Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebzehntes Kapitel.

Die erste Woche des März war angebrochen. Je näher der von den Astronomen für die Hochzeit als günstig bezeichnete Tag heranrückte, desto mehr machte sich eine geheimnisvolle Bewegung in dem alten Palaste fühlbar – es war, als ob ein träges Ungeheuer sich schwerfällig im Schlafe schüttle.

Das erste Lebenszeichen bestand in einer großen, im offenen Hofe abgehaltenen Tanzbelustigung. An den Gitterfenstern der Frauengalerieen drängten sich bei dieser Gelegenheit die Gesichter eng aneinander, denn jedermann wollte die berühmten Tempelmädchen von Tripura tanzen sehen, von denen es hieß, daß es im ganzen südlichen Indien nicht ihresgleichen gebe. Unten im Hof saßen die Männer mit starren, gleichgültigen Mienen, obwohl sie sich sicherlich am Lärm des Tamtam, den Feuerwerkskünsten und den wilden Klängen der heimatlichen Musik ergötzten. Ich selbst hatte mir einen abgesonderten Beobachtungsposten ausgewählt, von dem aus ich mir alles betrachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Mich enttäuschte jedoch der vielgerühmte Tanz aufs höchste, denn er bestand nur aus einigen hin und her schlürfenden Schritten, gezierten Stellungen, einem langsamen Auf- und Abbewegen wohlgeformter Arme, alles im Takt einer gellenden, häßlichen Musik. Um so besser gefiel mir das Feuerwerk.

Während ich aber den über den dunkeln Himmel hinfliegenden Leuchtkugeln nachschaute, hatte ich plötzlich das unangenehme Gefühl, daß jemand hinter mir stehe. Rasch wandte ich mich um und entdeckte Begur, die Allgegenwärtige.

»Ihre Hoheit die Rani Sundaram wünscht Sie in ihren Gemächern zu sprechen,« flüsterte sie mir zu.

»Mich sprechen? Wozu?«

»Das weiß ich nicht, nur daß es in einer dringenden Angelegenheit ist.«

»Und wann denn?«

»Sogleich. Ich werde Sie zu ihr führen, denn die Sache hat Eile.«

Ich brauche nicht zu sagen, daß diese Vorladung mich mit Besorgnis erfüllte, trotzdem wagte ich es nicht, mich ihr zu entziehen. Und so folgte ich denn meiner schwarzen Führerin weit, weit fort durch finstere, tunnelartige Gänge und matt erleuchtete Höfe in einen mir bisher gänzlich unbekannten Teil des Palastes. Endlich wurde ein gepolsterter Vorhang zur Seite geschoben: ich befand mich vor der Rani Sundaram.

Das Gemach war klein, mit kostbaren Teppichen belegt und enthielt einen Diwan, viele Kissen und ein Kaffeetischchen, auf dem ich eine mir wohlbekannte Kassette bemerkte. Außer dem »Hexenmeister« war noch ein zweiter, ein häßlicher, aufgedunsener Mann mit einem widerwärtigen Gesichtsausdruck anwesend, den ich noch nie zuvor gesehen hatte und dessen Art, mich anzustarren, unerträglich war.

Während ich meine Verbeugung vor der Rani machte, sagte sie: »Ich wünsche allein mit der Frau zu sprechen. Später wird euch Nachricht zugehen.«

Die beiden auf diese herrische Weise entlassenen Männer verneigten sich schweigend und verschwanden. Hierauf sagte sie zu mir: »Steh nicht hier vor mir wie ein Stock, sondern setze dich und höre, was ich dir zu sagen habe, du gelbhaarige Frau! Ich bedarf deiner Hilfe.«

»Worin könnte ich der Rani Sundaram wohl dienen?« stammelte ich.

»Schweige, und du wirst es erfahren. Du hast die Jasraperlen gesehen?«

Bejahend neigte ich den Kopf und ließ mich dann gehorsam auf die Kissen nieder.

»Es gibt ihresgleichen nicht wieder in ganz Indien. Sie zu besitzen bringt Ruhm, der von einem Ende der Erde bis zum andern strahlt. Sie bei einer Vermählungsfeier oder Audienz zu tragen, erweckt in den Herzen unzähliger mächtiger Könige Wut und Neid.«

Wieder neigte ich schweigend den Kopf.

»Dank deinem Volke ist unsre Familie in Bedeutungslosigkeit und Armut herabgesunken. Die Kriege mit den Weißgesichtern haben uns geschwächt. Nun aber fangen wir wieder an, unsre Häupter zu erheben. Dank meiner Fürsorge besitzen wir jetzt elf Geschütze. Wir haben eine Ehrenwache, wir haben vorteilhafte Familienverbindungen angeknüpft, und unsre Söhne und Töchter werden zur Ehe begehrt. Uns fehlt zur Befestigung unsrer einflußreichen Stellung nur noch der Besitz der Jasraperlen. Diese aber werde ich mir mit deiner Hilfe erringen.«

In sprachlosem Staunen lehnte ich mich an die Wand und starrte sie an. Mir war, als sei ich ein armes, durch den Blick einer Klapperschlange gebanntes Kaninchen. Sicherlich gelang es ihr, mich mit ihren entsetzlichen Augen zu hypnotisieren, um mich dann, bildlich gesprochen, zu verschlingen.

