Theodor Däubler
Die Göttin mit der Fackel
Theodor Däubler

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IX

Der Gedanke, was wohl aus Hammer geworden sei, bedrückte Maja sehr; mit Spannung erwartete sie die Ankunft im Athener Hotel, wo sie Nachrichten von ihm zu finden hoffte. Und die Sorgen um ihn hätten sie an jenem Morgen gewiß noch lange beschäftigt, wenn das, was ihr Lenchen beim Ankleiden erzählte, sie nicht in eine ganz andere Stimmung versetzt hätte.

So kam sie, trotz einer unruhigen Nacht, heiter an Deck und berichtete Charlotte und Durkley über das, was sie von ihrer Zofe gehört.

»Herr Zapf entpuppt sich«, sagte Maja. »Erst einmal hat er Lenchen so gründlich für Archäologie interessiert, daß sie schon von Statuen träumt. Die Göttin mit der Fackel ist ihr heute nacht erschienen – sogar mit Kopf, wenn auch das Original kopflos ist. Die Göttin hat den Mund aufgetan, den sie gar nicht besitzt, und Lenchen ganz genau erzählt, was sie will und wünscht und hofft. Sie fürchtet sich furchtbar davor, unter unwürdige Menschen zu geraten. Zum Beispiel nach Amerika. Sie hat eine unüberwindliche Abscheu gegen kalte Museumssäle. Und deswegen ist es ihr höchster Wunsch, zu Leuten zu kommen, die sie lieben und verehren. Und so ist die Göttin mit der Fackel denn auch gerne bereit, weniger wert zu sein, als sie eigentlich wert ist. Sie will sich für fünfzigtausend Mark hergeben, wenn es Lenchen gelingt, sie einer Herrschaft zu verdingen, wo sie auf tadellose Behandlung rechnen kann.«

»Und das will Lenchen geträumt haben?« fragte Charlotte lachend.

»Allerdings hat Zapf diese Träume auf dem Gewissen«, antwortete Maja. »Trotzdem gelten sie Lenchen nun als ewige Wahrheit. Sie hat mir gesagt, daß das ein ernster Fingerzeig sei, daß sich die Göttin uns anvertrauen wolle, und daß wir unter keinen Umständen versäumen dürften, sie bei uns aufzunehmen. Sie besteht darauf, daß wir die Statue besichtigen, noch bevor wir in Athen sind. Herr Zapf wird sie uns gerne zeigen. Er ist sich übrigens mit seiner Göttin vollkommen über den Preis einig: fünfzigtausend Mark. Keineswegs die Millionen, von denen die Sachverständigen sprachen. Und all das, weil wir nun einmal eine so vertrauenerweckende Familie sind!«

»Und was hast du Lenchen gesagt?« fragte Charlotte.

»Was konnte ich ihr sagen?« erwiderte Maja. »Zunächst habe ich versucht abzulehnen. Ohne Papa werden wir schließlich doch nicht kaufen. Aber du kannst dir nicht vorstellen, wie Lenchen da angefangen hat zu bitten! Sie habe es Herrn Zapf versprochen. Und wir müßten Herrn Zapf den Gefallen tun. Eine Hand wäscht die andere, hat Lenchen gesagt. Und wenn wir's Herrn Zapf abschlügen, wer wüßte, was dann in Griechenland aus uns wird? Er könnte sich kränken und seine schützende Hand entziehn. Und so hab' ich mich erweichen lassen und versprochen, die Göttin heute früh zu besichtigen.«

In diesem Augenblick erschien Lenchen auf der Treppe, machte einen eckigen Knicks vor ihrer Herrschaft und sagte:

»Herr Zapf läßt bitten.«

»Eine Göttin läßt bitten«, sagte Charlotte. »Haben wir schon jemals eine so ehrenvolle Einladung bekommen?«

Alle drei folgten nun der Zofe, die sie über zahlreiche Treppen und durch die unteren Gänge des Schiffs bis in einen kleinen Laderaum geleitete, wo ihnen Herr Zapf bereits mit goldenen Zähnen und blitzeblankem Kneifer entgegenlächelte.

»Der Herr ist Archäologe?« fragte er, als er mit Durkley bekannt gemacht wurde.

»Ja, Herr Zapf«, antwortete Charlotte sehr bestimmt.

Dabei fing sie einen verblüfften Blick von Lenchen auf und sah zugleich, wie Herrn Zapfs Zähne und Kneiferglas den Glanz verloren.

Der Händler öffnete nun eine Kiste, räumte sorgfältig und recht umständlich eine Menge schützender Holzwolle beiseite und machte den Blick auf einen lebensgroßen Torso aus milchweißem Marmor frei. Es zeigte sich eine sehr glatte, süßliche, aber vorzüglich gearbeitete Figur; eine Hand, die noch erhalten war und in der Tat eine Fackel trug, bewies deutlich, daß ein geschickter Bildhauer die Göttin geschaffen hatte. Aber seine Geschicklichkeit war zu groß gewesen, um glaubhaft zu sein.

