladedamm. In dem kleinen Schuppen mit dem Blechdache wohnen wir, und in der Lichtung dort rechts ist der Endpunkt der Eisenbahn, die Mc Williams gebaut hat. Wo steckt denn Mc Williams? Kommen Sie mal her, Mac; ich will Sie mit meinem Vater bekannt machen. Das ist Mc Williams, Vater, von dem ich dir so viel geschrieben habe.«

Das Heranschaffen des Gepäcks und die Verteilung der Gesellschaft in die Boote, die Langham und der Konsul mitgebracht hatten, verursachten etwas Aufenthalt, und als die Gesellschaft die Landungsbrücke erreicht und dort hungrig und naß eine Weile gewartet hatte, mußte sie zu ihrem Leidwesen die Entdeckung machen, daß die von Langham bestellten Wagen an einen falschen Ort gefahren waren. So kam es, daß die Neuangekommenen etwas schweigsam unter dem Schutzdache am Staden auf einer Reihe Baumwollballen saßen, während Clay und Mc Williams nach den Wagen liefen.

»Wenn wir nur das Verdeck zurückschlagen könnten,« sagte der junge Langham verdrießlich, als sie endlich die schmutzigen Straßen hinanfuhren; »es macht so warm, und ihr könnt nichts sehen. Bei diesem Sudelwetter verliert ihr ja freilich nicht viel, aber wenn die Sonne scheint, ist es großartig. Wir hatten uns die Sache so ganz anders ausgedacht. Schade!«

Jetzt saß er mit der Familie allein in einem Wagen, während Clay und Mc Williams nebst der Dienerschaft in zwei anderen vorausfuhren. Allen erschien die Fahrt endlos – den Fremden, wie den Uebrigen, denen daran lag, daß der erste Eindruck günstig sei. Endlich hatten sie die Stadt hinter sich und fuhren die Kalksteinstraße nach der Palmenvilla entlang, wo der Wagen stark schaukelte und manchmal in tiefe, mit Wasser gefüllte Fahrgeleise sank. Wenn sie eine Klappe des Verdecks zurückschlugen, drang der Regen ins Innere, und wenn sie alles geschlossen hielten, wurden sie in der warmen, nach feuchtem Leder und Pferdehaaren riechenden Luft fast gekocht.

»Das ist ja schlimmer als ein türkisches Bad,« sagte Hope mit schwacher Stimme. »Wohnst du denn nirgends, Ted?«

»O, jetzt ist es nicht mehr weit,« antwortete der Bruder betrübt, aber gerade als er sprach, schoß der Wagen plötzlich nach vorn, neigte sich nach einer Seite und blieb dann stehen, und die Insassen hörten das Wasser an den Rädern vorbeirauschen, wie am Buge eines Bootes. Ein nasses schwarzes Gesicht erschien an der Oeffnung des Verdecks und stammelte etwas in spanischer Sprache.

»Er sagt, wir säßen im Schmutze fest,« erklärte Langham, und dabei sah er seine Angehörigen so flehend und kläglich an, während ihm der Schweiß übers Gesicht auf seine feuchten, mit Straßenschmutz bespritzten Kleider lief, daß sich Hope vor Lachen krümmte und sein Vater ihn beruhigend aufs Knie klopfte.

»Schlimmer kann's nicht gut werden,« sagte dieser dabei munter, »folglich muß es besser werden, und es ist ja nicht deine Schuld, Ted, daß wir hier im Schlamme stecken und verhungern.«

Als Langham aus dem Wagen blickte, sah er Clay und Mc Williams knietief im strömenden Wasser stehen. Sie stemmten ihre Schultern gegen die schmutzigen Räder, während der Kutscher mit der Peitsche auf die Pferde schlug und an den Zügeln zerrte. Ted sprang aus dem Wagen, um zu helfen, Hope schüttelte die Hand ihrer Schwester ab, die sie zurückhalten wollte, und folgte ihm lachend. Sie watete bis an den Kopf der Pferde und machte dem Kutscher ein Zeichen, die Zügel nachzulassen.

»So behandelt man Pferde nicht,« sagte sie dabei. »Ueberlassen Sie sie mir. – Seid ihr Herren dahinten bereit?« rief sie. Die drei Männer stemmten jeder eine Schulter gegen ein Rad, bissen die Zähne aufeinander und nickten. »Dann also los!« rief Hope zurück. Dabei ergriff sie das große mexikanische Gebiß des Sattelpferdes dicht am Maule, wobei der Druck nicht so schmerzhaft ist, und dann zog sie die Pferde, ihnen abwechselnd zusprechend und kleine Hilfen mit dem Gebiß gebend, aus dem Schlamm, wobei sie ebenso häufig ausglitt als die Pferde selbst. Mit der Unterstützung der Herren gelang es auf diese Weise, den Wagen aus seiner Lage zu befreien und ihn auf den Gipfel der Anhöhe zu bringen. Nun ließ Hope die Zügel los, warf einen betrübten Blick auf ihr Kleid, ihre Hände und dann auf die drei Herren. In ihren schmutzigen Kleidern und mit ihren vom Regen und Schweiß überströmten Gesichtern sahen diese so erbärmlich und mitleiderregend aus, daß das junge Mädchen sich nicht mehr beherrschen konnte und plötzlich einen lustigen Schrei ausstieß. Einen Augenblick starrten die Herren sie verständnislos an, wechselten sodann fragende Blicke unter sich, und als ihnen nun die komische Seite der Lage ins Auge sprang, brachen sie in ein Gelächter aus, das den Wiederhall weckte, sich über den Lärm des Regens und des Windes erhob und den Enttäuschungen und dem Verdruß des Morgens ein Ende machte. Ehe sie die Palmenvilla erreicht hatten, brach die Sonne durch die Wolken und schien in strahlender Helle, so daß die feuchten Blätter erglänzten und die Wasserpfützen rasch aufgesogen wurden.

