Der wunderthätige Magus
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Erster Aufzug.

Eine anmutige Berggegend.

Cyprianus tritt auf in der Tracht eines Gelehrten; ihm folgen Clarin und Moscon, als Studenten gekleidet. Die letzteren tragen einige Bücher.

Cyprianus. In der holden Einsamkeit
Dieses stillen Aufenthaltes,
In dem schönen Labyrinthe
Dieser Bäume, Blumen, Pflanzen
Lasset mich allein, und bei mir
(Denn sie sind mir gnügend) lasset
Zur Gesellschaft diese Bücher,
Die auf mein Geheiß ihr traget.
Denn ich, während Antiochia
Feiert mit so hohem Glanze
Die Vollendung jenes Tempels,
Heut gewidmet dem erhabnen
Jupiter, da man im Pompe
Des Triumphzugs seine Statue
Dahin trägt, wo sie den würd'gern,
Ehrenvollern Platz empfange:
Ich will, fliehend das Getöse
Jener Märkte, jener Gassen,
Hier mit Studien verbringen,
Was noch übrig ist vom Tage.
Geht ihr zwei nach Antiochia,
Freut euch ihrer mannigfachen
Fest' und kehrt hieher zurück,
Wann die Sonn' herniederwallend
Sich bestattet in den Wogen,
Die, von Wolken schwarz umhangen,
Jenen großen goldnen Leichnam
Kühl umfahn im Silbergrabe.
Hier dann trefft ihr mich.

Moscon.                                   Ich muß,
Wie gewalt'ge Lust ich habe
Zu dem Feste, dennoch, Herr,
Eh ich geh', es zu betrachten,
Dir vorher zum mindsten vier-
Bis fünftausend Worte sagen:
Wie? An einem Tage solcher
Festlichkeiten, solches Glanzes
Und Genusses, kannst du jetzo
Mit vier Büchern einsam wandern
Auf das Land und allen seinen
Jubel mit dem Rücken ansehn?

Clarin. Mein Gebieter thut sehr wohl;
Denn es ist nichts abgeschmackter,
Als ein Prozessionentag,
Wo's nur Gaukler gibt und Pfaffen.

Moscon. Du, Clarin, der vorn und hinten
Nichts als List und Trug geladen,
Bist ein achselträgerischer
Schmeichler, weil du stets in allem
Recht ihm gibst und niemals sprichst,
Wie du denkst.

Clarin.                     Du irrst dich, Alter;
(Höflicher läßt kein: du lügst!
Einem ins Gesicht sich sagen)
Und ich sage, was ich denke.

Cyprianus. Gnug, Clarin! Gnug, Moscon! Lasset
Eure Zänkerei; denn immer
Seid ihr beiden Ignoranten
Im Gefecht, das Widerspiel
Einer von dem andern haltend.
Geht hinweg und, wie gesagt,
Suchet mich, wann, niederwallend,
Nun die Nacht den wundervollen
Bau der Welt in ihre Schatten
Einzuhüllen naht.

Moscon.                       Was gilt's:
Ob du's gleich zum Grundsatz machtest,
Es sei gut, das Fest nicht sehen,
Gehst du, es zu sehn?

Clarin.                               Die klare
Folg' ist das; denn keiner eben
Thut, was er zu thun den andern
Rät.

Moscon.   Um Livia zu sehen,
Wünscht' ich Flügel anzuhaben. (ab.)

Clarin. Sag' ich Wahrheit: Livia ist es,
Die nur alle Sinn' entraffte.
Aber da dein Name mehr
Als den halben Weg schon machte,
Mach' die andre Hälfte nun:
Livia, komm, sei mein Livianchen. (ab.)

Cyprianus. Jetzt bin ich allein und kann,
Wann dies mein Gedank' erlanget,
Untersuchen das Problem,
Welches mir die Seele spannet,
Seit im Plinius ich las
In geheimnisvoller Sprache
Die Definition von Gott;
Denn nicht findet mein Gedanke
Diesen Gott, der in sich solche
Merkmal' und Mysterien fasset.
Diese tief verborgne Wahrheit
Hab' ich zu erspähn. (Er setzt sich zum Lesen.)

Der Dämon tritt auf, in reicher Kleidung.

Dämon (für sich).             Trotz allem
Diesen Forschen, Cyprianus,
Sollst du nimmer sie erlangen;
Denn ich berge sie vor dir.

Cyprianus. Ein Geräusch hör' ich im Walde.
Wer da? Wer ist hier?

Dämon.                               Ein Fremder,
Edler Herr, der diesen ganzen
Morgen schon, verirrt, umher
Im Gebirge zieht, so lange,
Daß sein Roß, von Müdigkeit
Ganz erschöpft, auf dem Smaragde,
Dieser Berge grünem Teppich,
Weidet nun zugleich und rastet.
Antiochia such ich auf,
Wichtiger Geschäfte halber;
Und indes ich, jene Leute,
Welche mit mir ziehn, verlassend,
Ueberdachte meine Sorgen
(Ein Besitz, der keinem mangelt!),
Irrt' ich ab vom Weg und ab
Von den Dienern und Kamraden.

Cyprianus. Sehr verwundert's mich, daß Ihr,
Angesichts von den erhabnen
Türmen Antiochias, so
Euch verirrt. Von allen Pfaden
Dieses Berges gibt es keinen,
Lauf' er schräge, lauf' er grade,
Der Euch nicht zu ihren Mauern,
Wie zu ihrer Mitte, schaffet.
Welchen Ihr auch immer wählt,
Geht Ihr recht.

Dämon.                   Das ist die Plage
Der Unwissenheit, stets blind sein
Angesichts der Wissenschaften.
Und da es nicht ratsam scheinet,
Daß ich, als ein Unbekannter,
Mich in eine fremde Stadt
Wage, ganz allein und fragend,
So gedenk' ich, hier zu weilen,
Bis die Nacht obsiegt dem Tage;
Denn die Tracht und diese Bücher
Um Euch her, worin Ihr laset,
Machen einen tiefgelehrten
Mann mir kund; und groß Gefallen
Hat mein Herz an jedem echten
Freund der edeln Wissenschaften. (Er setzt sich.)

