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Erst zweimal ist das amerikanische Volk berufen gewesen, eine so wichtige Lebensfrage wie die ihm jetzt vorliegende zu entscheiden.
Soll die Republik, der Apostel der triumphierenden Demokratie, der Herrschaft des Volkes, ihr politisches Glaubensbekenntnis preisgeben und in andern Ländern die Herrschaft des Fremden über das Volk, den triumphierenden Despotismus zu begründen suchen?
Soll die Republik ein gleichartiges Ganzes, ein einheitliches Volk bleiben oder eine zerstreute und geteilte Masse weit geschiedener und einander fremder Rassen werden?
Soll sie die Aufgabe beibehalten, ihr ungeheures Festland zu entwickeln, bis sie eine so große, rein amerikanische Bevölkerung wie die Europas besitzt oder soll sie auf diese Bestimmung verzichten und als auswärtige Besitzungen andre, weit entfernte Teile der Welt zu erwerben und zu beherrschen suchen, die nie integrierende Teile der Republik sein können?
Soll sie ihr Wachstum und Fortschreiten mit der Entwicklung auswärtiger Besitzungen vertauschen, die ihr nie in einem volleren Sinne zu eigen sein können als Indien britisch oder Cochinchina französisch ist? Dies ist die verhängnisvolle Frage des Tages. Zwei gleich wichtige Fragen hat das amerikanische Volk weise entschieden, und seine Flagge weht jetzt über dem größeren Teile der englisch sprechenden Rasse; sein Land ist das reichste aller Länder, das erste in Gewerbe, Bergbau und Handel (Binnen- und Außenhandel), das erste dieses Jahr auch in der Ausfuhr. Aber mehr als das, die durchschnittliche Bildung und Lebenshaltung des Volkes ist die beste. Die Luxusbedürfnisse der Masse in andern Ländern sind bei uns die Lebensbedürfnisse. Das Schulhaus und die Kirche sind nirgends so weit verbreitet. Der Fortschritt in den Künsten und Wissenschaften ist überraschend. In internationalen Angelegenheiten wächst unser Einfluß, die Schatten der Zukunft vorauswerfend, so schnell, daß einer der hervorragendsten Staatsmänner Europa jüngst ermahnt hat, es müsse sich gegen uns verbünden, wenn es seinen eignen Einfluß in der industriellen Welt behalten wolle. Unsere Republik bleibt ein festes Ganzes mit ihrem fest umschlossenen Besitz, vereinigt, uneinnehmbar, triumphierend, deutlich dazu bestimmt, die vorderste Macht der Welt zu werden, wenn sie weiter den richtigen Pfad verfolgt. Dies sind die Früchte weiser Urteilsbildung bei der Entscheidung der zwei großen Streitfragen der Vergangenheit, Unabhängigkeit und Einheit.
An der Betrachtung der jetzt vor uns befindlichen Frage hat der Agitator, der Demagoge keinen Anteil. Nicht dem Gefühl, nicht der Leidenschaft, sondern überlegtem Urteil allein ist Raum zu geben. Die Frage sollte ruhig erwogen werden, es ist weder eine Partei-, noch eine Klassenangelegenheit, denn das wesentliche Interesse jedes Bürgers ist ein gemeinsames Interesse, das das beste für die Ärmsten wie das beste für die Reichsten ist. Wir wollen daher gemeinschaftlich überlegen und uns wohl vergewissern, ehe wir unsern Standpunkt wechseln, damit wir nicht in einen Abgrund stürzen. Glücklicherweise können wir uns dabei von der Erfahrung andrer leiten lassen und zwar ist die unsrer eigenen Rasse in Großbritannien die lehrreichste.
Es gibt zwei Arten nationaler Besitzungen, Kolonisationsgebiete auf der einen, Kultivationsgebiete auf der andern Seite. In den ersteren wird die eigene Rasse angesiedelt und fortgepflanzt. So hat Britannien Kanada und Australien mit englisch sprechenden Leuten bevölkert, die natürlich unsre Ideen der Selbstverwaltung angenommen haben. Daß die Welt Nutzen davon gehabt hat, versteht sich von selbst, und daß Großbritannien als Völkermutter ein großes Werk vollbracht hat, wird immer mehr gewürdigt, je mehr wir weltumfassende Dinge begreifen lernen. Keine Nation, die je bestand, hat so viel für den Fortschritt der Welt getan, wie die als Britannien bekannten kleinen Inseln der Nordsee.