Clay und Mc Williams ließen die Familie Langham allein und kehrten nach dem Verwaltungsgebäude zurück, wo sie einander wieder und wieder versicherten, daß nach dem, was sie von den verschiedenen Familiengliedern gehört hatten, kein Zweifel darüber aufkommen könne, daß die Ankömmlinge mit dem, was zu ihrem Empfange geschehen war, sehr zufrieden seien. »Sie finden alles wunderschön,« sagte der junge Langham, der heruntergelaufen kam, um seinen Freunden Bericht zu erstatten. »Ich sage euch, sie sind höchst befriedigt. Ich habe sie durchs ganze Haus geführt, und sie wurden gar nicht müde mit ihrem Lobe. Natürlich,« fügte er ganz gelassen hinzu, »habe ich auch erwartet, daß es ihren Beifall finden werde, aber ich dachte doch nicht, daß sie so entzückt sein würden. Meinem Alten gefällt alles so gut, daß er jetzt vergnügt wie ein Schneekönig auf der Veranda sitzt, sich schaukelt und die Seeluft in tiefen Zügen einatmet, gerade, als ob ihm die ganze Küste gehöre.«

An diesem Abend sollte Langham bei seinen Angehörigen speisen, und Clay und Mc Williams hatten versprochen, später auch hinunterzukommen. Es war ein Abend von solcher Wichtigkeit für sie alle, daß die beiden Männer ihr Mahl schweigend verzehrten, jeder in Gedanken darüber versunken, was das Erscheinen der Fremden für ihn zur Folge haben werde.

Als er im Begriffe war, das Zimmer zu verlassen, blieb Mc Williams zögernd in der Thür stehen.

»Ziehen Sie heute abend den Schniepel an?« fragte er.

Diese Absicht habe er allerdings, entgegnete Clay, denn er wünsche einmal wieder das Gefühl zu haben, daß er der zivilisierten Welt angehöre.

»Gut,« antwortete Mc Williams mit einigem Widerstreben, »dann werde ich es für diesmal ebenfalls thun, aber Sie brauchen nicht zu denken, daß ich eine Regel daraus machen werde, denn das fällt mir gar nicht ein. Seit Ihrem Fest zur Eröffnung der Eisenbahn habe ich keinen Frack mehr getragen,« fuhr er fort, als ob er seine Grundsätze in dieser Angelegenheit ein für allemal festlegen wolle, »und das sind sechs Monate her. Vorher habe ich zum letztenmal einen bei Mc Goldericks Beerdigung angehabt. Mc Golderick flog in die Luft, als er in Puerto Truxillo Felsen für die Mole sprengte. Ganz haben wir ihn nicht wiedergefunden, aber was wir von ihm zusammenlesen konnten, erhielt ein so feines Begräbnis, als die Eingeborenen nur jemals eins gesehen hatten. Die Jungen wollten gern, daß es anständig aussehen sollte; deshalb baten sie mich, ihnen meinen Frack zu leihen, allein ich sagte ihnen, den wolle ich selbst anziehen. So kam es, daß ich bei einer Beerdigung einen Frack trug. Es hieß, entweder ich, oder Mc Golderick!«

»Mc Williams,« sagte Clay, als er die Spitze einer seiner Stiefel gegen den Absatz des andern drückte, »wenn ich Ihre Einbildungskraft hätte, würde ich das Eisenbahnbauen aufgeben und Kriegsberichte für die Zeitungen schreiben.«

»Wollen Sie damit etwa andeuten, daß Sie diese Geschichte nicht glauben?« fragte Mc Williams drohend.

»Ja,« antwortete Clay, »das heißt, nein.«

»Nun, lassen wir das,« erwiderte Mc Williams düster, »aber ich muß Ihnen doch sagen, daß es schon aus geringerem Anlaß zu Beerdigungen gekommen ist.« – –

Eine halbe Stunde später erschien Mc Williams in der Thür und sah erst aufmerksam zu, wie Clay vor dem Spiegel seine Binde knüpfte, um sich dann selbst in seinem ungewöhnlichen Aufzuge zu betrachten.

»Kein Wunder, daß Sie für den Frack stimmten,« sagte er in einem Tone, als ob ihm jemand persönlich zu nahe getreten wäre. »Aber das ist doch kein Frack, was Sie da anhaben, das Ding hat ja keine Klappen. Außerdem hoffe ich um Ihretwillen, Clay,« fuhr er fort, wobei seine Stimme den Ton klagender Entrüstung annahm, »daß Sie uns das Läppchen nicht als Weste aufhängen wollen, auch haben Sie nicht einmal einen hohen Kragen an. Das ist doch nur eine rohe Lichtpause von einem Gesellschaftsanzuge. Sie sehen ja so gemütlich aus, als ob Sie wirklich erwarteten, sich ausgezeichnet zu unterhalten – ja, Sie sehen sogar kühl aus.«

»Nun, warum soll ich denn das auch nicht?« fragte Clay lachend.