»Mr. Thorold, der Regierungsbevollmächtigte, ist ein strenger, unbeugsamer Mann, schneidig wie ein Schwert. Du kennst ihn und kannst ihn beeinflussen. Deine Macht ist ungeheuer; du sollst es mit ihm versuchen.«

»Ich? Wie könnte ich!«

»Die Antwort ist einfach: weil er in dich vergafft ist.«

»Nein, das ist er nicht,« sagte ich, mich hoch aufrichtend.

»Ruhe! Glaubst du, ich habe keine Augen, oder ich sei ein Dummkopf? Ich weiß, was ich sage. Sein ganzes Benehmen, wenn er sich nach deinem Ergehen erkundigt, verrät seine Liebe, und das Blut weicht aus seinem Gesicht, wenn man ihm sagt, du seiest krank. O, ich verstehe mich auf die Gesichter der Männer ... Widersprich mir nicht mehr, jetzt rede ich, und du hast zuzuhören. Ich habe Thorold Sahib gebeten, die Perlen zu kaufen und sie den Schätzen unsrer Familie einzuverleiben. Andre Staaten geben viel mehr Geld aus als wir. Nur diese Perlen verlange ich noch, dann will ich gern sterben. Er aber gerät schon bei der leisesten Anspielung in Zorn und schwatzt mir von Steuern, verheerenden Regenfällen und Mißernten vor. Davon will ich jedoch nichts hören; die Perlen will ich, ich habe nun einmal mein Herz daran gehängt.

»Was ich und mein Bruder Durigodana aber auch sagen mögen, es hilft alles nichts; wir predigen tauben Ohren. Die Rani Gindia und ihr Bruder benehmen sich dabei wie schwache Kinder und sagen nur immer: warte, o Mutter, warte! Und inzwischen,« fuhr sie fast schreiend fort, »kauft sie der Radscha von Ulu. Nicht eine Stunde ist zu verlieren. Höre wohl: du sollst nun mit Thorold sprechen und ihn überreden. Es wird zu deinem eigenen Vorteil sein. Merke dir: zehntausend Pfund schenke ich dir als Hochzeitsgabe, dann brauchst du nicht mehr zu arbeiten und zu dienen; kannst dein Leben und deine Jugend genießen und der Welt draußen deine Schönheit zur Schau stellen, wie es unter euch schamlosen Weibern ja Sitte ist.«

»Ich lasse mich durch keine Geschenke bestechen. Überdies habe ich nicht den geringsten Einfluß auf Mr. Thorold. Als ob er mir erlaubte, mich in die Staatsangelegenheiten einzumischen! Ich bin hier, um die Kinder zu unterrichten, und nicht, um mich mit Geldgeschäften zu befassen.«

»Du bist hier, um meinen Befehlen zu gehorchen! Glaubst du, ich, die Rani Sundaram, die seit vierzig Jahren über diesen großen Staat herrscht, ließe mir durch ein einziges erbärmliches Weißgesicht meine Hoffnungen vereiteln? Und groß ist deine Macht, o Närrin! Du brauchst sie nur zu erproben, brauchst nur zärtlich mit ihm zu reden, deinen Arm um seinen Nacken zu schlingen. Er ist auch nicht mehr als ein Mensch, dazu ein verliebter Mann, und Liebe und Klugheit wohnen nicht beisammen. Ein Kuß von deinen Lippen rettet ihm das Leben; dieser Kuß ist in Wahrheit der Preis der Jasraperlen.«

Ich machte die verzweifeltsten Anstrengungen, diese fürchterliche Frau zu unterbrechen, allein sie redete unbarmherzig weiter.

»Und bald mußt du meine Befehle ausführen, denn Ibrahim fängt an ungeduldig zu werden und droht mir, die Perlen wieder mit fortzunehmen. Sie haben großes Aufsehen an allen indischen Höfen erregt, und er behauptet, daß er noch andre Liebhaber dafür habe. Er ist eine gar schlaue Ratte ... Du wirst also mit dem Regierungsbevollmächtigten über die Sache reden, und wenn er sein Versprechen gegeben hat, so kann der Kauf sogleich abgeschlossen werden: die Makler sind schon im Palast, und die Perlen gehören dann uns.«

Ein Ausdruck der Verzückung huschte einen Augenblick über das eulenartige Gesicht, dann versank die Alte in tiefes Sinnen. Ohne Zweifel sonnte sie sich bereits in zukünftigen Triumphen.

»Wenn Mr. Thorold sich nun aber ein für allemal weigert?« unterbrach ich ihre Gedanken mit heiserer Stimme, denn Kehle und Lippen waren mir wie ausgedorrt.