Cyprianus. Habt Ihr auch studiert?

Dämon.                                           Das nicht;
Doch ich weiß genug, eracht' ich,
Um kein Ignorant zu sein.

Cyprianus. Welche Wissenschaften habt Ihr?

Dämon. Viele.

Cyprianus.       Selbst das längste Studium
Gnügt nicht, eine ganz zu fassen;
Und Ihr habt (o Eitelkeit!)
Ohne Studium so manche?

Dämon. Ja; aus einem Lande bin ich,
Wo die tiefsten Wissenschaften
Ohne Studium man besitzt.

Cyprianus. Wär' ich doch aus diesem Lande!
Denn hier weiß, bei längern. Forschen,
Man nur wen'ger.

Dämon.                       Was ich sagte,
Ist so wahr, daß, ohne Studium,
Ich verwegen gnug mit andern
Eifrig um den ersten Lehrstuhl
Mich bewarb; und fast gelang es,
Denn ich hatte viele Stimmen.
Und verlor ich ihn, so acht' ich
Gnug, daß ich gestrebt; denn oft
Kann Verlust auch Ruhm verschaffen.
Wenn Ihr dies nicht glauben wollt,
Sagt, was Ihr studiert, und lasset
Wetten uns: obwohl ich nicht
Weiß die Meinung, die Ihr annehmt,
Will ich, wär' es auch die richt'ge,
Kühn das Widerspiel Euch halten.

Cyprianus. Sehr erfreut's mich, daß Eur Geist
Sich an solche Dinge waget.
Eine Stell' im Plinius ist's,
Welche tausendfach mich martert,
Um herauszubringen, wer
Sei der Gott, von dem sie saget.

Dämon. Diese Stelle (wohl entsinn' ich
Ihrer mich) spricht solchermaßen:
Gott ist eine höchste Güte,
Wesen, durch sich selbst vorhanden,
Ist allwissend, ist allmächtig.

Cyprianus. Ja, so spricht sie.

Dämon.                                   Und was fandet
Ihr für Anstoß?

Cyprianus.               Nicht zu finden
Den Gott, von dem Plinius handelt,
Soll er sein die höchste Güte,
Da die höchste Güte mangelt
Selbst dem Jupiter? Denn sündhaft
Sehn wir ihn in manchem Falle;
Danae sag' es, die Bezwungne,
Sag's Europa, die Entraffte.
Wie nun kann die höchste Güte,
Deren ewig heil'ges Handeln
Göttlich sein muß, Raum gewähren
Menschlich niedern Leidenschaften?

Dämon. Das sind Märchen nur, worein
Die profanen Schriftverfasser
Mit der Götter Namen künstlich
Einzuhüllen sich vermaßen
Die Moralphilosophie.

Cyprianus. Das genügt nicht, was Ihr saget;
Denn die Würde Gottes sollte
Solche sein, daß, anzutasten
Seinen Namen, frecher Vorwurf
Nie vermöcht', und wenn auch falscher.
Und um tiefer einzudringen:
Kommt den Göttern zu der Name:
Höchste Güte, muß ihr Wille
Allzeit nach dem Besten trachten;
Wie nun wollen ein'ge dieses,
Andre jenes? Solches aber
Findet sich in ihrer Bilder
Oft zweideutigen Orakeln;
Damit Ihr nicht sagt hernach,
Ich berief mich auf Profane.
Zweien Heeren ward von zwei
Götterbildern Sieg im Kampfe
Zugesagt, und eins verlor:
Ist nun hieraus nicht der klare
Schluß zu folgern, daß zwei Willen,
Ganz im Widerspruch befangen,
Nimmer auf denselben Zweck
Können gehn? Drum, als einander
Widersprechend, muß, wenn einer
Gut ist, böse sein der andre.
Böser Wille wird in Gott
Schon gesetzt durch den Gedanken;
Folglich wohnt nicht höchste Güte
Jenen bei, wenn Eintracht mangelt.

Dämon. Euern Vordersatz vernein' ich;
Denn es gehen die Orakel
Solcher Art auf einen Zweck,
Unserm Scharfsinn zu erhaben.
Dies ist Vorsehung; und mehr
Vorteil bringen mußt' im Kampfe
Dem Verlierer, zu verlieren,
Als dem Schlagenden, zu schlagen.

Cyprianus. Zugegeben; doch es mußte
Jener Gott (denn Götter schaffen
Keine Täuschung) nicht den Sieg
Erst versichern; gnügend war es,
Zu gestatten den Verlust,
Ohne Sieg erst zuzusagen.
Folglich nun, ist Gott allwissend,
Mußte jeder Gott der Sache
Ausgang klar und deutlich sehn
Und, ihn sehend, nicht zusagen,
Was geschehn nicht sollte. Folglich,
Mag die Gottheit auch sich spalten
In Personen, dennoch muß,
Auch in jedem kleinsten Falle,
Sie nur eine sein im Wesen.

Dämon. Nötig war's bei dieser Sache,
Zu entflammen die Gemüter
Durch Orakel.

Cyprianus.             War Entflammen
Nötig, gibt es Genien doch,
Welche die Gelehrten alle
Gut und böse nennen; Geister,
Die, dem Aug' unsichtbar, wandern
Unter uns umher, einflößend
Gute so wie böse Thaten.
Die Unsterblichkeit der Seele
Ruhet ganz auf diesem Satze.
Und wohl konnte jener Gott
Durch sie, ohn' als lügensagend
Sich zu zeigen, die Gemüter
Zur Genüg' entflammen.

Dämon.                                   Achte
Hierauf nur, daß Widersprüche
Solcher Art sich wohl vertragen
Mit der heil'gen Götter Einheit;
Denn nie wichen sie in Sachen
Von Bedeutung ab; und wohl
Wird dies an dem wundersamen
Bau des Menschen klar, denn ihn
Schuf ein einziger Gedanke.

