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Im deutschen Lande, in der guten Stadt, welche sich in den Wellen des ehrlichen Flusses spiegelt, lebte Frau Schlender, eine Frauenschneiderin. Sie war zwar sehr fleißig, aber konnte doch nicht viel vor sich bringen und daher auch nichts zurücklegen, weil sie selbst schon sehr mit ihrer Arbeit aus der Mode war. Keine Dame wollte mehr etwas von einer Schlender wissen.
Doch hatte sie drei flinke Töchter, welche sich der Reihe nach noch ziemlich mit der Nadel erhielten. Die älteste hieß Andrienne, die zweite Saloppe und die jüngste Kontusche. Doch kamen diese auch bald aus der Mode, wie ich euch weiter erzählen werde, so daß Frau Schlender nie recht auf einen grünen Zweig kam.
Ihre größte Plage aber war, daß sie einen Sohn hatte, der Dilldapp hieß und alles verkehrt machte. Dilldapp war ein sehr guter Junge, aber er hatte einen so dummen Verstand in seinem dicken Kopfe, daß er alles überzwerch verstand und ausführte. Nun gab ihm seine Mutter zwar allerlei Näschereien, um ihn mit Liebe zu erziehen, zum Beispiel: Ohrfeigen, Kopfnüsse und wohl noch manchen Nasenstüber obendrein. Aber er war kein besonderer Liebhaber davon und hätte gern alle diese Leckereien um gewöhnliche Feigen und Nüsse und Stüber hingegeben, weswegen diese Gefälligkeiten der Frau Schlender auch gar nichts bei dem ehrlichen Dilldapp fruchteten. Deswegen ward sie müde, ihn täglich so zu bewirten, und setzte fest, daß er wie alle Arbeiter am Ende der Woche immer seinen Lohn haben sollte, und diesen erhielt der arme Dilldapp so reichlich, daß es ihm leicht ward, den blauen Montag zu feiern; denn er hatte blaue Flecken von den Schlägen am Leib für die ganze Woche. Er stieg dadurch immer mehr in seiner Kunst, alles, außer die Kleider, umzuwenden, daß er in einer Woche folgende vortreffliche Geschäfte zustande brachte:
Die Mutter sprach: »Dilldapp, bring Wachs!«
Da brachte ihr Dilldapp Flachs.
Die Mutter sprach: »Dilldapp, bring Zwirn!«
Da brachte ihr der Dilldapp Birn.
Die Mutter sprach: »Dilldapp, Steppseide!«
Da brachte ihr Dilldapp eine Speckseite.
Die Mutter rief nach der Schneiderscher',
Und Dilldapp brachte Schweineschmer.
Die Mutter wollt ein Maß von Papier,
Und Dilldapp brachte eine Maß Bier.
Die Mutter wollte Futterzwilch,
Da brachte Dilldapp Buttermilch.
Die Mutter wollte Kanevas,
Da brachte Dilldapp Kanne und Faß.
Die Mutter wollte bunte Borten,
Da brachte Dilldapp runde Torten.
Die Mutter wollte Stopfnadeln,
Da brachte Dilldapp Topffladen.
Endlich sprach die Mutter: »Bring mir den Rock und das Bügeleisen.« Da ging Dilldapp weg und kam nach einer Stunde mit einem Bock, zwei Ziegen und zwei Geißen zurück. Das nahm nun Frau Schlender sehr übel auf; sie nahm eine Hechel und schlug sie ihm um den Kopf.
Er schrie: »O weh! o weh! mein Kopf!«
Sie sprach: »Ich hechle den Flachs, du Tropf!«
Sie schlug; er schrie: »Weh! meine Stirn!«
Sie sprach: »Ich schüttle nur die Birn.«
Sie stieß; er schrie: »Weh! meine Seite!«
Sie sprach: »Ich salze die Speckseite.«
Er rief: »Ach Mutter! nicht so sehr!«
Sie sprach: »Es ist nur Schweineschmer.«
Er schrie: »Ach! ach! ich sterbe schier.«
Sie sprach: »Es ist nur eine Maß Bier.«
Er schrie: »Mutter, ihr stoßt unbillig.«
Sie sprach: »Ich butter' die Buttermilch.«
Er schrie: »Ihr rüttelt ohne Maß.«
Sie sprach: »Ich schwenke Kanne und Glas.«
Er schrie: »Ihr werdet mich ermorden.«
Sie sprach: »Ich backe runde Torten.«
Er schrie: »Ihr schlaget ohne Gnaden.«
Sie sprach: »Ich forme Topffladen.«
Und darauf griff sie erst zum Stock
Und sprach: »Jetzt stutzet dich der Bock.«
Aber der Dilldapp sah seinen Vorteil ab, nahm die Beine auf die Schultern und lief die Treppe hinunter, während Frau Schlender genug zu tun hatte, den Bock und die Ziegen aus dem Hause zu kapitulieren.
Dilldapp aber geriet in ein solches Laufen bergab und bergauf, durch Wälder und Felder, Land und Sand, Stock und Stein, Distel und Dorn, daß er nicht eher aufhörte, bis er nichts mehr sah vor lauter Nacht. Denn die Sonne hatte er schon über den Haufen gelaufen, und an der Abendröte hatte er die bunten Fensterscheiben eingerannt. Da hingen die Sterne ihre tausend Laternen zum Himmel heraus, und der Mond zog als Nachtwächter auf die Wache, um zu sehen, wer so erbärmlich laufe.