»Dann,« – sie wandte sich nach mir um und schien mich mit einem langen, stechenden Blick durchbohren zu wollen – »dann komme sein Blut über sein eigenes Haupt und ... ja, und auch über dich! Du kannst ihn warnen,« – sie hielt inne, und ihre Augen sahen aus wie zwei von Pechfackeln beleuchtete Tintenkleckse – »es gibt noch mehr Regierungsbevollmächtigte in England!«

Taumelnd erhob ich mich von den Kissen und lehnte mich, nach Atem ringend, an die Wand. Das war also ein Kampf auf Leben und Tod. Deutlich las ich es in diesen entsetzlichen Augen.

»Eure Hoheit,« stammelte ich, »ich weise Ihr Geschenk zurück ... und ich habe auch keine Macht, Mr. Thorold zu bewegen, daß er seine Worte zurücknimmt.«

»Nun, er kennt mich! Sagte er nicht neulich zu dir, daß er meine Wege durchkreuzt habe und daß uns beiden noch einmal ein heftiger Kampf bevorstehe? Ich habe schon manchen Kampf ausgefochten und bin noch niemals erlegen. Sagte er nicht auch, ich hätte Krallen und daß die Krallen einer alten Katze gefährlich seien? Bald wirst du ihm gegenüberstehen, Miß Sahib, dann sage ihm alles, auch von deinen Ängsten; vor allem aber sage ihm, daß die Krallen einer alten Frau den Tod bringen. Nun geh!«

Sie klatschte in die Hände, worauf Begur, die Spionin, lautlos eintrat und mich mit großer Vorsicht in meine Wohnung zurückführte.

*

Viel Schlaf fand ich nicht in dieser Nacht. Während ich mich unruhig von einer Seite auf die andre wälzte, war es mir, als höre ich eine eintönige Stimme, gleichmäßig wie das Tick-Tack einer Uhr, die Worte wiederholen: »Die Perlen oder sein Leben! Die Perlen oder sein Leben!« Das dunkle Zimmer, die seltsamen Laute draußen, die entsetzlichen Worte, die ich vernommen und die mich verfolgten, und die wie Bienen in meinem Kopf herumsurrenden schwarzen Gedanken und Vermutungen verscheuchten den Schlummer. Es bestand kein Zweifel, die Rani Sundaram würde ihr Vorhaben um jeden Preis ausführen. Was galt ihr das Leben eines weißen Mannes? Nichts, gar nichts. Auch nicht an Wegen, Mitteln und Werkzeugen fehlte es ihr. War Mr. Thorold erst einmal unschädlich gemacht, so lag immerhin die Möglichkeit vor, daß sein Nachfolger nachgiebiger sein, sich eher in Verhandlungen einlassen und zu einem Vergleich bereit erklären würde.

»Sie wagt es nicht,« redete mir dann wieder die Vernunft ein. »Du siehst zu schwarz: die Einsamkeit und die Gefangenschaft hinter den hohen Mauern üben einen Druck auf deine Nerven und auf dein Gemüt aus. Du hast keinen Mut und kein Selbstvertrauen mehr.«

Endlich dämmerte der Morgen. Ich erhob mich, ging im Zimmer umher und badete meinen glühenden Kopf in frischem Wasser. Dann betete ich zu Gott wie König David in den beiden letzten Versen des hundertvierzigsten Psalms: »Behüte mich vor dem Strick, den sie mir legen, und vor den Fallstricken der Übeltäter. Die Gottlosen werden in sein Netz fallen; ich bleibe allein, bis ich hinübergehe.«

Wie konnte ich wohl den Schlingen dieser entsetzlichen Frau entgehen, die meine Hilfe zur Erreichung ihrer eitlen Zwecke und zu weiterer Bedrückung der armen Steuerzahler verlangte? Wenn sie sich nun in ihren Erwartungen getäuscht sah, wenn ich keinen Finger rührte und kein Wort zu ihren Gunsten sprach, was würde dann mein Los sein? Cholera- oder Fiebergift und der Tod?

Ich weiß nicht, wie ich an jenem Tage meinen Verpflichtungen nachkam. Das Lesen, Schreiben und Sprechen mit meinen kleinen Schülern wurde mir zur Qual, zudem war der kleine Radscha Kodappa ganz besonders mutwillig. Dann kamen die Klavier- und Gitarrestunden, und wenn die kleinen Mädchen auch ziemlich geschickte Fingerchen hatten, so ging ihnen doch jegliches musikalische Gehör ab. Diese Mißtöne waren wahre Folterqualen für meine hochgespannten Nerven, so daß ich mich mehr als einmal versucht fühlte, laut aufzuschreien und meinen Kopf gegen die Wand zu stoßen, wie es die Eingeborenen tun.

Endlich war alles überstanden, und die kleinen Quälgeister zogen ab. In der Nachmittagskühle flüchtete ich mich dann in den Garten, und zwar in den abgelegensten Teil, wohin sich die Damen des Palastes nur selten wagten. Ich habe ihn bereits beschrieben, jenen Zaubergarten mit seinen Marmorwegen, seinen blühenden Bäumen und Sträuchern und der Pracht der Rosen- und Granatbäume, jenen Garten, wo goldgelbe und purpurrote Schmetterlinge umherflatterten und blaue Tauben und grüne Papageien sich auf den Zweigen wiegten. So schön dieser entzückende Zufluchtsort in seiner echt tropischen Pracht aber auch war, so hatte er doch einen großen Nachteil: er konnte bis in seine entferntesten Ecken vom Palaste aus übersehen werden, und – der Palast hatte tausend Augen.

