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Im Wasser vor mir rosa, weiß und lila stehen
Auf starren Stengeln Scharen von Nymphäen.
Die Blüten still und regungslos zum Morgenhimmel sehen,
Doch unter ihnen ihre Spiegelbilder sich zuckend drehen.
Von dir getrennt muß ich durch diesen Tropengarten gehen,
Stumm, nur im Blut bewegt sich mein Gesicht,
Wie tief im Teich der Blumen Spiegellicht.
Ihr alten Tamarindenstämme mit Kronendach, das wie ein schwarzer Schleier,
Zu euch komm' ich nun Abend hinter Abend gewandert durch den Staub
Und übe Dämmerfeier.
Das enge Blut, das trübe, klopft mir ein wenig freier,
Seh' ich euch stark und streng zum Himmel hingestellt
Auf festen, zähen Wurzelfüßen in diese schwanke Welt.
Den Abend mag ich gern bei euch begrüßen
Und seine goldne Farbenleier.
Euch alten erdentsprungenen Recken seh' ich willig zu.
Ihr ladet Unruh' ein zur Ruh'.
(Makassar, 29. August 1914)
O, oft am Tag
Muß ich die Hand
Ans Herz rasch legen.
Auf stillen Wegen
Trifft ein Stein
Die Brust.
Mir wird bewußt:
Ich bin allein,
Weit von der Liebsten
Und vom deutschen Sonnenschein.
(Makassar, August 1914)
Im Zwielicht lagern Kähne auf der Meeresfläche.
Von dünnen Masten springt ein schmales Licht.
Gleich Widerschein im Wasser, leben mir Gespräche,
Zu denen meine Augen ein Gesicht sich weben.
Bleib! Bleib! Du sollst in schweren Nächten mich >umgeben.
(Makassar, 29. August 1914)
Es spielen keck spiegelnde Fische in morgendlicher Flut.
Sie schnellen auf zur Luft im Übermut.
Nach ihnen schweben stumm zwei Möwen,
Getrieben von des Hungers Willen.
Die Lust des einen muß die Not des andern stillen.
(Soembawa, 2. September 1914)
Mein Herz, wird sie noch reichen, die Kraft,
Die in dir schafft?
Das Haar will mir schon bleichen.
O Herz, noch eine Weile halt aus!
Bald glänzt das Ziel,
Dann deine Sorgen teile.
Zwei Herzen tragen viel.
(Soembawa, 2. September 1914)
Im alten Tempelhof, der grau ist und verlassen,
Da blühn allein vielarmig Frangipanibäume
Und halten ihre Blüten hoch, die weltentrückten, blassen,
Und opfern ihre scharfen Düfte, ihre ganz verzückten,
Den grimmen Götterbildern, die da, Stein bei Stein, sich selbst besehen,
Im alten leeren Hofe dort im Schatten stehen und verwildern.
(Bali, 6. September 1914)
Ich fuhr die lange Straße im Staub dahin,
Sah hundert mal hundert Leute vorüberziehn.
Die in Staub und Sorgen gehen, wann sind selig die?
Ich glaube, sie wandern und sterben, und wenn sie nicht liebten,
Lachten sie selig – nie.
(Lombock, September 1914)
Großtropfiger Regen, der auf die Erde schlägt,
Unter dir stehen im Donner die Bäume rauschend bewegt.
Blitz und Donner und Regen, wie lebt ihr glücklich und frei!
Erhört und erfüllt doch eines Gefangenen Sehnsuchtsschrei!
(Medan, September 1914)
Ich sitze in einem großen Baum,
Weit greifen die Äste zum Himmelsraum.
So klammern sich meine Gedanken ins Leere
Zur Heimat fort über luftige Meere.
Der Wind nur belebt grüner Blätter Schar,
Und er bewegt am Haupt mein Haar.
Mein Blut, das erstarrte, horcht aufgetaut,
Es sucht im Wind einen Heimatlaut.
(Lima Poeloe, Oktober 1914)
In dem Gartengange,
Um die funkelroten Blüten
Der Hibiskushecken
Flattern Falter aus Verstecken,
Die sich froh im Liebesdrange
Spielend fangen und sich necken.
Ach, wie lange
Muß ich andere glücklich sehen
Und muß warten!
Darf, der Wolke gleich,
Im besonnten Garten
Nur als Schatten gehen. –
Wie die Wolke bleich.
(Lima Poeloe, 23. Oktober 1914)
Wie der zähe Gummisaft aus jenen Bäumen,
Die die Pflanzung bis zum Urwaldrande säumen,
Quillt aus mir ein jähes Sehnsuchtsträumen.
Muß uns auch die halbe Erde trennen,
Sie, um die im Kreise meine Stunden rennen,
Muß ich immer meiner Seele Seele nennen.
(Lima Poeloe, 24. Oktober 1914)
Mir kommt ein Grauen an vor dem Leben.
Es kann uns Ruhe unter den Füßen
Und vor die Augen sonnige Landschaft geben.
Aber im Herzen hallt es von Vernichtungsschüssen,
Toben Krieg und Verwüstung,
Wagt die Seele den Todessprung.
(Lima Poeloe, 24. Oktober 1914)
Blaue Wolken in langen Strichen
Auf gelblichem Grunde.
Es ist Dämmerstunde,
Die Nacht kommt geschlichen.
Wieder ist ein Tag ohne dich entwichen
Und ließ mir im Herzen die Wunde.
(Lima Poeloe, 11. November 1914)
Gerne möchte ich die Hände falten
Und die Wege gehen, die erinnerungsalten,
Möchte meine Heimatnächte wiedersehen.
Ach, nun singt die Amsel bei der Röte
Schmaler Abendwolken im Holunder,
Hier im Reisfeld gurgelt die Posaunenkröte,
Und zum Himmel spreizt sich Palmenplunder.
Ach, daheim der Mondstrahl überm Flieder!
– Hörst du nicht der Gartentüre Klinke?. –
Liebste, steig die hellen Stufen nieder,
Und ich steh' im Hohlweg unten, winke.
Und wir wandern um das kleine Haus,
Sitzen unterm alten Apfelbaume.
Und der Nachtigall geht die Lust nicht aus,
Und der Mond, er krönt uns in dem ewigen Raume.
(Garoet, Java, 28. März 1915)
Mit Flöte und der Violin'
Javanen, zwei, die Landstraß' ziehn.