Dilldapp aber bekümmerte sich um nichts, und da er an einem Berg stand, der mit dem Himmel den Kopf zusammenstieß, rannte er zuguterletzt auch da hinauf. Außer Atem war er, und da er oben hinkam, hatte er Luft im Überfluß. Er konnte auf viele Jahre voraus Atem schöpfen. Da aber die Welt da oben auch noch nicht mit Brettern zugenagelt war, begann er weiterzurennen; aber ein Esel trat ihm in den Weg. Der gefiel dem guten Dilldapp so wohl, daß er auf ihn stieg, um seine Reise in guter Gesellschaft fortzusetzen.
Kaum aber hatte er wenige Schritte gemacht, so kam ihm und dem Esel ein flinker Knüppel in den Weg, der sie beide in eine Höhle hineintrieb, in welcher ein großes, dickes, fettes Ungeheuer von einer so außerordentlich großen Herzensgüte saß, daß man sie mit Ellen ausmessen konnte. Ach, Mutter! wie abscheulich groß und gut war das Ungeheuer!
Das Ungeheuer sah aus wie ein anderer Mensch auch, außer daß es wohl dreimal so groß und viermal so breit war. Es hatte eine sehr edle Gesichtsbildung, nur sein Kopf war so dick wie ein Pfefferballen; seine Nase so breit wie ein Blasebalg; seine Augen, deren es nur eines hatte, und zwar mitten auf der Stirne, waren lieblich spielend, wie das Rad an einem Schiebkarren; sein Mund war freundlich, aber so groß als die Brieftasche eines Postmeisters; und seine Ohren, die es spitzen konnte wie ein kluger Spitzhund, und niederhängen wie ein treuer Pudelhund, waren nicht größer, als daß in einem die Schwalben ihr Nest, im andern die Bienen ihr Haus drin bauen konnten, was seiner freundlichen Seele eine sehr angenehme Unterhaltung gewährte. Auf ähnliche Weise waren alle seine Glieder unförmlich, und sein ganzes Aussehen so, daß jeder andere vor ihm in Ohnmacht gefallen wäre.
Aber Dilldapp war guten Muts, besonders weil der Knüppel bei dem Anblick des Popanzes gleich ruhig ward und in das Innere der Höhle hineinstolperte. Dilldapp sprang von dem Esel, der dem Knüppel in die Höhle folgte, und machte dem Ungeheuer einen höflichen Kratzfuß mit den Worten: »Guten Abend, Herr Nachbar! Wie stehts, wie gehts mit dem Leben? Seid Ihr noch wohlauf? Wie befindet sich die Frau Liebste und die werte Familie? Was hört man denn hier Neues? Sind denn hier zu Lande die fatalen Wasserrüben auch in solchem Überfluß geraten, daß sie gar nicht mehr alle werden wollen? Apropos, könnt Ihr mir wohl sagen, wo der Weg nach dem Orte geht, und wie weit ich noch dahin habe, wohin ich will?« Der Popanz erkannte aus allen diesen närrischen Fragen bald, daß sie von einem Dilldapp herrührten, und mußte von Herzen lachen, worüber auch Dilldapp zu lachen anfing, so daß die Höhle widerschallte: denn der Esel hinten an seiner Krippe lachte auch mit, so gut es gehen wollte.
»Du gefällst mir«, sagte der Popanz. »Ihr gefallt mir auch«, sagte Dilldapp. »Willst du in meine Dienste treten?« fuhr der Popanz fort. Da erwiderte Dilldapp: »Wieviel Lohn soll ich Euch monatlich geben?« Worüber der Popanz wieder lachte, und Dilldapp auch und der Esel auch.
»Wohlan! bleibe hier«, sagte der Popanz; »ich denke, wir wollen schon einig miteinander werden.« Da erwiderte Dilldapp: »Meinethalben«, und fuhr mit der Hand in eine große Schüssel voll Hirsebrei, die neben dem Ungeheuer stand, und aß sich dick und satt und legte sich nachher aufs Stroh und schnarchte bis zum andern Morgen, wo er es dann wieder anfing, wie er es am Abend gelassen hatte, und die Zeit teils mit einfältigen Erzählungen aus seinem bisherigen Lebenslauf, teils mit Essen und Trinken zubrachte, so daß er in Zeit von acht Tagen dick wie ein Türke, fett wie ein Aal, glänzend wie eine Zwiebel, rot wie ein Trompetermantel und ausgestopft wie ein Walfisch wurde; ja, er wurde so unförmlich, daß man ihn selbst für ein kleines Ungeheuer hätte halten können.
Seine Geschäfte waren nicht groß, denn das Ungeheuer kochte nicht selbst, sondern ließ sich sein Essen aus einer Garküche in der Gegend bringen, wo die meisten andern Ungeheuer selbiger Provinz sich alle kochen ließen. Das Tellerlecken war also Dilldapps Hauptgeschäft, außer daß er dem guten Ungeheuer manchmal den Buckel kratzen mußte, weil es dies wegen seiner Leibesdicke nicht selbst konnte. Aber es war nicht undankbar und kratzte währenddem den ehrlichen Dilldapp wieder, worüber sie dann gewöhnlich in Gesellschaft einschliefen.