»Ende des vierten Jahrhunderts«, sagte Herr Zapf.

Alle schwiegen.

»Fundort: Attika«, sagte Herr Zapf.

Stille.

»Stellt vielleicht Demeter dar«, erklärte Herr Zapf. »Ephesischer Kult. Erstklassiges Stück. Millionenobjekt.«

Peinliche Stille. Lange, peinliche Stille.

Bis plötzlich Lenchen ihre Fistelstimme erhob, ihre Äuglein voll Gefühl auf den Marmor richtete, ihr Köpfchen kennerisch auf die Schultern neigte und sagte:

»Ist sie nicht wundersüß, gnädige Frau?«

Da konnte Charlotte, so viel Mühe sie sich auch gab, das Lachen nicht mehr zurückhalten. Maja aber legte ihr fest die Hand auf die Schulter, brachte sie wieder zum Schweigen und sagte dann:

»Wir danken Ihnen, Herr Zapf. Es hat uns sehr interessiert. Wenn mein Mann nach Griechenland kommt, so wird er sich die Statue ebenfalls ansehen.«

Mit diesen Worten wandte sie sich um und kehrte, von Charlotte und Durkley gefolgt, an Oberdeck zurück.

»Wenn das keine Fälschung ist!« meinte Durkley, als die drei wieder allein waren. »Ich möchte nur wissen, warum der Mensch die Statue nach Griechenland bringt.«

»Wahrscheinlich gerade, weil es eine Fälschung ist«, antwortete Charlotte. »Er denkt, wenn die Göttin erst einmal in Hellas war, dann wird man sie auch für eine echte Hellenin halten. Aber, um der zu opfern, muß man wirklich gläubig wie Lenchen sein!«

Als Charlotte etwas später in Lenchens Kabine hinunterkam, fand sie die Gläubige der Fackelgöttin im tiefsten Schmerz. Sie kniete neben ihrer Koje, wühlte ihren unauflöslichen Haarknoten in die Kissen und schluchzte so furchtbar, daß sich ihr Rücken ununterbrochen hob und senkte.

»Aber Lenchen!« rief Charlotte. »Aber Lenchen, was gibt es denn?«

Lenchen brachte kein Wort hervor.

»Aber sagen Sie doch, Lenchen, was ist denn so schlimm?«

»Jetzt, wo wir ankommen!« stöhnte die Zofe. »Jetzt, Fräulein Charlotte, haben Sie sie beleidigt!«

»Aber wen denn, Lenchen?«

»Die Göttin, Fräulein Charlotte! Ja, die Göttin! Und außerdem Herrn Zapf. Er war empört darüber, daß Sie gelacht haben. Ich weiß es ja, Fräulein Charlotte, daß Sie nur mich ausgelacht haben und gar nicht die Göttin. Weil ich so etwas immer so dumm sage. Aber Herr Zapf hat das nicht glauben wollen. Er sagt, daß ihm noch nie dergleichen vorgekommen wäre. Seit Jahren sei er beim Kunsthandel, mit großem Ernst und viel Erfolg. Und wenn man das Geld habe, zu kaufen, so habe man deswegen noch nicht das Recht, zu lachen. Und wissen Sie, Fräulein Charlotte, was er noch gesagt hat?!«

Bei dieser Frage wendete Lenchen Charlotte ihr tränenüberströmtes Gesicht zu.

»Er will sich das hinter die Ohren schreiben, hat er gesagt. Er denkt nun nicht mehr dran, hat er gesagt, uns in Griechenland mit Rat und Tat beizustehn, wie er's ursprünglich vorhatte. Stellen Sie sich das bloß vor! Jetzt, wo auch Herr Doktor Hammer auf der Korintheninsel verlorengegangen ist. Wo wir ganz allein sind, hilflos und verlassen!«

Lenchen brach wiederum in wildes Weinen aus. Und es dauerte sehr lange, bis Charlotte sie so weit beruhigt hatte, daß sie den Versuch wagen konnte, der Zofe zu erklären, was eine Fälschung, und daß das eine Fälschung sei.