Sie feiern so die helle Nacht.
Musik am grauen Weg erwacht.
Hörst nicht der nackten Füße Schritt, –
Hörst nur Musik. Sie schreitet mit.
Musik als Dritter ist Gesell.
Sie folgt den beiden wie ein Quell.
Musik geht vor den beiden her.
Sie wissen bald von sich nichts mehr.
Musik zieht ihre Seelen fort,
Und zu Musik wird Zeit und Ort.
(Garoet, April 1915)
Es huschen dort Vogelschatten im Laub,
Ach, Vöglein sind nicht für Klagen taub.
Die kleinen versteckten Sänger im Grün
Sind fröhliche Seelen, die sich bemühn,
Das Herz, das sich quält, mit des Himmels Ruf
Zu locken zum Lichte, das uns schuf.
Sie singen, entzückt von Liebe, sich zu.
Sie geben dem gramvollen Horcher Ruh'.
Er segnet die Sänger. Und Freude und Glück,
Die lang' ihn gemieden, sie kehren zurück.
Laßt die Vögel nisten um euer Haus,
Es schlüpfen aus kleinstem Ei Glückslieder aus.
(Garoet, 28. April 1915)
Dort in der rauschenden Nacht, schlafender Mandelbaum,
Meine Lampe bescheint dich streichend im finsteren Raum.
Heute am Tage, da spielten Schmetterlinge bei dir,
letzt in der Nacht da stehst du, ach, so verlassen still hier.
Dir kehrt die Freundin, die Sonne, morgen zurück ins Geäst,
Morgen, da feiert ihr wieder begeistertes Blütenlustfest.
Doch ach, zu mir Verlassenem kommen die Stunden nur leer,
Licht ward zur Dornenkrone, täglich drückt sie mich mehr.
(Garoet, April 1915)
Ich ging und ließ die Sonne versinken,
Ließ die Wolken in lila Tinten blinken,
Ließ das Feuer der Schnitter im Strohfeld winken,
Ließ alles Leben in Nacht ertrinken.
Ich ging und ließ der Gedanken Saaten,
Ließ die Nähe schwinden und ihre Taten,
Die Stunden, die mir den Weg vertraten,
Ich ließ sie alle, und ob sie auch baten.
Ich ließ die Leere und ließ den Schaum.
Ich ließ die Zeiten und ließ den Raum.
Ich ließ des Daseins endlosen Saum.
Da fand ich mein Herz. Ich erkannte es kaum.
(Garoet, 1. Mai 1915)
Es hockte im Morgen der Hirte am Bach,
Die Ziegen gingen den Kräutern nach,
Er hielt ins Wasser die Fingerspitzen
Und ließ sich von kreiselnder Welle bespritzen.
Es grasten am Uferrain Stier und Ruh,
Die Holzglocken pochten leis ab und zu.
Das Bachwasser rauschte frisch ohne Ermatten
Und rannte durch blaue und grüne Schatten.
Es sprach zum Herzen des Grases Duft,
Der Wolken Türme, gebaut aus Luft.
Und wunschlos betrat ich die schwindelnden Gassen, –
Einen Augenblick ward ich bei Gott eingelassen.
(Garoet, 2. Mai 1915)
Die Wolke, die im Blau hinschleicht,
So fern, so fern dein Haus erreicht.
Der Wind, der an die Mauer schlägt,
So fern, so fern dein Haar bewegt.
Die Erde, die uns Mutter ist,
So fern dich von mir grüßt.
(Garoet, 2. Mai 1915)
Am Hügel schlummert der Klapperbaum
Und das Lalanggras an des Weges Saum.
Der Halbmond wacht im Himmelsraum.
Die Sehnsuchtgedanken sind mein Geleit.
Ihr Atem ist warm. Ihr Weg war weit.
Sie kommen von dir über Urbusch und Meer.
Sie trinken mein Blut. Sie trennen sich schwer.
(Garoet 1915)
Es wird so dunkel, und mir wird so bang.
Die Trennung von der Liebsten ist so lang.
Ich zittre, liege still und atme kaum, –
Ein Blitz fiel geisternd durch den Himmelsraum.
Ich bin so schreckhaft wie ein Wild im Wald.
Die Sonne sank; und kehrt sie wieder bald,
So hab' ich nur das eine stets gedacht:
Fern von der Liebsten ist es ewig Nacht.
(Garoet 1915)
Nur die Sorge mir übrig blieb.
Nun habe ich bald die Sorge lieb.
Die Sorge redet ernst und schlicht,
Die Sorge wie eine Mutter spricht.
Bist du mit der Sorge auf du und du,
Dann siehst du der Wahrheit des Lebens zu.
Liebst du mich, Gott, dann Sorge gib.
Die Sorge macht uns das Leben lieb.
(Garoet 1915)
Der Kokospalmen Federblätter in dem Wind,
Sie sträuben sich. Die Mandelbäume rauschend sind.
Und Pisangschäfte schaukeln sich erregt,
Die Lauben alle sind schreckhaft bewegt.
Ich sehe über das Geländer weit hinaus
Von meinem Altan in dem offenen Haus.
Der Wind, gleich einem Boten, tritt heran.
Ich höre Worte, die er wecken kann.
Es spricht dort aus den Lauben, laut und leis ,
Gar mancher, den ich bei den Toten weiß.
Es ruft vom großen Wolkenhintergrunde
Die Sehnsucht, und es braust der Bäume Runde.
Und sitze ich so lauschend vor dem All,
So spricht die Welt mit meinem eignen Munde.
Der Eine ist des ändern Wiederhall.
(Garoet, 1. Juni 1915)
Steigt frisch der Morgen auf mein Dach,
Dann rufen mich die Sorgen wach.
Sie schreien: geh der Arbeit nach!
Ich leg die Hände nicht zum Schoß,
Ach , meine Arbeit ist so groß:
Gezähmt soll sein der Sehnsucht Roß.
Unbändig hält es niemals Schritt.
Der Zügel mir die Faust zerschnitt.
Noch keiner solche Wildheit ritt.
(Garoet, Juni 1915)
Und nun lege ich Messer und Gabel nieder,
Komme von einem Zimmer zum andern ,
Sitze immer neben der Leere wieder,
Und von Leere zu Leere muß ich tagsüber wandern.
Heimat und Liebste, die den Reichtum bedeuten,
Suche ich nachts noch auf dem Kissen, dem leeren.