Mit den Kultivationsgebieten steht es anders. Die schlimmste Last, die Britannien auf den Schultern hat, ist diejenige Indiens, denn dort ist es für unsre Rasse unmöglich, zu gedeihen. Das Kind englisch sprechender Eltern muß weggebracht und in Britannien aufgezogen werden. Der britisch-indische Beamte muß in seinem Heimatlande lange Erholungspausen haben. Indien bedeutet unserer Rasse den Tod. Das Hauptmerkmal eines bloßen Kultivationsgebietes ist, daß die es erwerbende Macht dort nicht ihre eigene Rasse fortpflanzen kann.
Insoweit die Gebiete außerhalb unseres eigenen Festlandes, die sich unser Vaterland vielleicht einverleiben möchte, nicht Kolonien sondern nur abhängige Kultivationsgebiete sein können, brauchen wir bei den Vorteilen oder Nachteilen der ersteren nicht näher zu verweilen, obgleich der Verfasser mit Disraeli übereinstimmt, der selbst von den Kolonien sagt: »Unsere Kolonien sind Mühlsteine um den Hals Britanniens; sie lasten auf uns, so lange sie schwach sind und verlassen uns, wenn sie stark werden.« Gerade dies tat unsre Republik mit Britannien.
Es ließ sich etwas zu Gunsten der Kolonien, vom Gesichtspunkte des Geldgewinnes aus, in früheren Tagen sagen, wo sie als die rechtmäßige Beute des Eroberers behandelt wurden. Es ist Spaniens verhängnisvoller Fehler, sich nie vergegenwärtigt zu haben, daß diese Politik heutzutage unmöglich befolgt werden kann. Britannien ist das einzige Land, das diese Wahrheit erkannt hat. Die britischen Kolonien haben volle Selbstverwaltung; sie besteuern selbst die Erzeugnisse ihres eigenen Mutterlandes. Daß Britannien seine Kolonien besitze, ist eine bloße Redewendung; daß seine Kolonien es besitzen, kommt der Wahrheit näher. »Unser Kolonialreich« scheint ein Gewaltwort, aber soweit es sich um den materiellen Nutzen handelt, ist der Saldo auf der andern Seite. So handelt selbst das treue Kanada mehr mit uns als mit Britannien. Es kauft seine englischen Nationalflaggen in Newyork. Der Handel folgt heutigen Tags nicht der Flagge; er spürt nach der niedrigsten Preisnotiz. Einen Patriotismus gibt es im Warenaustausch nicht.
Einige der Organe industrieller Interessen begünstigen fremde Besitzungen, wie bemerkt sein mag, als notwendige oder nützliche Märkte für unsere Erzeugnisse. Die Ausfuhr der Vereinigten Staaten ist aber dieses Jahr größer als die irgend eines anderen Landes der Welt. Selbst Britanniens Ausfuhr ist geringer, und doch besitzt Britannien, wie man sagt, hundert über die ganze Welt verstreute Kolonien und abhängige Gebiete. Die Tatsache, daß die Vereinigten Staaten keine haben, hindert ihre Erzeugnisse und Waren nicht daran, Japan, China, Australien, Neu-Seeland, Kanada und alle Teile der Welt im Wettbewerb mit denen Britanniens zu überschwemmen. Der Besitz von Kolonien oder abhängigen Gebieten ist aus Handelsgründen nicht nötig. Der Grund, warum Britannien seine Kolonien, und mit Recht, schützt, ist das Glück und der Stolz, den die Mutter an ihren Kindern empfindet. Der Instinkt der Mutterschaft findet dabei seine Befriedigung, und niemand auf der Welt mißt diesem Gefühl höheren Wert bei als ich. Britannien ist die gütigste der Mütter und verdient in vollem Maße die Liebe seiner Kinder.
Könnten wir Kolonien von Amerikanern gründen und in irgend einem Teile der Welt, der jetzt unbewohnt und von keiner andern der großen Mächte beansprucht ist, Amerikaner ansiedeln, um so dem Beispiel Britanniens zu folgen, so sollten uns Herz und Verstand gebieten, es zweimal, ja dreimal zu überlegen, ehe wir uns entscheiden. Selbst dann sollte die Entscheidung eine verneinende sein; aber gegenwärtig liegt uns eine derartige Frage nicht vor. Was wir zu betrachten haben, ist die Frage, ob wir uns auf die schwierige und gefährliche Politik einlassen sollen, die Beherrschung fremder Rassen in Ländern zu unternehmen, in denen unsere eigene Rasse nicht angepflanzt werden kann.