Cyprianus. Folglich, schuf ihn nur ein einz'ger,
So hat dieser vor den andern
Viel voraus; und sind sie gleich,
Da du findest, daß einander
Wohl sie können widerstehn
(Was du nicht zu leugnen wagest),
Konnte bei des Menschen Schöpfung,
Wenn im Sinn sie einer hatte,
Wohl vielleicht ein andrer sprechen:
Ich will nicht, daß man ihn schaffe.
Hieraus folgt, ist Gott allmächtig,
Daß, wann ihn der eine machte,
Ihn der andre stracks vertilgte.
Wenn nun beid' allmächtig waren,
Ganz einander gleich in Macht,
Aber ungleich im Verlangen:
Welcher dann von beiden siegt?

Dämon. Mit unmöglichen und falschen
Sätzen gibt es keinen Streit.
Und was folgerst du aus allen.
Diesen? Sprich!

Cyprianus.                 Es sei ein Gott,
Höchste Güte, höchste Gnade,
Allmacht und Allwissenheit;
Als unfehlbar, stets wahrhaftig,
Als der Höchste, nimmer kämpfend,
Gott, nicht seinesgleichen habend,
Uranfänglich, sonder Anfang,
Wesen, durch sich selbst vorhanden,
Eine Kraft, ein einz'ger Wille.
Und mag er, als solcher, haben
Eine, zwei und mehr Personen:
Eine Gottheit ohne Schranken
Muß nur eine sein im Wesen,
Urgrund von den Gründen allen. (Er steht auf.)

Dämon. Wär' es möglich wohl, zu leugnen,
Was so augenscheinlich klar ist?

Cyprianus. So verdrießt es dich?

Dämon.                                         Wen sollt' es
Nicht verdrießen, macht ein andrer
Ihm den Preis des Scharfsinns streitig?
Und ob Antwort mir nicht mangelt,
Halt' ich dennoch sie zurück,
Weil ich Leute hör' im Walde;
Auch ist es für mich nun Zeit,
Weiter nach der Stadt zu wandern.

Cyprianus. Geht in Frieden.

Dämon.                                 Bleibt in Frieden. –
(Beiseite.) Da dein Studium das erlangte,
Mach' ich, daß du sein vergessest,
Bald von seltner Schönheit Glanze
Festgebannt; denn auch Justinen
Zu verfolgen, ward gestattet
Meiner Wut. Mit einem Schlag
Nehm' ich so an beiden Rache. (ab.)

Cyprianus. Nimmer sah ich solchen Mann.
Doch da meine Diener lange
Zögern, will ich meiner Zweifel
Gegenstand nochmals betrachten. (Er setzt sich wieder zum Lesen.)

Lälius und Florus treten auf.

Lälius. Gehn wir weiter nicht voran!
Diese Felsen, diese Schatten
Dichter Zweige, die den Zugang
Auch der Sonne selbst versagen,
Sollen unsers Kampfes einz'ge
Zeugen sein.

Florus.                 Herausgefahren
Mit dem Schwert! Jetzt gilt die That,
Wenn vorhin die Worte galten.

Lälius. O ich weiß, auf freiem Kampfplatz
Darf der stumme Mund des Stahles
So nur reden. (Sie fechten.)

Cyprianus (zwischen sie tretend).   Was ist dieses?
Halt ein, Lälius! Florus, halte!
Gnug, ich steh' hier zwischen euch,
Steh' ich gleich hier ohne Waffen.

Lälius. Sprich, von wannen, Cyprianus,
Kommst du, störend meine Rache,
Jetzt heran?

Florus.               Bist du Geburt
Dieser Berge, dieses Waldes?

Moscon und Clarin treten auf.

Moscon. Lauf geschwind, denn unsern Herrn,
Glaub' ich, hat man überfallen.

Clarin. Mich zu nähern solchen Dingen,
Pfleg' ich nicht zu laufen, wahrlich;
Doch mich zu entfernen, ja.

Moscon und Clarin. Herr!

Cyprianus (zu den Dienern).   Kein Wort mehr sollt ihr sagen!
Nun, was gibt es hier? Zwei Freunde,
Die durch Blut und Ruf dermalen
Als des ganzen Antiochias
Augenmerk und Hoffnung prangen,
Einer des Statthalters Sohn
Und der andre von dem alten
Hohen Hause der Colaltos,
Setzen so aufs Spiel und wagen
So zwei Leben, die zum Ruhm
Könnten sein dem Vaterlande?

Lälius. Cyprianus, wenn die Achtung,
Die ich, vieler Gründe halber,
Dir geweiht, auch meinen Degen
Jetzt vermag zurückzuhalten,
Dennoch, in die Ruh der Scheide
Kannst du nicht ihn wieder bannen.
Mehr von Wissenschaften weißt du,
Als vom Zweikampf, nicht gewahrend,
Daß nie Achtung, welch' es sei,
Auf dem Platz zwei Herrn vom Adel
Kann versöhnen; was nur dadurch
Wird bewirkt, daß einer falle.

Florus. Dies sag' ich dir auch und bitte,
Geh mit deinen Leuten abwärts;
Aber uns laß unsern Kampf
Ohne Fahr und Vorteil halten.

Cyprianus. Dünkt euch schon, daß unbekannt
Mein Beruf mich läßt mit allem
Brauch des Zweikampfs, den der Mut
Und die Tapferkeit beachten,
Dennoch irrt ihr euch; auch mir
Macht nicht minder, als euch andern,
Die Geburt zur Pflicht das Wissen,
Welches Ehr' ist, welches Schande;
Und nicht hat, daß ich den Studien
Lebte, mir den Mut erschlaffet,
Denn oft gaben schon die Hand
Wissenschaften sich und Waffen.
Wenn, sich auf den Platz zu stellen,
Die Bedingung ist des Kampfes,
So seid ihr, die ja gekämpft,
Jener Schmähung schon entgangen;
Und so könnt ihr wohl den Grund
Eures Zwistes mir entfalten.
Denn wofern ich, nach Anhörung
Des Berichts, die Einsicht habe,
Daß der eine von euch beiden
Muß Genugthuung verlangen,
Geb' ich euch mein Wort, sogleich
Hier euch beid' allein zu lassen.