Bettler bin ich bei fremden Landen und Leuten.
Heimat und Liebste, keiner kann sie entbehren.
(Garoet, Juli 1915)
Du Baum, allein am Hügelrand,
Dein Einsamsein ist mir verwandt.
Du siehst wie ich den Tagen nach,
Und ruhlos rauscht dein Blätterdach.
O Wolken, Wind, o, Abendland,
Wie seid ihr Schweigenden mir verwandtl
Ein Blitz springt übers dunkle Kraut, –
Die Ewigkeit hat uns angeschaut.
Das Leben, – ein feuriger Augenblick!
Und Sehnsucht und Sehnsucht ist unser Geschick.
(Garoet 1915)
O, ich habe gebetet unter dem nächtlichen Baum,
O, ich habe gebettelt um eine Gnade nur.
O, ich fragte beim Reichtum der Sterne im Raum.
Götter, lenket das Glück auf meine Spur!
Ging und wurde schweigend wortlos entlassen.
Ging und schwieg vor mich hin in den leeren Gassen.
(Garoet 1915)
Allmachtgott, du naher,
Seit ich zu dir halte,
Wird mein Kummer leichter,
Glatt die Sorgenfalte.
Gott der hellen Höhe,
Gott der klaren Tiefe,
Selig machst du alle.
Daß dich jeder riefe!
Bist die Lebensruhe
An der wilden Straße.
Bist die Lebenswelle
In der toten Masse.
Bin dir voll ergeben.
Glücklich macht dein Wille.
Dein Wunsch ist mir Freude,
Gott der Lebensfülle.
(Garoet, 2. August1915)
Ein Jahr ist die Erde um die Sonne gegangen
Und trug mit sich meines armen Herzens Verlangen,
Der Wind kam oft die Bäume zu umfangen,
Nur ich hin mit leeren Armen heimgegangen.
Meine Schritte gehen still, die einst froh erklangen,
Ein Jahr ist, ohne daß ich es lebte, vergangen.
(Garoet 1915)
Ach, die Stunden, die langen!
Die Sonne ist untergegangen
Die dunklen Bäume, die lieben ,
Die sind stehen geblieben.
Sie wiegen sich bei mir die ganze Nacht,
Wir fliegen dem Mond zu, der sich aufgemacht.
Ach, die Bäume, die lieben,
Wenn sie rauschend die Blätter verschieben,
Rufen sie Gedachtes in die Räume.
Aber ihre Schattenspiele sind ihre Träume.
Sie sind nicht wie die ändern.
Im Stillstehen können sie wandern.
Aber da wir einer Erde Kinder sind,
Sprechen die Bäume, die lieben,
Nicht nur in den Wind.
Es ist nicht übertrieben:
Ihre Worte sind oft in mir hängen geblieben.
(Garoet 1915)
Was soll ich in dem fremden Land?
Noch keinen Tag ich rein an Freude fand.
Was soll ich bei den fremden Frauen,
Die mich erstaunt weither anschauen.
Was soll ich ohne Heimaterde hier?
Gequält klagt still mein Ohr im Wortgewirr.
Ich wünsche, stand' ich doch an alter Schwelle!
Nur Heimat gibt dem Mannesgeist die Helle.
(Garoet 1915)
Der blaue Himmel und der Sonnenschein,
Sie stiegen nicht mit mir ins Schiff hinein.
Beim Regen bin ich einsam hier gelandet.
Im Meere schlug mein Herz noch weit – jetzt liegt es hier versandet.
Der Regen fällt und füllt mit Trübnis die Gedanken,
Sie schwimmen grau vorbei wie tote Hüllen.
Ihr Mut starb hin, da sie in Gram versanken.
Die Wünsche töten, die sich nicht erfüllen.
Bin wie ein Kranker, den die Nacht bedrängt,
Bin wie der Mond, der blaß im Raume hängt.
Darf ich mein Blut nicht bald an Liebe stillen
Sterb ich an meiner Wünsche letztem Willen.
(Garoet 1915)
Die Welt um mich ist ein Krankenzimmer
Mit geschlossenen Läden im Zwielichtschimmer.
Ich möchte nur leise Schritte machen,
Meine Augen schmerzen vor nächtlichem Wachen.
Meine Brust ist von Sorgen eng umbunden,
Inwendig bluten mir stechende Wunden.
Ich kann noch kein Ende der Krankheit sehen.
Werd ich je froh auf den Füßen stehen?
Das Fieber des Krieges, Heimweh und Sehnen, ---
Ich dulde stumm mit verbissenen Zähnen.
(Garoet 1915)
Und der Wind hat sich aufgemacht
Er durchwühlt die Bäume in der Nacht,
Kommt dahergerannt groß entfacht,
Und es wankt der Boden unterm Wind.
Möglich auch, daß es meine Sorgen sind.
Ach, ich ward von langem Heimweh blind.
(Garoet , 24. August 1915)
Mit Sehnsucht schau ich nach Westen gewandt,
Es stirbt mein Seufzen im fremden Land /
Wie eine Welle verläuft im Sand.
Kein Weg, o Heimat, führt zu dir!
Nur deine Sprache lebt bei mir.
Sonst aber bin ich toteinsam hier.
(Garoet 1915)
Es klagt ein Hund dort hinter der Mauer.
Nachts liegen noch Nächte auf der Lauer.
Kein Licht die Dunkelheit vertreibt.
Nacht auch am Tag auf Erden bleibt.
(Garoet 1915)
Im Haus ist's still. Ein Vogel lacht.
Im Garten sehn sich die Rosen um.
Ihr Blick die Stille leichter macht.
Ich horche auf den Donner hin,
Auf einer Wolke dumpf Gebrumm;
– Wie ich mir unerklärlich bin!
(Garoet 1915)
Du Berg, der hin zum Äther zieht,
Des Gipfel über die Zeiten sieht,
Du Ewiger, der nicht altern kann,
Die Jahre reichen nicht an dich heran.
Und die Jahrhunderte du kaum fühlst,
Wenn du die Stirn im Weltraum kühlst.
Du lebtest, als der erste Mann
Das erste Frauenherz sich gewann.
Du lebst noch, wenn einst das letzte Paar
Hinstirbt im letzten Menschenjahr.
Wie wichtig sind mir doch meine Sorgen.
Wie wichtig das Gestern, Heute und Morgen.