»Na, dann sehen Sie mich mal an,« rief Mc Williams. »Sehe ich etwa kühl aus? Sehe ich glücklich und gemütlich aus? Nein! Ich sehe ungefähr so aus, wie ich mich fühle, – wie ein Leichenbitter. Aber ich ziehe den Plunder jetzt sofort wieder aus. Sie und Ted Langham können Ihre seidenen Schärpen und Stutzschwanzfräcke tragen, wenn Ihnen das Spaß macht, aber wenn ich den Leuten im weißen Leinenanzug nicht gut genug bin, dann müssen sie sehen, wie sie ohne mich fertig werden.«

Als die Herrn in der Palmenvilla angelangt waren, fragte Clay Miß Langham, ob sie nicht seine Aussicht sehen wolle.

»Und wenn Sie sie gehörig zu würdigen wissen, mache ich sie Ihnen vielleicht zum Geschenk,« sagte er, während er vor ihr die Veranda entlang schritt.

»Sie werden sie doch nicht ganz für sich allein behalten wollen?« erwiderte sie. »Das wäre doch gar zu selbstsüchtig! Könnten wir sie nicht zwischen uns teilen?«

Die andern waren sitzen geblieben und schauten über die Bai hinaus. Mc Williams und der junge Langham saßen auf den breiten Stufen der Veranda, während Hope und ihr Vater es sich auf langen Bambusklappstühlen bequem gemacht hatten.

Clay und Miß Langham waren ganz allein. Von den hohen Klippen, worauf die Palmenvilla stand, konnten sie die schmale Einfahrt sehen, die die Bai mit dem Ozean verband. Der Mondschein warf einen flimmernden Streifen aufs Wasser und umgab die dunkelgrünen Blätter der Palmen mit einem Silbersaume. Gerade unter ihnen lag der Wasserspiegel der Bai, worin sich die roten und grünen Lichter der ankernden Schiffe spiegelten, und hinter diesen schimmerten die Lichter der Stadt und stiegen mit dieser die Anhöhe hinan. Den Hintergrund bildeten die düsteren, geheimnisvollen Berge, in deren großen Thälern weiße Wolken schlummerten, wie Nebelmassen.

Abgesehen von dem unaufhörlichen Summen der Insekten um sie her, war die Nacht vollkommen still – so still, daß das Anschlägen der Schiffsglocken scharf übers Wasser an ihr Ohr schlug, und daß sie von Zeit zu Zeit das Plätschern eines großen Fisches und das taktmäßige Knarren eines Ruders in den Dollen hören konnten, wie es nach und nach schwächer wurde, bis es in der Ferne verhallte. Miß Langham verhielt sich eine Weile schweigend. Mit auf dem Rücken zusammengelegten Händen stand sie da und schaute ins Mondlicht, wobei sie Clays Anwesenheit anscheinend vergessen hatte.

»Nun,« brach dieser endlich das Schweigen, »ich glaube, Sie würdigen sie gebührend. Ich fürchtete, Sie würden in Ausrufe des Entzückens ausbrechen und sagen, sie sei sehr schön oder reizend oder etwas Aehnliches.«

Mit einem leichten Lächeln wandte sich Miß Langham nach ihm um.

»Und doch haben Sie mir einmal gesagt, Sie kennten mich ganz genau,« sagte sie dabei.

Clay hielt es für besser, viel von dem, was er an jenem Abend gesagt, wo er sie zuerst getroffen hatte, zu vergessen. Daß er damals kühn gewesen war und es zu sein gewagt hatte, weil er glaubte, sie nie wiederzusehen, wußte er sehr wohl, aber jetzt, wo er sie monatelang jeden Tag treffen sollte, schien es ihm besser, daß sie sich so kennen lernten, wie sie wirklich waren, einfach und aufrichtig, ohne der Lage in irgend einer Weise Zwang anzuthun.

»Jetzt kenne ich Sie nicht mehr so gut,« antwortete er demnach. »Sie dürfen nicht vergessen, daß ich Sie seit einem Jahre nicht gesehen habe.«

»Ja, aber damals hatten Sie mich seit zweiundzwanzig Jahren nicht gesehen,« entgegnete sie. »Ich glaube nicht, daß Sie sich sehr verändert haben,« fuhr sie fort. »Ich erwartete, Sie vor Sorgen ergraut zu finden. Ted schrieb uns, wie Sie tagsüber in den Bergwerken arbeiten und dann die Nacht hindurch über Berechnungen, Plänen und Berichten sitzen. Aber das sieht man Ihnen nicht an. Wann werden Sie uns in die Bergwerke führen? Morgen? Ich bin sehr begierig, sie zu sehen, aber Vater wird sie wohl zuerst allein besichtigen wollen. Hope weiß, glaube ich, ganz genau Bescheid darin. Sie kennt die Namen, sie weiß, was Sie gefördert haben, und sie weiß auch, was Sie hineingesteckt haben, was Mc Williams' Eisenbahn kostet und wer den Zuschlag für die Ausführung des Erzladedamms erhalten hat. Ted hat uns das in seinen Briefen mitgeteilt, und Hope folgte seinen Berichten immer ganz genau auf den Karten, die in Vaters Arbeitszimmer hängen. Sie glauben nicht, was für eine Thatkraft in dem Kinde steckt; manchmal meine ich, daß ein Junge an ihr verloren sei. Ich wollte, ich könnte jemand eine solche Hilfe sein, wie sie es meinem Vater ist. Wenn ich übler Laune oder niedergeschlagen bin, macht sie sich über mich lustig und ...«

»Warum sind Sie denn jemals niedergeschlagen?« unterbrach sie Clay.