Eine Weile hörte sich Lenchen diese Erklärung an. Dann aber erwiderte sie mit einer Bestimmtheit, die Charlotte sonst nicht an ihr kannte:

»Da will ich Ihnen nur einmal etwas sagen, Fräulein Charlotte. Sie haben mir zwar schon viele Bären aufgebunden, aber den binden Sie mir nun nicht mehr auf! Ich weiß es jetzt, denn Herr Zapf hat es mir gesagt, daß es in Griechenland keine geflügelten Löwen gibt, sondern nur ganz gewöhnliche Löwen. Und daß der Mädchenhandel nicht durch uniformierte Leute betrieben wird, wie Sie mir in Venedig gesagt haben, sondern durch Neger. – Ach, lachen Sie nur nicht! Das ist sehr traurig, Fräulein Charlotte, daß Sie mir so etwas gesagt haben. Wenn Sie nicht so übertrieben hätten mit den Flügeln und mit den Uniformen, da hätte ich mich doch ein bißchen weniger gefürchtet. Tut es Ihnen da nicht leid, daß Sie mir nun wieder solch eine Sache sagen wollen, an die kein Mensch glauben kann? Meinen Sie vielleicht, ich soll wirklich glauben, der Herr Zapf ist so ein großer Künstler, daß er solch eine Göttin machen kann? Da fragen Sie nur einmal Ihren Herrn Vater! Der weiß das. Warum sind denn diese alten Sachen so teuer? Weil's heute kein Mensch mehr fertigbringt, so was zu machen. Und selbst wenn sie keinen Kopf und keine Beine mehr haben, dann sind sie immer noch wertvoller als unsere mit Kopf und mit Beinen. Lassen Sie sich das gesagt sein, Fräulein Charlotte, wenn Sie Archäologie studieren wollen!«

Zum Glück betrat Maja in diesem Augenblick die Kabine, und Lenchen schwieg. Denn sonst hätte Charlotte mit ihrem lauten Lachen die Zofe noch ärgerlicher gemacht, als sie schon war.

»Die Berge von Athen sind in Sicht!« rief Maja.

Wenige Augenblicke später stand Charlotte an Deck: in der hellen Sonne des Märzmorgens.

Aus allen Richtungen des Himmels schwammen Berge heran. Hohe, durchschattete. Kleine, durchleuchtete. Breit gelagerte. Zierlich gezackte. Klippen. Inselberge und Halbinseln. Weit gerundete, festländische Rücken. Sie alle trug das Meer auf dunkelblauen Wellen, sie alle umblühte der Wind mit flockigem Schaum. Die Sonne war über ihnen, durchdrang ihre veilchenfarbenen Felsen, ihre goldigen Ufer; sammelte Licht in den riesigen Prismen ihres kristallischen Innern und warf es zum Himmel zurück, den es überglimmerte wie eine Kuppel aus Wundergranit. Kein Strahl war da ungebrochen, kein Schein ungespiegelt; keine Kraft des Himmels, die nicht vertausendfacht den Äther durchmessen und immer wiedergekehrt wäre. Aber die vielfachen Wege schwächten das Licht nicht: sie vervielfältigten es zu einem allgegenwärtigen und allgewaltigen Gefunkel, zu einem alles durchdringenden Feuer, in dem die Farben schillernd dahinschmolzen, die Umrisse weich wurden und dennoch Linien und Farben so klar und rein blieben, daß man meinen konnte, vor den Urelementen des Erdbaus zu stehen.

Das waren die Berge Athens: der Saronische Golf mit seinen Inseln, Buchten und Bogen, die Kykladische Mauer und die attischen Gipfel. Ein Riesenrund, vom Meere ganz erfüllt.

Ganz fern durchbrach ein spitzer Berg mit einem weißen Kirchlein den Dunst der Ebene. Im Vorübergehn erklärte der Kapitän Charlotte, daß es der Lykabettos über Athen sei.

Charlotte vergaß, daß sie auf dem »Quirinale« stand, vergaß die Reise, die hinter ihr lag, die Sorgen über Hammers Schicksal, Durkleys trauriges Tagebuch und alles, was sie seit Tagen beschäftigt. Sie sah nichts anderes mehr als See, Land und Himmel und die sonnenreichen Berge Athens.

Sie mochte vielleicht eine halbe Stunde so gestanden sein, allein, weit über die Reling gelehnt, vom Wind umspielt – ohne Gedanken, ohne Erinnerung an das, was gewesen war –, verloren in die Betrachtung der Landschaft, als sie Schritte hinter sich hörte.

Es war Thomas Durkley.

Charlotte wandte sich um, sah ihn an.

Nein, wie er wieder aussieht! dachte Charlotte. Wie ein Höhlenbewohner, der plötzlich ans Licht der Sonne tritt! Wie ein farbloser Lurch!

Durkley schien vollkommen erschöpft. Seine Haut durchsichtig, seine Haare fast silbern. Seine Nasenflügel hell und durchleuchtet wie Pergament. Seine Augen unendlich tief, grundlos und grenzenlos.

Wie kam solch ein Mensch plötzlich in die Sonne?

»Durkley!« sagte Charlotte. »Wie sehn Sie aus!«

Der Engländer schwieg.

»Haben Sie schlecht geschlafen?«

»Sehr schlecht«, erwiderte er.