Du lehrst weit über die Tage zu schauen,
Du lehrst, dem Ewigen zu vertrauen.
(Garoet 1915)
Unter dem großen Waringienbaum,
Der da trägt den nächtlichen Raum,
Sitze ich bei den bloßen Sternen
Wie unter kleinen blauen Laternen,
Die ihre Gedanken haben, still,
Über das, was ein jeder will.
In der lampenhellen Moschee
Stehen die Säulen, gebaut wie aus Schnee,
Nicht weit von des Baumes finsternden Zweigen.
Der Vorbeter singt über die Rücken, die sich dort neigen.
Es ruft ein Vogel im Waringiengeäste.
Vielleicht will er warnen aus seinem Neste,
Daß mir nicht wünschen, was unerfüllbar ist,
Will, daß der Beter sich selbst vergißt.
Mir ist, als sei ich bei meinen Vätern,
Wenn ich da lausche bei Sternen und Betern.
Schweigend komm' ich Abend für Abend zum Baum
Als sei auf der Welt für mich sonst kein Raum!
(Garoet 1915)
Bewegte Welt der Berge
Auf Wolken hingebaut!
Das Frühlicht, das erregte,
Nur schmal zum Tale schaut,
Darin die Nacht noch blaut.
Die Wolkenschar zuerst erwacht.
Der Himmel klingt von Geistern laut,
Und ihre Stimme durch die Täler lacht,
Die jedem Klumpen Berg das Herz auftaut.
(Garoet 1915)
Vor dem Fensterrahmen, in der Leere des Himmelsraumes,
Steht draußen die dünne Krone eines Kapokbaumes.
Das Stämmlein hält seine wagrechten Zweige von sich wie Sprossen,
Seine Blätter gilben und winken; sie haben ihr Leben genossen.
Sie wollen sterben und scheiden – und andern Raum geben an den Zweigen.
Sie sind meinen Hoffnungen gleich, die täglich enttäuscht vom Himmel zur Erde steigen.
(Garoet, 5. September 1915)
Und Nacht um Nacht der Wind hinrauscht,
Und Nacht um Nacht mein Ohr hinlauscht.
Und immer die gleichen Sterne ziehn,
Und immer dieselben Stunden fliehn.
Und immer nagt in mir derselbe Gram,
Und keine Nacht ich weiterkam.
(Garoet, 5. September 1915)
Wo ist mein Abendfriede?
Vernichtend naht die Nacht.
Ich suche nach einem Liede.
Ich suche nach deinen Händen,
Nach Gedanken, die du gedacht,
Die Stille stockt an den Wänden.
Ein Schrei liegt mir im Munde,
Ich habe ihn lange bewacht,
Den Schrei der Abendstunde.
(Garoet, 18. September 1915)
Der Schlaf kommt nur als Maske über mein Gesicht,
Darunter wallt mein Blutstrom, der heimwehfiebrig
spricht.
Er bringt mir in dem Traum den liebsten Leib.
Ich finde heim im Wahn zu meinem Weib,
Bis daß des Schlafes Maske spröd wie Gips zerbricht.
Und wieder stier' ich taumelnd ins leere Tageslicht.
(Garoet, 18. September 1915)
Nun wird es wieder abendstill,
Der Wind noch einmal atmen will.
Er biegt die Bäume hin und her.
Die Sonne schwand. Die Luft ist leer.
Nur gelbe Wolken strahlen leicht.
Die Baumwelt dunkelt und verbleicht.
Die Wolken glänzen um das Haus, --
Sie ziehn den Blick mir weit hinaus.
Ich schaue hin von meinem Tisch.
Der Wind verzischt. Die Luft wird frisch.
Die Wolken wandelt tiefes Rot.
Das Haus versinkt – und mir wächst Not.
Der Himmel ward der Erde gleich:
Ein großes totes Dunkelreich.
Und ich allein mit meinem Blut
Und in mir all der Wolken Glut.
Die Nacht mir um die Schultern hängt.
Die Nacht mich nicht so sehr bedrängt
Wie Ruf um Ruf, den ich erstickt
Im Blut, das in die Leere blickt.
(Garoet, 21. September 1915)
Der Vollmond macht die Nacht so weit,
Die Bäume wachsen dunkel breit,
Und durch die Blätter springt Gefunkel.
Wie eine reiche goldne Last
Hängt er dort blendend auf dem Ast,
Sein Gleißen hell verschwendend.
Schutzspendend glänzt er wie ein Schild,
Der Ruhe und der Wilde Bild
Auf himmlischem Gefilde.
(Garoet, 23. September 1915)
Berge hochgewölbter Wolken standen aufgebaut.
War, als fänden sich im Himmel weiße Wälder,
Von der Ewigkeit gebleicht und umblaut.
Und mein Auge hat sie froh erreicht.
Meine Füße wandern durch der Erde Felder,
Aber meine Seele gern der Welt entweicht.
(Garoet, 23. September 1915)
Stummer Tag legt stumm sich nieder,
Morgen kehrt er stumm dann wieder.
Tage haben zähe Glieder.
In dem schmalen Licht vom Morgen
Stehen schon die stummen Sorgen,
Weint die Sonne noch verborgen.
Ach, es dorren diese Hände,
Wenn ich so ohn' Ende, Ende
Nur die stummen Blätter wende.
(Garoet, 10. Oktober 1915)
Aufmerksam an der Wegecke ein Laternenlicht sich dreht,
Mutterseelenallein ein warmer Wind über die Straße geht,
Eine weiße Hauswand leuchtend in der Nacht steht.
Unruhig ein Palmenschatten am Wegrand weht.
Meine Augen schreiben auf die Wand ein Gebet,
Ein Gebet meines leeren Armes, der nach der Liebsten fleht,
(Garoet, 10. November 1915)
Ein junger Götterbaum hat heut zum Gruß entboten.
Die eben aufgeschlossenen Tulpenblüten, die Scharlachroten.
Und liege ich zur heißen Stunde auf dem Bett,
Dünkt mich, er hält die Blumen hin aufs Fensterbrett.
Der Baum steht stammend auf der Straße
Mit seiner großen Blüten Scharlachmasse.
Der Glückliche, der hell der Liebe Leben zeigt,
Das ihm durch das Geäder seiner Äste steigt.
(Garoet, 11. November 1915)
Jetzt rührt der Morgenwind die Bäume an.
