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In ihrem allgemeinen Körperbau sehr übereinstimmend, desto mehr aber in ihrer Lebensweise verschieden, bilden die überaus zahlreichen Arten, unter denen Bienen, Ameisen, Wespen und Hummeln dem Namen nach allgemein bekannte Kerfe sind, die größte aller Ordnungen. Wir würden ihnen den obersten Platz angewiesen haben, wenn wir dadurch die bisher einmal übliche Anordnung nicht zu sehr gestört hätten. In Hinsicht auf die Vielgestaltigkeit ihrer überaus eigentümlichen Lebensbeziehungen, die dem sinnigen Beobachter der lebenden Natur unerschöpflichen Stoff zu erhebenden Betrachtungen und ernstem Nachdenken bieten, und in Anbetracht der geistigen Befähigung, die sie bei ihren Kunsttrieben an den Tag legen, gebührt ihnen entschieden der Vorrang.
Die Immen haben durchweg ein hartes Hautskelett, einen in seinen drei Ringen vollkommen verwachsenen Brustkasten, beißende Mundteile mit entschieden vorwiegender Zungenbildung, vier gleichartige, von wenigen Adern durchzogene, scheinbar nackte Flügel, deren vordere länger und breiter als die hinteren sind, und entstehen durch vollkommene Verwandlung. Manchen fehlen die Flügel ganz, bei andern tragen sie im Verlaufe des Geäders einen so bestimmten Charakter, daß sich leicht kenntliche Unterscheidungsmerkmale von ihnen entlehnen lassen.
Im vollkommenen Zustande leben die Hautflügler beinahe ausnahmslos von Süßigkeiten, die sie mit der Zunge auflecken, weshalb dieselbe auch bei allen vorherrschend entwickelt ist, nirgends aber auf Kosten eines andern Teils, der die Mundteile als beißende charakterisiert. Wir können ihren Bau hier mit Stillschweigen übergehen, weil er bereits früher durch Bild und Wort erläutert worden ist und weil er bei Erkennung der einzelnen Arten eine nur untergeordnete Rolle spielt. Die Süßigkeiten entnehmen sie den Blumen und – den Blattläusen. Es ist ja bekannt, wie diese zarten, nur Pflanzensäfte saugenden Tierchen, die sich in der Regel in größeren Gesellschaften beieinander finden, entweder durch seitliche Röhrchen am Ende ihres Leibes, oder und hauptsächlich in ihren Auswürfen einen süßlichen Saft absondern, manchmal in solchen Mengen, daß er die Blätter förmlich lackiert. Diesen suchen andere Kerbtiere, vor allen Fliegen und die in Rede stehenden, begierig als fast einziges Nahrungsmittel auf. Der Sammler weiß aus Erfahrung, daß er nirgends reichere Beute einheimsen kann, als da, wo glänzende, öfter schwärzliche Flecke auf den Blättern der Gebüsche schon aus einiger Entfernung die Anwesenheit zahlreicher Blattlausniederlassungen verraten. Im Frühling des ewig denkwürdigen Jahres 1866 streifte ich durch einen Weidenhäger, wo die gemeinen Honigbienen in so auffallender Menge summten, daß man in nächster Nähe einen Bienenstand hätte vermuten sollen. Im ersten Augenblick dachte ich an die Blüten der Sträucher, die ja zu den frühesten und reichsten Honigquellen dieser Tierchen gehören, allein bei näherer Betrachtung fanden sich die Kätzchen außerordentlich sparsam und die Bienen nicht da, wo sie diese hätten suchen müssen. Sie umschwirrten vielmehr von unten bis oben die blattlosen Weidenstämmchen. Tausende und aber Tausende von grauen Blattläusen bedeckten diese. Meine Kleider hatten mit ihnen bereits Bekanntschaft gemacht, sie waren über und über mit ihnen bedeckt und von ihnen besudelt, weil man infolge des dichten Gebüsches keinen Schritt vorwärts tun konnte, ohne jene abzustreifen. Wenn somit selbst die vornehmste der Bienen die Blattlausfabrikate nicht verschmäht, wie sollten es die übrigen Honigsammler tun? Von allen andern, die keinen Honig eintragen, verbürge ich diese Liebhaberei nach meinen langjährigen Erfahrungen.
So gleichmäßig sich die vollkommenen Kerfe ernähren, so verschiedenartig ihre Larven. Gewisse unter ihnen haben zahlreiche Beine (bis zweiundzwanzig), in der Regel bunte Farben, und sitzen an den Blättern, die sie verzehren. Aus ihnen entstehen die sogenannten Blattwespen, deren Verwandte, die Holzwespen, als wurmartige Larven bohrend im Holze leben. Beide verraten im Bau ihres Körpers und hinsichtlich einer gewissen Selbständigkeit im Wesen einen höheren Entwicklungsgrad als alle übrigen Larven der Immen, die wegen ihrer Fußlosigkeit mit vollem Rechte den Namen der Maden verdienen. Jede besteht aus einem hornigen Kopf und zwölf Ringen ihres nahezu walzigen Körpers. Zwischen jenem und dem vordersten dieser schiebt sich wohl auch ein dreizehnter als Hals ein, in dem sich der Kopf teilweise zurückzieht, wenn die Larve ruht. An letzterem unterscheidet man hornige Kinnbacken, Tasterwärzchen und Spinnöffnungen, aber keine Augen und höchstens schwache Andeutungen von Fühlern. Die einen dieser Maden leben in Pflanzen, aber nicht in gewöhnlicher Weise bohrend oder zwischen Blättern minierend, sondern in eigentümlichen Auswüchsen, die durch den Stich der Eier legenden Weibchen veranlaßt werden und als Gallen allgemein bekannt sind. Man gab darum den aus ihnen hervorgehenden Kerfen den Namen Gallwespen. Die andern bewohnen einzeln oder gesellig Nester, die ihnen bereitet und gleichzeitig mit Nahrung versorgt wurden. Die Blumenwespen tragen hierzu Honig und Blütenstaub ein, die Raubwespen andere Insekten. Endlich lebt eine große Menge dieser Maden schmarotzend in den Leibern anderer Kerbtiere, und die ihnen angehörenden Schlupfwespen, Zehrwespen spielen eine wichtige Rolle im Haushalte der Natur. Sie wurden als Wächter Das ist natürlich nur eine allegorische Ausdrucksweise. Die Natur ist kein Polizeistaat. Objektiv liegt nur ein parasitäres Verhältnis der Wespen zu ihren Wirtsinsekten vor. An sich sind die Zehrwespen von ihnen noch viel abhängiger als diese von ihnen. Hrsgbr. gesetzt zur Erhaltung des Gleichgewichts; dadurch, daß jede ihr Leben erhält durch den Tod eines andern, vorzugsweise pflanzenfressenden Insekts, wird deren Vermehrung in Schranken gehalten. Überschreitet diese einmal ihre Grenzen durch das Zusammentreffen mehrerer günstigen Umstände, gleich sind die Schlupfwespen da, sie finden ihre Wohntiere zahlreicher als gewöhnlich, können sich also stärker vermehren und führen jene gar bald auf ihr gewöhnliches Maß zurück. In der Regel leben die größeren Zehrwespen nur einzeln in einem Wirte, die kleineren nicht selten in Familien zu Hunderten, und man wird sich einen Begriff machen können von der Winzigkeit vieler, wenn man erfährt, daß die kleinen Blattläuse von Schmarotzern heimgesucht werden, ja, daß Insekteneier, noch kleiner als diese, wieder andern Schmarotzern das Leben geben.
Die Weibchen der meisten Arten stechen Larven an, um sie mit einem oder mehreren Eiern zu beschenken, und die diesen Eiern entschlüpfenden Maden leben verborgen im Leibe des Wohntieres; manche sitzen aber auch äußerlich an demselben. Die Gattungen Pteromalus, Bracon, Spathius, Tryphon, Phygadeuon, Cryptus, Pimpla und andere, die wir später kennenlernen werden, enthalten Arten, die sich gewisse Afterraupen von Blattwespen, Raupen einiger Wickler und Eulen unter den Schmetterlingen und von Käferlarven solche vorzugsweise auszusuchen scheinen, die hinter Baumrinde oder im Holze wohnen, um als Larven ein äußerliches Schmarotzerleben an ihnen zu führen. Auch in anderer Beziehung, als der eben berührten, gestaltet sich das Verhältnis des Wirtes zum Einmieter je nach der Art verschieden. Hier bohren sich, und dies gilt besonders von den geselligen Schmarotzern, die reifen Larven aus der Raupe, um sich an ihrer Haut zu verpuppen, denn nichts weiter ist jetzt von der sterbenden mehr übrig; dort fertigt die Raupe gleich einer gesunden das Gehäuse, und man erwartet später ihre Puppe in demselben. Wie oft aber täuschte sich schon der Schmetterlingssammler, der auf einen schönen Falter hoffte! Er findet statt der rechtmäßigen Puppe einen schwarzen, länglichen Kokon und weiß aus Erfahrung, daß er von einer erwachsenen Schlupfwespenmade fest und dauerhaft, wie von Pergament, angefertigt worden ist. In einem dritten Falle hat die Raupe, die nicht spinnt, noch Kraft genug, um zu einer anscheinend gesunden Puppe zu werden. Doch wehe! Mit der Zeit verliert diese ihre Beweglichkeit, sie hat nicht mehr das Gewicht, das ihr von Rechts wegen zukommt: beides sichere Anzeichen, daß hier abermals Betrug und Täuschung im Spiele sind. Eines schönen Morgens liegt sie da mit durchbohrtem Scheitel, dieser als abgenagtes Deckelchen daneben, und lustig spaziert eine stattliche Schlupfwespe, vielleicht ein zierliches Ichneumon, im Zwinger umher. Wer sich mit dem überaus interessanten Studium der Gallwespen beschäftigt und fleißig ihre Erzeugnisse eingesammelt hat, ein schlechterdings unerläßliches Verfahren, um diese Tierchen kennen und unterscheiden zu lernen, weiß nur zu gut, daß er häufig nicht ein Stück davon zu sehen bekommt, dagegen aber die wunderbarsten Gestalten von allerlei Zehrwespen, zwei, wohl drei Arten aus einer Galle und unter Umständen, wenn er deren mehrere einsammelte, auch den rechtmäßigen Bewohner dazu. Solche und ähnliche Erfahrungen werden von denen gesammelt, die das Treiben der Natur unter Verhältnissen belauschen, welche die Beobachtung erleichtern, andere müssen draußen im Freien angestellt werden. Da kann man z. B. auch sehen, wie ein Schlupfwespchen bei seinen Streifzügen sich einstellt bei einer eben erst vollendeten, noch ganz weichen Falterpuppe, die sich an einem Baumstamm aufhing. Es spaziert mit sichtlichem Behagen auf der sich windenden Puppe umher, tastet mit seinen ewig beweglichen Fühlern und – jetzt sitzt sein Bohrer in der weichen Haut, senkt sich tiefer und tiefer, und die Eier gleiten hindurch, was sich freilich nicht sehen, aber stark vermuten läßt; denn seiner Zeit kommt kein Schmetterling aus der Puppe zum Vorschein, sondern eine Schar genau solcher Schlupfwespchen, deren eines damals seine Künste zeigte. In einzelnen Fällen, die als Ausnahmen von der Regel zu betrachten sind, hat man Larven von Schmarotzern oder diese selbst aus bereits vollkommen entwickelten Kerfen herauskommen sehen. Hier mag der fertige Kerf von der Schlupfwespe angestochen worden sein, oder aber der Wirt den Schmarotzer in seiner Entwicklung überholt, die schädlichen Einwirkungen desselben überwunden haben, so daß beide nebeneinander zur Vollendung gelangt sind.
Nicht genug, daß ein Insekt in einem andern auf dessen Kosten lebt, das unfreiwillige Verhältnis zwischen Wirt und Einmieter setzt sich noch weiter fort, diese letzteren müssen sich gefallen lassen, wieder andern als Wirte zu dienen, d. h. mit andern Worten, es gibt Schmarotzer in Schmarotzern, ein Umstand, der eben nicht dazu beiträgt, die so höchst interessanten Lebensverhältnisse dieser Tierchen, die noch in großes Dunkel gehüllt sind, dem forschenden Blick des Beobachters klarzulegen.
Wunderbar und rätselhaft bleibt in der Lebensweise der Schlupfwespe das die Weibchen beim Ablegen der Eier leitende Spürvermögen. Woher weiß das später kommende, daß dem Innern eines Wirtes bereits ein Ei anvertraut ist, der eine zweite Larve nicht würde ernähren können, ihm also keinen Brutplatz darbietet? Für uns Menschen ist nur in wenigen Fällen ein äußeres Merkmal gegeben, ob eine Larve angestochen ist. Einige schwarze oder mißfarbige Fleckchen an Schmetterlingsraupen verraten den Keim des Todes, der nach solchen Anzeigen aber weniger von einer Schlupfwespe, als durch schmarotzende Fliegen gelegt wurde, von denen einige Familien jenen Zerstörungen »aus Beruf« treuen Beistand leisten. Solche und ähnliche Fragen werden sich dem denkenden Beobachter aufdrängen, der sie nur durch Vermutungen zu beantworten vermag.
Nachdem wir wenigstens dem Begriffe nach Blatt-, Holz-, Gall-, Schlupf-, Raub- und Blumenwespen kennengelernt haben, müssen wir noch einen flüchtigen Blick auf den Körperbau dieser Geschöpfe werfen, um sie mit Sicherheit von andern und unter sich unterscheiden zu können. Der Kopf sitzt frei vor dem Brustkasten, als wenn er durch einen Zapfen an ihn gefügt wäre, erscheint, von oben gesehen, fast immer breiter als lang, er ist ein »Querkopf« im wahren Sinne des Wortes, bei nur wenigen kugelig, halbkugelig oder wie ein Würfel geformt. Auf seinem Scheitel bemerkt man ziemlich ausnahmslos drei Nebenaugen, die wie Perlchen erglänzen, die zu einem Diadem gefaßt worden sind. Die Fühler verlaufen meist gleichmäßig in ihren Gliedern und erscheinen faden- oder borstenförmig, selten verdicken sie sich nach vorn zu einer Keule, sind gerade oder gebrochen. Der Länge nach werden sie nie übermäßig groß, noch verschwindend klein im Verhältnis zu der des Körpers. Weil sie vorn an der Stirn, und zwar meist beieinander eingefügt sind, richten sie sich auch stets nach vorn, niemals nach hinten. Der Brustkasten, in seinen Umrissen vorherrschend eiförmig, jedoch auch walzig, erscheint in der Regel nach oben etwas buckelig und läßt durch Nähte seine Dreiteilung erkennen. Der vorderste Ring ist im geraden Gegensatze zu dem der Käfer am wenigsten entwickelt, kommt unter dem Namen des » Halskragens« auf der Rückenseite nur wenig zur Geltung und an der Brust nur so weit, als er dem vordersten Paare der Beine den nötigen Raum zur Anheftung gewähren muß. Der Mittelbrustring bildet den größten Rückenteil und gleichzeitig den Buckel, und zerlegt sich sehr häufig durch zwei nach hinten genäherte Längseindrücke in drei Partien, die sogenannten Lappen, dessen mittelster im Schildchen endet. Der kleinere dritte Brustring endlich bietet in seiner glatten oder durch Leisten mannigfach in Felder geteilten Oberfläche und in seinem vorderen, oberen und abschüssigen hinteren Teile für zahlreiche Immen wichtige Erkennungs- und Unterscheidungsmerkmale. Daß die neuesten Forschungen bei allen Immen, außer bei den Holz- und Blattwespen, einen vierten Brustring nachgewiesen haben, der in gleicher Weise durch eine feste Naht mit dem dritten verbunden ist, wie dieser mit dem Mittelrücken, will ich hier nur erwähnen und dabei bemerken, daß diese Entdeckung für die naturgemäße Anordnung von größerer Bedeutung sein wird, als die Berücksichtigung von einem oder zwei Schenkelringen.
Nirgends übt die Anheftungsweise des Hinterleibes einen so wesentlichen Einfluß auf die Körpertracht eines Kerbtieres aus, wie hier, indem alle Formen, angewachsene, sitzende, anhängende und gestielte, wie sie oben besprochen wurden, anzutreffen sind. Sechs bis neun Ringe setzen ihn zusammen, welche Anzahl in gewissen Fällen bis auf drei herabsinken kann. Das höchste Interesse nimmt aber die wunderbare Einrichtung des an ihm befindlichen Werkzeuges in Anspruch, womit die Weibchen ihre Eier legen. Fast ausnahmslos besteht es in einem hornigen Stachel, den drei oder vier Teile zusammensetzen und zwei seitliche Scheiden als Futteral einschließen. Der Stachel zerfällt in eine obere, oft rinnenförmige Hälfte, den Eileiter, und in eine untere, kleinere Hälfte, die sogenannten Gräten, die eng aneinander liegen und durch Falze an die Oberhälfte anschließen. Der Eileiter kann sich vollständig oder teilweise in zwei häutig verbundene und dadurch der Erweiterung fähige Stücke auflösen. Durch diese Einrichtung wird eine Verschiebung der Gräten gegen den Eileiter nach oben und unten möglich, wo es nötig ist, feste Körper zu durchdringen. Die Gräten stellen Pfriemen, Messer, Bohrer, Säge, mit einem Worte das Schneidewerkzeug dar, mit dem die Insekten diejenigen Körper zu durchdringen haben, die zwischen ihnen und der Stelle im Wege sind, die das Ei einnehmen soll. Bei vielen Schlupfwespen, den Raub- und Blumenwespen ist der Stachel im Bauche verborgen, kurz und schärfer gespitzt als die feinste Nähnadel, und selbstverständlich auch geeignet, einen empfindlichen Stich demjenigen in die Finger zu versetzen, der sich erkühnt, einem dieser Tierchen die gewohnte Freiheit rauben zu wollen. Es findet aber noch ein Unterschied hierbei statt. Der Stich einer Schlupfwespe schmerzt nur wie der einer Nadel, und die Empfindung hält nicht lange an; wem dagegen eine Raub- oder Blumenwespe ihren Dolch in das Fleisch bohrt, der empfindet ein nachhaltiges Brennen, die Stelle rötet sich und schwillt mehr oder weniger an, weil das Insekt nicht bloß stach, sondern gleichzeitig Gift in die Wunde ausfließen ließ. Diese Flüssigkeit (Ameisensäure) Die Hauptgiftwirkung des Wespengiftes ist mich neueren Untersuchungen jedoch nicht der Ameisensäure, sondern den ihr beigegebenen Eiweißgiften zuzuschreiben. Hrsgbr. sammelt sich in einer Blase am Grunde des Stachels an, beim Stechen wird dieselbe gedrückt und läßt ein Tröpflein durch jenen fließen, dem bei nicht feindlicher Gesinnung ein Ei entgleitet. Dieser Giftstachel, deren Träger man auch unter dem Namen der » Akuleaten« zusammengefaßt hat, ist den Raubwespen unentbehrlich, um die Kerfe zu lähmen, die sie für ihre Brut zusammentragen, wie bereits erzählt wurde; bei den Blumenwespen hingegen, die ja nur Honigseim verfüttern, dient er als Verteidigungswaffe, wird zum » Wehrstachel«. Da das in Rede stehende Werkzeug zum Ablegen der Eier bei den übrigen Hautflüglern weder Giftstachel ist, wie bei den genannten, noch in der äußeren Form demselben entspricht, wie bei gewissen Schlupfwespen, sondern häufig als kürzere oder längere Schwanzborste aus dem Hinterleibe heraustritt, so hat man es im Gegensatz zu dem Stachel ( aculeus) Legröhre, Legbohrer ( terebra) genannt und seine Inhaber unter dem Namen der Hymenoptera terebrantia vereinigt. Bei den weiblichen Blattwespen wird er am Bauche sichtbar, wenn er auch nicht zur Körperverlängerung des Tieres beiträgt, hat die Form einer Messerklinge, aber infolge der gezahnten Gräten vollkommen die Wirkung und das Aussehen einer Säge. Den Holzwespen ragt er stabförmig über die Hinterleibsspitze hinaus und läßt sich am besten mit einer Raspel vergleichen. Bei sehr vielen Schlupfwespen steht er als kürzere oder längere Borste, die, einen spitzen Winkel mit dem Hinterleibe bildend, nach vorn bewegt werden kann, über diesen hinaus, um so länger, je tiefer im Holze das Weibchen die Larven derjenigen Kerfe zu suchen hat, denen es seine Nachkommen anzuvertrauen gedenkt. Besonders solche lange Bohrer erscheinen nach dem Tode des Tieres als drei fadenförmige Schwanzborsten, die mittelste steifer – der hornige Bohrer –, die seitlichen gedreht und unregelmäßig gekrümmt, weil sie die weichere Scheide ausmachen, die durch das Eintrocknen ihre straffe Haltung nicht länger zu behaupten vermochte. Bei kleineren Schlupfwespen, vielen Gallwespen erreicht der Bohrer, ohne in der Ruhelage aus dem Körper hervorzutreten, eine unverhältnismäßige Länge, weniger darum, weil diese Tierchen ihn beim Eierlegen so tief zu versenken hätten, als vielmehr, um durch seine Federkraft den Nachdruck zu verstärken, den ihm die schwache Muskelkraft der kleinen Wesen beim Einbohren nicht würde verleihen können. Zu diesem Zwecke legt er sich schleifenförmig an die Innenwände der Hinterleibshöhle, und der Mechanismus ist so eingerichtet, daß der Bohrer wie eine ein oder einigemal gewundene Stahlfeder eines Uhrwerkes federt. Ja, es kommen Fälle vor, wo sich der Hinterleib, weil sein Umfang hierzu nicht ausreicht, in ganz eigentümlicher Weise erweitert, z. B, an der Bauchseite durch eine kegelförmige Anschwellung bis zur Mittelbrust, oder auf der Rückenseite vom Stiele an durch ein bis zum Kopfe vordringendes rundes Horn (bei Platygaster Boscii), und so den nötigen Raum für den wunderbaren Mechanismus darbietet.
Von den Beinen, deren vorderstes Paar weit von den beiden Hinteren, einander sehr genäherten, absteht, sei nur bemerkt, daß bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen zweigliedrige Schenkelringe vorhanden sind, und zwar ist das Grundglied am längsten; eingliedrig bleiben dieselben bei den Raub- und Blumen Wespen. In einer schwierigen Familie (Proctotrupier), die wir den Schlupfwespen anschließen werden, kommen Arten mit ein- und zweigliedrigem Schenkelringe vor und liefern hierdurch sowie durch ihre schmarotzende oder den Raubwespen gleichkommende Lebensart den Beweis, wenn ein solcher überhaupt nötig wäre, daß es überall Übergangsgruppen gibt, die dem bloß ordnenden Systematiker so häufig im Wege stehen. Fünf Glieder bilden in den meisten Fällen den Fuß.
Die Flügel, das wesentliche Bewegungsorgan dieses ewig unruhigen, luftigen Gesindels, bestehen alle vier aus einer dünnen, dem bloßen Auge meist nackt erscheinenden, unter dem Mikroskope aber kurz behaarten Haut, die wasserhell, in den meisten Fällen jedoch etwas getrübt, wie angeräuchert aussieht; nicht selten zieht ihre Farbe in Gelb, oder die Außenränder sind geschwärzt, auch bindenartige Trübung durch die Fläche kommt öfters vor. Weniger bei unsern einheimischen Immen, dagegen nicht selten bei den vielen, weit stattlicheren ausländischen Arten nimmt der ganze Flügel oder ein Teil desselben eine schwarze, blaue, violette, braune, rote oder gelbe Färbung an und trägt dadurch nicht wenig zur Ausschmückung des schönen Körpers bei. Die Haut wird im Verhältnis zu den Flügeln der sonst nahe verwandten Netzflügler von nur wenigen Adern oder Nerven durchzogen und gestützt, die durch ihre Einmündungen ineinander oder mit dem Saume des Flügels gewisse geschlossene Räume, die Zellen, bilden. In der Ruhe pflegen die Flügel wagerecht auf dem Rücken zu liegen und den Hinterleib zu überschleiern, bei den eigentlichen Wespen, wo sie sich der Länge nach falten, hängen sie mehr an den Seiten des Körpers und bedecken den Hinterleib nicht. Jeder Vorderflügel ist mit seinem Hinterflügel im Fluge vereinigt, indem dieser mit sehr feinen Häkchen seines Vorderrandes an entsprechenden Stellen des Hinterrandes von jenem eingreift. Auf der Einlenkungsstelle des Vorderflügels liegt ein bewegliches, horniges Plättchen, das sogenannte Flügelschüppchen, das sich manchmal durch besondere Färbung auszeichnet, und mehr darum, als durch seine eigentümliche Gestalt, der Berücksichtigung wert wird. Ein anderes Chitinfleckchen, das, eben weil es hornartig ist, wie die Adern, durch seine andere Färbung gegen die dünne Flügelhaut leicht in die Augen fällt, findet sich am Vorderrande der meisten Flügel hinter der Mitte und heißt das Flügel- oder Randmal; wo es fehlt, werden die Adern sehr sparsam oder fallen gänzlich aus. Sie sind es nun mit den von ihnen gebildeten Zellen, die für den bei weitem größten Teil der Immen Unterscheidungsmerkmale enthalten, ohne welche die Gattungen unmöglich erkannt werden können. Die vorstehende Zeichnung gibt für einige typische Hymenopterenflügel die einschlägigen Verhältnisse besser als viele Worte wieder. Gänzlich fehlen die Flügel einigen echten Schlupfwespen der früheren Gattung Pezomachus, manchen Schlupfwespenverwandten, einigen Gallinsekten, den arbeitenden Ameisen und bei den Spinnenameisen den Weibchen.
Eine große Menge von Aderflüglern läßt summende, brummende Töne laut werden, wie ja von den Hummeln, Bienen, Wespen, Hornissen hinreichend bekannt. Die Kenntnis von ihrem Entstehen verdanken wir den unermüdlichen Forschungen Landois'. Nach demselben entsteht eine Reihe von Tönen, wie man bereits wußte, durch die schwingenden Bewegungen der Flügel, hier wie bei Fliegen und andern Insekten. In dieser Beziehung zeigen Immen und Zweiflügler die größte Mannigfaltigkeit in Höhe und Tiefe des Tones. Die seine Haut wirkt bei der außerordentlichen Geschwindigkeit derselben in gleicher Weise wie die Zinken einer angeschlagenen Stimmgabel. Landois stellt nun folgende Gesetze auf. Die Flügeltöne sind bei demselben Einzelwesen beständig; unterscheiden sich beide Geschlechter ein und derselben Art in bezug auf ihre Größe, so gehen auch ihre Flügeltöne bedeutend auseinander; kleinere Insekten haben öfters einen bedeutend tieferen Flugton als größere. Natürlich ist hierbei nicht das klappende, leise klatschende Geräusch gemeint, welches das einzige ist, wodurch sich einzelne Schlupfwespen bisweilen vernehmen lassen, Tagschmetterlinge, wenn sie in größeren Mengen miteinander umherfliegen, besonders auch Heuschrecken mit ihren festeren Flügeldecken. Eine zweite Reihe von Tönen bringen die Immen (und Fliegen) durch die Luftlöcher ihres Brustkastens oder des Hinterleibes hervor, und zwar willkürlich, indem sie aus demselben die Luft ausatmen. Die Stimmapparate lassen sich am besten vergleichen mit den Wirkungen der Zungenpfeifen, denn es werden dabei Häute in Schwingungen versetzt, die am Ende der Luftröhre angebracht sind. Die Pfeifen sind die Luftröhren, auf deren ungeteiltem Ende der Stimmapparat auf sitzt, wie der Kehlkopf auf der Luftröhre der Säugetiere. Vor dem Eintritt in den Apparat verengt sich die Luftröhre und enthält gerade bei den Hymenopteren häufig noch Vorrichtungen, die es ermöglichen, je nach den Bedürfnissen viel oder wenig Luft ausströmen zu lassen, sie wird mit einem Worte zu einem Blasebalg. Der zusammengesetzte Stimmapparat selbst besteht der Hauptsache nach aus Chitinblättchen, die vorhangartig aufgehängt sind oder die Form von Röhrchen haben und durch die ausströmende Luft in zitternde Bewegung versetzt werden und tönen. Daß es nicht die ein-, sondern die ausströmende Luft sei, wies Landois durch unmittelbare Versuche und am Bau der verschließbaren Luftlöcher, der bekannten Eingänge zu den Luftröhren, nach; ja, er ging dann noch weiter und stellte die Brummtöne verschiedener Fliegen und Blumen-Wespen in Noten dar. Nicht alle Luftlöcher sind mit dem Stimmapparate versehen, sondern hauptsächlich die des Brustkastens, bei den stark brummenden Blumen- und Raubwespen dagegen die des Hinterleibes und bei sehr wenigen beide zugleich. So interessant dieser Gegenstand immer sein mag, so können wir ihn hier aus Mangel an Raum nicht weiter ausführen, es aber nicht unterlassen, auf die »Tierstimmen« des oben genannten Verfassers hinzuweisen (Freiburg im Breisgau 1374).
Fossile Immen finden sich in der Juraformation selten und zum Teil zweifelhaft, häufig dagegen, besonders Ameisen, im Tertiärgebirge und im Bernstein.
In Hinsicht auf die Anordnung der einzelnen Familien tritt eine gewisse Verlegenheit ein; denn die wenigen Schriftsteller, welche die Gesamtheit der Aderflügler behandelt haben, gehen in ihren Ansichten auseinander, und es läßt sich bei der geringen Teilnahme Das ist heute ganz anders geworden. Besonders die Ameisen und Bienen, ihre Lebenserscheinungen und speziell ihr soziales Verhalten, bilden den Gegenstand zahlloser hochinteressanter Untersuchungen. Es ist im Rahmen dieses Buches unmöglich, alle auch nur oberflächlich zu berücksichtigen. Hieran interessierte Leser seien daher auf einige, von besten Spezialforschern, aber doch auch wirklich allgemeinverständlich geschriebene Schriften hingewiesen. Für Ameisen: 1. F. Viehmeyer: Bilder aus dem Ameisenleben, Leipzig 1908; und 2. das Standardwerk auf diesem Gebiete: K. Escherich: Die Ameise, 2. Aufl., Braunschweig 1917 (wissenschaftlicher gehalten). Für Bienen: K. v. Frisch: Aus dem Leben der Bienen, Berlin 1927: eins der köstlichsten Bücher der ganzen populären zoologischen Literatur. Hrsgbr. an der Erforschung dieser so interessanten Kerfe nicht sagen, wessen Einteilung eine allgemeine Anerkennung gefunden habe. Da es sich somit nicht entscheiden läßt, welchen Standpunkt in dieser Ordnung die neueste wissenschaftliche Systematik einnimmt, so ist hier in einem » Illustrierten Tierleben« und bei der lückenhaften Behandlung, die der beschränkte Raum gebietet, auch in erster Linie nach Lepeletiers Vorgange den Lebens Verhältnissen dieser Kerfe Rechnung getragen, auf die Gefahr hin, daß der nur das vollkommene Insekt beobachtende und unterscheidende Forscher bei seiner Anordnung zu andern Ergebnissen gelangen könnte.
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Die Blumenwespen, Bienen ( Anthophilia), die wir als erste Familie an die Spitze stellen, wurden zwar mehrfach schon erwähnt, nicht aber in einer Weise, um auch nur eine derselben als solche zu erkennen. Der einfache Schenkelring kommt ihnen wie den Raubwespen zu, von denen sie in den meisten Fällen die starke Behaarung des gedrungenen Körpers und der eigentümliche Bau der Hinterfüße unterscheidet. Keine Blumenwespe hat einen gestielten Hinterleib, wie so viele Raubwespen; bei den größeren Arten ist er vielmehr an der Unterseite des breiten Vorderrandes in einem fast punktförmigen Kreisringe dem unteren Ende des Hinterrückens angeheftet, bei den kleineren verschmälert er sich beiderseits gleichmäßig, wird elliptisch im Umrisse und gehört zu den »anhangenden«, nach der früher erörterten Ausdrucksweise. Das starke Haarkleid, das die meisten Bienen bedeckt und ihnen in der Regel die bunte Färbungen zuführt, wird gleichfalls zu einem Erkennungszeichen und Unterscheidungsmerkmale von den Raubwespen. Zwar kommen fast nackte Arten vor, trotzdem wird sie ein einigermaßen darauf geübtes Auge als Blumenwespen erkennen. Die Bienen tragen, wie wir wissen, für ihre Brut Honig und Blumenstaub ein, jenen wohlverwahrt im Innern ihres Körpers, diesen äußerlich, meist in Form der sogenannten Höschen. Diese aber ziehen sie ihren höchst eigentümlich gebauten Hinterbeinen an. Sie sind es auch, die jede Blumenwespe weiblichen Geschlechts, mit wenigen Ausnahmen, verraten. Die Schienen nebst dem beinahe ebenso langen ersten Fußgliede, das hier Ferse ( metatarsus) heißt, sind auffallend breit gedrückt, letztere außerdem manchmal noch an der Außenseite ihrer Wurzel mit einem schaufelartigen Anhange, dem sogenannten Fersenhenkel, versehen. Die Schiene kann nun auf ihrer glänzenden Außenfläche etwas vertieft und an den Rändern mit langen Haaren bewachsen sein, eine treffliche Vorkehrung, um hier wie in einem Körbchen den Blumenstaub anzusammeln und fort zuschaffen. Man hat eine solche Bildung darum schlechthin auch ein Körbchen genannt. Der große Glanz aber rührt, wie O. I. Wolff gefunden, von den Schweißdrüsen her, die unter der Chitinhaut liegen, sich nach außen öffnen und den Blütenstaub mit ihrer Ausscheidung, dem auch an andern Körperteilen so verbreiteten »Haaröle«, wie einen Schwamm durchdringen und zusammenballen. Nicht selten kommt noch zur Vervollkommnung des zierlichen Apparates eine Bürste zum Zusammenfegen des Blütenstaubes hinzu, steife, kurze Borsten, die am Ende der Ferse in einer Weise sitzen, wie eine gewisse Art von Handfegern an ihrem Stiele. Auch die Ferse beteiligt sich in gleicher, wenn auch nicht so vollkommener Weise an der Aufnahme des Blütenstaubes, der durch die langen Haare derselben festgehalten wird. Die Bienen, deren Hinterbeine in der eben angegebenen Weise gebaut sind, werden sehr bezeichnend Schienensammler genannt. Bei andern entwickelten sich die genannten Teile nicht in solcher Vollkommenheit zu Sammelwerkzeugen, die Außenseite der Schiene bildet kein Körbchen, sondern ist nicht ausgehöhlt und mit einzelnen Haaren bekleidet, dafür wurde die Spitze der zugehörigen Schenkel, die Hüfte, ja sogar die Seite des Hinterleibes mit längerem, zum Teil lockigem Haare ausgestattet. Es sind die Schenkelsammler auf diese Weise nicht minder befähigt, das unentbehrliche »Bienenbrot« einzuheimsen. Wie überall in ihrem Wirken und Schaffen, so ist auch hier die Natur unerschöpflich. Andern Bienen beließ sie in der Breite der Hinterschiene und Ferse ihren Bienencharakter, verlegte ihr Sammelwerkzeug aber an den Bauch. Kurze, nach hinten gerichtete Borstenhaare, die diesen dicht bedecken, sind bei den Bauchsammlern dazu bestimmt, den Blütenstaub abzubürsten und festzuhalten. Womit sammeln nun aber diejenigen Bienen, denen an den Schienen und Schenkeln, am Bauche, wie am übrigen Körper fast gänzlich die Behaarung fehlt? Sie überlassen das Sammeln denen, die dazu befähigt sind und ziehen es vor, ihre Eier in den Nestern derselben verstohlenerweise unterzubringen. Das in der großen, weiten Welt so allgemein verbreitete Schmarotzerleben greift hier in dieser besonderen Form um sich und erhält durch die natürliche Einrichtung vollkommene Berechtigung, die betreffende Art daher auch den Namen Schmarotzbiene. Die eben besprochenen, so interessanten Vorkehrungen, die der Brutpflege dienen, bleiben Eigentum der Weibchen und derjenigen Jungfrauen, die, ohne je Mutter zu werden, doch die mütterlichen Sorgen um die Nachkommen zu übernehmen haben, der sogenannten Arbeiter, die bei einigen gesellig lebenden Bienen einen dritten, so einflußreichen, gleichfalls mit einem Wehrstachel versehenen Stand bilden. Die Männchen, die nicht einsammeln, des Werkzeuges also auch nicht bedürfen, werden dadurch gleichzeitig ärmer an guten Unterscheidungsmerkmalen. Sie immer richtig zu deuten, sie als zugehörig zu einem bestimmten Weibchen zu erkennen, bietet dem Systematiker nicht nur bei den Bienen, sondern auch bei manchen andern Immen noch besondere Schwierigkeiten. Daher darf es uns auch nicht wundern, wenn nicht selten beide Geschlechter ein und derselben Art mit verschiedenen Namen belegt worden sind, wenn bei Hummeln, Andrenen und andern Gattungen, die reich an sehr ähnlichen Arten sind, eine babylonische Verwirrung in den Namen die verschiedenen Ansichten der Forscher bekundet.
Der meist sehr entwickelten Zunge der Blumenwespen, die teilweise von dem Unterkiefer am Grunde scheidenartig umschlossen und in der Ruhe nach hinten an die Kehle angelegt getragen wird, gedachten wir schon früher. In dieser Einrichtung kommt sie den eigentlichen Bienen ( Apidae) zu; bei den Afterbienen ( Andrenidae) ist die Zunge kürzer als das Kinn und in der Ruhe nicht zurückschlagbar. Diese beiden Gegensätze haben in einer vielleicht strenger wissenschaftlichen Einteilung den andern Forschern die Spaltung der Blumenwespen in zwei Familien an die Hand gegeben. Die Fühler aller sind gebrochen, bei manchen Männchen allerdings infolge des kurzen Schaftes kaum merklich, hier aus zwölf, bei den Weibchen aus dreizehn Gliedern zusammengesetzt. Die Geisel verläuft fadenförmig, bisweilen nach der Spitze hin mäßig verdickt oder breit gedrückt, dann aber immer stumpf. Ihre Glieder lassen sich zwar unterscheiden, schnüren sich aber an den Enden weder auffällig ein, noch schwellen sie an der Spitze an; bisweilen erscheinen sie an der Vorderseite etwas knotig. Wir finden mithin für eine so artenreiche Familie eine seltene Einförmigkeit im Bau eines sonst vielgestaltigen Körperteiles. Nebenaugen sind immer vorhanden, aber wegen der dichten Behaarung des Scheitels bisweilen schwer aufzufinden. Die Vorderflügel haben stets eine Randzelle ohne oder mit Anhang und zwei oder drei Unterrandzellen, der Hintere Teil der Flügelfläche bleibt verhältnismäßig breit ohne alle Adern, weil, mit wenigen Ausnahmen, hinter den letzten Quernerven die beiden Längsadern aufhören. Bei manchen, besonders den größeren Arten, ist dieser Raum durch dichte Punktierung oder zarte Längsstreifung, der ganze Flügel überdies häufig noch durch dunklere Färbung ausgezeichnet. Wo nur zwei Unterrandzellen vorkommen, münden die beiden rücklaufenden Adern in die letzte, zuweilen die erste genau auf der vorderen Grenze; wo ihrer drei vorhanden, nimmt die zweite und dritte je eine auf, mit wenigen Ausnahmen, zu denen z. B. die Honigbienen gehören. Der Hinterleib besteht beim Weibchen, fruchtbaren und verkümmerten, aus sechs, beim Männchen aus sieben Gliedern. Überall, wo es honigspendende Blumen gibt, finden sich auch Bienen ein, diese zu benaschen und für ihre Nachkommen zu verwerten, doch scheinen die Gleicherländer mit ihrem vorwiegenden Blumenreichtum nicht auch in diesem Verhältnis so reich an Bienen zu sein, wie unsere gemäßigten Himmelsstriche.
Die gemeine Honigbiene, Hausbiene ( Apis mellifica), Für dieses Tier sei vor allem auf das in der Anmerkung auf Seite 17 erwähnte Buch von K. v. Frisch: Aus dem Leben der Bienen, Berlin 1927, hingewiesen. Es ist ganz unmöglich, die zahlreichen neuen Ergebnisse und Gesichtspunkte, die v. Frisch und seine Schüler in die Bienenforschung gebracht haben, hier zu erwähnen. Hrsgbr. zeichnet sich durch den Mangel jedes Dornes an den breiten Hinterschienen vor allen europäischen Bienen aus. Die Flügel (siehe die Figuren [Hautflügler-Flügel]) haben eine vorn gerundete Randzelle, die viermal so lang wie breit ist, drei geschlossene Unterrand- und ebenso viele Mittelzellen; jene gleichen alle drei einander so ziemlich in der Größe ihrer Flächen, und die letzte, schmal rhombische nähert sich mit dem vorderen Ende weit mehr der Flügelwurzel, als mit dem hinteren, steht also sehr schief. Der Körper ist schwarz, seidenglänzend, sofern nicht die fuchsrote, in grau spielende Behaarung, die sich bis auf die Augen ausdehnt, aber mit der Zeit abreibt, den Grund deckt und rötlich färbt. Die Hinterränder der Leibesglieder und die Beine haben eine braune, bis in gelbrot übergehende Färbung, mindestens beim Weibchen, dessen edle Natur nach dem Goldglanze der Beine bemessen wird. Die Krallen der Füße sind an der Spitze zweiteilig, die Kieferntaster ein-, die Lippentaster viergliedrig, zweigestaltig.
Die Formenunterschiede zwischen Männchen oder Drohnen, Weibchen und Arbeitern sind in erster Linie Größenunterschiede. Die Drohnen sind am größten, während die Arbeiterinnen am kleinsten sind. Dem Weibchen fehlen die Sammelhaare, der Drohne das Zähnchen am Grunde der Ferse. Die Arbeiterin, schlechtweg Biene genannt, jenes weibliche Wesen, das wegen Verkümmerung der Geschlechtswerkzeuge die Art nicht fortpflanzen kann, dafür aber alle und jede Vorsorge zu treffen hat im Verein einer größern Anzahl von seinesgleichen, damit aus den vom Weibchen gelegten Eiern ein kräftiges Geschlecht erwachse, hat in der längeren Zunge, den längeren Kinnbacken, in dem Körbchen der Hinterbeine die Gerätschaften, die ihre mühevollen Arbeiten ausführen, wie im Innern ihres Leibes ein kleines chemisches Laboratorium, wo Honig, Wachs und der Speisebrei für die Brut je nach Bedürfnis hergerichtet werden.
Die Bienen leben in einem wohlgeordneten Staate, in dem die Arbeiter das Volk, ein von diesem erwähltes, fruchtbares Weibchen die allgemein gehätschelte Königin (auch Weisel genannt) und die Männchen die wohlhäbigen, vornehmen Faullenzer darstellen, die unumgänglich nötig sind, aber nur so lange geduldet werden, als man sie braucht. Diese Einrichtung ist darum so musterhaft, weil jeder Teil an seinem Platze seine Schuldigkeit im vollsten Maße tut.
Der Mensch hat von jeher den Fleiß der Biene Nach v. Frisch ist er nicht mehr über alles Lob erhaben Hrsgbr. anerkannt und sie gewürdigt, ein Sinnbild zu sein für diese hohe Tugend, er hat aber auch die Ergebnisse ihres Fleißes zu würdigen gewußt, und daher ist es gekommen, daß wir jene Bienenstaaten nicht mehr frei in der Natur antreffen (ausnahmsweise verwildert), auch nicht angeben können, wann und wo sie sich zuerst daselbst gefunden haben. Der stolze »Herr der Schöpfung« weist dem Tierchen in dem Bienenkorbe, Bienenstocke, zu verschiedenen Zeiten verschieden eingerichtet, den Platz an, wo es seine Staaten gründet, wird ihm wohl auch in mancher Hinsicht dabei förderlich, war aber nicht imstande, sein ihm angeborenes Wesen in den taufenden von Jahren, während der es ihm treu gefolgt ist, auch nur im geringsten zu verändern. Die oft sich widersprechenden Ansichten, die wir in der überaus umfangreichen Bienenliteratur aufgezeichnet finden, haben mithin nicht ihren Grund in den veränderten Sitten der Imme, sondern in dem Grade der Erkenntnis dieser. Bis auf den heutigen Tag sind wir noch nicht dahin gelangt, sagen zu können, es sei alles aufgeklärt in diesem wunderbaren Organismus, es gebe nichts mehr, was nicht volle Anerkennung finde bei den wahren » Bienenvätern«, d. h. bei denen, die Bienen erziehen, nicht bloß um Wachs und Honig zu ernten, sondern um auch im allgemeinen Interesse für das Walten in der Natur die so überaus anziehende Lebensweise der freundlichen Spender zu studieren. Wir wollen jetzt versuchen, nicht für den Bienenzüchter ( Zeidler, Imker), sondern für den wißbegierigen Naturfreund ein möglichst getreues Bild jenes wohlgeordneten und doch viel bewegten Lebens zu entwerfen.