Lälius. Wohl denn; unter der Bedingung,
Daß, wenn du den Grund erfahren,
Du nicht hindern wirst den Kampf,
Biet' ich an, ihn dir zu sagen:
Eine Dame lieb' ich hoch,
Und auch Florus liebt die Dame.
Siehe nun, ob hier Vereinung
Möglich ist; denn nicht verlange,
Daß zwei edle Nebenbuhler
Ueber Neigung unterhandeln.

Florus. Ja, sie lieb' ich, und nicht soll
Er sie anzuschauen wagen,
Noch die Sonne selbst; und da
Nichts hier half, und du versprachest,
Unsern Zweikampf nicht zu hindern,
So begib dich nun von dannen.

Cyprianus. Halt! denn mehr zu wissen noch
Gibt es hier: Bei dieser Dame,
Sprecht, ist ein Erlangen denkbar,
Ist undenkbar ein Erlangen?

Lälius. So glänzt ihre Würd' und Tugend,
Daß, wenn mit der Sonne hadern
Florus wollt' in Eifersucht,
Wär's ein grundlos Unterfangen;
Denn nicht glaub' ich, daß die Sonne
Selbst sie anzuschauen waget.

Cyprianus (zu Florus). Würdest du dich ihr vermählen?

Florus. Das ist einzig mein Verlangen.

Cyprianus (zu Lälius). Und du?

Lälius.                                       O gefiel's dem Himmel,
Daß ich solches Glück erlangte!
Denn, wie äußerst arm sie ist,
Tugend gnügt zur Morgengabe.

Cyprianus. Da ihr also auf Vermählung
Beide hofft: ist's nicht ein falsches,
Sträfliches, unwürd'ges Treiben,
Ihrem Ruf vorher zu schaden?
Was wohl sagte man, nähm' einer
Von euch beiden sie zur Gattin,
Wenn er ihrenthalb den Gegner
Umgebracht? Denn ob's an allem
Grund zu solchem Sagen fehle,
Gnügt, auch ohn' ihn, solches Sagen.
Das nicht sag' ich, daß, gleichzeitig,
Huld'gung ihr und Liebestrachten
Sollet dulden; denn nicht führen
Zu so schimpflichem Vertrage
Will ich, weil, wes Eifersucht
Mitbewerbung eines andern
Anfangs übersieht, hernach
Uebersehn wird auch die Schande.
Doch dies sag' ich: ihr müßt forschen,
Wer von euch ihr mag gefallen:
Und deshalb . . .

Lälius.                       Halt ein! Nicht weiter!
Welch ein niedrig feiges Handeln
Wär's, zu wollen, daß sie selber,
Wen sie wählt, uns solle sagen!
Denn mich wählt sie, oder ihn.
Wählt sie mich, so wird die Plage,
Die mich drückt, nur um so läst'ger;
Denn wohl plagt es, daß ein andrer
Da sei, der, die mich liebt, liebe;
Wählt sie ihn: dann noch gewalt'ger
Martert's mich, daß, die ich liebe,
Einen andern liebt. Drum aber
Ist es unnütz, daß sie spreche,
Weil ja doch in jedem Falle
An des Degens Endurteil
Wir zuletzt uns müssen halten,
Der, den sie erwählt, aus Ehre,
Der, den sie verwirft, aus Rache.

Florus. Ich gesteh' es, diese Meinung
Wird als recht und gut betrachtet,
Doch nur bei verliebten Frauen,
Die bald wählen, bald verlassen.
Drum beim Vater will ich werben
Heut; und da ich gnügend achte,
Auf den Kampfplatz mich gestellt
Und das Schwert entblößt zu haben,
Aus dem Grund hauptsächlich, weil
Uns ein dritter stört im Kampfe:
Lass' ich, hinlänglich befriedigt,
Lälius, in die Scheid' es fallen. (Er steckt den Degen ein.)

Lälius. Einesteils hat mich dein Grund
Ueberzeugt, und ohne langes
Grübeln will ich ihn befolgen,
Sei's ein wahrer, sei's ein falscher.
Heut beim Vater will ich werben. (Er steckt den Degen ein.)

Cyprianus. Festgesetzt, daß diese Dame
Davon, daß ihr beid' ihr huldigt,
Keinen Nachteil kann befahren,
Da ihr beide sie, einmütig,
Tugendhaft und strenge nanntet:
Sagt mir, wer sie ist; denn ich,
Der ich in der Stadt des Ansehns
Viel besitze, will bei ihr
Führen euer beider Sache,
Daß sie vorbereitet sei,
Wenn ihr Vater davon anfängt.

Lälius. Du hast recht.

Cyprianus.                 Wer ist's?

Florus.                                         Justina,
Tochter des Lysander.

Cyprianus.                         Wahrlich,
Dieser Name zeigt, wie arm
Eure Lobesworte waren;
Denn sittsam ist sie und edel.
Gleich nun will ich ihr mich nahen.

Florus. Lenk', o Himmel, mir zum Besten
Das Gemüt der Undankbaren! (ab.)

Lälius. Krön', o Liebe, nennt er mich,
Meine Hoffnung mit dem Kranze! (ab.)

Cyprianus. Laß, o Himmel, mir's gelingen,
Daß ich Unheil wehr' und Schaden! (ab.)

Moscon. Hat Eur Gnaden wohl gehört,
Unser Herr sei auf dem Gange
Zu Justinen?

Clarin.                 Ja, mein Herr;
Geh' er, oder nicht: was macht es?

Moscon. So viel macht es: nichts zu thun
Hat Eur Gnaden dort.

Clarin.                               Weshalben?

Moscon. Weil Justinens Kammermädchen,
Livia, tödlich mich entflammet;
Und ich will nicht, daß die Sonne
Selbst sie anzuschauen wage.

Clarin. Schon genug; denn schlagen will
Ich mich nicht um eine Dame,
Welche meine Frau soll werden.

Moscon. Dieser Satz hat mein Gefallen;
Und so mag denn sie erklären,
Wer ihr mißfällt, wer ihr ansteht.
Laß uns zu ihr gehn; sie selbst
Wähle dann.