Vier Jahre lang hatte Dilldapp so dem Ungeheuer treu gedient, als er einst unter bittern Tränen nach einem solchen Schlummer erwachte. Diese Tränen, welche die ersten waren, die das Ungeheuer ihn weinen sah, rührten dasselbe gute Ungeheuer dermaßen, daß es auch mitweinte, und der Esel, welcher sie beide schluchzen hörte, stimmte auch mit bitterem Jammergeschrei ein, so daß der Felsen von ihren Klagen widertönte, ohne daß sie eigentlich recht wußten, warum.
Das Ungeheuer erholte sich noch am ersten und sagte: »Ach, lieber Dilldapp! warum weinst du?« Dilldapp sagte hierauf: »Ach, liebes Ungeheuer! sage mir erst, warum du weinst?« Da erwiderte das Ungeheuer: »Liebster Dilldapp! Ich weine, weil du weinst«; und Dilldapp sagte: »Ja, ich weine, weil meine Mutter weint; denn Andrienne, mein älteste Schwester, ist sehr krank und wird wohl sterben und aus der Mode kommen. Da wird es meiner armen Mutter Schlender sehr hart gehen, denn sie war ihre beste Arbeiterin. Wenn die liebe Andrienne von der Schneiderbank in die Hölle zu den andern Lappen fällt, soll ich darum nicht weinen? Hi hi hi.« – Das Ungeheuer weinte wieder mit und fragte schluchzend: »Aber woher weißt du denn das?« – »Das hat mir geträumt«, sagte Dilldapp; »hat es dir denn nicht auch geträumt?« – »Nein«, erwiderte das Ungeheuer, »mir träumt gar nichts; ach! wenn mir je etwas geträumt hätte, wie glücklich wäre ich! Ich wäre dann kein Ungeheuer.« Hierüber weinten sie wieder zusammen.
Dilldapp aber konnte es nicht mehr länger aushalten, er bekam eine entsetzliche Sehnsucht nach Hause zu seiner Mutter und bat das Ungeheuer sehr, es möge ihm erlauben, zu seiner Mutter zurückzukehren und sie in ihrem Unglück zu trösten. Das Ungeheuer hatte eine große Freude über diese kindliche Liebe Dilldapps und sprach zu ihm: »Wohlan, mein lieber und getreuer Diener! folge dem tugendhaften Triebe deines Herzens und gehe zu deiner Mutter; aber so mit leeren Händen dürftest du nicht willkommen sein; ich will dir meinen Esel mitgeben, hole mir ihn her.« Da ging Dilldapp in das Innere der Höhle und setzte sich auf den Esel und ritt heraus. Das Ungeheuer umarmte den Dilldapp recht herzlich, und sie weinten alle drei wieder, und zuletzt sagte das Ungeheuer zu Dilldapp:
Daß dein Glück recht lange daure,
Sag zum Esel nie Aurekakaure!
»Das soll ein Wort sein«, schluchzte Dilldapp und trabte davon.
Dilldapp war schon ein rechtes Stück Weg geritten, da stieg er ab und ließ den Esel grasen, und als er ihm den Sattelgurt etwas aufschnallte, damit der Esel bequemer fressen könne, sagte er zu ihm: »Ja, mein lieber Aurekakaure, ich weiß wohl, daß du Aurekakaure heißest, aber ich werde mich hüten, dich Aurekakaure zu nennen, weil das gute Ungeheuer mir es abgeraten hat.« Kaum hatte Dilldapp das Wort Aurekakaure ausgesprochen, als der Esel Gold und Edelsteine von sich gab, so viel, daß er alle Taschen und noch sein Schnupftuch mit anfüllen konnte.
Wer war vergnügter hierüber als der gute Dilldapp? Denn nun war er gewiß und versichert, seiner Mutter, Frau Schlender, helfen zu können. Er setzte darum seinen Weg schleunigst fort und kam am Abend in ein Wirtshaus, wo er übernachten wollte.
Als der Wirt seinen Esel in den Stall führte, sagte Dilldapp zu ihm: »Mein lieber Herr Wirt! ich ersuche Sie vor allen Dingen, sagen Sie nicht Aurekakaure zu meinem Esel; übrigens will ich Hirsebrei essen und schlafen.« Der Wirt setzte ihm Hirsebrei vor. Dilldapp aß nach Herzenslust und ging zu Bett.
Der Wirt aber dachte immer hin und her, warum soll ich wohl zu dem Esel nicht Aurekakaure sagen? Da muß ein Geheimnis dahinter stecken und das muß ich herauskriegen; denn ich bin ein Wirt und ungemein neugierig. Er lauerte daher, bis alles im Hause in tiefen Schlaf versunken war, und als sich nichts mehr rührte auf der Flur und in den Ställen als die Mäuse und die Katzen, schlich der neugierige Wirt auf den Strümpfen, damit niemand erwachen möge, leise, leise mit einer Blendlaterne in den Stall zu dem Esel des Dilldapps, der ruhig auf dem Stroh schnarchte und von Distelköpfen träumte.
