George Byron
Werner oder Das Erbe
George Byron

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Dritter Act.

Erster Auftritt.

Saal mit dem geheimen Gang, im gleichen Palast.

Werner und Gabor treten auf.

Gabor. Ich hab' Euch nun erzählt, was mir geschehn.
Wollt Ihr so gut sein, mir für wen'ge Stunden
Hier ein Asyl zu geben – gut! Wo nicht,
So will mein Glück ich anderswo versuchen.

Werner. Wie kann denn ich, der elend ist,
Dem Unglück Schutz gewähren, wo ich selbst
Des Schutzes so bedürftig bin wie je
Nur ein gehetzter Damhirsch –

Gabor. Oder eher
Wie der getroff'ne Leu der kühlen Höhle,
Denn Ihr seht mir ja aus, als würdet Ihr
Euch gegen den Verfolger stellen und
Die Därme aus dem Leib ihm reißen.

Werner. O!

Gabor. Mich kümmert's nicht, ob wirklich so es ist,
Weil so zu thun, ich selbst bin sehr geneigt.
Doch wollt Ihr mir ein Obdach leihn? Ich bin
Verfolgt wie Ihr, und arm wie Ihr, entehrt –

Werner (schnell). Wer sagt Euch, daß entehrt ich sei?

Gabor. Kein Mensch.
Auch sagt' ich's nicht von Euch. Mit Eurer Armuth
Ging mein Vergleich zu End'. Ich sagte aber,
Ich sei's und wollt' hinzu – wie wahr ist – fügen,
So unverdient wie Ihr.

Werner. Schon wieder ich!

Gabor. Nun, oder jeder andre Ehrenmann!
Was Teufels wollt Ihr denn? Ihr glaubt mich doch
Nicht auch des niederträcht'gen Diebstahls schuldig?

Werner. Nein, nein! das kann ich nicht.

Gabor. Das heiß' ich noch
Ein Biederherz! Der flotte junge Herr,
Der schuft'ge Castellan, der Dummkopf von
Baron – sie Alle, All' verdächt'gen mich.
Warum? weil ich den schlecht'sten Rock anhabe
Und keinen solchen Namen trag' wie sie.
Doch säße Momus' Fenster vor den Herzen,
So könnte meine Brust ein weiter Oeffnen
Des Fensters als die Ihrige ertragen.
Doch so ist's stets! Ihr, der Ihr selbst noch mehr
Als ich seid arm und hilfsbedürftig –

Werner. Wo-
Her wißt Ihr das?

Gabor. Da habt Ihr Recht. Ich bitt'
Die Hand um Schutz, die selbst ich hilflos nenne,
Wenn Ihr sie weigertet, geschäh mir recht.
Doch Ihr, der, wie es scheint, die Bitterkeit
Des Lebens durchgekostet hat, fühlt wol
An Eurem eignen Herzen, daß all' Gold
Der neuen Welt, womit der Spanier prahlt,
Den Mann, der dessen wahren Werth erkennt,
Auf solche Weise nur versuchen könnt –
(Und da gesteh' ich seine Macht, weil ich
Sie fühl') – daß Nachts kein Alp sein Herz deshalb
Bedrücken würd'.

Werner. Wie meint Ihr das?.

Gabor. Grad' wie
Ich's sag': ich dächte doch, ich drückte mich
Sehr deutlich aus. Ihr seid kein Dieb, auch ich
Bin keiner, und drum sollten wir einander
Als brave Leute treulich unterstützen.

Werner. Die Welt ist voll Verdammniß, Herr.

Gabor. So ist
Die nächste auch der zwei, die unsrer harren,
Wie wenigstens die Priester sagen – und
Die werden sie gewiß am besten kennen –
Drum will ich lieber mich an diese halten
Und mag kein Martyrthum, am wenigsten
Auf meinem Grabstein einen Diebstahl dulden.
Ich bitte nur um eine Nacht Asyl;
Denn morgen will das Wasser ich versuchen,
Wie einst die Taube that, und hoffe, daß
Es fällt.

Werner. Ist Hoffnung dazu da?

Gabor. Man hatte
Um Mittag welche schon.

Werner. Dann können wir
Entfliehn,

Gabor. Auch Ihr seid in Gefahr?

Werner. Das ist
Die Armuth stets.

Gabor. Das hab' ich lang' erprobt.
Versprecht mir jetzt, die meine zu vermindern.

Werner. Ich? Eure Armuth?

Gabor. Nein! Ihr seht nicht aus,
Als ob Ihr Arzt für diese Krankheit wärt.
Ich meinte die Gefahr, in der ich schwebe.
Ihr habt ein Dach und ich hab' keins. Ich such'
Ein Obdach nur.

Werner. Ganz recht! denn wie sollt' denn
Ein Mensch wie ich zu Geld und Gute kommen?

Gabor. Auf rechten Wegen kaum, das muß ich sagen.
Obschon ich Euch das des Barones gönnte.

Werner. Ihr wagt zu sticheln?

Gabor. Wie?

Werner. Wißt Ihr, mit wem
Ihr sprecht?

Gabor. Nein! kümmert mich auch nicht. (Lärm außen.)
                                                        Doch horch!
Sie kommen schon!

Werner. Wer kommt?

Gabor. Der Castellan
Und seine Menschenhunde, die mich hetzen.
Ich böte ihnen gern die Stirn. Doch wie
Gerechtigkeit erwarten aus der Hand
Von solchem Volk? Wo soll ich hin? Zeigt mir
Nur irgend einen Platz. Ich schwöre Euch,
So wahr noch Treue bei den Menschen lebt:
Unschuldig bin ich ganz. Denkt Euch, Ihr wärt
In meinem Fall!