Langsam schlenderte ich auf einen weißen Pavillon zu, der, nach allen vier Seiten offen, ein Meisterwerk feiner Steinhauerarbeit war. Eine frische Brise wehte von den über der Stadt liegenden Hügeln hernieder, die schwertähnlichen Blätter der stolzen Palmen bewegten sich leise rasselnd und die Luft war vom Wohlgeruch der wächsernen Blüten des Korkbaumes getränkt, als ich mich niedersetzte und meinen Kopf an den kühlen Marmor lehnte.

Ich glaube, ich war nahe daran, einzuschlummern, denn mein Geist war erschöpft vom Denken und Suchen nach einem Auswege aus all dem Wirrsal. So schlaftrunken aber war ich doch nicht, daß ich das Geräusch sich nähernder Fußtritte überhört hätte. Als ich mich aufrichtete, stand Mr. Thorold vor mir. Sie hatte ihn geschickt!

»Guten Abend,« sagte er, in den Pavillon eintretend. »Mir wurde gesagt,« (er lächelte heiter) »daß Sie mich in einer dringenden Privatangelegenheit zu sprechen wünschen. Sollte sich die Regierung am Ende gar auf eine Kündigung Ihrerseits gefaßt machen müssen? ... Sprechen Sie rasch,« fügte er in plötzlich verändertem Tone hinzu. »Was gibt es? Sind Sie krank?«

»Nein, ich bin nicht krank; ich bin überhaupt niemals krank, und ich habe auch nicht nach Ihnen geschickt. Aber ich bin sehr froh, daß Sie gekommen sind, denn ich befinde mich in einer höchst schwierigen Lage.«

»Aus der ich Ihnen hoffentlich heraushelfen kann.«

»Ach nein, ich glaube es nicht.«

»Um was handelt es sich denn?«

»Um Sie und die Perlen, die Jasraperlen.«

»Aber ich bitte Sie, meine liebe Miß Ferrars ...«

Er hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort: »Was haben Sie mit diesen Hofgeschichten zu tun? Die Rani Sundaram brennt darauf, die Juwelen wegen der Hochzeit in ihren Besitz zu bringen, ich habe mich aber bestimmt und in aller Form gegen den Ankauf ausgesprochen, und gottlob, mein Wille ist, wenigstens was die Verwendung der Einkünfte des Landes anbelangt, Gesetz.«

Damit setzte er sich mir gegenüber auf das Geländer. Er sah hübsch und wohl aus in seinem kühlen weißen Anzug und hatte sich offenbar von der Malaria gänzlich erholt.

»Wie kommt es denn, daß Sie in den Kampf um die Perlen hineingezogen werden?« wiederholte er.

»Ich will es Ihnen sagen. Gestern abend ließ mich die Rani in ihre Privatgemächer kommen ... O, es war entsetzlich! Sie überschüttete mich mit Drohungen und sagte, ich solle Sie warnen, denn ihre Krallen seien gefährlich. Sie erinnern sich, daß sie unser Gespräch damals belauschte, als wir sie eine böse alte Katze nannten?«

»Ja, aber was wollte sie denn von Ihnen?«

»Die Perlen, die Jasraperlen.«

Er brach in lautes Lachen aus. »Das ist alles?«

»O, lachen Sie nicht,« sagte ich ungeduldig, »es würde Ihnen wahrhaftig vergehen, wenn Sie sie gehört hätten. Sie ist ganz auf die Perlen erpicht, ihre Seele würde sie dafür verkaufen ...«

Er lachte. »Darum würde niemand viel geben. Hat sie überhaupt eine Seele?«

»Bitte, lassen Sie mich ausreden!« (Ängstlich schaute ich mich um, aber es befand sich weit und breit kein Mensch.) »Die Rani glaubt, ich könne Sie beeinflussen, aber ich weiß natürlich, daß das Unsinn ist.«

»Nein, nein, darin hat sie vollständig recht,« gestand er mit großem Ernst, so daß mir das Blut ins Gesicht stieg.

»Sie befahl mir, Sie zum Kauf der Perlen zu bewegen. Ihre Familie, so behauptet sie, fange nun allmählich an, sich von den Kämpfen mit den Fremden zu erholen; Geschütze, Ansehen, alles sei dank ihrer Bemühungen zurückerobert. Das Einzige, was ihr zur gänzlichen Wiederherstellung des früheren Glanzes noch fehle, sei der Besitz der Jasraperlen. Es könne Jahrhunderte anstehen, bis sich der Familie wieder ein solcher Glücksfall darbiete, und ich solle Ihnen sagen, daß, wenn Sie ihn vereiteln, Sie Ihren Lohn schon finden werden. Sie ist fest entschlossen, die Perlen zu erwerben; voll Ungeduld wartet Ibrahim auf die Antwort der Rani und auf die Ihrige.«

Mr. Thorold lachte nicht mehr. Hoch aufgerichtet starrte er mich an.

