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Saal im Dogenpalast.
Loredano und Barbarigo treten auf.
Barbarigo. Ihr habt also Vertraun in diesen Plan?
Loredano. Gewiß.
Barbarigo. Hart ist's, bedenkt man seine Jahre.
Loredano. Nennt's rücksichtsvoll vielmehr, daß man der Sorge
Ihn um den Staat enthebt.
Barbarigo. Es wird das Herz
Ihm brechen, glaubt's!
Loredano. In seinem Alter bricht
Ein Herz nicht mehr. Er sah das seines Sohns
Gebrochen halb, und außer einem Anfall
Von Schwäche, die in dessen Kerker ihn
Erfaßt, blieb er sich gleich.
Barbarigo. Nach Außen, ja,
Das geb' ich zu. Doch sah ich manchmal ihn
In einer Ruh', die so des Trostes baar,
Daß selbst der allerlautste Schmerz an ihm
Nichts zu beneiden fand. – Wo ist er jetzt?
Loredano. In seinem eignen Antheil des Palasts
Mit seinem Sohne und dem ganzen Haus
Der Foscari's.
Barbarigo. Um Abschied wol zu nehmen?
Loredano. Den letzten, ja! Bald soll er Abschied nehmen
Auch von dem Dogenthum.
Barbarigo. Wann schifft der Sohn
Sich ein?
Loredano. So bald der lange Abschied dort
Zu End'. 'S wird Zeit sein, sie aufs Neu' zu mahnen.
Barbarigo. Laßt's gehn! Nehmt ihnen nichts von dem Moment.
Loredano. O nein! wir haben Höheres zu thun.
Heut' soll der letzte Tag sein, wo der Alte
Als Doge herrscht, wie er der erste war
Von seines Sohns Exil – das heiß' ich Rache!
Barbarigo. Für mein Gefühl ist sie zu stark.
Loredano. Sie ist
Doch mäßig nur, nicht einmal Kopf um Kopf,
Dies alte Rachemaß! Sie sind mir noch
Das Leben meines Vaters, Oheims schuldig.
Barbarigo. Hat nicht, der Doge es bestimmt geläugnet?
Loredano. Gewiß.
Barbarigo. Und hat dies Euern Argwohn nicht
Erschüttert?
Loredano. Nein!
Barbarigo. Wenn die Entsetzung aber
Durch unsrer Beider Einfluß auf den Rath
Platz greifen soll, muß mit der Rücksicht sie
Geschehn, die seinem Alter wir und Rang
Und seinen Thaten schuldig sind.
Loredano. So viel
Der Förmlichkeit, als Ihr nur immer wollt,
Wenn nur die Sache vor sich geht. Der Rath
Mag auf den Knieen meinetwegen ihn
(Wie Barbarossa einst den Papst) ersuchen,
Daß er die Güte habe, abzudanken.
Barbarigo. Doch wie, wenn er nicht will?
Loredano. So wählen doch
Wir einen Andern und erklären ihn
Für Null.
Barbarigo. Wird das Gesetz uns unterstützen?
Loredano. Was da, Gesetz? Die Zehn sind das Gesetz;
Und wär' es nicht, will ich für diesen Fall
Der Geber des Gesetzes sein.
Barbarigo. Auf Eure
Verantwortung?
Loredano. Hier gibt es keine, sag'
Ich Euch. Wir haben wol die Macht dazu.
Barbarigo. Doch bat um die Erlaubniß zwei Mal er,
Zurück sich ziehn zu dürfen, und man hat's
Ihm beide Mal versagt.
Loredano. Grund um so mehr,
Beim dritten Mal es nicht mehr zu versagen.
Barbarigo. Wenn er nicht bittet drum?
Loredano. Nun, so beweist's,
Daß seine frühern Bitten Eindruck doch
Gemacht. Wenn sie von Herzen kamen, wird
Er dankbar sein; wo nicht, ist's eine Strafe
Für seine Heuchelei. – Kommt, sie sind jetzt
Beisammen wol; gehn wir in ihre Mitte.