Werner (bei Seite). Gerechter Gott! Nicht jenseits
Brennt deine Hölle erst! Bin ich noch Mensch?

Gabor. Ich seh', Ihr seid gerührt, das steht Euch gut.
Ich werd' es Euch dereinst vergelten können.

Werner. Seid Ihr nicht Strahlenheim's Spion?

Gabor. Ich nicht!
Und wenn ich's wär', was fände ein Spion
Bei Euch? Zwar ich erinn're mich, daß er
Nach Euch und Eurem Weibe oft gefragt.
Das möchte wol auf ein'gen Argwohn deuten.
Doch wißt Ihr selbst am besten ja, warum
Und wie ich dessen Todfeind bin.

Werner. Ihr wärt's?

Gabor. Seit für den Dienst, den ich ihm mitgeleistet,
Er also mir vergilt, bin ich sein Feind.
Wenn Ihr sein Freund nicht seid, so müßt Ihr an
Die Hand mir gehn.

Werner. Ich will's.

Gabor. Doch wie?

Werner (zeigt die geheime Thür). Dort ist
Ein heimlich Federschloß. Durch Zufall, merkt's!
Hab' ich's entdeckt und es bis jetzt, mich selbst
Zu schützen, nur benützt.

Gabor. Macht auf! ich will's
Benutzen zu dem gleichen Zweck.

Werner. Ich fand
Es wie gesagt. Es führt durch dicke Mauern,
So dick, daß Gänge durch sie laufen können
Und sie deshalb an Stärke nichts verlieren,
Durch Wölbungen und dunkle Nischen fort,
Ich weiß nicht wo hinaus. Ihr dürft nicht weit
Drin gehn, versprecht mir das.

Gabor. Das braucht es nicht.
Wie sollt' ich in der Finsterniß den Weg
Durch solch' gewund'ne Labyrinthe finden?

Werner. Jawol! allein wer weiß, nach welchem Ort
Es führt! Ich weiß es nicht. – Bemerkt es wohl!
Wer weiß, es führt der Gang gerad'
In Eures Feinds Gemach? So seltsam wurden
Von unsern Vätern solche Galerien
In alten Zeiten angelegt, wo man
Sich mehr vor seinem nächsten Nachbar schützte
Als vor der Elemente Wuth. Ihr dürft
Nicht weiter als zur zweiten Windung gehn.
Geht weiter Ihr, so steh' ich Euch für nichts,
Was Ihr dort finden könnt, obschon ich selbst
Nie weiter kam.

Gabor. Ich will's. Nun, tausend Dank!

Werner. Die Feder auf der andern Seite ist
Viel handlicher und wenn heraus Ihr wollt,
Gibt dem geringsten Druck sie nach.

Gabor. Ich will
Hinein. Lebt wohl! (Gabor tritt durch die geheime Thür.)

Werner (allein). Gott! was hab' ich gethan!
Was that ich vorher ach! daß ich jetzt fürchte?
Es möge ein'ge Sühnung sein, wenn ich
Den Menschen rett', der sich für mich vielleicht
Geopfert hat. – Sie kommen, aller Orts
Nach dem zu forschen, was vor ihnen steht.

Idenstein und Andere treten auf.

Idenstein. Ist er nicht hier? dann muß er in dem Düster
Durch's goth'sche Fenster dort entronnen sein
Mit jener Heil'gen mitleidvoller Hilfe,
Die roth und gelb die lichten Scheiben schmücken,
Durch die die Sonn' im Auf- und Untergehn
Auf lange perlengraue Bärte scheint,
Auf rothe Kreuze, gold'ne Bischofsstäbe,
Auf Waffen, Kutten, Helme, Panzerketten,
Auf lange Schwerter und den ganzen Plunder,
Worin phantastisch diese Fenster gleißen
Mit tapfern Rittern, heil'gen Eremiten
Und deren Lebensruhm auf ein paar Scheiben,
Die jeder Windstoß so gebrechlich zeigt,
Wie jeder Ruhm und jedes Leben ist.
– Doch er ist fort!

Werner. Wen sucht Ihr denn?

Idenstein. 'Nen Schuft.

Werner. Warum seid deshalb Ihr soweit gegangen?

Idenstein. Wir suchen Den, der den Baron beraubt.

Werner. Wißt Ihr gewiß, daß Ihr ihm auf der Spur?

Idenstein. So sicher, als Ihr vor mir steht; doch wo-
Hin ist er wol?

Werner. Wer denn?

Idenstein. Der, den wir suchen.

Werner. Ihr seht, er ist nicht hier.

Idenstein. Doch gingen wir
Ihm bis zum Saal hier nach. Seid Ihr sein Spieß-
Gesell? Macht Ihr in schwarzer Kunst?

Werner. Ich bin
Geradezu, das ist für viele Leute
Die schwärzeste.

Idenstein. Vielleicht hab' ein paar Fragen
Ich später auch an Euch zu stellen, Freund.
Jetzt aber müssen wir in unsrem Forschen
Nach jenem Andern eifrigst weiter machen.

Werner. Vielleicht Ihr thätet wohl daran, gleich jetzt
Mit dem Verhöre zu beginnen; denn
Nicht immer dürft' ich so geduldig sein.

Idenstein. So sagt, ob wahr und wirklich Ihr der Mann,
Nach welchem Strahlenheim so fahndet, seid?

Werner. Wie, Unverschämter, sagtet Ihr nicht selbst,
Er sei nicht hier?