So lange wir von fernen Besitzungen befreit bleiben, sind wir gefährlichen Angriffen gegenüber unüberwindlich, doch haben wir allerdings zu erwägen, welche Verpflichtungen internationalen Charakters uns zufallen mögen, die uns zwingen können, unsre Streitkräfte nach Punkten außerhalb unsres eigenen Gebietes zu senden. Bisher haben wir jede Absicht, uns in Angelegenheiten außerhalb unsres Festlandes zu mischen, in Abrede gestellt und nur das Recht beansprucht, gemäß der jetzt fest begründeten Monroe-Doktrin über die amerikanischen Interessen zu wachen. Dies führt zweifelsohne eine ernste Verantwortung mit sich, der wir nicht entgehen können. Die Länder Europas müssen uns in Gebietsfragen, die unsern Kontinent berühren, zu Rate ziehen, aber dies nötigt nicht zu gewaltigen Ansprüchen an unsre Land- und Seemacht. Wir sind ja daheim, in der Nähe unserer Operationsbasis und des Beistandes derjenigen Macht sicher, um derentwillen und auf deren Ersuchen wir eingreifen würden. Würde es als wesentlich befunden, für künftig mögliche, obgleich nicht wahrscheinliche Fälle in Porto Rico eine Kohlenstation zu besitzen, so stünde dem kein unüberwindlicher Einwand entgegen. Ebensowenig würde die Aufsicht über Westindien, wenn wir von Britannien dazu gedrängt werden sollten, beunruhigend sein, da die Inseln klein sind und die Bevölkerung unbedeutend und ohne nationale Bestrebungen bleiben wird. Außerdem befinden sie sich an unsern Küsten, in jeder Beziehung amerikanisch. Ihre Verteidigung durch uns würde leicht sein. Sollten die Ereignisse dazu führen, brauchte gegen eine solche rechtmäßige und friedliche Ausdehnung auf unserer eigenen Halbkugel kein Einwand erhoben zu werden. Ich bin kein »Klein«-Amerikaner, der Volks- oder Gebietszuwachs fürchtet, immer vorausgesetzt, daß das neue Gebiet amerikanisch sei und daß es Amerikaner und nicht fremde Rassen hervorbringen wird, die gegen die Republik im Laufe der Zeit untreu sein müssen, um sich selbst treu zu sein.
Während ich schreibe, meldet der Telegraph die Einverleibung Hawaiis, was bedenklicher ist, doch ist der Grund dafür die Notwendigkeit gewesen, die einzige Kohlenstation im stillen Ozean zu besitzen, die vermöge ihrer Lage jeder Macht einen wesentlichen Stützpunkt zum erfolgreichen Angriff unserer pazifischen Küste bietet. So lange der Nicaragua-Kanal nicht gebaut ist, läßt sich die zwingende Gewalt dieses Grundes nicht leugnen. Wir brauchen diese Maßnahme nicht als einen Vorstoß oder Angriff, sondern nur als eine solche reiner Verteidigung zu betrachten. Die Bevölkerung der Insel ist so klein, daß nationale Bestrebungen nicht anzutreffen sind, was ein großer Vorteil ist. Auch ist sie nicht durch Eroberung gewonnen worden. Sie ist unser durch eine Abstimmung des Volkes, was der Erwerbung viele Gefahren nimmt. Hoffen wir, daß unsere weit draußen liegenden Besitzungen mit Hawaii schließen.
