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Mein Vater das ist mein Stiefvater.
Der hat auch einen Vater.
Zu dem muß ich auch Großvater sagen. Aber ich mag ihn gar nicht.
Das ist ein Bauer mit einem furchtbar langen Schnurrbart und einem Spitzbart; und er schaut aus wie ein Raubritter.
Der ist jetzt bei uns auf Besuch, weil er ein Geld braucht.
Aber meine Mutter sagt, daß sie ihm keins gibt, und sie hat es auch dem Vater verboten, er darf ihm keins geben.
Und sie hat gesagt, daß er selber schuld ist.
Er soll sich von seinen andern Kindern helfen lassen, hat sie gesagt, er hat noch genug; und er hätte ganz einfach nicht das ganze Geld verputzen sollen und so oft heiraten.
Und es ist unerhört, hat sie gesagt, zwölfmal 120 heiraten und so viel Kinder haben, daß man sie selber nicht mehr kennt; und der heiratet schon noch ein paarmal!
Und dann hat sie gesagt zum Vater, daß es eine Schande ist, daß die andern Kinder nichts tun, wo sie alle schon verdienen bis auf sechs.
Da hab ich gesagt: »Vater, wieviel Brüder und wieviel Schwestern hast denn du noch?«
Da hat er gesagt, er weiß es nicht genau; aber er glaubt, daß es siebzehn Brüder sind und auch soviel Schwestern.
Ich habe furchtbar gelacht und hab gemeint, daß er Spaß macht.
Und wie der Großvater mit uns zu Mittag gegessen hat, hab ich ihn gefragt, ob das wahr ist, und dann hat er gesagt, ja. Und es sind achtzehn Brüder und neun Schwestern; und fünf Brüder und sieben Schwestern sind schon tot; und elf Frauen hat er schon gehabt, und die sind auch tot, und jetzt hat er die zwölfte.
Da hab ich mich gefürchtet, weil in meinem Märchenbuch auch ein solchener steht; er heißt Blaubart.
Und ich habe mir gedacht, daß es ganz recht ist, wenn sie ihm kein Geld nicht geben, weil die Mutter gesagt hat, daß sein Vater ein Millionenbauer war, und daß alles hin ist.
121 Und die Mutter hat gesagt, sie hat sich auch nicht im Schampanier baden dürfen und jede Nacht tausend Markl verspielen; und sie haben furchtbar gestritten.
Aber er hat gesagt, daß er ganz einfach nocheinmal heiratet, wenn diese tot ist, und dann nimmt er eine Reiche.
Und er pfeift auf uns.
* * *
Hurra! Jetzt ist sie ausgerutscht!
Die Tante Babett.
Eine Tochter von dem Blaubart.
Jetzt hat sie's, die Betschwester, die scheinheilige!
Der Baderhiasl hat die Verlobung aufgelöst!
Und er hat gesagt, er mag keine solchene, wo den ganzen Tag bei die Pfarrer steckt.
Und der Doktor Bandstein mag sie auch nicht, weil sie so viel falsche Zähne hat.
Und er hat mir eine Mark geschenkt, weil ich es ihm gesagt habe, daß sie jeden Tag ihre Zähne und ihre Haare auf das Nachtkastl legt, und daß sie mich immer so sekiert, weil ich nicht so heilig bin, wie sie.
Und sie ist überhaupts gar nicht nett mit den Kindern, und er hat drei, weil er ein Wittiber ist.
122 Jetzt hat sie gesagt, sie wird eine barmherzige Schwester.
Das ist gescheit; dann ist sie weiter.
Dann kann sie mich wenigstens nicht mehr so herumjagen mit ihren Briefen und dem Glump, einmal zum Pfarrer und einmal zum Kooprator!
Und zum Baderhiasl brauch ich auch nicht mehr, daß ich sage, er muß kommen, die Tant hat so Herzweh, oder die Tant hat was furchtbar Wichtiges mit ihm zu reden.
Das ist gut, daß er sie nicht mehr mag. Da kommt sie wenigstens nicht mehr jeden Tag schon um halb fünf Uhr in der Früh zu ihm und weckt ihn auf.
Jeden Morgen ist sie schon um vier Uhr aufgestanden; dann ist sie zum Hiasl ans Fenster, weil der im Parterr wohnt.
Danach ist sie in die Fünfuhrmesse und zur Kommunion, und dann in den Pfarrhof.
Und um halb neun Uhr ist sie erst heimgekommen zu den Kindern.
Dann hat sie mich sekiert, weil ich keine Frömmigkeit nicht habe.
Sie hat ja früher auch keine gehabt!
Ich weiß es schon noch, wie ihr die Mutter früher immer einen Krach gemacht hat, weil sie 123 abends beim Bierholen immer so lang poussiert hat.
Mit dem Vizefeldwebel und dem Schenkkellner, und dann mit dem dicken Gendarmeriewachtmeister.
Und sie ist oft gleich drei Stunden fortgeblieben.
Dann ist auch einmal ein alter Doktor gekommen, ein Tierarzt, der hat in der Zeitung eine Frau gesucht und für seine Kinder eine Mutter.