Streb' du dies eine Mal noch fest zum Ziel;
Ich habe Gründe vorbereitet, die
Gewiß sie an- und ihn vertreiben sollen.
Wenn wir erst wissen, was sie davon halten
Und was sie etwa einzuwenden haben,
So bringt nur Ihr mit Eurer Zweifelsucht
Kein Hemmniß her, und Alles wird gelingen.
Barbarigo. Wüßt' ich gewiß, daß dies kein Vorspiel ist,
Um dann den Vater ähnlich zu verfolgen,
Wie mit dem Sohn man es gemacht, so wollt'
Ich gern Euch unterstützen.
Loredana. Er ist sicher,
Ich sag' es Euch. Mit seinen fünf und achtzig
Mag er, so lang' er will, sich weiter schleppen.
Ich ziele nur nach seinem Thron.
Barbarigo. Jedoch
Entthronte Fürsten leben selten lang'.
Loredano. Und Achtziger noch seltener.
Barbarigo. Nun denn,
Warum die wen'gen Jahre nicht noch warten.
Loredano. Wir warteten schon lang' genug, und er
Hat lang' genug gelebt. – Fort in den Rath!
(Loredano und Barbarigo ab.)
Memmo und ein Senator treten auf.
Senator. Berufen zu den Zehn! Weshalb?
Memmo. Die Zehn
Allein vermöchten Das zu sagen; doch
Sie pflegen ihre Absicht niemals lang'
Voraus zu künden, eh' sie sie betreiben.
Wir sind berufen, und das ist genug.
Senator. Für sie, doch nicht für uns. Ich möchte wissen,
Weshalb.
Memmo. Das werdet Ihr sofort erfahren,
Wenn Ihr gehorcht; wo nicht, so werdet gleichfalls
Erfahren Ihr, warum Ihr's hättet sollen.
Senator. Ich bin es nicht gewohnt zu widerstreben.
Jedoch –
Memmo. Ein jed' »Jedoch« heißt hier Verräther.
Laßt die Jedochs, wenn Ihr die Brücke nicht
Betreten wollt, die Wen'ge gehn zurück.
Senator. Ich schweig'.
Memmo. Weshalb dann säumig sein? Es haben
Die Zehn, um sie im Rath zu unterstützen,
Zwei Dutzend Nobili aus dem Senat
Sich beigesellt, Ihr seid und ich darunter;
Und wie mir scheint, ehrt uns die Wahl, die uns
In einen so erhab'nen Körper ruft.
Senator. Sehr wahr. Ich sag' nichts mehr.
Memmo. Und da wir hoffen,
Und Alle ja – ich meine Alle, die
Von edlem Blut – auch billig hoffen dürfen,
Einst Einer von den Zehn zu sein, so ist's
Für die von dem Senat gewählten Edeln
Nur eine Weisheitsschule, wenn sie so,
Ob als Novizen auch, berufen sind,
Um die Geheimnisse zu schaun.
Senator. Laßt uns
Sie schauen denn! Sie sind der Mühe werth,
Ich bin's gewiß.
Memmo. Ja, unser Leben werth,
Wenn wir sie weiter sagen, und darum
Für Euch und mich wol etwas werth.
Senator. Ich hab'
Um einen Platz in jenem Heiligthum
Nicht nachgesucht; doch da man mich erwählt,
Ob gegen meinen Willen auch, so werd'
Ich thun, was meine Pflicht.
Memmo. Wir wollen als
Die letzten nicht, dem Ruf der Zehn gehorchen.
Senator. Noch sind nicht Alle da, doch theile ich
Ganz Eure Ansicht drob. Laßt uns hinein.
Memmo. Die Ersten sind bei ernstem Rath die Liebsten,
Wir wollen nicht die Wenigstlieben sein. (Beide ab.)
Der Doge, Jacopo Foscari und Marina treten auf.