Angenommen, es sei Johannistag und ein Nachschwarm – was damit gesagt sein soll, wird die Folge lehren – soeben vollständig eingefangen in einen leeren Kasten mit dem bekannten, kleinen Flugloche unten am Grunde einer seiner Giebelwände und mit dem Brettchen vor diesem an einem bestimmten Platze im Bienenhause aufgestellt. Noch steht er kaum fest, da erscheint eine oder die andere Biene auf dem Flugbrettchen und »präsentiert«, d. h. sie erhebt sich auf ihren Beinen so hoch, wie es nur gehen will, spreizt die vordersten, hält den Hinterleib hoch und schwirrt in eigentümlich zitternder Weise mit den Flügeln. Dies sonderbare Gebaren ist der Ausdruck ihrer Freude, ihres Wohlbehagens, und der Bienenvater weiß sicher, daß er beim Einschlagen des Schwarms die jugendliche Königin mit erfaßt hat, daß sie nicht draußen blieb, was bei ungeschickter Handhabung oder ungünstigem Sammelplatze des Schwarms wohl geschehen kann. Sollte dies Mißgeschick eingetreten sein, oder dem Volke aus irgendeinem andern Grunde die Wohnung nicht gefallen, so bleibt es keinen Augenblick im Stock. In wilder Hast stürzt alles hervor und schwärmt angstvoll umher, bis der Gegenstand gefunden, dem man die Leitung seiner künftigen Geschicke nun einmal anvertraute; läßt er sich nicht auffinden, oder gefällt im andern Falle die dargebotene Behausung nicht, so kehrt das gesamte Volk in die alte zurück. In unserm neuen Stocke ist aber alles in Ordnung und es beginnt sofort die Arbeit: der Bau der Zellen und zwar von der Decke herab. Die Bienenväter pflegen dabei zu Hilfe zu kommen und einige leere Waben, die bei der Bienenwirtschaft stets abfallen, als Aussteuer in die neue Wohnung mitzugeben. Davon sehen wir jedoch ab. Das Baumaterial haben die Tierchen bei sich, wohl wissend, daß die häuslichen Arbeiten ihnen zunächst keine Zeit zum Eintragen lassen, haben sie eine dreifache Mahlzeit eingenommen, um nicht zu hungern, und um das unentbehrliche Wachs bereiten zu können. Dieses lassen sie in kleinen Blättchen zwischen den Bauchringen hervortreten, wenn sie seiner bedürfen. In einfacher, doppelter oder vielfach verschränkter Kette, wenn der Bau erst weiter vorgeschritten, hängen sie aneinander. Das gibt ein eigentümliches Gekrabbel; denn jede muß sich wohl vorsehen, daß sie den Grund und Boden, d. h. die Nachbarinnen, nicht unter den Füßen verliert. Die Geschäfte des Handlangers und des Meisters, sie sind hier in einer und derselben Person vereinigt. Sie nehmen einander die Wachsblättchen vom Bauche weg, durchkauen und vermischen sie mit ihrem Speichel, und jede, die den Stoff auf diese Weise vorgerichtet hat, geht an die Baustelle und klebt ihn an. Zunächst entsteht eine gerade, nicht mathematisch regelmäßige Kante oder Leiste, an diese werden rechts und links mit den Seiten aneinander stoßende und mit den Böden sich berührende Zellen in wagerechter Lage aneinander gereiht, bis die senkrecht herabhängenden, rechts und links sich öffnenden Tafeln entstehen, die man Waben nennt. Jede Seite dieser stellt ein allerliebstes Netz sechsseitiger Maschen dar von einer Regelmäßigkeit, wie wir sie nur mit Zirkel und Lineal erzielen könnten. Die Zellen sind bekanntlich sechseckig, auf dem Boden napfartig vertieft, an ihrem offenen Ende, also vorn, gerade abgeschnitten, sieben Millimeter lang und fünf breit, von einer zur gegenüberliegenden Seite, nicht übereck gemessen, und jede genau so groß wie andere. Solcher Waben finden sich in derselben Richtung mit der Zeit so viele, als der Raum des Stockes erlaubt, wenn nur zwischen je zweien ein Zwischenraum von der Breite einer Zellenhöhe bleibt. Auch lassen die Bauleute stellenweise Löcher in denselben als Durchgänge. Sie wachsen so ziemlich gleichmäßig, und keine wird so groß, wie es der Raum gestattet, ehe nicht die andern angelegt und gleichzeitig mit erweitert worden. Doch greifen wir der Einrichtung nicht zu weit vor. Nach einigen Stunden schon können wir in unserm Stocke einen dreieckigen Wabenzipfel von etwa 10,5 Zentimeter im Geviert herabhängen sehen.
Aller Anfang ist schwer. Dieses Wort bewahrheitet sich auch an jedem neuen Bienenstaate. Sein Platz ist ein anderer, als der, auf dem die Bürger desselben geboren wurden. Daher ist die genaueste Bekanntschaft mit der Umgebung vor dem Ausfluge für jeden einzelnen eine unerläßliche Aufgabe. Die Biene ist, wie man weiß, ein Gewohnheitstier von so peinlicher Art, daß sie mehrere Male erst genau an derselben Stelle anfliegt, die sie als Eingang in ihren Bau kennengelernt hatte, wenn man denselben und somit das Flugloch auch nur um wenige Zoll zur Seite gerückt hat. Um also ihren Ortssinn zu schärfen, die Umgebung des kleinen Raumes, der ihr zum Aus- und Eingange neben so und so vielen ganz gleichen dient, ihrem Gedächtnisse genau einzuprägen, kommt jede, sich rechts und links umschauend, bedächtig auf das Flugbrett rückwärts herausspaziert, erhebt sich in kurzen Bogenschwingungen, läßt sich nieder, erhebt sich von neuem, um die Bogen zu vergrößern und zu Kreisen zu erweitern, immer aber rückwärts abfliegend. Jetzt erst ist sie ihrer Sache gewiß, sie wird das Flugloch bei der Rückkehr nicht verfehlen, mit einem kurzen Anlaufe erhebt sie sich in geradem und raschem Fluge und ist in die Ferne verschwunden. Diese kann sie, wenn es sein muß, bis auf zwei Stunden Weges ausdehnen. Sie sucht Blumen und harzige Stoffe auf, sind Zuckerfabriken in der Nähe, weiß sie diese sehr wohl zu finden und sehr leidenschaftlich gern zu benaschen, meist zu ihrem Verderben. Tausende finden darin ihren Tod, weil sie es zwar verstehen, hinein, aber nicht wieder herauszukommen. Schwer beladen fliegen sie gegen die Fenster, arbeiten sich daran ab, fallen ermattet zu Boden und kommen um. Viererlei wird eingetragen, Honigseim, Wasser, Blütenstaub und harzige Bestandteile. Den ersten lecken sie mit der Zunge auf, führen ihn zum Munde, verschlucken ihn und würgen ihn aus der Honigblase als wirklichen Honig wieder hervor. Das Wasser wird natürlich auf dieselbe Weise eingenommen, dient zur eigenen Ernährung, beim Bauen und zur Zubereitung des Futters für die Larven, wird aber nicht im Stocke aufgespeichert, sondern muß, je nach den Bedürfnissen, allemal erst herbeigeschafft werden. Mit den behaarten Körperteilen, dem Kopfe und Mittelleibe streift die Biene absichtslos beim Eindringen in die vielen Blumenkronen den zerstreuten Staub ab und weiß ihn geschickt mit den Beinen, die sich in quirlender Bewegung befinden, herunter zu bürsten und an die hintersten anzukleben. Mehr aber erarbeitet sie absichtlich, sich all ihrer Werkzeuge bewußt und mit dem Gebrauch derselben vollkommen vertraut. Mit den löffelähnlichen, scharfen Kinnbacken schneidet sie die kleinen Staubträger auf, wenn sie sich nicht schon selbst geöffnet hatten, faßt ihren Inhalt mit den Vorderfüßen, schiebt ihn von da auf die mittleren und von diesen auf die hintersten, die in den bereits früher besprochenen Körbchen und der darunter liegenden Ferse mit ihren Haarwimpern das wahre Sammelwerkzeug bilden. Hier wird der infolge des früher erwähnten »Haaröls« leicht haftende Staub mit den andern Beinen angeklebt und manchmal zu dicken Klumpen, den sogenannten Höschen, aufgehäuft. Von den Knospen der Pappeln, Birken und anderer Bäume, den stets Harz absondernden Nadelhölzern, löst sie die brauchbaren Stoffe mit den Zähnen los und sammelt sie gleichfalls in dem Körbchen. Daß Bienen, unsere wie die vielen wilden, bei ihrem Sammelgeschäft die Befruchtung gewisser Pflanzen einzig und allein vermitteln, ist eine bekannte Tatsache, an die beiläufig erinnert sein mag.
Hat die Biene nun ihre Tracht, so fliegt sie, geleitet durch ihren wunderbar entwickelten Ortssinn, auf dem kürzesten Wege nach Hause. Hier angekommen, läßt sie sich in der Regel auf dem Flugbrett nieder, um ein wenig zu ruhen, dann geht es eiligen Laufes zum Loche hinein. Je nach der Natur der Schätze, die sie bringt, ist die Art, wie sie sich ihrer entledigt, eine verschiedene. Der Honig wird entweder einer bettelnden Schwester gefüttert, oder in die Vorratszellen ausgeschüttet. Einige Zellen enthalten Honig zum täglichen Verbrauch, andere, es sind zunächst die obersten Reihen jeder Wabe, dienen als Vorratskammern für zukünftige Zeiten, von denen jede volle sogleich mit einem Wachsdeckel verschlossen wird. Die Höschen strampelt sie sich ab und stampft sie fest in einer von den Zellen, die an verschiedenen Stellen der Wabe dazu bestimmt sind, die Vorräte des sogenannten Bienenbrotes aufzunehmen, oder sie beißt sich einen Teil davon ab und verschluckt ihn, oder die eine und andere der Schwestern erscheint in gleicher Absicht und befreit sie so von ihrer Bürde. Die harzigen Bestandteile, das Stopfwachs, Vorwachs ( propolis), wie man sie nennt, werden zum Verkitten von Lücken und Ritzen verwendet, durch die Nässe oder Kälte eindringen könnten, zum Verkleinern des Flugloches und, wenn es in einem Ausnahmefalle nötig sein sollte, zum Einhüllen fremdartiger Gegenstände, die ihrer Größe wegen nicht beseitigt werden, durch Fäulnis aber den Stock verpesten können. Es wird erzählt, daß man eine Maus, eine nackte Schnecke auf diese Weise eingekapselt in Stöcken gefunden habe.
Der Zellenbau als erste, das unmittelbar sich daran anschließende Eintragen als zweite der Beschäftigungen des Volkes dauern fort, so lange es besteht, und werden von jeder Biene betrieben, wie es eben passen will; aber noch fehlt die Seele des Ganzen, die Sorge für die Nachkommen, auf die allein das Streben jedes Kerbtieres gerichtet ist, sobald es zu seiner Vollendung gelangte.
Die Männchen, die sich um den Bau und das Einsammeln nicht kümmern, sondern nur verzehren, was andere mühsam erwarben, haben nichts weiter zu tun, als um die Mittagszeit in schwankendem Fluge mit herabhängenden Beinen und gewaltigem Summen sich einige Bewegung zu machen. Das weiß die junge Königin wohl, selbst wenn in ihrem Staate nicht ein einziger dieser Faulenzer wäre. Gleich nach den ersten Tagen ihres Einzuges fühlt sie den Drang in sich, genau zu derselben Zeit auch einen Ausflug zu unternehmen. Sie erreicht ihren Zweck, es findet sich bald ein Männchen, die Paarung erfolgt und endigt mit dem Tode des Auserwählten. Nach kurzer Abwesenheit kehrt die Königin zurück, befruchtet für ihre Lebenszeit, die vier, auch wohl fünf Jahre währen kann, und vermag nach den angestellten Versuchen jährlich fünfzig- bis sechzigtausend Eier zu legen, in den letzten Jahren weniger; auch läßt man sie im Interesse des Stockes in der Regel nicht vier Jahre in Tätigkeit. Ist innerhalb der ersten acht Tage die Befruchtung nicht erfolgt, so bleibt die Königin unfruchtbar.
Sechsundvierzig Stunden nach der Heimkehr fängt sie an zu legen. Die vorderste Wabe und die Vorderwand der folgenden läßt sie in der Regel noch unberührt; die oberen Reihen aller Waben sind gedeckelt und enthalten Honig, unter diesen finden sich die Brutzellen. Bei ihrer Arbeit, die meist ohne längere Unterbrechung zum Ausruhen fortgeht, wird sie von Arbeiterinnen begleitet, die ihr Nahrung reichen, sie mit den Fühlern streicheln, mit der Zunge belecken und ihr alle die Aufmerksamkeit beweisen, die eben eine Biene ihrer Königin zollt. In jede Zelle, die sie mit einem Ei zu beschenken gedenkt, kriecht sie erst mit dem Kopfe hinein, gleichsam um sich zu überzeugen, ob alles in Ordnung sei, dann kommt sie wieder hervor, schiebt den Hinterleib hinein, und ist sie wieder herausgekommen, so sieht man hinten zur Seite der unteren Wand unmittelbar am Boden der Zelle das Ei senkrecht hingestellt. Es ist milchweiß, durchscheinend, reichlich zwei Millimeter lang, schwach gekrümmt und an seinem unteren Ende kaum merklich schmäler als am oberen. Der Anblick des ersten Beweises königlicher Gnade ist für das Volk ein Mahnruf zu doppelter Tätigkeit, eine Aufforderung zur Übernahme neuer Sorgen. Sofort werden die Brutzellen hinten am Boden, noch hinter dem Ei, mit einem kleinen Häuflein weißer Gallerte versehen, die aus Honig, Bienenbrot und Wasser im Laboratorium zubereitet ward. Am vierten Tage erscheint die Larve als ein geringeltes Würmlein, zehrt das Futter auf, streckt sich gerade mit dem Kopfe nach vorn und wird weiter gefüttert. Dabei wächst sie, ohne sich zu häuten, ohne sich zu entleeren, so schnell, wird so feist, das sie am sechsten (siebenten) Tage die ganze Zelle erfüllt. Die um sie besorgten Pflegerinnen dehnen nun mit ihren Zähnen die Ränder der Zelle, biegen sich nach innen, um sie zu verengen und ergänzen das Fehlende durch einen platten Wachsdeckel, damit der Verschluß vollständig sei. Noch hört die Fürsorge für sie nicht auf. Die gedeckelten Brutzellen werden nicht verlassen, sondern sind stets von Bienen in dichtgedrängtem Haufen belagert, werden gewissermaßen »bebrütet«. Im Innern spinnt die Made ein Seidengewebe um sich, streift ihre Haut ab und wird zu einer gemeißelten Puppe. Am einundzwanzigsten Tage, vom Ei an gerechnet, wird der Deckel von innen abgestoßen, und die junge Bürgerin ist geboren; sofort ist eine oder die andere Arbeiterin vorhanden, um die Zelle durch Glätten ihrer Mündung usw. wieder in den Stand zu versetzen, ein neues Ei aufzunehmen. Die alten Häute werden zum Teil beseitigt, jedoch nicht alle, weil durch dieselben sich mit der Zeit die Zellen verengen und infolgedessen die Bienen aus sehr alten Brutzellen etwas kleiner ausfallen, wie die Erfahrung gelehrt hat.
Die Neugeborene reckt sich und streckt sich, wird freundlich von den Schwestern begrüßt, beleckt und gefüttert; doch kaum fühlt sie sich trocken und im Besitze ihrer vollen Kräfte, was nach wenigen Stunden der Fall ist, so mischt sie sich unter das Volk und findet ihre Beschäftigung im häuslichen Kreise: Füttern, Brüten, Deckeln und Reinhalten der Wohnung, Wegschaffen der Brocken, die beim Auskriechen abfallen, das dürften die Arbeiten sein, die in den ersten acht bis vierzehn Tagen den jungen Bienen zufallen. Nach Verlauf dieser Zeit bekommt jedoch eine jede Sehnsucht nach der Freiheit. Nachdem sie in der früher beschriebenen Weise ihren Ortssinn geprüft und geübt hat, sucht sie das Weite und trägt mit demselben Geschick ein, wie die alten Bienen. So verhält sich die Sache also, wenn die früheren Schriftsteller behaupteten, es gebe zwei Arten von Arbeitsbienen: die jungen verrichten häusliche Dienste, die alten gehen der Tracht nach ins Feld, in den Wald, auf die Wiesen. In dieser Weise wird es nun getrieben den ganzen Sommer hindurch, und nur an unfreundlichen, regnerischen Tagen bleibt man zu Hause. Je honigreicher und günstiger ein Jahr ist, desto fleißiger trägt das Volk ein. Es ist aber einig mit seiner Königin, liebkost sie, reicht ihr reichlich Nahrung dar, wofür diese in Anerkennung des allgemeinen Wohlstandes, will sagen bei gutem Futter, wohltuender Wärme, auch ihrerseits fleißig Eier legt. Das Volk mehrt sich von Tag zu Tag und mit ihm die Segen bringenden Arbeitskräfte.
Man möchte beinahe glauben, es ließe diese rege, beide Teile in so hohem Maße anspannende Tätigkeit die Trägheit der Männchen in um so grellerem Licht erscheinen und mehr und mehr einen geheimen Groll gegen dieselben aufkommen. In Wirklichkeit ist es aber das Bewußtsein von deren Abkömmlichkeit, das zu einer Zeit, in der kein Schwarm mehr in Aussicht steht (in nicht besonders volkreichen Stöcken fällt dieselbe etwa anfangs August), die Drohnenschlachten zuwege bringt. Die Bienen fallen über die Männchen her, jagen sie im Stocke allerwärts hin, treiben sie in eine Ecke und sperren sie vom Futter ab, so daß sie elendiglich verhungern müssen; oder beißen sie, zerren sie an den Flügeln oder sonstwo zum Flugloche hinaus; auch stechen sie dieselben in noch kürzerem Verfahren nieder. Eine eigentümliche Erscheinung ist dabei die, daß der Gebrauch der Waffe für den, der sie führt, nicht verderblich wird. Wir wissen, daß jede Biene, die uns in das Fleisch sticht, infolge der Widerhäkchen an ihrem Stachel denselben ganz oder teilweise zurücklassen und sterben muß. Warum nicht auch, wenn sie ihn der Drohne zwischen die Leibesringe einbohrt? Weil die Chitinmasse nicht die Wunde schließt, wie das elastische Fleisch, sondern das verursachte Loch ein Loch bleibt, aus dem die Widerhaken den Rückweg finden. Ein Stock, der in der angegebenen Zeit seine Drohnen nicht abschlachtet, ist weisellos, wie die Bienenväter sehr wohl in Erfahrung gebracht haben.
Nachdem die Leichen aus dem Baue entfernt sind, kehrt die alte Ordnung wieder zurück und die friedliche Tätigkeit nimmt ihren Fortgang. Die beste Zeit, die » Trachtzeit«, ist allerdings vorüber, wenigstens für Gegenden, wo Heidekraut fehlt; die Quellen fangen an sparsamer zu fließen, und teilweise müssen schon die Vorräte aus besseren Tagen in Anspruch genommen werden, oder es regt sich Lust zu Räubereien. Wenn nämlich vor und nach der Trachtzeit die Ernte knapp wird, so entwickeln manche Bienen eine besondere Anlage zum Stehlen. Sie suchen trotz der am Eingange eines jeden Stocks aufgestellten Wachen in denselben einzudringen und die vollen Waben, als wenn es Blumen wären, zu plündern. Gelingt es einer oder zweien irgendwo einzudringen, so bringen sie das nächste Mal mehr Kameraden mit, und die Räuberbande scheint organisiert zu sein. Der schon erwähnte Besuch in den Zuckerfabriken ist im Grunde nichts anderes als ein allgemeiner Raubzug. – Auch die Brutzellen fangen an sich zu vermindern, obschon bei günstigem Wetter noch bis in den Oktober hinein Arbeiter geboren werden. Man darf nicht glauben, daß jetzt am Ende der für das Ausfliegen geeigneten Zeit unser Volk viel stärker sein müsse als bei seiner Gründung am Johannistage, im Gegenteil, es kann bei ungünstigen Witterungsverhältnissen sogar zurückgegangen sein. Der Abgang an Drohnen kommt nicht in Betracht, wohl aber die Menge der Arbeiter, die nach und nach umkommen, oder eines natürlichen Todes sterben. Das Leben einer Biene währt in der Haupttrachtzeit nur sechs Wochen. Man war in dieser Hinsicht lange Zeit geteilter Ansicht und machte wohl von der längeren Lebensfähigkeit der Königin einen Trugschluß auf die der Arbeiterin, bis die Einführung der italienischen Bienen in Deutschland jeden Zweifel beseitigte. Gibt man nämlich zu Anfang der Trachtzeit, in der die Biene ihre größte Tätigkeit entwickelt und sich am stärksten abnutzt, einem deutschen Volke eine befruchtete italienische Königin, so ist nach sechs Wochen bis auf vereinzelte Bienen jenes verschwunden und durch ein Volk italienischer Bienen ersetzt, die man an der roten Hinterleibswurzel ohne Mühe von unserer nordischen Spielart unterscheidet.
Während des Winters finden wir nun im Bau die vorderste Wabe durchaus mit Honig gefüllt und gedeckelt, die folgende mindestens an der Giebelseite und alle übrigen mehr oder weniger an ihrem oberen Teile; weiter nach unten befinden sich die mit Bienenbrot angefüllten Vorratskammern, gleichfalls gedeckelt, und die leeren Brutzellen. Nicht selten enthalten Zellen zur unteren Hälfte Bienenbrot, zur oberen Honig, wie der Zeidler zu seinem Verdrusse bemerkt, wenn er zur Zeit der Stachelbeerblüte den »Honig schneidet«, d. h. seine Ernte hält. Auf den Brutzellen sitzen die Bienen so dicht zusammengedrängt, wie es eben gehen will, in ihrer Winterruhe. Wie warmblütige Tiere sich durch dichtes Nebeneinandersitzen wärmen, so erhöhen auch Kerfe durch ihr massenhaftes Aufeinanderhocken die Temperatur, und darum erstarrt die Biene nicht, wie ein einzeln im Freien überwinterndes Insekt. Sie bedarf daher der Nahrung, mit der sie sich versorgt hat. Der Winter muß schon hart sein und die Kälte dauernd anhalten, wenn im Stock die Temperatur auf längere Zeit unter acht Grad Reaumur herabsinken soll; diese Höhe ist aber auch nötig und wird beständig erhalten durch Aufnahme von Nahrung, durch Bewegung (an kälteren Tagen »braust« das Volk infolge der Bewegung) und durch den Winterschutz, den der Imker seinen Stöcken von außen angedeihen läßt. Weil aber das Fressen die Körperwärme und somit die Wärme im ganzen Stock erhöht, so bedürfen die Bienen in kalten Wintern stets mehr Nahrung als in gelinden. Wenn die Luft im Freien den genannten Wärmegrad hat, läßt sich manche Biene zum Ausfliegen verlocken; ja, man sieht an sonnigen Wintertagen, die nicht diesen Wärmegrad erreichen, einzelne Bienen in eiligem Fluge aus dem Stock kommen, um Wasser einzunehmen oder sich zu entleeren. Infolge ihrer großen Reinlichkeit gibt die Biene ihren Unrat niemals im Stock von sich, sondern im Freien. Sollte sie wegen der Kälte ihn zu lange bei sich behalten müssen oder verdorbenen Honig, der nicht gedeckelt war, genießen, so wird sie krank, beschmutzt ihre Wohnung, und der ganze Stock geht in der Regel zugrunde. Wenn der Winter einen mäßigen Verlauf nimmt, ruht auch die Arbeit nicht, und sollten nur die Vorräte aus den hintersten Räumen nach jenen mehr in der Mitte des Baues liegenden gepackt werden, wo sie aufgezehrt sind. Übrigens fängt die Königin meist schon Mitte Februar an, Eier zu legen, und zwar in einem kleinen Zellenkreise inmitten des Winterlagers.
Erst im April (oder März) werden die Bienen allmählich alle durch die wärmenden Sonnenstrahlen aus dem Winterquartier gelockt. Durch hochtönendes Freudengesumme und kreisendes Umherschwärmen geben sie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn sie zum erstenmal ihrer engen Haft entlassen sind und im Strahle der jungen Sonne ihre Freiheit genießen können (»Vorspiel«). Das erste Geschäft ist die Entleerung. Wenn es sich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau weiße Wäsche in der Nähe zum Trocknen aufhing, so wird diese sehr bald zum Leidwesen der Besitzerin mit einem braunpunktierten Buntdrucke bemalt sein; denn die Bienen, wie andere umherfliegende Kerfe, lieben es ungemein, sich an helle Gegenstände anzusetzen. Hierauf geht es an ein Fegen und Ausputzen im Innern der Wohnung, als wenn ein großes Fest in Aussicht stände. Die Leichen der abgestorbenen Schwestern, deren es immer gibt, werden hinausgeschafft, Beschädigungen an den Waben, durch das ewige Bekrabbeln nicht immer zu vermeiden, werden ausgebessert; die meiste Arbeit verursacht aber das Zusammenlesen und Fortschaffen der Hunderte von Wachsdeckeln, die auf dem Boden umherliegen, sobald sie beim Offnen jedes einzelnen Honigtöpfchens herabfielen. Die Ausflüge beginnen, soweit es die Witterung erlaubt, denn die Kätzchen der Haselnüsse, die gelben Blütenknäulchen der Korneliuskirsche, die Krokusse, Märzblümchen, Kaiserkronen, Schneeglöckchen und immer mehr und mehr liebliche Töchter Floras fordern heraus zum süßen Kusse. In der altgewohnten, von uns kennengelernten Weise geht es aber nicht mehr lange fort. Vorausgesetzt, daß das Volk nicht zu schwach in den Winter kam und durch diesen nicht allzusehr gelitten hat, wird es nun zu groß, der Raum wird ihm zu eng, es muß Vorbereitungen treffen, um einen Schwarm aussenden zu können.
Mit einem Male entsteht eine neue Art von Zellen, den gewöhnlichen gleich an Form und Lage, aber größer dem Innenraume nach. In diese legt die Königin genau in der früher angegebenen Weise je ein Ei. Die Arbeiter versehen die Zelle mit Futterbrei und versorgen die junge Larve bis zum achten Tage ihrer Vollwüchsigkeit, deckeln die Zelle und bebrüten sie. Alles so, wie wir es bereits kennengelernt haben. Am vierundzwanzigsten Tage, nach dem das Ei gelegt wurde, öffnet sich der Deckel, aber dieses Mal geht eine Drohne daraus hervor. Sie ist größer als eine Arbeitsbiene, darum bereiteten diese ihr auch eine größere Zelle. Die Königin überzeugt sich bei ihrer Untersuchung derselben und fühlt es beim Einführen des Hinterleibes an dem weiteren Raume, daß sie hier ein Drohnenei hineinzulegen hat. Dieses unterscheidet sich nämlich von den bisher gelegten Eiern wesentlich dadurch, daß es nicht befruchtet ist. Am Ausgange des inneren Eileiters befinden sich bei allen weiblichen Kerfen, wie früher erwähnt wurde, beiderseits die Samentaschen, die bei der Paarung vom Männchen mit Samenflüssigkeit gefüllt werden. Jedes Ei muß daselbst vorbei, wenn es gelegt wird, und erhält die Befruchtung. Die Bienenkönigin hat es nun in ihrer Gewalt, ein Ei zu befruchten, ein anderes nicht; das letztere tut sie mit allen denen, die in die geräumigen Drohnenzellen abgesetzt werden. Eine wunderbare Tatsache, die Dzierzon zuerst entschieden aussprach und von Siebold wissenschaftlich begründete.
Die Zustände im Stocke werden immer verwickelter. Meist an den Rändern der Waben entsteht, wenn sich die Drohnen zu mehren beginnen, eine dritte Art von Zellen, ihrer zwei bis drei in der Regel, die Zahl kann aber auch das Doppelte und Dreifache dieser überschreiten. Dieselben stehen senkrecht, sind walzig und mit größerem Aufwande von Baustoff, auch in größeren Maßverhältnissen als die Drohnenzellen, angelegt. In diese legt die Königin auch ein Ei, die einen meinen, mit einem gewissen Widerstreben, das wieder andere nicht zugeben wollen. Die Zelle wird mit besserem Futter versehen, nach sechs Tagen gedeckelt, aber mit einem gewölbten Deckel, so daß eine geschlossene Zelle Ähnlichkeit mit dem Puppengehäuse gewisser Schmetterlinge hat, und mit mehr Eifer »bebrütet« als die andern. Die angeführten Unterschiede: andere Lage und Form der Zelle, besseres Futter, erhöhtere Temperatur, bewirken auch einen Unterschied in der Entwicklung der Larve im Innern, die nach sechzehn Tagen ein fruchtbares Weibchen ist. Würde man es freilassen aus seiner Zelle, und die Königin wäre noch vorhanden, so gäbe es einen Kampf auf Leben und Tod, da zwei fruchtbare Weibchen nun einmal nicht nebeneinander in derselben Wohnung sein können. Das wissen seine Beschützerinnen, und darum lassen sie es noch nicht heraus; wenigstens können wir diese Voraussetzung machen, wenn sie auch nicht in jedem Falle zutrifft. Es kann seinen Unmut nicht verbergen und läßt einen tütenden Ton vernehmen. Möglich, daß auch schon von einer zweiten königlichen Zelle her derselbe Ton gehört wird. Die alte Königin, sobald sie diese Töne hört, weiß, daß ihr eine Nebenbuhlerin erstanden ist. Sie kann ihre Unruhe nicht verbergen. Die Arbeiter fühlen gleichfalls, daß ein bedeutendes Ereignis bevorsteht und es bilden sich gewissermaßen zwei Parteien, die eine von den alten, die andere von den jungen Bienen gebildet. Die Unruhe ist gegenseitig und steigert sich gegenseitig. Das wilde Durcheinanderlaufen der vielen Tausende im Stock – im Bewußtsein der Dinge, die da kommen werden, flogen nur wenige aus – erzeugt in der überfüllten Wohnung eine unerträgliche Hitze. Ein Teil lagert oder hängt in großen Trauben, stark brausend, vor dem Flugloche, eine Erscheinung, die der Bienenwirt das » Vorliegen« nennt. Die wenigen Bienen, die heute beladen zurückkehren, eilen meist nicht, wie gewöhnlich, in das Innere, um sich ihrer Bürde zu entladen, sondern gesellen sich zu den vorliegenden Bienen. Im Innern wird es immer unruhiger, ein Sausen und Brausen, ein Krabbeln durch- und übereinander, jede Ordnung scheint aufgehört zu haben.
Jetzt stürzt, kopfüber, kopfunter, wie ein Wasserstrahl, der gewaltsam aus einer engen Öffnung herausgepreßt wird, ein Schwarm von zehn- bis fünfzehntausend (alter) Bienen, die Königin unter ihnen, hervor, erfüllt wie Schneeflocken bei dem dichtesten Falle die Luft, oder gleicht einer die Sonne verfinsternden Wolke. Beim Hin- und Herschwanken in der Luft gibt er einen eigentümlichen, weithin hörbaren, freudigen Ton, den Schwarmgesang, von sich. Wohl zehn Minuten dauert dieses Schauspiel, dann macht es einem andern Platz. Am Aste eines nahen Baumes oder an einem Stücke Borke, das der Bienenwirt zu diesem Zwecke an einer Stange aufgestellt hatte, oder sonstwo bildet sich zuerst ein dichter, faustgroßer Haufen von Bienen, denen sich mehr und mehr zugesellen, bis sie sich zuletzt alle in eine schwarze, herabhängende »Traube« zusammengezogen haben, ihre Königin mitten darunter. Dies ist der Haupt- oder Vorschwarm, der, wie alle andern etwa noch folgenden »Nachschwärme«, nur an schönen Tagen, meist um die Mittagsstunden, unternommen wird und nicht weit geht, weil die von Eiern erfüllte Königin zu schwerfällig ist. Der Zeidler, schon vorher durch die mancherlei Anzeichen aufmerksam gemacht auf die Dinge, die da kommen sollen, hat einen neuen Kasten, eine neue Walze, oder wie er sonst seine Einrichtung nennen mag, in Bereitschaft, kehrt vorsichtig jene Traube hinein, verschließt den Stock mit dem Deckel und weist ihm seinen bestimmten Platz an. Dies ist die erste Ansiedlung, deren Entwicklung genau in der vorher beschriebenen Weise vor sich geht, mit dem einzigen Unterschiede, daß die Königin nicht erst zur Befruchtung auszufliegen braucht. Die Bienenväter sehen ein recht zeitiges Schwärmen sehr gern; denn dann kann das Volk desto eher erstarken, reichliche Wintervorräte einsammeln, und sie brauchen weniger mit künstlichem und kostspieligem Futter nachzuhelfen. Daher der alte Reim:
Ein Schwarm im Mai
Gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun',
Ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul'
Kein Federspul'.
Kehren wir nun zu unserm Stocke zurück, der soeben einen Schwarm mit der alten Königin ausgeschickt hat. Daselbst ist mittlerweile wenigstens eine junge Königin aus der Zelle geschlüpft und von dem Anhange, der ihr schon vorher zugetan war, mit den schuldigen Ehrenbezeigungen begrüßt worden. Sie würde unzweifelhaft als Erstgeborene die Herrin sein und bleiben, da die Mutter ihr das Feld geräumt hat, wenn nicht noch Nebenbuhlerinnen mit genau denselben Ansprüchen vorhanden wären. Die Verhältnisse können sich verschieden gestalten, nach drei, sieben oder neun Tagen können Nachschwärme, von denen natürlich jeder folgende immer schwächer wird, vorkommen, oder das Schwärmen hat mit dem Vorschwarme ein Ende. Mag der eine oder der andere Fall eintreten, ohne Leichen geht es nicht ab, zwei Königinnen zu gleicher Zeit in einem Staate sind nicht möglich; alle andern, bis auf eine werden, sofern kein weiterer Schwarm zustande kommt, von dem Volke getötet, in den seltensten Fällen entscheidet ein Zweikampf zwischen zwei Herrscherinnen. Einen solchen Fall erzählt Huber. Beide Königinnen hatten fast gleichzeitig ihre Zellen verlassen. Sobald sie sich zu Gesicht kamen, schossen sie zornentbrannt aufeinander los und stellten sich so, daß ihre Fühler wechselseitig von den Kinnbacken des Gegners gehalten wurden, Kopf gegen Kopf, Brust gegen Brust, Bauch gegen Bauch, sie brauchten nichts weiter zu tun, als das Ende des letzteren zu krümmen, um sich gegenseitig totzustechen. Das geschah aber nicht, keine hatte einen Vorteil vor der andern, sie ließen los und jede wich zurück. Nach wenigen Minuten wiederholte sich der Angriff auf dieselbe Weise mit gleichem Erfolge, bis durch eine Wendung die eine den Flügel der andern faßte, auf sie stieg und ihr eine tödliche Wunde versetzte. Um zu untersuchen, ob bereits befruchtete Königinnen von gleicher Wut beseelt seien, setzte er eine solche in einen Stock, worin sich eine gleiche befand. Sofort versammelte sich ein Kreis von Bienen um den Fremdling, nicht um ihm zu huldigen, sondern um sein Entkommen zu verhindern. Während dies geschah, sammelte sich ein anderer Haufe um die rechtmäßige Königin. Nach den Huldigungen der Ehrfurcht und Liebe, die sie ihrer rechtmäßigen Regentin gewöhnlich an den Tag legen und nach dem Mißtrauen, das sie anfänglich einer fremden entgegenbringen, auch wenn sie die ihrige verloren haben, sollte man meinen, sie würden es nicht auf einen Zweikampf ankommen lassen und sich zur Verteidigung ihres Oberhauptes vereinigen. Dem war aber nicht so: keine Heere sollen für die Herrscher eintreten, diese sollten ihre Sache selbst ausmachen. Sobald die rechtmäßige Königin Miene machte, gegen den Teil der Wabe vorzugehen, wo sich ihre Nebenbuhlerin befand, zogen sich die Bienen zurück, daß der Raum zwischen beiden frei ward. Jene fährt wütend auf den Eindringling los, faßt ihn an der Wurzel des Flügels, drückt ihn gegen die Wabe, daß er sich nicht rühren kann, und fertigt ihn mit einem Stoße ab. Die Beobachtungen Hubers sind zu gewissenhaft, um in seine Erzählungen Mißtrauen zu setzen. Was er hier mitteilt, mag er in diesem Falle gesehen haben. Regel ist es aber nicht, vielmehr pflegen einige Arbeiter eine zweite Königin, die man unter sie setzt, sofort im dichten Knäuel einzuschließen und ohne weiteres totzustechen.
Ein Nachschwarm geht wegen der größeren Leichtigkeit und Beweglichkeit des noch unbefruchteten Weibchens in der Regel weiter und bedarf immer erhöhter Wachsamkeit von seiten seines Besitzers. Ohne dessen Beihilfe würde der Schwarm nach einiger Zeit von seinem Sammelplatze aufbrechen, um sich in einem hohlen Baume, in einer Mauerspalte oder sonstwo an geeignetem Orte eine neue Häuslichkeit einzurichten. Ja, es sind vorher schon einige » Spurbienen« ausgeschickt worden als Fourierschützen, sich nach einer passenden Stelle umzuschauen. Im Freien geht ein so sich selbst überlassenes Volk schon im Herbst oder im Winter zugrunde; doch fehlt es nicht an Belegen, daß sich unter günstigen Verhältnissen ein Volk jahrelang in diesem Zustande der Verwilderung gehalten hat.
In sehr seltenen Fällen kommt außer den genannten Schwärmen auch noch ein Jungfernschwarm vor, wenn nämlich ein zeitiger Nachschwarm sich so schnell stärkt, daß er im Laufe des Sommers einen neuen Schwarm abstoßen kann.
So hätten wir denn gesehen, wie es nach dem regelrechten Verlaufe in einem Bienenstaate zugeht; es kommen aber noch einige Unregelmäßigkeiten vor, die zu interessant sind, um mit Stillschweigen übergangen werden zu dürfen.
Angenommen, es verliere ein Stock durch irgendwelche Zufälligkeiten seine Königin, und habe wegen Mangel an königlicher Brut keine Aussichten auf die Erziehung einer neuen. Was geschieht dann? Je nach den Umständen die eine oder die andere von nur zwei gegebenen Möglichkeiten. Entweder gibt es noch, wenn das Unglück eintritt, ungedeckelte Brutzellen mit Eiern oder Larven, oder diese sind sämtlich gedeckelt. Im ersteren Falle wird in größter Eile eine Zelle mit einem Ei oder einer sehr jungen Made zu einer königlichen umgebaut. Man trägt sie ab, entfernt die darunter liegenden, um Raum zu gewinnen, die runde Form und senkrechte Lage ist im Nu hergestellt. Königliches Futter wird vorgelegt und – die Anstrengungen waren nicht erfolglos, zur bestimmten Zeit geht ein fruchtbares Weibchen aus dem Umbau hervor. Im andern Falle, der dieses Auskunftsmittel ausschließt, weil sämtliche Zellen schon gedeckelt waren, wird die Sache noch interessanter. Man erhebt eine kräftige, möglichst große Arbeiterin dadurch auf den Thron, daß man sie ihrer Arbeit entbindet, sie hegt und Pflegt, gut füttert und ihr alle die Aufmerksamkeiten erweist, wie der geborenen Herrscherin. Bald fängt sie an, Eier zu legen. Durch Ruhe und Pflege entwickeln sich dieselben, da sie ja bei ihr als verkümmertem Weibchen in der Anlage vorhanden sind. Doch o weh! Es sind ja nur Drohneneier, die befruchtende Zutat fehlt ihnen. Die daraus hervorgehenden Maden haben keinen Platz in den kleinen Zellen, diese müssen mit einem stark gewölbten Deckel geschlossen werden, darum hat man jene »Buckelbrut« genannt. Ein gleiches Mißgeschick nur männlicher Geburten trifft den Stock, dessen Königin nicht zur Befruchtung gelangt ist; aber weder sie noch die drohnenbrütige Arbeiterin wird von den andern vernachlässigt und darum geringer geschätzt, weil sie ihre Pflichten unverschuldeterweise nicht in der rechten Art hat erfüllen können, wie von einigen behauptet worden ist.
Der Umstand, daß eine unfruchtbare Arbeiterin oder ein nie befruchtetes Weibchen Eier legen können, aus denen trotzdem Bienen entstehen, eine Tatsache, die man auch noch bei andern Kerfen, besonders bei einigen Schmetterlingen aus der Sippe der Sackträger, beobachtet hat, und die bei den übrigen geselligen Aderflüglern, wie bei Wespen und Ameisen, häufiger vorkommt, als bei der Hausbiene führte von Siebold unter dem Namen der Parthenogenesis (jungfräuliche Zeugung) in die Wissenschaft ein. Dem Aristoteles war diese Erscheinung bei der Honigbiene nicht unbekannt, denn er spricht mit Bestimmtheit folgende Sätze aus: »Die Drohnen entstehen auch in einem weisellosen Stocke. Die Bienenbrut (es ist von Arbeiterinnen die Rede) entsteht nicht ohne Königin. Die Bienen erzeugen ohne Begattung Drohnen.«
Klopft man an einen Stock, der seine Königin hat, so vernimmt man ein sofort wieder verschwindendes Aufbrausen, während ein weiselloser einen lange fortdauernden Ton hören läßt; ein solcher Stock geht bald zugrunde, wenn der Eigentümer nicht durch Beschaffung einer neuen Königin zu Hilfe kommt.
Es ließe sich noch vieles von diesen so überaus interessanten Tierchen erzählen, besonders auch Züge aus ihrem Leben, die von mehr als bloßem »Instinkte«, von einer gewissen Überlegung Zeugnis geben, weil sie außer dem Bereich der Gewohnheiten und der angeborenen Beschäftigung liegen: allein wir dürfen sie nicht zu sehr bevorzugen vor so vielen andern Verwandten, deren Lebensverhältnisse kaum minder reich an beachtenswerten Einzelheiten sind. Am Schlusse sei noch bemerkt, daß man in Rücksicht der Körperfärbung sechs Spielarten unterscheiden kann. Hiernach wäre die vorher beschriebene dunkle, einfarbige a) die nordische Biene, die sich nicht nur über den ganzen Norden von Europa ausbreitet und bis vor noch wenigen Jahren daselbst die einzige war, sondern auch im südlichen Frankreich und Spanien, in Portugal, einigen Gegenden Italiens, in Dalmatien, Griechenland, der Krim, auf den Inseln Kleinasiens und dessen Küstenstrichen, in Algier, Guinea, am Kap und in einem großen Teil des gemäßigten Amerika anzutreffen ist. b) Die italienische Biene Apis ligustica), mit braunroter Hinterleibswurzel und hochroten Beinen der Königin. Sie findet sich in den nördlichen Gegenden Italiens, in Tirol, der italienischen Schweiz und wurde in eine große Menge von Bienenstöcken Deutschlands eingebürgert, c) Eine sich von der vorigen durch ein gelbes Schildchen unterscheidende Abart kommt im südlichen Frankreich, Dalmatien, im Banat, auf Sizilien, der Krim, auf den Inseln und dem Festlande von Kleinasien wie im Kaukasus vor. d) Die ägyptische Biene ( Apis fasciata), ebenfalls mit rotem Schildchen und weißer Behaarung. Sie lebt in Ägypten und breitet sich über Sizilien und Arabien, weiter nach dem Himalaja und China aus. Die Einbürgerungsvereine haben sie neuerdings auch in Deutschland eingeführt. Die ägyptische Biene geht unmerklich über in e) die afrikanische, die mit Ausnahme Algiers und Ägyptens über ganz Afrika ausgebreitet ist. f) Die auffallend schwarze Biene von Madagaskar ist nur auf der genannten Insel und auf Mauritius heimisch. In Kaschmir, wo jeder Landwirt Bienenstöcke hält und dieselben so anlegt, daß walzige Öffnungen für sie in den Wänden des Wohnhauses gelassen werden, ist die Biene kleiner als bei uns und vermutlich eine andere Art, die sich auch in einem Teile des Pendschab wieder findet; dagegen kommt auf den südlichen Gebirgen eine andere Biene vor, die größer ist als unsere nordische, auch in zahlreicheren Völkern beieinander lebt, deren Honig aber häufig giftige Eigenschaften besitzen soll. In Indien gibt es die Riesenhonigbiene ( Apis dorsata), Sie legt nur eine einzige, manchmal einen Meter breite und bis 70 000 Zellen enthaltende Wabe an. Diese findet sich in Bäumen oder in Mauern und Felsen. – Ebenfalls lebt in Indien die Zwerghonigbiene ( Apis florea), deren Lebensweise der ihrer großen Schwester ähnelt. Hrsgbr.
In den Gleicherländern, vorzüglich in Brasilien wie auf den Sundainseln und in Neuholland, leben in zahlreichen Arten wilde Bienen, die im ersteren Lande unter dem gemeinsamen Namen der »Abelhas« bekannt sind und ohne Pflege von Seiten der Menschen diesen reiche Vorräte von Honig liefern, wenn sie ihre Nester aufzufinden wissen. Höchst eigentümlich ist die Art, welche die Eingeborenen Neuhollands bei dieser Gelegenheit befolgen. Sie fangen eine Biene, kleben ihr ein Weißes Federchen an, lassen sie wieder fliegen und setzen ihr über Stock und Stein, durch Busch und Hecke nach. Trotz der Stolperei, die bei einer solchen Hetzjagd nicht ausbleiben kann, sollen sie die gezeichnete Biene selten aus den Augen verlieren und in der Regel als Lohn für ihre Mühe das Nest auffinden.
Die Meliponen ( Meliipona), wie jene Bienen in der wissenschaftlichen Sprache heißen, haben mit unserer gemeinen Honigbiene den Mangel des Dorns an den Hinterschienen gemein, sind aber, ganz abgesehen von ihrer geringeren Größe, in allen übrigen Merkmalen wesentlich von ihr verschieden. In erster Linie steht die Stachellosigkeit. Will sich eine solche Biene wehren, so bedient sie sich ihrer kräftigen Kinnbacken. Der Vorderflügel hat eine vorn nicht vollkommen geschlossene Rand-, so eigentlich gar keine Unterrandzelle, da die Quernerven entweder ganz fehlen oder blaß und verwischt sind, und zwei geschlossene Mittelzellen; bei einigen Arten scheinen die Flügel der Königin verkümmert zu sein. Diese Ferse ist henkellos und kürzer als die ungemein breite Schiene. Bei den einen ist der Hinterleib oben gewölbt, am Bauche kaum gekielt ( Melipona), bei den andern kurz dreieckig, unten gekielt ( Trigona), bei noch andern endlich verlängert, fast viereckig ( Tetragona). Das im Innern bereitete Wachs kommt hier nicht zwischen den Bauchschuppen, wie bei unserer Honigbiene, sondern zwischen den Rückenschuppen hervor. Die Männchen sind den Arbeitern in Farbe und Körpergestalt sehr ähnlich, haben aber keinen Schienenkorb, gespaltene Klauen und ein schmäleres, weißes Gesicht. Die fruchtbaren Weibchen, die man von nur wenigen Arten kennt, zeichnen sich durch bedeutendere Größe, einfachere braune Färbung usw. aus.
