Felix Dahn
Sigwalt und Sigridh
Felix Dahn

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V.

Und nach wenigen Nächten lag das mächtige Königsschiff neben dem kleineren aus Halgaland segelfertig wie dieses. Und auf beiden Decken standen hinter den hohen und dichtgefügten Schildwehren der Flanken die hundert Krieger von Kent und die sechzig aus Halgaland in voller Waffnung.

Von der Königsburg her führte – außer der breiten Königs- und Heer-Straße – nach der Küste herab ein schmaler Pfad durch einen schönen Wald: diesen Weg, ihm allvertraut und lieb, wählte Sigwalt für seinen letzten Gang, nachdem er von dem König und dessen Thanen Abschied genommen hatte und nun die Seinen auf den Schiffen aufsuchte zur Abfahrt. Langsam schritt er: oft blieb er unterwegs stehen, mancher Stunde des frohen Weidwerks gedenkend, auch mancher des Ballspiels mit der Königstochter und deren Maiden, von manch altem Baum Abschied nehmend, wie von altem Freund.

Gerade hatte er sinnend zu einer mächtigen Esche hinaufgeschaut, – ›dem Wodan-Wipfel‹, wie die Krone hieß – und wollte nun fürbaß schreiten: da rauschte es in dem dichten Buschicht von niedrigen Hainbuchen um den Stamm her und eine sanfte Stimme sprach: »Nimm noch was mit!« Und aus dem Dickicht trat des Königskindes zarte Gestalt.

»Guntfride!« rief der Jüngling freudig überrascht. »Das ist gütig, ist freundlich: dies Letzte wie alles zuvor. Umsonst forschte ich nach dir oben im Frau'nsaal, Abschied zu nehmen. Deine Gürtelmaid wußte nicht, wo . . .«

»Ich aber wußte, du werdest ihn nochmal grüßen, den Wodanwald. Denn du bist treu in deiner – Freundschaft. Und hier, vor unsern lieben Bäumen, solltest du ein Andenken nehmen an Guntfride.« Sie schlug den lichtgrünen Mantel auseinander und reichte ihm dar ein viereckig Stück blaugrauen Tuches, das war in Gold reich mit Runen benäht und mit Bildern bestickt. Sie hielt es ihm nun, auseinandergespreitet, vor die Augen. Freudig griff er danach: »Eine Fahne! Meine Fahne, wie der alte Arn mich gelehrt. Durch den graublauen Himmel hin schweben Siegvaters Raben. Und sieh, ringsherum der Runenspruch auf meiner Spange: ›Reich lohnt Odin treue Freundschaft.‹ Ich danke dir, liebe Schwester! Wer hat dich all' das gelehrt?«

»Nun: Arn. Und – das Herz. Aber emsig galt es sticken und nähen. Hatte ich doch nur wenige Tage! So nahm ich die Nächte dazu.« – »Deshalb also sah man dich fast nie mehr all' diese Zeit!« – »Wahrscheinlich deshalb,« lächelte sie traurig. – »Möge stets der Sieg in dieser Fahne rauschen ob deinem Haupt!« – Da gedachte Sigwalt der herrlichen Walküre, die ihm das Gleiche gewünscht, – nein, geweissagt. Schon öffnete er die Lippen, ihr davon zu sagen: doch er gedachte, wie er Schweigen gelobt. Und er schwieg.

»Aber nicht nur Siegvater befreunde dich,« fuhr sie fort und sah zur Erde. »Frigga führe dir zu die freudige Frau, dir zu dienen in Demut, dir die Halle, dir all' dein Leben zu schmücken durch Schönheit. Denn solches, dünkt mich, ist Frauen Art und Amt.« – Da gedachte Sigwalt der schönen Walküre, aber auch ihres Warnworts, sie wieder schauen werde sein Verderben. So schüttelte er leise das Haupt. »Guntfridens aber,« schloß sie, »sollst du nur dann gedenken, wann du ihrer bedarfst. Du oder . . . . die Deinen. Wohl bin ich nur ein Weib: aber viel mag Weibesfreundschaft frommen, ist sie treu. Und ich bin treu.« Schon war sie im Buchen-Dickicht verschwunden. »Guntfride! Habe Dank! Verweile noch.« Aber schon nickten ganz fern die Büsche, durch die sie dahinglitt. Noch einen kurzen Blick warf der Jüngling ihr nach; dann schlug er das Fahnentuch um die Schulter und jauchzend sprang er hügelab hinunter zur Küste.


Nun traten von links her – von der andern Seite des Schmalpfades – aus dem wildverwachsenen Buschicht ein hoher Mann und – in linnenblüten-farbenem Gewand – eine wunderherrliche Frau. Jener sah dem enteilenden Helden, diese der verschwundenen Jungfrau nach.

»Arger Gott!« sprach zuerst die königliche Frau. »Abermals führst du deiner Lieblinge einen zu deinen stolzen Zielen und wenig kümmert's dich dabei, geht der Weg dabei über zuckende Herzen. Mich erbarmt des lieben, stillen Kindes, des pfeilwunden jungen Rehs! Ich will ihr Vergessen in die Seele zaubern.«

Odhin zuckte leise die Achseln: »Tu's, wenn du willst. – Aber wie sprachest du, als ich die gleiche Gunst Hilde gönnen wollte nach Helgis Fall? Wie sprach da die Göttin der echten, weil der treuen Liebe, nicht Freia, die heiße, die wechselfrohe? ›Besser um Liebe leiden, ja um Liebe sterben als ohne Liebe leben.‹ Hast du seither deinen Sinn gewandelt?«

»Du weist, Frigga ist unwandelbar,« sprach die schöne Frau und legte ihre beiden herrlichen Arme auf seine beiden Schultern. »So bleibe ihr der Liebe Leid. Auch das ist Glück. Und vielleicht wird ihr doch noch ein Lohn ihrer Treue.«

»Niemand weiß sinniger Treue zu lohnen, als Frigga, der Treue Göttin selbst,« sprach er und küßte sie auf die Augen.



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