Dem hat sie gleich geschrieben.
Aber der war bloß einmal da.
Weil er nicht katholisch war.
Dann hat sie in die Zeitung geschrieben, daß sie eine Stelle sucht bei einem geistlichen Herrn.
Da hat sie dann einen gefunden, der wo sie angenommen hat.
Dann ist sie fort.
Gott sei Dank!
Aber sie ist auf einmal wieder gekommen und hat gesagt, daß sie dableiben möchte.
Da hat sie die Mutter wieder genommen.
Das war fad.
Aber es macht nichts.
Ich weiß schon allerhand.
Und ein Juckpulver war auch schon in ihrem Bett. Gestern vor acht Tagen.
Da hat sie anders gejammert!
Und sie hat am andern Tag gleich dreimal gebadet.
Das tut sie sonst nie.
Bloß manchmal.
Weil es nicht heilig ist.
Und sie hat gemeint, daß sie ein Leiden hat, und hat furchtbar gebetet, daß sie wieder gesund wird.
Die verrückte Person!
Aber das ist fad, daß die Mutter jetzt auch so heilig wird.
Sie ist schon furchtbar beterisch.
Von mir aus!
Ich nicht.
* * *
Das ist schon furchtbar.
Jetzt ist schon wieder eine gekommen.
Eine Tante.
Die Zenzi.
Das ist auch eine Schwester vom Vater.
Die dreizehnte.
Die ist schon sechzehn Jahr alt und noch furchtbar gescheert.
Und sie ist jetzt schon die siebente, wo meine Mutter ins Haus nimmt.
Zuerst die Babett, dann die Liesi, dann die 125 Kathi, dann die Hanni, und dann die Marie und die Fanny.
Und jetzt die Zenzi.
Die war immer im Kuhstall oder bei den Säuen.
Und sie trägt einen rotkarrierten, dicken Kittel als Unterrock und ein rupfernes Hemd mit langen Ärmeln.
Das nennt sie den Pfoad.
Und sie kann nicht einmal das Vaterunser und hat Läuse.
Und ich muß sie ihr heruntersuchen und beten lernen.
Die war zuletzt beim Mader in Prinzing.
Das ist ein furchtbar reicher Bauer.
Und sie muß jetzt die Hausmagd machen bei uns und die Gaststube alle Tage in der Früh putzen.
Da ist sie immer furchtbar fidel und singt.
Aber sie kann es nicht, weil sie keine Stimme hat.
Aber das macht nichts; es geht doch.
Und sie kann allerhand, Lustiges und Trauriges.
Wenn sie ganz lustig ist, dann singt sie:
Hurachtn dachtn! Horachtn dachtn!
Mir tean a Sau schlachtn!
Huraxn daxn, horaxn daxn!
Da gibts Blunzn und a Haxn!
126 Oder sie singt Gstanzln:
Da drobn auf'n Berg steht a Hoiahutschn,
Da laßt der Pfarra sei Köchin hutschn.
D' Köchin hoaßt Everl,
Hat'n Bauch wia r a Käferl,
Hat Flecklschuach o,
Wia r a böhmischer Hah'!
Da drobn auf'n Berg steht a neuerbauts Haus,
Da schaugn die drei Jungfraun zum Fenster heraus.
Die erscht is die Kropfat,
Die zwoat is die Schopfat,
Die dritt hat koa Zähnt,
Is net wert, daß ma s' nennt.
Die erscht g'hört an Schlosser,
Die zwoat g'hört an Schmied,
Die dritt g'hört an Schleifer,
Muaß schleifa damit.
Oder sie singt mich aus:
Da drobn auf'n Berg steht a weiße Kapelln,
Und da laßt si d' Fräuln Leni ihra Houhzat vermähln.
Dann hat sie mich gefragt, ob ich auch schon einen Schatz habe. Und sie hat mir erzählt, daß sie beim Mader 127 in Prinzing schon drei gehabt hat, und daß sie jetzt den Bedienten von unserm Stabsarzt gern sieht.
Aber der hat gesagt, er mag keine solchene Gescheerte, und er hat schon sein Mädel.
Er ist überhaupts ein feiner Mensch, und sein Mädel ist eine Hausbesitzerstochter mit einer Bäckerei.
Und er hat ganz recht.
Und jetzt werden ihr auch noch die Haare abgeschnitten, weil man sonst nicht mehr fertig wird mit dem Absuchen.
Da wird sie furchtbar tun.
Aber das macht nichts.
Mir hat man sie auch abgeschnitten damals.
Gestern war ich in der Leich. Meinem Onkel Valentin, dem Konditor, ist seine Frau gestorben. Die Tante Zilli.
Da war es furchtbar traurig.
Und alle meine Onkeln und Tanten waren da.
Und die Tante Babett hat die Grabrede aufgeschrieben, und sie laßt es drucken und dichtet noch einen traurigen Vers dazu.
Die kann furchtbar traurig dichten.