Idenstein. Ja Einer wol! Doch da
Ist Numro Zwei, nach dem er eifriger
Noch forscht und bald vielleicht mit einer Macht,
Die höher noch als sein' und meine ist. –
Doch kommt, ihr Bursche, rührt euch! Wir sind hier
Nicht recht. (Idenstein und Diener ab.)

Werner. In welch ein Labyrinth hat mich
Mein düster Schicksal hier hineingestoßen!
Und die gemeine Sünde brachte mir
Gering're Noth, als daß die größere
Ich unterließ. – Fort, du geschäft'ger Teufel,
Der sich in meiner Brust erhebt! Du kommst
Zu spät. Ich will mit Blut zu thun nichts haben.

Ulrich tritt auf.

Ulrich. Ich suchte dich, mein Vater.

Werner. Bringt uns das
Nicht in Gefahr?

Ulrich. Nein! Strahlenheim ahnt nicht,
Daß irgend Bande uns verbinden; ja
Noch mehr, er sendet mich, dein Handeln aus-
Zuspähn, da ganz er mich gewonnen meint.

Werner. Ich kann's nicht glauben, 's ist nur eine Schlinge,
Die er uns beiden legt, daß er zugleich
Den Vater fang' und Sohn.

Ulrich. Ich kann nicht scheun
Vor jeder kleinen Furcht, nicht straucheln an
Jed' zweifelhaftem Punkt, der auf dem Weg
Sich wie ein Brombeerstrauch erhebt. Ich muß
Hindurch, wie Einer thät, der unbewehrt
– Selbst wenn die Beine nackt! – wenn in dem Wald,
Wo um sein Brod er Bäume hackt, ein Wolf
Geraschelt käm'. Das Netz ist für die Drosseln,
So fängt man Adler nicht. Wir fliegen drob
Weg oder reißen sie in Stück'.

Werner. Sag' mir
Nur wie?

Ulrich. Und du erräthst dies nicht?

Werner. Ich rath'
Es nicht.

Ulrich. Seltsam! Trat der Gedanke dir
In letzter Nacht nicht nah'?

Werner. Ich kann dich nicht
Verstehn.

Ulrich. Dann werden wir uns nimmermehr
Verstehn. – Doch ändern wir den Text.

Werner. Das heißt
Verfolgen wir ihn weiter, denn der Text
Heißt unsre Rettung, Sohn!

Ulrich. Ganz recht! Du hast
Verbessert meinen Satz. Ich seh' die Sache
Und unsre allgemeine Lage klarer.
Das Wasser fällt; in wenig Stunden nahn
Von Frankfurt her die aufgebot'nen Schergen.
Dann wirst du ein Gefang'ner sein, vielleicht
Was Schlimm'res noch, und ich ein Auswürfling,
Den dieser Herr Baron zum Bastard macht,
Damit er Platz bekommt.

Werner. Und nun dein Mittel?
Ich dachte mittelst des verfluchten Golds
Zu flüchten mich, doch jetzo wag' ich nicht
Es zu gebrauchen, ja's nur anzusehn.
Mir ist, es trag' als Rundschrift meine Schuld
Und nicht des Staates Münzenzahl und ‑namen,
Statt Kaisers Kopf mein eigen Haupt, umkränzt
Von Schlangen, die mir um die Schläfe rollen
Und Jedem, der es ansieht, zischend schrein:
»Das ist ein Schuft!«

Ulrich. Du darfst es nicht benützen,
Jetzt wenigstens noch nicht. Nimm diesen Ring! (Gibt ihm einen Ring)

Werner. Ah dies Juwel! es war des Vaters Ring.

Ulrich. Und ist deshalb jetzt dein. Damit mußt du
Den Castellan bestechen, daß er dir
Sein altes Fuhrwerk und zwei Pferde leiht,
Um mit dem Tag die Reise fortzusetzen,
Die Mutter nimmst du mit.

Werner. Und lasse dich,
Den ich so spät erst fand, in der Gefahr
Zurück?

Ulrich. Fürcht' nichts! Gefährlich wär' es nur,
Wenn wir zusammen flöhn, denn aufgeklärt
Wär' das Verhältniß dann. Das Wasser ist
Nur zwischen hier und Frankfurt ausgetreten,
Dies ist für uns ein Glück. Der Weg nach Böhmen
Ist freilich auch erschwert, doch kommt man durch;
Und hast du wen'ge Stunden Vorsprung nur.
So ist die Schwierigkeit die gleiche auch
Für den, der dich verfolgt. Und hast du erst
Die Grenze hinter dir, so bist du sicher.

Werner. Mein edler Sohn!

Ulrich. Still, still! Jetzt keinen Jubel,
Wir wollen jubeln in Burg Siegendorf.
Laß ja dein Gold nicht sehn, zeig' diesen Ring
Dem Idenstein (ich kenn' den Mann und hab'
Ihn ganz durchschaut). So wird ein doppelt Ziel
Erreicht. Denn Strahlenheim verlor nur Gold,
Nicht Schmuck; somit kann der nicht seiner sein;
Und dann wird man den Mann, der solchen Schmuck
Besitzt, nicht im Verdachte haben können,
Daß dem Baron er Geld genommen habe,
Da er den Ring in mehr verwandeln konnte,
Als Strahlenheim in letzter Nacht verlor.
Sei nicht zu schüchtern, wenn du an ihn gehst,
Doch auch anmaßend nicht, dann wird der Mann
Dir gern zu Willen sein.

Werner. In allen Dingen
Folg' deiner Weisung ich.