»Seltsam, daß ich das jetzt erst sehe«, meinte Charlotte. »Vorhin ist es mir weiter gar nicht aufgefallen, vorhin, als wir zusammen bei der Statue waren. Erst jetzt! Wenn ich Sie so in der Sonne sehe, in dieser herrlichen Landschaft.«

»Da finden Sie mich abscheulich, Charlotte?«

»Ach, reden Sie doch nicht solchen Unsinn, Durkley!« gab Charlotte zurück. »Sie sehen einfach schlecht aus. Wie ein Mensch, der zu wenig schläft, sich zu viel Gedanken macht und da drunten in seiner Kojenhöhle Verse schreibt. Und nun wollen Sie gar nicht zu diesem strahlenden Himmel passen. Das ist alles.«

»Ich werde niemals zu etwas Strahlendem passen«, antwortete Durkley mit dumpfer Stimme.

Charlotte sah ihn an.

Das war eine Antwort, die ihr gar nicht gefallen wollte. Diese Traurigkeit, diese fast gewaltsame Traurigkeit! So etwas dachte man vielleicht. So etwas schrieb man vielleicht in ein Tagebuch. Aber man sagte es nicht!

Redensarten, nichts wie Redensarten! Gefielen Durkley die Redensarten nicht überhaupt ein bißchen zu sehr?

Das hätte sie ihn gerne selbst gefragt. Aber sie schwieg. Bis Durkley nach einer Weile mit Feierlichkeit erklärte:

»Ich gehöre nicht mehr in die Sonne, Charlotte.«

Aber dieser Satz, der sie noch mehr ärgerte als der erste, brachte Charlotte zum Sprechen:

»Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen, Durkley. Aber ich sage Ihnen, daß ich Sie reichlich pathetisch finde! Und daß ich gar keine Lust habe, Ihre Redensarten ernst zu nehmen. Ich habe überhaupt in diesem Augenblick Lust, nur diese Landschaft hier ernst zu nehmen. Und alles andere gar nicht!«

Durkley sah sie so betrübt an, wie noch niemals auf dieser ganzen, für ihn so schmerzlichen Reise. Dann ging er mit langen Schritten auf Deck auf und ab.

Sie fragte sich einen Augenblick, ob sie eigentlich ein Recht habe, so mit ihm zu sprechen und ihn anders zu wollen, als er eigentlich war. Das – das Pathetische – schien einmal seine Art, sich auszudrücken. Und vielleicht hörte sich das auch auf englisch ganz anders an, so wie es sich in seinem englisch geschriebenen Tagebuch anders ausnahm.

Aber dann kam Charlotte zu dem Schluß, daß man doch ein Recht hätte, sich auch einmal über einen Menschen zu ärgern, wenn er mit seinen Klagen gar nicht in solch eine Heldenlandschaft hineinpassen wollte.

Ich darf mich so viel über ihn ärgern, wie ich will! dachte Charlotte trotzig. Und ich darf's auch sagen! Denn er hat sonst niemand, der einmal offen mit ihm spricht, und der ihm so wohlwill wie ich.

Und sie fand es nun wieder einmal recht gut, daß sie Durkleys Tagebuch gelesen, und daß sie ihn kannte, wie sie ihn kannte; und daß sie genug von ihm wußte, um ihm helfen zu können. Wenn er erst einmal aufhören würde, solche Dinge zu sagen, dann würde er sie vielleicht in Kürze auch nicht mehr denken. Und zuversichtlicher und mutiger werden.

Fürs erste aber sah er noch trauriger aus als zuvor: Charlottens Angriff hatte ihn hart getroffen. Er tat ihr so aufrichtig leid, daß sie ihn anhielt, als er auf seinem unruhigen Spaziergang wieder an ihr vorüberkam, und ihm eine Stelle an der Küste wies, wo sich ein rundes, goldgelbes Kap mit weißen Häusern vom Ufer löste.

»Glauben Sie nicht, Durkley, daß das schon der Piräus ist?« fragte sie, um ihr Gespräch neu zu beleben.

Er sah sie seltsam an. Er hatte offenbar eine ganz andere Antwort, vielleicht sogar eine Entschuldigung erwartet. Und Charlotte hätte ihm auch etwas anderes sagen wollen; ihre Gedanken waren lange damit beschäftigt gewesen, bessere, unmittelbar versöhnende Worte zu finden. Denn sie fühlte, wie tief Durkley gekränkt war. Sie wußte auch, daß sie ihm etwas verübelt, was er gar nicht kennen und wissen konnte. Sie wußte auch, daß sie sich im Unrecht befand. Aber etwas anderes als diese Frage war ihr nun einmal nicht eingefallen.

»Schon möglich, daß das der Piräus ist«, sagte Durkley. »Die Reise ist bald vorüber.«

»Schade!« meinte Charlotte herzlich. »Aber wir können uns ja in Athen immer sehen, wenn wir wollen.«

»Ich fürchte, daß ich sehr viel zu tun haben werde«, erwiderte Durkley.

Und er ging rasch, unter dem Vorwand, seine Sachen packen zu müssen.