128 Wie damals der Herr Vetter, der selige Benefiziat in Vilsbiburg, gestorben ist, hat sie auch einen Vers gedichtet.
Aber ich weiß es nicht mehr, wie er heißt.
Und der Onkel hat gesagt, jetzt gfreut ihn das Schönste nicht mehr und er möcht haben, daß er bald nachifahrt in d' Gruben zu seiner armen Zilli.
Und er hat so viel geweint, und er erbarmt mir furchtbar.
Er ist brav.
Und er hat mich schon oft in seine Konditorei, die wo im Keller ist, hinuntergeführt; und dann hab ich immer viel Schoklat und Guteln gekriegt.
Und ich hab es in der Schule den andern auch gesagt, daß ich einen solchenen Onkel hab, wo eine ganze Schoklatfabrik hat, und man kann essen wie in den Märchenbüchern.
Das hat sie gewurmt, und sie waren mir immer furchtbar neidig, und einmal haben sie gesagt, sie gehen mit.
Dann sind sie alle an das Kellerfenster hin und haben gewartet und gerufen, bis ich ihnen einen Haufen hinaufgeschmissen habe.
Aber es war kein Schoklat.
Bloß ein Torf, wo eingetaucht war in den Schoklat.
129 Da haben sie furchtbar geschimpft und in den Keller heruntergespuckt und gesagt, ich soll nur heraufgehn.
Aber ich bin schon nicht hinauf.
Weil ich nicht so dumm bin.
* * *
Didel didel dum.
Heut ist Hochzeit.
Dreifache.
Heut gehts zu.
Weil die Tante Babett und die Tante Zenzi und der Onkel Valentin heut heiraten.
Und eine furchtbare Feierlichkeit ist, und sie sind ganz verweint und tun so zuckersüß, als wenn sie überhaupts niemals ein böses Wort sagen könnten.
Ich weiß es aber schon.
Sie tun bloß so. Besonders die Babett.
Die weiß schon, warum.
Sonst kommt ihr der auch wieder aus.
Ich bin furchtbar froh, wenn sie jetzt fort sind, und ich hab vor lauter Freude ein liebliches Tantengedicht gelernt.
Das sag ich ihnen heut.
Aber ich muß aufpassen, daß mir nicht das Lachen dabei auskommt.
130 Es ist aus einer Sammlung »Neueste Hochzeitsgedichte und beste Glückwünsche« und heißt:
Immer freundlich zu den Kindern,
Stets sie wartend, sanft und mild,
Also seit der Kindheit Tagen,
Steht vor mir der Tante Bild.
All des Kindes kleine Leiden,
All des Kindes großen Schmerz
Konnt ihn besser aus man weinen,
Als am guten Tantenherz?
Seid gesegnet drum ihr Tanten
Alle, alle, groß und klein!
Alle, auch die unbekannten
Schließe in mein Hoch ich ein!
Ein solchener Mist!
Aber sie weinen doch dabei, das weiß ich.
Aber dem Onkel sag ich nichts aus; den mag ich jetzt nimmer.
Wie der getan hat bei seiner ersten Frau ihrem Tod, daß man gleich gemeint hat, er stirbt auch schon vor lauter Verdruß.
Und jetzt – jetzt ist es noch nicht einmal vier Monat.
Aber sie ist eine sehr schöne Braut und hat ein weißseidenes Brautkleid an.
131 Die Tante Babett nicht. Die hat bloß ein silbergraues Lüsterkleid.
Weil sie nicht mehr so jung ist, wie dem Onkel die seinige.
Und sie hat einen ganz alten, gräuslichen Bräutigam.
Der ist schon über sechzig und heißt Zipf.
Das ist doch furchtbar gräuslich.
Da hat die Tante Zenzi schon einen andern.
Der ist erst dreiundzwanzig und ein freiwillig gedienter Leibersoldat.
Er heißt Pepperl und ist ein Eichamtsgehilfe.
Das ist ganz was Gutes, sagt die Zenzi.
Aber ich möchte ihn doch nicht haben, weil er so schnupft und jetzt schon einen Rausch hat, und es ist erst Nachmittag.
Ich habe es der Tante Zenzi auch gleich gesagt, daß ich einen solchen Süffling nicht möchte, und der wo den Bart immer voll Schnupftabak hat.
Aber da hat sie ganz laut geschrien, du gemeine Person, und sie hat ihn aus Liebe geheiratet.
Da hab ich gesagt, du brauchst nicht gleich so schreien, ich sag ja nichts weiter über ihn; so gräuslich wie der alte Zipf kann überhaupts niemand mehr sein; und die Tante Babett wird schon wissen, warum sie den alten Bock noch geschossen hat.
132 Weil er furchtbar reich ist.
Und ich habe es so laut gesagt, daß sie es gehört hat.
Da ist sie wie eine Furie in die Höhe gefahren und hat nach Luft geschnappt, und die Stimm hat's ihr verschlagen, wie sie geschrien hat: »Kanallje, nimmst das zruck! Ich tät's wissen, warum! Jawohl weiß ich es! Weil ich ihn liebe!«
Ah Herrschaft! Daß ich nicht lach!