Ulrich. Ich hätte dir
Die Mühe gern erspart, doch hätt' es aus-
Gesehn, als nähme ein Int'resse ich
An euch. Noch mehr! Hätt' ich zu euern Gunsten
Mit einem Ring herumprobirt, so hätt'
Man Alles leicht entdeckt.

Werner. Mein guter Engel!
Dies gleicht mir reichlich das Vergangene aus.
Was aber willst du thun, wenn wir nun fort?

Ulrich. Entfernt nicht ahnet Strahlenheim, wie nah'
Wir uns. Ich warte deshalb ein paar Tag'
Bei ihm, um jeden Zweifel einzuschläfern.
Dann folg' ich meinem Vater nach.

Werner. Um dann
Dich nie zu trennen mehr von ihm.

Ulrich. Das weiß
Ich nicht. Doch werden wir uns wieder treffen.

Werner. Mein Sohn, mein Freund! mein einzig Kind und Retter!
O hass' mich nicht!

Ulrich. Den Vater hassen!

Werner. Ach!
Mein Vater haßte mich. Warum nicht auch
Mein Sohn?

Ulrich. Dein Vater kannte dich nicht so
Wie ich.

Werner. Ein Stachel liegt in deinem Wort!
Du kennst mich? Nein! in dieser Maske kannst
Du mich nicht kennen, nein! Da bin ich nicht
Ich selbst, doch – hass' mich nicht – ich werde bald
Es sein.

Ulrich. Ich will's erwarten. Glaub' indessen,
Daß Alles, was ein Sohn für seine Eltern
Vollführen kann, ich thun werd' für die meinen.

Werner. Ich seh's und fühl's; doch fühl' ich mehr, daß du
Verachtest mich.

Ulrich. Weshalb sollt' ich das thun?

Werner. Muß das Beschämende ich wiederholen?

Ulrich. Nein! dies und dich hab' ich genug durchschaut.
Doch sprechen wir davon nicht mehr, und wenn
Es je noch sein muß, nur nicht jetzt. Dein Irrthum
Vermehrt die Schwierigkeiten unsres Hauses,
Das insgeheim das Strahlenheims bekriegt
Und Alles, was wir jetzt zu denken haben,
Ist, wie wir seine Pläne nun vereiteln.
Ich habe einen Weg gezeigt.

Werner. Es ist
Der einzige, und ich umfasse ihn
Wie meinen Sohn, der mir an einem Tag
Sich selbst und seines Vaters Sicherheit
Geschenkt.

Ulrich. Ja, du sollst sicher sein; laß dies
Genügen dir. – Würd' Strahlenheim's Erscheinen
Im böhm'schen Lande deine, meine Rechte,
Wenn wir einmal in unsre Güter ein-
Gesetzt, noch stören können?

Werner. Ja, gewiß –
In unsrer jetz'gen Lag' – Doch dürfte wol
Der Erste, der sie in Besitz genommen,
Wie das gewöhnlich ist, sich als der Stärkste
Erweisen bald, zumal wenn er im Blut
Der Nächste ist.

Ulrich. Im Blut! Das ist ein Wort
Von mannigfachem Sinn. In unsern Adern
Und außerhalb ist's ein verschieden Ding.
So wird's auch sein, wenn wer von gleichem Blut
– Wie man es nennt – sich doch so fremd ist wie
Theban'sche Brüder. Wenn ein Theil auch schlecht,
So reinigen ein Paar vergoss'ne Unzen
Den Rest.

Werner. Ich kann dich nicht verstehn.

Ulrich. Mag sein!
Und muß vielleicht auch sein! Doch mach' dich nur
Bereit. Du mußt mit meiner Mutter fort,
Noch heute Nacht. – Da kommt der Castellan.
Hol' mit dem Ring ihn aus. Der wird wie Blei
Ins Meer in seine feile Seele sinken
Und Schmutz, Morast und Schlamm nach Oben bringen,
Wie's Blei es thut von seinem fetten Bette;
Doch wird es uns durch diese Klippen lootsen.
Die Fracht ist reich; so wirf bei Zeit das Loth.
Leb' wohl! ich hab' nicht Zeit; doch deine Hand,
Mein Vater, noch!

Werner. Laß dich umarmen, Sohn!

Ulrich. Man könnt' uns sehn! Beherrsche dein Gefühl
Und halt' dich fern von mir wie von 'nem Feind.

Werner. Verdammt sei, wer die Schlinge hat gedreht,
Die unsrer Herzen bestes, süßestes
Gefühl erstickt, zumal in solcher Stunde!

Ulrich. Ja, fluche nur, erleichtern wird es dich.
Da kommt der Castellan! (Idenstein tritt ein.) Herr Idenstein,
Wie steths mit Eurem Werk? Habt Ihr den Schuft
Erspürt?

Idenstein. Noch nicht!

Ulrich. Nun, 's gibt ja Viele noch!
Bei einer zweiten Jagd seid Ihr vielleicht
So glücklicher. – Wo ist denn der Baron?

Idenstein. Zurück in sein Gemach. Jetzt fällt mir ein,
Er frug mit edler Ungeduld nach Euch.

Ulrich. So großen Männern muß man augenblicks,
Wie des gestoch'nen Rosses Sprung dem Sporn
Erwiedrung gibt, entsprechen. Und 's ist gut,
Daß Rosse sie besitzen; wär's nicht so,
So fürcht' ich sehr, die Menschen müßten selbst
Dann ihre Wagen ziehn, wie Könige
Sesostris' Wagen schleppten.

Idenstein. Wer war der?

Ulrich. Ein alter Böhm', ein fürstlicher Zigeuner.