Der Wirt ging anfangs um den Esel herum und beleuchtete ihn von allen Seiten. »Ei das ist doch seltsam«, sagte er für sich, »daß ich den Esel nicht Aurekakaure nennen soll.« Kaum hatte er dies gesagt, als der Esel aufsprang, worüber der Wirt, der kein gutes Gewissen hatte, sehr erschrak. Da er aber sah, wie Gold und Edelsteine von dem guten Esel niederfielen, so verstand er leicht den großen Wert des Aurekakaure und die noch größere Einfalt Dilldapps, und besann sich nicht lange, zog den Esel aus dem Stall und stellte statt seiner einen andern hin, dem er des Aurekakaure Geschirr auflegte.
Als er mit diesem Betruge fertig war und der Tag schon graute, begab er sich zu Dilldapp, der früh reisen wollte, und weckte ihn: »He! mein Herr von Dilldapp! belieben Sie aufzustehen und zu frühstücken, der Tag bricht an, die Schwalbe singt; he! he! Sie können in der kühlen Morgenluft ein gutes Stück Weg zurücklegen.« Da streckte sich Dilldapp und wachte auf und sprach: »Herr Wirt! was sind Sie mir schuldig?« – »Alle Ehr und Respekt«, erwiderte der Wirt, »ich bekomme aber noch etwas von Ihnen heraus.« – »Wieviel?« fragte Dilldapp. »Hundert Reichstaler«, sagte der Wirt. »Das ist sehr billig«, sagte Dilldapp; »rechnen Sie mir vor, wie es möglich ist.« Da rechnete der Wirt: »Ich habe Ihnen Ehr und Respekt erwiesen für 50 Taler, 25mal nach Ihrem Namen gefragt, macht 25 Taler, 25mal die Mütze abgezogen macht wieder 25 Taler, weiter ein Hirsebrei, ein Bund Stroh, Stallung für den werten Esel, Haber und Heu, dann Dach und Fach, Schutz und Trutz, Putz und Nutz, Nachtmusik von Katzen und Mäusen, ein Adagio von den Grillen, ein Morgenlied von den Schwalben, mehrere Trompeterstückchen vom Haushahn usw., alles um 50 Taler, macht hundertundfünfzig; da ich Ihnen nun für 50 Taler Ehr und Respekt schuldig war, so erhalte ich noch hundert heraus.« – »Wo heraus?« fragte Dilldapp. »Aus Ihrem Geldbeutel«, sagte der Wirt. »Ich habe keinen Geldbeutel«, sagte Dilldapp. »Ei! was hängt denn da Schweres an dem Nagel?« fragte der Wirt, indem er auf das Schnupftuch voll Gold und Edelsteinen zeigte; »das muß Sie ja bei dem Reisen sehr beschweren, und auch in Ihren Taschen scheint es so schwer; das reißt Ihnen ja Löcher in die Taschen, und da könnte Ihnen alles herausfallen.« – »Da haben Sie recht, Herr Wirt!« sagte Dilldapp, »wollen Sie so gut sein, mir die schweren Steine und Münzen herauszunehmen; Sie können sich die hundert Taler davon abziehen und das übrige wegwerfen.« – »Von Herzen gern«, sagte der Wirt, leerte Schnupftuch und Taschen aus, worüber Dilldapp sehr erfreut war, den Esel bestieg und vergnügt nach seiner Vaterstadt zutrabte.
Als er in die Stadt hineinkam, sah er sich an allen Ecken um nach seiner Schwester Andrienne, die man sonst häufig darauf zu sehen pflegte; aber sie war nirgends zu erblicken. Gewiß, dachte er, ist meine arme Schwester krank oder tot; und mein Traum ist wahr gewesen, dachte er unter Tränen und trabte die enge Gasse zu seiner Mutter hinein.
Den Esel band er an die Türe und trat in die Werkstatt hinein. Die Frau Schlender hatte ihn kaum erblickt, als sie ihn umarmte, und seine beiden jüngsten Schwestern auch; und Dilldapp weinte vor Freuden. Aber auf einmal sagte er: »Frau Mutter! wo ist Andrienne, meine älteste Schwester? Nicht wahr, ich habe recht geträumt? sie ist nicht mehr recht gesund?« – »Ach!« erzählte Frau Schlender, »mit der ists aus, sie ist ganz blaß und abgelebt; wir haben alles mit ihr versucht, um sie wieder auf die Beine zu bringen, aber umsonst; ach! was Andrienne ausgestanden hat, ist nicht zu sagen, sie ist gestürzt und gewendet worden, gesteppt und gefüttert, endlich sind ihr gar Stücke aus dem Rücken geschnitten und an die Ärmel gesetzt worden, dann haben wir ihr die Arme gar abgenommen, haben sie neu färben lassen; aber es wollte nichts mehr fruchten, und sie ist jetzt auf dem Lande; vielleicht erholt sie sich wieder ein wenig dort.« Da weinten sie alle nochmals herzlich zusammen, und Dilldapp sagte: »Mutter! tröstet Euch, ich habe etwas mitgebracht, das wird uns allen helfen; breitet vor allem Eure besten Tisch- und Bettücher auf der Erde aus, ich will Euch gleich meine Schätze darauf ausstreuen.«
Die Mutter tat, was Dilldapp verlangte, und dieser brachte nun seinen Esel herein und stellte ihn in die Mitte der Stube auf die ausgebreiteten Tücher. Die Mutter zankte anfangs sehr über diesen sonderbaren Gast. Aber Dilldapp sagte: »Nur Geduld, nur Geduld! Ihr werdet Sachen von diesem Tiere sehen, wodurch es Euch über alles teuer und wert werden soll.« Nun wendete er sich zu dem Esel und sagte: »Wohlan, Aurekakaure! mache deine Kunststücke; munter, Aurekakaure! scheue dich nicht, Aurekakaure! du bist unter lauter Freunden, Aurekakaure! mach dich ganz bequem, wir sind unter uns, Aurekakaure.« Wer sich aber nicht rührte, war der Esel.