Clarin.                 Kein übler Handel!
Fürcht' ich gleich, sie wird dich wählen.

Moscon. Woher kommt dir solches Bangen?

Clarin. Weil's die undankbaren Livias
Immer mit dem Schlechtsten halten. (Beide ab.)

 


 
Zimmer in Lysanders Hause.

Justina und Lysander treten auf.

Justina. Nein, nie tröst' ich mich fürwahr,
Daß ich heute, Herr, gesehen
Dies entsetzliche Vergehen,
Da des Volks gesamte Schar
Weihte Tempel und Altar
Einem Bilde, welches nimmer
Kann ein Gott sein; denn wär' immer
Ihm davon auch nur ein Schein,
Gibt der Höllengeist allein
Stummen Erzen Lebensschimmer.

Lysander. Teures Kind, du wärest nicht
Die du bist, wenn deiner Zähren
Ströme nicht geflossen wären,
Als vor deinem Angesicht
Unsrer heil'gen Glaubenspflicht
Heut so bittre Schmach geschah.

Justina. Deine Tochter bin ich ja;
Und nicht wär' ich dir entsprossen,
Wenn nicht meine Thränen flossen
Bei dem Jammer, den ich sah.

Lysander. Ach, Justina, nicht als zarte
Tochter wardst du mir gewährt;
Solch Glück war mir nicht beschert. –
Gott! wie kam's? Ich offenbarte,
Was so lang' ich tief bewahrte;
Schmerz war's, der mich übernahm.

Justina. Herr, was sagst du?

Lysander.                             Ach! der Gram
Macht mich ganz verwirrt, beklommen.

Justina. Oft hab' ich von dir vernommen,
Was ich jetzt von dir vernahm;
Aber nie, bis diese Stunde,
Wagte mein verschüchtert Herz,
Zu ergründen deinen Schmerz,
Zu erforschen meine Wunde.
Doch nun seh' ich, tiefre Kunde
Wäre mir ein beßrer Rat;
Drum, und sei es schwere That,
Fleh' ich, Herr, mir ohne Weilen
Dein Geheimnis mitzuteilen,
Das in dir nicht Raum mehr hat.

Lysander. Ein Geheimnis wicht'ger Art
Barg ich, Teure, dir bis heute:
Deine Herkunft; denn ich scheute,
Was sich der Entdeckung paart.
Doch da ich bei dir gewahrt
Reifer Ueberlegung Gabe
Und gewahrt, daß ich am Stabe
Schon zur Erde, längst ergreist,
Hin mich beuge, welches heißt
Klopfen an die Thür zum Grabe:
So darf in Unwissenheit
Ich dich länger nun nicht halten;
Denn durch weitres Vorenthalten
Würde meine Pflicht entweiht.
Höre denn, zu meinem Leid,
Deine Lust.

Justina.             Mit Angst und Zagen
Kämpf' ich.

Lysander.           Schwer sind meine Plagen;
Doch so will's Vernunft und Pflicht.

Justina. Herr, laß mich zum Raube nicht
Dieser Qual.