Außer wenigen früheren, sehr lückenhaften Nachrichten über die stachellosen Honigbienen Südamerikas haben wir ausführlichere Berichte von Bates, Drory, H. Müller und v. Ihering erhalten. Ihnen ist ohne Berücksichtigung der außerordentlich zahlreichen Artnamen das Folgende entlehnt worden, soweit es als Ausländisches hier zulässig schien. Die Meliponen bauen am liebsten in hohle Baumstämme, aber auch in die Spalten senkrechter Uferwände und in Termitenhaufen, und vermauern die Spalten und sonstigen Öffnungen bis auf ein Flugloch, dem unter Umständen auch ein röhrenförmiger oder trichterartiger Zugang aufgesetzt sein kann. Zu diesen wie zu den teilweisen Bauten im Innern verwenden sie kein Wachs, sondern harzige und andere Pflanzenstoffe, wie solche auch unsere Hausbiene verbraucht, ganz besonders aber tonige Erde. Diese Baustoffe werden mit denselben Werkzeugen eingeheimst wie der Blütenstaub, also in »Höschen« an den Hinterbeinen. Mit ungemeiner Rührigkeit sieht man eine Gesellschaft Arbeiter, auf einer Tonfläche sitzend, mit den Kinnbacken die obere Schicht abschaben. Die kleinen zusammengebrachten Häufchen werden mit den Vorderfüßen gereinigt, kommen von da unter die Mittelbeine, die das Klümpchen an das Körbchen der Hinterbeine ankleben; ist nun die Ladung hinreichend groß, daß die Biene gerade genug daran hat, so fliegt sie davon. Ihr Eifer beim Eintragen für sie brauchbarer Gegenstände ist außerordentlich groß und kann sehr leicht den Charakter des Räuberhandwerks annehmen, wie man es bei unserer Hausbiene bezeichnet. Dies zu beobachten fand Drory vielfache Gelegenheit, da er jahrelang alljährlich ihm von neuem aus Brasilien zugesandte Meliponen bei Bordeaux neben der Hausbiene hält. Er ließ seinen Bienenstand einst inwendig lackieren und die Fenster zum schnelleren Trocknen offen stehen. Diesen Umstand machte sich die Melipona scutellaris zunutze und war acht Tage hintereinander eifrig damit beschäftigt, an vielen Stellen den Lack abzukratzen und sich Höschen davon anzulegen. Eine andere Art ( Trigona flaveola) stellte sich tausendweise ein, wenn ihr Waben und Honigstückchen unserer Biene zugänglich waren, legte Höschen von Wachs an, stahl den Honig, aber keine von den Hausbienen wagte sich ihr zu nahen, während diese letzteren dagegen mit der Melipona scutellaris im besten Einvernehmen stahlen. Höchst unterhaltend soll ihr Eifer und ihr Betragen beim Bauen selbst sein, wobei sie sich gleichfalls bestehlen. Wenn eine ihre Höschen durch eine andere zu verlieren gedenkt, so dreht sie sich schleunigst um, Kopf gegen Kopf, und stößt unter kräftigem Flügelschlage einen trockenen Knurrton aus.
Was nun den Wachsbau im Innern des Nestes anlangt, so ist er wesentlich von dem der Hausbiene verschieden, indem zunächst die Brutzellen und die »Vorratstöpfe« einen scharfen Gegensatz zueinander bilden. Die Brutwaben können am besten in ihrer Einrichtung mit dem umgekehrten Neste unserer gemeinen Wespe verglichen werden, indem einfache Tafeln oben offener Zellen stockwerkweise übereinanderliegen und durch kurze Säulchen aneinander befestigt sind. Die Zellen erscheinen nur durch ihre enge Berührung miteinander, weniger im ursprünglichen Bauplane begründet als sechseckig, denn diejenigen der Ränder haben eine mehr oder weniger regelmäßige zylindrische Gestalt. Die für die Männchen sind von denen für die Arbeiter nicht verschieden und nur die einzelnen Zellen für die fruchtbaren Weibchen treten nach oben oder unter durch ihre größere Länge über die ganze Wabe etwas heraus. Die Vorräte an Honig und an Bienenbrot (Blütenstaub mit Honig) werden in besondere Behälter, die vorher erwähnten »Vorratstöpfe«, eingetragen, die durchschnittlich die Gestalt eines Vogeleis haben, nur bei dichtem Beisammensein an den Berührungsstellen sich platt drücken, aus festen Wachswänden bestehen, durch feste Wachsbänder unter sich und an den Wänden des Baues befestigt sind und je nach der Art in ihrer Größe mehrfach schwanken. Diese beiden Hauptbestandteile eines Meliponenbaues zeigen bei ein und derselben Art unmöglich die Gleichartigkeit der Hausbienenbauten, weichen aber noch mehr je nach den Arten im Bauplane selbst ab. Drory unterscheidet nach den bisherigen Beobachtungen an seinen elf Arten dreierlei Baupläne: 1. die Brutwaben und Honigtöpfe werden zusammen von einer schuppigen und schaligen Wachshülle umgeben, so daß man von außen nichts als einen großen Wachsbeutel von dunkelbrauner Farbe sieht – eine weitere Ähnlichkeit mit den vorher erwähnten heimischen Wespennestern; 2. nur die Brutzellen sind von diesem Mantel eingehüllt, während sich die Honigtöpfe außerhalb desselben frei im Nestraume finden, wie beispielsweise bei der mehrfach erwähnten Melipoma scutellaris, der »Abelha urussu« der dortigen Eingeborenen; 3. die Trigona cilipes fertigt weder einen Mantel, noch Stockwerke von Bruttafeln, sondern brütet in vereinzelten runden, wie die Beeren einer Weintraube durch Stiele verbundenen Zellen, und umgibt diesen sonderbaren Wirrbau mit den Honigtöpfen. Wir müssen uns mit diesen Andeutungen begnügen.
Ein weiterer Unterschied in dem Brutgeschäfte der Meliponen und unserer Hausbiene und vollkommene Übereinstimmung jener mit andern »einsamen Kunstbienen«, wie wir später sehen werden, besteht in dem Umstande, daß jede Zelle erst von den Arbeitern mit Bienenbrot gefüllt wird, ehe das Weibchen ein Ei auf dieses legt. Durch Einbiegen der überstehenden Ränder wird die Zelle sodann von den Arbeitern geschlossen. Nach dem Ausschlüpfen der jungen Biene, das in gleicher Weise wie bei der Stockbiene vor sich geht, werden die Wände der eben leer gewordenen Zelle abgetragen und entweder auf den Kothaufen gebracht, deren der unreinliche Stock mehrere zu enthalten pflegt, oder zu andern Bauzwecken verwendet. Diese Kothaufen bestehen außer dem Wachse aus den Auswürfen der Bienen und den zerstückelten Leichen im Stocke verendeter Brüder und Schwestern; wachsen sie zu ungeheuerlich an, so werden sie möglichst zerkleinert und aus dem Stock entfernt. Auch die Vorratstöpfe werden meist abgebrochen, wenn sie leer geworden sind, und wieder von neuem aufgebaut. Müller meint, daß dieses Abbrechen wahrscheinlich darum geschehe, weil das Wachs infolge fremdartiger Beimischung leicht schimmle, über andere Fragen hinsichtlich der Entwicklung und sonstigen Lebenseinrichtungen schweigen die Berichte, sie nehmen nur eine Königin in jedem Staate an, Unterschiedlich von der Honigbiene verlassen hier die jungen Bienenköniginnen das alte Nest. Hrsgbr. der das Eierlegen ausschließlich, während jede andere Besorgung den Arbeitern anheimfällt.
Des Verhaltens der Männchen wird ebensowenig wie eines Schwärmens gedacht. Daß letzteres nicht stattfinden dürfte, Neuerdings ist mehrfach ermittelt worden, daß auch diese Bienen schwärmen. Hrsgbr. geht aus einer Mitteilung von St. Hilaire hervor, der von einer gewissen Zähmung einiger Arten spricht, die sich nach den neuesten Erfahrungen sehr vermehrt haben. Bei dieser Gelegenheit wird auch eines Mittels gedacht, welches die Eingeborenen angeblich anwenden, um sie zu vermehren. Wenn die Meliponen zum Eintragen ausgeflogen sind, nimmt man einige Waben mit Larven und Eiern heraus und tut sie in einen neuen Stock, der vorher sorgfältig mit Weihrauch ausgeräuchert worden ist. Ein Teil der Bienen nimmt denselben an und er füllt sich bald mit Honig und Wachs.
Neben den bereits berührten Verschiedenheiten im Nesterbau findet hinsichtlich der Körpergröße, der Körpertracht, des Geruches, der Flugweise und des Charakters unter den so ungemein zahlreichen Arten, wie sich dies von vornherein erwarten ließ, der mannigfachste Wechsel statt. Während die einen ihr lautes Summen augenblicklich verstummen lassen und sich furchtsam zurückziehen, sobald man an den von ihnen bewohnten Baumstamm oder Kasten klopft, zeigen sich andere sehr wehrhaft und beweisen dies durch am Flugloche ausgestellte Schildwachen. Ob groß, ob winzig klein, spaßen diese nicht, wenn eine Honigbiene, eine Wespe, eine Fremde ihrer eigenen Art Miene macht, ihr Flugloch zu beschnüffeln oder ein Mensch ihnen näher kommt, als sie es wünschen. Die Kleinen fliegen im Nu in Mehrzahl auf den vermeintlichen Angreifer los und, einmal gepackt, ist es nun meist um beide Teile geschehen. Denn die Verteidiger lassen niemals los und sterben mit dem Angreifer. Kommt ein kleinerer Kerf, selbst eine Hausbiene, einer größeren Meliponenart zu nahe, so nimmt es eine einzelne Schildwache mit dem Feinde auf. Sie packt die Bienen entweder am Bauche oder auf dem Rücken, klammert sich mit ihren Beinen fest und gräbt mit Wut ihre scharfen Zangen in den Hals oder in das Bändchen zwischen Mittel- und Hinterleib ein. Vergeblich bemüht sich die größere Honigbiene, Gebrauch von ihrem Dolche zu machen, Kopf oder Hinterleib fällt ihr ab, und die Melipone fliegt als Siegerin davon, nur selten unterliegt sie. Drory hatte auf der neunzehnten Wanderversammlung deutscher und österreichischer Bienenwirte, die vom 16. bis 18. September 1874 in Halle tagte, einen Kasten mit Melipona scutellaris ausgestellt. Da die Witterung für jene Jahreszeit ausnehmend schön und warm war, fühlten sich auch die Meliponen bewogen, ihren Kasten zu verlassen und zwischen den zahlreichen Völkern der heimischen Biene zu fliegen; dabei ist es denn mehrfach beobachtet worden, wie einzelne durch die Fremdlinge im Fluge totgebissen worden sind. Dem zu nahe kommenden oder den Honig ihnen raubenden Menschen fahren die wilden Arten sofort in das Gesicht, in die Haare des Hauptes und Bartes, in die Ohren, vollführen ein nervenerregendes Gesumme und verbreiten manchmal einen höchst durchdringenden, sogar Schwindel und Erbrechen erregenden Geruch. Der kaum sichtbare Biß veranlaßt einige Stunden später nicht zu linderndes Brennen und Jucken und am andern Tage eine erbsengroße Wasserblase, die ein hochroter Rand umgibt. Die Blase vergeht zwar schnell, aber die Röte der Haut bleibt wochenlang zurück. Diese beiden letzten Wirkungen des Geruches und Bisses gelten von der kleinen Trigona flaveola. Nicht durch Rauch, wohl aber durch mehrstündigen Aufenthalt in einem kühlen Keller lassen sich die Meliponen lähmen und zähmen.
Nicht nur, daß die Meliponen hinsichtlich ihrer Lebensweise ein Mittelglied zwischen den in Staaten lebenden Immen und den einsamen Kunstbienen bilden, wie sich aus der Lebensweise der letzteren ergibt, sondern es haben sich noch manche hier mit Stillschweigen übergangene Eigentümlichkeiten herausgestellt, und fortgesetzte Beobachtungen werden noch andere interessante Beziehungen zwischen den beiden eben erwähnten Sippen der Bienen ergeben; dieselben müssen aber jenseits des Meeres Ist neuerdings besonders durch den deutschen Forscher V. Ihering geschehen. Hrsgbr. angestellt werden, da nach der bisherigen Erfahrung Europa den Meliponen schwerlich je eine neue Heimat bieten möchte, sie bedürfen mehr anhaltende und höhere Wärmegrade, als die europäischen Witterungsverhältnisse gewähren.
Die unbeholfenen, brummigen Hummeln ( Bombus), die »Typen der Brummer«, wie sie Landois nennt, jene Bären unter den Kerfen, in unterirdischen Höhlen kunstlos nistend, sind eigentlich nichts gegen die hochgebildeten Bienen in ihren großen Städten, nichts gegen die tyrannischen Wespen und Hornissen in ihren papiernen und pappenen Zwingburgen, und doch bieten ihr einfaches, ländliches Leben, die kleinen Gesellschaften, in denen sie sich zueinander halten, die versteckten Erdhütten, von denen sie friedlich umschlossen werden, des Poetischen genug, um einer eingehenden Betrachtung gewürdigt zu werden. Ihr Staat, oder vielleicht richtiger gesagt die Familie, soll noch zusammengesetzter sein, als bei den Honigbienen, indem man große und kleine Weibchen beobachtet haben will, welche letzten meiner Meinung nach eine dürftige Ernährung voraussetzen. Sie stammen sämtlich von einer, aber großen Mutter ab, der es vergönnt ward, in einem Winkel der elenden Hütte, oder fern von der Geburtsstätte unter Moos, in einem hohlen Baumstamme usw. den winterlichen Stürmen zu trotzen. Sie birgt im mütterlichen Schoße die entwicklungsfähigen Keime der künftigen Nachkommenschaft und erwartet die allgemeine Auferstehung des nächsten Jahres, um den für sie ersten und – einzigen Frühling zu begrüßen. Auf den Krokus, Weidenkätzchen und den wenigen Erstlingen des jungen Jahres stellt sie sich mit andern hungrigen Vettern und Basen ein und stimmt in dem fröhlichen Konzert den tiefsten Baß an, den keiner der andern Summer und Brummer und Pfeifer ihr nachsingen kann.
»Schwerfällig hockend in der Blüte, rummeln
Die Kontraviolen, die trägen Hummeln.«
Dabei geht die Arbeit rüstig vonstatten. Die Arbeit? Sie feiert ja! Feiern und arbeiten ist bei ihr und ihresgleichen ein und dasselbe, durch Arbeit wird eben gefeiert. Sie hatte ein verlassenes, altes Nest ausfindig gemacht, oder einen berasten, von Ameisen noch nicht in Anspruch genommenen Maulwurfshügel, einen schlangenförmigen Gang desselben Tieres, ein verfallenes Mauseloch, dem sie im Innern, wenn nötig, die gewünschten Räumlichkeiten selbst verleiht. Je nach der Hummelart wird lieber das eine oder das andere Plätzchen gewählt, aber alle stimmen dem Wesen nach überein und müssen einen versteckten und bequemen Eingang haben. Hier hinein trägt sie nun den Honigseim, den sie reichlich mit Blütenstaub vermengte, und speichert die Mischung in kunstlose Häufchen auf. Darin liegt zunächst ein wesentlicher Unterschied zwischen den Hummeln und der Honigbiene. Sie verstehen nichts von der Baukunst, fertigen keine Zelle für ihre Brut, oder als Vorratskammern des Honigs. An jedes Häuflein legt die sorgsame Hummelmutter jetzt einige Eier, fährt fort, jenes zu vergrößern, diese zu vermehren. Durch anhaltend günstige Witterung wird ihre Arbeit beschleunigt, durch das Gegenteil verzögert werden. Sobald die Larven den Eiern entschlüpft sind, fressen sie sich in die Futtermasse hinein und bilden Hohlräume. Die Wände verdünnen sich mehr und mehr durch ihre Tätigkeit, aber neue Pollenmassen ersetzen von außen die Abgänge im Innern. Die Larven, sehr ähnlich denen der Bienen, wachsen schnell heran und spinnen je ein glasartiges, geschlossenes Gehäuse um sich. Alle diese Gehäuse, ohne Ordnung nebeneinanderliegend oder enger untereinander verbunden, je nach der geringeren oder größeren Zahl der gleich alten Larven und ihrem damit zusammenhängenden weiteren oder dicht gedrängteren Beieinandersein, wurden lange für die Zellen der Hummeln gehalten. Sind sie erst leer und von den früheren Bewohnern oben geöffnet, so wird auch mitunter Futter hineingetragen, damit für böse Tage, welche das Ausfliegen nicht erlauben, kein Mangel eintrete. Aus den Puppengehäusen schlüpfen im Anfang nur Arbeiter, die man stets an ihrer bedeutenderen Kleinheit erkennt. Sie helfen nun der Stammutter, bringen Futter herbei, verbinden die Puppentönnchen miteinander, die Futterüberbleibsel dabei verwendend, wie es scheint, überziehen einzelne Stellen im Neste mit einer Harzschicht, eine durch den Nestbau bedingte Eigentümlichkeit der Mooshummeln. Kurz, ihre Tätigkeit kennt kein Ende. Von früh bis zum späten Abend lassen sich geschäftige Hummeln sehen und hören. An trüben, unfreundlichen Tagen, wenn sich gern jeder andere Kerf in seinen Schlupfwinkeln verborgen hält, abends spät, wenn die andern, nicht nächtlichen schon zur Ruhe gegangen sind, brummt eine einsame Hummel von Blume zu Blume, es kommt ihr auch nicht darauf an, im Schöße einer größeren zu übernachten, einen Sturm und Regenschauer darin abzuwarten, ja, Wahlberg sah sie im hohen Norden, in der Finnmark und in Lappland an hellen Sommernächten arbeiten, und das Beiwort »träge«, das ihnen die Dichterin zuerteilt, kann sich daher nur auf die schwerfälligeren, plumperen Bewegungen der Hummeln im Vergleich zu den beweglicheren Bienen beziehen.
Später im Jahre erscheinen kleinere Weibchen, die nur Drohneneier legen, und Männchen, und zuletzt, gegen den Herbst hin, auch große Weibchen, die zur Überwinterung bestimmt sind. Wenn es möglich wäre, die Hummelnester einer so sorgfältigen Beobachtung zu unterwerfen wie die Bienenstöcke, so würde sich vielleicht auch bestätigen, was Gödart erzählt, das jedes Hummelnest einen Trompeter Dieser Trompeter hat aber nicht die Aufgabe, die Schläfer zu wecken; vielmehr arbeitet er als eine Art Luftventilator, wie man ähnliches auch bei der Biene beobachtet hat. Hrsgbr. habe, der morgens früh in den Giebel steigt, die Flügel schwingt und seine Trompete eine Viertelstunde lang erschallen läßt, um die Einwohner zur Arbeit zu wecken, überhaupt für Einzelheiten in ihrem Leben mehr Verständnis da sein, wo zur Zeit noch nicht alles klar liegt. So scheint der Honig, den man in den leeren Gehäusen gefunden, dazu bestimmt zu sein, um die königliche, große Mutter aus der Larve zu erziehen, indem sich annehmen läßt, daß sie einer besseren Kost bedürfe, als die andern Familienmitglieder. Zwischen den großen Weibchen und der Stammutter sollen anfänglich einige Zwistigkeiten vorkommen, die aber bald bei dem durchaus gutmütigen Charakter der Hummeln ohne Kämpfe beigelegt werden; ob letztere immer noch am Leben, wenn diese zum Vorschein kommen, wäre eine Gegenfrage, die ich eher verneinen, als bejahen möchte. In einer Familie von hundert Köpfen rechnet man jetzt etwa fünfundzwanzig Männchen, fünfzehn Weibchen und den Rest auf die Arbeiter. Von Mitte September bis Mitte Oktober fällt die Zeit, in der sich die großen Weibchen Paaren; auf einem Baumstumpfe, einer Mauer, oder einer andern etwas erhöhten Stelle erwarten sie im Sonnenschein ein herbeifliegendes Männchen, das nach beendeter Vereinigung matt zu Boden fällt und verendet. Auch die übrigen Glieder der Gemeinde sterben mehr und mehr hin und, wie schon erwähnt, bloß jene im August geborenen großen Weibchen kommen lebend durch den Winter. Huber erzählt ein artiges Geschichtchen, aus welchem die Gutmütigkeit der Hummeln und ihr Verhalten zu denen hervorgeht, die sie zu beeinträchtigen suchen. In einer Schachtel hatte er unter einem Bienenstock ein Hummelnest aufgestellt. Zur Zeit großen Mangels hatten einige Bienen das Hummelnest fleißig besucht und entweder die geringen Vorräte gestohlen oder gebettelt, kurz, diese waren verschwunden. Trotzdem arbeiteten die Hummeln unverdrossen weiter. Als sie eines Tages heimgekehrt waren, folgten ihnen die Bienen nach und gingen nicht eher davon, bis sie ihnen auch diesen geringen Erwerb abgetrieben hatten. Sie lockten die Hummeln, reichten ihnen ihre Rüssel dar, umzingelten sie und überredeten sie endlich durch diese Künste, den Inhalt ihrer Honigblase mit ihnen zu teilen. Die Hummeln flogen wieder aus, und bei der Rückkehr fanden sich auch die Bettler wieder ein. Über drei Wochen hatte dies Wesen gedauert, als sich auch Wespen in gleicher Absicht wie die Bienen einstellten; das wurde dann doch den Hummeln zu bunt, denn sie kehrten nicht wieder zu ihrem Neste zurück.
Trotz ihres versteckten Aufenthalts fehlt es den Hummeln keineswegs an Eindringlingen in ihre Nester, der Vögel nicht zu gedenken, die sich ihrer Person bemächtigen und sie sogleich verzehren oder an Dornen spießen. Die große Feldmaus, das Wiesel und der Iltis sind die Hauptzerstörer der Nester, in denen außerdem zahlreiche Schmarotzer wohnen, die sich von den eingetragenen Vorräten ernähren, wie die Larven der Schmarotzerhummeln, oder von den Hummellarven. Hierher gehören einige Schmarotzerfliegen, wie Volucella, Myopa und Conops, die wir später kennenlernen werden, die Spinnenameisen ( Mutilla), die Ölkäferlarven und andere. Die Hummeln selbst sind bewohnt von der Käfermilbe, die wir bereits beim Totengräber und den Roßkäfern kennenzulernen Gelegenheit gefunden haben.
Jeder meiner Leser meint vielleicht die Hummeln soweit zu kennen, um vor Verwechslung mit andern ihresgleichen gesichert zu sein, der plumpe Körper, die dichte Behaarung, in der Regel schwarz, bisweilen durch rote oder weiße Binden unterbrochen, seien zu untrügliche Merkmale. Gemach! Es wird später von einigen Hummeln die Rede sein, die zwar ebenso aussehen, aber eine ganz andere Lebensweise führen, und so gibt es auch Bienen, die der nicht Eingeweihte unfehlbar für Hummeln ausgeben würde. Man wolle also auf folgende Erkennungszeichen achten. Die Hummeln stimmen der Hauptsache nach im Körperbau mit den Honigbienen überein, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß die breiten Hinterschienen mit zwei Enddornen ausgerüstet sind und die ebenso gestaltete Ferse statt des Zähnchens einen rechtschaffenen, wohl ausgebildeten Fersenhenkel trägt. Das Körbchen an den Hinterbeinen kommt natürlich nur den Weibchen und den Arbeitern zu. Die Zunge ist lang, ausgestreckt, mindestens dem Körper gleich und wird von den beiden ersten Tastergliedern der Lippe wie von einem Rohre eingeschlossen; weil aber die beiden folgenden Glieder dieser als kurze Anhängsel seitwärts stehen, so wird man die Lippentaster als zweigestaltig bezeichnen müssen; die Kieferntaster sind klein und eingliedrig. Auf dem Scheitel stehen die Nebenaugen in gerader Linie. Der Vorderflügel hat dieselbe Zellenzahl wie bei der Honigbiene, aber die Randzelle ist kürzer und vorn verschmälert, die dritte Unterrandzelle nach dem Flügelvorderrande hin schmäler als nach innen, und nach außen bogig begrenzt. Das kleinere und schlankere Männchen erkennt man als solches an dem kleineren Kopfe, den längeren Fühlern, die infolge des kurzen Schaftes kaum gebrochen erscheinen, und am schmäleren Hinterleibe. Den Hinterbeinen fehlen Korb und Fersenhenkel, vielmehr tragen sie an der Außenseite lange Haare. Die kleinsten unter der ganzen Gesellschaft sind die geschlechtlich verkümmerten Weibchen, die im übrigen Bau und in der Färbung mit den großen und kleinen Weibchen vollkommen übereinstimmen. Dagegen weichen die Männchen in bezug auf letztere bisweilen nicht unbedeutend von ihren Weibchen ab. Daher ist es auch gekommen, daß Verwechslungen stattfanden und eine große Verwirrung unter den Namen geherrscht hat; das Zusammenleben in einem und demselben Nest mußte schließlich zur Gewißheit und Verbesserung früher begangener Fehler führen.
Die Erdhummel ( Bombus terrestris), um einige der gewöhnlichsten Arten näher zu kennzeichnen, hat eine schwarze Körperbehaarung, die auf den drei letzten Hinterleibsgliedern durch weiße, auf dem zweiten und auf dem Halskragen bindenartig durch gelbe vertreten wird. Die drei Formen stimmen genau in der Färbung überein, nur finden sich beim Männchen bisweilen unter den Kopfhaaren einige weiße, und die gelbe Hinterleibsbinde nicht scharf auf das zweite Glied beschränkt; in Größe weichen sie aber sehr ab, das breite Weibchen ist 26 Millimeter lang und darüber, das Männchen 13 bis 22, die Arbeiter 13 bis 18,75 Millimeter. Im Alter wird das Gelb sehr blaß. Die Art ist über ganz Europa und das nördliche Afrika verbreitet. Man hat 22 Farbvarietäten von ihr beschrieben. Ihre Nester legt sie bis zu 1,5 Meter tief in der Erde an. Hrsgbr. Bei der etwa ebenso großen Gartenhummel ( Bombus hortorum), die auch eine weiße Hinterleibsspitze hat, sind Halskragen, meist auch das Schildchen und das erste Glied des Hinterleibes gelb, die äußerste Spitze dieses aber schwarz. Die Steinhummel ( Bombus lapidarius), von derselben Größe, ist schön schwarz und an den drei letzten Leibesringen fuchsrot. Beim Männchen sind Kopf, Vorderrücken und Brust öfters auch noch das Schildchen gelb und die Haare der Hinterschienen rötlich. Das größte Steinhummelnest, das man bisher fand, umfaßte etwa 300 Bewohner. Hrsgbr.
Die Mooshummel ( Bombus muscorum) ist durchaus gelb, am Mittelleibe und der Wurzel des Hinterleibes rötlich, hier auch mit einzelnen braunen und schwarzen Haaren untermischt, am übrigen Hinterleibe durch graue Beimischung heller gelb; im Alter bleichen die Farben aus, und das ganze Tier kann ein schimmelartiges Aussehen bekommen. Die Länge schwankt zwischen 18,75 bis 22 Millimeter. Ihren Namen hat diese Hummel davon, weil sie ihr Nest mit Moos und Genist ziemlich locker bedeckt. Bei einiger Vorsicht kann man es aufnehmen und möchte dann den ganzen Bau mit einem umgekehrten Vogelneste vergleichen, in welchem die Puppengehäuse ungefähr in Gestalt von Eiern ohne Ordnung, aber zusammengeklebt, nebeneinander liegen. Während man noch beim Nest steht, holen die Tiere das zerstreute Moos wieder zusammen, und dabei arbeitet jede ohne Rücksicht des Geschlechts. Sie tragen es nicht, sondern schieben es zusammen. Dabei stellen sich drei oder vier hintereinander, die entfernteste faßt ein Klümpchen mit den Kiefern, zieht es mit den Vorderbeinen auseinander, schiebt es unter den Leib, wo es das zweite Fußpaar erfaßt und es dem dritten übergibt, mit diesem wird es soweit wie möglich dem Nest zugestoßen. Diesen kleinen Haufen behandelt eine zweite Hummel ebenso, dann eine dritte, bis er beim Nest angelangt ist. Hier warten schon andere darauf, um mit ihren Zähnen und Vorderbeinen den Stoff zu verteilen und anzudrücken. Auf diese Art entsteht nach und nach ein Gewölbe von 26 bis 52 Millimeter Dicke. Bei dieser Bauweise können sie das Nest natürlich nur da anlegen, wo sich der Baustoff in unmittelbarer Nähe findet. Den inneren Teil überziehen sie in Papierstärke mit einer harzigen Masse. Der Zugang zum Nest, oft in einen gewundenen Gang verlängert, wird in der Regel mit einer Wache besetzt, die Ameisen und anderes Geziefer abwehren soll. Außer einer noch sehr großen Anzahl von Arten, die Europa bewohnen, leben in beiden Hälften des amerikanischen Festlandes, in Asien und Afrika andere Arten, die der Körperform und den Farben nach unwesentlich von unsern abweichen, immer aber ohne Schwierigkeiten als Gattungsgenossen erkannt werden.
Den bisher betrachteten geselligen Bienen stehen nun die mittels der vorher erörterten Sammelwerkzeuge eintragenden einsamen Kunstbienen gegenüber. Dieselben leben nur paarweise, es fehlen ihnen die unentwickelten Weibchen als Arbeiter, weil die Kräfte jedes einzelnen Weibchens zu den Vorkehrungen bei der Brutpflege hinreichen.
Die Schienensammler ( Podilegidae) stimmen bei vielen hier mit Stillschweigen zu übergehenden, zum Teil sehr stattlichen ausländischen Arten in der Bildung ihrer Hinterbeine mit unsern Hummeln überein und tragen im weiblichen Geschlecht ein Körbchen, bei vielen heimischen fehlt dasselbe, die Hinterschiene ist vielmehr samt der Ferse mit dichten Sammelhaaren besetzt; letztere innenseitig zu der früher besprochenen Bürste geworden. Die Kinnbacken sind gerade, auf der Oberfläche mit unregelmäßigen Punkteindrücken und auf der Innenseite mit nur einem Zahn versehen. Die fast walzige Zunge überragt im Ruhestande eben nur den Kopf, ausgestreckt den ganzen Körper, und ist nach Art der echten Bienen gebildet; ihre Lippentaster sind daher »zweigestaltig«.
Die bürstentragenden Schienensammler bauen, wie die andern nicht schmarotzenden einsamen Kunstbienen, aus verschiedenen Stoffen Zellen, nur nicht aus Wachs, füllen dieselben mit hinreichendem Futter, einem Gemisch von Honigseim und Blütenstaub, legen ihr Ei darauf und verschließen die Zelle. Nachdem in ihr die Made ihre Verwandlung durchgemacht hat, nagt sich, vielleicht zehn, elf Monate später, als die Mutter das Ei legte, die vollkommene Biene daraus hervor und findet keine liebevolle Pflegerin, wie die Hausbienen und Hummeln; sie teilt das Los der meisten Tiere, sich selbständig mit dem ihnen eingepflanzten Naturtriebe durchs kurze Leben durchzuhelfen. Die Männchen werden zuerst geboren, und wir treffen sie auf den Blumen an, wo sie ihr Dasein fristen und – ein Weibchen suchen. Auch dieses verläßt seine Geburtsstätte, wünscht sich zu ernähren, und die Bekanntschaft ist leicht gemacht. Es wird oft von mehr als einem Anbeter umschwärmt und verfolgt. Die gegenseitige Zuneigung äußert sich bei den verschiedenen Arten verschieden, aber immer büßt das bevorzugte Männchen seine Eroberung mit baldigem Tode. Das befruchtete Weibchen bedarf noch längerer Zeit, um Fürsorge für die Nachkommen zu treffen. Ist die Honigernte ergiebig, der Sommer anhaltend schön, so wird die Arbeit gefördert, und es kann den Grund zu einer reichen Nachkommenschaft legen, wird es dagegen durch anhaltende rauhe Witterung häufig im Baue zurückgehalten, so geht dieser nur langsam vonstatten, die Zeit kann nicht ausgenutzt werden, und eine geringe Anzahl von Eiern ist gelegt, wenn der Tod die müde Pilgerin für immer zur Ruhe bringt.
Dieser und jener Schmarotzer benutzt die Abwesenheit der eifrigen Mutter und legt sein Kuckucksei in die gefüllte Zelle, das eher auskriecht als der rechtmäßige Inhaber, wenn die Schmarotzerlarve sich vom Honig nährt, später, wenn sie der Bienenmade selbst nachstellt. Mancher Aderflügler aus der Familie selbst gehört zu den Verrätern, ein und die andere Goldwespe, Schlupfwespe, Fliegen aus den Gattungen Bombylius und Anthrax und die Immenkäfer mit ihren Verwandten ( Trichodes, Silais).
Die Schnauzen- oder Pelzbienen ( Antophora) breiten sich in vielen Arten über ganz Europa und das nördliche Afrika aus, fehlen aber auch in Südamerika und Asien nicht gänzlich. Am Vorderflügel findet man die gleiche Zellenmenge wie bei den vorhergehenden Gattungen; eine vorn gerundete, mit kleinem Anhang versehene Randzelle, die nicht viel weiter nach hinten reicht, als die letzte der geschlossenen drei, unter sich fast ganz gleich großen Unterrandzellen. Die Fußklauen sind zweiteilig, die Schienendornen an den Hinterbeinen in der Zweizahl vorhanden; die gebrochenen Fühler in beiden Geschlechtern gleich und nur mäßig lang, die Nebenaugen in ein Dreieck gestellt. Die Bienen erinnern nicht nur durch ihren gedrungenen Körperbau, sondern auch durch Dichtigkeit und Farbe der Behaarung an die Hummeln, ein prüfender Blick auf die Hinterbeine läßt indes wenigstens bei den Weibchen keinen Augenblick einen Zweifel darüber, ob man es mit der einen oder der andern Gattung zu tun habe. Der Geschlechtsunterschied besteht im Mangel der Bürste beim Männchen, das dagegen manchmal an den Füßen der Mittelbeine abweichend behaart und in der Regel an den unteren Gesichtsteilen elfenbeinweiß gefärbt ist, während dieser Teil beim Weibchen schwarz bleibt, wie die obere Hälfte. Das sehr kleine zugespitzte Endglied fassen beim Weibchen dicht gedrängte, kurze Borsten ein, so daß die Spitze mehr oder weniger ausgerandet erscheint. Leider sind die Unterschiede der beiden Geschlechter ein und derselben Art so bedeutend, daß, wie schon bei den Hummeln bemerkt wurde, nicht das Ansehen, sondern die Beobachtung in der freien Natur nur die zueinandergehörigen richtig zusammenzustellen lehrt.
Die Schnauzenbienen bauen in der Erde, in Mauerspalten, Baumlöchern, Seltsam ist ein vor dem Ausgangsloch angebrachter, nach unten gebogener, röhrenförmiger »Windfang«. Seine ökologische Bedeutung ist unbekannt. Hrsgbr. Lehmwänden, Röhren, die sie durch Zwischenwände in Zellen teilen, erscheinen schon sehr früh im Jahre und fliegen ungemein schnell mit etwas pfeifendem Gesumme von Blume zu Blume. Man kann im April oder Mai zur wärmsten Zeit des Tages eine Anzahl Männchen hintereinander in gerader Linie auf und ab fliegen sehen an einer Mauer, einem sandigen Abhange, wo viele Nester sind, aus denen die Weibchen eben auskriechen. Fühlt eins derselben nach dem Männchen Verlangen, so stellt es sich in das Flugloch, ein Männchen stürzt auf dasselbe zu, packt es, und beide verschwinden miteinander in der Luft. Meist mag das befruchtete Weibchen seine Geburtsstätte als Brutplatz aufsuchen und sich daselbst häuslich einrichten; denn man findet in alten Lehmwänden viele Jahre hintereinander die Nester derselben Arten, wenn sie sonst nicht gestört, oder durch lästige Schmarotzer, die sich dergleichen günstige Plätze gleichfalls merken, mit der Zeit vertrieben werden.
Die rauhaarige Pelzbiene ( Anthophora hirsuta) ist überall dicht behaart, am Brustkasten und an der Hinterleibswurzel rot oder gelbbraun, am Sammelapparat gelb, übrigens schwarz. Beim Männchen sind die Chitinbekleidung des Fühlerschafts vorn, des Kopfschildes samt der Oberlippe, den Wangen und Kinnbackenwurzeln gelb gefärbt, und die Mittelfüße durch eine blattartige, dicht schwarz behaarte Erweiterung des ersten und fünften Gliedes ausgezeichnet. – Das Weibchen der abgestutzten Pelzbiene ( Anthophora resuta) hat genau Größe und Gestalt der vorigen Art, ist aber durchaus schwarz behaart, nur an den Sammelhaaren rostrot. Das etwas kleinere, schlankere Männchen, das Lepeletier A. pilipes genannt hat, trägt fuchsige Haare an Kopf, Thorax und Hinterleibswurzel, weiter hinten werden sie sparsamer und schwarz. Anfangs- und Endglied der Mittelfüße erweitern sich durch einen schwarzen Haarstern, wie vorher, nur fehlen dem ganzen Fuße die langen Zottenhaare an der Hinterseite, die dort vorkommen. Das Männchen fliegt später als das Weibchen, und dieses benutzt im Siebengebirge und im Pariser Becken mit Vorliebe als Brutplätze die Felslöcher, die dem Trachyttuff ein so eigentümliches Ansehen verleihen. – Die Wand-Pelzbiene ( Anthophora parietina) legt wieder eine andere Liebhaberei beim Nestbau an den Tag: sie bewohnt die Löcher alter Lehmwände und schützt den Eingang durch ein etwas nach unten gekrümmtes Ansatzrohr, dessen Baustoff die Abtragungen im Innern der Mauer liefern. Das Weibchen dieser Art ist etwas kleiner als die vorigen und mit Ausnahme der rostroten Hinterleibsspitze schwarz behaart. Das Männchen läßt sich in der Färbung kaum vom vorigen unterscheiden, wenn nicht durch grauen Schimmer in der Behaarung, die wie verschossen aussieht; überdies fehlt den Mittelfüßen jegliche Auszeichnung.
Eine andere Reihe von Schienensammlern zeichnet sich im männlichen Geschlecht durch die überaus langen Fühler aus, die man wegen der sanft knotigen Anschwellungen an der Vorderseite der Glieder mit den Hörnern eines Steinbocks vergleichen könnte. Sie wurden darum Hornbienen oder Langhörner ( Macrocera) genannt; da indes in Deutschland keine Art vorkommt, mehrere im südlichen Europa und wärmeren Ländern, so will ich eine deutsche Art besprechen, die in der Körpertracht ihnen vollkommen gleicht, aber wegen der geringeren Anzahl der Unterrandzellen nicht mit dieser Gattung vereinigt werden konnte. Die gemeine Hornbiene ( Eucera longicornis) fliegt von Ende Mai an, hat aber schon Mitte Juni viel von ihrem hübschen Ansehen verloren, weil die Haare teils erblassen, teils durch Abreiben verlorengehen. Das Männchen, im jugendlichen Alter an Kopf, Mittelleib und den beiden ersten Ringen des stark gewölbten Hinterleibes von schön fuchsroten Haaren dicht bedeckt, von einzelneren schwarzen weiter nach hinten, erscheint jetzt kahler und ausgeblichen; die stattlichen Hörner und das Gelb vom Kopfschild und der Oberlippe bleiben ihm als unveränderlicher Schmuck. Sein wenig größeres Weibchen weicht in der Körpertracht wesentlich ab, einmal verleihen ihm die gewöhnlichen, gebrochenen Fühler keine Auszeichnung, sodann wölbt sich der Hinterleib weniger, verengt sich nach vorn mehr und bekommt einen elliptischen Umriß; infolgedessen könnte man das Tier für eine Sandbiene halten, zumal die Hinterränder der Ringe mit weißen Binden verziert sind, die auf den drei vordersten in der Mitte eine breite Unterbrechung erleiden, eine Zeichnung, die man bei den Genannten häufig antrifft. Siehe da, die Bürste an den Hinterschienen rettet aus aller Verlegenheit; keine Sandbiene erfreut sich dieser Auszeichnung. Jene Binden werden von kurzen, anliegenden Seidenhärchen hervorgebracht, und diese sind vergänglich, wie alles Schöne. Darum kann es geschehen, daß wir im Sommer einem abgeschabten Weibchen begegnen, das, beiläufig gesagt, dieselben Teile in ausbleichende, fuchsrote Haare kleidet wie das Männchen. Es wird um so schäbiger aussehen, je gewissenhafter es seine Mutterpflichten erfüllte. Eine glatte Röhre in der Erde dient als Brutstätte. Sie wird durch Querwände in Zellen geteilt, die von hinten nach vorn sich mehren, sobald die hinterste zuerst voll Honigseim getragen und mit einem Ei beschenkt worden war. Das charakteristische Kennzeichen dieser Gattung besteht in dem Vorhandensein von nur zwei Unterrandzellen, von denen die zweite in der Nähe ihrer Grenzen die beiden rücklaufenden Adern aufnimmt. Sonst stimmt sie mit Macromera überein. Die Nebenaugen stehen geradlinig, und die großen Klauen spalten sich. – Amerika ist sehr reich an Arten, die mit der unsrigen in den Geschlechtsunterschieden und der Körperfärbung große Übereinstimmung zeigen.
In den Holzbienen ( Xylocopa) begegnen uns die stattlichsten Glieder der ganzen Familie. Der Gestalt nach sind es Hummeln mit einem mehr platten, auf seinem Rücken meist kahlen Hinterleibe, aber größer und bei näherer Betrachtung in wesentlichen Merkmalen von denselben unterschieden. Die vorderen der meist dunkel gefärbten, violett oder bronzeartig schillernden Flügel haben eine beiderseits zugespitzte, am Hinterende etwas schnabelartig nach innen gebogene, mit mehr oder weniger deutlichem Anhange versehene Randzelle. Die mittelste der drei vollkommen geschlossenen Unterrandzellen, mit der ersten ziemlich von gleicher Größe, ist fast dreieckig, die dritte so lang, wie die beiden ersten zusammengenommen; in oder hinter ihrer Mitte mündet die zweite rücklaufende Ader, genau in ihrem Anfange die erste. Die nicht eben breite Hinterschiene wird samt ihrer langen Ferse außen durch ein dichtes Haarkleid sammelfähig, trägt zwei einfache Enddornen, die Ferse die folgenden Fußglieder auf ihrer Außenseite. Die Klauen sind zweizähnig, die Nebenaugen in ein Dreieck gestellt. Die Taster des hornigen Unterkiefers setzen sich aus sechs, an Länge nach und nach abnehmenden Gliedern zusammen; die der Lippe sind eingestaltig, die Mundbildung mithin mit der der Afterbienen übereinstimmend und somit die Verwandtschaft der Holzbienen mit den vorangehenden nur durch die ähnliche Lebensweise, nicht, wie es sein sollte, durch den Körperbau bedingt. Abgesehen von der geringeren Größe und schwächeren Behaarung an den Hinterbeinen, unter scheiden sich manche Männchen von ihren Weibchen durch ein vollkommen verschiedenes Haarkleid oder erweiterte Glieder der Vorderfüße (wie bei der stattlichen Xylocopa latipes aus Ostindien, Java usw.), oder ihre Augen rücken nach dem Scheitel zu näher aneinander. Bei der kaffrischen Holzbiene ( Xylocopa caffra) beispielsweise sieht das Männchen auf der Oberseite gelblich olivengrün aus, während das schwarze Weibchen am Schildchen, Hinterrücken und auf dem ersten Hinterleibsgliede gelbliche Querbänder trägt.
Die Holzbienen bauen ihre Zellenreihen in Holz und leben vorzugsweise in den heißen Teilen Amerikas, Afrikas und Asiens; mehrere unter sich sehr ähnliche und seither sehr häufig verwechselte Arten kommen auch im südlichen Europa vor, die eine davon nördlich bis zu einigen deutschen Landen (Nassau, Bamberg). Es ist die violettflügelige Holzbiene ( Xylocopa violacea), eine der mittelgroßen Arten von durchaus schwarzer Färbung und veränderlicher Größe; das dritte Fühlerglied ist an der Wurzel stielartig verdünnt und so lang wie die drei folgenden zusammengenommen. Beim Männchen, dessen Hinterleib kürzer und eiförmig erscheint, sind die Fühler an der Spitze S-förmig gebogen und die beiden vorletzten Glieder rotgelb gefärbt, die Hüften der Hinterbeine mit einem abwärts gerichteten Dorn bewehrt, der Innenrand der Schienen regelmäßig S-förmig gebogen, gleichmäßig bewimpert und in einen rotbraunen Fortsatz ausgezogen, der breitgedrückt, lanzettförmig und gekerbt ist. Nach Schenck fliegen im ersten Frühling (bei Weilburg) überwinterte Weibchen; von Juli bis in den Herbst kommen, besonders an Schmetterlingsblüten, junge Bienen beiderlei Geschlechts zum Vorschein. Gerstäcker hat in zwei verschiedenen Jahren bei Bozen in der Mitte des August an Veronica spicata, die beiden Geschlechter dieser Art frisch gefangen, Kriechbaum ebenso bei Triest und Fiume in den ersten Frühlingsmonaten. Hieraus schließt ersterer, daß es nicht den Réaumurschen Beobachtungen widerspreche, wenn zwei Bruten im Jahre angenommen würden, eine Entwicklungsweise, die bei den nördlicher lebenden Bienen allerdings noch nicht beobachtet worden ist, für die milderen Verhältnisse jener südlichen Länder aber nicht eben wundernehmen darf. Merkwürdigerweise ist 1856 eine einzelne Holzbiene in England gefangen worden, und Newman meint, daß vielleicht die starke Einfuhr von Orangebäumen bei Gelegenheit der Industrieausstellung die Veranlassung dazu gegeben habe. Es ist jedoch neuerdings ein Vordringen dieser Biene in nördlicher Richtung beobachtet worden. Hrsgbr.