Konkret ausgedrückt, ist die Frage: sollen wir versuchen, uns als Macht im fernen Osten festzusetzen und um des Ruhmes willen die Philippinen besetzen? Den Ruhm haben wir schon in Deweys, die Macht Spaniens überwindendem Sieg, der zu den vielen Lorbeeren der amerikanischen Flotte, die die Lorbeeren zur See von ihrer Kindheit an bis heute mit Britannien geteilt hat, neue hinzugefügt. Die Philippinen haben gegen 7½ Millionen Bevölkerung, die aus einander bitter feindlich gesinnten Rassen besteht, aus fremden Rassen, die unsre Sprache und Einrichtungen nicht kennen. Amerikaner können dort nicht gezüchtet werden. Die Inseln sind zum Nutzen Spaniens ausgebeutet worden, gegen das sie sich gleich den Kubanern zweimal erhoben haben. Aber selbst Spanien hat wenig Geldgewinn aus ihnen gezogen. Die veranschlagte Einnahme aus den Philippinen betrug 1894/95 £ 2 715 980, die Ausgabe £ 2 656 026, sodaß ein Reinertrag von etwa $ 300 000 blieb. Die Vereinigten Staaten könnten selbst diese geringfügige Summe von den Einwohnern nur dadurch erhalten, daß sie sie wie Spanien bedrücken würden. Wenn wir aber die Philippinen nehmen, werden wir sie so großmütig regieren müssen, wie Britannien seine abhängigen Gebiete regiert, das heißt so, daß sie uns nichts einbringen und wahrscheinlich noch eine Quelle jährlicher Ausgaben sein werden. Sicher werden sie eine schmerzliche Schwächung der Einkünfte bedeuten, wenn man die große Heer- und Seemacht berücksichtigt, die wir ihretwegen werden halten müssen.
Es walten viele Bedenken dagegen, daß wir die Beherrschung abhängiger Gebiete unternehmen; eins erlaube ich mir als uns eigentümlich darzulegen. Wir würden in eine schiefe Lage kommen. Man betrachte heute Großbritannien in Indien. Es hat Schulen errichtet und das Volk unsre Sprache gelehrt. Wir können annehmen, daß wir dasselbe mit ähnlichem Erfolg in den Philippinen tun würden. Als Amerikaner durch Indien zu reisen, ist ein großer Gewinn für den, der die Leute Indiens und ihr Streben kennen zu lernen wünscht. Sie offenbaren den Amerikanern ihre innersten Gedanken, die sie sehr natürlich vor ihren Herren, den Briten, verbergen. Als ich in Indien war, unterhielt ich mich mit vielen, die in britischen Schulen eine englische Bildung erhalten hatten; ich fand, daß sie am meisten Cromwell und Hampden, Wallace und Bruce und Tell sowie Washington und Franklin gelesen und studiert hatten. Der Brite säet so in seinen Schulen mit der einen Hand die Saat des Aufruhrs, denn Bildung erzeugt Aufrührer, während er mit der andern Patrioten unterdrückt, die die Unabhängigkeit ihres Vaterlandes wünschen. Die nationale Vaterlandsliebe, mit der sich der Brite selbst brüstet, muss er in Indien erdrücken. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Indien, der sogenannte Rubin der britischen Krone, wieder rot aufleuchten wird. Die Beherrschung Indiens ist heute nur durch die Zwietracht der dortigen Rassen oder besser der Religionen möglich. Die Hindu und Mohamedaner mißtrauen einander noch mehr als den Briten, aber die Kasten schwinden schnell und die religiösen Vorurteile mildern sich. Sobald dieses Mißtrauen schwindet, ist Britannien der Gefahr ausgesetzt, mit Verlusten an Menschenleben und Schätzen, die sich nicht überschlagen lassen, vertrieben zu werden. Das Streben eines Volkes nach Selbständigkeit wird selten aufgehalten und soll nach den bisherigen amerikanischen Ideen auch nicht aufgehalten werden. Wenn es für den Inder oder Kubaner in gleicher Weise wie einst für den Bürger der Vereinigten Staaten selbst und die verschiednen ehemals spanischen Republiken Südamerikas ein edles Ziel ist, ein Vaterland zu haben, um für es zu leben und nötigenfalls zu sterben, ist dann nicht auch die Empörung des Mannes der Philippinen gegen Spanien edel? Ist es möglich, unserer Republik die Rolle des Unterdrückers der Philippinischen Freiheitskämpfer zuzuweisen? Sicher ist das unmöglich. Mit welchem Gesicht sollen wir in den Schulhäusern der Philippinen unsre eigne Unabhängigkeitserklärung aufhängen und gleichzeitig ihnen die Unabhängigkeit versagen? Welche Antwort wird dem Herzen des Bewohners der Philippineninseln entspringen, wenn er Lincolns Emanzipations-Erklärung liest? Sollen wir Unabhängigkeit üben und Unterwerfung predigen, in unsern Büchern Aufruhr lehren und ihn doch mit unsern Schwertern ausrotten, die Saat der Empörung säen und die Ernte der Treue erwarten? Der Ruf des Präsidenten Mc. Kinley nach freiwilligen Kämpfern für die Unabhängigkeit Kubas gegen die grausame Herrschaft Spaniens findet rasch Befolgung, aber wer folgte gern dem Aufrufe des Präsidenten einer »Reichs«-Republik an freie Bürger, Washington zu bekämpfen und die Patrioten eines weit entlegenen abhängigen Gebietes, das um Freiheit ringt, niederzumetzeln?