Lysander.           So laß dir sagen:
Teures Kind, ich bin Lysander,
Und nicht mag es dich befremden,
Daß ich anfing mit dem Namen;
Denn obwohl du schon ihn kennest,
Muß ich, um der Folge willen,
Dir ihn rufen ins Gedächtnis,
Weil du nichts von mir noch weißt,
Als nur meinen Namen eben.
Ja, Lysander bin ich, Sohn
Jener Stadt, auf sieben Bergen
Eine Hydra schier von Stein,
Weil sie sieben Häupter zählet;
Jener Stadt, anjetzt der Thron
Römischer Gewalt, Herberge
Und Asyl der Christenheit,
Denn nur Rom ist würdig dessen.
Dort ward ich erzeugt von niedern
Eltern, darf man niedrig nennen
Jene, die als reiche Güter
So viel Tugenden vererbten.
Beide, Christen von Geburt,
Rühmten sich entstammt von Vätern,
Die mit ihrem Blut die Wahrheit
Einst bezeugt und aus des Lebens
Hartem Kampf hervorgegangen
Mit des Todes Siegstrophäen.
In der Religion der Christen
Wuchs ich auf, so wohl belehret,
Daß ich gern, sie zu verteid'gen,
Opfre tausendmal das Leben.
Jüngling war ich, als in Rom
Heimlich ankam der verständ'ge
Alexander, unser Papst,
Der den apostol'schen Sessel
Inne hatt', allein nicht hatte,
Wo er hin ihn konnte stellen;
Denn dieweil die Tyrannei
Der grausamen Götzenknechte
Löschet ihren Durst mit Blute,
Welches sie entzieht den Märtrern,
Muß die erstgeborne Kirche
Ihre Söhne jetzt verbergen,
Nicht, weil sie zu sterben weigern,
Nicht, weil sie der Marter beben,
Sondern daß nicht auf einmal
Allesamt sie der Rebellen
Wut vertilg' und nach der Kirche
Untergang es keinen gebe,
Der die Heiden unterrichte,
Ihnen pred'ge, sie belehre.
Nun, nach Rom kam Alexander,
Und ich, der mit gläub'gem Sehnen
Heimlich ihn besucht', empfing
Seinen Segen und aus gnädiger
Hand die heil'gen Orden alle,
Deren Würde selbst der Engel
Neid erregt; denn ihr Besitz
Ist ein Vorrecht nur des Menschen.
Mir befahl der Papst, ich solle
Mich gen Antiochia wenden,
Um dort im Geheimen Christi
Wort zu pred'gen. Dem Befehle
Folgsam und so vieler Völker
Roher Willkür preis mich gebend,
Zog ich schnell gen Antiochia;
Und als ich von jener Berge
Gipfel nun zuerst erblickte
Ihrer Kuppeln goldne Menge,
Da gebrach die Sonne mir,
Und, mit sich den Tag entfernend,
Ließ sie freundlich zur Gesellschaft
Mir die Stern', als Stellvertreter
Ihres Lichts und ihrer bald'gen
Rückkehr gleich als Unterpfänder.
Mit der Sonne schwand der Weg,
Und in Traurigkeit des Berges
Labyrinth durchirrend, fand ich
Mich in düsterm Waldgehege,
Wo sogar die regen Strahlen
Solcher Menge von lebend'gen
Fackeln nicht sich ließen sehn;
Denn in dunkelndem Gedränge
Dienten hier als schwarze Wolken
Die am Tage grünen Blätter.
Hier nun denkend zu verziehn,
Bis die Sonne wiederkehrte,
Und der Phantasie das Recht,
Das ihr zukommt, gern gewährend,
Hielt ich mit den Einsamkeiten
Tausend wechselnde Gespräche.
So demnach war meine Lage,
Als von einem leisen Aechzen
Ein nicht wohl belehrtes Echo
Gab dem Herrn zurück die Hälfte;
Und nun, alle meine Sinne
In mein Ohr zusammen drängend,
Hört' ich nochmals jenen Hauch,
Deutlicher, obwohl schon schwächer,
Stumme Sprache der Betrübten,
Die sich nur in ihr verstehen.
Eines Weibes war der Seufzer,
Und als dieser Hauch verschwebte,
Hört' ich eines Mannes Stimme
Leisen Tones also sprechen:
Eher, du, so edlen Blutes
Schandfleck, stirb von meinen Händen,
Ehe du den Tod empfangest
Von der Hand ehrloser Henker.
Dieses unglücksel'ge Weib
Sprach mit abgebrochner Rede:
Schenke Mitleid deinem Blute,
Da du mir kein Mitleid schenkest!
Nahen wollt' ich mich alsdann,
Um so grauser That zu wehren;
Doch vergebens, denn verstummt
Sind die Stimmen, und ich sehe
Einen Mann zu Roß im Dickicht
Des Gebüsches sich entfernen.
Für mein Mitleid ein Magnet
War die Stimme, die entkräftet
Und schon stammelnd sprach, begleitet
Bald von Seufzern, bald von Thränen:
Ich bin Märtyrin, dieweil ich
Schuldlos und als Christin sterbe.
Und dem Pol der Stimme folgend,
Kam ich bald in einen engen
Hohlweg, wo ich fand ein Weib,
Das ich kaum nur konnt' erkennen,
Im Begriff, den letzten Kampf
Mit dem Tode zu durchkämpfen.
Kaum vernahm sie mich, und sammelnd
Ihre Kräfte, sprach sie: Kehre
Nur zurück, mein blut'ger Mörder;
Laß mir nicht auch diesen letzten
Lebensblick! – Ich bin nur, sagt' ich,
Einer, den der Zufall sendet,
Und vielleicht geführt vom Himmel,
Um Euch beizustehn im Schrecken
Dieses Augenblicks. – Der Beistand,
Sprach sie, den Eur Mitleid spenden
Meinem Leben will, ist fruchtlos,
Denn schon ist es im Vergehen;
Doch gewährt ihn dieser Armen,
Die, aus meinem Grab' ihr Leben
Heut empfangend, nach des Himmels
Willen wird mein Unglück erben.
Sie verschied, da sah ich . . .

Livia tritt auf.

Livia.                                             Herr,
Dieser Kaufmann, dem du Gelder
Schuldig bist, kommt mit den Dienern
Des Gerichts, dich fest zu nehmen.
Du seist nicht zu Hause, sagt' ich;
Jene Thür dort kann dich retten.

Justina. Wie betrübt's mich, daß er jetzt
Eben muß dich unterbrechen,
Da an deines Munds Erzählung
Hingen Seele, Geist und Leben!
Aber gehe nun, o Herr!
Nicht darf das Gericht dich treffen.

Lysander. Wehe mir! Wie vieles Leid
Hat die Armut zu bestehen!

(Er geht durch eine Seitenthür ab.)

Justina. Sicher kommen sie hieher,
Denn ich höre draußen gehen.

Livia. Sie nicht, Cyprianus ist es.

Justina. Was kann Cyprianus eben
Bei uns wollen?

Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf.

Cyprianus.               Euch zu dienen,
Ist mein einziges Bestreben.
Da ich sah aus Euerm Hause
Die Gerichte gehn, so dränget
Meine Freundschaft sich herein,
In Lysanders Schuld sich sehend,
Nur um zu erspähn (ein Schwindel
Faßt mich!), ob vielleicht (welch heft'ger
Frost durchschauert mir die Adern!)
Mein Bestreben Euch mit wen'gem
Dienen kann. (Wie übel sprach ich!
Nicht Frost, Glut fühl' ich im Herzen.)

Justina. Gott erhalt' Euch lange Jahre,
Daß Ihr auch in wicht'gern Fällen
Meinen Vater einst mit Eurer
Gunst beehren mögt.

Cyprianus.                       Beständig
Bin ich ganz zu Euerm Dienste.
(Was verstört mir Sinn und Rede?)

Justina. Jetzo ist er nicht zu Hause.

Cyprianus. Also kann ich jetzt, o Herrin,
Euch den eigentlichen Grund,
Der hieher mich führt, entdecken;
Denn nicht der, den Ihr vernommen,
Ist's allein, der mich beweget,
Euch zu suchen.

Justina.                     Was verlangt Ihr?