Mit kräftigem Gesumme fliegt das seinem Brutgeschäft obliegende Weibchen an Latten, Bretterwänden, Pfosten umher, läßt sich von der Sonne bescheinen und summt wieder davon. Diese Bewegungen dürften vor allem der Auswahl eines geeigneten Ortes gelten, wohin es seine Nachkommenschaft bette, da das kurze Leben nicht ihm, sondern dieser angehört. Altes Holz, eine morsche Pfoste, ein mürber Baumstamm, dem fetzenweise die Borke schon fehlt, eignet sich dazu am besten und ermöglicht die schwere Arbeit. Mit Eifer nagt die Biene ein Loch von dem Umfange ihres Körpers, dringt einige Millimeter in das Innere ein und wendet sich nun nach unten. Hierzu bedarf sie eines Meißels (jede Kinnbackenhälfte dient ihr dazu) und einer Zange, als solche wirken beide in Gemeinschaft. Die Späne werden herausgeschafft, und tiefer und tiefer dringt die Arbeit vor, bis eine gleichmäßige Röhre entsteht, die einunddreißig Zentimeter lang sein kann und sich am Ende wieder etwas nach außen biegt. Die sorgsame Mutter gönnt sich nur so viel Ruhe bei dieser Beschäftigung, als zu einem und dem andern Ausfluge nach Blumen nötig ist, wo sie durch Aufnahme von Honig neue Kräfte sammelt. In den unteren Teil wird nun Honig mit Blütenstaub vermischt in einer ganz bestimmten Menge eingetragen, ein Ei darauf gelegt und etwa in der Höhe, die der Dicke des Rohres gleichkommt, ein Deckel aus konzentrischen Ringen von gekneteten Sägespänen aufgesetzt. Die erste Zelle ist geschlossen und damit der Boden für die zweite höherliegende gewonnen. Diese bekommt eine gleiche Futtermenge und wieder ein Ei. In solcher Weise geht es fort ohne Unterbrechung, wenn nicht unfreundliches Wetter dieselbe gebietet, bis der Raum mit einer Zellensäule erfüllt ist. Hiermit hat entschieden die sorgsame Mutter das möglichste geleistet und ihre Kräfte vollständig aufgerieben. Nehmen wir an, daß sie im ersten Frühjahr ihre Tätigkeit begann, so legte sie wahrscheinlich unter sonst gleichen Verhältnissen die Grundlage für mehr Nachkommen, als in der Zeit vom August an; will sagen: die Nachkommen der ersten Brut sind wohl, wie bei andern, immer zahlreicher als die der zweiten.
Nach wenigen Tagen schlüpft die junge Made aus, die sich im äußeren Ansehen in nichts von den Maden unterscheidet, wie sie in der allgemeinen Übersicht zu dieser Familie beschrieben wurden. Sie liegt gekrümmt und füllt, wenn sie nach ungefähr drei Wochen erwachsen ist, die Höhlung der Zelle ziemlich aus, in der man schwarze Körnchen, ihre Auswürfe, neben ihr finden kann. Jetzt spinnt sie ein Gehäuse und verpuppt sich. Da die unterste die älteste ist, muß sie natürlich auch zuerst zur Entwicklung gelangen, die zweite zunächst, die oberste zuletzt. Wird sie nun wohl so lange warten, bis die letzte ihrer Schwestern bereit ist, den Weg aus dem Kerker zu bahnen? Von der zweiten Brut – ja, denn da verhindert sie der Winter am Hervorkommen; von der ersten, die während des August vollendet ist, aber nicht. Es wurde ihr der kürzeste Weg gezeigt, auf dem sie sich aus dem Kerker befreien kann. Sie steht auf dem Kopf, braucht also nur etwas beweglich zu werden und nach vorn zu drängen, so wird sie finden, daß der Raum sich nachgiebig zeigt. Sie gelangt so an das Ende der Biegung, das mit Spänen lose gefüllt ist; indem sie ihre Zangen instinktmäßig kennt, prüft sie dieselben zum erstenmal und nagt die dünne Schicht zwischen sich und der warmen Sommerluft durch. Dies nimmt wenigstens Lepeletier an; Réaumur dagegen berichtet, daß die Mutterbiene das Loch am Ende der Röhre nage, bisweilen auch in der Mitte noch ein drittes. Die zweite, die auskriecht, folgt der ersten nach, bis endlich die ganze Gesellschaft ausgeflogen ist und das Nest leer steht. In Gegenden, wo Holzbienen sich einmal eingebürgert haben, benutzen sie ohne Zweifel jahrelang die alten Brutplätze und gewinnen bei sonst günstigen Witterungsverhältnissen mehr Zeit, um einer reicheren Nachkommenschaft das Leben zu geben, als wenn sie stets aufs neue in der eben beschriebenen Weile Kinnbacken und Geduld auf so harte Proben stellen müssen.
Die Schenkelsammler ( Merilegidae) unterscheiden sich von den vorigen, wie wir schon sahen, dadurch, daß die Sammelwerkzeuge dem Körper näherrücken, auf dessen Seiten in der Nähe der Hinterbeine, deren Hüften und Schenkel übergehen, wenn auch an Schienen und Ferse mancher Ballen gelben Blütenstaubes hängen bleibt. Eingestaltige Lippentaster kommen ihnen allen zu, so daß sie nach der Latreilleschen Einteilung den Afterbienen angehören.
Die rauhfüßige Bürsten- oder Hosenbiene ( Dasypoda hirtipes Ltr.), die Europa in seinem größten Teile bewohnt, soll wegen der Schönheit ihres Weibchens nicht unerwähnt bleiben, obwohl über die Lebensweise nichts von Belang zu berichten ist. Wie seine zahlreichen Basen und Muhmen bettet das Weibchen seine Nachkommen ohne künstlichen Bau in ein Loch der schmutzigen Erde. Dieses wird bis 60 Zentimeter tief angelegt. Hrsgbr.
Was nun den Körperbau anlangt, so liegt die lanzettförmige Randzelle mit ihrer Spitze der Randader an, und von den beiden geschlossenen Unterrandzellen nimmt die kürzere zweite die rücklaufenden Adern nahe bei ihren Enden auf. Das zweite Geißelglied der Fühler verdünnt sich stielartig, die Lippentaster bestehen aus vier Gliedern, und die Zunge, zwar nicht so kurz wie bei den Andrenen, kann ebensowenig lang genannt werden. Was der Biene ihr hübsches Ansehen verleiht, sind die langen, fuchsroten Haare, die, wie bei einer Flaschenbürste, rings um die hintersten Schienen samt ihrer Ferse stehen, ferner die weißen Haarbinden hinten am zweiten bis vierten Gliede des kurz schwarzhaarigen Hinterleibes; derselbe plattet sich ab, beschreibt eine Ellipse und wird an der Spitze durch längere, schwarze Endfransen breiter. Brustkasten und Wurzel des Hinterleibes sind dicht fuchsrot bekleidet, grau untermischt, der Kopf schwarz, nach hinten vorherrschend grau; 11 bis 13 Millimeter Länge räumen ihr einen Platz unter den stattlicheren Sippengenossen ein. Ganz anders und bei weitem nicht so schön stellt sich das häufigere Männchen dar. Es ist kleiner, hat einen spindelförmigen, bedeutend gewölbteren Hinterleib, längere Fühler, deren zweites Geißelglied keinen Stiel bildet, und ein gelblichgraues, sparsameres Haarkleid, das die Hinterränder der Leibesringe entschieden lichter erscheinen läßt. Ich habe die Hosenbiene immer nur von Mitte Juli bis Ende August zu sehen bekommen.
Die Erd- oder Sandbienen ( Andrena) liefern mit der folgenden Gattung zusammen, in den mittleren und nördlichen Gegenden unseres Vaterlandes wenigstens, sicher den dritten Teil aller wilden Bienen, welche die honigspendenden Blumen besuchen und durch ihre rastlose Tätigkeit unter traulichem Gesumme den blütenreichen Landschaften vom Frühling an einen besonderen Reiz verleihen. Die Sandbienen beginnen den Reigen. Sie sind es, die im ersten Frühjahr wilden Fluges in Gesellschaft der besonneneren und ruhigeren Hausbiene um die Weidenkätzchen, blühenden Stachelbeersträucher und andere Erstlinge des jungen Jahres sausen und sich lange besinnen, ehe sie sich niederlassen, um schmausend das Auferstehungsfest der lebenden Schöpfung zu feiern. Sie sind es, die an sonnigen Hängen aus ihren Wiegen Loch bei Loch emporsteigen und sich an solchen Stellen in Massen umhertreiben, um ihren Nachkommen Pflanzstätten zu bereiten. Ihre Nester legen sie größtenteils in sandigem Boden an, indem sie in schiefer Richtung eine dreizehn bis dreißig Zentimeter tiefe Röhre graben, an deren Enden rundliche Höhlungen ausarbeiten oder kurze Verzweigungen der Hauptröhre, wo die Zellen mit auffallend reichlichem Blütenstaube gefüllt werden. Nachdem jede derselben überdies noch ein Ei erhalten hat, wird nicht nur sie, sondern auch das Eingangsloch zu dem Baue mit Erde verschlossen. Die Sandbienen haben eine kurze, lanzettförmige Zunge, die sich im Ruhestande nicht zurückschlägt, sondern auf der Oberseite des Kinnes zurückzieht, so daß Westwood die Bienen andern Verwandten als »Spitzzüngler« entgegengestellt hat. Die zugehörigen Taster sind eingestaltig und viergliedrig, die des Unterkiefers sechsgliedrig. Die Randzelle der Vorderflügel wird in der hinteren Hälfte wenig schmäler und liegt mit der gerundeten Spitze der Randader nicht an. Von den drei geschlossenen Unterrandzellen erreicht die erste fast die Länge der beiden andern zusammen, die zweite ist die kleinste, ziemlich quadratisch und nimmt den ersten rücklaufenden Nerv fast in ihrer Mitte auf, die dritte verengt sich bedeutend nach oben und empfängt die andere der eben genannten Adern weit hinter ihrer Mitte. Die ganze Außenseite der Hinterbeine bis zum Ende der Ferse ist beim Weibchen mit dichten Sammelhaaren besetzt und nicht minder die Seiten des Mittelleibes; innen an der Ferse bildet kürzeres, dichtes Haar die schon öfters erwähnte Bürste, so daß die Weibchen an allen diesen Teilen dicht mit Blütenstaub bedeckt heimkehren. Die Fußklauen sind hinter ihrer Mitte mit einem Seitenzähnchen versehen und haben zwischen sich ein merkliches Hautläppchen. Der Hinterleib verschmälert sich an seiner Wurzel, ist oval, lanzettförmig oder eirund. An ihm erkennt man leicht den Unterschied beider Geschlechter. Beim Weibchen ist er flacher gedrückt, an der Spitze, d. h. am fünften Ring, mit einer Haareinfassung, der » Endfranse«, versehen, die das kleine sechste Glied mehr oder weniger bedeckt. Das kleinere Männchen, obschon im Hinterleibe gestreckter und oben mehr gewölbt, nimmt in ihm doch nie die Linienform an; durch die Fühler unterscheidet es sich kaum vom Weibchen, denn sie werden unmerklich länger; dafür ist ihm ein starker Haarschopf im Gesicht eigen und die Oberlippe manchmal in ihrer ganzen Ausdehnung licht gefärbt, niemals aber bloß am Vorderrande; weil es nicht einsammelt, fällt bei ihm die Behaarung der Hinterbeine viel sparsamer aus, als beim Weibchen.
Die Erdbienen sind reich an Schmarotzern, unter denen die kleinen Wespenbienen ( Nomada), ferner ein merkwürdiges Tier, das wir später unter dem Namen Stylops näher kennenlernen werden, und selbst die Larven von Käfern ( Meloë) eine hervorragende Rolle spielen.
Nach Färbung und Bekleidung des Körpers lassen sich die zahlreichen Arten – Smith führt in seinem Verzeichnisse der englischen Bienen deren achtundsechzig auf – in solche gruppieren, deren Hinterleibshaut schwarz und rot gefärbt, in solche, wo sie einfarbig schwarz, manchmal mit blauem Schimmer, aber ohne Binden ist, und endlich in solche, deren weniger entschieden schwarzen Hinterleib helle Binden verzieren, die mehr oder weniger dicht anliegender Behaarung ihren Ursprung verdanken. Diese letzte Abteilung enthält die meisten und zum Teil unter sich sehr ähnlichen Arten.
Schranks Erdbiene ( Andrena Schrankella Nyl) ist am zweiten Hinterleibsring, mehr oder weniger auch im Anschluß daran am ersten (und dritten) in der Haut rot gefärbt, im übrigen schwarz, an Kopf und Mittelleib ziemlich dicht graugelb behaart; beim Weibchen tragen die Hinterränder vom zweiten bis vierten Hinterleibsringe weiße, schmale Haarbinden, die Schienenbürste gelbliche Behaarung und das Leibesende eine braune Endfranse. Das überall gleichmäßiger grau behaarte Männchen hat ein gelbliches Gesicht mit zwei zarten schwarzen Pünktchen in der Mitte und einen dicht weiß behaarten Vorderrand desselben. Diese Art fliegt vom Juni ab an blühenden Sträuchern und Kräutern, wie Rhamnus, an Zaunrebe, Hornklee und andern, kommt auch in der Baseler Gegend vor, überall jedoch nicht häufig.
Die greise Erdbiene ( Andrena cineraria K.) ist schwarz, in der vorderen Körperhälfte mehr oder weniger dicht zottig weiß behaart, im Gesicht beim Weibchen einzelner, beim Männchen schopfartig, am Mittelleib beim Weibchen dichter, aber auf dem Rücken zwischen den Flügeln unterbrochen, der blauschwarze Hinterleib ist auf dem Rücken hier kahl, dort an der Wurzel einzeln zottenhaarig; Schienenbürste und Endfranse des Weibchens schwarz, die Flügel in der Außenhälfte stark getrübt. Diese stattliche Art fliegt sehr zeitig, bei günstiger Frühlingswitterung schon Ende April, und scheint den Honig der Weidenkätzchen besonders zu lieben; denn an solchen fing ich sie hier ausschließlich, fing sie Imhoff bei Basel; er erhielt sie auch aus Genf und Aarau; in Livland, England kommt sie gleichfalls vor und hat somit eine weite Verbreitung. Ihr sehr ähnlich ist die Andrena ovina K., bei welcher der Rücken des Weibchen ohne Unterbrechung in der Mitte behaart und der Hinterleib beider Geschlechter entschieden breiter, eiförmig ist.
Die braungeschenkelte Erdbiene ( Andrena fulvicrus K.) ist schwarz, am Kopf und Mittelleib braungelb zottenhaarig; der gestreckte und glatte weibliche Hinterleib ist mit vier braungelben Binden, die sehr bald weißlich werden, und mit einer braunen Endfranse ausgestattet. Die Sammellocken und die Schienenbürste tragen dieselbe Farbe. Das Männchen ist auch noch am ersten Hinterleibsring zottenhaarig, im Gesicht reichlich schwarz behaart und am Hinterleib mit fünf hellen Querbinden versehen. Auf dem ziemlich kahl geriebenen Rücken eines Weibchens meiner Sammlung sitzen zwei gelbe Maiwurmlarven. Auch diese Art fliegt früh im Jahre (12. April 1874) an Weidenkätzchen, nach Schenks Erfahrungen hauptsächlich am Raps und Löwenzahn, hat dieselbe Verbreitung wie die vorige, und die Männchen fahren dicht über den Boden hin, wenn sie die Weibchen aufsuchen wollen.
Die Ballenbienen, Schmalbienen ( Hylaeus oder Halictus), weniger reich an Arten als die vorige Gattung, stimmen in der Lebensweise mit ihr überein und stehen besonders deren dritter Abteilung hinsichtlich des äußeren Ansehens sehr nahe. Das Weibchen unterscheidet sich nur durch einen (glänzenden) kahlen Keilfleck mitten auf der Endfranse, der Hinterleib des Männchens verschmälert sich linienartig, wird bisweilen sogar dicker hinter seiner Mitte; bei ihm ist sodann die Fühlergeißel bedeutend verlängert und häufig unterseits samt dem Vorderrande der Oberlippe weiß gefärbt; auch die Beine haben bei vielen Arten mehr oder weniger ausgedehnte weiße Hautfarbe, so daß sich hier einmal die Männchen leichter als die ihrer Gattung angehörigen Bienen erkennen lassen, während in den zahlreichsten Fällen bei den Weibchen der Aderflügler der Gattungscharakter am meisten ausgeprägt auftritt. Mit Ausnahme einiger ansehnlicheren Arten erlangen viele nur die mittlere Größe der Sandbienen; dagegen gibt es eine Menge sehr kleiner, wie sie bei den vorigen nur seltener vorkommen. Die Schmalbienen erscheinen durchschnittlich etwas später im Jahre als die Sandbienen, und ihre Weibchen gehören daher zu denen, die im Hochsommer das blühende Heidekraut und andere Blumen besuchen und manchmal durch Abreibung ihres Haarkleides so entstellt sind, daß sie sich nicht mehr auf ihre Art deuten lassen. Sie legen ihre Brutröhren am liebsten in hartem Boden an. Daher sind sie es, die auf Wegen, durch reichen Verkehr oft steinharten, sich umhertreiben. Kleine Löcher, neben jedem ein Erdhäufchen, erschließen sich dem aufmerksamen Blick, und verweilt man einige Zeit an dieser Stelle, so huscht hier ein Bienchen heraus, dort kommt ein anderes mit weithin leuchtenden Höschen an und verschwindet in seinem Bau, dessen Eingang so eng ist, daß man meinen sollte, unterwegs müßte sich sämtlicher Blütenstaub abstreifen. Steile Lehmwände, gegen Morgen oder Mittag gelegen und einen Hohlweg begrenzend, einer Lehmgrube angehörig, oder auch nur die schmale Erhebung eines Feldraines bildend, sind Brutplätze für andere Arten und werden den ganzen Tag über, so lange er freundlich ist, von Hunderten von Schmalbienenweibchen umschwärmt, deren jedes aus- und einfliegt, nie sich versieht, sondern unter den Hunderten vollkommen gleicher Fluglöcher immer das seinige herausfindet. Sie endlich sind es, die neben den großen Hummeln und andern geschäftigen Bienen in den Distelköpfen und andern großen Blumen schlafen oder einen vorübergehenden Regenschauer abwarten, wenn es nicht möglich war, den heimischen Herd zu erreichen.
Man kann sie ihrer Kleidung nach ordnen in schwarze mit weißen Haarbinden am Hinterrande, an der Wurzel einiger oder aller Hinterleibsringe, in bindenlose und in grüne, wenigstens am Mittelleibe grüne Arten. Manchmal erscheinen die Binden in der Mitte des Rückens so breit unterbrochen, daß nur seitliche Striche übrigbleiben.
Die große Ballenbiene ( Hylaeus grandis), unsere stattlichste Art, wird sich gut dazu eignen, die Unterschiede beider Geschlechter von denen der Sandbienen deutlich zu machen. Sie fliegt im Juli und August, besucht sehr gern die Distelköpfe und baut an sonnigen Hängen in größeren Gesellschaften beisammen.
Die rauhe Seidenbiene ( Colletes hirta), die den beiden vorigen Gattungen sehr nahe steht, baut ihr Nest in eine Erdhöhle, die sich, mehr wagerecht verlaufend, irgendwo im Lehmboden anbringen läßt. Die Zellen bestehen aus einer derben Haut, der einer Schweinsblase ähnlich, und liegen wagerecht eine hinter der andern. Man denke sich eine Reihe von Fingerhüten gleicher Weite, den folgenden mit seinem Boden in die Öffnung des vorigen geschoben, und man hat ein Bild von der Anordnung dieser Zellen, die außerdem noch durch einen Ring aus derselben Masse an der Verbindungsstelle je zweier zusammengehalten werden. Der Querdurchmesser einer Zelle beträgt etwa 7,18 Millimeter, die Länge ist nicht immer genau dieselbe und schwankt zwischen 15 und 17,5 Millimeter. Es bedarf wohl nicht erst der Erwähnung, daß die erste mit Futter (Honig und Blütenstaub) gefüllt und darauf ein Ei gelegt sein muß, ehe die Biene zur Anlage der zweiten fortschreiten kann. Die verpuppten Larven, oder vielleicht schon die entwickelten Bienen, bleiben über Winter in ihren Zellen und werden im Mai durch die schöne Witterung hervorgelockt. Die Zellen, die ich zu beobachten Gelegenheit hatte, waren an der Seite auf regelmäßige Weise geöffnet, woraus ich schließe, daß jede einzelne Biene unabhängig von der andern ihre Klause verläßt.
Unsere Biene hat die Größe und Körperform einer zahmen Arbeitsbiene, durchaus ein graubraunes Haarkleid, das jedoch auf dem Hinterleibe dünn genug ist, um die schwarze Grundfarbe durchleuchten zu lassen. Während beim Weibchen der obere Teil des Kopfes und die Unterseite des ganzen Körpers mehr schwarz erscheint, teils durch so gefärbte Haare, teils durch die Sparsamkeit der lichten, hat das etwas kleinere Männchen hier einen weißlichen Anflug, einen ebensolchen Haarschopf im Gesichte, und auf dem Rücken sind die Hinterränder der Leibesringe bei frischen Stücken gleichfalls etwas lichter. Die Behaarung der Hinterbeine ist bei dem Weibchen nur spärlich. Von den Sandbienen unterscheidet sich die Seidenbiene durch die vorn erweiterte, schwach ausgeschnittene Zunge und die damit im Einklange stehende Verkürzung der übrigen Mundteile.
Die Mörtelbiene, gemeine Mauerbiene ( Chalicodoma muraria), ist dem Ansehen nach eine Hummel. Das sitzende Weibchen sieht durchaus schwarz aus, einschließlich der Flügel, die nach der Spitze zu etwas lichter werden; das ausgebreitete Männchen kleidet sich fuchsrot; die Zunge ist sehr lang, die zugehörigen Taster sind zweigestaltig, die Kiefertaster zweigliedrig und die vorn verbreiterten Kinnbacken vierzähnig und vierfurchig. Der Bauch ist gleich dem Rücken stark behaart, und zwar beim Weibchen mit mehr borstigen, nach hinten gerichteten Haaren, um den Blütenstaub zur Futterbereitung damit einzutragen; es ist mit einem Worte ein Bauchsammler.
Nachdem sich im Mai die Bienen durch ein rundes Loch aus ihren Nestern hervorgearbeitet und unter stark summendem Umherfliegen gepaart haben, beginnt das Weibchen mit dem Bau und legt dabei seine natürlichen Anlagen als Maurer an den Tag, denn die Wohnungen werden an Steine, allenfalls auch an der festen, nicht lehmigen Außenseite eines Hauses angeklebt, wie es die Hausschwalbe mit ihrem Neste tut. Der Baustoff besteht aus feinen Sandkörnchen, die mittels Speichel sich so fest verbinden, daß Kraft und ein spitzes Werkzeug dazu gehören, um eine Zelle zu öffnen. In irgendeiner schwachen Vertiefung, welche die Biene überall an solchen Stellen findet, ohne lange suchen zu müssen, fertigt sie in kürzester Zeit eine aufrecht stehende Zelle von der Form eines kleinen, sich nach oben verengenden Fingerhutes. In einem Falle, wo ich ein Nest zerstört hatte, benutzte sie die stehengebliebenen Reste als Unterlage zum Neubau. Die Zelle ist inwendig geglättet, auswendig rauh, so daß man die Sandkörnchen unterscheiden kann. Sobald die Zelle so weit fertig ist, daß sie sich oben wieder verengt, wird sie voll Honigbrei getragen, ein Ei darauf gelegt und so eilig wie möglich durch einen dem Boden genau entsprechenden Verschluß vollendet. Sie sieht dann aus wie das geschlossene Gehäuse mancher Schmetterlingspuppen. Möglichst schnell muß die Verwahrung geschehen, weil allerlei Feinde umherlungern, die Böses im Schilde führen. Neben dieser ersten entsteht in gleicher Weise eine zweite Zelle, die in dem Winkel, den die Mauer mit der Böschung der ersten bildet, ihre Hinterwand bekommt. So wird nach und nach eine Vereinigung von mehr oder weniger Zellen fertig, die zum Teil neben, zum Teil übereinander liegen, ohne bestimmte Ordnung teils parallel, teils schräg gegeneinander gerichtet. Ihre Zahl hängt entschieden von der Witterung und von den sonstigen Störungen ab, denen das bauende Weibchen ausgesetzt ist. Eine eigentliche Heimat hat dasselbe nicht; denn der frei gelegene Ort, wo es die Zellen aneinander mauert, bietet ihm in keiner Weise ein Obdach. Ich entsinne mich, nie mehr, eher weniger als zehn Zellen In der Regel sind es fünf bis sieben. Hrsgbr. beisammen gefunden zu haben. Dieselben werden auf ihrer welligen Oberfläche roh geglättet, so daß das Nest schließlich einem Kotklumpen zum Verwechseln ähnlich sieht, den ein Bube an die Wand warf und der nun angetrocknet ist.
Nur ein Weibchen erbaut die eben näher beschriebene Zellengruppe, die anfangs Juli mit dem Verschwinden der Baumeisterin fertig ist. An einer andern Stelle in der Nähe arbeitet meist eine zweite, dritte; denn man findet jene »Anwürfe« in Mehrzahl. Dabei haben diese Bienen keinen Sinn für Geselligkeit; im Gegenteil, sie feinden sich nach Réaumurs Beobachtungen an. Während die eine arbeitet, erzählt er, kommt manchmal eine andere, welche die Zelle als ihr Eigentum beansprucht und sich nicht selten eine halbe Stunde lang gegen die zurückkehrende Eigentümerin wehrt. Sie fliegen mit den Köpfen gegeneinander und werfen sich zu Boden, wo sie sich wie Fechter miteinander herumbalgen. Bisweilen fliegt die eine senkrecht in die Höhe und läßt sich plötzlich auf die andere herunterfallen, die sodann auszuweichen sucht und rückwärts zu fliegen scheint. Endlich ermüdet eine und fliegt davon; ist es die Eigentümerin, so kommt sie bald wieder zurück und der Kampf beginnt von neuem. Ob sie sich dabei zu stechen suchen, wurde nicht beobachtet. Geht einmal eine Biene während der Arbeit zugrunde, so ergreift eine andere Besitz vom angefangenen Bau, auch geschieht dies, wenn ein altes Nest leer geworden ist, weil sich die Eigentümerin nicht mehr darum kümmert. Es kommt sodann eine andere, schafft die Gespinste und den Unrat heraus, trägt Futter ein und schließt die Zelle. Dabei gibt es gewöhnlich Kämpfe. So weit Réaumurs Bericht. – Die Made, deren Aussehen keine weitere Eigentümlichkeit bietet, ist bald erwachsen, spinnt eine glasige Haut um sich, wird zur Puppe und diese zur Biene, jedoch zu verschiedenen Zeiten. Im heißen Sommer 1859 fand ich schon am 15. August entwickelte Bienen, am 10. April des vorangegangenen Jahres noch Maden. Fest steht aber, daß jene auf natürlichem Wege nicht früher an das Tageslicht gelangen als diese, nämlich anfangs Juni.
Die Mörtelbiene hat manchen Feind aus den verschiedensten Insektenordnungen, nach von Frauenfeld die Meloë erythrocnemis, einen Käfer, und die Trauerfliege Argyromoeba subnotata; ich erzog aus einem Puppengespinste sechzehn Weibchen und zwei Männchen einer kleinen Zehrwespe, die Förster Monodontomerus Chalicodomae genannt hat, eine reichlich fünf Millimeter lange Pteromaline von dunkelgrüner Erzfarbe mit rostrotem Fühlerschaft und von den Schienen an mit ebenso gefärbten Beinen, um den Randast der ungeaderten Flügelchen etwas getrübt. Der Bohrer des Weibchens ist von Hinterleibslänge. Er konnte meiner Ansicht nach nicht die Steinhülle bis zur Larve durchdrungen haben, sondern die Eier mußten vor dem Schlusse der Zelle gelegt worden und erst viel später als das der Biene ausgeschlüpft sein, damit die jungen Lärvchen in der mehr oder weniger erwachsenen Larve ihre Nahrung vorfanden.
Von Bauchsammlern kennt man noch zahlreiche Arten, wie die Kugel- oder Wollbienen ( Anthidium), darum mit letzterem Namen belegt, weil sie ihr Nest mit wolligen Pflanzenstoffen ausfüttern. Ihr Hinterleib ist fast kugelig, kahl und gelbfleckig, oder gelb gerändert, was bei Bienen sonst selten vorkommt. Die Mauerbienen ( Osmia) haben einen gleich breiten, oben stark gewölbten Hinterleib, viergliedrige Lippen- und Kiefertaster. Die Randzelle der Vorderflügel liegt mit ihrer Spitze der Randader nicht an, und der zweite rücklaufende Nerv mündet merklich entfernt vom Ende der zweiten und zugleich letzten Unterrandzelle in diese. Sie legen ihre Nester in Mauerlöchern an, benutzen dazu auch den verlassenen Bau anderer Bienen in Holzpfosten, Baumstämmen usw. und fertigen mehrere fingerhutförmige Zellen aus Sand oder Erde; andere fand man in leeren Schneckenhäusern bauend, wie Osmidieolor. Ein hübsches, hierher gehöriges Tierchen ist die rote oder gehörnte Mauerbiene ( O. rufa oder bicornis), die wegen ihrer Größe und Bekleidung auf den ersten Blick an die gelbe Sandbiene erinnert. Ihr Hinterleib ist goldig fuchsrot, auf dem Rücken schwächer behaart, so daß die ehern glänzende Körperhaut durchscheint. Mittelleib und Kopf samt den Beinen sind schwarz behaart, und beim Weibchen ragen über dem Munde an den Kopfseiten zwei unregelmäßige, dicke Hörner gerade heraus. Sie fliegt sehr zeitig im Frühjahr, nistet gern in röhrenförmigen Höhlungen, die sie mit Lehm in Zellen teilt. Schenk fand zwischen Fensterrahmen und der Bekleidung am Weilburger Gymnasialgebäude eine Menge dieser Zellen, zwölf bis zwanzig nebeneinander, und alle aus Lehm gebaut. Nach Öffnen des Fensters konnte man in sie hineinsehen, da sie dadurch ihrer Bedeckung beraubt worden waren. In den ältesten befanden sich erwachsene Larven und wenig oder gar kein Futter mehr, in den folgenden wurden die Larven immer kleiner, die trockenen, pollenreichen Futtervorräte immer größer, dann folgten einige Zellen mit Eiern, und an der letzten baute die Biene noch, flog nicht weg, sondern legte sich wie die Hummeln mit emporgestreckten Beinen auf die Seite. Die zum Abfluß des Regens gebohrten Löcher erlaubten der Biene an bezeichneter Baustelle den Zutritt.
Sehr nahe verwandt mit der eben besprochenen Gattung sind die Blattschneider oder Tapezierbienen ( Megachile). Der Hinterleib des Weibchens flacht sich auf dem Rücken bedeutend ab und sticht mit dem Stachel meist nach oben; der zweite rücklaufende Nerv mündet näher dem Ende in die zweite Unterrandzelle, und der Kiefertaster setzt sich aus nur zwei Gliedern zusammen. Beim Männchen sind die Endglieder der Fühler breitgedrückt und die beiden letzten Hinterleibsringe nach unten eingekrümmt; ihrer verschiedenartigen Zähnelung wird eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt, wenn es sich darum handelt, die sehr ähnlichen Arten zu unterscheiden. Bei einer Abteilung haben die Männchen erweiterte Vorderfüße und weichen voneinander durch charakteristische Zeichnungen an der Innenseite der zugehörigen Schenkel ab, bei der andern bieten die Zähne am Ausschnitte der Leibesspitze, die Endglieder der Fühler und die Verteilung der Behaarung gute Anhaltspunkte.
Diese Bienen bauen ihre Nester in Baumlöcher, Mauerspalten, Erdhöhlen und fertigen hier fingerhutförmige, aneinander gereihte Zellen, die sie in ganz bestimmter Weise aus Blättern gewisser Pflanzen kunstvoll zusammensetzen. Man hat Blattstücke der Zitterpappel, Weißbuche, Rainweide, der wilden Mohnblüte und besonders des Rosenstocks als Baustoff im Neste gefunden.
Der gemeine Blattschneider ( Megachile centuncularis) trägt sich im Mittelleibe braungelb und schwärzlich untermischt. Das Alter läßt auch hier die Haare ergrauen, besonders beim Männchen, das sich die wenigsten Sorgen zu machen braucht. Den fast kahlen Hinterleib zieren nur vorn grauliche Zottenhaare und weiße, häufig unterbrochene Binden die Hinterränder vom zweiten bis fünften Ring. Rotbraune Sammethaare decken dicht den Bauch, und keine Ausschnitte, sondern nur undeutliche Zähnchen zeichnen das Spitzenglied des Männchens aus. Nach Smith fliegt diese Art nicht nur in Europa, sondern auch in Kanada und den Hudsonbailändern.
Ende Mai, Anfang Juni erscheinen die Bienen. Wie immer im Leben finden sich die beiden Geschlechter sehr bald zusammen, und nach der Paarung beginnen für das Weibchen die Sorgen. Ob diese Art ausschließlich in altem Holze oder auch in der Erde ihre Zellen baut, will ich dahingestellt sein lassen, jedenfalls sind derartige Zellen hier und dort gefunden worden und können möglichenfalls zwei verschiedenen Arten angehört haben. Die Höhle oder, besser gesagt, die Röhre war hier der Gang einer Weidenbohrerraupe, die weiter zurechtgenagt wird, dort ein etwas verfallenes Mauseloch, die eigene Geburtsstätte; kurz, überall mag die Anlage vorgefunden und zu dem bestimmten Zwecke noch vervollkommnet werden. Der Hauptteil der Arbeit besteht im Zellenbau. In einer gewissen Hast kommt die Biene herbeigeflogen, setzt sich auf ein Rosenblatt und zirkelt ein Stück von der nötigen Größe heraus. Beim letzten Biß hat sie es tütenartig gebogen zwischen den Beinen und ist damit auch schon in der Ferne verschwunden. War ihr die Bezugsquelle genehm, so ist sie sehr bald wieder da, um weitere Einkäufe zu besorgen. Die heimgetragenen Stückchen, zusammengebogen wie sie waren, werden jetzt losgelassen und schmiegen sich vermöge ihrer Federkraft an die Wand an. Da sind ihrer drei bis vier größere, auf sie folgt eine zweite Schicht aus gleich großen, die an einem Ende schmäler als am andern sind. Die vom gezähnten Blattrande gebildete Seite wird nach außen, die Schnittseite nach innen gelegt. In dieses Futteral bringt die Biene ein drittes aus abermals unter sich gleichen Stücken, die mit ihren Flächen die Fugen der vorigen decken, bis endlich der kleine Fingerhut fertig ist. Gefüllt mit Honig und beschenkt mit einem Ei, erfolgt der Verschluß mit einem vollkommen kreisrunden Stückchen, auf welchem der gerundete Boden der nächsten aufgesetzt wird und sich allmählich die Kette aufbaut. Die entwickelte Larve spinnt ein Gehäuse, und äußerlich bleibt alles bis zum nächsten Frühjahr in der Ordnung, wie es die sorgsame Mutter bei ihrem Tode hinterließ. Zu dieser Zeit wiederholt sich dasselbe, was schon bei der Holzbiene erzählt wurde, nur mit dem Unterschiede, daß der Ausmarsch nach oben erfolgt. – Obgleich die Biene, besonders das Männchen, nicht selten auf Blumen angetroffen wird, so hat man doch das Auffinden eines Baues immer einem besonderen Glücksumstande zuzuschreiben, da uns die Kunst der Wilden Neuhollands abgeht, die durch das Blatt gekennzeichnete bauende Mutter im Laufe zu verfolgen und uns von ihr das Nest zeigen zu lassen, wie sich jene den Meliponen gegenüber verhalten.
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Die große Menge zum Teil recht artiger Bienen, deren Weibchen weder an den Beinen, noch am Bauche mit Sammelhaaren ausgestattet sind, die man daher auch nie mit Blütenstaub in die Erdlöcher hineinkriechen sieht, in denen sie zu bauen scheinen, werden für Schmarotzerbienen erklärt. Es ist noch nicht sehr lange her, daß man das Schmarotzerleben gewisser Hummeln entdeckt hat, nach Smiths Beobachtungen sollen die Buckelbienen ( Sphecodes) keine Parasiten sein, während Lepeletier sie zu ihnen rechnet, und somit werden noch fortgesetzte und vorurteilsfreie Prüfungen nötig sein, um überall volle Gewißheit zu erlangen.
Die schmarotzenden Bienen legen ihre Eier in die fertige Zelle eines Wirtes, schaffen vielleicht auch das rechtmäßige Ei beiseite, wie der Kuckuck. Das geschieht in der Regel nicht. Da sich die Larve der Schmarotzerbiene rascher als die der Wirtsbiene entwickelt, muß diese sowieso zugrunde gehen. Hrsgbr. Die aus dem unberechtigten Ei schlüpfende Larve ernährt sich von den fremden Vorräten, und statt der Art, die sich mit dem Zellenbau abgequält hatte, kommt ein die Bequemlichkeit liebendes anderes, wenn auch verwandtes Tier zum Vorschein. Häufig sind die Schmarotzer den Arten ähnlich, bei welchen sie schmarotzen, und verschaffen sich durch diese Uniform den Zutritt zum fremden Nest. Hinsichtlich ihrer Mundbildung gehören die Schmarotzerbienen beiden natürlichen Familien, den Andreniden und den Apiden, an; ordnen wir daher die wenigen, hier näher zu besprechenden Arten hiernach und beginnen mit den langzungigen.
An die Hummeln schließen sich hinsichtlich des allgemeinen Körperbaues die Schmarotzerhummeln ( Apathus) an. Von den sechs in Deutschland lebenden Arten sind die Felsen-, Feld-, Sommer- und Wald-Schmarotzerhummeln ( Apathus rupestris, campestris, aestivalis und saltuum) die verbreitetsten. Ihre Weibchen unterscheiden sich von den wahren Hummeln durch folgende Merkmale: die Oberlippe ist unten stumpfwinklig, während sie dort gerade endigt, die Nebenaugen stehen in flacher Bogenlinie. Die Hinterschienen haben kein Körbchen, sondern nach außen eine erhabene und behaarte Oberfläche, ihre Ferse keinen Henkel. Die Oberseite des Hinterleibes ist mit Ausnahme der Endglieder fast kahl und glänzend, das letzte Glied eingekrümmt und auf der Unterseite mit einer winkeligen Erhabenheit versehen, die jederseits eine Ecke bildet. Ist es somit bei näherer Betrachtung leicht, ein Apathus- von einem Bombus-Weibchen zu unterscheiden, so bedürfen die Männchen sehr sorgfältiger Prüfung und lassen sich trotzdem noch leicht miteinander verwechseln. Der Kopf der Schmarotzerhummeln ist kürzer, fast so lang wie breit, vorn meist stärker behaart als hinten. Da die Weibchen ihre Eier in die Nester der geselligen Hummeln, und zwar derer legen, denen sie selbst am ähnlichsten sehen, so bedürfen sie keiner Gehilfen, wie jene, in den unausgebildeten Weibchen; sie erscheinen im Frühjahr, ihre Männchen merklich später. Man kam daher auf den Gedanken, daß sie wohl gar nicht eintragen möchten, sondern dies andern überließen, denen sie als Schmarotzer zur Last fallen. Ob eine solche Schlußfolgerung gerechtfertigt ist? Wahrscheinlich ist es doch so. Hrsgbr. Ich möchte es bezweifeln. Könnte nicht jemand dagegen folgende Betrachtung anstellen: eine Honigbiene verschluckt Honig und Blütenstaub, um Futter daraus zu bereiten; sie tut es in ihrem Hause; eine andere kann ja dasselbe in der Blume besorgen, heimkehren, ihre Zelle damit füllen und bedarf der äußeren Werkzeuge nicht, die der andern zu Gebote stehen. Die Natur ist mannigfaltig genug, um auch in dieser Beziehung eine kleine Änderung anzubringen.
Zu den gemeinsten und artenreichsten Schmarotzerbienen gehören die Wespenbienen ( Nomada), die buntesten in der ganzen Familie. Ihr meist nur 3,75 bis 13 Millimeter langer Körper ist fast kahl, der elliptische, beiderseits etwas zugespitzte Hinterleib gelb-, weiß-, rotfleckig oder bandiert, auf glänzend schwarzem oder rotem Grunde. Das Rückenschildchen trägt zwei Warzen. Die Hinterschienen sind zwar etwas breitgedrückt, aber nur mit wenig kurzen Härchen, besonders an der Unterseite, bekleidet. Die nach außen häufig getrübten Vorderflügel haben eine große Randzelle, die sich beiderseits mäßig zuspitzt, drei Unterrandzellen, deren erste ungefähr so groß ist, wie die beiden andern zusammen. Für die Mundteile gelten eine lange Zunge, zweigestaltige Lippen- und sechsgliedrige Kiefertaster als maßgebend. Das etwas kleinere Männchen unterscheidet sich durch schmäleren, spitzer endenden Hinterleib, den Mangel einer Franse, die am vorletzten Ringe des Weibchens sitzt, und meist durch dichtere Behaarung an der vorderen Leibeshälfte, besonders Silberbehaarung im Gesicht, von seinem Weibchen.
Die Wespenbienen schmarotzen hauptsächlich bei den Sandbienen, Schmalbienen und bei den Langhörnern, schwärmen also zahlreich da, wo diese ihre Erdlöcher haben. Man sieht dann die Weibchen in nicht eben raschem Fluge über die Erde hinstreichen, um die Nester jener an Dämmen, Rainen, Waldrändern usw. aufzusuchen. Die einen erscheinen sehr früh im Jahre, andere später, einige besonders im Herbste, nach Schenks Ansicht einige sogar zweimal im Jahre. Die Erstlinge versammeln sich mit ihren Wirten und andern Kerfen auf den blühenden Weidenkätzchen, an Stachelbeerblüten und später an blühenden Kräutern. Beim Ruhen vom Abend an und an unfreundlichen Tagen schon vor der Nachtzeit zeigen sie, die Heimatlosen, eine eigentümliche Gewohnheit. Sie beißen sich nämlich mit ihren Kinnbacken in ein Blättchen oder Zweiglein fest, ziehen die sämtlichen Beine an, legen die Fühler zurück und hängen so in senkrechter Stellung an ihrem Munde. Die zahlreichen, in Größe und Färbung oft veränderlichen Arten sind zum Teil schwer voneinander zu unterscheiden, und manche heimischen kommen auch in Nordamerika vor, während sie in den heißen Erdstrichen durch andere Formen vertreten sind. Erst im Spätsommer und Herbst zeigt sich die weißfleckige Wespenbiene ( Nomada Roberjeotiana). Der in beiden Geschlechtern breite und kurze Hinterleib ist im ersten Gliede rot, in den folgenden nach der Regel schwarz oder nach hinten allmählich durch rot in diese Farbe übergehend, beim Männchen mit dreieckigen weißen Seitenflecken, beim Weibchen nur mit zwei solchen jederseits und einem viereckigen an der Spitze. Der mattschwarze Mittelleib ist beim Männchen gelb gefärbt, wie das Gesicht und die Fühlergeißel unten, der Schaft, das Schildchen und die Beine sind mehr oder weniger rot, die hintersten außerdem an den Schenkeln schwarz gefleckt. Beim Weibchen sind die helleren Zeichnungen etwas sparsamer und nur bis rot herabgehend.
Kräftiger im Bau und am Kopf und Mittelleib zottig behaart sind die Trauerbienen, Waffenbienen ( Melecta), leicht kenntlich an den weißen Haarfleckchen auf dem schwarzen, breiten, hinten plötzlich zugespitzten Hinterleib. Die Randzelle ist regelmäßig oval, die drei Unterrandzellen, ebenso die Mundbildung wie vorher. Am stark gewölbten Schildchen werden zwei Seitenzähne durch die Behaarung versteckt. Das Weibchen sticht mit einem sehr langen und kräftigen Stachel nach oben, während das Männchen gern um sich beißt. Sie schmarotzen bei Anthophora und, wie Lepeletier meint, bei den größeren Megachile-Arten. Die gemeine Waffenbiene ( Melecta punctata K.) ist an der vorderen Leibeshälfte schmutziger weiß (graugelb) behaart und schmarotzt vorherrschend bei Anthophora retusa. Die punktierte Waffenbiene ( Melecta luctuosa Scop.) ist an denselben Stellen rein weiß behaart, schmarotzt vorherrschend bei Anthophora aestivalis und fliegt daher zum Aufsuchen der Nester an der Erde entlang, wenn sie nicht am Natterkopfe und andern Blumen der Nahrung nachgeht.
Die Kegelbienen ( Coelioxys), nächst den Wespenbienen für unsere Gegenden das artenreichste Schmarotzergeschlecht, das in seiner Körpertracht durchaus den Bauchsammlern unter den Kunstbienen entspricht, nur daß, wie der Name andeuten soll, der Hinterleib beim Weibchen spitz endigt, stumpfer und mehrzähnig beim Männchen und auch hier nach oben gebogen ist. Außerdem charakterisieren das erhabene, jederseits bedornte Rückenschildchen, nur zwei Unterrandzellen, eine kurze, viereckige Oberlippe und ein eigentümlicher, unangenehmer Geruch die schwer zu unterscheidenden Arten, die sämtlich schwarz aussehen und mit verwischten weißen Haarflecken oder Binden gezeichnet sind. Sie schmarotzen bei denselben Gattungen wie die vorigen und bei Saropoda.
Vor einer Reihe von Jahren führte mich mein Weg in der ersten Hälfte des Juni an das Stallgebäude einer ländlichen Wirtschaft. Die Vorderseite desselben bestand aus einer ziemlich langen, nicht übertünchten, gegen Mittag gelegenen Lehmwand und war reich gesegnet mit Bienen, Mauer- und Goldwespen, wie ich nie wieder so viele beieinander gesehen habe. Die Wand war fast siebartig durchlöchert. Von den Bienen herrschten vor die drei Gattungen Anthophora, Melecta und Coelioxys, schwärmten und summten durcheinander, daß es ein Vergnügen gewährte, dem bunten Treiben zuzuschauen, und ich nur bedauerte, einen so prächtigen Beobachtungsplatz nicht näher meiner Behausung zu haben. Unsere beiden Schmarotzer lungerten hier und da umher und paßten nur den günstigen Augenblick ab, in dem eine Schnauzenbiene ausfliegen würde. Kaum war sie fort, so stellte sich auch schon ein Unberufener ein, um die Wohnung genau zu untersuchen. Ließ er sich unvorsichtigerweise einmal von der zu früh heimkehrenden Eigentümerin erwischen, so gab es einen Kampf, der gefährlicher aussah, als er wirklich war; denn die rechtmäßige Bewohnerin ging bald nach der Balgerei ihrer gewohnten Beschäftigung nach, und die andere hatte die erhaltene Lehre schnell wieder vergessen; auch sie setzte ihre Schnüffeleien fort, geschah es nicht in dem, so geschah es in einem andern Nest. Den Schmarotzern im Bienengewande ganz ähnlich treiben es die kleineren, nach ihrem prächtigen Goldglanze benannten Wespchen, deren persönliche Bekanntschaft wir bald machen werden. In der Regel finden jedoch keine Kämpfe statt. Die Schmarotzerbienen werden von ihren scheinbar arglosen Wirten gar nicht beachtet. Hrsgbr.