Sie wiegen sich. Sie flüstern, winken dann,
Und leichthin jeder Baum dort lächeln kann.
Sie deuten auf den Himmel, wo der Geist
Der Güte mit der großen Sonne kreist
Und jedes Blatt das helle Leben preist.
Die Zweige wiegen sich so flink und leicht.
Ein jeder Baum dem Himmel Hände reicht.
Des Baumes Seele der des Menschen gleicht.
Die Seele ist die Summe unsrer Kraft,
Die sich im Augenblick zusammenrafft
Und neue Ewigkeiten in uns schafft.
Der Geist der Ewigkeiten baut im Raum,
Der Geist wirkt auch im Menschen und im Baum.
Dein Körper wird so leicht, du spürst ihn kaum.
Es sind nicht leere Lüfte die dort weht.
Es sind nicht tote Zweige, die sich drehn.
Du kannst die Weltallseele wachsen sehn.
(Garoet, 6. Dezember 1915)
Die Dezembernacht geht warm ins Land,
Wetterleuchten flackt in stummer Ferne.
Und die dunkelglatte Himmelswand,
Überblinkt von Stichen starker Sterne.
Dort das gelbe Lämplein leuchtet kaum
Klein am Boden einer armen Klause.
Offen steht die Tür in Nacht und Raum.
Einer betet halblaut in dem Hause.
Manchesmal ein Menschenschatten liegt
Vor mir lang im grauen Sand der Straße.
Manchmal fällt mich an ein Duft und fliegt
Aus der Bäume hoher Kronenmasse.
Und ich ahne, dort im Dunkel lebt
Vieles, das verborgen sich geboren,
Davon Freude süß vorüberschwebt.
Und die Nacht lacht leis zu meinen Ohren,
(Garoet, 7, Dezember 1915)
O der Abend, o die Dunkelheit!
Sehnsucht macht sich breit!
Tragen soll ich Nacht um Nacht
Diese schwere Ewigkeit.
Längst zu Bergen wuchs die Zeit,
Die mein Warten hingebracht.
Längst verging die Wirklichkeit
Und ich lebe wie der Raum leer und weit.
Ab und zu mein Ich erwacht
Und sieht fragend zur Vergangenheit,
Fragend auf den Berg der Zeit.
(Garoet 1915)
Die Bäume laut im Dunkeln rauschen,
Der Wind nimmt mich zur Ferne mit.
Ich muß noch nachts der Sehnsucht lauschen,
Mein Ohr horcht hin auf jeden Schritt.
Der Sehnsucht ist es nie genug.
Die Bäume reden schnell im Winde.
Und Schmerzen, die ich täglich trug,
Ich nachts noch spät am Wege finde.
(Garoet 1915)
Ich sah in dem Morgen den Hirten am Bach,
Seine Ziegen gingen den Kräutern nach,
Er hielt ins Wasser die Fingerspitzen
Und ließ sich von kreiselnder Welle bespritzen.
Ich ging vorbei an Stier und Ruh,
Ihre Holzglocken pochten sacht ab und zu.
Das Bachwasser rauschte fort ohne Ermatten
Und rannte durch blaue und grüne Schatten.
Es sprach mich an des Graswassers Duft,
Es sprachen die Sommerwolken der Luft,
Ich sah in ihre blendenden Gassen –
Einen Augenblick ward ich bei Gott eingelassen.
(Garoet, 1915)
Ein Licht brennt auf dem Tische
Die lange, lange Nacht.
Und in der Fensternische
Steht bleich ein Weib und wacht.
Sie wandert mit den Blicken
Nie müd' am Himmel hin.
Die Himmelslichter nicken,
Die langsam weiterziehn.
Kehrt er zurück? Die Frage
Stellt sie still Nacht um Nacht.
Sie wartet ohne Klage.
Sie wartet und sie wacht.
Durch die dunkeln Blätter des Baumes
Sieht mich eine gelbe Abendwolke an.
Die leichten Blätter winken im Wind,
Sie, die des Baumes glückliche Familie sind.
Wann kommt die goldne Wolke zu mir heran?
Nicht mal wie ein Baum ich froh sein kann.
Die Tage sind ein wirrer Wahn,
Wirr, ohne die Gnade des Traumes.
(Garoet, 1915)
Steh in die Wolken, sie bilden
Gesichter verbannter Zeit.
Die Wolken, die weißen, die milden,
Wandern wie Heimweh so weit.
Wolken, mit euch, muß ich fliehen.
Die Wolken hält keiner fest.
Solange Wolken noch ziehen,
Mein Heimweh nicht von mir läßt.
(1916)
Ach, im Hügelland am alten Main,
In dem Rebenland in frohen Franken
Möchte ich mit beiden Füßen sein,
Nicht nur mit den sehnenden Gedanken.
Manches gute Lied singt man am "Stein",
Manchen guten Tropfen wir dort tranken,
Warum muß das Gute fern jetzt sein?
Ach, die Liedertage, sie versanken.
In den Guttenberger Wald hinein
Liegt mein Dach im ewigjungen Franken,
Träte gern zur grünen Pforte ein,
Greifend nach zwei Händen, lieben, schlanken.
Ach, sie geht im Garten dort allein,
Drinnen sich Erinnerungen ranken.
Wann steht wieder zwischen uns der Wein?
Wann liegt alle Not fern in Gedanken?
(Malang, 1916)
Große weiße Malvenblüten, frischbetaute,
Sah ich in der Frühe, da das Taglicht graute,
In dem Garten, und es schliefen noch die Laute.
Jede runde Blüte leuchtete und brachte
Hellen Schmelz dem Himmel, der erwachte,
Als das Gartentunkel noch der Nacht gedachte.
In der Ferne stand ein blauer Berg gehoben,
Lange Wolken sich am freien Gipfel schoben,
Und vom Lichte lag dort dünne Spur gewoben.
Und ich dachte: Blüten, Berg und Licht, sie wissen,
Daß sie heut am hellen Tage nichts vermissen,
Und nur ich, nur ich bin heimatlos, zerrissen.
(9. September 1916)
Die Äcker platzen dürr. Die Luft weht ohne Würzen,
Die Bäche längst nicht mehr sich überstürzen;
Der Staub wächst auf den trockenheißen Wegen,
Die Wurzeln krümmen sich im Durst nach Regen.
Das Farrenkraut vergilbt. Der Berg steht wolkenleer.