Idenstein. Zigeuner oder Böhme bleibt sich gleich,
Sie gehen beide auf denselben Namen.
– Der also war ein Böhm'?

Ulrich. Ich hörte so.
Doch muß ich Abschied nehmen, Castellan.
Nun, Euer Diener! – Werner! – (flüchtig zu Werner) nämlich wenn
Dies Euer Name, Eurer auch! (Ulrich ab.)

Idenstein. Ein hübscher
Und redefert'ger junger Herr, der sich
Auch zu benehmen weiß. – Ihr sehet, Herr,
Der kennt die Stellung, die ihm ziemt. Wie Jedem
Das Seinige er gab!

Werner. Ich hab's bemerkt
Und lob' sein richtiges Erkennen und
Das Eure auch.

Idenstein. Gut so, sehr gut! Somit
Kennt Ihr auch Euern Platz; doch wüßt' ich nicht,
Daß ich ihn kennte.

Werner (zeigt ihm den Ring). Könnte dies etwa
Euch zur Erkenntniß helfen?

Idenstein. Wie? Was? Ah!
Ein Ring!

Werner. Er soll bedingungsweise Euch
Gehören.

Idenstein. Mir? – Nennt die Bedingung.

Werner. Daß
Ihr mir erlaubt, ihn künftig einzulösen
Für eine Summe, die das Dreifache
Des Werths beträgt; 's ist ein Familienring.

Idenstein. Familienring? Aus Eurem Haus? Mit Steinen!
Ich bin ganz außer mir.

Werner. Ihr müßt dafür
Die Mittel mir verschaffen, um vor Tag
Den Ort hier zu verlassen.

Idenstein. Ist's denn wahr?
Laßt mich betrachten ihn! Ein Diamant,
Bei aller Herrlichkeit der Welt!

Werner. Wolan!
Ich will mich Euch vertraun. Ihr habt gewiß
Errathen schon, daß mehr ich bin, als was
Ich scheinen muß.

Idenstein. Ich kann nicht sagen, daß
Ich was errieth; doch das sieht allerdings
So aus. Das ist das ächte edle Blut.

Werner. Ich habe wicht'ge Gründe, um die Reise
Von hier ab im Geheimen fortzusetzen.

Idenstein. So seid Ihr denn der Mann, den Strahlenheim
So sucht?

Werner. Ich bin es nicht; doch wenn man mich
Für ihn hier nähme, könnte dies mich jetzt
Sehr in Verlegenheiten bringen und
Auch in der Folge den Baron. Um das
Uns beiden zu ersparen, mied ich gern
Jedweden Lärm.

Idenstein. Ob Ihr der Mann nun seid,
Ob nicht, das scheert mich nicht; und überdies
Bekam' ich nie die Hälfte nur von diesem
Hochmüth'gen, filz'gen Edelmann, der gern
Die ganze Gegend in Bewegung setzte,
Um ein paar Groschen willen, die ihm fehlen,
Und der nie bietet einen sichern Lohn.
Doch das – o laßt mich noch einmal ihn sehn!

Werner. Schaut immer zu! Mit Tagesgrau'n gehört
Er Euch.

Idenstein. Du holder Funkler, du! Du mehr
Als Stein der Weisen! Du Probirstein der
Philosophie! du leuchtend Aug' der Mine!
Du Seelenleitstern, acht magnet'scher Pol,
Nach welchem alle Herzen schuldigst zeigen
Wie Zitternadeln! Feur'ger Erdgeist du!
Der auf des Königs Diadem du sitzest
Und mehr Verehrung dir gewinnst als der
Monarch, der unter seiner Krone schwitzt,
Die Kopfweh' ihm und Pein den Andern macht,
Die bluten müssen, Glanz ihr zu verleihn.
Und du sollst mein sein? Wahrlich ich erscheine
Bereits als kleiner König mir, als ein
Beglückter Alchymist, ein weiser Zaub'rer,
Der ohne seine Seele zu verkaufen,
Dm Teufel sich verpflichtet hat. Doch kommt,
Freund Werner, oder wie –?

Werner. Sagt Werner nur!
Einst werdet unter höh'rem Titel Ihr
Mich kennen lernen.

Idenstein. Ja! ich glaub' an dich.
Du bist der Geist, von dem ich lang' geträumt,
Der Geist in niedrer Tracht. Ich diene dir!
Komm nur, du sollst so frei sein wie die Luft
Trotz allen Wassers. Laß uns gehn! Ich will
Dir zeigen, daß ich ehrlich bin. (O mein
Juwel!) Du sollst mit solchen Mitteln zum
Entfliehn von mir versehen werden, Werner,
Daß, wenn du eine Schnecke wärst, kein Vogel
Dich fangen könnt'. – O laß mich wieder sehn!
Ich hab' in Hamburg einen Freund und Bruder,
Der sich auf Edelstein' versteht. Wie viel
Karat hat der? Ich mach' dir Flügel, Werner!

(Beide ab.)

Zweiter Auftritt.

Strahlenheims Zimmer.

Strahlenheim und Fritz.

Fritz. Bereit ist Alles, gnäd'ger Herr.

Strahlenheim. Ich bin
Nicht schläfrig noch und doch muß ich zu Bett.
Gern sagte ich: Zur Ruh'! Doch liegt etwas
So schwer auf meinem Geist, der zu betäubt,
Um wach zu sein, und doch zum Schlaf zu rege,
Wie eine Wolke ist am Himmelszelt,
Die keinen Sonnenstrahl läßt durch, und doch
Auch nicht in Regen niedersinkt, vielmehr
Sich zwischen Erd' und Himmel breitet aus,
Wie oft der Neid den Menschen trennt vom Menschen
Als ew'ger Nebelstreif. – Ich will zu Bette.