Charlotte aber blieb traurig zurück. Warum hatte sie nicht Klugheit und Geschicklichkeit genug besessen, um wieder gutzumachen, was den armen Thomas Durkley so gekränkt? Und würde sie noch Zeit haben, es wieder gutzumachen, solange sie noch hier auf dem Schiffe beisammen waren?

Denn der »Quirinale« näherte sich jetzt immer mehr dem Piräus. Auf flachen, goldgelben Felsen reihten sich weiße Häuser dem Ufer zu. Über einem niedrigen hellen Hügel ragten eine Reihe dunkler Schlote, über Mastengittern stieg eine graue Rauchsäule auf. Ein großes Segel, dessen Schiff nicht zu sehen war, strich hinter einer Zinnenmauer vorüber.

Dann ging der Dampfer um ein Kap, zwischen einer schweren Mauerbarriere hindurch, und glitt nun langsam in den Vorhafen, während er wiederholt mit lauter Stimme seine Ankunft ausrief und die Flaggen und Wimpel emporglitten.

Auch die Passagiere, die bisher in den Kabinen mit Packen beschäftigt gewesen waren, kamen nun wieder hervor, betrachteten die Einfahrt. Giorgini unterhielt sich mit Maja, die wartend in einem Bordstuhl saß. Lenchen bewachte in der Nähe ihrer Gnädigen die aufgestapelten Taschen und Mäntel. Auf dem Hinterschiff sah man Herrn Zapf auf seinem braunen Koffer sitzen.

Nur Durkley fehlte.

Wahrscheinlich schreibt er wieder einmal Tagebuch, dachte Charlotte. Und wahrscheinlich schreibt er diesmal auch recht viel über mich; über das unnütze, dumme Zeug, das ich ihm da vorhin gesagt habe.

Und ich werd' es nicht mehr lesen können! dachte Charlotte. Und ich werde nicht wissen, was er in Athen vorhat und ob ich ihm helfen kann!

Sehr erregt durch diese Gedanken sah sie, wie sich der Dampfer nun allmählich dem Landeplatz näherte, wie er schließlich vor dem häßlichen grauen Zollhaus, in den schmutzigen Wassern des Innenhafens Anker warf.

Die Fahrt war beendet.

Fünf Tage auf See! Was hatte sich in diesen fünf Tagen nicht alles ereignet?!

Ein schrilles, hartnäckiges Pfeifen schreckte Charlotte aus ihren Gedanken. Es war das Dampfboot der Behörden, das sich einen Weg durch die Menge der das Schiff umschwärmenden Ruderboote bahnte und an der Falltreppe anlegte. Eine Abteilung bewaffneter Matrosen der Hafenwache stieg an Bord, besetzte alle Ausgänge des Schiffes, während ihr Befehlshaber, ein griechischer Marineoffizier, aufs Sonnendeck hinaufging, um den Kapitän des »Quirinale« aufzusuchen.

Bald darauf sah Charlotte die beiden wieder die Treppe herunterkommen: der dicke Italiener und der hagere Grieche machten gleich ernste Gesichter.

Coccumella trat auf Maja zu:

»Verzeihen Sie, Madame. Können vielleicht Sie mir sagen, wie der blonde Österreicher heißt, der dort drüben auf dem Deck der zweiten Klasse sitzt?«

Maja konnte sich nicht gleich des Namens entsinnen, wandte sich deswegen an Lenchen.

»Zapf! Herr Emil Zapf!« sagte die Zofe mit Nachdruck.

Die kleinen listigen Augen Coccumellas und die kohlschwarzen des Griechen begegneten sich in einem verständnisvollen Blick.

»Emil Zapf«, wiederholte der Commendatore, indem er sich vergeblich um eine korrekte Aussprache des fremdländischen Namens bemühte.

Der Grieche nickte.

Er winkte zwei seiner Matrosen, die neben der Falltreppe standen, herbei und ging mit ihnen nach dem Hinterdeck. Man sah ihn auf Herrn Zapf zutreten, ihm kurz eine Mitteilung machen. Dann nahmen die Bewaffneten den Österreicher, der mühsam seine Sachen trug, in die Mitte, führten ihn, vorbei an Maja und Lenchen, über das Promenadendeck, ihrem Boote zu.

Lenchen sprang auf:

»Aber gnädige Frau!«

Charlotte wandte sich um, sah sich die Zofe an, die mit verzweifeltem Blick Herrn Zapf nachschaute, wie er die Falltreppe hinuntergeführt wurde.

»Aber Fräulein Charlotte!« rief Lenchen.

»Ja, da ist nichts zu machen«, antwortete Charlotte. »Herr Zapf ist verhaftet worden.«

»Verhaftet?« fragte Lenchen fassungslos.

»Wissen Sie warum, Herr Kapitän?« wandte sich Charlotte an Coccumella.

»Er soll mit Fälschungen von Antiken handeln«, antwortete der Commendatore.

»Er soll mit Fälschungen von Antiken handeln«, übersetzte Charlotte für Lenchen.