Da lachten ihn die zwei Schwestern aus, und die Mutter meinte, daß er sie zum Besten habe in ihrem Unglück. Nun gab sich Dilldapp alle Mühe, den Aurekakaure zu einem Probestück seiner Eigenschaften zu bringen; der arme Esel hatte aber niemals dergleichen gekonnt. Erzürnt ergriff nun Dilldapp die Elle, womit ihn einst seine Mutter so oft ausgemessen hatte, und prügelte auf den armen Esel los; denn er glaubte, das Tier wolle aus Eigensinn kein Gold und Edelsteine von sich geben, und da er immer auf den Esel prügelnd Aurekakaure schrie, fing das arme Tier in seinen Ängsten an gewaltig zu schreien, alles über den Haufen zu werfen und zuletzt gar die Tücher auf eine häßliche Art zu beschmutzen. »Gold! Gold! Gold!« rief da Dilldapp voll Freude aus. Aber leider war es kein Gold, und seine Mutter, die nun über die Verunreinigung ihrer besten Bettücher und über die Zerstörung ihres Hausrates heftig erzürnt wurde, ergriff den Besen und jagte den armen Dilldapp wieder zum Hause hinaus, wo er hergekommen war, und den Esel hinterdrein.
Dilldapp kam wieder ins Laufen wie das erste Mal und ruhte nicht eher, bis er dem guten Ungeheuer, das eben ein wenig eingeschlummert war, platt wider den Kopf rannte. Das Ungeheuer wußte schon alles, was ihm geschehen war; denn es hatte einen Spiegel, in dem es alles sehen konnte, und nahm ihn, nachdem es ihm tausend Ehrennamen, Tölpel, Schafskopf, Tollpatsch, Dähmel, Dummerjan usw., gegeben hatte, weil er sich von dem Wirte hatte betrügen lassen, wieder in seine Dienste auf.
Nach vier Jahren hatte Dilldapp abermals einen Traum, daß seine zweite Schwester, welche Saloppe hieß, in große Abnahme komme und das Handwerk seiner armen Mutter dadurch sehr leide. Er erzählte dies dem guten Ungeheuer unter häufigen Tränen, welches wieder herzlich mitweinte und ihm erlaubte, nach Hause zu reisen, um die Seinigen zu trösten.
Dilldapp wollte schon abmarschieren, da nahm das gute Ungeheuer eine hübsche Serviette aus seinem Kasten und sagte: »Hier, mein lieber Dilldapp, nimm das Tüchlein mit dir; aber wenn es dir nicht gehen soll wie das erste Mal, so hüte dich, zu dieser Serviette, ehe du bei deiner Mutter bist, zu sagen: Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« – Dilldapp versprach sein Möglichstes, steckte seine Serviette in die Tasche und begab sich auf die Reise.
Als er aber an die Stelle kam, wo er bei seiner ersten Reise das Aurekakaure gesagt hatte, setzte er sich wieder nieder, zog die Serviette hervor, beschaute sie an allen Orten und sprach: »Ich will mich wohl hüten, ich sage nie zu dir: Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« – Kaum aber hatte er diese Worte gesagt, als die Serviette sich von selbst ausbreitete und voller Gold und Edelsteine lag. Er steckte diese Kostbarkeiten mitsamt der Serviette zu sich und kam bald darauf wieder in jenes Wirtshaus.
Der Wirt machte ihm tausend Bücklinge, und so oft Dilldapp von seinem Esel anfangen wollte, ließ ihn der Wirt nicht zu Wort kommen und sprach von seiner großen Ehrlichkeit, und daß in seinem Hause noch nie ein Heller sei gestohlen worden, worüber Dilldapp so treuherzig ward, daß er ihm abermals vor dem Schlafengehen seine Serviette aufzuheben gab und ihn recht herzlich bat, nicht zu ihr zu sagen: »Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« Der Wirt machte tausend Versicherungen, wünschte eine geruhsame Nacht, nahm die Serviette mit auf seine Stube, und das erste, was er tat, war, daß er sagte: »Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« Da sich die Serviette auseinanderbreitete und er sie voll Gold fand, sprang er freudig in die Höhe und lief gleich nach seinem Schrank, um ein ähnliches Tellertuch herauszufinden, welches er dem Dilldapp mit dem seinen vertauschen wollte. Er hatte es kaum gefunden, als er an Dilldapps Kammer pochte und rief:
Der Wind, der weht,
Der Hahn, der kräht,
Die Glock schlägt drei,
Herr Dilldapp, hebt Euch von der Streu!