Fritz. Mögt Ihr recht gut dort ruhn.

Strahlenheim. Ich fühl' es, daß
Ich's werd' und fürchte mich davor.

Fritz. Weshalb?

Strahlenheim. Das weiß ich nicht, und darum fürcht' ich um
So mehr; weil etwas Unbeschreibliches –
Doch 's ist ein Unsinn! – Sind die Zimmerschlösser,
Wie ich es wünschte, heut' verändert worden?
Das Abenteuer dieser Nacht hat es
Notbwendig fast gemacht.

Fritz. Gewiß! wie Ihr
Befahlt und unter meiner Aufsicht und
Des jungen Sachsen, der das Leben Euch
Gerettet hat. Ich glaub', er nennt sich Ulrich.

Strahlenheim. »Du glaubst«? Du übermüth'ger Sklav'! Was fällt
Dir ein, gar dein Gedächtniß drob zu tadeln,
Das eifrig, stolz und glücklich sollte sein,
Den Namen dessen zu behalten, der
Dir deinen Herrn gerettet hat, wie ein
Gebet, das täglich herzusagen Pflicht.
Marsch! fort! »Du glaubst!« Das muß ich sagen! Du,
Der heulend, triefend an dem Ufer stand,
Indeß ich sterbend lag und jener Fremdling
Durch die empörten Wellen schoß und mich
Errettete, dem ich nun Dank, wie dir
Verachtung hege, Sklav'! »Du glaubst!« Kannst kaum
Dich seines Namens noch erinnern!! Geh'!
Ich will an dich kein Wort verschwenden mehr.
Weck' mich bei Zeit!

Fritz. Gut Nacht! Ich hoff', bis morgen
Wird sich der gnäd'ge Herr zu neuer Kraft
Und guter Laune aufgeschwungen haben.

(Der Vorhang fällt.)

Dritter Auftritt.

Der geheime Gang.

Gabor (allein). Vier, fünf, sechs Stunden hab' ich nun gezählt
Wie eine Wache bei den Außenposten
An jener niemals muntern Uhr, der Zeit
Tonloser Zunge, die – selbst wenn sie euch
Von Freuden spricht – mit jedem Tone doch
Etwas vom Frohsinn nimmt. Und wenn sie auch
Zur Hochzeit schallt, ist's doch nur Todtenglocke.
Ein jeder Schlag streicht eine Hoffnung aus;
Zu Grabe läutet sie der Liebe dann,
Die eingesargt wird in Besitzes Gruft,
Woraus sie nicht mehr aufersteht; indeß
Das Grabgeläute altgewordner Eltern
Ein heiter Echo weckt im Ohr des Sohns
Und ihm verdreifacht des Genusses Zeit.
– Mich friert – ich sehe nichts – ich habe in
Die Finger mir gehaucht und meine Schritte
Gezählt und neu gezählt, und mir den Kopf
An ein'ge fünfzig Pfeiler angeschlagen,
Und Ratten rings und Fledermäuse auch
Emporgescheucht, bis das verdammte Rappeln
Und das Geschwirr der Flügel mich fast taub
Gemacht. – Ein Licht! Es ist entfernt – wenn ich
Im Dunkel die Entfernung messen kann –
Es schimmert wie durch einen Spalt, wie durch
Ein Schlüsselloch, in der verbot'nen Richtung.
Doch muß ich hin, die Neugier kitzelt mich.
Ein fernes Licht ist ein Ereigniß ja
In einem Loch wie dies. Geb' Gott, daß es
Zu nichts mich führt, was mich versuchen könnte,
Dann – helf' der Himmel mir, daß ich's erlang',
Daß ich entgehn ihm mag! – Es blinkt noch immer.
Wär' es der Stern von Lucifer, wär' es
Er selbst umloht von seinen Strahlen all,
Ich könnt' nicht länger an mich halten. – Sachte!
Sehr gut! – Um diese Ecke wären wir!
So! – Ah! – Nein! – Recht! Es kommt mir immer näher.
Hier ist ein finstrer Winkel. – So! – Der wär'
Umschifft. – Jetzt will ich etwas warten. Wie?
Wenn's mich in größere Gefahren führte
Als die ist, der ich kaum entrann? – Gleichviel!
So ist's was Neues doch und neue Noth
Zieht wie ein neues Liedchen mächtig an.
Ich schreite zu, geh' es, wohin es woll'.
Ich habe meinen Dolch, der wird mich schon
Im Nothfall schützen. Brenn', mein Licht! Du bist
Mein Irrwisch, bleib' nur wo du bist. – So, so!
Es hört den Ruf und läßt mich nicht im Stich.

(Der Vorhang fällt.)

Vierter Auftritt.

Ein Garten.

Werner tritt auf.