Cyprianus. Mir ein kurz Gehör zu schenken. –
O Justina, Ihr, in deren
Reiz die menschliche Natur
Uns mit Stolz gebeut, die Spur
Einer göttlichen zu ehren!
Heut Euch Ruhe zu gewähren,
O wie fänd' ich mich beglückt!
Aber seht, wie hart es drückt,
Was ich jetzt an mir erlebe,
Daß ich Euch die Ruhe gebe
Und Ihr meine mir entrückt.
Lälius, ganz von Lieb' entzündet
(Nie war Liebe so vollkommen!),
Florus, ganz von Lieb' entglommen
(Nie war Schwachheit so begründet!),
Fielen, sonst so fest verbündet,
Für Euch, auf den Tod sich an;
Für Euch stört' ich sie: (o Wahn!)
Aber seht, wie mich's betrogen,
Daß ich sie dem Tod entzogen,
Um von Euch ihn zu empfahn.
Nun, um Aufsehn zu vermeiden
Und des Stadtgerüchts Erfrechen,
Komm' ich, um für sie zu sprechen.
(O daß ich nie kam!) Entscheiden
Soll der Wettkampf dieser beiden
Sich vor Euerm Tribunal
Durch den Ausspruch Eurer Wahl;
Aber seht, welch hartes Fügen!
Jenen schaff' ich Lieb' und Gnügen,
Ihr nur Eifersucht und Qual.
Euch zu sprechen, Herrin, bot
Ich mich an, damit Ihr sollet
Wählen, welchen Ihr nun wollet,
Daß beim Vater (bittre Not!)
Er um Euch (es ist mein Tod!)
Werben darf. Das ist mein Trachten;
Aber seht (mich will's umnachten!),
Ist es billig (ich muß sterben!),
Daß ich soll für jene werben,
Daß ich soll für mich verschmachten?

Justina. So erstaunt mich das Erfrechen
Eures schnöden Antrags hier,
Daß Gedank' und Rede mir
Jetzt zu gleicher Zeit gebrechen.
Nie, daß so Ihr durftet sprechen,
Bot ich Florus, nie fürwahr
Lälius einen Anlaß dar;
Und wenn Gutes zu erkiesen
Ihr vermögt, so nehmt an diesen
Meiner Strenge Beispiel wahr.

Cyprianus. Wenn Ihr liebet irgend einen,
Und ich würb' um Eure Liebe,
Dann gehörten meine Triebe
Zu den niedern und gemeinen;
Doch, weil ich Euch sah erscheinen
Als ein Fels, vom Meer umrollt,
Lieb' ich Euch, und nimmer wollt
Jene mir zum Beispiel geben;
Denn nicht will ich, daß Ihr eben
Mich, wie jene, lieben sollt. –
Was sag' ich den. Lälius?

Justina.                                     Scheiden
Soll er von dem Liebeswahn,
Der so lang ihm weh gethan.

Cyprianus. Florus denn?

Justina.                             Er soll mich meiden.

Cyprianus. Und mir?

Justina.                       Nicht sei unbescheiden
Eure Liebe!

Cyprianus.         Ist sie mir
Doch ein Gott!

Justina.                   Empfinget Ihr
Mehr, als jene, seiner Gaben?

Cyprianus. Ja.

Justina.           Nun wohl denn, Antwort haben
Lälius, Florus und auch Ihr. (Beide zu verschiedenen Seiten ab.)

Clarin. Pst, pst, Livia!

Moscon.                       Livia, pst!

Clarin. Alle beide sind wir hier.

Livia. Was verlangt Ihr denn? Und Ihr,
Was verlangt Ihr?

Clarin.                         Daß Ihr wißt,
Wenn's Euch noch nicht kundbar ist,
Wie wir beid' um Euch uns quälen.
Eben schon uns an die Kehlen
Wollten wir; doch daß ein Mord
Aufsehn nicht erreg' im Ort,
Sollt Ihr einen von uns wählen.

Livia. Mich betrübt in solchem Grad,
Was ihr jetzt zu mir gesprochen,
Daß der Kummer schier gebrochen
Mir Verstand und Rede hat.
Einen wählen? Herber Rat!
Ewig müßt' ich das beweinen.
Einen ich? Wär's denn für meinen
Geist (o Gott!) nicht Spielerei,
Nähm' ich auch auf einmal zwei?
Warum wählen soll ich einen?

Clarin. Zwei auf einmal? Im Vertrauen:
Wär's nicht ein zu großer Bissen?

Livia. O das nicht! Wir Weiber wissen
Zwei bei zwei sie zu verdauen.

Moscon. Doch wie meinst du denn, laß schauen,
Das zu machen?

Livia.                         Dumme Frage!
Lieben werd' ich, wie ich sage . . .

Moscon. Wie denn?

Livia.                         Alternative.

Clarin.                                                 Was
Heißt alternative?

Livia.                                 Das:
Jeden stets an einem Tage. (ab.)

Moscon. Diesen ersten Tag wähl' ich.

Clarin. O das macht mir keine Sorgen;
Länger ja ist der von morgen.

Moscon. Livia, weiß ich sicherlich,
Lieb' ich heut, heut liebt sie mich;
Schnell, daß ich mein Glück empfange! (Er will gehn.)

Clarin. Hört, mein Herr, Ihr kennt mich lange.

Moscon. Wozu sagst du das? Nur her!

Clarin. Wißt, sie ist nicht Euer mehr
Mit dem zwölften Stundenklange. (Beide ab.)

 


 
Platz vor Lysanders Hause; im Hintergrunde das Meer. Es ist Nacht.

Lälius tritt auf.

Lälius. Kaum erst hat die dunkle Nacht
Ausgedehnt die schwarze Hülle,
Und schon komm' ich, voll Verehrung
Diese Schwelle zu begrüben;
Denn ich muß, um Cyprianus
Willen, zwar den Degen zügeln,
Doch nicht mein Gefühl: denn nimmer
Zügeln lassen sich Gefühl.

Florus tritt auf von der andern Seite.

Florus. Hier soll mich Aurora finden;
Denn gezwungen weilen müßt' ich
Ueberall sonst; überall
Wär' ich fern von meinem Glücke.
Mag doch Amor bald den Tag
Und herbei die Antwort führen,
Die mir Cyprianus bringet,
Glück mir oder Leid verkündend!

Lälius. Ein Geräusch dort an dem Fenster
Hört' ich.

Florus.           Ein Geräusch verspürt' ich
Dort auf dem Balkon.

Der Dämon erscheint auf dem Balkon von Lysanders Hause.

Lälius.                                 Ein Mensch
Kommt heraus dort, wenn's mir glückte
Recht zu sehen.

Florus.                       Jemand zeigt sich
Dort, wenn nicht das Dunkel trüget.

Dämon (für sich). Um das Unheil, so Justinen
Ich bestimmt, nun anzuschüren,
Will ich ihre Tugend so
Zu verlästern mich erkühnen.