Die Zofe begann zu weinen. Und ihr Weinen steigerte sich so heftig, daß Charlotte sie bei der Hand nehmen und in den Salon führen mußte, wo sie verzweifelt auf einem Sofa niedersank.

»Aber warum weinen Sie denn schon wieder?« fragte Charlotte. »Hatten Sie denn Herrn Zapf so gern?«

Lenchen weinte weiter.

»Aber hören Sie doch auf, Lenchen!«

Die Zofe schluchzte laut.

Doch plötzlich richtete sie sich auf, sah ihr gnädiges Fräulein streng und sogar etwas herausfordernd an und sagte:

»Das kommt davon, wenn man in solche Länder fährt! Wo es nichts anderes gibt wie Lumpenpack! Wo man sogar einem Landsmann nicht mehr trauen kann! – Und nun sehen Sie selbst, Fräulein Charlotte, wie Sie mit diesem Griechenland fertig werden!«

Mit festem Schritt kehrte Lenchen auf Deck zurück. Ihr Gesicht verriet klar und deutlich, daß sie entschlossen war, Schotts dem grausigen Schicksal, das sie in Griechenland erwartete, zu überlassen.

Inzwischen war das Schiff freigegeben worden: das Deck wimmelte von Bootsleuten, Trägern, Händlern, die ihre Dienste anboten.

Giorgini, mit Mänteln und Taschen beladen, kam rasch vorüber.

Wie eilig der's plötzlich hat! dachte Charlotte. Nachdem man so viele Tage zusammen verbracht und so langsam gereist ist.

»Auf Wiedersehn, Madame! Adieu, Mademoiselle! Sie wohnen doch auch im ›Kronprinzen‹? Natürlich. Ich werde mich melden. Ich rufe an!«

Und schon war er verschwunden.

Er sah gar nicht so aus, als ob er anrufen würde: so sehr war er schon von neuen Gedanken und Geschäften in Anspruch genommen.

Auch der Kapitän ging vorüber. Hatte man nicht viele Tage hindurch an seinem Tisch gegessen? Aber auch er verabschiedete sich sehr rasch und ein wenig oberflächlich. Man sah es ihm an, daß er sich gewohnheitsmäßig verabschiedete. Und dann war er schon von der bevorstehenden Korinthenladung in Anspruch genommen!

»Nun könnten wir auch an Land gehen«, sagte Maja.

»Wollen wir nicht auf Durkley warten?« antwortete ihre Tochter. »Er packt noch.«

Und sie warteten.

Inzwischen kam ein Herr an Bord, ein sehr langer, hell gekleideter, blonder Herr, dem man ohne Mühe den Engländer ansah. Er suchte offenbar einen Bekannten.

»Der sucht Durkley«, sagte Charlotte zu ihrer Mutter. »Wahrscheinlich ein Kollege von der englischen Gesandtschaft.«

Und tatsächlich fragte der Herr soeben einen Steward, ob Herr Durkley an Bord sei. Der Steward, der kein Englisch verstand, wandte sich mit fragendem Blick an Charlotte.

»Herr Durkley?« antwortete Charlotte dem Fremden. »Ja. Ja, natürlich. Ich werde ihn schnell holen.«

Und ehe der Fremde etwas erwidern konnte, war Charlotte im Stiegenhaus verschwunden.

Sie lief rasch durch die Gänge auf Durkleys Kabine zu:

»Durkley! Durkley!«

Keine Antwort.

»Durkley!«

Sie klopfte an die Tür.

Wieder keine Antwort.

Sie trat ein.

Da stand Durkley über seine Koje gebeugt und schrieb. Schrieb mit fieberhafter Hast. Und bemerkte Charlotte gar nicht.

»Wir sind angekommen«, sagte sie laut.

Er schrak zusammen:

»Wo?«

»Im Piräus!« antwortete Charlotte. »Und oben ist ein Herr, der wartet auf Sie. Ein Herr von der Gesandtschaft.«

Ohne ein Wort zu sagen, verließ Durkley die Kabine und eilte an Deck.

Charlottens Rechnung war also aufgegangen, ihr Wunsch erfüllt: sie sah sich allein mit dem, was er in dieser letzten Stunde der Seefahrt geschrieben. Und nun las sie in

Thomas Durkleys Tagebuch

das Folgende:

 

»An Bord, Dienstag.

Es bleibt mir keinerlei Anlaß, dies Leben zu lieben.

Charlotte haßt mich.

Ein Wort von mir – ich weiß, daß es ein wenig pathetisch wirken konnte – hat sie in eine Stimmung versetzt, hat sie mit einer Härte zu mir sprechen lassen, die für mich fast noch schwerer zu ertragen war als Majas freundliche Gleichgültigkeit. Es war ein Unterton von Verachtung darin. Die Verachtung, die ein lebenstüchtiger Mensch gegenüber einem lebensuntüchtigen empfindet.