Werner. Ich konnt' nicht schlafen, und die Stunde naht!
Bereit ist Alles, Idenstein hielt Wort.
Im äußern Theil der Stadt, dort, wo der Wald
Beginnt, erwartet uns der Wagen schon.
Jetzt fangen auch die matten Sterne an,
Am Himmel zu erbleichen, und ich schau'
Zum letzten Male diese Schreckensmauern.
O niemals, niemals werd' ich sie vergessen!
Höchst arm kam ich hierher, doch nicht entehrt,
Und nun verlass' ich sie mit einem Flecken,
Wo nicht auf meinem Namen, doch im Herzen;
Mit einem Wurm, der niemals mehr erstirbt,
Den all' der künft'ge Schimmer meiner Lande,
Der Titel und der Macht der Siegendorf
Kaum einen Augenblick einschläfern kann.
Ich muß ein Mittel finden, jenes Gold
Zurück zu stellen, und die Seele so
Mir zu entlasten. Doch wie machen, will
Ich nicht verrathen mich? – Doch Etwas muß
Geschehn, und in der ersten Stunde, wo
Ich frei, will ich das Wie? mir überlegen.
Der Wahnsinn meines Unglücks führte mich
Zu dieser Schlechtigkeit; und Reue muß
Mich von der Qual befrein. Von Strahlenheims
Besitz soll nichts die Seele mir belasten,
Und wenn er Alles nimmt, was mein: die Güter,
Die Freiheit – 's Leben! Und doch schläft der Mann
Vielleicht so ruhig, wie ein Kind nur schläft,
Auf seid'nen Kissen, prächtige Gardinen
Herunter wallend von des Bettes Himmel
Gerade wie – horch, welch Geräusch! Schon wieder!
Die Zweige knicken, lose Steine fallen
Von der Terrasse dort. (Ulrich springt von der Terrasse.)
Ulrich! willkommen!
Und dreimal jetzt willkommen, theurer Sohn!

Ulrich. Halt! ehe wir uns nahn, sag' erst –

Werner. Was siehst
Du so mich an?

Ulrich. Seh' ich den Vater oder –

Werner. Was?

Ulrich. Einen Mörder hier?

Werner. Bist du verrückt?

Ulrich. Wenn dir dein Leben lieb ist oder meins,
So gib mir Antwort!

Werner. Und auf was?

Ulrich. Bist du
Der Mörder Strahlenheims? Sprich! Bist du's nicht?

Werner. Ich war der Mörder noch von keinem Menschen.
Was willst du denn?

Ulrich. Gingst du nicht diese Nacht
– Wie gestern Nacht – in den geheimen Gang?
Besuchtest du nicht wieder Strahlenheims
Gemach und – (Ulrich hält inne).

Werner. Fahre fort!

Ulrich. Starb Jener nicht
Von deiner Hand?

Werner. Gerechter Gott!

Ulrich. So bist
Du schuldlos denn, mein Vater? schuldlos? O
Umarme mich! Ja – dieser Ton – der Blick
Ja ja – doch sag' es auch!

Werner. Wenn jemals ich
Im Herzen oder Geist solch' 'nen Gedanken
Mit Ueberlegung faßte und ihn nicht
Sofort zur Hölle wieder wandern ließ,
Wofern er einen Augenblick durch die
Erregte, schwer gepreßte Seele blitzte,
So mög' der Himmel meine Hoffnungen
Wie meine Augen schließen, und für immer!

Ulrich. Doch Strahlenheim ist todt.

Werner. Das ist entsetzlich!
Ist schauerlich! abscheulich! aber was
Hab' ich damit zu thun?

Ulrich. Kein Riegel ist
Gesprengt und nirgends sieht man Spuren von
Gewalt, als an dem Körper selbst. Ein Theil
Von seinen Leuten ward geweckt; doch da
Der Castellan nicht da, nahm ich die Sorge
Der Polizei auf mich. Man ist in sein
Gemach, das leidet keinen Zweifel, ins
Geheim gedrungen. – Ach, verzeiht mir, wenn
Natur –

Werner. O Sohn! welch unbekanntes Weh,
Welch schwarz Verhängniß drückt wie Wolkennacht
Auf unser Haus!

Ulrich. Mein Vater! ich – ich sprech'
Dich frei! Doch wird die Welt es thun? Wird es
Der Richter, wenn – doch mußt du gleich jetzt fort.

Werner. Nicht doch! ich trotze jeglicher Gefahr;
Wer will auf mich Verdacht zu werfen wagen?

Ulrich. Doch hattest du nicht Gäste? nicht Besuche?
Nicht – außer meiner Mutter – irgend Wen
Um dich?

Werner. Ach wol! den Ungarn!

Ulrich. Der ist fort!
Seit Sonnenuntergang ist er verschwunden.

Werner. Nein! ich versteckte ihn in dem verborg'nen,
Verhängnisvollen Gang.

Ulrich. Dort find' ich ihn. (Ulrich will fort.)

Werner. Es ist zu spät! Er ist schon fort, eh' ich
Das Schloß verließ. Ich fand die Blende offen,
Wie auch die Thür, die aus dem Saale führt,
Der sie enthält. Ich dachte nur, er hab'
Den stillen, günstigen Moment erhascht,
Um Idensteins Panduren zu entfliehn,
Die gestern Abend ihm hier nachgespürt.

Ulrich. Du schloss'st die Füllung wieder zu?

Werner. Jawol!
Nicht ohne ihm im Innern drob zu grollen
Und noch zu zittern ob des kecken Schritts,
Da er in seiner Unbesonnenheit
So des Beschützers Freistatt der Gefahr
Entdeckt zu werden ausgesetzt.

Ulrich. Und hast
Du ganz gewiß die Füllung neu geschlossen?

Werner. Gewiß!

Ulrich. Gut so! Doch besser wär's gewesen
Du hättest aus dem Gang nie ein Asyl
Für – (Er hält inne.)

Werner. Diebesvolk gemacht, das willst du sagen?
Ich muß es tragen, weil ich es verdiene,
Doch nicht –

Ulrich. Nein, Vater! Sprich nicht so! Jetzt ist
Die Stunde nicht, so kleinen Fehls zu denken,
Vielmehr die Folgen großer abzuwenden.
Warum hast du den Menschen retten wollen?