Da machte sich Dilldapp auf, bezahlte wieder seine Rechnung, wie das vorige Mal, nur daß er statt des Stallgeldes für den Esel dieses Mal Preßgeld für das Tellertuch bezahlen mußte; denn der Wirt behauptete, daß er es die ganze Nacht gepreßt habe, damit es schön glatt sei. Dilldapp dankte tausendmal und machte sich auf den Weg.
Gegen Mittag kam er in die Stadt; er sah sich wieder ringsum, ob ihm seine Schwester Saloppe nicht begegne; aber er sah keine Saloppe auf der Straße, und als er in das Haus der Mutter kam, fand er sie und die jüngste Schwester Kontusche in bittern Tränen. »Ach! Frau Mutter!« rief Dilldapp, »was weinet Ihr?« und fing selbst an, herzlich zu weinen. »Gewiß ist die arme Schwester Saloppe krank?« – »Lieber Dilldapp!« sagte die Mutter, »du hast es erraten; die arme Saloppe hatte, nachdem die gute Andrienne in die weite Welt gegangen war, sehr viel zu tun. Alles wollte nur Kleider nach ihrem Muster, und wir lebten nur von Saloppe. Endlich nahm das auch ein Ende; sie kam immer mehr in der Stadt in Abnahme und mußte jetzt auch auf das Land, wo sie ihr Leben bei den Pfarrersfrauen und Amtmannsfrauen noch vielleicht eine Zeitlang hinbringt; eben ist sie mit dem Kondukteur vom Postwagen abgereist, der sie bei der Frau eines Wagenmeisters unterbringen will. Das tut weh, so herabzukommen, da sie noch vor einem halben Jahre mit der Oberpostmeisterin öffentlich spazieren ging; nun bin ich und deine Schwester Kontusche allein; sie ist klein und kurz und noch nicht so recht in der Mode, wie sollen wir nun leben?«
»Dafür ist gesorgt«, sagte Dilldapp und zog sein Tellertüchlein aus dem Busen und legte es auf den Tisch. »Nun, Mutter! gebet acht«, sagte er; »Tüchlein! Tüchlein! tu dich auf! Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« und nochmals schrie er heftig das nämliche, riß endlich das Tellertuch auseinander, fand es aber leer und nichts darin als ein Loch und einen Fettfleck. Da fing er heftig an zu weinen und zu klagen und erzählte der Mutter, wie er gewiß wieder von dem Wirte sei betrogen worden, der ihn schon um den Esel betrogen habe. Frau Schlender aber wollte nichts hören und griff nach der Elle. Da wußte Dilldapp, wie viel es geschlagen habe, nahm die Beine auf die Schultern und lief und lief wieder bis zu seinem guten Ungeheuer hin. Als dieses ihn so von ferne heranschleichen sah, wie einen Hund, der sich vor Prügeln fürchtet, weil er etwas angestellt hat, merkte er gleich, daß es nicht richtig mit ihm war, und rief ihm zu: »Komm nur her, du erbärmlicher Patron! Ich weiß nicht, was mich noch abhält, dir so viel Maulschellen zu geben, daß dein Kopf leuchtet wie eine Laterne, du Plappermaul! du Gänseschnabel! du Entenpürzel! du Schnatterbüchse! du Klappermühle! du große Glocke! du Ausrufer! du Stadt- und Landtrompeter! du Knarre! du Schnarre! Warum hast du dein unvernünftiges Maul nicht halten können? Warum hast du im Wirtshause nicht geschwiegen? So hast du dummer Glockenklöppel gleich dein Geheimnis ausläuten müssen und dich und deine arme Mutter um dein Glück geschwatzt.«
Dilldapp nickte bei jeder Beschuldigung des Ungeheuers und sagte immer: »Ja, ja, Ihr habt ganz recht, ja, so gehts in der Welt; ja, dacht ichs doch gleich«, und so weiter, daß endlich das gute Ungeheuer über den Tölpel lachen mußte und ihn wieder in seine Dienste nahm.
Drei Jahre gingen abermals herum, da träumte es dem Dilldapp wieder, seine jüngste Schwester Kontusche komme in Verfall und die gute Mutter werde in ihrem Alter ganz allein sein. Den Morgen nach diesem Traume fand ihn das Ungeheuer in bittern Tränen, und da es ihn fragte, sagte Dilldapp: »Soll mich das nicht jammern? Heute nacht ist es mir deutlich vorgekommen, als sei meine arme Mutter ganz allein; auch meine Schwester Kontusche hat sie nun verlassen müssen; nun wird die gute Frau Schlender keinen Menschen in ihren alten Tagen haben, der ihr die Augen zudrückt. Hu hu hu« – weinte er fort, und das gute Ungeheuer weinte mit.