»Einen wirklichen Grund dazu werde ich wohl nicht haben,« antwortete das junge Mädchen lächelnd. »Mein Leben ist so leicht für mich, daß ich Sorgen erfinden muß, und ich würde besser sein, wenn es mir manchmal schlechter erginge. – – In unserer Familie,« fuhr sie sodann mit leiserer Stimme fort, indem sie den Kopf abwandte, »ist keine ältere Frau, an die ich mich mit den Fragen wenden könnte, die mich manchmal beunruhigen, als ich selbst bin. Hope ist, wie ich schon gesagt habe, wie ein Junge und spielt mit Ted. Mein Vater ist durch seine Geschäfte sehr in Anspruch genommen, so daß ich seit dem Tode meiner Mutter viel allein gewesen bin. Das kann ein Mann nicht verstehen, und ich begreife eigentlich nicht, weshalb ich mit Ihnen über mich selbst und meine Sorgen spreche, wenn's nicht darum ist«, fügte sie etwas gedankenvoll hinzu, »daß Sie einmal gesagt haben – wenn es auch schon ein Jahr her ist – Sie interessierten sich für mich, und weil ich wünsche, daß Sie ebenso gut gegen mich sein möchten, als Sie gegen Ted waren, und die Hoffnung hege, wir werden sehr gute Freunde werden.«

Wie sie so vom Mondlicht umflossen dastand und ihm die Hand entgegenstreckte, war sie so schön, daß Clay ein Gefühl hatte, als ob der Augenblick kaum der Wirklichkeit angehören könne. Er ergriff ihre Hand und hielt sie einen Augenblick fest, aber seine Freude über die süße Zuthunlichkeit ihres Wesens war so groß, daß er nicht sprechen konnte.

»Freunde!« antwortete er mit einem unterdrückten Lachen. »Ich glaube, die Gefahr, daß wir keine Freunde werden sollten, ist nicht groß. Die Gefahr liegt mehr darin,« fuhr er lächelnd fort, »daß ich nicht im stande sein werde, da Halt zu machen.«

Nichts verriet, ob Miß Langham ihn verstanden habe, aber sie wandte sich ab, trat ins Mondlicht hinaus und ging die Veranda hinab zu den andern.

Der junge Langham hatte eine Musikbande von Eingeborenen mit Guitarren und Rohrinstrumenten aus der Stadt bestellt, die seinen Angehörigen ein Ständchen bringen sollte, und als Miß Langham und Clay hinzutraten, standen die Leute vor dem Hause im Mondschein. Sie spielten die schrillen, unheimlichen Lieder ihres Landes mit einer Leidenschaft und einer Empfindung, die zu der tropischen Umgebung paßte, aber Clay empfand die Musik nur als Begleitung seiner eigenen Gedanken und als einen Teil der schönen Nacht und des großen, lieblichen Mädchens, das sie beherrscht hatte. Er hielt sich im Schatten und beobachtete sie, wie sie anmutig vorgebeugt dasaß und in die Dunkelheit hinausschaute. Das Mondlicht fiel voll auf sie, und obgleich sie ihn nicht einmal ansah oder den Kopf nach ihm drehte, fühlte er doch, daß sie sich seiner Gegenwart bewußt sein müsse – als ob bereits ein Einverständnis zwischen ihnen bestehe, das sie selbst angebahnt habe. Sie hatte ihn gebeten, ihr Freund zu sein. Vielleicht war das nur eine hübsche Redensart, aber sie hatte auch von sich selbst gesprochen und auf ihre Schwierigkeiten und ihre Einsamkeit angespielt, und er sagte sich, daß, während es nichts besonders Schmeichelhaftes sei, zum Teilnehmer an den Freuden eines andern gemacht zu werden, es etwas zu bedeuten habe, wenn einem gestattet werde, einen Blick in die Sorgen eines Nebenmenschen zu werfen.

Und während sich sein Geist durch dies gegenseitige Vertrauen gehoben und angeregt fühlte, erfreute er sich an der seltenen Art ihrer Schönheit und an dem Gedanken, daß sie ihm – und gerade hier von allen Orten in der Welt – nahe sein sollte. Das erschien Clay als etwas ganz Wunderbares – etwas, was eigentlich nur in einem Roman oder einem Theaterstück Vorkommen könne, denn während der rechte Mann und die rechte Stunde häufig genug Zusammentreffen, war er der Ansicht, daß das einzige Weib auf Erden, der passende Ort und der rechte Mann eine Zusammenstellung sei, die zu den seltensten Glücksfällen zähle. Niemand, so versicherte er sich dankbar, hätte einen schöneren Rahmen für seine Liebesgeschichte – wenn es eine Liebesgeschichte werden sollte – ersinnen können, als der war, in den sie aus eigenem, freiem Willen getreten war. Es war ein Land der Romantik und der Abenteuer, ein Land der Guitarren und der vergitterten Fenster, warmer, strahlender Tage und prächtiger, schweigender Nächte unter purpurnen Himmeln und weißen Sternen. Und er sollte sie ganz allein für sich haben, während niemand in der Nähe war, der ihn stören könnte, – nicht einmal andere Freunde und namentlich kein zu fürchtender Nebenbuhler.