Werner. Konnt' ich umhin? Ein Mann verfolgt, gehetzt
Von meinem Todfeind wegen einer That,
Die ich gethan; ein Opfer für mein Wohl,
Der mich auf ein'ge Stunden nur um ein
Versteck gefleht – mich, jenen Unglücksmann,
Um dessentwillen er dies Obdach brauchte.
Wär' er ein Wolf gewesen, konnt' ich ihn
Nicht stecken lassen bei so schlimmem Fall.

Ulrich. Und wie der Wolf hat er's dir heimgezahlt.
Doch 's ist zu spät, darüber lang zu grübeln.
Du mußt nun reisen, eh' der Morgen graut,
Ich bleibe hier, den Mörder aufzuspüren,
Wenn's möglich ist.

Werner. Doch diese meine Flucht
Wird, da so plötzlich sie, dem Moloch Argwohn
Zwei Opfer weihn, statt eines, wenn ich bleibe.
Die Flucht des Ungarn, der der Schuld'ge scheint –

Ulrich. Der's scheint? Wer And'res könnt' es sein?

Werner. Ich nicht,
Obschon du's eben noch geglaubt, ja du
Mein Sohn –

Ulrich. Und zweifelst an dem Flüchtling du?

Werner. Mein Sohn! seit selbst ich in den Abgrund des
Verbrechens fiel – wenn auch so schweren nicht –
Und den der schuldlos, sah verfolgt statt meiner,
Muß ich auch zweifeln an des Schuld'gen Schuld.
Dein Herz ist rein, und in der Tugend Zorn
Gar leicht geneigt, dem Schein nach anzuklagen;
Und in der Unschuld Schatten sieht's vielleicht,
Nur weil's dort dunkel ist, den Missethäter.

Ulrich. Und thu' ich so, was werden Die erst thun,
Die dich nicht kennen, und dir jetzt schon drohn?
Du darfst es nicht drauf wagen, fort! Ich will
Schon Alles hier besorgen. Idenstein
Wird seiner selbst, des Ringes halber schweigen.
Auch ist er ja an deiner Flucht mit Schuld.
Und überdies –

Werner. Entfliehn! und meinen Namen
Dem jenes Ungarn angereiht zu sehn,
Vielleicht als ärmster von uns zwei erwählt,
Das Brandmal eines Mords auf mir zu tragen!

Ulrich. Ei was! gib Alles Preis, nur unsres Vaters
Gewalt und Herrschaft und Castelle nicht,
Für die so lang', vergebens du gelitten.
Was, Namen!! Du hast keinen Namen, da
Der, den du trägst, ja doch erdichtet ist.

Werner. Wol wahr, und dennoch möcht' ich nicht, daß er
Roth eingezeichnet im Gedächtniß wär'
Selbst nicht an diesem dunkelsten der Flecken:
Und wenn man forscht –

Ulrich. Ich werde Alles schon,
Was dich berühren kann, besorgen. Niemand
Kennt dich als Erbe hier von Siegendorf.
Wenn Idenstein Verdacht hat, ist es nur
Verdacht, und er ein Narr. Und seine Narrheit
Werd' ich mit Dingen zu beschäft'gen wissen,
Die näher als der Werner ihn berühren,
Und die Gesetze – wenn Gesetze je
Erreichen diesen Ort – sind alle längst
In diesem dreißigjähr'gen Krieg erlahmt,
Verschollen, – oder steigen langsam erst
Aus jenem Staub empor, in den der Marsch
Der Heere sie getreten. Strahlenheim,
Wenn auch ein Edelmann, gilt hier nicht viel,
Wo weder Güter er noch Einfluß hat,
Den ausgenommen, der mit ihm verstarb.
Gar Wenige verlängern ihre Macht
Um Wochen über ihren Tod hinaus,
Sind nicht Verwandte da, bei denen dann
Ins Spiel das Interesse kommt. Dies ist
Hier nicht der Fall. Er starb allein und fremd.
Ein einsam Grab, so dunkel wie sein Werth
Und ohne Wappenschild, ist Alles, was
Er braucht und haben wird. Wenn ich den Mörder
Entdecke – gut! wo nicht, entdeckt ihn Niemand,
Das glaube mir! So laut ob seiner Asche
Sein wohlgenährt Gesind' auch heulen mag,
– Wie's um ihn heulte, als im Fluß er lag –
Wird's jetzt doch keinen Finger weiter rühren,
Als damals es gethan. Drum fort! Ich will
Nichts weiter hören! – Sieh! die Sterne sind
Beinahe schon erbleicht, und schon beginnt
Das schwarze Haar der Nacht sich grau zu färben.
Antworte mir jetzt nichts! Verzeih', daß ich
So herrisch bin; dein Sohn ist's, der so spricht,
Dein lang verlorner, spät gefund'ner Sohn.
Wir wollen meine Mutter rufen; leis
Und schnell geh' hin; mir überlass' den Rest.
Ich stehe für die Sache ein, soweit
Sie dich betrifft, das ist der Hauptpunkt ja,
Und meine erste Pflicht, die ich erfülle.
Wir finden wieder uns auf Siegendorf,
Noch einmal sollen unsre Banner flattern!
Daran allein denk' jetzt, und überlass'
Jedweden weiteren Gedanken mir,
Deß Jugend besser ihn bekämpfen mag.
Jetzt fort! und mög' dein Alter glücklich sein.
Noch einmal werd' ich meine Mutter küssen,
Dann sei des Himmels ganzes Glück mit dir.

Werner. Dein Rath ist gut, doch ist er ehrenhaft?

Ulrich. Des Vaters Heil ist Kindes höchste Ehre. (Beide ab.)

 


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