Hiermit verabschieden wir uns von den Blumenwespen und wenden den Raubwespen unsere Aufmerksamkeit zu, die im Grunde weniger durch ihre Lebensweise als in der äußeren Erscheinung zu verschieden sind, um in einer einzigen Familie vereint bleiben zu können.
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Die Faltenwespen oder Wespen schlechtweg ( Diploptera, Vesparia) zeichnen sich vor allen andern Hautflüglern dadurch aus, daß in der Ruhelage die Vorderflügel in einer Längsfalte die hinteren teilweise umfassen und, zur Seite des Hinterleibes Platz greifend, diesen nicht bedecken. Der nackte oder fast nackte Körper hat meist nicht die schwarze Hautfarbe, die bei den Blumenwespen zur Regel gehört, sondern gelbe, auch weiße Flecke oder Binden erzeugen am Kopf und Hinterleib bunte Abwechslung. Wir finden ähnliche Färbungen in späteren Familien wieder, aber im Gefolge anderer Fühler-, anderer Flügelbildung, so daß bei einiger Umsicht keine Verwechslungen möglich sind. Unsere Wespen tragen, wie die Bienen, gebrochene Fühler, bei den Männchen wegen geringerer Entwicklung des Schaftes allerdings weniger augenfällig, und einen Wehrstachel nur im weiblichen Geschlecht und in dem dritten Stande der unentwickelten Weibchen, wo er vorkommt. Obgleich die Wespen selbst nur den Süßigkeiten nachgehen, die sie mit bei den meisten kurzer Zunge auflecken, verwöhnen sie ihre Larven nicht durch dergleichen Leckerbissen. Dieselben werden vielmehr infolge der Raubtiernatur mit andern Kerfen aufgefüttert, die in zerkauten Bissen verabreicht werden. Die größte Zahl der Familienglieder bewohnt die wärmeren Erdstriche, während Europa einen verhältnismäßig nur schwachen Beitrag liefert; je weiter sich ein Land vom Gleicher entfernt, desto ärmer wird es an Wespen.
In ihrem Körperbau und teilweise in der Lebenseinrichtung bieten die Faltenwespen trotzdem mancherlei Unterschiede und Grund zu einer Verteilung auf drei Sippen. Bei den einen haben die Vorderflügel nur zwei geschlossene Unterrandzellen, nimmt das Kopfschild in einer vorderen Ausrandung die Oberlippe auf und endigt die Zunge in zwei feinen Fädchen. Das Schildchen reitet auf dem dahinter liegenden Teile, dem sogenannten Hinterschildchen. Die Fühler endlich erscheinen aus nur acht Gliedern zusammengesetzt, indem die letzten, nach vorn keulenartig anschwellenden, zu dicht aneinander liegen, um erkannt werden zu können. Mit den eben erwähnten Kennzeichen stattete Mutter Natur die Schmarotzerwespen ( Massaridae) aus, etwa dreißig Arten, die in warmen Ländern leben und auch in zweien, Celonites apiformis und Ceramius Fonscolombi, dem südlichen Europa angehören. Die Lebensweise der meisten ist noch nicht hinreichend erforscht, da man sie aber bei einigen als eine schmarotzende erkannt hat, meint man, die ganze Sippe als solche bezeichnen zu dürfen.
Die Lehm- oder Mauerwespen ( Eumenidae) bilden die zweite Sippe. Sie haben im Vorderflügel drei geschlossene Unterrandzellen (man könnte sogar von vieren sprechen, weil der Cubitus meist bis zum Flügelsaume reicht), eine lange, dreiteilige Zunge, fadenförmige Taster, sechsgliedrige an den Kiefern, viergliedrige an der Unterlippe, ein herzförmiges oder ovales, nie in einen Zahn auslaufendes Kopfschild; die Augen reichen bis zur Wurzel der Kinnbacken herab und sind am Innenrande, nahe dem Scheitel, tief ausgeschnitten. Die gebrochenen Fühler verdicken sich schwach nach vorn und bestehen aus zwölf oder dreizehn Gliedern. Die Kinnbacken, länger als breit, Pflegen schnabelartig nach unten zu stehen. Die Krallen der Füße tragen an der Innenseite einen, in seltenen Fällen mehrere Zähnchen, und die Mittelschienen nur einen Sporn. Wie die vorigen leben sie einzeln, vorzugsweise in Lehmwänden, steilen Abhängen fetten Sandes, einige in trockenen Pflanzenstengeln, in welchen sie Zellenreihen von Erde anlegen ( Odynerus rubicola), unsere heimischen Arten wenigstens nie in schlichter Erde oder lockerem Sande, und versorgen ihre Brut einfürallemal mit dem gehörigen Vorrate eingetragener Larven.
Die Papierwespen ( Vespidae) endlich leben zumeist gesellig, haben unfruchtbare Weibchen als Arbeiter, bauen sehr künstliche Nester, in denen diese die Brut auffüttern, wie die Honigbienen und Hummeln. Äußerlich stimmen sie sonst in allen Stücken mit den vorigen überein, haben aber einfache Fußklauen, an den Mittelschienen zwei Sporen, eine kurze, vierlappige Zunge, kürzere Kinnbacken, bis zu deren Wurzel die Augen meist nicht herabreichen, und ein mehr viereckiges Kopfschild. Die beiden letzten Sippen führten bei Linné den Gattungsnamen Vespa.
Ein ungemein artenreiches, über die ganze Erde verbreitetes Geschlecht der Lehmwespen, das die eine Grundgestalt des Hinterleibes vergegenwärtigt, ist Odynerus. Dieser nämlich anhangend, beginnt mit einem mehr oder weniger glockenförmigen Gliede, das in der Weise schmäler als das zweite wird, daß der Hinterleib an der Verbindungsstelle beider etwas eingeschnürt erscheint und besonders am Bauche eine tiefe Grube bekommt; das Kopfschild ist ausgerandet und läuft seitlich in je ein Zähnchen aus. Schwarz, lebhaft gelbe Binden am Hinterleib und vielleicht noch gelbe Fleckchen am Kopf oder Mittelleib, stellt sich als die fast allen Arten gemeinsame Tracht heraus. Das kleinere, schlankere Männchen hat eine etwas breitere Hinterleibsspitze mit zwei Anhängen an den Geschlechtswerkzeugen, die nach dem Tode nicht selten wie zwei kleine Stacheln, jederseits einer, aus jener hervorragen; außerdem charakterisiert es sich bei vielen Arten noch durch die an der Spitze spiralig nach außen umgebogenen Fühler. Man hat in Rücksicht auf kleine Abweichungen von diesem allgemeinen Bau, ob z. B. der Hinterrücken gerundet oder kantig, das erste Hinterleibsglied gerundet oder durch eine Querleiste vorn in einen steil abfallenden vorderen und einen wagerechten hinteren Teil geschieden ist, ob die Kinnbacken drei, auch vier, oder ob sie fünf Zähne an der Kaufläche haben, ob die rücklaufenden Adern näher oder ferner von den Enden der zweiten Unterrandzelle münden usw., in neueren Zeiten verschiedene Gattungen davon abgetrennt, die aber entschieden vielfach ineinander übergehen.
Die Mauer-Lehmwespe ( Odynerus parietum) ändert in der gelben Zeichnung und der Größe (6,5 bis 13 Millimeter) mannigfach ab und hat daher von den Kerfkennern mehrere Namen erhalten. Es wäre eine sehr ausführliche Beschreibung nötig, um sie mit Sicherheit von mancher ähnlichen Art zu unterscheiden. Der Hinterrücken hat eine Mittelfurche und fällt gegen den ersten Hinterleibsring steil ab; dieser, vorn gleichfalls steil abschüssig, wird hinten von einer gelben, seitlich weit vorgreifenden Binde besäumt, in ihrem Verlaufe gleich breite Binden zieren die übrigen Ringe, und auch am Bauche werden gelbe, in der Mitte breitere, nach der Spitze hin nur als Mittelflecke angedeutete Einfassungen sichtbar. In der Regel sind die Beine von der Hinterhälfte der Schenkel an gelb, am Mittelleibe der Halskragen, je ein runder Fleck unter der Flügelwurzel, zwei solche nebeneinander auf dem Schildchen, auch wohl eine Linie dahinter, und ein Teil der Flügelschüppchen, am Kopfe das Schild ringsum, ein Fleckchen auf jeder Kinnbacke, eins zwischen den Fühlern, deren Schaft unterwärts und bisweilen noch je ein Fleckchen hinter dem oberen, äußeren Augenrande. Die gelben Zeichnungen an Kopf und Brustkasten bedingen besonders die vorkommenden Abarten. Beim Männchen biegen sich die beiden letzten Fühlerglieder hakig nach hinten, das Kopfschild ist durchaus gelb, aber der Fleck unter den Flügeln fehlt.
Die Mauer-Lehmwespe erscheint in den letzten Tagen des Mai, und man kann das Weibchen den ganzen darauf folgenden Monat mit der Fürsorge für die Nachkommen beschäftigt sehen. Sein Nest legt es in einer alten Lehmmauer oder in der Wand einer Lehmgrube an. Es arbeitet nach und nach mit seinen Kinnbacken ein Loch von etwa zehn Zentimeter Tiefe und einem Umfange, der denjenigen seines Körpers wenig übertrifft; dabei wird der fortzuschaffende Lehm fleißig mit Speichel und gewiß auch durch reichliches, zu diesem Zwecke eingenommenes Wasser benetzt und erweicht. Diese gelockerten Klümpchen finden weitere Verwendung. Die Wespe legt damit vor dem Eingange ihrer Wohnung ein Rohr an, das in dem Maße wächst, als das Loch größer wird. Es geht anfangs in zur Mauer senkrechter Richtung von der Mauer ab, biegt sich aber allmählich nach unten. Die einzelnen Lehmsteinchen, die mit Hilfe des Mundes und der Vorderbeine ringsum angesetzt werden, läßt der Bau noch erkennen. Nicht aller Lehm, der aus der Mauer geschafft werden muß, um dem Nest seine gehörige Tiefe zu geben, wird äußerlich an die Galerie angesetzt; denn man kann öfters beobachten, wie die Wespe ihren Kopf aus der Mündung dieser hervorsteckt und ein Klümpchen aus ihrem Munde herabfallen läßt. Man hat verschiedene Gründe aufgesucht, die wohl das Tier zu solch einem Vorbau bestimmen könnten, und gemeint, er solle Schutz gewähren vor feindlichen Angriffen, die brennende Hitze der Sonnenstrahlen abhalten, oder welche wunderliche Ansichten noch zutage gefördert worden sind. Ohne meine Ansicht durch direkte Beobachtung beweisen zu können, meine ich, daß die Wespe das Baumaterial in der Nähe haben will, wenn sie später das Nest zu verschließen hat. Ist die Wohnung fertig, so beginnt das Eintragen der Nahrung. Die sorgsame Mutter bringt, sie mit den vorderen Beinen an ihre Brust drückend, im Fluge Larven angetragen, die irgendeinem Blattkäfer, gewiß auch noch andern Kerfen, wie kleinen Schmetterlingen, angehören. Ist sie angelangt, so faßt sie die Beute am Kopf, zieht sie, darauf reitend, bis nach dem hintersten Raume des Nestes und drückt sie an die Wand an; die nicht getötete, sondern durch den Stich nur gelähmte und willenlose Larve nimmt eine ihrer Körperform entsprechende ringartige Lage in der engen Röhre ein. Eine zweite, dritte, bis acht und noch mehr, die sämtlich regelmäßig nebeneinander geschichtet werden, folgen nach und erfüllen den Brutraum. Wenn der ausreichende Vorrat zusammen ist, wird ein Ei dazugelegt und die Öffnung mit Lehm verschlossen.
Um ein zweites Ei absetzen zu können, muß die Baukunst von neuem in Anwendung kommen. Daß die Arbeit bei günstiger Witterung indes schnell vonstatten gehen müsse, folgt aus einer Beobachtung Réaumurs, der in Zeit von einer Stunde eine Wespe bis zu ihrer Körperlänge in die Mauer vordringen sah. Indes gilt hier die schon früher geäußerte Bemerkung wieder, daß schon vorhandene, alte Baue benutzt werden; auch glaubt man, daß die der Schnauzenbienen zur Verwendung kämen. Nach wenigen Tagen schlüpft die Made aus, läßt eine Larve nach der andern bis auf ihre Haut verschwinden und ist nach höchstens drei Wochen erwachsen. Hierauf spinnt sie ein schmutzig braunes, ziemlich festes Gehäuse, das auf dem Boden ihres Lagers festgeklebt ist, und wartet hier das Frühjahr ab. Wenige Wochen vor dem Erscheinen der Wespe wird sie zur Puppe, und jene durchbricht den Verschluß ihrer Zelle leicht, um an das Tageslicht zu gelangen. Wesmael erzählt ein artiges Geschichtchen: Eine Wespe fand ein von einer Blattwicklerraupe zusammengerolltes Blatt auf, untersuchte die beiden offenen Enden mit den Fühlern, lief dann in die Mitte, zwickte die Rolle mit ihren Zähnen, eilte sodann wieder nach beiden Enden, untersuchte sie und wiederholte das Zwicken und Nachsehen, bis endlich das gestörte Räupchen an der Öffnung seiner Wohnung erschien; hier ward es sofort erfaßt und fortgeschleppt.
Eine weitere sehr ähnliche Art ist die Antilopen-Lehm-Wespe ( Odynerus Antilope), deren reichlich 15 Millimeter messendes Weibchen an dem gelben oberen Bogenrande des Kopfschildes und an dem breiteren Ausschnitte zu erkennen ist, der die gelbe Binde des ersten Hinterleibsgliedes auszeichnet. – Die zahnbeinige Lehmwespe ( Odynerus spinipes) hat keine Quernaht am ersten Hinterleibsgliede, wie die beiden vorigen, keinen Ausschnitt an der gelben Binde desselben und schmälere Binden an den übrigen Ringen; bei dem Männchen sind überdies die Mittelschenkel unterwärts mehrfach stark ausgekerbt und die Fühler an der Spitze stark spiralig gewunden. Saussure beschreibt zweihundertsieben Arten von dieser Gattung aus allen Erdgegenden.
Eine zweite Formenreihe der Lehmwespen bietet die ebenso ausgebreitete, aber artenärmere Gattung Eumenes, die der ganzen Sippe ihren Namen gab und neuerdings gleichfalls in mehrere Gattungen zerlegt worden ist. Der Hinterleib ist hier gestielt, d.h. das erste, hinten stark angeschwollene Glied verengt sich nach vorn stielartig, und der vom zweiten an spindelförmige, vorn sich gleichmäßig in sanfter Rundung einschnürende Hinterleib setzt sich daran. Dieser Bau gibt so recht eigentlich die schlanke »Wespentaille«. Der Brustkasten, an sich schon kurz, fast kugelig, erscheint gegen einen so gestreckten Hinterleib wesentlich verkürzt. Beim Männchen, das an der Hinterleibsspitze das vorher schon erwähnte Erkennungszeichen trägt, bildet das letzte Fühlerglied einen dünnen, stark zugespitzten Haken, das vorletzte ist sehr kurz und merklich dicker, das drittletzte wächst noch mehr im Umfange.
Die einzige Art, die in Europa am nördlichsten geht und auch in Deutschland nicht zu den Seltenheiten gehört, ist die Pillenwespe ( Eumenes pomiformis), das Männchen führt auch den Namen Eumenes corctata). Ihr Kopfschild randet sich vorn deutlich aus, der Mittelleib fällt hinten steil ab, das erste Hinterleibsglied erscheint in seiner etwas größeren hinteren Hälfte becherförmig, das zweite kommt ihm an Länge gleich, hat aber den vierfachen Umfang. Der 13 bis 15 Millimeter lange Körper ist schwarz, reicher gelb gezeichnet als die vorigen Arten, und wenn möglich noch veränderlicher. Lepeletier fand an einem Strauche derbe Lehmzellen, so ziemlich von der Größe und Gestalt einer Haselnuß; sie enthielten ähnliche grüne Larven wie die Nester der Odynerus parietum, und er vermutet, daß sie der Pillenwespe angehörten, weil er bei einer andern Gelegenheit an einem feuchten, rauhen Sommertage unter gleichen Verhältnissen eine angefangene Zelle bemerkte, in der ein Weibchen der genannten Wespe saß und sich bei seiner Annäherung zur Wehr setzte; in andern vollendeten Zellen lagen die eben erwähnten grünen Larven, überdies wird von dieser Art behauptet, daß sie zwei Bruten im Jahre habe, indem von den überwinterten Weibchen im Juni die Nachkommen erschienen und sich von diesen im August, nach dreiundzwanzigtägiger Entwicklungszeit, dieselben zum zweiten Male zeigen. Die gemeine Goldwespe ( Chrysis ignita) gehört zu den Schmarotzern der Pillenwespe.
Die Mehrzahl der geselligen oder Papierwespen ( Vespidae) setzt uns durch den Bau ihrer Burgen und Paläste in Staunen und Verwunderung. Nun und nimmermehr suchen wir bei einem so kriegerischen, wilden Wesen, als die uns doch alle Wespen erscheinen müssen, den Sinn für die Werke des Friedens. Auch hier finden wir Waben wie bei den Honigbienen, aber keine doppelten, sondern einfache, mit den Öffnungen der Zelle nach unten gerichtete und nicht aus Wachs bereitete; auch hier unentwickelte Weibchen, die als »Arbeiter« dieselben erbauen. Den Baustoff liefern vorherrschend Pflanzenteile, die, durchkaut und reichlich mit dem chitinhaltigen Speichel gemischt, zu jenen spröderen oder mehr federnden Kunstwerken werden. Die sehr elastischen, papierartigen Nester bestehen aus langen Bastzellen, die pappartigen aus verfilzten Pflanzenhaaren oder einem Gemenge solcher mit ähnlichen Gefäßbündelstückchen. Das mehr bröckelige Erzeugnis unserer Hornissen ist Rindenparenchym und erscheint immer gebändert, weil es verschiedenen Bäumen entnommen wurde. In wenigen Fällen verarbeiten ausländische Wespen auch tonige Erde oder den Mist pflanzenfressender Tiere.
Weit mannigfaltiger als der Stoff ist der Bauplan und die Anheftungsweise der Nester. Die einen legen sich tafelförmig an die Unterseite eines Blattes oder an einen Baumstamm an, die andern umfassen mit ihrem oberen Ende einen Ast und hängen in Form einer Walze, eines stumpfen Kegels, einer Kugel oder einer Halbkugel daran herunter, oder verstecken sich zwischen Zweigen und Blättern, von denen sie teilweise durchsetzt werden; in noch andern Fällen enthält der ganze Bau in einem oder in mehreren Stielen seinen Stützpunkt. Das einfachste Nest besteht aus einer, auch aus mehreren Reihen sechsseitiger Zellen, die am häufigsten rosettenförmig in einem Kreise stehen, die Mündungen nach unten gerichtet. Ständen die Waben aufrecht, so würde sich die Nässe des Regens in ihnen ansammeln, außerdem ging die Wärme, die zum Ausbrüten der Larven und deren Entwicklung unumgänglich notwendig ist, stets verloren. Mit diesem einfachen Baue begnügen sich jedoch die meisten Wespen, besonders diejenigen nicht, die in größeren Gesellschaften beisammen wohnen. Sie umschließen in der Regel ihre Waben mit einer Hülle, und zwar auf zwei wesentlich verschiedene Arten. Sie bauen deckelwabige oder säulenwabige Nester, wie man sich kurz ausdrücken kann. Betrachten wir beispielsweise das zierliche Nest der 6,6 Millimeter langen Polybia sedula aus Südamerika. Das Wespchen erscheint durch reichlich blaßgelbe Zeichnung auf mattschwarzem Grunde bunt und heftet sein Nest mittels einiger Stielchen an die Unterseite eines Blattes. Ist die erste Wabe fertig, so wird unter ihr in ungefähr halber Zellenlänge ein Deckel als Schluß angebracht und durch die Verlängerung der Seitenwände jener an ihr befestigt. Zum Eingang bleibt seitlich ein Flugloch. Weil sich die kleine Gesellschaft vermehrt, wird die Behausung zu eng. Dem läßt sich ungemein leicht abhelfen; an den Deckel der ersten Wabe baut man eine zweite an, ungefähr in dem gleichen Umfang wie die erste, verlängert die Außenwände der Randzellen, um wieder einen Deckel für diese zu bekommen, der in gleichem Abstände unter den Zellenmündungen hinläuft und in seiner Verbindungswand mit der Wabe ebenfalls ein Flugloch bekommt. Je nach dem Bedürfnis lassen sich die Stockwerke vermehren, und das ganze Nest bildet zuletzt eine immer länger werdende Walze. Bei einer andern Art kann es die Kegelform annehmen, bei einer dritten in der Mitte mehr anschwellen.
In etwas veränderter Weise baut die Polybia rejecta. Sie legt die erste Wabe fest um einen Zweig und läßt in der Mitte des Deckels das Flugloch. Bei Vergrößerung des Nestes durch eine zweite Wabe bleibt für diese an der entsprechenden Stelle das Flugloch offen, das erste bekommt einen schnürösenartigen Ansatz und wird jetzt Fahrloch genannt. In dieser Weise setzt sich der Bau fort. Ebenso baut der Chatergus chartarius, eine mittelgroße Wespe von schwarzer Farbe, deren anhängender Hinterleib gelb bandiert ist. Die in Cayenne sehr häufige, schwarze Tatua morio, deren breiter Hinterleib sich wie bei Eumenes vorn etwas stielartig verdünnt, und deren Flügel stark gebräunt erscheinen, hängt ihre manchmal mehrere Fuß langen Nester an Zweige, die ganz ebenso umfaßt werden wie bei der Polybia rejecta. Dieselben unterscheiden sich in ihrer Bauart nur dadurch von denen der eben genannten, daß das Flugloch und dem entsprechend die Fahrlöcher nicht in der Mitte des Deckels, sondern an seiner Seite, nahe der Hüllenwand, angebracht sind. Diese Nester sehen braun aus, sind sehr hart und dick, und sie müssen sehr viel Nässe aushalten. Sie werden nämlich mit Beginn der Regenzeit angelegt und wachsen während derselben immer größer, überziehen sich infolge der Feuchtigkeit mit Moos und andern kryptogamischen Pflänzchen, werden zu »bemoosten Häuptern«, die lange noch an den Bäumen hängenbleiben, nachdem sie mit Beginn des Winters, der trockenen Jahreszeit, ausgestorben sind. Das Pariser Museum bewahrt nach Saussure ein zusammengedrückt walzenförmiges Nest der Polybia liliacea Brasiliens auf, das durch seine Größe Zeugnis von der ungeheuren Menge gibt, in der diese Wespen beisammen wohnen können. Dasselbe ist unten abgebrochen, mithin unvollständig, und mißt dennoch bei einer Breite von 31,4 bis 62,8 Zentimeter 125,5 bis 157 Zentimeter in die Länge, indem es aus sechsundzwanzig Waben oder Stockwerken aufgebaut ist. Es erweitert sich allmählich nach unten, hat eine runzelige, dünne Hülle, braunrote Farbe, ziemlich grob holzartiges Ansehen und die Fahrlöcher in der Mitte der Deckel. Die Polybia cayennensis baut gleichfalls deckelwabige Nester aus einem eisen-, quarz- und glimmerhaltigen Tone von gelbgrauer Grundfarbe, und hängt sie an dünnen Zweigen auf, die schief abwärts wachsen. Die bedeutende Schwere des Baustoffes setzt hier der Größe bald Grenzen. Nester von 36,6 Zentimeter Länge und 10,5 Zentimeter Breite gehören zu den umfangreichsten, die bisher aufgefunden worden sind. Bei allen diesen Nestern und andern nach ihrem Stil gebauten, den deckelwabigen, wie wir sie nannten, hängt die Hülle auf das engste mit den Zellen zusammen, und jeder Hohlraum zwischen beiden fehlt. Keine einzige europäische Faltenwespe fertigt solche Nester an, wohl aber zahlreiche Arten, die im südlichen Amerika heimaten.
Die Wespen der Alten Welt sowie viele amerikanische, die ihre »säulenwabigen« Nester mit Hüllen umgeben, folgen einem andern Plane. Dieselben umschließen ringsum in gewissem Abstand die Waben, die durch Säulchen aneinander befestigt sind und wie Stockwerke aufeinander folgen, mit einem »Mantel«. Die Fahrlöcher werden hier überflüssig, weil die Waben ringsum zugänglich sind. Bei allen diesen Nestern herrscht die Ei- oder Kugelform vor, in ihren inneren Einrichtungen können jedoch zwei wesentliche Verschiedenheiten vorkommen. Der südamerikanische Chatergus apicalis, ein durchaus schwarzes Wespchen, legt mehrere gestielte Waben untereinander an einem Zweige an und umgibt sie mit einer aschgrauen, papierähnlichen Hülle. Wieder anders sehen die Nester anderer Arten aus, die nach gleichem Plan bauen. Während hier die Säulchen, welche die Waben tragen, einzeln am fremden Gegenstand angeheftet werden, verbinden sie in den meisten Fällen die Waben untereinander, wie beispielsweise die Polybia ampullaria; zur Erläuterung sei nur noch hinzugefügt, daß die zweite Wabe durch einen Seitenpfeiler mit der Hülle zusammenhängt. Mit diesem Nest stimmen im wesentlichen die Nester unserer Wespen überein, von denen sich die einen an den Zweigen von Buschwerk oder Bäumen, andere in Erdlöchern, wieder andere in hohlen Baumstämmen, unter vorspringenden Wetterdächern oder an ähnlichen Stellen finden, die vor dem Einflusse des Regens geschützt sind. Je nach der Baustelle ändert die Wespe dann nicht selten den Plan. So bedürfen die Hornissennester, die in einen hohlen Baumstamm eingekeilt sind, der Hülle nicht, diese fehlt dagegen nie, wenn die Gesellschaft das Nest frei aufhing. – Abweichend von den eben besprochenen Hauptformen bauen die zahlreichen kleinen Arten der im heißen Amerika sich weit verbreitenden Gattung Nectarinia. Die papierartige Hülle ist im allgemeinen kugelig, besteht nur aus einem Blatte und nicht aus Schichten blattartiger Stückchen, wie die meisten andern, außerdem umschließt sie keine Stockwerke im Innern; vielmehr bilden die Zellen konzentrische, ineinander geschachtelte Kugeln von größerer oder geringerer Regelmäßigkeit und zerbrechlichem Baustoff. Die Waben Diese Wespen speichern in ihren Waben auch Honig als Mundvorrat auf. Er ist bei den Indianern sehr beliebt. Wenn jedoch die giftigen Blüten von Datura blühen, ist sein Genuß gefährlich, da das Gift auch in den Honig übergeht. Hrsgbr. sind durch Bänder an die Hülle und durch spiralig gewundene Papierstreifen miteinander befestigt. An diesen letzteren Verbindungsstellen behalten sie Öffnungen, so daß die Streifen gewissermaßen die Treppen darstellen, die zu den Waben führen. Indem sie aber wieder als Böden der Zellen dienen, erfüllen sie einen dreifachen Zweck. Das Innere ist von zahlreichen Ästen durchzogen, die dem losen Bau mehr Halt verleihen. Derartige Nester erlangen manchmal 62,8 Zentimeter im Durchmesser und sind außerordentlich reich an Zellen. Diese Andeutungen müssen genügen, um einen Begriff von der großen Mannigfaltigkeit zu geben, die uns neben der Zierlichkeit in der Ausführung das höchste Staunen abnötigt. Alle diese Bauten sind nur auf einen Sommer berechnet. Im Frühling wurden sie von einem befruchteten Weibchen, das den Winter über versteckt war, begonnen, mit der Zeit durch die zahlreichen Arbeiter vergrößert, genau in dem Plane, welchen die Stammutter angab, und wenn die böse Zeit herannaht, sind sie verödet und verlassen, gerade so wie bei den Hummeln.
Die mehrfach erwähnte, hauptsächlich in Südamerika zahlreich vertretene, überhaupt nur den Gleicherländern angehörige Gattung Polybia erinnert in der äußeren Erscheinung lebhaft an Eumenes. Der Hinterleib ist hier ebenfalls durch einen hinten stark angeschwollenen Stiel vom Bruststücke abgerückt. Gedenkt man aber der bereits angeführten Sippenunterschiede, daß hier die Mittelschienen immer zwei Enddornen, die Füße einfache Klauen tragen, daß die Augen nicht bis zur Wurzel der Kinnbacken herabreichen, so wird man nicht im Zweifel sein, ob man eine gesellige oder eine einsam lebende Wespe vor sich habe, überdies erreichen die Polybien nicht die Größe vieler Eumenesarten, haben vom zweiten Gliede ab einen mehr ovalen oder fast kugeligen Hinterleib, während er sich dort in der Regel spindelförmig nach hinten stark zuspitzt. Der Körper färbung scheint hier eine andere Idee zugrunde zu liegen, und so lassen sich allerlei Unterscheidungsmerkmale zwischen beiden auffinden.
Eine zweite, über alle Weltteile verbreitete Gattung geselliger Wespen heißt Polistes. Der Hinterleib ist hier im Umrisse lanzettförmig, das erste Glied verengt sich zwar allmählich nach vorn, verlängert sich aber nicht stielartig, und indem der Hinterrücken schräg abfällt, entsteht zwischen ihm und dem Hinterleibe eine bedeutende Kluft. Das Kopfschild ist vorn winkelig vorgezogen, am oberen Rande fast gerade abgestutzt und ein Fühler vom andern ziemlich entfernt. Die in Länge und Breite nahezu gleichen Kinnbacken sind an der Kaufläche von vier Zähnen bewehrt, deren drei gleiche hinterste gleiche Abstände voneinander haben, während der Spitzenzahn, welcher dem Nachbar sehr nahe steht, sich durch Kürze und Stumpfheit vor den andern auszeichnet. Die männlichen Fühler endlich biegen ihre Spitzen hakenförmig nach außen. Die Nester gehören zu den einfachsten und bestehen aus einer, selten zwei Waben, die unbedeckt bleiben. Die französische Papierwespe ( Polistes gallica) ist nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland sehr weit verbreitet; hier wie es scheint in der Abart ( Polistes diadema), wo nicht die Fühlerspitzen durchaus gelb, sondern höchstens an der Unterseite rotgelb gefärbt sind. Der ganze Körper ist reichlich, aber veränderlich auf schwarzem Grunde gelb gezeichnet. Vor allem sind sämtliche Hinterränder der Hinterleibsringe ringsum mit gelben Einfassungen geziert, die auf dem Rücken nach vorn wie ausgefressen erscheinen, am Bauche der mittleren Auskehlung entbehren.
Im ersten Frühjahr erscheint das befruchtete und überwinterte Weibchen und baut an dem Zweige eines Busches oder unter einem Mauervorsprung an einem kurzen Säulchen wenige Zellen, die mit der Zeit eine hüllenlose Rosette bilden. Der Sommer muß sehr günstig sein, wenn die kleine Gesellschaft sich derartig vermehrt, daß eine zweite Bruttafel nötig wird, welche der ersten durch ein Mittelsäulchen angeheftet ist. Lepeletier beobachtete derartige Nester öfters bei Paris und schätzt die Bürger eines solchen Staates zu der späteren Jahreszeit, in der Männchen und Weibchen vorhanden sind, aus sechzig bis einhundertundzwanzig Stück, letztere auf zwanzig bis dreißig. In einzelnen Zellen hat er auch Honigvorräte angetroffen, die seiner Ansicht nach für die Erziehung der weiblichen Larven bestimmt sind.
Am 16. August 1873 fand ich in Gmunden das Nest der Abart mit seinen Bewohnern und zahlreichen gedeckelten Zellen unter der Pfoste eines Fensters zu ebener Erde, wo es infolge eines abgebrochenen Steinteiles eine kleine Höhlung ausfüllte. Die Wespen saßen in größter Ruhe auf dem Neste, erhoben sich sämtlich höher auf den Beinen, als ich mich ihnen näherte, und setzten ihre Flügel in sanft schwingende und schwirrende Bewegung, ließen es aber geschehen, daß ich das schnell abgelöste Nest samt ihnen in eine untergehaltene Schachtel fallen ließ und diese schloß, ohne daß nur eine weggeflogen wäre. Dieser Umstand und die Lage des Nestes – das Fenster gehörte der Vorderseite des mit einer Bierbrauerei verbundenen Gasthauses an, und eine belebte Fahrstraße führte an demselben entlang – sprechen für die geringe Scheu und den weniger wilden Charakter dieser Wespen. Nachdem dieselben durch Eingießen von Schwefeläther betäubt worden und vom Nest abgefallen waren, wickelte ich dieses in Papier und legte es in eine Pappschachtel neben einigen Reisebedarf, da die Zeit meines dortigen Aufenthaltes bald abgelaufen war. Später sah ich, im Zuge sitzend, an der vor mir hochliegenden Reisetasche einige Polistes umherspazieren. Alle Puppen im Neste waren nach und nach ausgekrochen, und die Wespen hatten das Weite gesucht, auch schwache Spuren ihres Triebes zum Bauen zurückgelassen: denn mehrere Zellen inmitten der Wabe zeigten weiße Ränder, zu welchen das Einpackpapier den Stoff geliefert hatte.
Weit interessanter sind die Beobachtungen, die von Siebold an derselben Abart angestellt hat. Er hing nämlich an kleine Brettchen die bei München nicht seltenen Nester an der Süd- und Ostseite von Bretterwänden oder Gebäuden seiner Umgebung auf, um sie jederzeit untersuchen zu können. Nachdem er nun beobachtet hatte, daß die jungen Gesellschaften gegen den Sommer hin neben der Stammutter nur Arbeiter, aber noch keine Männchen enthielten, fing er von einigen Nestern die Mutterwespe weg, entfernte aus den Zellen sämtliche Eier und die sehr jungen Larven, so daß nur die mehr erwachsenen den Arbeitern gelassen wurden. Nachdem jene einige Tage von diesen verpflegt worden waren, fanden sich in den geleerten Zellen neue Eier, die nach von Siebolds Ansicht nur von den jungfräulichen Arbeitern gelegt sein konnten, da dieselben niemals fremde Wespen auf dem Neste dulden. Aus diesen Eiern entwickelten sich Männchen, wodurch für den Beobachter der vollständige Beweis geliefert war, daß bei Polistes gallica, die Männchen durch Parthenogenesis aus unbefruchteten Eiern entstehen, wie bei der Honigbiene dies schon länger bekannt ist.
Die Gattung Vespa begreift heimische Arten von so übereinstimmenden Formen und Farbenzeichnungen, daß es bisweilen schwer wird, sie mit Sicherheit voneinander zu unterscheiden, zumal bei manchen die Männchen von ihren Weibchen in letzterer Hinsicht abweichen, und dadurch die Schwierigkeiten in Feststellung einer Art noch erhöhen. Die meisten heimischen sind schwarz und gelb, und in der Verteilung dieser Farben sehr übereinstimmend. Gewöhnlich haben die Hinterränder der Leibesglieder gelbe Ränder, die sich in der Mitte nach vorn auskehlen und bei dem Weibchen mit zwei schwarzen Punkten gezeichnet sind; bei den Arbeitern entwickeln sich diese Binden etwas schwächer und nehmen mehr die Gestalt von Zacken an, da die schwarzen Punkte nicht immer ringsum gelb eingefaßt sind. Die Gestalt des Hinterleibes ist bei Vespa spindelförmig, er stutzt sich an der Wurzel senkrecht ab und hängt dem gleichfalls steil abfallenden Hinterrücken an, daher der Zwischenraum zwischen beiden eng und tief. Das Kopfschild randet sich oben und unten flach bogenförmig aus und nähert sich dort den Fühlerwurzeln sehr. Die Kinnbacken sind vorn merklich breiter als hinten und schräg abgestutzt, mit Zähnen an der unteren Hälfte ihrer Kaufläche versehen, die an Größe von vorn nach hinten zunehmen. Die Fühler des Männchens, in der Geißel merklich länger, krümmen sich nicht an deren Spitze nach außen. Die Wespen bewohnen Europa in wenigen Arten, die gemäßigten und kälteren Gegenden Amerikas weit zahlreicher, kommen in China, Java und Ostindien vor; aus Afrika und Australien sind mir keine bekannt. Die Waben ihrer Nester werden von einer blätterigen Hülle umgeben.
Die Hornisse ( Vespa crabro) läßt sich durch ihre bedeutende Größe und durch die an der vorderen Körperhälfte vorherrschende rote Farbe ohne Mühe von den übrigen Arten unterscheiden. Sie kommt in ganz Europa und nördlich bis Lappland vor.
Das überwinterte Weibchen beginnt Anfang Mai den Nestbau an einem Balken, in einem leeren Bienenkorb alter Bauart, in einem hohlen Baumstamm und an andern einsamen und von Menschen gemiedenen Örtlichkeiten, und zwar mit einem Stück Kugelfläche der künftigen Hülle, deren Innenseite an einem kräftigen Säulchen die erste Wabe mit nach unten offenen, sechsseitigen Zellen angefügt wird. Der Baustoff besteht aus der grünen Rinde verschiedener Bäume, besonders junger Eschen, die bisweilen ringsum abgeschält und hierdurch wesentlich beschädigt werden. Mit Zutat von Speichel wird er zu einer gleichmäßigen Masse tüchtig zusammengearbeitet und in Form und Größe einer Wicke zwischen Kinnbacken und Vorderbrust eingetragen. Zu Hause angekommen, hält die Hornisse ihr Baumaterial zwischen den vordersten Knien, faßt es mit den Zangen, legt es gegen die Stelle, an der weiter gebaut werden soll, und dreht es fortwährend gegen sich, indem sie ein Stückchen nach dem andern abbeißt, fest drückt und glättet. Dies alles geschieht aber mit solcher Geschwindigkeit, daß man meinen sollte, sie wickle ein Band von einem Knäuel ab und lege es zu dem bereits Vorhandenen. Gleichmäßig mit Vermehrung der Zellen wächst die sie umgebende Hülle durch schraubenartig fortschreitenden Ansatz, der zuletzt eine blätterige, von flachen Blasenräumen durchsetzte, ziemlich bröckelige Schale bildet. Ist eine kleine Anzahl von Zellen fertig, so beginnt das Eierlegen. Wie die königliche Honigbiene, so steckt die besorgte Hornissenmutter erst den Kopf in jede Zelle, betastet sie inwendig mit ihren Fühlern, dreht sich um, schiebt den Hinterleib hinein, und wenn sie nach acht bis zehn Minuten wieder hervorgekommen ist, kann man hinten am Boden das Ei kleben sehen. Fünf Tage später kriecht die Larve aus und findet einen Vorrat von Futter. Ich erhielt ein sehr lehrreiches Stück eines Hornissennestes mit vertrockneten Larven in offenen und versponnenen Zellen sowie in letzteren auch entwickelte Junge. Im Grunde der ersteren lag eine schwarze, zu Pulver zerreibliche Masse, zweifelsohne der eingetrocknete Futterbrei, der aus klar gekauten Kerfleibern, Bienen usw. besteht, auch mit Honig vermischt wird, wenn solcher zu haben ist. Von oben fällt die Hornisse wie die Wespe über die ausersehene Beute her, wirft sie zu Boden, beißt ihr Beine und Flügel ab, setzt sich dann mit ihr auf den Zweig eines benachbarten Baumes, kaut den Teil, den sie eintragen will, gründlich durch und trägt ihn nach vollendeter Arbeit zwischen den Freßzangen nach Hause. Hier angelangt, setzt sie sich auf die Wabe, nimmt das Futter, wie den Baustoff, zwischen die vordersten Knie, knetet es nochmals durch, beißt Stückchen los und legt sie den schon größeren Larven auf den Mund, der Reihe nach jeder ein Stückchen, bis sie alles verteilt hat. Diese Art, die erwachsenen Larven zu füttern, gibt der Pfarrer P. W. F. Müller an, der in seinem Bienenstande einst Gelegenheit hatte, ein solches Nest entstehen zu sehen; so lange die Larven noch klein waren, konnte er die Art der Versorgung nicht beobachten; er selbst reichte ihnen auf einem Stäbchen dicken Honig, den sie mit derselben Gier verzehrten, wie das von der Mutter gereichte Futter. Wenn die Made am neunten Tage ihres Alters erwachsen ist, füllt sie nicht nur die Zelle ganz aus, sondern ragt sogar ein Stückchen aus ihr hervor, darum hat der Deckel, mit dem sie selbst ihre Klause zuspinnt, eine vollkommen halbkugelige Gestalt. Daß er aus einem Gespinst und nicht aus der Zellenmasse besteht, habe ich an meinem Neststückchen sehr deutlich wahrgenommen. Jetzt erst, nachdem die Zelle geschlossen ist, darf die Made wagen, hinten von ihr loszulassen, ohne herauszufallen, und muß loslassen, damit sie ein glasartiges Gewebe um sich spinnen kann. Ist dieses auch fertig, so streift sie ihre Haut ab und wird zu einer Puppe. Nach abermals vierzehn Tagen kommt die junge Hornissenarbeiterin herausspaziert, die mithin alles in allem vier Wochen zu ihrer Ausbildung bedarf. Sobald sie den ersten Schreck über das vollkommen Ungewohnte ihrer Lage überwunden, putzt sie sich die Fühler und Beine, kriecht dann zurück in ihre Wiege, um sie vollkommen zu säubern und zur Aufnahme eines zweiten Eies vorzubereiten. Findet sie schon Schwestern vor, so nimmt sie der ersten besten, die mit Futter ankommt, ein Stückchen ab, verfüttert es, und nachdem sie zwei Tage in dieser Weise sich häuslichen Geschäften gewidmet hat, fliegt sie mit den Schwestern aus, geht auf die Jagd, bringt Baumaterial und vergißt nicht, auch für ihre eigene Erhaltung Sorge zu tragen. Bald reicht die erste Bruttafel nicht mehr aus, man führt ein Säulchen auf, fängt die zweite in einem Zwischenraum von etwa einer Zellenlänge an, vermehrt nach Bedürfnis die Pfeiler, die keine bestimmte Stelle einnehmen, aber um so zahlreicher werden, je größer der Wabenboden ist. Je nach der Witterung, ob dem Bauen und dem Jagen auf Futter günstig oder nicht, wächst das Nest schnell oder langsam. Ein mir vorliegendes, in seinem untern Hüllenteile zerbrochenes und noch unvollendetes enthält fünf Waben und mißt in der Höhe 31,4 Zentimeter, im Durchmesser des Mantels an der fünften Wabe 47 Zentimeter, ein Bau, der entschieden aus einem höchst günstigen Hornissenjahre herrühren muß. Ein vollendetes, freihängendes Nest hat nahezu Kugelgestalt, behält unten und seitlich im Mantel eine Öffnung zum Aus- und Einfliegen und wird an dieser Stelle mit Schildwachen versehen, die bei Annäherung einer Gefahr sich zurückziehen, um die Einwohner zu benachrichtigen, die mit Wut auf den Angreifer stürzen und Gebrauch von ihrer giftigen Waffe machen.
Von der zweiten Hälfte des September an, besonders aber im Anfang des Oktober, werden nun auch Männchen und fruchtbare Weibchen geboren. Anders gerichtete königliche Zellen habe ich in keinem Hornissennest entdecken können, wohl aber einzelne in den Reihen, die sich durch bedeutendere Länge und größeren Umfang auszeichnen. Mit dem Herannahen der rauhen Jahreszeit, nachdem sich die Pärchen zusammengefunden haben, wird, wie Reaumur erzählt, die noch vorhandene Brut von den bisher so sorgsamen Pflegerinnen selbst herausgerissen und dem Verderben preisgegeben, indem sich diese in wilde Furien gegen die eigenen Pfleglinge verwandeln. Sollte dieses Verfahren bei Hornissen und Wespen Regel sein, was ich unentschieden lassen möchte, so würde es für einen weiteren scharfen Gegensatz sprechen, der im friedlicheren Charakter der Vegetarianer, wie der Hummeln und Honigbienen, und dem wilderen der fleischfressenden Faltenwespen besteht. Bis auf die befruchteten Weibchen, die in den gewöhnlichen Verstecken Schutz vor dem Winter suchen und finden, gehen die Arbeiter und Männchen nach und nach zugrunde, und die Herrschaft dieser sonst gefürchteten Tiere ist zu Ende. Daß sie sich bei der nötigen Vorsicht und richtigen Behandlung auch zähmen lassen, geht aus den interessanten Mitteilungen des oben erwähnten Pfarrers hervor, welcher den Bienenkorb, worin der Bau angelegt war, von seinem Platze wegtragen, ihn beliebig aufdecken durfte, auch seinen Kindern und Freunden den Genuß an dem wunderbaren Treiben dieser Tiere verschaffen konnte, ohne je von den sonst wilden und unbändigen Bestien belästigt zu werden. Der Staat, von dem er erzählt, nahm übrigens ein trauriges Ende: die Mutterhornisse, die fort und fort aus- und einflog, kam eines Tages nicht wieder, der Eifer der Arbeiter ließ merklich nach, und allmählich stand der ganze Bau verwaist da.
Alles übrige Getier aus der Gattung Vespa, das unsere heimischen Gefilde den Sommer und Herbst über belebt und sich beim Einheimsen des Erntesegens in den Obstgärten und Weinbergen mehr beteiligt, als dem Besitzer lieb ist, gilt dem ungeübten Auge unterscheidungslos als Wespe. Der schärfer prüfende Systematiker kennt aber mehrere Arten, deren Namen die wirklich vorhandenen an Zahl weit übertreffen und dartun, daß die Ansichten geteilt und Irrtümer nicht ausgeschlossen sind. Da ermüdende Beschreibungen notwendig sein würden, um die so ähnlichen Arten alle mit Sicherheit festzustellen, mögen hier einige Bemerkungen über Unterschiede in der Lebensweise in den Vordergrund treten.
Leicht läßt sich noch die rote Wespe ( Vespa rufa) an der roten Hinterleibswurzel von den übrigen unterscheiden. Sie kommt auch in Nordamerika vor, baut unter der Erde, lebt aber nur in kleinen Staaten, so daß sie für unsere Gegenden wenigstens als selten bezeichnet werden muß. – Ebenfalls unter der Erde bauen die gemeine Wespe ( Vespa vulgaris), die auf Madeira, in Nordafrika, Nordamerika und überall häufig in Europa fliegt und am gelben Kopfschilde mit einem nach unten erweiterten, schwarzen Längsstriche gezeichnet zu sein pflegt, sowie die deutsche Wespe ( Vespa germanica), meist mit drei schwarzen Punkten an der bezeichneten Stelle bei Weibchen und Arbeitern. Ihr Beiname ist unglücklich gewählt; denn sie überschreitet nicht nur in Europa vielfach Deutschlands politische Grenzen, sondern fliegt auch in Syrien, in dem nördlichen Indien, in Algerien und Amerika. Alle drei Arten stimmen in der Bildung ihres Kopfes insofern überein, als der untere Augenrand beinahe an die Wurzel der Kinnbacken stößt.