»Und was versprach sie Ihnen für den Fall, daß Sie mir eine günstige Antwort abschmeicheln?«

»Zehntausend Pfund.«

»Natürlich lachten Sie ihr ins Gesicht?«

»Nein,« antwortete ich nachdrücklich. »Mir war es gar nicht lächerlich zu Mute; ich zitterte am ganzen Körper.«

»Aber warum denn? Das begreife ich nicht. Was haben Sie zu befürchten?«

»Ibrahim sagte mir, daß die Rani Sundaram im stande sei, jedermann aus dem Wege zu räumen, der sich ihr so wie Sie hindernd entgegenstelle. Sie kenne Gifte, deren Wirkung so geheim sei, daß derjenige, dem sie beigebracht werden, anscheinend eines ganz natürlichen Todes an Fieber oder Cholera sterbe und kein Mensch Verdacht schöpfen könne. Ihr Verfahren mißglücke nie. Manchen Gläubiger habe sie auf diese Weise schon zum Schweigen gebracht, mancher Feind sei im Palast verschwunden, und kein Hahn habe danach gekräht.«

»Wenn Sie oder ich verschwänden, ginge es nicht ohne ernste Nachfragen ab, das dürfen Sie mir glauben!« rief Thorold mit großer Entschiedenheit.

»Jedermann fürchtet sie.«

»Nur ich nicht!« rief er, plötzlich aufspringend. »Obschon ich recht wohl weiß, daß ihr Leben eine einzige Kette von Bosheiten war, so soll sie die Perlen doch nicht bekommen, selbst nicht über meinen Leichnam. Ibrahim ist ein Spitzbube, ein Erzschurke, der so wenig ein Perser ist als ich, sondern halb Portugiese, halb Singhalese, daher auch seine Vorliebe für Edelsteine. Er geht von einem vornehmen Hause zum andern, hängt närrischen Weibern seine Schmucksachen auf, bringt dadurch die verarmten Staaten vollends an den Bettelstab und vertut dann seinen Gewinn in gemeiner Verschwendung. Ich glaube – obwohl man ihm sonst nichts glauben darf –, daß er seine Erziehung zum Teil in England genossen hat, dann aber mit Schimpf und Schande das Land hat verlassen müssen. Er soll irgendwo zum Christentum übergetreten sein, gehört aber nach wie vor zu jener schlimmen Gattung schlauer Betrüger, die, klug, reich und gewissenlos, vor keiner Schlechtigkeit zurückschrecken. Mit seinem englischen Firnis, dem hübschen Gesicht und seiner grenzenlosen Frechheit hat er schon viel erreicht.«

»So verhält es sich also mit diesem Ibrahim!« rief ich. »Und die königlich persische Abstammung ist nur eine Fabel?«

»Natürlich, die sogar auf recht schwachen Füßen steht. Schon seit einiger Zeit habe ich ein wachsames Auge auf diesen Kunden. Alles, was er Ihnen über die Rani vorschwatzte, hatte nur den einen Zweck, die Wege für den Ankauf zu ebnen. Das saubere Paar steckt nämlich unter einer Decke. Sie wünscht die Perlen zu haben, er, sie zu verkaufen. Wenn ich also nicht wäre, könnte die Sache recht glatt verlaufen; ich bin der den beiden im Wege stehende dräuende Löwe.«

»Ja, das sind Sie allerdings,« stimmte ich ihm mit trübem Ernste bei.

»Die Rani Sundaram hat also diese Unterredung ins Werk gesetzt, und da Sie nun einmal Ihre Gesandtin sind, so sage ich Ihnen, daß meine Antwort ›nein‹ heißt, nein, jetzt und immer.«

»Ich wußte natürlich wohl, daß sie so lauten würde, und sagte es ihr auch, aber sie wollte mir nicht glauben.«

»Es ist einfach Ehrensache, so zu handeln, wie ich es tue. Mein Posten ist alles eher als nach meinem Geschmack. Nachdem aber die Regierung diesen Jungen nun einmal meiner Obhut anvertraut hat, so muß ich seine Rechte auch nach besten Kräften wahrnehmen. Wir Staatsbeamte haben hier in Indien ebensogut unsre Schlachten zu schlagen wie die Soldaten, und ich glaube, ich darf sagen, daß wir stets mutig der Gefahr die Stirne geboten und allen Bestechungsversuchen, so verlockend sie auch sein mochten, stolz und nachdrücklich widerstanden haben. Ich bleibe unerschütterlich fest auf der Seite meines Schützlings und werde ihn mit aller Macht, die mir zu Gebot steht, beschützen: seine Person, sein Land und sein armes, schwer bedrücktes Volk. Es ist meine Pflicht, dem Unfug der Steuereintreibung, wie er jetzt gang und gäbe ist, zu steuern, Gerechtigkeit zu üben und den Wohlstand dieses zu Grunde gerichteten Landes möglichst zu heben, bis der junge Radscha einmal die Zügel der Regierung in seine eigene Hand nimmt. Vorläufig aber bin ich hier Herrscher und König.«