Am hellen blauen Himmel glüht das pralle Licht.
Doch wie mein Herz, so lechzt der arme Staub noch nicht.
(6. Oktober 1916)
Jetzt funkeln mir im dunkeln Haar
Schon weißer Haare Spitzen.
Es ist, als ob Erinnerungen blitzen
Von dem, was einmal war.
Und immer mehr wird ihre helle Schar.
Ich seh' mich bald mit weißem Haare sitzen.
Das Leben dringt dann nur noch durch die Ritzen.
Stumm lausche ich, verschneit, dem letzten Lebensjahr.
(Malang, Oktober 1916)
Ein Aufschrei steckt in meiner Brust,
Es schreit aus mir die Heimwehlust.
Und wie ein Sterbender sich streckt,
Mein Geist sich nach der Heimat reckt.
Er will nichts sehn, nichts hören mehr,
Die Fremde ist ihm menschenleer.
Die fremden Worte sind ihm Last,
Die fremde Luft mein Atem hasst.
Gefangenschaft macht grau mein Haar.
O Leben, das mich einst gebar,
Las mich zur Heimat! Hör' den Schrei.
Allmacht des Lebens, mach' mich frei.
(Malang, 23. Oktober 1916)
Nächtlich im Garten leidenschaftlich singend.
Im Hintergrund der Bäume volle Stille,
Und Äste, hochgereckt wie mit dem Festem ringend.
Und jemand sitzt im Gartengrund versteckt.
Und jemand presst die Hände fest zum Mund,
Vom schrillen Grillenrufe aufgeweckt,
Mit einem harten Heimwehschrei im Schlund.
(Malang, 26. Oktober 1916)
O, ein Schluck Heimatfrische! O, ein Schluck kühle Luft!
Ich sehne mich fort vom Gemische
Aus Schwüle und giftigem Duft.
O, etwas Winterdunkel! O, eine Flocke Schnee!
Das immergrüne Gefunkel
Der Palme tut mir weh.
O, ein Paar Augen, stahlblaue,
Eine Strähne goldblondes Haar,
Darauf ich mein Glück erbaue.
(Malang, 28. Oktober 1916)
Ich sehne mich nach tiefer Ruh'!
Kein Frieden mehr im Atmen ist.
Deckt mich mit stiller Erde zu!
Damit mein Heimweh mich vergißt!
Deckt mich mit stiller Erde zu,
Die wilde Leere stößt mich fort.
Ich sehne mich nach tiefer Ruh'
Und nach dem neuen Heimatort.
Ein Vogel klagt, ich sehe auf.
Welk steht der Baum vor meiner Türe.
Ich sehe an dem Baum hinauf,
Aus jedem Zweig den Tod ich spüre.
Die Blätter, die sonst hochgestellt,
Von grünem Lichte frisch erhellt,
Die Blätter hängen grau herab.
Es steigt der große Baum ins Grab.
Als mir der Vogel ihn gezeigt,
Flog er dann fort im Wolkenmeere.
Ich habe still den Kopf geneigt.
Rund um mich wächst die Totenleere.
(Malang, 12. November 1916)
Die Regenwolken rauschen
Ich bin so weit, so weit von dir ..
Muß zu den Wolken lauschen,
Sie sprechen laut mit mir.
Sie und das Reisekissen,
Das deine Hand für mich genäht,
Sie fragen, ich soll's wissen,
Wann's wieder heimwärts geht.
Im Kissen meine Tränen,
Die trocknen, ach, so schwer, so schwer.
Die Luft ist voller Sehnen,
Die Hände bleiben leer.
Wie sind die Sekunden still und groß,
Und jede zeigt mir mein Heimweh bloß,
Und gefangen rief ich den Berg dort an,
Der sich über Wolken hochheben kann,
Und gefangen rief ich zum Meere hin,
Unendlich dehnt sich sein freier Sinn.
Und gefangen ich es der Sonne klag',
Die wandert zur Heimat jeden Tag.
Wie sind die Sekunden still und groß,
Und jede zeigt mir mein Heimweh bloß.
Der Morgen leuchtet voll Vertrauen,
Die Höhen friedlich sich beschauen.
Dort auf dem Bergkamm
Auf dem frischbetauten Rasen
Drei blanke Kühe ernst geruhsam grasen,
Stehn aufgerichtet kühn,
Am Abgrund ragen sie vermessen.
Die Wolken an der Wälder Spitzen fressen,
Im Nebeldunst verwandelt sich das Grün.
Der Nebel schließt des Grundes schroffe Kluft.
Es wandert durch den Morgen stillen Mundes
Der graue Geist, der heißt: "Vergessen".
(Tosari, 1. März 1917)
Und es durchgeistigt nun der Mond die Nacht.
Vom fernen Bergdorf tönt ein Gamelang.
Der Luftzug hat die Laute hergebracht,
Leicht mit dem Winde stirbt der leise Klang.
Die Welt im Mond ist nur ein blasser Traum,
Farblos wie die Gedanken im Gehirn.
Doch hat im Mondschein noch so manches Raum,
Was nicht erdacht wird von dem Menschenhirn.
Die Dinge gaben her den bunten Schein,
Der Körper schwand, nur grüner Schatten blieb.
Die Blumen werden ähnlich einem Stein,
Der Geist allein ist nur dem Monde lieb.
Die Blüte duftet stärker als am Tag,
Und mehr als sie hat jetzt der Duft Gestalt.
Der Mond von Taten nicht mehr sprechen mag,
Die Sehnsucht aber wird im Mond Gewalt.
(8. März 1917)
Mich ruft dein Bild in meiner Brust,
Es kommt zu mir und weint.
Im Leide fühl' ich mich bewußt
Und eng mit dir vereint.
Im Leide treffen wir uns still,
Da trennt nicht Land noch Meer.
Dein Schmerz, der bei mir weinen will,
Er findet zu mir her.
Das Leid, es ist ein fester Ort
Für unser Stelldichein.
Dort kommst du zu mir ohne Wort,
Bin nie im Leid allein.
(Tosari, 9. März 1917)
Dieses ist die Aussicht, die der Tag gegeben:
Ein Blick auf Festigkeit, geruhiges Leben.
Zypressenstämme, graue, totenstill.
Der Kleeteppich kein Blättchen rühren will.
Die Berge, schwergemauert im Flachland.