Hier war sie nicht von einem komplizierten Gesellschaftssystem mit all seinen Verantwortlichkeiten umgeben. Er war der glücklichste der Sterblichen! Andere hatten sie nur im Salon oder in der Loge der Oper gesehen: ihm aber sollte es beschieden sein, an ihrer Seite Bergströme zu durchfurten, unter den Bogen der großen Palmen zu reiten oder kühn die Guitarre unter ihrem Fenster zu spielen. Er hatte das Recht, zu jeder Stunde bei ihr aus und ein zu gehen, ja die Art seiner Pflichten brachte es mit sich, daß sie häufig zusammentreffen mußten.

Die Musik der Geigen ergriff ihn und rührte Tiefen in ihm auf, deren Vorhandensein er selbst nicht geahnt hatte. Sie machte ihn demütig und innig dankbar, und er fühlte, wie erbärmlich und eines solchen großen Glückes unwürdig er sei. Niemals hatte er eine Frau so geliebt, wie er – das fühlte er – diese würde lieben können, und wie er hoffte, daß er sie lieben werde. Denn er war durch ihre Schönheit und durch das, was er für ihren Charakter hielt, nicht so geblendet, daß er sich einbildete, sie wirklich zu kennen. Er wußte nur, wie seine Hoffnung sie ihm ausmalte, und wie er glaubte, daß die Seele sein müsse, die aus diesen gütigen, schönen Augen schaute und die mit der wunderbaren Stimme sprach, die ihn durch ein Wort beherrschen und lenken konnte.

Als er die vor ihm sitzende Gruppe betrachtete, empfand er, wie einsam sein eigenes Leben gewesen war, wie schwer er um so geringen Preis gearbeitet hatte – für etwas, was andere Menschen in ihrer Wiege finden, wenn sie geboren werden. Beinahe fühlte er etwas wie Mitleid mit sich selbst, über seine eigene Unvollkommenheit, und seine Willenskraft und sein Selbstvertrauen, worauf er sonst so stolz war, schienen ihm etwas falsch angebracht zu sein. Und dann fragte er sich wieder, ob er nicht die Gelegenheiten versäumt habe, die ihm das Leben geboten hatte, aber dagegen erhob sich seine beleidigte Selbstachtung und verwarf den Gedanken, daß er einen Teil seiner Zeit vergeudet habe. Die Arbeit, die er sich selbst gesetzt – das durfte er sich sagen – hatte er nach besten Kräften ausgeführt, und niemand als er selbst wußte, mit wie viel Mut und Entschlossenheit. So saß er da und rang mit sich selbst, indem er einen Augenblick hoffte, daß sie so sein möge, wie er sie sich wünschte, und im nächsten sich selbst verhöhnte, daß er überhaupt an sie zu denken wagte.

Der Zauber schwand, als die Musik zu spielen aufhörte. Clay kehrte zur Wirklichkeit zurück und schaute sich um, als ob er aus einem Traume erwache und erwartet habe, die Menschengestalten in seiner Nähe und den Rahmen, der sie umgab, im Mondschein verschwinden zu sehen.

Der junge Langham hatte einem der Musikanten die Guitarre abgenommen und drängte sie Mc Williams mit der gebieterischen Aufforderung auf, gewisse Lieder zu singen, die ihnen in ihrer Vereinsamung am liebsten geworden waren, doch Mc Williams sträubte sich in großer Verlegenheit gegen dieses Verlangen.

Er hatte eine Tenorstimme, die er dadurch aufs niederträchtigste mißhandelte, daß er durch die Nase sang. Dabei bevorzugte er gefühlvolle Lieder, worin sich »Herzen« auf »Schmerzen« reimte und wo »mein Herz mir stille steht« immer auf »wenn sie vorübergeht« folgte. Diese Lieder hatte er am Lagerfeuer und in den Kantinen beim Bau einer neuen Eisenbahn aufgelesen, während seine ursprüngliche Sammlung von Liedern in den letzten Jahren nur einen mäßigen Zuwachs erfahren hatte. Anfänglich – und das war ein ganz neuer Zug in ihm – war Mc Williams blöde, bis er seinen Zuhörern das Versprechen abgenommen hatte, zu lachen, wenn sie Lust dazu verspürten, indem er erklärte, das würde ihm weniger peinlich sein, als wenn er denken müsse, sie nähmen ihn ernst.

Sein Lieblingslied begann mit den Worten: »Sein trautes Heim verläßt er nicht,« und das war ganz besonders passend im Munde eines Mannes, der in den letzten zehn Jahren beinahe überall in Amerika gewesen war, nur nicht in seiner Heimat. Mit diesem Liede beschloß Mc Williams immer die Abendunterhaltungen, einerlei, ob er es vorher schon einigemal gesungen hatte oder nicht, und er schien es mit derselben Ehrfurcht zu betrachten, die jedermann für seine Nationalhymne fühlt.