Als sie sich ein wenig verschluchzt hatten, sprach das Ungeheuer: »Wohlan, Dilldapp! ich will es noch einmal mit dir versuchen, deine große Liebe zu deiner Mutter gefällt mir; reise und werde glücklich. Hier hast du von mir einen schön geschnitzten Knüppel zum Angedenken, trage ihn dein Leben lang; aber bedenke meine Worte! Sage nie: ›Knüppel auf!‹ oder ›Knüppel ab!‹ zu ihm, sonst will ich dein Unglück nicht mit dir teilen.« – »Laßt mich nur machen«, erwiderte Dilldapp klug lächelnd, »ich bin kein Kind mehr; auch brauchts keinen Nürnberger Trichter mehr, mir etwas in den Kopf zu bringen; ich weiß, wo Bartel Most holt, und wo der Has im Pfeffer liegt; es ist noch nicht aller Tage Abend, usw.« Das Ungeheuer aber sagte: »Schwätze nicht, handle; die Worte sind Weiber, die Taten Männer. Wenn der Rabe schwätzt, fällt ihm der Käs aus dem Schnabel und der Fuchs frißt ihn; wenn die Katze mausen will, muß sie nicht miauzen« – und solche Sprüchwörter mehr sagte das Ungeheuer; aber Dilldapp wartete sie nicht alle ab und lief wie gewöhnlich seines Wegs.
Als er aber an die Stelle kam, wo er schon zweimal gegen das Gebot gehandelt hatte, juckte ihn die Haut, und er sagte: »Alle gute Dinge sind drei, ich muß hier den Knüppel probieren, damit ich weiß, wie ich ihn vor dem Wirt sichern soll«, und sogleich sagte er: »Knüppel auf!« – Aber wohl bekomms, Herr Dilldapp! Der Knüppel prügelte den Dilldapp ganz gewaltig aus, es flog ihm um die Schultern herum, und gegen seinen dicken Kopf, als wenn es Prügel regnete, bis er endlich in seiner Herzensangst so klug war, »Knüppel ab« zu sagen, auf welches Wort der Knüppel wieder ruhig zu seinen Füßen fiel.
Dilldapp hatte eine auserlesene Tracht Prügel erhalten, an der er schwerer zu tragen hatte als an dem Knüppel selbst; aber viel klüger war er nicht geworden; denn er dachte schon hin und her, wie er seinen Knüppel dem Wirt sicher zu bewahren geben sollte, damit diesem ja kein Schaden dadurch geschehe.
Unter diesen Gedanken kam er in das Wirtshaus, und der Wirt war so untertänig, daß er beide Flügel des Tores für ihn aufmachte. Er schätzte sich glücklich, den schätzbaren Herrn Dilldapp wieder unter seinem Dache zu haben, und war so voller Geschwätzigkeit, daß Dilldapp gar nicht zu Wort kommen konnte; denn er hörte gar nicht auf, die Sicherheit und Ehrlichkeit seines Hauses zu preisen, und als einen Beweis zeigte er ihm einen Schuhnagel und einen bleiernen Knopf, die vor Jahr und Tag ein durchreisender ungarischer Edelmann hier verloren habe und die noch stets aufbewahrt würden, bis er sie wiederverlangte. Dilldapp sperrte Maul und Ohren auf über die Redlichkeit und sagte: »Es ist recht brav, daß Sie die Sachen aufbewahren, da kann man sie doch wieder haben; seien Sie so gut und bewahren Sie mir bis morgen früh diesen Knüppel, aber ich beschwöre Sie, sagen Sie nicht zu ihm: ›Knüppel auf!‹ denn das könnte Sie in Versuchung führen, diesen Knüppel länger bei sich zu behalten als nötig.« – »Mein Herr!« sagte der Wirt, »Sie kennen mich schlecht, wenn Sie glauben, ich hätte nichts Besseres zu tun als mich mit Knüppeln zu unterhalten; essen Sie und legen Sie sich ruhig zu Bett; morgen früh um drei Uhr wecke ich Sie und mache Ihnen die Rechnung.«
Dilldapp aß und trank. Aber, welche Freude! als er in die Küche sah, erblickte er seine Schwester Kontusche bei der Frau Wirtin. Er bat sie sogleich zu sich zu Tisch und ließ auftragen, was das Haus vermochte. Nach Tisch erzählte sie ihm, daß auch sie, nachdem Saloppe auf das Land gemußt habe, nicht mehr lange in der Stadt geachtet worden sei, und daß dort jetzt lauter tolle ausländische neue Moden seien; die Mutter habe müssen in ein Hospital gehen, und so sei sie hier in das Wirtshaus geraten.
»Wer Kuckuck hat euch denn nur so außer Nahrung gebracht?« sagte Dilldapp. »Wer anders«, erwiderte Kontusche, »als die fatalen Franzosen, die bei uns regieren, und welche eigentlich uns selbst vor langen Jahren dahin gebracht haben; weil sie aber alle Augenblicke was Neues wollen, haben sie jetzt andere Personen in Schwung gebracht. Da wirst du bei uns jetzt eine Mademoiselle Chemisegrec, eine Mamselle Tunika, eine Mademoiselle Pelerine, Amazone, Hortense u. dgl. sehen.« – »Die soll der Kuckuck holen«, sagte Dilldapp; »warte nur, das soll anders werden, sobald ich hinkomme.« So sprachen sie und gingen dann zu Bett.