Die mittlere Wespe ( Vespa media), bei uns ebenso gemein wie die beiden vorangehenden Arten, und in der gelben Färbung des Hinterleibes getrübter, mehr braungelb, weniger rein wie alle übrigen; die Waldwespe ( Vespa silvestris Scop. oder V. holsatica F.) und einige andere seltenere und etwas unklare Arten haben zwischen den beiden eben genannten Kopfteilen einen merklichen Zwischenraum und heften ihre Nester in das Laub von Bäumen und Sträuchern, mindestens über der Erde irgendwo fest. Dieselben bestehen aus einer papierähnlichen Masse, welche die Wespen aus der abgeschabten Oberfläche verwitterten Holzes mit Vermischung ihres Speichels herstellen. Jedenfalls hat der Ulmer Papierfabrikant, der über seinen Erzeugnissen auf der Wiener Weltausstellung 1873 ein Wespennest aufgehängt hatte, damit andeuten wollen, daß die Fabrikanten die Welt längst schon mit so schlechtem, wie dem heutigen Papiere beglückt haben würden, wenn sie sich früher an den Wespen ein Vorbild genommen hätten. Die Nester werden genau nach demselben Plane erbaut, wie die der Hornisse, und die frei aufgehängten haben vor den unterirdischen oder in hohlen Bäumen angebrachten den Vorteil voraus, daß sie keine Rücksicht auf die beengende Umgebung zu nehmen brauchen und ihre natürliche Form zur Geltung bringen können. Sie haben die Form eines Eies oder einer Zitrone, an der Seite des unteren Mantelendes das Flugloch und im Innern je nach ihrer Größe mehrere Stockwerke von Waben, deren mittelste natürlich die äußersten an Umfang übertreffen.
Die Waldwespe lebt in sehr schwachen Gesellschaften beisammen und baut daher nur kleine Nester. Ich fand ein solches, noch unvollendetes, von jungfräulichem Aussehen, dessen Stammutter entschieden zugrunde gegangen sein mußte. Weißgrau von Farbe, hing es in der Größe einer stattlichen Walnuß unter einem Winkel von ungefähr 45 Grad an einem Weidenzweiglein. An seinem Grunde war es von einer napfförmigen Außenhülle wie von einer Manschette umgeben, entschieden die noch unfertige zweite Umhüllung des Doppelmantels, den jedes vollendete Nest dieser Art umgibt. Das Spitzenende der inneren Umhüllung war in einer Rundung von elf Millimeter Durchmesser als Flugloch offen gelassen und gestattete einen Blick in das Innere. Am Grunde der Höhle saß eine Rosette von zwölf sechsseitigen, nach hinten verengten Zellen, deren mittlere länger und vollkommener waren als die seitlichen. Der Mantel von Vespa media und andern setzt sich aus muschelförmig gewölbten Stückchen zusammen, die sich ähnlich den Dachziegeln decken und nur an ihren Wurzeln und Seitenrändern zusammenhängen, in der Fläche voneinander klaffen und blasenähnliche Hohlräume bilden. Ich besitze einige Nester der genannten Art, welche die Länge und die Breite einer unserer Druckseiten etwas übertreffen.
Die Frechheit, zügellose Wildheit der Wespen kennt ein jeder zur Genüge, auch wenn er nicht, wie es mir einst in meiner Kindheit widerfuhr, von einem ganzen Schwarme überfallen und unbarmherzig zerstochen worden ist, weil er harmlos und völlig unkundig des Nestes den Fußpfad wandelte, neben dem dessen Eingang lag. Vor einigen Jahren machten ein Hirtenhund und seine Gesellschaft eine gleiche Erfahrung. Auf einem Gute weideten Kühe. Die betreffende Stelle war von zahlreichen Maulwurfshügeln durchsetzt. Auf einem dieser sitzt der Hund, ein treuer Wächter seiner Herde. Mit einem Male vollführt derselbe ein entsetzliches Geheul und stürzt sich verzweiflungsvoll in das nahe vorbeifließende Wasser. Der Kuhhirt, zunächst nicht ahnend, was geschehen, eilt seinem treuen Tiere zu Hilfe, lockt es herbei und findet es mit Wespen gespickt. Noch damit beschäftigt, die durch das Wasserbad etwas abgekühlten Bestien von ihm zu entfernen, bemerkt er im Eifer nicht, daß er auf einem Vulkan steht. Die gereizten Tiere kriechen an seinen Beinen, innerhalb deren Bekleidung, in die Höhe, und auch er muß schließlich im Wasser einige Linderung für die ihm beigebrachten Stiche suchen. Immer größer wird die Verwirrung. Jene Maulwurfshügel sind von zahlreichen Schwärmen bewohnt, die man bisher nicht beachtet hatte. Auch die werdenden Kühe waren einigen in den Weg gekommen, und auch sie wurden von den in wilde Aufregung versetzten Wespen angegriffen. Das Brüllen aller und sich in das Wasser stürzen war die Folge, und der Kampf ein allgemeiner. Es kostete große Mühe und die Mitwirkung vieler Kräfte, um allmählich die Ordnung wiederherzustellen. Versuche, jene Nester zu zerstören und die Stelle für das weidende Vieh zugänglich zu machen, blieben erfolglos. Die Wespen waren in jenem Jahre zu zahlreich und blieben Herren der Lage und der Örtlichkeit. Wenn eine mit ihrem lauten und drohenden Tsu! Tsu! Tsu! zum Fenster hereinkommt, erregt sie Furcht und Schrecken. Eine Fliege, eine Spinne, ein Stückchen Fleisch oder irgendeine Süßigkeit sucht sie hier und achtet nicht der Verfolgungen, denen sie ausgesetzt ist, da dem rechtmäßigen Bewohner der Besuch nicht galt. Unter demselben Gesumme entfernt sie sich wieder, wenn sie das Gesuchte nicht fand; ein Fleischladen in der Nachbarschaft, die Körbe voll Obst, hinter denen die sonnengebräunte Hökerin mit Argusaugen Wache hält, der zur Schau gestellte Pflaumenkuchen im Bäckerladen: das sind ihre Tummelplätze, wo sie Fliegen, Fleisch und Süßigkeiten in reicher Auswahl findet, wenn sie die ländlichen Gefilde zur Abwechslung einmal mit dem Leben in der Stadt vertauscht hat. »Die hat den Kognak gerochen«, sagte auf dem Züricher See ein Mitreisender, der eben aus seiner Feldflasche einen Schluck getan hatte und sich nun einer zudringlichen Wespe kaum erwehren konnte. Ihre Wildheit, ihre Eile, wer sollte sie der Wespe nicht verzeihen, wenn er bedenkt, daß in der kurzen Frist von kaum sechs Monaten eine Zwingburg von solcher Ausdehnung gebaut, ein Staat gegründet und erzogen werden, alles das geschehen soll, was dem darauf folgenden Jahre ein Gleiches sichert? Für diese Dinge will die Zeit ausgekauft sein, werden Taten, Entschlossenheit gefordert; das aber erscheint dem Bedächtigeren, lange erst Überlegenden als – Wildheit, Überstürzung!
Wie bei den Hornissen wird die Brut erzogen, und kaum ist die junge Bürgerin der Gemeinde zugeführt, so unterzieht sie sich den Arbeiten ihrer älteren Schwester. Bauen, Jagen, Morden, Füttern und Erfrischung der eigenen, so angespannten Kräfte füllen die kurze Lebenszeit aus. Im Herbst erscheinen neben den Jungfrauen Männchen und Weibchen, damit das Geschlecht nicht aussterbe; denn die Stammutter hat sich nun abgenutzt. Wenn durch Paarung der Grund künftiger Geschlechter gelegt ist, währenddem im Staate alles seinen gewohnten Gang weiterging, und schlimmere Zeiten endlich eine allmähliche Erschlaffung eintreten lassen, blitzt die alte Tatkraft noch einmal auf, in einem Werke, welches die gewohnte Grausamkeit gegen andere dem eigenen Geschlecht zuwendet. Die Larven und Puppen, die noch im Neste sind, bisher so sorgsam gepflegt, werden nun unbarmherzig herausgerissen und dem Verderben preisgegeben. Eine allgemeine Aufgeregtheit löst die Bande der Ordnung. Bis auf die befruchteten Weibchen, die sichere Verstecke aufsuchen, stirbt eine nach der andern hin, und immer zahlreichere Leichen decken die Gefilde, frei auf kahler Erde liegend oder im Grünen begraben, wenn die Kräfte noch ausreichten, um sich selbst eine solche Grabstätte zu erschleichen. So knicken endlich die ersten Nachtfröste die vormals so unbändige, keinen Widerstand anerkennende Kraft der – Wespen; öde und leer stehen die Stätten, die noch Zeugnis ablegen von ihren friedlichen Taten.
Den Alten waren Hornissen und Wespen ihrem wilden Charakter nach bekannt, und denselben Sinn wie unser heutiges Sprichwort, »in ein Wespennest stören«, hatte entschieden auch der bei Plautus vorkommende Ausdruck » crabrones irritare«. Hinsichtlich der Lebensweise begegnen wir noch manchen unklaren Vorstellungen. Der Wahrheit am nächsten kommend und zugleich am vollständigsten sind die Mitteilungen, die wir bei Aristoteles lesen: »Es gibt zwei Arten von Wespen. Die eine Art umfaßt die selteneren wilden; diese leben im Gebirge, bauen ihre Nester nicht in die Erde, sondern in Eichen, sind größer, gestreckter, dunkelfarbiger und mutiger als die andern, übrigens alle bunt und jede mit einem Stachel bewaffnet. Ihr Stachel ist auch verhältnismäßig länger und ihr Stich schmerzhafter. Sie leben auch den Winter über in hohlen Eichen, aus denen man sie selbst in dieser Jahreszeit fliegen sieht, wenn man daran pocht. Es gibt bei ihnen, wie bei den zahmeren, Mutterwespen und Arbeitswespen. – Auch bei den zahmen Wespen kommen zwei Sorten vor: Königinnen, die man Mutterwespen nennt, und Arbeitswespen. Die ersteren sind weit größer und sanfter; die letzteren werden kein Jahr alt, sondern sterben alle, sobald der Winter eintritt, was man daraus schließen kann, daß sie, sobald die Kälte beginnt, ganz dumm werden und um die Zeit der Sonnenwende gar nicht mehr zu sehen sind. Die Mutterwespen dagegen überwintern in der Erde und werden oft beim Graben und Pflügen gefunden, nie aber Arbeitswespen. Die Fortpflanzung der Wespen geschieht auf folgende Weise: Sobald die Mutterwespen bei dem Herannahen des Sommers einen Platz mit guter Aussicht gewählt haben, bilden sie sogleich ein Wespennest, das aber nur klein ist und etwa vier Zellen hat. In diesen entstehen nun Arbeitswespen, die bald heranwachsen und größere Scheiben bauen, worin wieder Junge gezogen und dann wieder neue Scheiben angelegt werden, so daß gegen Ende des Herbstes die Wespennester am größten sind. Allein nun erzeugt die Mutterwespe keine Arbeitswespen mehr, sondern nur Mutterwespen. Diese bilden sich oben im Wespennest als größere Maden in vier oder etwas mehr aneinander hängenden Zellen, fast wie die Könige in den Bienenstöcken. Sobald erst Arbeitswespen im Bau sind, so arbeiten die Mutterwespen gar nicht mehr auswärts, sondern lassen sich von den ersteren das Futter zutragen: dies sieht man daran, daß jetzt die Mutterwespen gar nicht herumfliegen, sondern ruhig zu Hause bleiben. Ob die vorjährigen Mutterwespen, wenn neue ihresgleichen ausgekrochen sind, von den jungen Wespen getötet werden, oder ob sie noch länger leben können, ist noch nicht beobachtet. Die Mutterwespe ist übrigens breit, schwer, dicker und größer als eine Arbeitswespe und wegen ihrer Schwere im Fluge unbeholfener, kann daher nicht weit fliegen und bleibt immer im Neste, in dessen Innern sie bildet und baut. Eine solche Mutter findet man in den meisten Wespennestern; allein man ist noch nicht darüber einig, ob sie Stacheln haben oder nicht. Indessen scheint es, als hätten sie, wie der Bienenkönig, zwar Stacheln, ohne sie jedoch hervorzustrecken und zu stechen. Unter den Arbeitswespen gibt es stachellose, gleich den Bienendrohnen, andere aber haben einen Stachel. Die Stachellosen sind kleiner und feiger, die Bestachelten aber größer und mutig. Diese nennen manche Leute Männchen, die Stachellosen dagegen Weibchen. Viele Wespen, die eigentlich einen Stachel haben, scheinen ihn gegen den Winter hin zu verlieren; doch kennt man noch niemand, der dies als Augenzeuge bestätigen kann. Die Wespen erzeugen sich namentlich in trockenen Jahren und in steinigen Gegenden. Ihre Scheiben bauen sie aus einem Gemisch von allerlei Dingen und aus Erde.« – An einer andern Stelle heißt es: »aus rinden- und spinnwebenartigem Stoffe« – »und jede geht von einem Anfangspunkte wie von einer Wurzel aus. Ihre Nahrung nehmen die Wespen von einigen Blumen und Früchten, meist aber leben sie von Tieren. Die Wespenbrut scheint nicht durch Geburt zu entstehen; denn sie ist gleich bedeutend groß«. – An einer andern Stelle spricht Aristoteles von Eiern, Maden, Puppen, aus denen die vollkommenen Wespen entstehen. – »Nimmt man eine Wespe bei den Füßen, und läßt sie mit den Flügeln summen, so fliegen die Stachellosen, nicht aber die andern herbei, woraus manche Leute den Schluß ziehen, daß jene Männchen, diese aber Weibchen seien. Des Winters fängt man zuweilen in Höhlen Wespen mit und andere ohne Stachel. Manche Wespen machen kleine Nester mit wenigen Zellen, andere große mit vielen. Von den Mutterwespen findet man viele zur Zeit der Sonnenwende an Ulmen, wo sie klebrige und harzige Stoffe sammeln. Einst zeigte sich eine große Menge von Mutterwespen, nachdem es das Jahr vorher viele Wespen und viel Regen gegeben hatte. Die Wespen jagen an steilen Abhängen und Erdspalten und alle diese scheinen Stacheln zu haben.«
Am Ende der ganzen Familie sei noch der sandwespenartigen Papierwespe ( Belonogaster) aus Port Natal gedacht. Kopf, Mittelleib und das dritte wie vierte Glied des ungemein langgestielten Hinterleibes sind schwarz, Gesicht, Mund, Fühler, Beine, die Flügelschüppchen ringsum, die Flügeladern teilweise und der übrige Hinterleib rot gefärbt. Wegen kurzer, anliegender und lichter Behaarung, die den ganzen Körper bedeckt, nehmen die Farben einen etwas unreinen Ton an. Die gelben Flügel sind an der Spitze und am Saume schmal stark getrübt und die zweite, an der Randzelle bedeutend verengte Unterrandzelle nimmt beide rücklaufenden Adern auf. Weil mehrere Arten dieser Gattung bereits beschrieben sind, mir aber weder Beschreibung noch Wespen selbst zu Gebote stehen, unterlasse ich die Bestimmung der vorliegenden Art. Dieselbe ist sehr gemein in jenen Gegenden, zeigt besondere Vorliebe für menschliche Wohnungen, wird aber wegen ihres empfindlichen Stiches, den sie in der Augennähe dem Menschen beibringt, von den dortigen Eingeborenen allgemein gefürchtet. Im Spätherbst für dortige Gegend, dem Mai für uns, wenn es trocken und kühl wird, erscheint die Wespe einzeln in den Behausungen, um daselbst zu überwintern. Nachdem sie sich in einem Fenster, unter Abdächern derselben, in Schuppen oder unbewohnten Zimmern ein passendes Plätzchen ausgesucht hat, fertigt sie einen hornigen Stiel, der von seiner Anheftungsstelle, beispielsweise einer Türpfoste absteht, und sich schwach nach unten neigt. Dieser Stiel wird am Ende mit einer kleinen Rosette von Zellen versehen, weiß, papierartig und zerbrechlich von Natur. Auf diesem Nestchen bringt sie den Winter zu, sucht aber zeitweilig an schönen Tagen das Freie auf. Im Frühjahr wird diese kleine Zellenreihe allmählich vergrößert, von außen konvex, von innen konkav, erst abwärts gebogen, dann umgeschlagen und eine Schleife bildend, zu ihrem Ursprunge zurückgeführt, um daselbst durch einen zweiten Stiel mit dem ersten verbunden zu werden. Es liegen mir drei Nester von etwas einfacherem Bau vor, die alle darin übereinstimmen, daß ihr schräg nach oben gerichteter Grund ausgehöhlt, ja zum Teil tief napfartig erscheint, und daß die äußersten Zellen, namentlich die am höchsten aufsteigenden, ungemein klein und kurz, zur Aufnahme von Brut unbrauchbar und gewissermaßen nur eine Umzäunung der Brutzellen sind. Eine einzelne dieser letzten ähnelt einer langgestreckten, unten etwas abgestumpften Papiertüte, und der Deckel der geschlossenen bildet eine fast die Halbkugel erreichende Kugelhaube. Diese Zellen stehen in nicht ganz regelmäßigen Reihen nebeneinander und nehmen bei ihrer Gestalt am oberen Ende einen bedeutend größeren Umfang ein als am unteren.
Dem früheren Missionar Gueinzius in Port Natal, der bis zu seinem Tode und trotz seiner zerrütteten Gesundheit großes Interesse an derartigen Beobachtungen bewiesen hat, verdanke ich diese und andere Mitteilungen und Belegstücke. Einst hatte derselbe einer Wespe gestattet, ihr Nest innerhalb der Türpfosten seiner Wohnung aufzuhängen, so daß es beim Durchgehen nur einige Zoll von seinem Scheitel entfernt war. Trotz des öfteren Zuschlagens der Tür und der dadurch erfolgenden Erschütterung des Nestes wurde er während mehrerer Monate der Bau- und Brutzeit nur einmal von einer jungen Wespe an der oben bezeichneten Stelle gestochen, ward aber für den Augenblick seiner Sinne fast beraubt. Kein Kaffer wollte sich der Tür auch nur nähern, geschweige durch dieselbe gehen. Die Wespen bewachen das Nest sorgfältig, richten sich bei Annäherung eines fremden Gegenstandes alle hoch auf, mit den Köpfen nach jener Seite hin, und summen unter starker Flügelbewegung. Dann ist aber der Augenblick gekommen, sich zu entfernen, Anfassen des Nestes würde für die Wespen ein Zeichen zum Angriff auf den Verwegenen sein. In vielen Stücken werden wir bei diesen Mitteilungen an unsere gallische Papierwespe erinnert.
Als bereits mehrere Zellen gedeckelt, jedoch noch keine Wespen ausgeschlüpft waren, brachte Gueinzius eine junge Wespe derselben Art herbei, die von einem eingetragenen Nest stammte, um zu sehen, wie die Mutter sich wohl verhalten würde. Der Anblick war für ihn ein wahrhaft ergreifender. Kaum hatte die bisher noch Kinderlose den jungen Ankömmling bemerkt, als sie die größte Freude an den Tag legte. Wie umarmend nahm sie ihn zwischen ihre Vorderbeine und beleckte ihn von allen Seiten mit dem größten Eifer, wie eine Ziege ihr Lamm, um ihn von dem überall anhaftenden krümeligen Staube zu reinigen. Wieder und wieder wurde ihr ein Stiefkind auf einer Feder herbeigebracht, aber alle wurden von ihr mit gleicher Freude begrüßt, mit gleicher Liebe angenommen und in der eben angegebenen Weise gereinigt. Obgleich noch sehr schwach und unsicher in ihren Bewegungen, so übernahmen jene jungen Wespen doch sogleich Dienste und suchten durch Einbeißen und Schütteln der von Larven bewohnten Zellen jene zum Hervorkommen einzuladen, um ihnen einen Tropfen heller Flüssigkeit, der aus ihrem Munde kam, von ihnen also mit auf die Welt gebracht worden war, als Futter anzubieten. Konnten sie keine Larve und somit keine Verwertung für diesen Tropfen finden, so strichen sie ihn mit dem Vorderfuße ab und warfen ihn über den Rand des Nestes. Dieser Tropfen erschien bei allen jungen Wespen bald nach ihrem Ausschlüpfen.
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Die Familie der Ameisen ( Formicidae) Aus dem ungemein reizvollen Gebiet der Ameisenforschung ist seit Taschenberg ungeheuer viel Neues erforscht worden. Wer sich näher für das Leben dieser »sozialen Insekten« interessiert, sei auf folgende Bücher verwiesen. Einmal auf H. Viehmeyers »Bilder aus dem Ameisenleben« (sehr reizvolle und leichtverständliche Schilderungen), und dann vor allem auf das Standardwerk dieses Gebiets, auf K. Escherichs »Die Ameise, Schilderung ihrer Lebensweise«, 2. Auflage. Braunschweig 1917. Obschon dieses Buch rein wissenschaftliche Ziele verfolgt, ist es doch für jeden Brehm-Leser leicht verständlich. Hrsgbr. gehört gleichfalls zu den geselligen Aderflüglern, deren Gesellschaften sich zu gewissen Zeiten aus dreierlei Ständen zusammensetzen, den geflügelten Weibchen und Männchen und den stets ungeflügelten Arbeitern oder verkümmerten Weibchen. Dieselben treten selten bei den europäischen, häufiger bei den ausländischen Arten in zwei bis drei Formen auf, zeichnen sich in der außergewöhnlichen Form besonders großköpfig und sind wohl auch als Soldaten von der gewöhnlichen Form unterschieden worden. Die Ameisenstaaten sind, wie die der Honigbiene, mehrjährig.
Der Kopf der Ameise ist verhältnismäßig groß, bisweilen sehr groß bei den Arbeitern, klein bei den Männchen. An ihm fallen die kräftigen Kinnbacken am meisten in die Augen, welche nur in seltenen Fällen walzig, meist breit gedrückt, und an der Kaufläche schneidig oder gezähnt erscheinen. Unter ihnen verborgen liegen die Unterkiefer mit nur einem Lappen und ein- bis sechsgliedrigen, walzigen Tastern. Die Lippentaster bestehen aus zwei bis vier gleichfalls walzigen Gliedern, und die Zunge gelangt nicht zu der Entwicklung wie bei den übrigen geselligen Immen. Von Wichtigkeit für die Einteilung sind die sogenannten Stirnleisten, die nach außen freien, nach innen mit der Kopffläche verwachsenen leistenartigen Vorsprünge, die über den Fühlern beginnen und nach hinten und oben gleich-, auseinanderlaufend und geradlinig oder S-förmig gebogen sind. Die Fühler gehören der gebrochenen Form an, wenn auch bisweilen bei den Männchen infolge des kurzen Schaftes weniger deutlich, und ihre neun- bis zwölfgliedrige Geisel ist fadenförmig, oder nach der Spitze hin mehr oder weniger keulenförmig angeschwollen. Die drei Punktaugen auf dem Scheitel fehlen den Arbeitern häufig.
Der Mittelleib bietet bei den geflügelten Ameisen keine besonderen Eigentümlichkeiten, dagegen erscheint er ungemein schmal, nach oben stumpfkantig hervortretend bei denen, wo er nie Flügel zu tragen bekommt, und er ist es hauptsächlich, der dem ganzen Körper den Ameisencharakter verleiht, und einen Arbeiter von den andern Geschlechtern unterscheiden lehrt, selbst wenn diese ihre Flügel verloren haben. Letztere sitzen ziemlich lose und fallen aus, sobald die Paarung erfolgt ist. Ihr Geäder ist dürftig: eine vorn nicht immer geschlossene Randzelle, eine, in seltenen Fällen zwei, geschlossene Unterrandzellen, eine bis zwei Mittelzellen nebst den beiden Schulterzellen bilden den ganzen Reichtum. Die Beine sind schlank, Hüften und Schenkel nur durch einfachen Schenkelring verbunden, wie bei allen Raub- und Blumenwespen, und die Füße fünfzehig. Der dem etwas konkaven ersten Fußgliede der Vorderbeine entgegengestellte Schienensporn ist innerseits borstig bewimpert und bildet samt dem an gleicher Stelle bewimperten ersten Fußgliede das Werkzeug, mit welchem die Ameise sich reinigt, namentlich Fühler, Taster und sonstige Mundteile abbürstet.
Der Hinterleib besteht aus sechs, beim Männchen aus sieben Ringen und ist immer in einer Weise gestielt, daß man bei seiner Formbestimmung den Stiel für sich und den Hinterleib für sich, jenen also für ein besonderes Mittelgebilde zu betrachten Pflegt, das dem Hinterleibe entschieden eine große Beweglichkeit verleiht. Das Stielchen ist entweder ein- oder zweigliedrig und bildet im ersten Falle einen Knoten zwischen dem Hinterrücken und Hinterleibe, oder einen an den Ecken gerundeten Würfel ( Typhlopone), in der Regel aber sitzt auf seiner Oberseite eine von vorn nach hinten gerichtete viereckige, gerundete, oben mehr oder weniger aufgerichtete Querleiste, die sogenannte Schuppe, in selteneren Fällen ist seine ganze Erstreckung Platt gedrückt ( Tapinoma). Bei einem zweigliedrigen Stielchen stellt das zweite Glied einen kugeligen oder nach den Seiten hin verbreiterten, das erste einen gestielten Knoten dar. Der Hinterleib, nur mit einer Ausnahme ( Crematogaster) an seinem Unterrande dem Stielchen angewachsen, hat einen kugeligen, ovalen, länglich elliptischen oder herzförmigen Umriß und schnürt sich nur in seltenen Fällen zwischen zwei Ringen ein. Bei den Männchen zeigt die letzte Bauchschuppe (Afterklappe, Ventralklappe) besondere Verschiedenheiten und bedeckt die Geschlechtswerkzeuge, wenn sie klein sind, oder läßt die oft sehr großen teilweise frei. Durch diese Teile, durch den kleinen Kopf, längere und dünnere Beine, schmälere Kinnbacken und infolge der um eines vermehrten Gliederzahl an Hinterleib und Fühlergeisel unterscheiden sich die Männchen leicht von ihren Weibchen, verlieren auch nach dem Schwärmen die Flügel nie, wie diese. Die weiblichen und arbeitenden Ameisen, bissige Geschöpfe, lassen eine kräftige, nach ihnen benannte Säure in die Wunde fließen, und zwar aus der zu diesem Zweck nach vorn gebogenen Hinterleibsspitze, andere führen, wie die Stechimmen, einen Stachel und wehren sich mit diesem. In beiden Fällen erzeugt die der Wunde mitgeteilte Ameisensäure Brennen und schwache Entzündung.
Die wurmförmigen, fußlosen Larven bestehen aus zwölf nicht immer unterscheidbaren Ringen, einem nach unten gebogenen, hornigen Kopfe und sind von weißlicher Farbe. An letzterem unterscheidet man stummelhafte Kinnbacken, fleischige, zu einem Stück vereinigte, vorn ausgerandete Unterkiefer, jederseits mit zwei kurzen Borstenhaaren bewehrt, eine fleischige, zurückziehbare Unterlippe, aber keine Augen. Mit wenigen Abweichungen ist der Körper nach vorn verdünnt, hinten dicker, stumpf gerundet und mit spaltförmiger Afteröffnung versehen. Diese durchaus unselbständigen Larven können sich nicht von der Stelle bewegen und müssen gefüttert werden. Sie sind in ihrer ersten Jugend von allen Ständen übereinstimmend und unterscheiden sich nur später durch unbedeutende Formveränderungen, auffälliger aber durch die Größenverhältnisse. Mag der Unterschied zwischen Männchen und Weibchen im Ei verborgen liegen, der zwischen Weibchen und Arbeitern in ihren verschiedenen Formen bildet sich wahrscheinlich erst im Larvenstande aus, durch welche Verhältnisse aber, wissen wir nicht; denn daß es durch veränderte Kost sei, wie bei der Honigbiene, läßt sich darum nicht annehmen, weil diese immer nur in ausgebrochenen Flüssigkeitstropfen der fütternden Arbeiter besteht: die reife Larve fertigt bei den einen ein längliches, schmutzig weißes oder bräunliches Gespinst, in dem sie zu einer gemeiselten Puppe wird. Diese eingehüllten Puppen bilden unter dem falschen Namen der »Ameiseneier« als beliebtes Futter für gewisse Stubenvögel einen Handelsartikel. Andere spinnen niemals und wieder andere halten insofern die Mitte zwischen beiden, als sich nackte und eingehüllte Puppen beisammen im Nest finden. In einem solchen Falle ist die Spinnfähigkeit der Larven erwiesen, und anzunehmen, daß diejenigen, die nicht spinnen, durch die Fütterung oder durch sonstige Verhältnisse nicht hinreichenden Spinnstoff in ihren Drüsen zur Entwicklung bringen konnten. Die mit zweiknotigem Hinterleibsstiele ausgerüsteten Ameisen spinnen als Larven der Regel nach nicht.
Wie alle Aderflügler, so ernähren sich auch die Ameisen nur von süßen Flüssigkeiten, die ihnen die verschiedensten Gegenstände, Obst, Pflanzensäfte aller Art, Fleisch, saftige Tierleichen, in erster Linie aber die Blatt- und Schildläuse in ihren Exkrementen und erstere außerdem aus den sogenannten Honigröhren liefern. Daher finden sich Ameisen auch immer zahlreicher da ein, wo die Blattläuse hausen und gehen ihnen nach, wo sie sich auf Pflanzen einstellen, nicht diesen letzteren, denen sie nur insofern nachteilig werden können, als sie durch ihre Erdwühlereien deren Wurzelwerk stören und bloßlegen. Ebenso füttern sie nur mit wasserhellen Tropfen, die sie aus dem Munde treten lassen, die Larven, die Männchen und Weibchen ihres Nestes, oder einen andern Arbeiter ihrer Gesellschaft, der sie anbettelt. Vorräte tragen sie daher nicht ein, wie die Honigbienen und andere gesellige Blumenwespen. Außer der bezeichneten Nahrung bedürfen sie einen gewissen Feuchtigkeitsgrad zu ihrem Gedeihen, und dieser bestimmt auch den Ort ihrer Nestanlage.
Die meisten Ameisennester finden sich in der Erde. Forel hat in den »Neuen Denkschriften der allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesamten Naturwissenschaften« (Zürich 1874) seine schätzbaren Beobachtungen über die Schweizer Ameisen niedergelegt und auch dem Nestbau einen umfangreichen Abschnitt gewidmet. Seitdem sind von diesem Bahnbrecher auf dem Gebiete der Myrmekologie noch mehrere hundert weitere Abhandlungen und Bücher über Ameisen geschrieben. Sein Hauptwerk ist jedoch das oben genannte, das den Titel: » Les Fourmis de la Suisse« führt. Hrsgbr.
Er unterscheidet: 1. Erdnester, die entweder einfach gegraben oder wenigstens teilweise gemauert und mit einem Erdhügel versehen, oder unter einem schützenden Steine angelegt sind. 2. Holznester, die im noch zusammenhängenden Holze in ähnlichem, zum Teil regelmäßigerem Verlauf in den dauerhafteren Stoff gearbeitet sind, wie jene in die feuchte Erde. Die festeren Jahresringe bleiben meist als Wände stehen und der Verlauf der Holzfaser bestimmt den Verlauf der Gänge und Hohlräume. Es kommen bei diesem Nestbau bisweilen höchst wunderliche Gebilde zustande. Gewisse kleine Arten, deren Gesellschaften wenig zahlreich sind und der Gattung Leptothorax angehören, minieren in der dicken Borke alter Bäume wenige flache Kammern, die unter sich in Verbindung stehen. Da die im Holze nistenden Ameisen gesunde Bäume nie krank machen, wohl aber an den kranken den Stoffwechsel beschleunigen und namentlich die alten Baumstümpfe als die Brutstätten manchen Ungeziefers schneller zur Verwesung bringen, so werden sie von dem Forstmann als Bundesgenossen angesehen und geschützt. 3. Eingehüllte Nester ( nids en carton) werden in der Schweiz nur von Lasius fuliginosus gebaut, einer Art, deren Drüsen vorherrschend entwickelt sind und ein Bindemittel liefern, mit dem vorherrschend im Holz durch Aufmauern von zusammengekneteten Holzspänchen die inneren Räume aufgebaut werden. Hierher mögen die Nester gehören, welche die sogenannten Comehens auf Portorico oder die nachher zu erwähnenden »stallfütternden Ameisen« anlegen. Erstere bauen gewöhnlich zwischen Baumästen riesengroße Nester wie Bienenkörbe, und überwölben überall, an den Ästen, dem Stamm, den Blättern, an Steinen und an dem Erdboden die zu denselben führenden Straßen mit einer gegen Licht und Regen schützenden Bedeckung, die eine innere Weite vom Durchmesser einer Federspule hat. Dieselben Comehens dringen aber auch in die Häuser ein, durchbohren hölzerne Gerätschaften und weichen bei ihren Märschen nur dann von der geraden Linie ab, wenn undurchdringliche Hindernisse in den Weg treten. Als vierte Form bezeichnet Forel die Nester von zusammengesetzter Bauart, zu denen die allbekannten aus Pflanzenstoffen, besonders kleinen Holzstückchen zusammengetragenen Haufen unserer roten Waldameise, die wir später noch näher kennenlernen werden, einen Beleg liefern. Hierher gehören auch die Bauten in alten Baumstümpfen, wo das zersetzte Holz ebenso wie bei den Erdbauten die Erde benutzt wird, um haltbare Gänge und Kammern in dem Mulme herzustellen, 5. Zu den abweichenden Nestern werden diejenigen gerechnet, die sich unter den vorigen nicht unterbringen lassen, wie diejenigen in Mauerritzen, Felsspalten, menschlichen Wohnungen usw. Diese Andeutungen mögen genügen, um die große Mannigfaltigkeit im Nestbau zu erkennen; für die bestimmte Ameisenart ist dieselbe nicht charakteristisch; denn es gibt kaum andere Kerfe, die sich bei Anlage ihrer ausgedehnten Wohnungen so in die Verhältnisse zu schicken wissen, wie die Ameisen. Wenn auch bestimmte Arten fast ausschließlich unter Steinen in die Erde bauen, gewisse ( Camponotus) mit Vorliebe im Holze, so richten sich doch die bei weitem meisten heimischen wenigstens nach den dargebotenen Verhältnissen und gehen darin so weit, daß sie verlassene Nester beziehen, daß die Holzbewohner sich in holzigen Gallen verschiedener Gattwespen häuslich einrichten, sobald jene ihre Behausungen verlassen haben.
Je kleiner die Gesellschaft, desto einfacher das Nest; je größer, desto mehr Gänge und Hohlräume dehnen sich in der Ebene und in Stockwerken übereinander aus und bilden ineinander verlaufende Irrgänge, die durch Wände, Pfeiler, Stützen der stehengebliebenen oder hier und da aufgebauten Stoffe (Erde, Holz) voneinander getrennt und gestützt werden. Bestimmte Wege führen nach außen, oft in weitere Entfernungen, und stellen die Verbindung des Nestes mit den Weideplätzen der Bewohner her. Nicht selten findet man größere Bodenflächen mit zahlreichen Nestern einer und derselben Art besetzt, die alle untereinander in Verbindung stehen, während umgekehrt unter einem Stein zwei bis drei Arten von Ameisen in so naher Nachbarschaft leben, daß sich die Gänge der einen zwischen die der andern winden und dennoch Scheidewände die einzelnen Baue vollkommen voneinander abschließen. Man kann die Ameisen auch in »künstlichen Nestern« halten, die in der Hauptsache aus zwei durch einen Rahmen zusammengehaltenen, 4 bis 15 Millimeter voneinander entfernten Glasplatten (je nach der Größe der Ameisen) bestehen. Zwischen diese bringt man die erforderliche Erdmenge und die ausgewählte Ameisenkolonie. Die Ameisen richten sich hier dann sehr bald häuslich ein. Durch einen seitlich angebrachten Glastrichter sorgt man für die nötige Feuchtigkeit. Das Futter kann man durch eine verdeckbare Öffnung der oberen Scheibe einbringen oder in einem durch ein Glasrohr mit dem Hauptnest verbundenen besonderen Fütterungsnest reichen. Allerhand weitere Komplikationen und Verbesserungen zur Bequemlichkeit der Bewohner sind noch möglich. Näheres darüber in den genannten Werken von Viehmeyer und Escherich. In solchen Ameisenterrarien läßt sich das Tun und Treiben dieser interessantesten Tiere sehr gut beobachten. Man darf allerdings nicht unmittelbar daraus Rückschlüsse auf das »Wildleben« machen. Die Ameisen verstehen es ja besonders gut, sich veränderten Verhältnissen anzupassen. So bedürfen alle im Formikarium gemachten Beobachtungen der Bestätigung durch die »freie Wildbahn«. Hrsgbr.
Das Bauen und Erhalten der Nester nicht nur, bei welchen Arbeiten Kinnbacken und Vorderschienen die Hauptrolle spielen, sondern auch die häuslichen Geschäfte fallen den Arbeitern anheim, und diese sind, wie wir sogleich sehen werden, hinsichtlich der Fürsorge für die Brut wahrlich keine leichten. Bei denjenigen Ameisen, deren Arbeiter in verschiedenen Formen auftreten, scheint bis zu einem gewissen Grade Arbeitsteilung einzutreten, wenigstens hat man beobachtet, daß die großköpfigen, sogenannten Soldaten, die bei den Streifzügen nicht die Verteidiger, sondern mehr die Ordner und Führer bilden, mit ihren größeren Kinnbacken das Fleisch und die sonstige Beute zerschroten und die zarter gebauten Arbeiter dadurch in die Lage versetzen, ihren Kräften entsprechende Stückchen wegschleppen zu können. Überdies können wir oft genug beobachten, daß da, wo für den einzelnen Arbeiter die Kraft nicht ausreicht, ein zweiter und dritter zu Hilfe kommt und mit vereinten Kräften oft unmöglich scheinendes erreicht wird. In der Vereinigung fühlt sich die Ameise überhaupt nur stark und zeigt nur dann ihren vollen Mut und ihre Kampfeslust, wenn sie auf Beihilfe von ihresgleichen rechnen kann; als einzelne oder fern vom Nest weicht sie jedem Zusammenstoß gern aus.
Die Brutpflege erstreckt sich hier auf Eier, Larven und Puppen. Erstere, frisch gelegt, sind länglich, weiß oder lichtgelb, schwellen aber vor dem Ausschlüpfen an, biegen sich an dem einen Ende etwas und werden glasig. Nachdem sie vom Weibchen in einer Kammer auf ein Häufchen gelegt worden sind, werden sie von den Arbeitern wieder aufgenommen, fleißig beleckt, wie es scheint, hierdurch mit einer nährenden Feuchtigkeit versehen, in ein oberes Stockwerk des Hauses aufgehäuft, wenn es warm wird, oder tiefer geschafft, wenn die Witterung rauh und unfreundlich ist. Dasselbe wiederholt sich mit den Larven, die außerdem mit den ausgebrochenen Tropfen gefüttert, beleckt und von dem anhaftenden Schmutz gereinigt werden. Auch die Puppen werden den ihrem Gedeihen entsprechenden Witterungsverhältnissen nach umgebettet, hier- und dorthin getragen, und wer hätte nicht schon gesehen, wie beim Aufheben eines Steines, unter dem sie während des Sonnenscheins an der Oberfläche des Baues liegen, die sorgsamen Pflegerinnen sogleich heraufgestürzt kommen, eine ergreifen und damit eiligst im Innern der Gänge verschwinden, um sie vor der Störung von außen zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Als Trage dienen bei diesen Arbeitern die Kinnbacken; in der Eile wird auch einmal eine Bürde verloren, und da sind es die Fühler, die allein nur das Wiederauffinden vermitteln. Selbst dann noch, wenn die junge Ameise im Begriff steht, ihre Puppenhülle zu verlassen, sind die Schwestern hilfreich bei der Hand, zerreißen das Gespinst und unterstützen das Befreiungswerk, das in allen andern Fällen dem neugeborenen Kerbtiere allein überlassen bleibt. Somit erreicht bei den Ameisen die Brutpflege den höchsten Grad der Entwicklung unter allen gesellig lebenden Hautflüglern. Bedenken wir nun, daß ohne Beihilfe von Flügeln die eigene Nahrung und durch sie der Überschuß für die Brut zu bestimmten Zeiten für die zahlreichen Weibchen und Männchen herbeigeschafft werden muß, die alle nicht selbst für ihre Erhaltung sorgen, daß die Anlage, Erweiterung und Erhaltung des Nestes, alle diese mühsamen Verrichtungen dem Arbeiterstande zufallen, so ist es eben nur durch dessen Emsigkeit möglich, den schweren Pflichten nachzukommen, und er würde schließlich der Arbeit unterliegen, wenn nicht durch das Schwärmen der Überfüllung des Nestes und einer Überbürdung der Arbeiter von der Natur vorgebeugt worden wäre; doch hiervon später.
Im weiteren Verlaufe einer allgemeinen Schilderung des Ameisenlebens können wir uns nur an einzelne, besonders augenfällige Erscheinungen halten, da es sich nicht nur bei einer und derselben Art je nach den äußeren Verhältnissen (Örtlichkeit, Jahreszeit, Witterungseinflüsse usw.), sondern in noch viel höherem Maße bei den verschiedenen Arten außerordentlich mannigfach gestaltet und, wollen wir ehrlich sein, zum großen Teil nur stückweise und noch sehr unvollkommen zu unserer Kenntnis gelangt ist. Das gilt auch heute noch, obschon auf kaum einem Gebiet der Insektenkunde so intensiv gearbeitet ist, wie in der Myrmekologie. Aber man kennt nicht weniger als 5000 beschriebene Arten und Varietäten, die sich auf etwa 170 Gattungen und fünf Unterfamilien verteilen. Hrsgbr. Zunächst ist die Lebensdauer der verschiedenen Entwicklungsstufen und die Zeit, in welcher die einzelnen im Nest erscheinen, verschieden nach den Arten, nach der Jahreszeit, nach den Jahrgängen. Bei gewissen Arten werden die sämtlichen Eier im Herbst gelegt und die fruchtbaren Weibchen finden sich im Frühjahr meist nicht mehr im Nest vor ( Solenopsis fugax), bei den meisten andern sind Eier vom Frühjahr an bis zum Herbst im Nest und bedürfen wohl die kürzeste Zeit (vierzehn Tage), um in den nächstfolgenden Entwicklungsstand überzugehen. Bei der obengenannten Art leben die Larven vom Herbste bis zum Juli des nächsten Jahres, während beispielsweise von Tapinoma anfangs April den Eiern entschlüpfte Larven schon vor Ende Mai zu Puppen werden können. Nächst den Eiern bedürfen diese in den meisten Fällen die nächstkürzere Zeit zu ihrer Entwicklung zum vollkommenen Kerfe, obschon auch sie überwintern können. Die Lebensdauer einer vollendeten Ameise läßt sich am schwierigsten feststellen, allenfalls vergleichungsweise behaupten, daß die der Männchen, die nur der auf bestimmte Zeiten fallenden Fortpflanzung dienen, die kürzeste und die der befruchteten Weibchen länger als die der sich aufreibenden Arbeiter sein werde. Man nimmt an, daß die Stammütter bis wenig mehr als ein Jahr ihr Leben fristen können. Dieselben leben öfters in Mehrzahl in einem Neste, da sie die Eifersucht der Bienenköniginnen nicht kennen, geflügelte, also noch nicht befruchtete Weibchen und Männchen finden sich meist nur zu bestimmten Zeiten, obschon auch in dieser Beziehung Abweichungen wahrgenommen werden. So haben die Nester von Formica pratensis das ganze Jahr hindurch Männchen und Weibchen neben den Arbeitern, die von Leptothorax zu einer Zeit nur Männchen, zur andern nur Weibchen.
Die Männchen von Anergates sind ungeflügelt, bei andern Arten sind sie im Vergleiche zu ihren Weibchen viel zu groß, um von diesen im Fluge getragen werden zu können, in beiden Fällen findet also die Paarung nicht wie gewöhnlich beim Ausschwärmen statt. In solchen Nestern aber, wo zu bestimmten Zeiten, namentlich während des August, geflügelte Männchen und Weibchen im Neste erscheinen, halten sich dieselben eine Zeitlang im Innern desselben verborgen, letztere beteiligen sich wohl auch insofern an den häuslichen Arbeiten, als sie die Larven und Puppen mit umbetten helfen. Zunächst wird es den Männchen, die zu Lufttieren geboren sind, in den unterirdischen Räumen zu eng, sie lustwandeln auf der Außenfläche des Hauses umher, besteigen Gräser und andere Pflanzen in der nächsten Nachbarschaft und verraten große Unruhe. Zwischen ihnen erscheinen Arbeiter, fassen sie mit den Zangen und suchen sie in das Nest zurückzubringen. Diese Aufregung währt einige Tage, dann aber bietet sich dem Blicke des Beobachters ein überraschendes Schauspiel, eine Hochzeit der Ameisen dar. Nichts Menschliches gibt einen Begriff von dem wirbelnden Aufbrausen, von dem man nicht weiß, ob es Liebe, ob es Wut bedeute. Zwischen dem Volke wilder Brautpaare, die von nichts zu wissen scheinen, irren Ungeflügelte umher und greifen besonders die an, die sich am meisten verwickelt haben, beißen sie, zerren sie so stark, daß man meinen sollte, sie wollten sie vernichten. Das ist aber nicht ihre Absicht, sie wollen sie vielmehr zum Gehorsam, zu sich selbst zurückbringen. Diese Jungfrauen überwachen also die Liebenden und führen eine strenge Aufsicht über die Vorfeier der Hochzeit, dieses wahre Volksfest. Jetzt grenzt die Wildheit an Raserei: in taumelndem Wirbel erheben sich die Männchen, nach ihnen die Weibchen und in wechselndem Auf- und Absteigen gelangen sie zu bedeutenden Höhen. Die Männchen stürzen sich auf ein Weibchen, von den kleineren bisweilen mehrere gleichzeitig, und verbinden sich mit ihm. Ein höherer Gegenstand dient ihnen gewissermaßen als Wahrzeichen bei diesem Gaukelspiel: ein Baumgipfel, eine Turmspitze, ein Berggipfel, selbst ein einzelner Mensch in einer ebenen Gegend. So geschah es Huber, dem wir so viel über die Sitten der Ameisen verdanken, daß ein Schwarm sich über seinem Haupte langsam mit ihm fortbewegte. Wie lästig sie bei dieser Gelegenheit werden können, erfuhr ich 1869 in Gesellschaft einiger Damen. Als wir die dunkle Treppe in dem Aussichtsturme des Kynast hinaufkrochen, warnten herabkommende Reisende wegen eines Ameisenschwarmes vor dem weiteren Vordringen. Wir wollten jedoch den herrlichen Blick auf das Hirschberger Tal von jenem Punkte aus kennenlernen und gingen mutig weiter. Die Tausende von Ameisen, die sich an uns setzten, namentlich an eine lichtgekleidete Dame, verkümmerten uns den Aufenthalt da oben ungemein; denn hier und da, wo sie auf die bloße Haut kamen, zwickten sie in das Fleisch und bewiesen in jeder Hinsicht eine ungewöhnliche Aufgeregtheit. Dergleichen Erfahrungen kann man ab und zu in der beliebten Reisezeit auf allen Aussichtstürmen machen, an denen es in den mitteldeutschen Gebirgen nirgends fehlt.