Die Worte des Chors lauteten:

»Sein trautes Heim verläßt er nicht.
Er liebt es nicht, zu wandern,
Mit seinem Kind auf seinem Schoß,
Dünkt herrlich ihm sein einfach Los,
Denn du, mein liebes, süßes Heim,
Du gleichst doch keinem andern.«

Mc Williams liebte Dissonanzen, die sich hübsch auflösten, und mit einer solchen sang er namentlich das Wort »Los«, das er ganz besonders gern hatte. Darauf pflegte er sehr lange zu verweilen, damit, wie er erklärte, auch die ganz im Hintergrunde stehenden Leute Zeit hätten, seine Schönheit zu erfassen. Außerdem legte er dadurch einen großen Nachdruck auf das Wort »Denn« am Anfang des vorletzten Verses, daß er es nicht sang, sondern sprach, worauf dann eine Pause folgte, ehe er die herrliche Wahrheit verkündete: »Du, mein liebes, süßes Heim, du gleichst doch keinem andern.«

Zuerst hatten sich die Bergwerksarbeiter über ihn und sein Lied lustig gemacht, allein sie merkten bald, daß er es mit eigenen Empfindungen betrachtete, und von da an ließen sie es ihn in Frieden singen.

Zur unverhohlenen Belustigung des jungen Langham und seiner Schwester Hope trug Mc Williams heute abend seine sämtlichen Lieder vor. Als er fertig war, fragte er das junge Mädchen, ob ihr ein gewisses komisches Lied bekannt sei, von dem er nur vom Hörensagen wußte. Einer der Arbeiter hatte eine gewisse Berühmtheit dadurch erlangt, daß er behauptete, es in den Vereinigten Staaten gehört zu haben, aber da er nur neue Worte zur alten Melodie »In des Waldes kühlem Schatten« gab, wurde die Wahrhaftigkeit seiner Behauptung bezweifelt. Hope erklärte, das fragliche Lied zu kennen, und die ganze Gesellschaft begab sich in den Salon, wo sich die drei Männer um das Klavier stellten und zuhörten. Es war eine Nacht, die nicht so bald zu vergessen war. Hope saß lachend und sich sträubend am Flügel, sang aber doch die Lieder, deren ihre Angehörigen schon lange müde waren, die aber die drei Männer mit großen Augen anhörten und mit lauten Zurufen der Freude begrüßten. Den andern machte dieses Entzücken Vergnügen, als ob sie Leute im Theater vor sich hätten, die sich in übertriebener Weise für die gehabte Unterhaltung bedanken, bis den Neuangekommenen klar wurde, wie arm das Leben der drei Männer gewesen sein mußte, und daß sie sich nicht über die Musik an sich freuten, sondern weil es für sie ein Stück von dem war, was sie hinter sich gelassen hatten. Wenn man hörte, wie sie sich rühmten, ein gewisses Gedicht in einer gewissen Zeitung gelesen zu haben, oder daß sie die Fabel einer neuen komischen Oper und die Namen der Künstler, die darin aufgetreten waren, kennten, und daß ein Stück in New York beifällig ausgenommen oder durchgefallen sei, so fühlte man sich unwillkürlich tief ergriffen.

»Du meine Güte!« rief Hope, indem sie einen verzweifelnden Blick über ihre Schulter auf ihre Schwester und ihren Vater warf. »Sie kennen noch nicht einmal ›Tommy Atkins‹!«

Für den ganzen Kreis war es ein sehr glücklicher Abend, der eine lange Reihe ähnlicher Abende verhieß. Der junge Langham strahlte vor Vergnügen über das gute Zeugnis, das ihm Clay bei seinem Vater ausgestellt, und Mr. Langham war befriedigt und stolz über die Art, wie sich sein Sohn und Erbe benommen hatte. Mc Williams aber, der noch niemals von Leuten, die einer Klasse angehörten, die er bis dahin immer mit einer Art von komischer Ehrfurcht betrachtet hatte, als gleichberechtigt behandelt worden war, empfand einen plötzlichen Zuwachs an Würde, zugleich aber das peinliche Gefühl, man mache sich über ihn lustig, wenn irgend eine seiner Aeußerungen Heiterkeit erregte. In seinem rauhen, gutherzigen Wesen lag nicht eine Spur von falschem Stolze, aber doch mußte er unwillkürlich denken, wie erstaunt seine Angehörigen sein würden, wenn sie ihn, den sie gewissermaßen als den verlorenen Sohn der Familie betrachteten und gerade darum am meisten liebten, hätten sehen können, wie er sich über den Flügel beugte, auf den eine Tochter seines hochverehrten Präsidenten zu seinem – Mc Williams' – besondern Vergnügen komische Lieder spielte, während die andere, die den Zeitungen zufolge täglich mindestens einem Fürsten einen Korb gab und die das wunderbarste Geschöpf war, das er je erblickt hatte, ihm den Kaffee einschenkte und die Tasse eigenhändig brachte.

Schließlich ging auch dieser Abend zu Ende, und die Neuangekommenen geleiteten ihre Besucher bis auf die Veranda, als diese aufbrachen, um für die Nacht in ihre Hütte zurückzukehren. Clay fragte Mr. Langham, wann er die Bergwerke zu besuchen wünsche, und die andern sagten sich lachend gute Nacht, als der junge Langham sie alle überraschte, indem er die Veranda hinabrannte und ihnen zurief, ihm zu folgen.