Die Meeresbucht gezirkelt an den Strand.
Bergdörfer, drei, hoch zu den Wolken lauschen,
Und Schluchtwasser mit tiefem Brustton rauschen.
Die Meilen sind nun mein vom glatten Meer,
Die Berge kamen zu mir klein daher.
Ich atmete die blanken Fernen ein,
Der Schall der rauhen Schluchten wurde mein.
Der Bäume Kraft, des Klees Feuchte ruht
Mir jetzt wie junges Blut im alten Blut.
Mir ist, ich trage Glück in allen Taschen,
Die Aussicht hat mir meinen Geist gewaschen.
(Tosari, 11. März 1917)
Ach, könnte jetzt die Abendruhe dich bei mir fühlen,
Ich würde glühen in der Bergluft, der kühlen.
Drei Jahre sind jetzt gegangen seit der Trennungsstunde,
Drei Jahre rührte keine Lippe an meinem Munde.
Die Einsamkeit hielt mich friedlos und lieblos gefangen,
Seit deine Worte nicht mehr zu meinen Ohren drangen,
Wie die Wälder im Festem muß ich im Schweigen harren,
Muß wie körperlos nur auf meine Gedanken starren.
Wie manchmal ein Klang kommt aus fernem nächtlichen Orte,
Kommt Erinnerung und weckt längst verschollene Worte.
Dann brennen Tropfen in meinen Augen, die mich blenden, –
Der Himmel hat tausend Wege und will keinen senden.
(Tosari, 13. März 1917)
Es fehlt mir der Liebsten Luft,
Es fehlt mir ihr heiliger Geist.;
Der Tag ist mir eine Gruft,
Jede Stunde "sterben" heißt.
Es fehlt mir der Liebsten Kraft,
Es fehlt mir der Liebsten Glut.
Mein Sinn nur Halbes schafft,
Nur Halbes wagt noch mein Mut.
Da draußen über der Nebelweite
Schwebt der Ardjoeno in blauer Breite.
Der Abendhimmel mit gelbrotem Schein
Fliegt als Goldfasan übers Berggestein.
Und vor meiner Tür überm Gartenstrauch
Sticht die Schwalbe durch den Abendrauch.
O Schwalbe, grüße der Seelen Seele ,
Für die ich mein Leben dem Tod abstehle!
(Tosari, 7. Juli 1917)
Ich danke dir, du edler Abendgeist.
Dein letztes Licht mich heute glücklich preist.
Ein heiliger Gruß kam mir im Tag gereist
Von ihr, die ferne, süße Liebe heißt.
Ein dunkelblauer Berg im Westen schwebt.
Breit in die Ewigkeit er sich erhebt
Zum Abendfunken, der im Äther bebt.
Der Berg ist wie die Brust , die sehnend lebt.
Am Fenster lehne ich und danke dir,
Dein Geist kam segnend heute her zu mir,
Geliebte. Wie das Fenster vor dem Abend hier,
So warten wir, so warten beide wir.
(Tosari, 17. August 1917)
Nun wird es wieder abendstill.
Der Wind noch einmal atmen will.
Er biegt die Bäume hin und her.
Die Sonne schwand. Die Luft ist leer.
Und gelbe Wolken strahlen leicht.
Die Baumwelt dunkelt und verbleicht.
Die Wolken glänzen um das Haus.
Sie ziehn den Blick mir weit hinaus.
Ich schaue hin von meinem Tisch.
Der Wind verzischt, die Luft wird frisch.
Die Wolken wandelt tiefes Rot.
Das Haus versinkt, und mir wächst Not
Der Himmel wird der Erde gleich –
Ein großes totes Dunkelreich.
Und ich allein mit meinem Blut
Und in mir all der Wolken Glut.
Die Nacht mir um die Schultern hängt ,
Die Nacht mich nicht so sehr bedrängt
Als Ruf um Ruf, den ich erstickt
Im Blut, das in die Leere blickt.
Drei Jahre sind gegangen!
So viele Schläge, als mein Herz tat,
Seit ich hier gefangen,
So viele Schreie ich zertrat,
Die voll Schmerz aufsprangen, –
Und kein Ende naht.
(Tosari, 24. August 1917)
Den Gärten entströmen die Blütensäuren,
Die Blumen und Grillen ihre Liebe beteuern,
Es schwellen die Sterne wie silberne Früchte,
Es wachsen wie Qualen die heißen Süchte.
Mir fiebert das Heimweh, ich kann's nicht mehr tragen,
Ich möchte den Sprung zum Tode wagen.
Klanglos ging der Tag zur Nacht
An den Rand der grauen Erde.
Und der Wolken schwere Herde
Raucht wie Trümmer einer Schlacht.
Täglich kämpft mein Geist mit Riesen,
Heimweh heißt die stumme Macht.
Und der Kampf schweigt nicht zur Nacht,
Schläft der Wind auch auf den Wiesen.
(Tosari, 9. September 1917)
Dort im östlichen Abendschein, der pfaublau,
Liegt ein gewaltiger Berg, genannt die "liegende Frau".
Die Frau ruht ausgestreckt, den Kopf seitlich gewandt.
Wenn die Himmelsgrenze abends braunrot verbrennt,
Sagt mein Blut, daß es die "liegende Frau" erkennt,
Die Wangenrundung, die volle Hüfte und Brust,
Die Sehnsucht zeichnet mir dann deutlich der Sehnsucht
Lust.
Es ist kein toter Berg, es ist mein atmend Weib,
Dort liegt es und wartet mit ergebenem Leib.
Die in der Sehnsucht warten, wachsen zu Riesen.
Ach, meine Schultern längst an die Sterne stießen.
(4. Oktober 1917)
Ich kann auf keine Mädchen sehn als nur auf Eine.
Die volle Welt scheint leer zu stehn,
Muß ich für mich die Straße gehn alleine.
Ich finde keine Rede klug als nur die deine.
Denn was ich stotternd in mir trug,
Zwingt schon im Flug ein Blick von dir ins Reine.
Ich finde keine Wege gut und ohne Steine,
Nur den mich drängt die eine Glut,
Daß mein Mund auf dem deinen ruht
Und dein Blut wird das meine.
(Tosari, 6. November 1917)
Manche Frau hat dein Lachen.
Manche deiner Haare Glanz.
Manche kann mich fast fröhlich machen,
Aber keiner gelingt es ganz.