Die Ameisenschwärme an einem schönen Augustnachmittage, besonders nach einigen Regentagen, von Lasius flavus, niger, alienus, fuliginosus, Myrmica verschiedener Art, Solenopsis fugax, Tapinoma caespitum und anderen ausgeführt, haben bisweilen die Menschen in Furcht und Schrecken versetzt, namentlich dann, wenn die Schwärme einer größeren Landstrecke sich zu förmlichen Wolken vereinigt und die Spitzen der Kirchtürme als vermeintliche Rauchwölkchen umschwebt haben. Am 4. August 1856 regnete es bei St. Saphorin in der Schweiz Myriaden schwarzer, geflügelter Ameisen. Am 10. August, abends 5 Uhr 20 Minuten bis 6 Uhr, wurde von Wattwyl bis Liechtenstein, der Thür entlang, eine von Südwest nach Nordost ziehende Wolke geflügelter Ameisen von schwarzbrauner Farbe in etwa dreihundert Fuß Höhe beobachtet. Zwischen beiden Orten löste sie sich auf und zerteilte sich auf Bäume, Häuser und Gräser. Im September 1814 berichtet ein englischer Chirurg vom Bord eines Schiffes, daß eine acht bis zehn Fuß breite Kolonne von sechs Zoll Höhe, bestehend aus großen Ameisen, das Wasser auf eine Strecke von fünf bis sechs (englischen) Meilen bedeckt habe. Auch die alten Chroniken erzählen von dergleichen Dingen. Am 2. August 1687, um 3 Uhr nachmittags, schwärmte eine solche Menge von Ameisen über dem Turme der Elisabethkirche zu Breslau, daß das Volk sie für Rauch ansah und einen Brand befürchtete. Kurz darauf wiederholte sich dieselbe Erscheinung um die übrigen Türme; es dauerte aber kaum eine Stunde, so fielen sie zu Boden, daß man sie hätte haufenweise aufraffen können. Am 19. Juli 1679, gegen 2 Uhr, ist eine Wolke großer Ameisen über Preßburg geflogen und nach einer Viertelstunde so dicht heruntergefallen, daß man auf dem Markte keinen Fuß vorsetzen konnte, ohne einige Dutzend zu zertreten; sie hatten alle die Flügel verloren, schlichen langsam umher und waren nach zwei Stunden gänzlich verschwunden. Genug der Beispiele. Legen wir uns jetzt die zwei Fragen vor: Wie sieht es während der Schwärmzeit im Neste aus, und was wird aus den Schwärmern?
Bei den schon einige Tage vor dem Schwärmen bemerkbaren Bemühungen der Arbeiter, unter dem geflügelten Volke Ruhe und Ordnung wieder herzustellen, gelingt es doch, ein oder das andere Weibchen und Männchen zurückzuhalten, die sich in der nächsten Nestnähe paaren. Eins oder einige solcher Weibchen sind es, die sie in das Nest zurückbringen, ihnen die Flügel abreißen, denselben alle Fürsorge erweisen, sie belecken, füttern und in gleicher Weise behandeln, wie wir von den Bienen mit ihrer Königin bereits früher gesehen haben. Diese Stammutter sorgt nun durch Eierlegen für das Fortbestehen des Nestes. Die Schwärmer gelangen entfernt vom Geburtsneste, wie wir bereits sahen, schließlich wieder auf die Erde, Tausende und aber Tausende werden eine Beute anderer Kerfe oder solcher Tiere höherer Ordnungen, die Geschmack an ihnen finden, oder die Männchen sterben nach wenigen Tagen planlosen Umherirrens einen natürlichen Tod, während die nicht verunglückten Weibchen Gründerinnen neuer Nester werden. Zunächst entledigt sich das befruchtete Weibchen mit Hilfe seiner Beine der Flügel, gräbt sich an einem ihm passenden Plätzchen ein und legt Eier. Es liegt nun nahe, anzunehmen, daß es, wie die Wespen-, die Hummelmutter, für deren Entwicklung zu Arbeiterameisen Sorge trage und diesen die Nestanlage und alles weitere überlasse, für sich selbst nur das Eierlegen in Anspruch nehmend. Nie hat man aber eine vereinzelte Ameisenmutter mit Puppen, nicht einmal mit erwachsenen Larven angetroffen, sondern nur mit Eiern oder sehr kleinen Würmchen, und nie hat es bei den verschiedensten Versuchen in der Gefangenschaft gelingen wollen, durch Vermittlung eines befruchteten Weibchens Arbeiterameisen zu erhalten. Infolge dieser Erfahrungen hat man gemeint, daß Arbeiter derselben Art ein »herabgeregnetes« befruchtetes Weibchen aufgriffen und mit ihm eine neue Kolonie ins Leben riefen. Hierauf bezügliche Versuche sind aber gleichfalls mißglückt und jenes meist als fette Beute von Arbeitsameisen verzehrt worden. Somit bliebe die Frage über die Entstehung neuer Nester noch eine offene, und es wird bei der Gründung ebensowenig an der größten Vielgestaltigkeit fehlen, wie im übrigen Leben der so höchst interessanten kleinen Wesen. Das ist in der Tat der Fall. Heute wissen wir, daß es drei Haupttypen der Neugründung von Kolonien gibt, von denen die zweite eine ganze Reihe von Variationsmöglichkeiten besitzt. Einmal findet Koloniegründung in der von Huber behaupteten unabhängigen Weise statt. Das junge befruchtete Weibchen kapselt sich in eine Höhle ab, in der es, von der Umwelt abgeschlossen, die ersten Arbeiter allein heranzieht und sie aus ihrem Körperfett ernährt. Es kommt auch vor, daß sich mehrere Weibchen zu einer derartigen »unabhängigen« Kolonieneugründung zusammentun. – Der zweite Typus ist die sogenannte »abhängige« Kolonieneugründung. Sie findet statt, indem entweder Arbeiter der betr. Art das Weibchen auffinden und so die Neugründung erfolgt, oder aber das »abhängige Weibchen« schließt sich an ein »unabhängiges« einer andern Art an, das ihm dann bei der Aufzucht seiner Brut behilflich ist und dafür dann in der Regel, wenn genügend Arbeiter der abhängigen Ameise herangewachsen sind, getötet wird, oder aber das befruchtete Weibchen dringt in eine andere Kolonie ein und »adoptiert« gewissermaßen Arbeiterinnen dieser »Hilfsameisenkolonie«, wodurch gemischte Kolonien entstehen, oder endlich die Kolonieneugründung einer »abhängigen« Ameise geschieht durch »Puppenraub« oder einfache »Nesteroberung«. – Der dritte Typus ist »Koloniegründung durch Spaltung«, wobei die Abspaltung allmählich durch Tochterkoloniegründungen erfolgt, die zunächst noch mit der Mutterkolonie in Verbindung bleiben, schließlich aber ihren Ursprung vergessen und gegen Insassen der Mutterkolonie bei Begegnungen sich feindlich verhalten. Es kommt aber auch spontane Koloniespaltung vor. Hrsgbr.
Aus diesem noch einige Züge mitzuteilen, ziehen wir für unsere Zwecke einer Unterscheidung zahlreicher Ameisenarten vor, wollen aber auch die folgenden Mitteilungen nur als eine Skizze betrachtet wissen. Wenn wir schon öfters Gelegenheit fanden, und sie auch im weiteren Verlaufe unserer Darstellung noch finden werden, von Schmarotzern zu sprechen, die sich in den Wohnungen gewisser Hautflügler einfinden, so darf es nicht wundernehmen, daß auch in den Ameisennestern fremde Einwohner vorkommen. Dieselben stehen in sehr verschiedenen Verhältnissen zu den Ameisen, aber entschieden in andern als jene Schmarotzer.
Zunächst wohnen verschiedene Ameisenarten in einem Neste, eine Erscheinung, die man mit dem Namen der gemischten Kolonien bezeichnet hat. In denselben sind zwei wesentlich voneinander verschiedene Fälle auseinanderzuhalten. Entweder nämlich lebt die eine Art in ihren drei Formen in dem Neste der andern und bildet ihren Gast, oder es finden sich nur Arbeiter einer andern Art vor, die von den Arbeitern des Nestes im Larven- oder Puppenzustande aus einem andern Neste geraubt worden sind, weshalb man die letzteren Raubameisen genannt hat. Zu den Gastameisen, und zwar bei Formica rufa und congerens, gehört entschieden die kleine, gelbrot glänzende Stenamma Westwoodi (eine Knotenameise) von der man, weil man sie nie selbständig gefunden hat, annehmen muß, daß ihr Bestehen von jenen Arten abhängig sei. Eine zweite Art, Asemorhoptrum lippulum, ist gleichfalls für eine Gastameise bei Lasius fuliginosus, bruneus und sanguinea gehalten worden; von Hagens fand sie aber auch in selbständigen Staaten. – Zu den Raubameisen gehört entschieden die später näher zu besprechende Formica sanguinea; sie arbeitet aber gleich ihren Sklaven, wie man die geraubten Arbeiter genannt hat, und es läßt sich somit bei ihr ein Grund für ihr Räuberhandwerk nicht angeben. Anders verhält es sich mit der Amazonenameise ( Polyergus rufescens), einer durchaus bräunlichroten Art des südlicheren Europa, die jedoch auch bei Kleve, Mombach, Mainz, Soden beobachtet worden ist. Sie raubt die Larven von Formica fusca und cunicularia und zeigt sich dabei ungemein kühn und bissig, ist aber so arbeitsscheu, daß sie verhungern müßte, wenn sie nicht von ihren Sklaven gefüttert würde. Bei zwei andern, für Raubameisen geltenden Arten ( Strongylognathus testaceus und Myrmica atrata) sind die Verhältnisse abermals anders. Die Amazonenameise und erstere der beiden zuletzt genannten Arten haben, abweichend von allen andern heimischen, walzenförmige und ungezähnte Kinnbacken, entbehren also derjenigen Einrichtung, welche die Kinnbacken der übrigen Arten zu Arbeitswerkzeugen gestalten.
Die Ameisenfreunde (Myrmekophilen) sind weitere Bewohner der Ameisennester und gehören den verschiedensten Kerfordnungen an. Mehrere Forscher haben diesen Gegenstand mit besonderer Vorliebe verfolgt und lange Verzeichnisse von diesen Tieren angefertigt, auch das Verhalten der Ameisen zu ihnen zu ermitteln sich bemüht. Hiernach lassen sich dieselben in drei Gruppen ordnen: 1. Ameisenfreunde, die nur als Larven oder Puppen unter jenen leben und als unschädliche Gesellschafter geduldet werden. So nährt sich, wie wir früher sahen, die einem Engerlinge ähnliche Larve des gemeinen Goldkäfers ( Cetonia aurata) von den vermodernden Holzstückchen des unteren Nestteiles bei der Waldameise. 2. Ameisenfreunde, die in ihrem vollkommenen Zustande in den Nestern anzutreffen sind, hier aber nicht ausschließlich. Dahin gehören mehrere Stutzkäfer ( Hister), Kurzflügler, diejenigen Blattläuse, die nicht freiwillig, sondern, von den Ameisen hineingetragen, bei ihnen als »Milchkühe« leben müssen. Der besonderen Vorliebe aller Aderflügler für die Blattläuse wurde früher schon gedacht, sowie der Leidenschaft der Ameisen, jene ihrer süßen Auswürfe wegen allerwärts aufzusuchen. Sie betasten dieselben mit ihren Fühlern, belecken sie und wissen ihnen durch allerlei Liebkosungen auch Saft aus den Honigröhren zu entlocken, sie zu »melken«, wie man dieses Verfahren kurz bezeichnet hat. Um dies bequemer haben zu können, entführen sie die wehrlosen, schwachen Tierchen in ihre Nester und legen dabei weniger mütterlichen Sinn, als ganz gemeine Selbstsucht an den Tag. Bei den in Baumstämmen nistenden Arten, wie Lasius fuliginosus und brunneus, wohnt häufig eine Blattlaus, namens Lachnus longirostris, die mit ihrem den Körper dreimal an Länge übertreffenden Schnabel an dem jungen Holze des Baumes saugt; in unterirdischen Ameisennestern erhalten wieder andere Blattlausarten ihre Nahrung aus den Wurzeln der Gräser und anderer Pflanzen in nächster Nachbarschaft. Oft umgeben Ameisen eine Gesellschaft von Blattläusen mit einem Gehäuse von Erde oder anderen Baustoffen, tragen auch ihre Larven in dasselbe oder setzen eine Blattlausgesellschaft durch einen bedeckten Gang mit ihrem Neste in Verbindung. Solche bezeichnet von Osten-Sacken als » stallfütternde« Ameisen und erzählt von einer kleinen rötlichen Art der Gattung Formica mit braunem Hinterleibe, die in der Nähe von Washington eine schwarze Lachnus-Kolonie an einem Wacholderzweige ummauert hatte. Das röhrenförmige Futteral bestand aus einer graubraunen, filzartigen Masse, die sich als zusammengebackene Härchen, wahrscheinlich Bastschnitzeln, von harzigem Gerüche ergab. Es war etwa sechsunddreißig Zentimeter lang und ein Drittel dieser Erstreckung breit, als es zur näheren Untersuchung abgebrochen wurde. Bei einer andern Gelegenheit fand derselbe Forscher in Virginien an einem dicht mit Blattläusen besetzten Asclepiasstengel ein zerbrechliches, kugelförmiges Gehäuse von ungefähr 2,19 Zentimeter Durchmesser, das einer schwarzen Ameise seinen Ursprung verdankte. In heißen Ländern, wo Blattläuse fehlen, vertreten die ihnen verwandten kleinen Zikaden deren Stelle. 3. Ameisenfreunde, die auf allen ihren Lebensstufen ausschließlich in den Nestern bestimmter Ameisen leben, ohne die sie überhaupt nicht bestehen würden. Hierher gehören der gelbe Keulenkäfer mit seinen Verwandten und noch zahlreichere Staphylinen. – In Deutschland kennt man über dreihundert Kerfarten aller Ordnungen, die zu einer oder der andern dieser drei Gruppen zählen, hauptsächlich jedoch den Käfern angehören, unter diesen allein einhundertneunundfünfzig Staphylinen. Die meisten leben bei Lasius fuliginosus (150 Arten) und Formica rufa (100 Arten), von den wenigsten kennt man indessen zur Zeit noch die näheren Beziehungen, in denen sie zu ihren Wirten stehen. Auch auf diesem Gebiet sind namentlich durch die Forschungen Wasmanns seit Taschenberg ungeheuer viele neue Tatsachen aufgedeckt worden. Man vgl. Wasmanns Buch: »Die Gastpflege der Ameisen«, Berlin 1920 Hrsgbr.
Das geschäftige Treiben der Ameisen hat ihnen vor tausenden anderer Kerfe von jeher die regste Teilnahme derer abgenötigt, die überhaupt Sinn für solche Dinge haben, wie uns die zum Teil treffenden Bemerkungen der griechischen und römischen Naturforscher aus dem grauen Altertume beweisen. Das Leben der Ameisen ist nach Plutarch gewissermaßen der Spiegel aller Tugenden: der Freundschaft, der Geselligkeit, Tapferkeit, Ausdauer, Enthaltsamkeit, Klugheit und Gerechtigkeit. Kleanthes behauptet zwar, die Tiere hätten keine Vernunft, erzählt aber doch, er habe folgendes gesehen: Es wären Ameisen in die Nähe eines fremden Ameisenhaufens gekommen und hätten eine tote Ameise getragen. Aus dem Haufen wären nun dem Leichenzuge Ameisen wie zur Unterredung entgegengekommen, dann wieder zurückgegangen. Dies wäre zwei- bis dreimal geschehen. Endlich hätten die Ameisen aus dem Haufen einen Wurm hervorgeschleppt und hätten ihn den Trägern der Leiche übergeben, um letztere von ihnen loszukaufen. Diese hätten den Wurm angenommen und die Leiche dagegen abgelassen. – Jedenfalls bemerkt man überall bei sich begegnenden Ameisen, wie sie die Tugend der Bescheidenheit üben, indem alle, die leergehen, den Beladenen ausweichen; wie sie ferner Dinge, die nicht gut fortzuschaffen sind, weislich teilen, so daß die Last dann auf mehrere verteilt werden kann. – Aratus sagt, wenn Regen bevorstände, brächten sie vorher ihre Eier an die Luft; andere aber schreiben, dies wären keine Eier, sondern Körner, die sie lüfteten, um sie vor Fäulnis zu schützen. – Auch auf eine andere Weise schützen sie mit außerordentlich kluger Berechnung die Körner vor dem Verderben: Volle Sicherheit vor Nässe können sie denselben nicht geben, und die natürliche Folge davon ist, daß sie weich werden und keimen wollen. Dem Keimen beugen sie dadurch vor, daß sie aus jedem Korne den Keim herausbeißen. – Es ist zwar unrecht, wenn man einen Ameisenhaufen öffnet und durchsucht, wie wenn man ihn anatomieren wollte, allein Leute, die dies dennoch getan, versichern, vom Eingange aus gehe kein gerader Weg in die inneren Gemächer, durch den dann auch andere Tiere hineinkriechen könnten; der Weg führe vielmehr vielfach gekrümmt und gebrochen in die drei Gemächer. Von diesen sei das eine die gemeinsame Wohnung, das zweite die Vorratskammer, das dritte die Totenkammer. Aristoteles widmet an verschiedenen Stellen den Ameisen nur wenige Zeilen: Bienen, Ameisen, Wespen, Kraniche leben in geschlossenen Gesellschaften, die Kraniche und Bienen unter einem Oberhaupte, die Ameisen aber nicht. Sie sind teils geflügelt, teils flügellos. Sie riechen Honig von weitem. Bestreut man ihre Wohnungen mit gepulvertem Schwefel oder mit Dosten, so ziehen sie aus. Die Ameisen bringen Maden zur Welt, die anfangs klein und rundlich sind, dann sich durch Wachstum verlängern und Glieder bekommen. Die Fortpflanzung findet vorzüglich im Frühjahre statt. Die Ameisen sind immerfort in Tätigkeit, laufen immer denselben Weg, tragen Speisen hervor oder verbergen sie, arbeiten bei Vollmond selbst in der Nacht. Sie jagen zwar nicht selbst, tragen aber zusammen, was sie finden.
Plinius wiederholt in der Hauptsache dieselben eben vorgetragenen Ansichten und fährt dann fort: »Wie groß ist ihre Anstrengung bei der Arbeit, wie anhaltend ihr Fleiß! Und weil sie, ohne voneinander zu wissen, aus verschiedenen Gegenden Waren zusammentragen, so haben sie bestimmte Markttage, an welchen allgemeine Musterung gehalten wird. Dann wimmelt's und grimmelt's und die einander Begegnenden befragen und besprechen sich mit großer Sorgfalt. Man sieht Steine, in die sie nach und nach Wege getreten haben und man erkennt hieraus, wieviel selbst die Emsigkeit schwacher Geschöpfe vermag. Die Ameisen sind, außer dem Menschen, die einzigen Tiere, die die Toten begraben. In Sizilien gibt es nur ungeflügelte.« Auch Aelian betont an einigen Stellen das Eintragen von Körnern und deren Behandlung, um ihr Keimen zu verhindern.
Abgesehen von dem Begraben der Toten, welcher Irrtum möglicherweise dadurch entstanden ist, daß jede lahme oder hilfsbedürftige Ameise von den ihr begegnenden Schwestern in das Nest geschleppt und verpflegt wird, ist das Wesen der Ameisen schon von alters her richtig erkannt und gewürdigt worden, vor allem ihre große Arbeitsamkeit, Klugheit und das Vermögen, Mitteilungen unter sich auszutauschen. Es sind in dieser Hinsicht in späteren Zeiten allerlei Ansichten laut geworden, eine Zeichensprache an verschiedenen Beispielen nachgewiesen und ziemlich allgemein angenommen, namentlich aber die Fühlhörner als das wichtigste Werkzeug zu der Aufnahme der Eindrücke von außen angesehen worden. Neuerdings meint Landois den Beweis geliefert zu haben, daß den Ameisen außerdem eine wirkliche Tonsprache zukomme, die allerdings für das menschliche Ohr meist nicht wahrnehmbar sei. Nachdem bei den Spinnenameisen ( Mutilla) an einigen Hinterleibsringen das Werkzeug aufgefunden worden war, mit dem dieselben sehr wohl auch für das menschliche Ohr hörbare Töne hervorbringen können, untersuchte der genannte Forscher verschiedene Ameisengattungen und fand bei sehr entwickelte Reibleisten am zweiten und dritten Hinterleibsringe, deren Ton übrigens auch dem menschlichen Ohre vernehmbar; weniger entwickelt fanden sie sich bei andern Gattungen, so daß der Genannte die oben aufgestellte Behauptung für gerechtfertigt hält. Wir können diesen höchst interessanten Gegenstand hier nicht weiter ausführen, durften denselben aber auch nicht ganz mit Stillschweigen übergehen. Viel wichtiger jedoch als solche gelegentlichen Warnlaute ist die sogenannte »Fühlersprache« der Ameisen. Sie haben ein außerordentlich fein ausgebautes System der Verständigung durch gegenseitige Fühlerbetastung. Hrsgbr.
Fossile Ameisen finden sich in großer Menge in den Tertiärschichten, und die Schieferplatten von Oeningen (im badischen Seekreise) sind oft mit Ameisenabdrücken der verschiedensten Arten förmlich bedeckt. Auch der Bernstein enthält zahlreiche Ameiseneinschlüsse, jedoch meist nur geflügelte. Das Heer der noch lebenden hat man in fünf Sippen eingeteilt: die Drüsenameisen ( Formicidae), deren in den Gliedern nicht eingeschnürter Hinterleib an einem eingliedrigen, schuppentragenden Stiel sitzt; die Zangenameisen ( Odontomachidae) haben dieselbe Hinterleibsbildung, einen Wehrstachel und in dem weiblichen Geschlecht Kinnbacken, deren Einlenkungsstellen sich gegenseitig berühren. Bei den Stachelameisen ( Ponridae) wird zwischen dem ersten und zweiten Hinterleibsglied eine Einschnürung bemerkbar, den Giftstachel und den eingliedrigen Stiel haben sie mit der vorigen sowie mit der folgenden Sippe, den Blindameisen ( Dorylidae), gemein, wo die Weibchen und Arbeiter augenlos sind. Ein zweigliedriger Hinterleibsstiel endlich kennzeichnet die Sippe der stacheltragenden Knotenameisen ( Myrmicidae).
Zu den artenreichsten Gattungen der Drüsenameisen gehört Camponotus. Die S-förmig gebogenen Stirnleisten, die vom Kopfschild entfernt eingelenkten Fühler und der Mangel der Nebenaugen bei den Arbeitern charakterisieren sie. Unsere größte deutsche Emse, die Roßameise ( Camponotus herculaneus), liebt die bewaldeten Gebirgsgegenden und legt ihr Nest unten in alten Bäumen an. Wenn sie im Sommer vor der Schwärmzeit sich bemerklich macht, staunt man über die mächtigen, bis 17,5 Millimeter langen Weibchen, die den Grund jener Stämme schwarz färben. Die gelben Spitzen ihrer langen, den Hinterleib weit überragenden Flügel zeichnen sie aus. Bei genauerer Betrachtung schimmert der Körper infolge grauer Behaarung in dieser Farbe. Die am Mittelleib glanzlosen Männchen und die Arbeiter werden 8,15 bis 11 Millimeter lang. Unter demselben deutschen Namen ist eine zweite Art ( Camponotus ligniperdus) gemeint, die sich durch dunkelrote Zeichnung am Mittelleib unterscheidet und sich samt der vorigen über Europa bis Ostsibirien und Nordamerika ausbreitet, von der Ebene bis zu den höchsten Alpen. Andere zahlreiche Arten derselben Gattung kommen in allen Erdteilen ohne Ausnahme vor.
Die rote Waldameise, Hügelameise ( Formica rufa) hat ein nicht ausgerandetes Kopfschild, sein gerunzeltes Stirnfeld, unbehaarte Augen, eine aufrechte, beinahe verkehrt herzförmige, schneidige Stielschuppe, einen braunroten, beborsteten Mittelleib mit schwärzlichen Flecken, das Männchen dagegen einen durchaus braunschwarzen, infolge der Behaarung aber aschgrau schimmernden; dasselbe ist größer als das Weibchen (11 Millimeter), dieses nur 9,87, und der Arbeiter gar nur 4,5 bis 6,S Millimeter. Die Gattungsmerkmale, die der Art zukommen, bestehen in folgenden: Zwölf Glieder der Fühler beim Weib, dreizehn beim Mann, diese unmittelbar hinter dem Kopfschild eingelenkt, das sich nicht zwischen ihre Schäfte fortsetzt, ein scharf abgegrenztes Stirnfeld und nach oben wenig auseinandergehende Stirnleisten; die Arbeiter haben Nebenaugen, wie die geflügelten Geschlechter, und die Männchen messerförmige Klappen an den großen Genitalien.
Die Waldameise lebt in ganz Europa, in Asien bis Ostindien und in Nordamerika. Sie baut unter unsern heimischen Arten die mächtigsten Nester, indem sie in den Nadelwaldungen Hügel von vierundneunzig bis einhundertfünfundzwanzig Zentimeter Höhe aus Blatteilchen, Nadeln, Harzkrümchen, Erdklümpchen, Holzstückchen mit bewundernswürdiger Ausdauer und Kraftanstrengung zusammenschleppt und auftürmt. Die Nester nehmen unter der Bodenfläche einen noch viel größeren Umfang an als am oberirdischen Teil. Zerstört man einen solchen Hügel, so kommen Tausende von Arbeitern in dichtem Gewimmel zum Vorschein. Für den erschöpften Wanderer kann es nichts Erquickenderes geben, als wenn er die flache Hand, mit der er einige rasche Schläge auf einen solchen Hügel führte, unter seine Nase hält. Es ist bei dieser Behandlungsweise Schnelligkeit als Vorsichtsmaßregel notwendig, damit sich keins der hierdurch wütend gemachten Tiere in die Hand einbeiße oder an den Körper krieche, weil es sonst durch sehr unangenehmes Zwicken sich empfindlich rächen würde. Einst klopfte ich ein solches Nest, das am Rande eines Waldes etwas hoch lag, und zwar genau vor der im Scheiden begriffenen Sonne. Nachdem wir, meine mich begleitenden Damen und ich, den aromatischen Hauch von meiner Hand eingeschlürft hatten und uns im Weggehen nochmals nach den hörbar sehr unangenehm berührten, erzürnten Tierchen umsahen, genossen wir das einzige Schauspiel: Hunderte von silbernen Fontänen, beleuchtet durch die Strahlen der sinkenden Sonne, sprudelten von allen Seiten bis zweiundsechzig Zentimeter in die gewürzige Luft und lösten sich auf ihrem Rückwege in zarte Nebel auf. Eine Sekunde, und alles war vorüber, nur ein Geknister und Genistel zwischen dem aufgewühlten Baumaterial hörte man bei der abendlichen Feierstille auf viele Schritte Entfernung, die fortdauernde Aufregung der so unfreundlich in ihren verbrieften Rechten beeinträchtigten Tiere. Daß sie aus der Hinterleibsspitze die Ameisensäure von sich geben und so einem klopfenden Werkzeug deren Geruch mitteilen, war mir bekannt, daß sie dieselbe aber mit solcher Gewalt zu solcher Höhe emporschleudern könnten, hatte ich nicht geahnt.
Das Innere dieser Nester enthält ein Gewirr von kreuz und quer sich vereinigenden Gängen und kleinen Höhlungen, in denen sich die Bewohner herumtummeln, und von dem nach allen Seiten hin Haupt- und Nebenstraßen weit von dem Hügel wegführen, die durch das ununterbrochene Herbeischaffen weiterer Pflanzentrümmer förmlich geglättet sind.
Die blutrote Raubameise ( Formica sanguinea) ist der vorigen sehr ähnlich und früher öfters mit ihr verwechselt worden, unterscheidet sich aber durch ein ausgerandetes Kopfschild und im männlichen Geschlecht durch einen vier- bis fünfzähnigen Kaurand der Kinnbacken gegen einen ungezähnten bei dem Männchen der vorigen Art, außerdem wesentlich in der Lebensweise. Ihre Haufen sind von geringerer Größe, beherbergen andere und bedeutend weniger Käfergäste (gewöhnlich die beiden Kurzflügler Lomechusa strumosa, und Dinarda dentata) und die Arbeiter von Formica fusca, cunicularia und seltener auch von Lasius alienus, die alle im Larvenzustand von den Arbeitern des Nestes geraubt werden. In förmlichen Heerzügen begeben sie sich nach dem Neste einer der genannten Arten, dringen mit Ungestüm in den Bau ein, töten alles, was sich ihnen zur Wehr setzt und tragen Larven und Puppen der Arbeiter davon. Dergleichen Schlachten sind von verschiedenen Forschern beobachtet worden. Die jenen entschlüpften Ameisen, nicht wissend, daß sie in fremde Dienste getreten sind, gehen gleich den Arbeitern der Formica sanguinea den gewöhnlichen Beschäftigungen nach, scheinen aber vorherrschend den häuslichen Bedürfnissen zu dienen. Zerstört man einen solchen Bau teilweise, so werden sie zunächst sichtbar, um den entstandenen Schaden wieder auszubessern, während die Herren nur unruhig umherlaufen. Selten zeigen sie sich mit jenen außerhalb des Nestes. Bei einer Wanderung der Formica sanguinea, die Darwin beobachtete, hatten die Herren ihre Sklaven zwischen den Kinnbacken davongeschleppt, während von Hagens einen gleichen Umzug im August beobachtete, bei dem teils die Herren ihre Sklaven, teils diese die Herren nach der andern Kolonie trugen. Es kommt nämlich bisweilen vor, daß Ameisen ihr Nest freiwillig verlassen und umziehen, wenn irgendwelche Umstände ihnen den bisherigen Aufenthalt verleidet haben (Nässe, öftere Störung seitens des Menschen oder anderer Ameisen, wenn Dünger auf oder neben das Nest getragen worden ist usw.).
Während die Formica-Arten in der Erde nisten, wählen die Höcker-Drüsenameisen ( Lasius) die verschiedenartigsten Baustellen.
Die Gattung läßt sich an folgenden Merkmalen der Arbeiter und Weibchen erkennen: Das vorn nicht ausgerandete Kopfschild ist trapezförmig und gewölbt, an den Hinterecken stark gerundet, wo die ziemlich kurzen Stirnleisten beginnen und die zwölfgliedrigen Fühler länger als das erste. Die Nebenaugen sind sehr undeutlich. Der eingelenkt sind; die Geißel derselben ist keulenförmig, jedes Glied vom zweiten an wenig größer als das vorangehende, und das letzte Mittelleib ist vor dem buckligen und ungezähnten Hinterrücken stark eingeschnürt, das Stielchen mit einer viereckigen, senkrechten oder beinahe senkrechten Schuppe versehen, auf die der Hinterleib sich nicht auflegt. Der weibliche Flügel hat eine Rand- und eine oder keine Mittelzelle aufzuweisen. Die breiten Kinnbacken des Männchens sind am Kaurande schneidig und nur vorn einzähnig oder durchaus gezähnt, die unter sich fast gleichen Geißelglieder der dreizehngliedrigen Fühler fadenförmig, das erste am dicksten. Die kleinen Genitalien werden von der Rückenseite dachartig bedeckt, ihre äußere Klappe bildet eine schmäler werdende, am Ende halbkreisförmig abgerundete Platte; die Afterklappe ist nicht ausgeschnitten.
Die glänzend schwarze Holzameise ( Lasius fuliginosus), die größte von allen (bis 11 Millimeter) und über ganz Europa verbreitet, mit Ausnahme der Pyrenäischen und Balkan-Halbinsel, legt Irrgänge in alten Baumstämmen an oder kittet dergleichen zusammen, wenn der Zahn der Zeit schon zu lange genagt und das Holz in Erde verwandelt hatte. – Die braune Holzameise ( Lasius niger), in ganz Europa und in Nordamerika, auch auf Madeira ansässig, baut, gleich ihrer nur auf die Südhälfte Europas beschränkten Schwester Lasius alienus, wie es eben passen will, in die Erde, in hohle Bäume, zwischen Moos und dergleichen. – Lasius emarginatus sucht mit Vorliebe die Ritzen in Gartenmauern auf. – Die wegen ihrer empfindlichen Bisse berüchtigten gelben Ameisen, die gleichfalls dieser Gattung angehören und mehrere Arten enthalten, von denen Lasius flavus am verbreitetsten ist, bauen bekanntlich in die Erde unter dem Schutz eines Steins oder eines Hügels.
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Die Stachelameisen ( Poneridae) führen diesen Namen, weil Arbeiter und Weibchen mit einem Stachel bewehrt sind. Ihre Gesellschaften bestehen aus nur wenigen Gliedern, sind meist nur im Arbeiterstand bekannt und in Europa sparsam vertreten. – Die von Latreille aufgestellte, bisher zu den Poneriden gerechnete Gattung Odontomachus hat man mit noch einigen andern zu einer besonderen Sippe erhoben und zwischen die Drüsen- und Stachelameisen eingeschoben. Die schlanken, schmalen Tiere zeichnen sich durch den langen, nach hinten gerichteten Dorn auf ihrem einzigen Stielknoten aus, sowie durch die zwei Unterrandzellen und die drei Mittelzellen in den Flügeln. Das Merkwürdigste an ihnen bleiben aber bei Weibchen und Arbeitern die Kinnbacken durch ihre Bildung und Anheftung; an der äußersten Spitze des auffällig gestreckten Kopfes sitzen sie, die übermäßig langen, mit den Wurzeln dicht beieinander, wie die Flügel einer Drahtzange vor ihrem Niet. Nur Asien und Südamerika ernähren dergleichen interessante Tiere.
Eine vierte, ebenfalls nur ausländische Sippe, die von andern Schriftstellern als selbständige Familie hinter die Ameisen gestellt worden, können wir an dieser Stelle durch eine kurze Bemerkung über die Lebensverhältnisse einer Art einführen. Die Doryliden ( Dorylus, Labidus, Anomma und andere), die man in der Dreigestalt der Arten noch sehr unvollkommen kennt, gehören nur den heißen Erdstrichen an, vorzugsweise Ostindien, Senegambien und Brasilien.
Die Treiberameise ( Anomma arcens), eine Bewohnerin des westlichen Afrika, hat sich durch ihre eigentümliche Lebensweise eine gewisse Berühmtheit erworben. Die Gesellschaft, in der sich kleinere und größere (bis elf Millimeter lange) Ameisen befinden, hat keine festen Wohnsitze, sondern führt ein umherschweifendes Leben. Weil den Tieren die brennenden Sonnenstrahlen verderblich werden, so halten sie sich bei Tage unter Gras und im Dickicht verborgen und ziehen nur des Nachts auf Raub aus. Mitunter sind sie aber doch genötigt, ins Freie zu gehen, und dann übermauern sie sofort die Straße, die sie zu ziehen haben, durch ein aus Erde und Speichel gemengtes Gewölbe. Auf ihren Raubzügen fallen sie größere Tiere an, und zwar deren Augen zunächst in Angriff nehmend, darum sollen ihnen selbst Riesenschlangen erliegen. Dem getöteten Opfer saugen sie das Blut aus, wie berichtet wird, zerschroten das Fleisch und schleppen es nach ihren Schlupfwinkeln. Auch in menschlichen Wohnungen lassen sie sich bisweilen blicken, wo eine allgemeine Flucht der Ratten, Mäuse, Schaben, Eidechsen, die sich etwa darin aufhalten, ihre Annäherung verkündigt und die Einwohner mahnt, schleunigst ihre Betten zu verlassen und das Freie zu suchen. Werden zur Regenzeit ihre Schlupfwinkel überschwemmt, so scharen sie sich in einen runden Haufen, die Brut und Schwächlinge in die Mitte nehmend, zusammen und treiben auf den Fluten, bis sie an irgendeiner Stelle auf das Land abgesetzt werden. Über Bäche und schmälere Gewässer, auf die sie bei ihren Wanderungen stoßen, sollen sie eine lebendige Brücke schlagen, indem sie sich aneinander befestigen, wie wir dieses Verfahren bald von einer amerikanischen Art näher erfahren werden.
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Die Knotenameisen ( Myrmicidae) bieten den größten Formenreichtum dar und nötigen die Systematiker, sie auf ungefähr zweiundvierzig Gattungen zu verteilen, die bei weiteren Forschungen noch vermehrt werden dürften. Der zweiknotige Hinterleibsstiel und Stachel bei Weibchen und Arbeitern bilden die allen gemeinsamen Merkmale. Gattungen wie Myrmica, Eciton und Atta, Aphaenogaster, Monomorium, Typhlatta und andere, deren drei erstere länger bekannt sind, die andern den beiden eifrigsten Ameisenforschern (Myrmekologen) der Neuzeit, G. Mayr in Wien und Smith in London, ihre Gründung verdanken, gehören hierher und liefern zum Teil zahlreiche Arten. Es sei nur weniger heimischen gedacht, um Raum für einige interessante Schilderungen aus den großartigen Lebensverhältnissen mehrerer fremdländischen zu gewinnen.
Die Rasenameise ( Tetramorium caespitum) ist überall in Wäldern, Gärten, Wiesen, unter Steinen, Baumstämmen, Rasen sehr gemein. Die unterirdischen Gänge haben eine weite Verbreitung, lockern die Erde und schaden dadurch der Wurzel zarterer Pflanzen in den Gärten. Weil die Puppen sich in dieser Sippe nicht einspinnen, die der Weibchen überdies für die kleinen Arbeiter riesig erscheinen, so gewährt es einen höchst eigentümlichen Anblick und setzt große Kraftanstrengung seitens der Arbeiter voraus, wenn jene täglich mehrmals umgebettet werden. Im August und September schwärmen diese Ameisen, und dann sieht man die Geflügelten an Gräsern allerwärts umhersitzen und geschäftig umherlaufen; die Arbeiter kommen als Sklaven auch in den Nestern von Strongylognathus testaceus vor. Die Gattung ist charakterisiert durch ein hinten seitlich aufgebogenes und die Fühlergrube unterwärts umrandendes Kopfschild, viergliedrige Kiefer-, dreigliedrige Lippentaster, durch zwölfgliedrige Fühler, deren drei letzten Geißelglieder mindestens so lang oder länger als die übrigen sind, und durch einen nicht eingeschnürten, hinten zweizähnigen Brustkasten. Die Männchen zeichnen sich durch einen Gabeleindruck auf dem Rücken des Mittelleibes, ungeteilte Randzelle, zehngliedrige Fühler, deren Schaft kürzer als das zweite Geißelglied ist, und durch gezähnten Kaurand aus. Die Rasenameise ändert in der Färbung von gelbbraun bis braunschwarz ab; Kinnbacken, Geißel, Gelenke der Beine und Fühler sind heller, Kopf, Mittelleib und Stielchen runzlig längsstreifig, beim Weibchen Mittelrücken und Schildchen glatt; das Männchen ist am dunkelsten, glänzend braunschwarz, an Kinnbacken, Fühlern und Beinen gelblich, nur an Kopf und Hinterrücken längsriefig. Die Arbeiter erlangen eine Größe von 2,3 bis 3,5 Millimeter, die Weibchen dagegen von 6 bis 8, die Männchen bis 7 Millimeter.
Die rote Ameise ( Myrmica laevinodis) geht in den Größenverhältnissen der Arbeiter (bis 5 Millimeter) und der Weibchen (bis 7 Millimeter) wenig auseinander, ist braunrot, auf der Mitte des ersten Hinterleibsgliedes dunkler, hat als Gattungsmerkmale sechsgliedrige Kiefer-, viergliedrige Lippentaster, eine Fühlergeißel, deren letzte drei Glieder entschieden kürzer als die vorhergehenden zusammen sind, zwei Dornen am Hinterrücken, keulenförmige Schenkel und kammzähnige Schienensporen. Der Knoten des Hinterleibes ist bei unserer Art obenauf glänzend und glatt, der Fühlerschaft am Grunde gebogen und die Kaufläche der Kinnbacken sieben- bis achtzähnig. Diese Art lebt ebenso wie die vorige und kommt in gleicher allgemeiner Verbreitung vor.