Als alles ruhig war im Hause, schloß sich der neugierige Wirt ein, um nicht gestört zu werden; denn er fürchtete, Dilldapp möge ihm nicht trauen. Er machte Fenster und Läden zu und betrachtete den Knüppel von allen Seiten, und endlich sagte er: »Knüppel auf! Knüppel auf!« Da begann ihn der Knüppel so schrecklich und ununterbrochen um den Kopf und die Schultern zu prügeln, daß er in ein mörderliches Geschrei ausbrach. Den Schlüssel konnte er nicht gleich finden, er trat die Türe auf und rannte wie unsinnig nach der Stube Dilldapps, und der Prügel klopfte immerzu. »Ach, Herr Dilldapp! bester Herr Dilldapp!« schrie er, »befreien Sie mich von dem Knüppel!« Da rief Dilldapp: »Lassen Sie mich schlafen, ich bin müde.«
Aber der Wirt schrie immerfort, und das ganze Haus lief zusammen und bat für ihn. Da sagte Dilldapp: »Führen Sie mir vorerst meinen Esel Aurekakaure mit Sattel und Zeug vor die Türe.« Der Wirt, immer geprügelt, flog nach dem Stall und brachte den Esel und flehte wieder. Da sagte Dilldapp: »Jetzt bringen Sie mir auch mein Tüchlein Tu dich auf.« O wie geschwind war der Wirt mit dem Tüchlein da und flehte wieder. Da sagte Dilldapp: »Nun machen Sie mir wieder meine Rechnung!« – »Ach! nichts, gar nichts sind Sie mir schuldig«, schrie der Wirt; »nur den Knüppel nehmen Sie mit, nur den Knüppel!« Nun stieg Dilldapp auf den Aurekakaure, nahm seine Schwester vor sich und steckte das Tellertuch ein und sagte: »Knüppel ab!« Da flog ihm der Knüppel in die Hand, mit welchem er den Herrn Wirt grüßte und abritt.
Als Dilldapp mit seiner Schwester so fortritt, sprachen sie beide von ihren Schwestern, der Saloppe und der guten Andrienne, und wünschten sehr, daß sie auch bei ihnen sein möchten. Sie ritten aber keine halbe Stunde, da begegneten sie einem Karren voll Komödianten und Komödiantinnen, und mitten unter ihnen saßen Andrienne und Saloppe. Da sprach Dilldapp mit dem Schauspielherrn und wollte seine zwei Schwestern von ihm loskaufen. Derselbe aber wollte sie auf keine Weise hergeben. Dilldapp aber rief nur: »Knüppel auf!« Da wurde der unbillige Schauspielherr von dem Knüppel so applaudiert, daß er Andrienne und Saloppe gern losließ, und da sagte Dilldapp: »Knüppel ab!« und ließ ihn weiterfahren. Seine zwei Schwestern aber setzte er auf seinen Esel, stieg ab und führte das Tier. »Nun«, sagte er, »müssen wir daran denken, euch andere Namen und ein anderes Aussehen zu geben, damit ihr in der Stadt wieder in Aufnahme kommt.« Er machte daher unter einer alten Eiche halt, ließ die Schwestern ins Gras sitzen und nahm sein Tüchlein heraus und sagte:
Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf
Schick mir vier teutsche Röcklein herauf.
Da wurde das Tüchlein so dick wie ein Schneiderpack und faltete sich auseinander, und vier schöne ehrbare, züchtige Röcklein lagen drin und Schleier und Hauben und Kränzchen. Auf dem einen stand geschrieben: Fräulein Thusnelda, auf dem andern: Jungfer Siegelinde, auf dem dritten: Jungfer Else, auf dem letzten: Frau Uta. Diese Kleider legten seine Schwestern an, und Andrienne nannte sich Else, Saloppe Thusnelda und Kontusche Siegelinde. Man kannte sie nicht mehr, so waren sie verändert.
Sie saßen wieder auf dem Aurekakaure und ritten gegen die Stadt. Da stand eine französische Schildwache und rief: »Qui vit?« Aber Dilldapp antwortete: »Wir sind keine Kibitzen, wir sind Deutsche«, und somit schrie er:
Knüppel auf, Knüppel auf.
Bring mir die Franzosen in Lauf,
Prügel die Mamsellen und Madamen
Wieder hin, woher sie kamen.
Da entstand ein gewaltiger Spektakel in der Stadt. Der Knüppel prügelte alles, was französisch war, hinaus, und da Dilldapp auf dem Turm ein deutsches Danklied blasen hörte, rief er: »Knüppel ab!« Da war der Knüppel gleich wieder bei ihm, und er zog unter großen Festivitäten ein, holte seine Mutter, Frau Schlender, aus dem Hospital, zog ihr das Frau-Uten-Kleid an, und sie nannte sich nachher Frau Uta. Dann nahmen sie ihre Werkstatt wieder ein. Fräulein Thusnelde, Jungfer Siegelinde und Fräulein Else schneiderten drauf los, und alles kleidete sich nach ihrem Muster. Aber bald ward Hochzeit. Junker Hermann heiratete Thusnelde, Herr Siegfried Siegelinden und Herr Dietrich die Else; Frau Uta aber den alten Herrn Hildebrand. Der machte ein Hochzeitslied, gar wohl gereimt. Darin hieß es:
Ich, Herr Hildebrand,
Stell den Spieß an die Mauer.
Schier hätte er gesagt: Wand.
Dilldapp aber nahm den Namen »deutscher Michel« an und ließ den Aurekakaure so viel Geld und Gold hervorbringen, daß alles in Lust und Ehren lebte. Über seiner Haustüre aber stand geschrieben:
Kinder und Toren
Haben das Glück bei den Ohren.