Keine verdrängt deinen warmen Blick,
Keine verdrängt deine wortlose Nähe.
Keine ist meines Lebens Geschick. –
Meine Liebe zu dir bleibt treu und zähe.
(Tosari, 13. November 1917)
Die Nacht steht totenstill beim Haus,
Das Dunkel lockt dunkle Fragen heraus.
Sind es Gedanken von dir, die fragen,
Gedanken, die mir ihr Herzleid klagen?
Wie eine Pupille, so Schwarz und rund,
Steht das Dunkel vor mir der nächtlichen Stund.
(Tosari, 16. Dezember 1917
Du warst wie Gräser im Morgen,
Verschleiert von Tun und Dampf.
Ich liebte dich ohne Sorgen,
Ich liebte dich ohne Kampf.
Warst frisch wie Früchte im Garten,
Dein Schritt, er schwebte wie Laub.
Du konntest demütig warten,
Hieltest dich still zu dem Staub.
Wie Dunkelheit sanft war dein Nahen,
Wenn du die Lippen entblößt.
Wenn wir uns fragend ansahen,
Hast du die Sehnsucht erlöst.
Nächte sind flüsternd verflossen,
Die Nächte wurden dann stumm.
Das Heimweh ist zu mir gestoßen,
Das Heimweh geht in mir um.
Wer hat das Heimweh geboren?
Hab's nicht gesucht, nicht erdacht.
Es sitzt versteckt vor den Toren,
Schnellt wie ein Schrei durch die Nacht.
Um einen Büschel deutsches Gras zu sehen,
Möcht' ich mir beide Füße wundrot gehen.
Nach einem Atemzug der derben deutschen Luft
Mein schmachtend Blut mit allen seinen Tropfen ruft.
Und ein Stück Schwarzbrot von dem deutschen Acker-
grunde!
Ein deutscher Quellentrunk dem dürren Munde!
Und von dem trauten Weibe einen treuen Kuß!
Wie bin ich elend, daß ich immer wünschen muß.
(Tosari, 9. 3anuar 1918)
Die Wolken warten ohne Flucht,
Der Wasserfall zischt aus der Schlucht.
Grasblüten zittern im Morgenhauch.
Gedanken, wie der blaue Rauch,
Sie eilen hin zum Meeresrand.
Der Sehnende lebt ohne Land,
Wie die Wolke im Leeren hängt,
Wie der Wasserfall eingezwängt.
Er bebt empfindlich wie zartes Gras.
Und wie der Meeresspiegel blaß,
Sucht ruhlos atmend er die Ruh'.
Sein Lächeln deckt Abgründe zu.
(Tosari, 23. März 1918)
Wie sind die langen Stunden leer!
Nie kommt von dir ein Echo her.
Nie haben sich mehr unsre Hände gefunden.
Die Brust ist mir drinnen zerschürft und zerschunden.
Die Tage kommen und sterben fort
Lieblos und ohne dein stärkend Wort.
Warum ich noch lebe? Ich leb' vom Erwarten,
Wie die Bäume im Winter, die halbtot erstarrten.
(Tosari, 30. Mai 1918)
Mir ist, ich liege schlafen
Im Traum, der ohne Ende.
Im Leid ring' ich die Hände,
Mein Meer hat keinen Hafen.
Mir ist, es hat verloren
Das Leben mich am Wege.
Kein Lachen wird mehr rege.
Ich bin wie totgeboren.
Mir ist, – werd' ich heimkehren,
Dann ich mich still besinne:
Verlernt hab' ich die Minne.
Wirst du sie neu mir lehren?
(Tosari, 24. Juni 1918)
Oft mein Geist im Leben klagte,
Wenn kein Licht im Herzen tagte,
Und er nicht zu lachen wagte,
Und er fragte: Wozu dieses stete Streben,
Wozu dieser Tage Traum,
Wozu alles Lebens Schaum?
Gehe zu dem Baum, sagte endlich eine Stimme in dem Baum,
Zu dem Baum, der da steht am Erdensaum,
Und aus dem die Weisheit weht.
Und ich ließ die Heimat, ließ mein Weib, mein Haus,
Und ich zog der Stimme folgend
Über Meere aus.
Hinter mir indes kam die Welt in Brand.
Jeder Weg im Feuerschein aufstand,
Und auf jedem Wege sich die Flamme wand.
Kein Weg ließ mich wieder in mein Land.
Doch am langen Weg nirgends jenen Baum ich fand,
Der am Berge steht und aus dem die Weisheit weht.
Suchte ihn am Erdenrand, suchte ab den ganzen Erdenraum
Nach dem Baum.
Und ich fluchte dem Geschick, fluchte jeden Tag dem Brand,
Der mir wehrte heimzukehren, der mit roter Flammenhand
Trocken alle Meere kehrte.
Wüsten wurden alle frische Meere.
Und ich stand im Sand und in toter Leere.
Müde legte ich mich nieder auf den nächsten Berg,
Wo kein Atemzug sich regte.
Lange lag ich auf dem Stein
Totenstill und ganz allein.
Sagte mir: will mich niemals mehr von hier erheben,
Will entsagen allem Leben.
Und mein Geist zum Geiste klagte:
Will hier liegen, bis mein inneres Auge sich gelichtet.
Bis sich jener Baum aufrichtet
Und mein Blick die Weisheit sichtet.
Und ein Regen fiel auf meinen Leib,
Und der Sturm erbrauste auf den Wegen,
Und der Feuerwurm der Blitze sauste unter hellem Fegen
Mir in meines Auge halbgewchloßne Ritze.
Sehend ward ich durch des Feuers Hitze.
Weiß nicht mehr, wie lang' ich dort gelegen
Auf der harten Bergesspitze.
Wolken flogen rund im Kreis,
Wolken, die mich durch das Weltall zogen.
Meinem Leibe wurde kalt und heiß.
Sah die Erbe unter mir im Bogen kaum,
Und zu Geist ward ich im Raum.
Aber wo mein Herz am Berg gelegen,
Stand mit reifer Krone groß ein Baum,
Größer als die Zeit,
Groß und breit wie die Ewigkeit.
Und er rauschte voller Eifer: Weisheit, Weisheit!
Und mein inneres Auge ewig festlich Leben
Für den Tod eintauschte,
Als ich ernst und hingegeben
Diesem Liede heiliger Weltfestlichkeit im Geiste lauschte.