»Seht einmal!« rief er, nach der Einfahrt der Bucht weisend, »da kommt entweder ein Kriegsschiff oder eine Jacht. Sieht sie nicht flott aus? Was kann sie hier bei nachtschlafender Zeit wollen? Können Sie sehen, was es ist. Mc Williams?«

Ein langes, weißes Schiff dampfte langsam in die Einfahrt hinein und fuhr nur wenige hundert Schritte von den Klippen vorbei, auf denen die Zuschauer standen.

»Das ist ja die ›Vesta‹!« rief Hope erstaunt. »Ich dachte, sie käme erst in einer Woche.«

»Die ›Vesta‹ kann es nicht sein,« antwortete ihre ältere Schwester; »die wollte ja Havanna erst heute verlassen.«

»Wovon sprecht ihr denn?« fragte der junge Langham. »Ist das Kings Boot? Erwartet ihr ihn hier? Das ist ja famos! Hören Sie mal, Clay; hier ist die ›Vesta‹, Reggie Kings Jacht! Das gibt einen Hauptjux! Jetzt können wir überall hinkommen, und er kann uns, wenn wir wollen, am Eingang zu den Bergwerken ans Land setzen.«

»Ist das der Mister King, den ich damals bei dem Diner traf?« fragte Clay Miß Langham.

»Ja,« antwortete sie. »Er wollte uns mit seiner Jacht hierher bringen, aber wir glaubten, das Dampfboot würde rascher sein, deshalb segelte er allein. Er wollte Havanna besuchen, allein er scheint seine Absicht geändert zu haben. Sieht das Boot nicht aus wie ein Gespensterschiff?«

Der junge Langham meinte, er könne King unter den weißen Gestalten auf dem Verdeck erkennen, warf seinen Hut in die Luft und ließ einen Ruf ertönen, worauf ein Mann im Heck des Schiffes mit der Hand winkte.

»Das muß Mr. King sein,« bemerkte Hope. »Er hat keine Gäste an Bord und scheint der einzige Herr auf dem Quarterdeck zu sein.«

Die kleine Gruppe beobachtete, wie die Jacht mit großem Gerassel und einem erheblichen Aufwand von Kommandoworten, die deutlich übers Wasser zu ihnen drangen, vor Anker ging, worauf sich die Gesellschaft trennte und die drei Männer den Berg hinunter stiegen. Langham wurde nicht müde, zu versichern, King sei ein famoser Kerl, und daß er gewiß die neuesten Zeitungen mitbringen und ihnen zu Ehren einen Ball an Bord geben werde.

Als sie das Verwaltungsgebäude erreicht hatten, blieben die drei Herren noch eine Weile beisammen stehen und besprachen die großen Ereignisse des Tages, ehe sie sich mit fröhlichem Gute Nacht trennten und ihre Zimmer aufsuchten.

Eine Stunde später stand Clay ohne Rock, mit einer Feder in der Hand, an Mc Williams' Bett und schüttelte ihn an der Schulter.

»Ich schlafe nicht,« sagte Mc Williams, indem er sich aufrichtete. »Was ist denn los? Was haben Sie denn die ganze Zeit getrieben?« fragte er. »Doch nicht noch gearbeitet?«

»Nachdem wir fort waren, sind einige Berichte eingelaufen,« antwortete Clay, »und infolgedessen muß ich Kirkland morgen früh sprechen. Seien Sie so gut, anzuordnen, daß ich um fünf Uhr dreißig mit einer Maschine hinunterfahren kann, nicht wahr? Es thut mir leid, daß ich Sie habe wecken müssen, aber ich habe vergessen, in welchem Schuppen der Lokomotivführer wohnt.«

Mc Williams sprang eilig aus dem Bett und begann nach seinen Stiefeln zu suchen.

»O, das hat nichts zu sagen,« entgegnete er. »Ich habe noch nicht geschlafen; ich war« – er dämpfte seine Stimme, damit ihn Langham durch die leinene Trennungswand nicht verstehen könne – »ich lag wach, spielte mit dem Präsidenten vierhändig und nahm mit meiner neuen Jacht an der Regatta um den internationalen Pokal teil; das ist alles.«

Bei diesen Worten knöpfte Mc Williams seinen Regenmantel über sein Unterzeug und fuhr mit bloßen Füßen in seine Stiefel.

»O, ich sage Ihnen, Clay,« fuhr er mit einem lustigen Kichern fort, »wir kommen mit der feinsten Gesellschaft auf du und du. Ach, es ist doch ein wohlthuender Gedanke, daß wir uns endlich in unseren eigenen Kreisen bewegen.«

Damit strich er ein Schwefelholz an und entzündete den Docht einer verräucherten Laterne. »Aber jetzt,« fuhr er munter fort, »wo meine Zeit zu wertvoll ist, als daß ich sie verschlafen dürfte, will ich hingehen und diesen Nigger von einem Lokomotivführer aufrütteln und seine Weckeruhr auf fünf Uhr dreißig stellen. Fünf Uhr dreißig, sagten Sie doch, glaube ich? Schön, gute Nacht!«

Lustig pfeifend verschwand Mc Williams, als er in der Dunkelheit den Berg hinanstieg, wobei seine Beine im Scheine der schwingenden Laterne ein phantastisches Bild boten.