Bisher ist es die ruhmreiche Mission unsrer Republik gewesen, auf fester Grundlage den Triumph der Demokratie zu sichern, und die Welt kennt jetzt die Regierung des Volkes, für das Volk und durch das Volk. Ermüdet die Republik so bald ihrer Mission, daß sie sie gewaltsam fallen lässt und die unmögliche Aufgabe übernehmen muß, den Triumph des Despotismus, die Herrschaft des Fremden über das Volk herbeizuführen? Und müssen die Millionen der Philippinen, die ihr ihnen von Gott verliehenes Recht auf Selbstregierung geltend gemacht haben, die ersten Opfer der Amerikaner sein, deren stolzester Ruhm es ist, sich selbst die Unabhängigkeit errungen zu haben?
Erwägen wir sorgfältig eine weitere Seite der Frage. Europa ist heute ein bewaffnetes Heerlager, nicht hauptsächlich um deswillen, weil die heimischen Gebiete seiner verschiedenen Nationen bedroht wären, sondern aus Furcht vor feindseligen Handlungen seitens andrer Nationen in Betreff auswärtiger »Besitzungen.« Frankreich grollt über die britische Beherrschung Egyptens und ist um seine westafrikanischen Besitzungen bange; Russland trachtet nach Chinas Gebieten und einer Ausdehnung nach dem Stillen Ocean; Deutschland strebt ebenfalls nach fernen Besitzungen; Britannien, das so viele abhängige Gebiete erworben hat, ist wegen eines Angriffs auf sie so besorgt, daß es in diesem Jahr nahezu achtzig Millionen Dollar für neue Kriegsschiffe ausgiebt, und Russland, Deutschland und Frankreich leisten Folge. Japan ist ein neues Element der Besorgnis und soll am Ende des Jahres 67 furchtbare Kriegsschiffe haben. Die Seemächte Europas und auch Japan sind anscheinend entschlossen, sich zu einem fürchterlichen Kampfe um Besitzungen im fernen Osten bereit zu halten – nahe den Philippinen, und warum nicht um diese Inseln selbst? Unsere Republik wird von den Mächten, die von unserer Politik Vorteil für sich erwarten, herzlich eingeladen, sich mit in diesen Strudel zu stürzen, unser Vorgehen wird aber von denen vorsichtig bewacht, die fürchten, daß unsre Macht gegen sie gebraucht werden könnte.
Es hat nie als besondere Weisheit gegolten, mit seiner Hand in ein Wespennest zu greifen, und es scheint in der Tat, als ob die Vereinigten Staaten jeden Anspruch auf mittelmäßige Klugheit verlieren müßten, wenn sie diese Bahn betreten und sich in die Umtriebe und Kriegsbedrohungen verwickeln würden, die Europa zu einem gerüsteten Lager machen.
Es ist der Scheideweg. Wir haben einen Kontinent zu bevölkern und zu entwickeln; es kommen in den Vereinigten Staaten nur 23 Personen auf die Quadratmeile. England hat deren 370, Belgien 571, Deutschland 250. Mit dem zehnten Teil der Kosten einer dauernden Herrschaft über die Philippinen könnten wir unsere Binnenschiffahrtsstraßen verbessern, den Nicaragua-Kanal bauen, eine Wasserstraße von den großen Seen nach dem Ozean, einen Binnenkanal längs der atlantischen Küste und einen Kanal durch Florida herstellen und auf diese Weise die Entfernung zwischen New-York und New-Orleans um 800 Meilen verkürzen, den Michigansee mit dem Mississippi verbinden, alle Häfen an den Seen vertiefen, einen Kanal vom Erie-See nach dem Allegheny-Fluß bauen, durch veränderliche Dämme den ganzen Ohio-Fluß entlang bis nach Cairo die Stauwässer regulieren, den unteren und oberen Mississippi und alle unsre Häfen an der Seeküste gründlich verbessern. Die Kosten aller dieser Unternehmungen würden nichts bedeuten im Vergleich zu den Summen, die das Experiment der Besitzergreifung der von unseren Küsten 7000 Meilen entfernten Philippinen-Inseln erheischt. Handelt es sich darum, die Stellung unserer Republik unter den Nationen zu stärken, kann dann irgend welcher Zweifel bestehen, welche Politik die bessere sei? Daheim mächtiger zu sein ist der sicherste Weg, draußen mächtiger zu sein. Heute steht die Republik als Freundin aller Nationen, als Verbündete keiner da: sie hat keine ehrgeizigen Absichten auf das Gebiet irgend einer Macht eines anderen Festlandes; sie kreuzt keinen der ehrgeizigen Pläne anderer, erregt keinen bittern Argwohn, flößt keine Furcht ein; sie gehört nicht zu denen, die sich um Besitzungen reißen; sie steht auf der Seite, indem sie ihre eigne große Mission verfolgt und alle Völker ihr Beispiel lehrt. Man lasse sie zu einer Macht werden, die sich fremde Gebiete einverleibt, und alles ist im Augenblick geändert.