Ich will Charlotte nicht ein Recht absprechen, das ich mir selbst zugestehe: das Recht, mich zu verachten. Ich stelle nur fest, daß ihr heutiger Angriff mir den Todesstoß gegeben hat.

Es war aber auch die rechte Zeit!

Dies sind die letzten Seiten meines Tagebuches. Ich will, daß sie von den letzten Stunden meines Lebens handeln. Und von meinem Tode. Nicht etwa um einer Vollständigkeit willen, die mir gleichgültig ist. Sondern deswegen, weil Maja durch dieses Tagebuch erfahren muß, wie es mit mir stand und wie es mit mir zu Ende ging.«

 

Wenn er nur nicht so lange Sätze schriebe! dachte Charlotte. Wenn er nur nicht so umständlich wäre!

Werde ich noch Zeit haben, das alles zu lesen?

Ungeduldig und aufgeregt horchte sie einen Augenblick. Im Gang war es noch still. Dann nahm sie eilig das Wachstuchheft wieder zur Hand:

 

»Es war mein Plan, mich doch noch Charlotte anzuvertraun. Der heutige Morgen hat auch diese Hoffnung vernichtet. Ich kann nur noch zu Maja selbst sprechen. Und so sei hier festgehalten, was ich noch sagen muß. Und was wohl am besten nur sie, niemand anders als sie erfährt.

Zunächst die Tatsachen.

Der heutige Tag wird mit Verpflichtungen vergehn, denen ich mich nicht entziehen kann, ohne ein Aufsehen zu erregen, das ich unter allen Umständen vermeiden will. Die Kollegen von der Gesandtschaft werden sich um mich kümmern wollen. Der Gesandte wird mich einladen. Ich werde weder Maja noch Charlotte sehn. Nachmittags könnte ich vielleicht sogar die Akropolis besuchen. Es wird besser sein, nicht zu sterben, ohne die Akropolis gesehen zu haben.

Für den Tod bleibt die Zeit um Sonnenuntergang.

Charlotte hatte mir den Tourismus so sehr empfohlen, hatte mir geraten, mich ein wenig mehr nach dem Reiseführer zu richten und nicht überall ›Seelenhäuser‹ zu baun. Gut. Ich habe ihren Rat befolgt. Der Baedeker hat mir geholfen.

Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß das Dionysostheater nicht der rechte Ort ist, um zu sterben. Im Führer steht zu lesen, daß die Athener dort an warmen Abenden spazieren; und ich will ihre Freude nicht stören. Aber ein anderer Ort in der Umgebung Athens ist da im Buche verzeichnet, der mir sehr, sehr geeignet erscheint.

Er liegt in den Vorbergen des Hymettos.

Man gelangt auf Fußwegen dorthin. Erst muß man eine trockene Ebene durchqueren. Dann schlängelt sich ein Pfad durch Felsen. Bis man schließlich ein kleines Tal betritt, in dem eine Quelle Wunder verrichtet. Sie soll herrliche Bäume, Zypressen, Granatäpfel und Lorbeer dort zwischen die steinernen Berge gezaubert haben. Ihr Wasser entströmt einem antiken Widderkopf aus pentelischem Marmor. Über der Quelle steht eine alte byzantinische Kirche.

In diesem Tal wird man mich finden.

Und damit die, die diese Zeilen liest, nicht fehlgehen kann, so sei hier – nach Baedeker – eine genaue Wegbeschreibung gegeben. Zunächst vom königlichen Schloß die Kephissiaallee hinaus. Dann rechts durch die Vorstadt. Dann ein weiter, sandiger Weg.«

 

An dieser Stelle brach Thomas Durkleys Tagebuch ab. An dieser Stelle war er durch Charlottens Kommen unterbrochen worden. Die weitere Beschreibung des Weges fehlte. Ebenso der Name des Tals, zu dem er hinführen sollte.

Charlotte hatte gerade zu Ende gelesen, als sie Schritte auf der Treppe hörte. Es waren deutlich Durkleys Schritte.

Es blieb ihr gerade noch die nötige Zeit, um das Tagebuch in die Koje zurückzulegen, auf den Gang hinauszutreten. Dann kam Durkley.

»Nun?« fragte sie, indem sie sich rasch zusammennahm. »Gehn wir an Land?«

»Sofort«, antwortete der Engländer, verschwand in der Kabine und kehrte gleich darauf mit seiner Handtasche zurück.

Sie gingen zusammen die Treppe hinauf.

»Der Herr war doch gekommen, um Sie abzuholen?« fragte Charlotte.

Durkley nickte.

»Und um Sie uns gleich zu entführen?«

Durkley nickte wieder nur.

»Und wann sehn wir Sie wieder?«

»Ich werde anrufen«, antwortete Durkley unsicher.

»Vielleicht heute abend?« fragte Charlotte und sah ihn sehr herzlich und freundlich an.

»Wenn man mir irgend Zeit läßt«, erwiderte er.