Jacopo Foscari. Ach Vater! muß und will ich scheiden,
So bitt' ich doch, verschaff' die Gnade mir,
Daß einst ich wieder heimwärts kehren darf,
Sei es auch noch so spät. Ein Zeitpunkt sei
Als Leuchtthurm aufgerichtet für mein Herz,
Und sei er auch verknüpft mit jeder Buße,
Ein Zeitpunkt, wo ich wiederkommen darf.
Doge. Sohn Jacopo! gehorch' dem Landeswillen,
Wir dürfen vorerst nicht nach Weitrem schaun.
Jacopo Foscari. Doch rückwärts muß ich schaun. Ich bitte dich,
Gedenke mein.
Doge. Du warst mein liebstes Kind,
Als ich noch viele hatt', wie könntest du.
Mir wen'ger sein, seit du mein letztes bist?
Doch wenn der Staat die ausgegrabene Asche
Von deinen Brüdern, die im Grabe ruhn,
In die Verbannung schicken wollt' und wenn
Verzweiflungsvoll ihr Schatten mich umschwebte,
Einhalt zu thun dem Werk, so müßt' ich doch
Der Pflicht gehorchen, die all andre Pflicht
Weit überragt.
Marina. Mein Gatte, komm! Dies kann
Ja nur verlängern unsern Schmerz.
Jacopo Foscari. Man hat
Uns ja noch nicht gemahnt. Die Segel der
Galeeren sind noch nicht gelöst. Wer weiß,
Noch ändern kann der Wind.
Marina. Und wenn er's thut,
Das ändert ihr Herz nicht, noch unser Loos,
Das Steuer wird den Hafen bald verlassen.
Jacopo Foscari. O Elemente, wo bleibt euer Sturm?
Marina. Im Menschenherz. Kann nichts dir Ruhe geben?
Jacopo Foscari. Nie richtete der Schiffer heiß'res Flehn
Um günst'gen Wind an seinen Schutzpatron,
Als ich an euch, Schutzheil'ge meiner Stadt,
– Die ihr mit heil'grer Liebe nicht umfangt
Als ich – jetzt richt', daß ihr der Adria
Gewässer los laßt aus der Tiefe und
Den Südwind reizt, des Sturmes mächt'gen Herrn.
Bis mich die See zurück ans Ufer wirft
Zerschellt als Leiche an das öde Lido,
Mich mit dem Sand zu mischen dort, der säumt
Das theure Land, das ich soll nicht mehr schaun.
Marina. Und wünsch'st du dies, da ich doch bei dir bin?
Jacopo Foscari. Nein, nicht für dich, du Gute, Allzuliebe!
Mögst lang' du leben, um die Kinder noch,
Die deine treue Lieb' für ein'ge Zeit
Der Stütz' beraubt, als Mutter zu erziehn.
Für mich jedoch mög' jeder Himmelswind
Den Golf durchheulen und das Schiff zerwehn,
Bis das erschrock'ne Schiffervolk zuletzt
Auf mich das Auge in Verzweiflung, richtet,
Wie einst die Tyrier mit Jonas thaten,
Und mich, die Wogen zu besänftigen,
Als Opfer stürzt ins Meer. Dann wird die Well',
Die mich erfaßt, mitleid'ger als der Mensch,
Ans Heimatufer, wenn auch todt, mich tragen
Und Fischervolk verscharren mich am Strand
Der unter tausend Wrecks nicht eins bewahrt,
Das so zertrümmert ist wie dieses Herz.
Doch warum bricht es nicht? Was leb' ich noch?
Marina. Um mit der Zeit dich zu ermannen, hoff' ich,
Um Meister dieser Leidenschaft zu werden,
Die doch nichts nützt. Bis jetzt warst du ein Dulder
Und klagtest nicht; was ist doch gegen Folter
Und Kerkerhaft, die schweigend du ertrugst,
Des neue Leid?
Jacopo Foscari. Drei – zehenfache Folter!
Doch du hast Recht, sie muß ertragen werden,
Gebt, Vater, Euern Segen mir.
Doge. Ich wollt',
Er nützte dir, doch gleichwol, nimm ihn hin!
Jacopo Foscari. Vergib!
Doge. Was?