Ja, jeder Zoll ein König! – so sah er aus, dieser hochgewachsene, breitschulterige Engländer mit dem ernsten, entschlossenen Gesicht und der natürlich-vornehmen Haltung. Erregt ging er ein paarmal im Pavillon auf und ab, dann fuhr er fort: »Das Volk hat mein Versprechen, das Versprechen der britischen Regierung. Glauben Sie, daß ich deren Ehre aufs Spiel setzen werde, um die wahnwitzige Eitelkeit einer alten Jezabel zu befriedigen, und ein Land um einer Perlenschnur willen ins Verderben zu stürzen?«

»Das habe ich selbstverständlich niemals gedacht,« antwortete ich. »Allein ich bin fest überzeugt, daß wenn Sie sich ihrem Willen widersetzen, sie alle Anstrengung machen wird, Sie zu vergiften.«

»Gut, ich will es darauf ankommen lassen und, wenn es sein muß, auf meinem Posten sterben, übrigens wird sie es weder wagen, mich zu vergiften, noch Ihnen auch nur ein Haar zu krümmen, denn sie weiß, daß der Arm der englischen Gerechtigkeit lang ist, und so maßlos und unberechenbar sie auch in ihren ehrgeizigen Plänen ist, so glaube ich doch, daß ich den Ränken eines wilden alten Weibes gewachsen sein werde.«

»Ich hoffe es von ganzem Herzen, aber man soll nicht prahlen, das bringt Unglück.«

»Prahle ich? Nein, ich stelle nur eine Tatsache fest. Glaubt übrigens die Rani wirklich, sie könne mich durch eine Versuchung, und wäre sie auch noch so verlockend, bewegen, zwanzig Lakhs Rupien auf Kosten des hungernden Volkes zu verschwenden und das Leben unzähliger Menschen auf mein Gewissen zu laden?«

»Ich weiß nur etwas von einer Drohung, worin aber liegt die Versuchung?« fragte ich erstaunt, da ich nicht wußte, was er meinte.

»Sie sind natürlich die letzte, die darauf kommen könnte. Aber die Rani und ich, wir sind nicht im Zweifel darüber.«

Überrascht sah ich ihn an, und langsam fuhr er fort: »Die Rani Sundaram hofft, daß Ihre Drohungen, Ihre Angst, Ihre Bitten, und – darf ich hinzufügen – Ihr Liebreiz mich zum Nachgeben veranlassen könnten.«

»Sie weiß aber doch, daß ich Sie niemals bitten würde, Ihr Wort zu brechen ...« stammelte ich verwirrt. »Und niemals käme es mir in den Sinn, daß meine Person beim Walten der Gerechtigkeit irgendwie in die Wagschale fallen könnte.«

»Es wäre nicht das erste Mal, daß persönliche Dinge den Ausschlag gäben,« versetzte Thorold trocken.

Ich zitterte am ganzen Körper und vermochte nur zu murmeln: »Ich bin überzeugt, daß Sie tun werden, was recht ist ... daß Sie gar nicht anders handeln könnten. Ich ... ich werde Ihre Antwort überbringen.«

Trotz aller Anstrengung, sie zurückzuhalten, stahlen sich zwei dicke Tränen aus meinen Augen und tropften auf mein Kleid herab.

Einen Augenblick lang war ich vor Scham darüber wie gelähmt. Ich wagte weder aufzusehen, noch die Zeichen meiner Bewegung wegzuwischen, um Mr. Thorolds Aufmerksamkeit nicht auf diese verräterischen Tropfen zu lenken.

»Miß Ferrars,« sagte er plötzlich mit veränderter und seltsam bebender Stimme, »wenn ich es zu hoffen wagen dürfte, daß mein Leben auch nur den geringsten Wert in Ihren Augen hätte, so wäre ich der glücklichste Mensch von ganz Indien.«

Unbeweglich und halb erstickt von dem wilden Schlagen meines Herzens, saß ich, den Blick auf den Marmorboden geheftet, da.

»Vom ersten Augenblick an habe ich mich zu Ihnen hingezogen gefühlt,« nahm er, näher zu mir herantretend, seine Rede wieder auf. »An jenem Abend, als Ihr Spiel mich in Tizzies Salon lockte und Sie, aus dem Schatten tretend, plötzlich im hellen Lampenlicht vor mir standen, da wünschte ich in meinem innersten Herzen, Sie möchten um meinetwillen über den Ozean gekommen sein.«

»O sprechen Sie, bitte, nicht von jener Zeit ...«

»Nun denn, es sei. Ich habe bis jetzt ja auch niemals von dem zu sprechen gewagt, was mich erfüllte. Wir beide wurden nicht, wie es gewöhnlich der Fall ist, im Ballsaal, beim Theaterspielen oder bei Landpartieen zusammengeführt, sondern im ernsten, schweren Kampf des Lebens, zuerst im Pestlager und nun durch die Ränke eines indischen Hofes. Sie haben – gestatten Sie, daß ich es ausspreche – den Angriffen, denen Sie ausgesetzt waren, wahrhaft heldenmütig standgehalten. Von nun an aber bitte ich, daß Sie mir erlauben, Ihr Beschützer zu sein, der alle Widerwärtigkeiten für Sie ausficht. Wohl scheinen Zeit und Ort, dieser Garten hier, wo Hunderte von Augen uns beobachten und wo die Luft, die wir atmen, von Haß und Bosheit getränkt ist, schlecht gewählt zu einer Aussprache, allein trotzdem frage ich Sie: Wollen Sie mein Weib werden? O geben Sie mir das Recht, Ihnen zur Seite zu stehen, nicht nur hier, sondern immer: fürs ganze Leben!«

So hatten die Augen der alten Rani sie also doch nicht getäuscht! Er liebt mich wirklich!