Wenn wir mit andern Nationen um fremde Besitzungen in Wettbewerb treten wollen, müssen wir eine Kriegsflotte wie die ihrigen haben. Sie müßte jeder andern noch überlegen sein, da wir sonst eine zweite Rolle spielen würden. Es genügt nicht, eine derjenigen Rußlands oder Frankreichs gleiche Flotte zu haben, denn Rußland und Frankreich können sich gegen uns, ebenso wie gegen Britannien, verbünden. Wir betreten das Feld sofort als Nebenbuhler Britanniens, der größten Herrin fremder Besitzungen, und wer kann verbürgen, daß wir nicht auch gegen sie unsere Kraft zu messen haben würden?
Was es heißt, in die Reihe der Land- und Seemächte einzutreten, die fremde Besitzungen haben, ist den folgenden Erwägungen zu entnehmen. Man denke zunächst an unsere künftige Flotte. Wenn sie nur der Frankreichs gleichen soll, bedeutet das 51 Kriegsschiffe, wenn der Rußlands, 40. Wenn wir am Spiel nicht teilnehmen können, ohne wenigstens jedem unsrer Nebenbuhler gleichzukommen, so ist dann mit 80 Kriegsschiffen als der Zahl zu rechnen, die Britannien besitzt. Wir haben jetzt nur 4, und 5 im Bau. Bewaffnete und unbewaffnete Kreuzer lassen die Zahl aufs dreifache anschwellen, so hat Britannien 273 gebaute oder bestellte Linienschiffe und dazu 308 Torpedoboote; Frankreich hat 134 Linienschiffe und 269 Torpedoboote. Alle diese Nationen fügen rasch neue Schiffe hinzu. Jede Panzer- und Geschützfabrik der Welt ist Tag und Nacht geschäftig. Schiffe sind unentbehrlich, aber die jüngste Erfahrung zeigt, daß Soldaten es gleicher Weise sind. Wenn wir auch die ungeheuren Heere Europas nicht zu erreichen brauchen, so werden wir doch sicherlich zu schwach sein, solange nicht unser Heer wenigstens zwanzigmal so groß ist, wie seither – sagen wir 500 000 Mann. Selbst dann werden wir als Gegner auch nur eines unserer drei Nebenbuhler Deutschland, Frankreich und Rußland noch machtlos sein.
Eine so weitgehende Inanspruchnahme der Hilfsquellen dieser Länder für Militärzwecke ist die notwendige Folge ihrer Lage, die sie zur Ausschau nach fremden Besitzungen zwingt. Die Vereinigten Staaten befinden sich heute zum Glück nicht in einer solchen Notlage, da ihr Gebiet einheitlich zusammenhängt, ihre Macht also einer einzigen festen Masse entspringt und ihre Nachbarn daher gegen sie machtlos sind.