Jacopo Foscari. Meiner armen Mutter, daß
Sie mich gebar, und mir, daß ich gelebt,
Und Euch – wie ich es thu – daß Ihr das Leben
Mir als mein Vater gabt.
Marina. Was thatest du?
Jacopo Foscari. Ich? Nichts! Ich habe wenig sonst in der
Erinnerung als Schmerz und Gram; allein
Ich ward so über das gewohnte Maß
Hinaus gezüchtigt, heimgesucht, daß ich
Für schlecht mich notgedrungen halten muß.
Wenn es so ist, so möge, was ich hier
Ertrug, vor Aehnlichem mich künftighin
Bewahren.
Marina. Fürchte nichts! Das ist für die
Gespart, die dich gequält.
Jacopo Foscari. Ich will's nicht hoffen.
Marina. Nicht hoffen?
Jacopo Foscari. Nein! Ich kann, was mir sie thaten,
Nicht Alles ihnen wünschen.
Marina. Alles, Alles
Wünsch' diesen Teufeln ich! Mög' tausendfach
Der Wurm, der niemals stirbt, an ihnen nagen!
Jacopo Foscari. Sie können noch bereun.
Marina. Und wenn sie's thun,
So wird doch Gott der Teufel späte Reu
Nicht gelten lassen.
Ein Officier mit Wache tritt auf.
Officier. Herr! Das Boot liegt am
Gestad', der Wind hebt an, wir sind bereit
Euch zu geleiten.
Jacopo Foscari. Und ich – mitzugehn.
Noch einmal, Vater, deine Hand.
Doge. Hier, Sohn!
Ach wie die deine, zittert!
Jacopo Foscari. Nein! du irrst.
Die deine zittert, Vater! – Lebe wohl!
Doge. Leb' wohl! Ist noch etwas –?
Jacopo Foscari. Nein! nichts. – Gebt mir
Den Arm, mein lieber Herr. (Zu dem Officier.)
Officier. Ihr werdet blaß.
Ich will Euch führen – o wie blaß – he, Hilfe!
bringt Wasser!
Marina. Ach! er stirbt!
Jacopo Foscari. Ich bin bereit.
Es schwimmt so seltsam mir – vor'm Aug'. Wo ist
Die Thüre?
Marina. Weg! – Ich will dich führen, Liebster!
O Gott, wie schwach schlägt dieses Herz! – der Puls!!
Jacopo Foscari. Licht! Licht! Wo ist das Licht? – Mir ist so schwach.
Officier. Vielleicht wird in der Luft es besser werden.
Jacopo Foscari. Ich zweifle nicht – Weib – Vater! – eure Hände!
Marina. In, diesem feuchten zähen Griffe sitzt
Der Tod: O Gott! Mein Foscari! Wie geht's?
Jacopo Foscari. Gut – gut! (stirbt.)
Officier. Er ist dahin.
Doge. Und frei.
Marina. Nein, nein!
Er ist nicht todt! In diesem Herzen muß
Noch Leben sein. Er konnte so mich nicht
Verlassen.
Doge. Tochter! sei –
Marina. Schweig, alter Mann!
Ich bin nicht Tochter mehr – dein Sohn ist ja
Dahin. – O Foscari!
Officier. Wir werden ihn
Fortschaffen müssen.
Marina. Halt, rührt ihn nicht an!
Ihr Kerkerschergen! euer schuft'ger Dienst
Hat mit dem Leben auch sein End', und geht
Selbst unter eurem Mordgesetz nicht weiter
Als bis zum Mord. Laßt diese Reste nur
Den Händen, die zu ehren sie verstehn.
Officier. Ich muß dem Rath es melden, um zu hören,
Was er befiehlt.
Doge. Künd' deinem Rath von mir,
Dem Dogen an, daß keine Macht er mehr
An diese Asche hab'. So lang' er lebte,
Gehört' er ihm, wie es dem Unterthan
Gebührt. Jetzt ist er mein! – Mein armer Sohn,
Dem sie das Herz gebrochen! (Der Officier ab.)