(Er steigt auf einer Strickleiter herab.)

Lälius. Weh mir Armen! Was erblick' ich?

Florus. Weh mir Armen! Was verspür' ich?

Lälius. Vom Balkon zur Erde nieder
Steigt ein Mensch in schwarzer Hülle.

Florus. Ja, ein Mann kommt aus dem Hause.
Himmel, töte mich nicht früher,
Als bis ich erfuhr, wer's ist.

Lälius. Kennen muß ich ihn, ergründen
Nun auf einmal, wem das Glück
Spendet, was ich eingebüßet.

(Beide nähern sich dem Hause mit gezogenem Degen.)

Dämon (für sich). Nicht allein soll dies mein Thun
Jetzt Justinens Schmach bewirken,
Sondern Hader auch und Morde.
Ha, sie kommen! Schnell, ihr Schlünde,
Oeffnet euch, und Blindheit laßt
Ihren Augen! (Er versinkt.)

Lälius.                   Mich gelüstet,
Kavalier, wer Ihr auch sein mögt,
Euern Namen zu enthüllen;
Und, bereit auf jeden Fall,
Bitt' ich Euch, mir zu verkünden,
Wer Ihr seid.

Florus.                 Wenn Ihr gedenket,
Durch so trotziges Erkühnen
Zu erspähn, wer das Geheimnis
Eurer Lieb' erfuhr, so dürfte
Mehr nach Euerm Namen mich,
Als nach meinem, Euch gelüsten;
Denn Euch treibt die Neugier nur,
Mich der Eifersucht Bestürmen.
Ha, bei Gott! wer dieses Hauses
Meister ist, muß ich ergründen,
Und wer jetzt, herniedersteigend
Vom Balkon, gewann die Früchte,
Die, an diesen Gittern weinend,
Ich verlor.

Lälius.             Fürwahr, nicht übel,
Daß Ihr eben jetzt gedenket,
Mir der Sinne Licht zu trüben
Und den Frevel, den allein
Ihr begingt, mir aufzubürden.
Wissen muß ich, wer Ihr seid,
Töten den, der, niederschlüpfend
Vom Balkon, durch Eifersucht
Mich getötet.

Florus.                 Ueberflüss'ge
Vorsicht, sich verhüllen wollen,
Wann die Liebe schon enthüllte!

Lälius. Nur umsonst erspäht die Zunge,
Was der Stahl mit leichtrer Mühe
Wird erspähn.

Florus.                   Mit ihm antwort' ich (Sie fechten.)

Lälius. Wissen will ich, wer, begünstigt
Als Geliebter, bei Justinen
Zutritt fand.

Florus.               Dasselbe wünsch' ich;
Sterben, oder Euch erkennen!

Cyprianus, Clarin und Moscon treten auf.

Cyprianus. Hemmt, ihr Kämpfer, euer Wüten,
Wenn dazu euch kann belegen,
Daß der Zufall her mich führte.

Florus. Nichts bewegt mich, abzustehn
Von dem Zweck, der mich entzündet.

Cyprianus. Florus?

Florus.                     Ja; denn meinen Namen,
Bei entblößtem Schwert, verhüll' ich
Nimmer.

Cyprianus.     Dir zur Seite steh' ich;
Sterbe, wer dich angreift!

Lälius.                                       Fürchten
Werd' ich weniger euch alle,
Als ich ihn allein gefürchtet.

Cyprianus. Lälius?

Lälius.                      Ja.

Cyprianus (zu Florus).     Nicht dir zur Seite,
Zwischen euch zu stehn gebührt mir. –
Wie? Zweimal an einem Tage
Find' ich not, euch zu versühnen?

Lälius. Dieses wird das letzte sein,
Denn wir sind bereits versühnet,
Weil, indem ich ihn erkenne
Als Justinas Eigentümer,
Auch der mindeste Gedanke
Meiner Hoffnung von mir flüchtet.
Sprachest du noch mit Justinen
Nicht von meiner Leiden Bürde,
Meinem Mißgeschick, so bitt' ich,
Thu' es nicht, weil ich ergründet,
Daß sie Florus im Geheimen
Schon mit ihrer Gunst beglückte.
Vom Balkon kam er herab,
Vom Genuß, der mir entschlüpft;
Und so schlecht ist meine Liebe
Nicht, daß sie noch lieben müßte,
Wenn die Eifersucht auf Zeichen
So vollkommner Art sich gründet. (ab.)

Florus (will ihm nach). Warte!

Cyprianus (ihn zurückhaltend).   Nicht ihm folgen darfst du
(Was er sprach, wird mich erwürgen.),
Denn wofern, was du gewannest,
Er verlor und sich begnüget,
Zu vergessen: ist nicht recht,
Die Geduld ihm zu ermüden.

Florus. Du und er, ihr habt die meine
Längst durch dies Geschwätz ermüdet.
Und so sprich nur mit Justinen
Nicht für mich; denn ob's mich lüstet,
Mich für dies Verschmähn zu rächen,
Wenn ich auch erliegen müßte:
Dennoch schwand, sie zu besitzen,
Jede Hoffnung; denn nicht würdig
Handelt, wer beharrt, wenn so
Sich die Eifersucht begründet. (ab.)

Cyprianus. Himmel, was ist dies? Was hör' ich?
Diese zwei, zugleich entzündet
Von derselben Eifersucht?
Und auf sie ich eifersüchtig?
Ganz gewiß hält eine Täuschung
Beid' umstrickt, und danken müßt' ich
Ihnen wohl, denn beide schon
Gaben sie, sich selbst betrügend,
Ihren Anspruch auf. – – Ach! Unglück
Werd' ich, ob auch bang' erwünschten
Trost mir das Vernommne gab,
Dieser Täuschung danken müssen. –
Moscon, bring ein Festkleid morgen;
Du, Clarin, die Federbüsche
Samt dem Degen; denn es freut
An des bunten Schmuckes Fülle
Sich die Liebe ja; und nicht
Will ich Studien mehr, noch Bücher:
Sage man denn auch, die Liebe
Sei der Wißbegierde Würger. (ab.)


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