Sie waren inzwischen an Deck gekommen. Der Herr, der Thomas Durkley abholte, hatte bereits einen Ruderer gedingt, das Gepäck verstauen lassen und wartete an der Falltreppe.

»Sie werden schon unten im Boot erwartet«, sagte Maja.

Durkley, der einen sehr verwirrten Eindruck machte, schüttelte Maja die Hand. Er lachte dabei. Er nahm ihre Hand noch einmal, schüttelte sie wieder. Und lachte noch lauter. Dann ergriff er Charlottens Hände. Endlich wandte er sich jäh um und eilte der Falltreppe zu.

»Wir sehen Sie bald?!« rief ihm Maja nach.

Er hat das »wir«, das er so sehr haßt, nicht mehr gehört, dachte Charlotte.

Kurz darauf saßen auch Schotts und Lenchen in einem Boot und ließen sich an Land rudern.

Kaum aber hatte ihr Auto das Zollhaus verlassen und holperte durch die unebenen Straßen des Piräus der attischen Ebene zu, suchte Charlotte aus einer Reisetasche den Baedeker hervor. Trotz der kräftigen Stöße, die den Wagen immer wieder emporwarfen, begann sie sehr aufmerksam darin zu suchen und zu lesen.

Und sie sah auch nicht von ihrem Buche auf, als sie bereits den Phaleron durchfuhren und auf der schnurgeraden Landstraße, die Athen mit dem Meere verbindet, der Akropolis entgegeneilten.

»Sieh doch, Charlotte«, rief Maja, als die Burg in Sicht kam. »Die Akropolis!«

Charlotte warf nur einen kurzen Blick aus dem Fenster und vertiefte sich sofort wiederum in das Buch.

Er liegt in den Vorbergen des Hymettos, dachte Charlotte. Welche Orte, welche Täler gibt es in den Vorbergen des Hymettos? Mit einem antiken Brunnen und einer byzantinischen Kirche?

»Aber sieh dich um, Kind«, sagte Maja. »Die Stadt ist schon ganz nah. Ich erkenne die Tempel der Burg, das Olympieion, den Lykabettos.«

»Gewiß, Mama«, antwortete Charlotte zerstreut.

»Ich finde, daß du den Führer doch schließlich nachher im Hotel lesen kannst«, meinte Maja. »Was interessiert dich denn darin so sehr?«

Sie warf einen Blick in den Baedeker.

»Die Umgebung von Athen?« fragte sie erstaunt. »Warum denn die Umgebung? Wir sind doch gleich in der Stadt!«

Wenn ich Mama doch nur die Wahrheit sagen könnte! dachte Charlotte.

Aber sie sah ein, daß es jetzt nicht ausfindig zu machen war, wo der Ort lag, von dem Durkley in seinem Tagebuch geschrieben. Sie legte also den Führer beiseite und versuchte sich anzuschaun, was es unterwegs zu sehen gab.

Sie glitten in eiligster Fahrt über die asphaltierten, von dünnblättrigen Pfefferbäumen kaum beschatteten Alleen. Weiß und staubig reihten sich bescheidene Häuser am Weg. Ihre Fronten beschien die Sonne mit erbarmungslos hellem Licht. Doch im Westen, über den Hängen des Hymettos, zogen sich dunkle Gewitterwolken zusammen.

Sie fuhren am königlichen Garten vorbei, dessen frisches Grün ihren Augen wohl tat. Sie erblickten den quadratischen, marmorweißen Bau des Schlosses. Dann bog das Auto in die Kephissiaallee ein und hielt endlich vor dem Garten des Hotels »Zum Kronprinzen«.

Also hier beginnt der Weg, der in jenes Tal führt, dachte Charlotte. Sie erinnerte sich genau daran, daß in Durkleys Tagebuch vom königlichen Schloß und von der Kephissiaallee die Rede gewesen war.

Maja betrat rasch die Hotelhalle, ging auf das Empfangsbureau zu, nannte ihren Namen und fragte:

»Keine Post für mich angekommen?«

Der Sekretär reichte ihr ein dickes buntes Bündel von Briefschaften. Hastig blätterte es Maja durch, fand zuunterst ein Telegramm und öffnete es eilig. Es lautete:

»Bitte herzlichst, sich nicht zu beunruhigen, aber auch nicht mehr mit mir zu rechnen. War diese Flucht meiner Würde schuldig. Hammer.«

Maja lächelte, so wie auch Charlotte lächeln konnte: mit ein ganz klein wenig Spott. Sie fühlte sich, trotz allem, sehr beruhigt.

»Hammer?« fragte Charlotte.

Maja nickte.

»Kommt er?«

Maja schüttelte verneinend den Kopf.

»Da werden wir Griechenland eben nicht mit Hammer, sondern mit Baedeker sehen«, meinte Charlotte fröhlich. »Und mit unsern eigenen Augen.«


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