Marina. Ach! Und ich
Muß leben!
Doge. Deine Kinder leben, Tochter!
Marina. Ja, meine Kinder leben und auch ich
Muß leben, um sie zu erziehn, daß sie
Dem Staat sich weihn und sterben wie ihr Vater.
O welch ein Segen wär' Unfruchtbarkeit
In dem Venedig hier! Hätt' sie beglückt
Auch meine Mutter doch!
Doge. O meine Kinder!
O meine unglücksel'gen Kinder!
Marina. Wie?
Ihr fühlt es endlich? – Ihr? Wo ist er nun,
Der Stoiker des Staates?
Doge (wirft sich neben den Leichnam seines Sohnes). Hier!
Marina. Ja, wein'!
Ich glaubte erst, du habest keine Thränen.
Du hast sie aufgespart, bis sie umsonst.
Doch weine nur – er weint ja nimmer mehr!
O nimmer – nimmer mehr!
Loredano und Barbarigo treten auf.
Loredano. Was gibt es hier?
Marina. Der Teufel kommt, die Todten zu beschimpfen.
Hinweg, du eingefleischter Satanas!
Dies hier ist heil'ger Grund! Ihn decket jetzt
Die Asche eines Märtyrers, und macht
Zum Altar ihn. Geh' heim nach deinem Ort
Der Qual!
Barbarigo. Wir wußten nichts, Signora, von
Dem traur'gen Fall. Der Zufall führte uns
Auf unsrem Weg vom Rathe hier vorbei.
Marina. Geht, geht!
Loredano. Den Dogen suchten wir.
Marina (zeigt auf den Dogen, der noch am Boden neben der Leiche seines Sohnes liegt). Er ist
Beschäftigt wie ihr seht, – mit dem Geschäft,
Das ihr für ihn zurecht gemacht. Seid ihr
Zufrieden nun?
Barbarigo. Wir sind es nicht gewohnt,
In seinem Schmerz zu stören einen Vater.
Marina. O nein! ihr macht nur Schmerz, dann laßt ihr uns
Darin.
Doge (erhebt sich). Ich bin bereit, ihr Herrn.
Barbarigo. Nein, nein!
Nicht jetzt.
Loredano. Doch war's ein wichtig Ding.
Doge. Wenn so,
So kann ich wiederholen nur: ich bin
Bereit.
Barbarigo. Jetzt soll's nicht sein, und wenn Venedig
Wie ein zerbrechlich Schiff im Meere schwankte!
Ich achte Euern Gram.
Doge. Ich danke Euch.
Wenn Ihr mir üble Zeitung bringt, so sagt
Sie nur. Mich rührt sie jetzt nicht mehr als ihn,
Den Ihr hier seht. Und ist sie gut, so sprecht
Nur zu; Ihr braucht zu fürchten nicht, daß sie
Mich trösten kann.
Barbarigo. Ich wollt', sie könnte es!
Doge. Ich sprech' zu Loredano, nicht zu Euch,
Und er versteht mich.
Marina. Ha, ich dachte mir's,
Daß es so würde sein!
Doge. Was meinst du?
Marina. Da!
Schau her! Es fängt das Blut zu fließen an
Aus meines Foscari erstarrtem Mund.
Das Blut fließt in des Mörders Gegenwart.
(Zu Loredano)
Feiger Mörder an Gesetzes Hand!
Sieh, wie der Tod selbst zeugt von deiner That!
Doge. Mein Kind, das ist ein Wahngebild des Grams.
Tragt ihn hinweg. den Dienern.)
Ihr Herrn, wenn's euch gefällt,
Will ich in einer Stunde euch vernehmen.
Der Doge, Marina und die Diener mit dem Leichnam gehen ab.
Barbarigo. Er darf jetzt nicht belästigt werden.
Loredano. Doch!
Hat er nicht selbst gesagt, nichts rühr' ihn an?
Barbarigo. Das sind nur Worte; Schmerz braucht Einsamkeit.
Ihn stören, hieße Barbarei.