Clay trat auf die Veranda hinaus und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen der Pfeiler. Mc Williams und seine Scherze beunruhigten ihn. Vielleicht hatte er recht damit, so abgeschmackt sie auch erschienen. Sie waren in der That nur Angestellte Mr. Langhams, zwei von den Tausenden von jungen Leuten, die in den Vereinigten Staaten in seinem Dienste arbeiteten, um ihn zu bereichern, und für die er nur ein Name, eine Macht war, die eine Gehaltserhöhung oder den Verlust der Stellung bedeuten konnte.

Lachend zuckte Clay die Achseln. Er wußte wohl, daß er doch nicht zu dieser Klasse gehörte. Wenn er etwas leistete, so that er das, weil es seine Selbstachtung von ihm verlangte, aber er arbeitete nicht für Langham oder die Bergwerksgesellschaft Valencia. Und doch wandte er sich beinahe mit einem Gefühl des Aergers gegen die weiße Jacht, die in stolzer Ruhe hundert Schritte von seiner Schwelle lag.

In ihrem Kranze von elektrischen Lichtern sah er sie so deutlich, als ob sie ein von einer Zauberlaterne auf einen weißen Schirm geworfenes Bild wäre. Er konnte ihr weißes Deck erkennen, die Geländer von blankgeputztem Messing, die bequemen Korbstühle, die bunten Kissen, die sauber aufgeschossenen Taue, die schlanken Masten und das Netz des Takelwerkes. Wie leicht es doch manchen Menschen gemacht wurde! Wie ein Märchenprinz auf seinem Zauberteppich war dieser da gekommen. Wenn Alice Langham am nächsten Tage Valencia verließ, so konnte Clay ihr nicht folgen. Er hatte seine Pflichten und seine Verantwortlichkeiten; er mußte thun, was ein anderer Mann ihm befahl.

Dieser Prinz Fortunatus hingegen brauchte nur den Anker zu lichten und sich auf die Verfolgung zu machen in dem Bewußtsein, daß er willkommen sei, wo er sie auch finden würde. Das war das Schlimmste für Clay, denn er wußte, daß Männer nicht von Erdteil zu Erdteil hinter Damen herreisen, wenn sie nicht auf eine freundliche Begrüßung rechnen können. Clay versetzte sich im Geiste in die Tage zurück, wo er ein Knabe gewesen war – wo sein Vater im Felde stand und für eine verlorene Sache focht und seine Mutter in dem kleinen, im Schatten von Pikes Peak stehenden Schulhause unterrichtete. Er gedachte der Armut jener Tage, einer Armut, so erbärmlich und hoffnungslos, daß man sich ihrer schämen mußte; der Tage, die dann gekommen waren, wo er, ein heimatloser Waisenknabe, von New Orleans nach dem Kap gesegelt war; er entsann sich, wie der Geist des Mathematikers, den er von der Schullehrerin in Boston geerbt hatte, von dem Geiste des Soldaten, dem Erbteil seines Vaters, überwältigt worden war und ihn von Süd-Afrika in die Guerillakriege auf Madagaskar, in Aegypten und Algier geführt hatte. Ein Leben war das gewesen, so ruhelos, als das des Seetangs auf einem Felsen. Aber als er so auf den armseligen Anfang zurückschaute und sich dann seiner späteren Erfolge bewußt wurde, da stieß er einen Seufzer der Befriedigung aus, schüttelte seine kleinmütige Stimmung ab und schritt die Veranda hinunter.

Dabei blickte er die Anhöhe hinauf nach dem Bungalow mit seinem niedrigen Dache und den Palmblättern, die sich am Himmel abzeichneten, als ob sie aus Blech geschnitten wären. Er hatte das Haus erbaut und für sie hatte er es erbaut. Dort, wo das Licht wie ein Stern aus der schwarzen Masse hervor blickte, war ihr Zimmer. Und hinter dem Hause erhoben sich die fünf Berge, die Knöchel der Riesenhand mit ihrem eisernen Handschuh. Geschlossen und zur Faust geballt, drohte sie der See ins Gesicht, die winselnd vor ihr lag. Clay fühlte einen knabenhaften, thörichten Stolz in seiner Brust, als er nach den großen Bergwerken blickte, die er entdeckt und erschlossen hatte, und auf die Eisenberge, die sich unter seinem Griffe zerkrümelten.

Nun wandte er seine Augen wieder der schimmernden Jacht zu, und jetzt regte sich keine Spur von Neid mehr in ihm. Vielmehr lachte er, teils aus Freude über den Kampf, den er in der Luft witterte, teils über seine eigene Großsprecherei.

»Ich fürchte mich nicht,« sagte er lächelnd und den Kopf nach der weißen Jacht schüttelnd, die wie ein Kriegsschiff auf dem dunkeln Wasser lag, »ich fürchte mich nicht, mit dir zu kämpfen um etwas, das des Kampfes wert ist.«

Durch eine stumme Verbeugung schickte er einen Gutenachtgruß nach der Anhöhe hinauf, und dann wandte er sich um und kehrte in sein Schlafzimmer zurück.

»Und ich sollte meinen,« murmelte er entschlossen, »daß sie des Kampfes wert ist.«


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