Den Kopf noch tiefer senkend, vergrub ich das Gesicht in die Hände. Summten Tizzies Worte ihm noch in den Ohren? Hatte sie ihm alles gesagt, auch das von der Photographie? Wußte er, daß ich einzig und allein im Gedanken, seine Frau zu werden, nach Indien gekommen war?

»Dieser Hof von Royapetta ist kein Ort für Sie,« sprach er weiter ... »Leider sehe ich das zu spät ein, und ich trage die Verantwortung für Ihr Hiersein. Lassen Sie es mich bekennen, daß ich der Versuchung nicht zu widerstehen vermochte, Sie in meiner Nähe zu haben. Die Stelle war frei, Sie eigneten sich dazu, und ich hoffte, Sie würden sich in Ihrem Wirkungskreise wohlfühlen. Allein ich dachte damals nicht genug an die alte Rani mit ihren Ränken und Schlichen ...«

Er hielt einen Augenblick inne und fügte dann leise hinzu: »Ich habe Ihre Frage vorhin mit ›nein‹ beantwortet, wollen Sie ›ja‹ auf die meinige sagen? Wollen Sie mich wenigstens ansehen und ein Wort zu mir sprechen?«

Ich konnte wahrhaftig nicht länger hier sitzen wie eine stumme Närrin. So hob ich denn langsam den Kopf, glitt von meinem Sitze herab und schaute ihn an.

»Das ist alles nur Mitleid,« kam es kaum hörbar von meinen Lippen.

»Nein, das ist es nicht!« rief er heftig. »Sie sind viel zu selbständig und unabhängig, um Mitleid zu erregen. Sie halten mich vielleicht für gefühllos und ehrgeizig; auch habe ich nicht vergessen, wie grausam Sie mich in Yellagode abzuweisen pflegten. Und doch gipfelte während des verflossenen Jahres mein ganzes Hoffen und Sehnen, mein ganzer Ehrgeiz in dem Wunsche, mir Pamela Ferrars' Hand zu erringen. Gelingt es mir nicht, so hat das Leben fortan keinen Reiz mehr für mich. Trotz meiner eifrigsten Bemühungen, Sie aufzufinden, hatte ich eine Zeitlang Ihre Spur verloren, und als ich Sie endlich am Strande von Madras erblickte, da sagte ich mir: Das ist nicht Zufall, sondern Vorsehung! Es war aber auch wirklich, als ob der Himmel Sie für mich bestimmt hätte, anstatt für Watty.«

Mein Blick traf seine Augen, in deren Tiefe eine Frage und zugleich ein Flehen lag.

»Was ... sagen Sie da?« stammelte ich. »Was hat Mrs. Hassall Ihnen gesagt?«

»Daß er Ihnen meine Photographie geschickt habe, und eine gewisse Ähnlichkeit ist ja auch vorhanden. Doch legte ich dieser Sache nur wenig Gewicht bei; es waren natürlich die Briefe, die Sie betört haben. Am liebsten wäre ich sofort mit meinen Wünschen vor Sie hingetreten, aber ich wagte es nicht. Sie standen ja immer bis an die Zähne gewappnet und hielten sich hinter Ihrem Stolze verschanzt. Auch jetzt hätte ich noch nicht gesprochen, wenn ich nicht durch die Umstände dazu getrieben worden wäre. Die Geschichte mit den Perlen hat meine Pläne umgeworfen ...«

So hatte er alles gewußt und sich doch so zurückhaltend benommen! Die ganze Zeit her kannte er mein Geheimnis und berührte es nie mit einem Worte. Wie zartfühlend mußte er sein! Und oh ... wie schämte ich mich!

»Wollen Sie mir nicht ein einziges Wörtchen sagen? Oder darf ich Ihr Schweigen als Zustimmung auffassen?«

»Ja, Sie dürfen es,« flüsterte ich. »Haben Sie aber auch bedacht, daß meine Verwandten sich mit mir überworfen haben und auch die Ihrigen sehr böse auf mich sind?«

»Nicht mehr,« unterbrach er mich lebhaft.

»Daß ich arm bin ...«

»Und stolz!« vollendete er lachend. »Ja, das weiß ich wohl!«

»Ich bin nicht mehr das heitere Mädchen von früher ...«

»Du bist jung, schön, tapfer und gut, aber auch, wenn du alt und häßlich wärest, so bliebest du doch immer die Pamela, die ich liebe.« Und er umschloß meine beiden Hände mit festem Druck. »Küssen würde ich dich jetzt, selbst angesichts dieser Unmenge lauernder Augen, wenn ich nicht fürchten müßte, dich zu erzürnen.«

Der alten Rani Verhaltungsmaßregeln fielen mir ein, und dunkle Röte stieg mir in die Wangen.