Loredano. Der Gram
Nährt sich von seiner Einsamkeit; nichts wendet
Ihn besser ab von trübem Traumgesicht
Aus jener Welt, als wenn man manchmal ihn
Zurück in diese wieder ruft. Der Mann
Der Thätigkeit hat keine Zeit zu Thränen.
Barbarigo. Und darum wollt den alten Mann Ihr jetzt
Jedweder Thätigkeit berauben?
Loredano. Nun,
Beschlossen ist's einmal. Die Giunta und
Die Zehn erhoben's zum Gesetz. Wer kann
Sich dem Gesetz entgegen stellen?
Barbarigo. Wer?
Die Menschlichkeit.
Loredano. Weil ihm der Sohn gestorben?
Barbarigo. Und nicht einmal beerdigt noch.
Loredano. Wenn wir
Dies wußten, als die Sache noch im Gang,
So hätte wol ein Aufschub gelten mögen,
Nun, da sie fertig, ändert dies sie nicht.
Barbarigo. Ich gebe meine Stimme nicht.
Loredano. Ihr habt
Zu allem Wesentlichen zugestimmt.
Jetzt überlaßt das Weit're mir.
Barbarigo. Warum
Denn jetzt auf seine Thronentsagung drängen?
Loredano. Des Einzelnen Gefühl darf nimmermehr
Das, was dem Allgemeinen frommt, verhindern;
Und was der Staat am heut'gen Tag beschließt,
Darf morgen nicht zu Boden wieder fallen,
Weil ein natürliches Ereigniß kam.
Barbarigo. Ihr selbst habt einen Sohn.
Loredano. Jawol, und hatt'
Auch einen Vater einst.
Barbarigo. Wie? immer noch
So unerbittlich?
Loredano. Immer noch.
Barbarigo. So laßt
Ihn wenigstens begraben seinen Sohn,
Eh' wir mit dem Beschlusse ihn bedrängen.
Loredano. Wenn er den Vater mir ins Leben ruft,
Den Ohm, so stimm' ich zu. Man kann, wenn auch
Bejahrt, von hundert Söhnen Vater sein,
Kann scheinen so, und doch nicht ein Atom
Von seinen Ahnen mehr dem Grab entreißen.
Das Opfer ist nicht gleich: er sah die Söhne
An Todesarten, die natürlich, sterben,
Ich meine Väter an geheimnißvollem,
Gewaltsamem Erkranken. Keines Gifts
Bedient' ich mich, bestach auch keinen Meister
In der zerstörungsschwangern Kunst des. Heilens,
Um ihm den Weg zum ew'gen Heil zu kürzen.
Und seine Söhn' – er hatte deren vier –
Sind weggestorben, ohne daß ich mich
Mit bösen Tränklein hab' befaßt.
Barbarigo. Und bist
Du denn gewiß, daß er damit sich einst
Befaßt?
Loredano. Vollkommen.
Barbarigo. Und er scheint doch ganz
Nur Offenheit zu sein.
Loredano. Ja, so erschien
Erst kürzlich er dem Carmagnuola auch.
Barbarigo. Dem fremden, überwiesenen Verräther?
Loredano. Denselben mein' ich. Als er nach der Nacht,
Wo mit dem Dogen im Verein die Zehn
Sein Todesurtheil festgestellt, den Dogen
Bei Tagesanbruch traf und scherzend frug:
Ob er ihm guten Tag dürf' wünschen oder
Gut' Nacht? erwiderte der Doge ihm:
Er habe in der That die Nacht durchwacht.
In welcher – fügt' er artig lächelnd bei –
Von ihm gar oft die Rede sei gewesen.Geschichtlich. Siehe Daru Bd. 2.
So war es auch! Die Rede war vom Tod
Des Carmagnuola damals schon gewesen,
Den man beschloß, acht Monde eh' er starb.
Der Doge, der ihn doch verurtheilt wußt',
Er lächelte acht Monde lang ihm zu,
Acht Monde Heuchelei, wie man sie nur
Mit achtzig lernt, – und Carmagnuola starb.