Zwei große Mächte der Welt sind heute fest zusammengefügt, indem sie in ihrer friedlichen Entwickelung ungeheure, an einander anstoßende Gebiete umfassen. Wenn Krieg droht, haben sie keine außen liegenden Besitzungen, die nie wirklich »besessen« werden können, aber verteidigt werden müssen. Sie kämpfen im Falle des Angriffs nur an dem Saume ihrer eigenen Landmasse, die allein Feindseligkeiten ausgesetzt ist, und sind auf diese Weise unverwundbar, sodaß sie von der ganzen Welt in Waffen nicht mehr als eine bloße Belästigung zu befürchten brauchen. Diese Mächte sind Rußland und die Vereinigten Staaten. Sollten die unbesonnenen Ratschläge Mr. Chamberlains befolgt werden, so könnte der Versuch Britanniens, Rußland aufzuhalten, nur in Mißerfolg enden. Mit der unwiderstehlichen Gewalt des Gletschers schiebt sich Rußland auf die unten liegende Ebene vor. Sein Vordringen in das heidnische China ist aber auch für die übrige Welt, ja vom geschäftlichen Standpunkte aus selbst für Britannien von Vorteil, denn jeder Russe macht heute ebensoviel Geschäfte mit Britannien wie neun Chinesen. Britannien, Frankreich, Deutschland, Belgien, Spanien sind alle verwundbar, weil sie die scharfsinnige Politik, ihren Besitz und ihre Macht als räumliche Einheit zu erhalten, verlassen haben. Sollten die Vereinigten Staaten diese Politik ebenfalls verlassen, würde dies auch sie weiterhin so schwächen, daß sie, zerrissen, nie mehr die gebietende Rolle in der Welt spielen könnten, die sie nach Belieben zu spielen vermögen, solange sie ein zusammenhängendes Gebiet bilden.
Ob die Vereinigten Staaten ihre jetzige, unvergleichlich sichere Stellung bewahren oder aber durch den Erwerb fremder Besitzungen verwirken werden, wird ihr Vorgehen hinsichtlich der Philippinen entscheiden; denn die Unabhängigkeit Kubas ist glücklicherweise gesichert und nur für diese hat die Republik laut ihrer Erklärung das Schwert gezogen. Warum sollte aber ein nationales Dasein den weniger als 2 Millionen Kubas beschieden und den 7½ Millionen der Philippinen versagt sein? Noch haben die Vereinigten Staaten in ihrer Geschichte kein Blatt aufzuweisen, das von Selbstaufopferung für andere berichtet; alle ihre Erfolge sind für sie selbst gewesen. Diese Lücke wird nunmehr würdig ausgefüllt sein. Das Blatt, das die Entschließung der Republik meldet, ihren Nachbar Kuba vom fremden Herrscher zu befreien, wird im Laufe der Jahrhunderte in dem Maße, wie manche jetzt glänzend erscheinende Seiten verblassen mögen, an Glanz gewinnen. Kann der künftige Amerikaner erst darauf hinweisen, daß Kuba und die Philippinen, von der fremden Herrschaft befreit, eine Unabhängigkeit genießen, die ihnen sein Vaterland errungen und ohne Geld und Vergütung geschenkt hat, so wird er keinem Bürger irgend einer andern Nation begegnen, der seinem Lande gleich uneigennützige und edle Dienste nachzurühmen vermöchte.
Ich wiederhole, daß keine Macht der Welt den Vereinigten Staaten mehr als eine bloße Belästigung verursachen kann, wenn sie sie an ihrem Saume angreift, und dies ist alles, was die ganze Welt vereint tun kann, so lange unser Vaterland seine Streitkräfte nicht von den eigenen zusammenhängenden Küsten wegzusenden braucht, um wertlose Besitzungen zu verteidigen. Wenn unser Land durch die vereinten Mächte der Welt jahrelang abgesperrt werden sollte, würde es aus der Hafensperre nur desto reicher und stärker und mit umso vollkommeneren eignen Hilfsquellen hervorgehen. Wir haben wenig von äußeren Angriffen zu fürchten. Eine durchgreifende Absperrung unsrer ausgedehnten Küste ist nicht möglich, und selbst wenn sie es wäre, würden uns die wenigen entbehrlichen Artikel, die nicht von uns selbst erzeugt werden (wenn es solche gibt) zu nur unwesentlich höheren Kosten auf dem Wege über Mexiko oder Kanada erreichen.
Von jedem Gesichtspunkte aus gelangen wir zu dem Schluß, daß die bisherige Politik der Republik ihre richtige Politik für die Zukunft ist, zur Sicherheit, zum Frieden, zum Glück, zum Fortschritt, zum Reichtum, zur Macht – zu allem was einer Nation zum Segen gereicht.
Erst wenn die Kriegstrommel schweigt und der Tag ruhigen Friedens wiederkehrt, wird sich die Frage ganz nüchtern betrachten lassen.
Zweimal hat das amerikanische Volk Kreuzwege mit Weisheit beschritten, und am dritten darf es nicht fehlgehen.
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