»Ich flehe Sie an, es nicht zu tun,« sagte ich, indem ich meine Hände zu befreien versuchte. »Ach, und ist überhaupt jetzt die Zeit, von Liebe zu reden?«

»Und warum nicht? Jedenfalls ist der rechte Augenblick gekommen, Versprechungen und Gelübde auszutauschen. Schau her, Pamela,« – er machte einen kleinen Ehering von seiner Uhrkette los – »dieser Ring gehörte einst meiner Mutter, ich nahm ihn von ihrer erkalteten Hand. Nun stecke ich ihn als Zeichen unsres Verlöbnisses an den Finger meiner zukünftigen Gattin ... Warum bist du so schweigsam?« fragte er besorgt.

»Ich weiß es nicht. Furcht und bange Ahnungen quälen mich. Die Luft hier ist ja von Bosheit erfüllt.«

»Allerdings ist die Luft im Palaste bildlich und buchstäblich gründlich verdorben, aber das schadet nichts. Nun du mit mir vereint bist, wirst du bald frei sein.«

»Vielleicht, wenn es auf die Rani Gindia ankäme, so aber ...«

»Sie ist allerdings ein liebes, gutes Geschöpf, jedoch gänzlich machtlos. Aus den Klauen jener andern aber, die auch diese Zusammenkunft veranstaltet hat und uns ohne Zweifel jetzt beobachtet, will ich dich befreien. Morgen sehen wir uns wieder und heute abend werde ich dir schreiben.«

»Ach, das Schreiben ist unzuverlässig, und wer weiß, wann wir uns wieder zu sehen bekommen.«

»Meinst du? Überlaß das nur mir. Du hast in dieser Sache gar nicht mitzureden. Ich werde die Rani Sundaram überlisten und dich entführen. Mrs. Dalrymple ist jetzt in dem Gebirgsort Kunur, und zwar allein, da ihr Mann noch keinen Urlaub bekommen konnte. Sie wäre glückselig, wenn sie dich zur Gesellschaft bekäme. Bis dahin aber, bis ich dich glücklich von hier fort habe, werden mir die Tage wie Jahre erscheinen. Willst du manchmal an mich denken, Pamela?«

»Ja, immer werde ich an dich denken und auch für dich beten.«

»Sage mir doch etwas Liebes, du hast bisher kaum den Mund geöffnet.«

»Gott schütze dich!«

»Und ich sage ...«

»Miß Sahib!« rief da plötzlich eine Stimme, und als sei sie aus dem Erdboden gestiegen, stand Begur an den Stufen des Pavillons. »Ihre Hoheit, die Rani Sundaram schickt mich, Sie zu holen. Es ist kein Augenblick zu verlieren.« Damit verbeugte sie sich und zerrte mich dann aufgeregt am Kleid, um mich fortzuziehen.

» Eh bien, c'est pour la dernière fois,« sagte Mr. Thorold. » Je vous reverrai demain. Au revoir, ma bien-aimée. (Nun, das ist das letzte Mal. Morgen besuche ich Sie wieder. Auf Wiedersehen, Geliebte!)«

Er begleitete mich bis zum inneren Hofe, dann erst ließ er mit sichtlichem Widerstreben meine Hand los. Ich glaube, er hätte mich gern zurückgehalten, allein diese Begur drängte mich hastig der Frauenabteilung zu.

» Wurria, wurria! – Eile dich, eile dich!« – rief sie mir immer wieder zu, während sie vor mir her über Gänge und Treppen eilte.

Nach kurzer Zeit befand ich mich vor der alten Rani, und heftig klopfte mir das Herz.

»Das Gespräch ist also zu Ende,« begann sie, die glühenden Augen auf mich gerichtet. »Eine halbe Stunde hast du gebraucht, um ihn zu überreden. Ich sah, wie er sich wehrte, und wie du ihn drängtest« – ein Opernglas lag neben ihr. – »Was für Nachrichten bringst du mir? Die Makler stehen schon im äußern Hof, und hier sind die Perlen.«

Ja, da lag die Kassette noch immer auf dem niedrigen Tischchen neben ihr.

Meine Lippen waren wie ausgedörrt, die Zunge trocken, trotzdem gelang es mir, einige Worte hervorzubringen.

»Die Antwort lautet nein.«

»Nein!« schrie sie mit krampfhaft zuckenden Kinnbacken, die Lippen von den scharfen, geschwärzten Zähnen zurückgezogen.

»Nein,« wiederholte ich entschlossen.

Plötzlich richtete sich die Rani halb auf. Wie zwei verzehrende Flammen blitzten ihre Augen, und ehe ich es mich versah, schwang sie einen edelsteinbesetzten Dolch und schleuderte ihn mir mit aller Kraft entgegen. Meinen Hals streifend, sauste er mir am Ohr vorbei, und tief grub sich seine blitzende Klinge in das Holzwerk neben mir ein.

Ohne eine Entschuldigung oder Erklärung abzuwarten, riß ich hastig den Purdah zur Seite und entfloh.


 << zurück weiter >>