So that jetzt auch der junge Foscari
Und seine Brüder, doch ich lächelte
Nie über ihren Tod.
Barbarigo. War Carmagnuola
Befreundet Euch?
Loredano. Er war der Schirm der Stadt:
In seiner Jugend zwar ihr Feind, jedoch
In seinem Mannesalter erst ihr Retter,
Ihr Opfer dann.
Barbarigo. Ach das scheint stets die Strafe
Dafür zu sein, daß Städte man errettet.
Der, gegen den wir handeln, rettete
Die Stadt nicht nur, er fügte andre Städte
Noch ihrer Herrschaft bei.
Loredano. Die Römer (und
Wir äffen sie ja nach) ertheilten Dem,
Der eine Stadt erobert, eine Kron'
Und eine Kron' auch Dem, der einen Bürger
Im Treffen rettete. Der Lohn war gleich.
Wenn wir die Städte nun, die Foscari
Für uns gewonnen, durch die Bürger all,
Die er zu Grunde schon gerichtet hat,
Aufwägen wollten, spräche furchtbar laut
Die Rechnung gegen ihn; wenn auch beschränkt
Auf solchen Sonder-Hader nur, wie einst
Er zwischen ihm und meinem Vater gohr.
Barbarigo. Ihr seid entschlossen denn?
Loredano. Was sollt'
Mich anders stimmen?
Barbarigo. Was mich anders stimmte.
Ihr aber seid wie Marmor, und bewahrt
Den Haß. Wenn Alles dann vollendet ist,
Der alte Mann entsetzt, beschimpft sein Namen,
Die Söhne alle todt, sein Haus gefallen
Und Ihr und Eures Herr, wie schlaft Ihr dann?
Loredano. Gesünder weit!
Barbarigo. Ihr irrt, und werdet's sehn,
Eh' Ihr bei Euern Vätern schlafen geht.
Loredano. Sie schlafen nicht in dem verfrühten Grab
Und werden's nicht, bis Foscari es füllt.
Ich schau' sie jede Nacht, wie um mein Lager
Sie grollend ziehn und gegen den Palast
Des Dogen deutend, mich zur Rache spornen.
Barbarigo. Krankhafte Phantasie! Es gibt ja nichts,
Was mehr in Traumgestalten macht als Haß.
Sein Gegentheil sogar, die Liebe, füllt
Die Luft mit Wahngebilden nicht so sehr,
Wie diese Herzenstollheit thut.
Ein Officier tritt auf.
Loredano. Wohin,
Signor?
Officier. Ich eile auf Befehl des Dogen
Die Beisetzung des jungen Foscari
Ins Werk zu setzen, Herr.
Barbarigo. Ihr Grabgewölbe
Ward oftmals in der letzten Zeit geöffnet.
Loredano. Bald wird es voll sein und für immer dann
Geschlossen werden.
Officier. Kann ich gehn?
Loredano. Ihr könnt's.
Barbarigo. Wie trägt der Doge diesen letzten Schlag?
Officier. Mit der Verzweiflung Festigkeit. Wenn Andre
Zugegen sind, bleibt seine Lippe stumm,
Doch manchmal seh' ich, wie sie sich bewegt;
Und einmal oder zweimal hörte ich
Vom Nebenzimmer aus, wie er die Worte:
»Mein Sohn! mein Sohn!« doch hörbar kaum gemurmelt.
Doch ich muß fort. (Officier ab.)
Barbarigo. Der Schlag wird ganz Venedig
Zu seinen Gunsten stimmen.
Loredano. Richtig, Freund!
Wir müssen eilen drum; und wollen jetzt
Die Herrn zusammenrufen, die ihm den
Beschluß des Rathes zu eröffnen haben.
Barbarigo. Ich protestir' dagegen, daß dies jetzt
Geschieht.
Loredano. Wie Euch beliebt! Die Stimmen werd'
Ich gleichwol sammeln drob; da wird sich zeigen,
Ob Eure schwerer oder meine fällt. (Barbarigo und Loredano ab)