Die ackerbautreibende Ameise ( Myrmica molificans) ist Gegenstand eines Berichtes geworden, den Darwin an die Linnean Society in London auf Grund der in Texas von Linsecom angestellten Beobachtungen abgestattet hat. In diesem Bericht heißt es: »Die Art, die ich die ›ackerbautreibende‹ nenne, ist eine große, braune Ameise. Sie wohnt in gepflasterten Städten, wie man es nennen könnte, und trifft, gleich einem fleißigen, vorsichtigen Landwirt, passende und zeitgemäße Anordnungen für die verschiedenen Jahreszeiten. Kurz, sie ist begabt mit Geschick, Sinn und unermüdlicher Geduld, um erfolgreich gegen die wechselnden Notfälle anzukämpfen, die ihr im Leben begegnen mögen. Wenn sie einen Platz für ihren Aufenthalt ausgewählt hat, bohrt sie, im Falle es gewöhnlicher, trockener Boden ist, ein Loch, um das sie den Boden drei bis sechs Zoll erhöht, indem sie einen niedrigen, kreisförmigen Wall bildet, der vom Mittelpunkt bis zum äußeren Rande, der durchschnittlich drei bis vier Fuß vom Eingang entfernt ist, sanft abwärts steigt. Wenn aber die Örtlichkeit auf flachem Land ist, das überschwemmt werden kann, dann erhöht sie den Wall in Gestalt eines ziemlich spitzen Kegels auf fünfzehn bis zwanzig Zoll oder mehr und macht den Eingang nahe der Spitze, wenn auch zu der Zeit, wo sie ihren Bau anlegt, der Boden vollkommen trocken ist. In beiden Fällen reinigt die Ameise den Grund rings um den Wall von allen Hindernissen und glättet die Oberfläche bis zu einer Entfernung von drei bis vier Fuß vor dem Tore der Stadt, indem sie dem Platz das Ansehen eines schönen Pflasters gibt, was es auch wirklich ist. Innerhalb dieses Hofes wird außer einer einzigen Art von korntragendem Gras kein grünes Blatt geduldet. Nachdem das Insekt dieses Korn ringsum in einem Kreise, zwei bis drei Fuß von der Mitte des Walles entfernt, gepflanzt hat, pflegt es dasselbe mit steter Sorgfalt, indem es alle andern Gräser und Kräuter abbeißt, die dazwischen und in einer Entfernung von einem bis zwei Fuß außen um den Ackerkreis aufsprießen sollten; das gebaute Gras wächst aufs üppigste und gibt einen reichen Ertrag kleiner, weißer, kieselharter Samen, die unter dem Mikroskop gewöhnlichem Reis sehr ähnlich sehen. Wenn es reif ist, wird es sorgfältig eingeerntet und von den Arbeitern mitsamt der Spreu in die Kornkammer getragen, wo es von der Spreu befreit und weggepackt wird. Die Spreu wird über die Grenzen des gepflasterten Hofes hinausgeworfen. Während anhaltenden Regenwetters kommt es zuweilen vor, daß die Vorräte naß werden und der Gefahr ausgesetzt sind, zu sprossen und zu verderben. In diesem Falle bringen die Ameisen am ersten schönen Tage das feuchte und beschädigte Korn heraus und setzen es der Sonne aus, bis es trocken ist, worauf sie alle gesunden Körner zurücktragen und wegpacken, während sie die sprossenden umkommen lassen.«
»In einem Pfirsichgarten«, heißt es weiter, »nahe meinem Hause, befindet sich eine beträchtliche Erhebung mit ausgedehntem Felsenlager. Im Sande, der Teile dieses Felsens bedeckt, liegen schöne Städte der ›ackerbautreibenden Ameisen‹ von offenbar sehr hohem Alter. Meine Beobachtungen über ihre Sitten und Gewohnheiten beschränken sich auf die letzten zwölf Jahre, während welcher Zeit die Umzäunung des Gartens das Vieh von den Ameisenäckern abgehalten hat. Die Städte, die sich außerhalb der Umzäunung befinden, sind wie die inneren zur geeigneten Jahreszeit mit dem ›Ameisenreis‹ bepflanzt. Man kann daher das Getreide immer gegen den ersten November jedes Jahres aufschießen sehen. In den letzteren Jahren jedoch, seitdem die Zahl der Landwirtschaften und des Viehs sich sehr vermehrt hat, das letztere das Gras viel genauer abfrißt als früher und so das Reifen der Saat verhindert: bemerke ich, daß die ackerbautreibenden Ameisen ihre Städte längs den Zwischenwegen auf den Feldern, den Spazierwegen in Gärten, inwendig in der Nähe der Tore und dergleichen anlegen, wo sie ihre Felder bebauen können, ohne vom Vieh belästigt zu werden. Es kann nicht bezweifelt werden, daß die eigentümliche Art des obenerwähnten Grases absichtlich gepflanzt wird. In landwirtschaftlicher Weise wird der Boden, auf dem es steht, sorgfältig von allen andern Kräutern während der Zeit seines Wachstums gereinigt. Wenn das Korn reif ist, wird dafür Sorge getragen, die trockene Stoppel abgeschnitten und fortgeschafft und der gepflasterte Hof unbehelligt gelassen bis zum folgenden Herbst, wo derselbe ›Ameisenreis‹ in demselben Kreis wieder erscheint und dieselbe wirtschaftliche Fürsorge erhält, die auf die vorhergehende Saat verwandt wurde, und so fort, Jahr auf Jahr, wie ich weiß, daß es der Fall ist unter allen Verhältnissen, unter denen die Ansiedlungen der Ameisen vor grasfressenden Tieren geschützt sind.«
Die Ecitons bewohnen Brasilien, einige bis Mexiko reichend, und sind bisher fast nur im Arbeiterstande bekannt geworden. Sie unterscheiden sich von den übrigen Knotenameisen durch zweigliedrige Kiefer- und dreigliedrige Lippentaster, durch eine Grube für die zwölfgliedrigen Fühler, die nach innen von den Stirnleisten, nach außen von einem Kiel begrenzt wird, durch sehr kleine, einfache Augen an Stelle der Netzaugen, oder gänzlichen Mangel derselben, und endlich durch die meist zweizähnigen Fußklauen. Bates gibt in seinem »Naturforscher am Amzonenstrom« höchst interessante Einzelheiten über das Leben dieser von den Eingeborenen » Touóca»« genannten Tiere, die wir den folgenden Mitteilungen zugrunde legen. Die Ecitons ziehen alle in Scharen auf Raub aus und werden dabei von einer Fliege ( Stylogaster) begleitet, die in zitternder Flügelbewegung einen Fuß hoch oder niedriger über ihren Scharen schwebt, sich plötzlich herabläßt, wahrscheinlich um mittels ihrer langen Legröhre ein Ei bei den von den Ameisen fort geschleppten Larven unterzubringen. Beinahe jede Art hat ihre Eigentümlichkeiten, wie und wo sie in geordneten Heerscharen aufmarschiert, und auch diejenigen, die diese zusammensetzen, sind nicht gleich. Man unterscheidet sehr wohl zwischen großköpfigen und kleinköpfigen Arbeitern, die aber nur bei einigen Arten ( Eciton hamatum, erraticum, vastator) durch andere Bildung der Kinnbacken beweisen, daß beide nicht zu gleicher Arbeit befähigt sind; in den meisten andern Fällen finden sich Übergänge in der Körpergröße, und Bates konnte keinen Unterschied in den Verrichtungen der Groß- und Kleinköpfigen wahrnehmen. Eciton rapax, der Riese der Gattung, insofern bis dreizehn Millimeter große Arbeiter vorkommen, durchzieht in nur schwachen Kolonnen den Wald und scheint hauptsächlich die Nester einer Formica-Art zu plündern, wenigstens fanden sich häufig verstümmelte Körper derselben auf ihren Wegen. – Auch bei einer zweiten Art, Ecton legionis, die bedeutend kleiner ist und sich in dieser Beziehung wie in Farbe wenig von unserer europäischen roten Knotenameise ( Myrmica rubra) unterscheidet, teilen sich die beiden Arbeiterformen nicht in die Geschäfte, wenigstens betragen sie sich auf den Zügen ganz gleich. Diese wurden von Bates auf den sandigen Campos von Santarem selten gesehen, aber um so besser beobachtet, weil das Dickicht die Aussicht nicht versperrte. Die Heere bestehen aus vielen Tausenden, die sich in breiten Kolonnen vorwärts bewegen; werden sie dabei gestört, so greifen sie den eindringenden Gegenstand mit derselben Wut an, wie die andern Arten. Bei dieser Gelegenheit gruben sie am Hange eines Hügels in die lockere Erde Minen bis zu 26,2 Zentimeter Tiefe, um dicke Ameisen ( Formica) herauszuholen. Die vereinten Kräfte verdoppelten und verdreifachten den Eifer, mit dem sie die Beute vorzogen und in Stücke zerrissen. Der Beobachter wünschte einige der angefallenen Ameisen zu sammeln und grub danach; das war jenen aber gerade recht, in ihrem Eifer nahmen sie ihm dieselben unter den Händen fort, und es kostete Bates wahre Mühe, einige unverletzte Stücke in Sicherheit zu bringen. Beim Anlegen der Minen, die den Räubern den Weg zum Raub bahnen sollten, schienen die kleinen Arbeiter in verschiedene Abteilungen geteilt zu sein, indem die einen gruben, die andern die Erdteilchen entfernten. Als sie tiefer eingedrungen waren und die Schwierigkeiten der Arbeit zunahmen, wurde der Handlangerdienst eingerichtet: den von unten Heraufkommenden nahmen die Kameraden, die sie schon oben am Rande erwarteten, die Bürde ab und trugen sie weiter. Auch vertauschten sie bisweilen ihre Rollen, die Schachtarbeiter blieben draußen und jene fuhren ein, um die Erde bis zum Rande zu fördern. Sobald aber erst die Beute sichtbar wurde, griff alles zu, zauste und zerrte nach allen Richtungen, alles schleppte fort; so viel die Kräfte erlaubten, und marschierte damit den Abhang herunter. Nach zwei Stunden waren die Nester so ziemlich ausgenommen, und in einzelnen Zügen bewegten sich die Sieger den Hügel hinab, trafen aber alle unten wieder in geschlossener Kolonne zusammen, die sich sechzig bis siebzig Schritte weit erstreckte und an einem steinharten Hügelchen ihr Ende erreichte. An diesem ging der Strom hinauf. Viele, die bis dahin leer mitgelaufen waren, halfen nun ihren Kameraden die schwere Bürde hinaufschaffen, und allmählich verschwand die Gesellschaft durch einen oberen Eingang in die Tiefe des Baues.
Zwei andere sehr gemeine Arten ( Eciton hamatum und drepanophorum) sind sich so gleich, daß eine genaue Untersuchung nötig wird, um sie unterscheiden zu können; aber nie untermischt, stets getrennt ziehen die gedrängten Scharen zu Tausenden in den Uferwäldern des Amazonenstroms einher. Die Größe der Ameisen ein und derselben Gesellschaft ist ungemein schwankend, man kann Zwerge von einfünftel Zoll neben einen halben Zoll langen, großköpfigen mit ungeheuren Kiefern hinwandeln sehen. Ehe ein Fußgänger auf einen Zug solcher Ameisen trifft, wird er durch das Zwitschern und das unruhige Umherflattern eines kleinen Schwarmes einfarbiger Vögel, der Ameisendrossel, im Dickicht aufmerksam gemacht. Geht er ungeachtet dieser Warnung noch einige Schritte vorwärts, so fühlt er sich mit einem Male von diesen kleinen Räubern angefallen, die scharenweise mit unglaublicher Schnelligkeit an seinen Beinen in die Höhe kriechen, ihre Zangen in die Haut einschlagen, auf diese Weise Anhalt gewinnend, die Hinterleibsspitze nach vorn biegen und mit aller Kraft stechen. Es bleibt dann nichts anderes übrig, als schleunigst nach dem andern Ende der Kolonne zu entfliehen. Die Bestien haben sich so verbissen, daß man sie beim Abnehmen zerreißt und der Kopf an der Wunde sitzenbleibt. Auf den unglücklichen Wanderer war es ursprünglich nicht abgesehen, er kam den im Dickicht ihr Unwesen treibenden Ameisen nur zu nahe, die überall Schrecken und Aufregung verbreiten, wo sie ihre Straße ziehen. Vorzüglich haben die ungeflügelten Kerfe, Spinnen, andere Ameisen, Maden, Raupen, Asseln und andere alle Ursache, sich vor ihnen zu fürchten. Die Ecitons steigen nicht hoch an den Bäumen hinauf und belästigen die Vogelnester daher wenig. Bates meint folgende Angriffsweise verbürgen zu können: Die Hauptkolonne, vier bis sechs nebeneinander, rückt in einer gegebenen Richtung vor, den Boden von allen tierischen Stoffen reinigend, gleichviel ob lebendig oder tot, wobei sie hier und da eine kleine Seitenkolonne absenden, die an den Flanken der Hauptarmee fouragiert und dann wieder in den Hauptzug eintritt. Wenn irgendwo in der Nähe der Marschlinie eine besonders günstige Stelle entdeckt wird, wie etwa ein Haufe verwesenden Holzes, in dem sich viele Insektenlarven aufhalten, so wird haltgemacht, und ein starkes Heer sammelt sich an dieser Stelle. Die wütenden Geschöpfe durchsuchen nun jede Spalte und reißen alle großen Larven, die sie an das Tageslicht bringen, in Stücke. Interessant ist es, wie sie die Wespennester ausplündern, die sie manchmal an niedrigen Sträuchern antreffen. Sie nagen die papiernen Deckel von den Zellen, um zu Larven, Puppen oder schon entwickelten Wespen zu gelangen, und reißen alles in Fetzen, ohne Rücksicht zu nehmen auf die beleidigten Inhaber und natürlichen Wächter des Baues. Die Heere marschieren nie weit auf einem betretenen Wege, trotzdem ist ihnen Bates manchmal halbe Meilen weit nachgegangen, hat aber nie ein Nest aufgefunden. Einst beobachtete er einen Zug, der eine schmale offene Stelle überschritt und etwa eine Länge von sechzig bis siebzig Schritt hatte, ohne daß man weder Vortrab noch Nachhut sehen konnte. Alle bewegten sich in einer Richtung bis auf einige an der Außenseite des Zuges, die eine kleine Strecke rückwärtsgingen, dann aber wieder vorwärts mit dem Strome; diese Bewegung nach hinten setzte sich aber in gleicher Weise an der ganzen Außenseite fort, und dies schien eine Vorsichtsmaßregel zu sein, um den Zug zusammenzuhalten; denn die Flankenläufer blieben häufig einen Augenblick stehen und berührten einen und den andern ihrer Kameraden in der Kolonne mit den Fühlern, um irgendeine Mitteilung zu machen. Wenn Bates den Zug störte, so wurde diese Störung bis zur Entfernung von mehreren Schritten den übrigen mitgeteilt, und der Zug fing an, sich bis zu diesem Punkte rückwärts zu bewegen. Alle kleinen Arbeiter trugen ein Bündel weißer Maden zwischen ihren Kinnbacken, die anfangs für ihre Brut gehalten wurden, sich aber nach späteren Erfahrungen als Raub auswiesen. Besonders merkwürdig nahmen sich in diesem Zuge die großköpfigen Arbeiter aus, von denen etwa einer auf ein Dutzend der kleinen kam, und deren keiner etwas trug, sondern alle liefen leer und außerhalb des Zuges in ziemlich regelmäßigen Zwischenräumen voneinander. Diese Beobachtung wurde dadurch besonders erleichtert, daß ihre großen, weitglänzenden Köpfe beim Marsche über kleine Unebenheiten vor den andern auf- und abwogend hervorsahen. Daß sie die Verteidigung der andern übernommen hätten, wie man nach der ihnen gegebenen Benennung »Soldaten« erwarten müßte, konnte nicht bemerkt werden; der Bau ihrer Kinnbacken verbietet ihnen übrigens auch, sich in einen Feind einzubeißen. Bates sah die Ecitons sich im Sonnenschein auch tummeln, gegenseitig belecken und putzen und auf diese Weise von der Arbeit ausruhen.
Bar hatte Gelegenheit in Guayana, nahe beim Sinnamaryfluß, die Kreuzung zweier Ameisenzüge zu beobachten, von denen der eine aus der sogenannten Padicour-Ameise (angeblich Eciton canadense Ltr.) der andere aus der Visitenameise gebildet wurde. Jene waren auf der Wanderschaft begriffen, diese nur bei ihrer täglichen Beschäftigung, Blätter von den Bäumen zu schneiden, und gingen beladen und leer geschäftig hin und her. Die Ecitons hatten einen Kanal gefunden, der von einem Stück Holz gebildet wurde, die Visitenameisen gingen unter demselben weg und alles war in bester Ordnung. Wir setzten uns nieder, um das Benehmen dieser beiden so verschiedenen Arten zu beobachten, die in uns die Vorstellung zweier ganz verschieden gebildeter Menschenklassen hervorriefen. Auf seiten der Visitenameisen war große Kraft; gewisse von ihnen wandelten daher, schwerbeladen mit Blattstückchen, die zehnmal größer als sie selbst waren, wobei sie sich oft an Hindernisse im Wege stießen und zuweilen umpurzelten; immer aber erhoben sie sich wieder und setzten ihren Weg ruhig fort, ohne ihre Last loszulassen. Nichts war in der Tat bewundernswürdiger, als die wirklich gewissenhafte Art, mit der diese Ameisen ihre mühevolle Bestimmung erfüllten. Bei den andern herrschte eine Lebhaftigkeit, Geschicklichkeit, Umsicht, die wir aus dem häufigen Tasten mit den Fühlern erkannten; zahlreiche Ameisen, die einen an die andern geklammert, füllten die zu tiefen Höhlen aus und glätteten den Weg. Ein boshafter Gedanke kam uns in den Sinn; wir nahmen das Stück Holz weg, auf dem die Ecitons herumspazierten. – Große Verwirrung! Die Individuen mit den großen Kinnbacken, die eine Art von Ansehen zu genießen schienen, drehen sich von einem Rande zum andern, gehen, kommen; die andern halten an vor dem Hindernis, das ihnen die Visitenameisen bereiten. Aber, o Glück, man bemerkt einige Zentimeter entfernt ein Stück Holz, so dick wie eine Federspule; man benutzt es; es ist zu dünn, der Steg zu schmal. Aber dieses Hindernis dauert nicht lange: eine, zwei, zwanzig, fünfzig Ameisen umklammern sich von jeder Seite in zwei Reihen, der Weg ist breiter geworden, die Kolonne überschreitet diese lebende Brücke, lange Zeit ohne Zweifel, denn die Minuten zählten wir nicht, ohne daß die unerschrockenen Pontoniere müde erschienen wären. Wir zerstörten diese neue Brücke, um zu sehen, wie weit der Mut und die Umsicht der einen sowie die Ausdauer und Hartnäckigkeit der andern gehen würde. Neue Verwirrung! Leider gab es kein anderes Stück Holz in der Nähe, um die Brücke zu ersetzen. Die Verwirrung wird immer größer. Eine zusammengeballte Menge Ecitons hält an vor der Schar der Oecodoma, die sie, auf die Gefahr hin, abgeschnitten zu werden, passieren müssen. Hierzu sind sie schnell entschlossen. Dreißig oder mehr machen einen Einfall – die Unordnung erreicht ihren höchsten Gipfel. Die dicksten Oecodoma, die durch ihre mächtigen Lasten stärker waren, setzten ihren Weg fort, aber die kleinsten wurden über den Haufen geworfen. Obgleich umgestürzt, bilden sie immer noch ein Hindernis. Plötzlich, wie auf ein gegebenes Zeichen, stürzt sich eine Menge der Ecitons über einen Raum von zwanzig bis dreißig Zentimeter heran, klammert sich an der Erde mit den langen Beinen in mehreren Reihen an, andere kommen auf die ersten, bilden ein zweites, dann ein drittes Stockwerk, und zugleich sind zwei Mauern in einem Abstand von 5 bis 6 Zentimeter aufgebaut. Dann geht die Kolonne im Triumph hinüber, während sich die Visitenameisen nach allen Richtungen zerstreuen, ohne sich wieder sammeln zu können. Wir hatten ein Schauspiel vor Augen, das für einen Beobachter erhaben ist, und unsere Freude übertraf alles, was man denken kann. Ohne daß wir es gemerkt, waren die Stunden verronnen, und mit Staunen bemerkten wir, daß nicht nur die Sonne für die Bewohner von Guayana am Ende ihrer Bahn angelangt war, sondern auch, daß dichte Wolken den Himmel überzogen und mit einem Regenguß drohten. In wenigen Minuten jagte auch wirklich ein heftiger Regenguß die Beobachter und die Ameisen in die Flucht. Es war Nacht, als wir unsern Schoner erreichten.
Die Zug- oder Visitenameise, Mandioc-Ameise ( Oecodoma cephalotes), in ganz Südamerika unter dem Namen Sauba bekannt und gefürchtet, weil sie meist die wertvollsten angepflanzten Bäume ihres Laubes beraubt und in Gegenden, wo sie in ungeheuren Massen vorkommt, den Ackerbau beinahe unmöglich macht. Den Indianern gelten übrigens die mit Eiern angefüllten Leiber der Weibchen als größter Leckerbissen; man beißt sie ab und ißt Salz dazwischen. Gibt es eine reiche Ernte, so werden sie mit Salz geröstet und sollen in dieser Form auch den Europäern munden.
Die Sitten dieser Ameisen stimmen in vieler Beziehung mit den oben geschilderten der europäischen überein. Sie bauen, wenn nicht sehr hohe, doch sehr umfangreiche Hügel in den Pflanzungen und Gehölzen. Bates gibt vierzig Schritte im Umfange und 62,8 Zentimeter Höhe an, andere Reisende sprechen von hundertachtzig und zweihunderteinundfünfzig Zentimeter. Diese Dome bilden nur die äußere Bedeckung eines tief und weit im Boden verbreiteten Gangnetzes mit vielen Öffnungen nach außen, die für gewöhnlich geschlossen sind. Bei den mancherlei Versuchen, die Sauba aus den botanischen Gärten von Para zu vertreiben, wurde über einigen Haupteingänge zu ihrer Kolonie Feuer angezündet und durch Blasebälge Schwefeldämpfe eingeführt. Bates sah aus einer Menge von Öffnungen die Dämpfe ausströmen, unter denen eine siebzig Schritte von der Einführungsstelle entfernt war. Die Hügel bestehen aus lockerer Erde, die aus der Tiefe herausgeschafft wird und darum wohl etwas anders gefärbt erscheint als die Umgebung. Ferner schwärmen die Kolonien genau in derselben Weise wie die unserigen gegen Abend, und zwar zu Beginn der Regenzeit im Januar und Februar. Die Sorge für die Brut bleibt den Arbeitern überlassen, die in der Größe zwischen 4,5 und 15 Millimeter schwanken und von dreierlei Formen sein sollen: die eigentlichen Arbeiter sind die kleinsten, mit kleinen Köpfen, und die großköpfigen zerfallen wieder in solche mit glänzenden, kahlen Köpfen und in die unterirdischen Arbeiter, bei denen dieselben vorn behaart sind und auf dem Scheitel Nebenaugen tragen, die jenen fehlen. Bates äußert sich über ihren Körperbau nicht völlig klar und sagt von ihnen dann weiter: »Wenn man die Spitze eines kleinen, frisch aufgeworfenen Ameisenhaufens, in dem eben der Prozeß des Deckens vor sich geht, abnimmt, so kommt ein breiter, zylindrischer Schacht zum Vorschein, bis zur Tiefe von 62,8 Zentimeter von der Oberfläche. Untersucht man diesen mit einem Stock, was bis zur Tiefe von etwa vierundneunzig bis hundertfünfundzwanzig Zentimeter geschehen kann, ohne daß man auf den Grund stößt, so beginnt eine kleine Anzahl dieser derben Burschen langsam an den glatten Seiten der Mine emporzuklettern. – Sie waren nicht sehr kampflustig, wie ich fürchtete, und ich sah sie nie unter andern Umständen, als den eben erzählten, kann daher auch nicht erraten, worin ihre spezielle Beschäftigung bestehen mag.«
Die kleinen Arbeiter und die großen mit den glatten und glänzenden Köpfen, die wir hier dargestellt sehen, die Soldaten, wie sie gewöhnlich genannt werden, obschon auch sie die Verteidigung der kleinen nicht übernehmen, zeigen sich außerhalb des Baues und werden in doppelter Hinsicht für die Bewohner in jenen Gegenden höchst unangenehm. Der eine Punkt wurde bereits erwähnt und betrifft vorzugsweise die angepflanzten Kaffee- und Orangenbäume. In großen Scharen kommen sie gezogen, die kleinen erklettern einen Baum, jede setzt sich auf ein Blatt und schneidet mit ihren gezähnten Kinnbacken eine Scheibe von der Größe eines Groschenstückes aus der Fläche aus, faßt das Stück mit ihren Zangen, reißt es gewaltsam ab und verläßt den Baum. Manchmal fällt dieses herunter und wird dann von einer andern Ameise ergriffen. Sie marschieren damit, das Stück senkrecht nach oben an seinem unteren Rand zwischen den Zangen haltend, nach Hause und gewähren dabei einen sehr eigentümlichen Anblick, der ihnen auch den Namen Sonnenschirmameisen eingetragen hat. Die Straße, die sie fortwährend ziehen, bekommt bald das Ansehen eines Wagengeleises im Laube. Nur selten wählen die Tiere die Blätter einheimischer Waldbäume. Wozu dienen ihnen aber Blattstücke? Untermischt mit Erdkrümchen aus der Tiefe überwölben sie mit ihnen die 10,5 bis 13 Zentimeter im Durchmesser haltenden Tunnel ihrer Wohnungen und vorzugsweise deren Eingänge.
Eine zweite Untugend dieser Ameisen besteht in den nächtlichen Besuchen, die sie den Häusern abstatten, um alles zu plündern, was sie an süßen Stoffen verwerten können. Wenn von ihnen erzählt wird, daß sie die menschlichen Wohnungen von lästigen Kerfen befreiten und sie somit mehr als Wohltäter erscheinen, so dürfte dies auf einem Irrtum beruhen. Daß sie, ohne eigentliche Raubameisen zu sein, auch Insekten fressen und besonders deren Saft lecken, unterliegt wohl keinem Zweifel, aber der Vorteil, den sie dadurch den menschlichen Wohnungen angedeihen lassen, wird gewiß sehr überwogen durch andere Nachteile in ihrem Gefolge. Sie sind nächtliche Tiere, als solche während der Nacht tätiger als am Tage und fühlen sich zu jener Zeit in der Nähe der Menschen überdies sicherer. Bates, der anfangs den Behauptungen der dortigen Einwohner keinen Glauben schenken mochte, daß die in Rede stehenden Ameisen bei Nacht in die Häuser kämen, um die Körnchen des Farinha- oder Mandiokamehles, das Brot der niederen Klassen in Brasilien, fortzuschleppen, konnte sich bei seinem späteren Aufenthalt in einem Dorfe selbst von der Wahrheit dieser Aussagen überzeugen. Eines Nachts wird er von seinem Diener geweckt und benachrichtigt, daß Ratten an den Farinhakörben nagten. Bei näherer Untersuchung fand sich eine Kolonne von vielen Tausenden unserer Ameisen. Die Körbe mit dem genannten Mehle standen auf einem hohen Tische und waren über und über von ihnen bedeckt, das Zernagen der sie ausfütternden trockenen Blätter hatte das Geräusch hervorgebracht, und von den Abziehenden hatte jede sich mit einem Körnchen beladen, das zuweilen größer und schwerer als das ganze Tier war. Der Versuch, mit vier Holzschuhen dazwischen zu schlagen und dadurch die Eindringlinge zu töten, erwies sich vollständig nutzlos; denn die unmittelbar nachdringenden Scharen ersetzten sofort die vernichteten. Die nächsten Nächte, in denen sie wieder erschienen, wurde Schießpulver aus ihrer Bahn angezündet, wodurch sie nach und nach doch eingeschüchtert sein mochten, denn sie blieben zuletzt weg. Bates bemerkt dabei, daß er sich nicht erklären könne, wozu sie die Mandiokakörner, die viel Faserstoff und keinen Kleber enthalten, also als Zement nicht verwertet werden könnten, wohl brauchen möchten.
Die Visitenameisen sehen rot aus, die Arbeiter haben einen herzförmigen Kopf, an demselben hinten je einen Seitendorn, je einen der Stirnleisten etwas über den Fühlern; diese sind elfgliedrig, die dreieckigen Kinnbacken gezähnt, die Kiefertaster bestehen aus vier, die Lippentaster aus zwei Gliedern. Am Vorderrücken stehen zwei nach hinten gerichtete Seitendorne, am Hinterrücken desgleichen, dazwischen wenigstens Andeutungen davon. Der zweiknotige Stiel ist gekielt. Bei den sehr großen Weibchen ist der Kopf auf dem Scheitel schwächer ausgeschnitten, hinten über den Backen kürzer bedornt, die Stirnleisten, Fühler und ihre Gruben wie bei den Arbeitern gebildet, auch der Hinterrücken bedornt, aber etwas kürzer. Die Männchen endlich haben dreizehngliedrige Fühler, einen viel kleineren Kopf, der tief unten sitzt im Vergleich zu dem bucklig erhobenen, anliegend gelb behaarten Mittelrücken, außerdem findet sich hier, wie beim andern Geschlecht und den Arbeitern, über den Vorderhüften ein Zahn. Die Flügel der geschlechtlichen Ameisen haben eine geschlossene Randzelle, eine Unterrand- und eine Mittelzelle und färben sich nach dem Vorderrande hin gelblich.
Andere Arten der Gattung Oecodoma, die von Atta abgetrennt worden ist, unterscheiden sich durch mehr Dornen an Kopf, Mittelleib und Stielchen. Ich habe übrigens triftige Gründe, anzunehmen, daß unter der Sauba der Brasilianer mehrere, zum Teil sehr ähnliche Arten der europäischen Kerfkenner einbegriffen sind.
Die Ameisen, von denen bis jetzt ungefähr eintausendzweihundertfünfzig Heute sind es rund 5000 geworden. Hrsgbr. Arten beschrieben sind, die sich jährlich noch mehren, seitdem die obenerwähnten Forscher und einige andere sich ihnen mit Vorliebe zugewendet haben, spielen entschieden eine wichtige Rolle im Haushalt der Natur. In den Gleicherländern, wo Moder und Verwesung einer üppigen Pflanzenwelt schneller auf dem Fuße nachfolgen als in den gemäßigten Erdstrichen, sind sie es hauptsächlich, die das Zersetzungswerk beschleunigen und dem tierischen Körper nachteilige Gase nicht aufkommen lassen. Sie sind es, die unter dem andern Geziefer mächtig aufräumen und für natürliches Gleichgewicht Sorge tragen, was in unsern Gegenden mehr den Schlupfwespen überlassen zu sein scheint. Sie sind es, die wieder von vielen Vögeln, den Ameisenfressern, Gürtel- und andern Tieren vorzugsweise als Nahrungsmittel aufgesucht werden, um nicht ihre Vernichtungen über gewisse Grenzen hinaus ausdehnen zu können. Wie lästig, ja wie schädlich sie dem Menschen werden, geht aus einzelnen Mitteilungen zur Genüge hervor, die von ihnen gegeben wurden und die leicht noch hätten vermehrt werden können; denn es gibt wohl keinen unter den in jenen Gegenden gereisten Naturforschern, der nicht über Ameisen zu klagen hätte, der nicht alle erdenkliche Kunstgriffe anwenden mußte, um seine Lebensmittel und seine erbeuteten Naturalien gegen die scharfen Zähne dieser zwar kleinen, aber durch Ausdauer und Menge sehr mächtigen Tiere zu schützen.
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Unter dem Namen der Heterogynen ( Heterogyna), die unsere vierte Familie bilden, hatte Latreille Ameisen und Mutillen vereinigt und den Mangel der Flügel bei den Weibchen als wesentlichen Charakter hingestellt. Die ersteren wurden wieder davon getrennt und von Klug durch die Afterwespen ( Thynnus) ersetzt, deren Weibchen gleichfalls ungeflügelt sind. Nun mußten aber auch einmal die Männer den Ausschlag geben, die Dolchwespen ( Scolia) die dritten im Bunde werden, weil die verwandtschaftlichen Verhältnisse ihrer und der Thynnen-Männchen unmöglich unberücksichtigt bleiben konnten. Der auf solche Weise entstandenen kleinen Familie von zwölf- bis dreizehnhundert Arten beließ man den Latreilleschen Namen, vermag aber von ihr im allgemeinen nur auszusagen, daß der Vorderrücken mit seinem Hinterrande bis zur Flügelwurzel reicht, daß die Weibchen sich durch einen kräftigen Giftstachel zu wehren wissen, und endlich, daß geschlechtlich verkümmerte Arbeiter nicht vorkommen.
Wir schildern zunächst die europäische Spinnenameise ( Mutilla europaea). Das ungeflügelte Weibchen hat einen flachen, durch unregelmäßige Punktierung sehr unebenen Kopf ohne Nebenaugen, einen gleich rauhen Mittelleib von viereckigen Umrissen und roter Farbe, einen schwarzen, anliegend schwarz behaarten und an einigen Hinterrändern bleich rostgelb kandierten Hinterleib. Diese Haarbinden treffen die drei vordersten Glieder und erleiden nur in der Mitte des ersten keine Unterbrechung. Die kurzen, schwarzen Beine erscheinen rauh, mehr durch borstige Behaarung als durch Stacheln. Am Bauche endlich findet sich zwischen den beiden ersten Ringen eine tiefe Querfurche. Nebenaugen, Flügel und ein für sie eingerichteter Brustkasten, der die drei Ringe trotz der starken Behaarung sehr wohl erkennen läßt, zeichnen das Männchen aus. Bei ihm sind Mittelrücken und Schildchen braunrot gefärbt, die drei hellen Hinterleibsbinden mehr silberglänzend, die mittleren schmäler und nicht unterbrochen, auch mischen sich unter die schwarzen Haare des Hinterleibes und der Füße zahlreiche weiße. Durch Reibung des dritten und vierten Hinterleibsringes aneinander vermögen beide Geschlechter einen schrillenden Ton hervorzubringen, möglichenfalls, um sich gegenseitig dadurch anzulocken, da ihre Lebensweisen auseinander gehen. Auf der Oberfläche des vierten Ringes erhebt sich nämlich ein fein gerilltes, dreieckiges Feld, dies wird bedeckt vom dritten Ringe, der unterwärts ein scharfes Leistchen führt, und indem die Tiere ihre Hinterleibsglieder, die sich wie die Hülsen eines Fernrohres ineinander schieben, aus- und einziehen, so erfolgt die Reibung jener Teile aneinander.
Die Weibchen sieht man im Sommer auf sandigen Wegen und Hängen immer vereinzelt umherlaufen, geschäftig wie eine Ameise, während die selteneren Männchen Blumen und von Blattläusen gewürztes Gesträuch besuchen. Hummelnestern waren beide entsprossen; denn die Larve lebt hier als Schmarotzer und zehrt die erwachsenen Hummellarven auf. Christ, der als erster Beobachter in dem einen Hummelgespinste die rechtmäßige Bewohnerin, im benachbarten eine Mutillenlarve antraf, glaubte auf ein vertrauliches Familienleben beider schließen zu müssen, das diese Tiere vereinige. Dem ist aber nicht so, vielmehr muß die weibliche Spinnenameise mittels ihres langen Stachels die Hummellarve mit einem Eie betrauen, solange diese noch frei in ihrem Futterbrei lebt und sich ernährt. Diese wird durch den Keim des Todes in ihrem Innern so wenig in ihrer natürlichen Entwicklung gestört, wie so manche Schmetterlingsraupe, in deren Leibe eine Schlupfwespe haust, denn sie spinnt sich ihr Gehäuse. Hier, ganz im geheimen, geschehen Dinge, die dem Blicke des wißbegierigen Forschers entzogen sind. Seinerzeit bricht keine Hummel, sondern eine Spinnenameise daraus hervor. Drewsen, der ein Hummelnest der Bombus Scrimshiranus mit mehr als hundert geschlossenen Gehäusen heimgetragen hatte, erzog aus demselben sechsundsiebzig Mutillen, darunter vierundvierzig Männchen und nur zwei männliche Hummeln; außerdem erschienen noch mehrere andere Schmarotzer in Fliegengestalt, Volucella plumata, zwei Männchen und Volucella bombylans ein Weibchen, deren Maden aus dem Gespinste hervorkamen und sich außerhalb verpuppten, sowie endlich zwei Arten Anthomyia. Wenn jedes Hummelnest von Fremdlingen so heimgesucht wäre, wie stände es dann um das Hummelgeschlecht? Es müßte bald von der Erde verschwinden. Die erzogenen Spinnenameisen paarten sich, worauf die Männchen sämtlich starben, die Weibchen sich in die Erde eingruben, um in zusammengekugelter Lage zu überwintern. Ich fand eines dergleichen am 6. Mai unter einem Steine im Winterlager. Im nächsten Frühjahre besteht nun die Aufgabe darin, Hummelnester ausfindig zu machen und die Eier daselbst unterzubringen.
Daß indes nicht alle Spinnenameisen bei den genannten Verwandten schmarotzen, geht schon aus ihrer Häufigkeit in Südamerika hervor, wo die Hummeln nur spärlich vertreten sind. In dem genannten Lande gibt es zahlreiche Arten, die zu den buntesten aller Aderflügler gehören; denn außer den Haarflecken oder Binden am Hinterleibe, in Gold oder Silber herrlich erglänzend, schmücken diesen häufig noch lichte, gleichsam polierte Stellen der Körperhaut. Die vielen Arten, deren fast kugeliger Hinterleib, buckeliger Mittelleib, tiefstehender Kopf von den rauhen, mäßig langen Beinen getragen werden, erinnern an gewisse Spinnen und rechtfertigen den Name der ganzen Sippe besser, als die wenigen, mehr dem Süden angehörenden europäischen Arten.
Wir sehen neben der europäischen Spinnenameise die beiden Geschlechter der stattlichen Scolia haemorrhoidalis, zu welcher Scolia erythrocephala als Weibchen gehört, und wollen sie unter dem Namen der rotköpfigen Dolchwespe als Vertreter dieser kräftigen Gattung betrachten. Sie lebt in Ungarn, in der Türkei, in Griechenland und dem südlichen Rußland, und ihr Gattungsname bürgt dafür, daß das Weibchen eine sehr gute Klinge führt. Die schwarze Körperfarbe wird durch je zwei gelbe Seitenflecke des zweiten und dritten Hinterleibsgliedes unterbrochen, beim Weibchen überdies noch an der Oberseite des Kopfes und fleckenartig auf dem Schildchen; bei ihm tragen Vorderrücken und Oberseite des fünften Ringes rostrote Haare, beim Männchen der ganze Rücken bis zum Schildchen und die Oberseite des Hinterleibes vom vierten Gliede an, wenn hier auch weniger dichtstehend; außerdem können hier die Flecke der Haut zu Binden vereinigt sein. Die übrigen Körperteile decken schwarze Zottenhaare. Als Gattungscharaktere gelten: die tiefe Furche zwischen den beiden ersten Bauchringen, die kurzen, gleichzeitig haarigen und stacheligen Beine, deren vier hintere mit ihren Hüften weit voneinander entfernt stehen, und die langen, kräftigen männlichen, kurzen und gebrochenen weiblichen Fühler. Die Flügel, hier beiden Geschlechtern zugeteilt, zeigen nicht minder wie bei den männlichen Spinnenameisen das Streben nach Unbeständigkeit im Adernverlaufe. Drei Unterrand- und zwei Mittelzellen kommen bei der abgebildeten Art und vielen andern vor; es findet sich aber auch das umgekehrte Verhältnis. Gleiche Schwankungen bieten die Geschlechtsunterschiede; es gibt Männchen, die in der Färbung ihren Weibchen ungemein gleichen, neben andern, sehr abweichenden. In Ansehung der Körper masse können einige Dolchwespen alle übrigen Immen an Größe übertreffen. Das Weibchen der javanischen Scolia capitata, das Fabricius Scolia procer genannt hat, mißt 5,9 Zentimeter bei reichlich 1,3 Zentimeter Hinterleibsbreite.
Das wenige, was man von der Lebensgeschichte dieser Tiere weiß, deutet auf Schmarotzertum. Fabre hat hier die ersten Aufklärungen gegeben. Nach ihm graben sich die Weibchen unserer Dolchwespen in die Erde ein, um Engerlingen von Nashornkäfern nachzustellen. Treffen sie auf solche, dann lähmen sie sie durch einen Stich und legen dann ein Ei auf ihnen ab. Aus diesem entwickelt sich dann bald eine madenartige Skolienlarve, die sich in den Engerling einbohrt, ihn allmählich von innen aufzehrt und sich schließlich in die leer gewordene Haut in einem Kokon einspinnt und verpuppt. Aus dieser Puppe entsteht dann im nächsten Sommer die neue Wespe. Hrsgbr. Nach Coquebert leben zwei Arten von den Larven großer Nashornkäfer, die auf Madagaskar zu Hunderten in den Kokospalmen bohren und bedeutende Verwüstungen anrichten. Von der Garten-Dolchwespe ( Scolia hortorum) ist gleichfalls eine Parasitische Lebensart bekannt, und Burmeister sah eine brasilianische Art, die er Scolia campestris genannt hat, zahlreich aus den Nestern der Visitenameise kommen.
Während bei Scolia und einigen nahestehenden Gattungen ( Meria und Myzine) die Zunge verlängert und ausgestreckter ist, verschwindet sie fast gänzlich bei den Rollwespen ( Tiphia), und das erste Hinterleibsglied setzt sich auch auf dem Rücken durch Einschnürung vom zweiten deutlich ab. Die unansehnlichen Arten, von denen drei in Deutschland vorkommen, glänzen schwarz und weichen in der Körperform der beiden Geschlechter wenig voneinander ab; daß sie in der Erde umherkriechen, beweisen die ihnen nicht selten anhaftenden Krümchen; sie saugen auch gern an blühenden Dolden und übernachten oft zahlreich zwischen deren Strahlen, rollen ihren Leib ein, wenn sie ruhen oder sich gegen Gefahren schützen wollen, weshalb man ihnen jenen deutschen Namen beigelegt hat.
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Konnte für die vorige Familie keine deutsche Benennung aufgefunden werden, da die Übersetzung des wissenschaftlichen »Verschiedenweibige« von schlechtem Klange ist, so tritt mindestens für die nun folgende keine Verlegenheit ein. Leider fehlt es noch bei den meisten dieser Tiere an volkstümlichen Bezeichnungen gänzlich, weil sich das Volk nicht um dieselben kümmert. Als Grab- oder Mordwespen vereinigte man eine Menge sehr verschiedenartiger Immen, die für ihre Larven andere Insekten in Erd-, Mauerlöcher oder altes Holzwerk eintragen, bis Wesmaël im Verhalten des Vorderrückens zum Mittelbruststück einen wesentlichen Unterschied zwischen einer Anzahl derselben auffand, der eine Trennung in zwei Familien zur Folge hatte. Die jetzt zu betrachtenden, unsere fünfte Familie, mögen die Wegwespen ( Pompilidae) heißen, obschon der Name wenig Bezeichnendes enthält. Die Angabe der wesentlichen Merkmale muß feststellen, welche von den Mördern hier gemeint seien.
Die Wegwespen haben zunächst den einfachen Schenkelring mit allen bisher betrachteten und den zwei nachfolgenden Familien gemein, denn sie gehören zu den Raubwespen. Der Hinterrand des Vorderrückens berührt bei ihnen die Flügelwurzel, wie bei den vorangegangenen, endlich ist das erste Hinterleibsglied vom zweiten nicht abgesetzt, sondern beide schließen sich wie die übrigen aneinander an und bilden einen nach vorn und hinten etwas verschmälerten, anhangenden Hinterleib. Was sie nun aber sehr leicht von einer kleinen Sippe der vorigen Familie unterscheidet, sind die langen Beine und die schlanken, geraden Fühler. Die hintersten Beine ragen weit über die Leibesspitze hinaus und sind an der Außenkante der Schienen, besonders der weiblichen, mit Dornen oder Zähnen reichlich, meist sägeartig bewehrt. Die Fühler bestehen aus zwölf, oder beim Männchen aus dreizehn, fast immer deutlich voneinander abgesetzten Gliedern. Die Randzelle der Vorderflügel ist weit von der Spitze derselben entfernt, mithin ziemlich kurz, die Zahl der vollkommen geschlossenen Unterrandzellen, wobei wir den Schluß durch den Flügelsaum mit gelten lassen, schwankt zwischen zwei und vier. Der Kopf ist gerundet, wie der Mittelleib glatt und glänzend und die Körperbehaarung nur sparsam; schwarz und rot sind die vorherrschenden Farben, gelbe und weiße Zeichnung kommt aber bisweilen hinzu, und Trübung der Flügel noch häufiger. Die stets kleineren Männchen unterscheiden sich vom zugehörigen Weibchen durch den schlankeren Körperbau, die etwas dickeren, nicht wie bei den toten Weibchen eingerollten Fühler und durch die schwächere Bewehrung an den Hinterschienen. Die Wespen zeichnen sich fast alle durch eine eigentümliche Bewegungsweise aus. Sie laufen nämlich mit zitternden Flügeln auf dem Sandboden, an Baumstämmen, alten Mauern suchend umher und fliegen in fortwährendem Wechsel dicht über diesen hin, so daß man ihren Flug einen hüpfenden, ihren Lauf einen fliegenden nennen könnte. Die Arten verbreiten sich über die ganze Erdoberfläche, sind in heißen Ländern nicht viel zahlreicher, aber häufig lebhafter gefärbt und größer als die heimischen.
Um die wenigen Gattungen, in die man die Familie geteilt hat, und die Arten innerhalb derselben unterscheiden zu können, hat man besonders den Aderverlauf des Vorderflügels, sodann die Bildung der Hinterleibsspitze von der Ober- und Unterseite und die Beschaffenheit der Vorderfüße ins Auge zu fassen. An letzteren kommen bei manchen Weibchen außer den unregelmäßig gestellten Stacheln, an denen ja die Beine reich sind, noch lange, regelmäßig an der Außenseite sich hintereinander anreihende Dornen vor und machen den Fuß zu einem gekämmten; bei Vergleich eines solchen mit dem Mittelfuß wird diese Zugabe sehr leicht bemerkbar.
Die Wegwespen ( Pompilus),die der ganzen Familie den Namen gegeben haben, bilden die Grundform. Die beiden, an ihren zusammenstoßenden Seiten gleich langen Schulterzellen, drei vollständig geschlossene Unterrandzellen, deren zweite den ersten, die dritte den zweiten rücklaufenden Nerv aufnimmt, zwei Mittelzellen, der Mangel einer Querfurche am zweiten Bauchringe des Weibchens und mehr runde (nicht kantige und nicht sägeartig am Außenrande bedornte) Hinterschienen desselben Geschlechtes bilden den Charakter der Gattung. Die zahlreichen Arten besitzen eine wunderbare Schnelligkeit und Gewandtheit in ihren Bewegungen, besonders auch in denen des Hinterleibes, nisten in Mauerritzen, Bohrlöchern alter Pfosten und morscher Baumstämme oder in der Erde und tragen Spinnen, Raupen, Ameisen, Fliegen und verschiedene andere Kerfe ein; wahrscheinlich würde sich bei noch fehlenden umfangreicheren Beobachtungen herausstellen, daß jede Art in dieser Hinsicht ganz bestimmte Liebhabereien an den Tag legt. In ganz eigentümlichem, ruckweise ausgeführtem Marsche im Neste einer Spinne locken sie diese hervor, fallen über sie her und betäuben sie mit einem Stiche, ohne sich in jenem festzurennen. Die Spinnensammler holen diese nicht immer aus Nestern, sondern ergreifen auch die ihnen auf dem Wege begegnenden. So überlistet der Pompilus formosus eine in Texas häufige Buschspinne ( Mygale Hetzii), lähmt sie und schleppt sie zum Nest, obschon ihr Körpergewicht das seinige mindestens um das Dreifache übersteigt. Der bereits früher erwähnte Gueinzius übersendete mir unter andern das Weibchen einer hübschen Wegwespe, die ich die natalensische ( Pompilus natalensis) genannt habe, weil sie mit keiner der bisher beschriebenen Arten übereinstimmte. Sie ist samtschwarz, an den Fühlern mit Ausschluß der Wurzel gelb, an den Beinen von der vorderen Schenkelhälfte an abwärts und an der äußersten Hinterleibsspitze schmutzig rot und hat goldgelbe Flügel mit dunkler Wurzel und dunkler Spitze der vordersten. Das Interesse an dieser stattlichen, alle heimischen an Größe übertreffenden Wegwespe (25 Millimeter) wäre weniger allgemein, wenn ihr nicht einige Bemerkungen über die Lebensweise beigefügt gewesen wären. Sie fliegt, wie berichtet wird, traulich und unschuldig in alten Häusern aus und ein, kriecht gern an den Fensterscheiben auf und ab und findet ihr Hauptvergnügen darin, zwischen den Balkenwerke und in den mit Spinnweben überzogenen Winkeln nach Beute auszuschauen, wobei sie immer wieder genötigt wird, die beschmutzten Fühler vom Staube mit den Vorderbeinen zu reinigen. An sandigen und staubigen, trockenen Stellen im Hause oder vor der Türe unter der Veranda vergräbt die sorgsame Mutter die gefangenen und durch einige Stiche gelähmten Spinnen und legt ein Ei an dieselben; auch ein mit Sägespänen gefüllter Kasten ist ihr zu demselben Zwecke willkommen. Unter allen Spinnen stellt sie mit Vorliebe einer großen, gelbbraunen Art mit dunkel geringelten Beinen nach, die in alten Strohdächern lebt und bei Witterungsveränderung zuweilen des Abends langsam an der Wand herabkriecht. Einst beobachtete der Berichterstatter, wie eine sehr große weibliche Spinne dieser Art eiligen Laufes durch die offene Tür in seine Wohnung eindrang und sich hinter einem auf dem Hausflur stehenden Kistchen versteckte. Aus der Eile des sonst so langsamen Tieres schloß er, daß es wohl auf dem Dache verfolgt worden sein müsse, sich von demselben herabgestürzt habe und hier nun Schutz suchen möchte. Er hatte sich nicht getäuscht; denn bald darauf erschien die Wegwespe in der Tür, wendete sich bald rechts, bald links, berührte suchend mit den Tastern den Boden, ganz in der Weise eines Spürhundes, der die Fährte des Wildes aufsucht. Als sie an jener Kastenecke angelangt war, hinter der sich die Spinne versteckt hatte, fühlte diese die nahe Gefahr, stürzte von der andern Seite unter derselben hervor und steuerte nach der Tür zurück. In demselben Augenblick war sie aber eingeholt, und es entspann sich ein Kampf auf Leben und Tod. Es war ein »Frösteln erregender« Anblick, wie die Spinne sich auf den Rücken warf und in verzweifelter Anstrengung mit ihren langen Beinen den Feind von sich abzuwehren suchte, wohl wissend, daß ein Stich von ihm für sie tödlich sein würde. Plötzlich sprang sie wieder auf, suchte vorwärtszukommen, sah sich aber sofort genötigt, die vorige Stellung nochmals einzunehmen. Ihre Anstrengungen waren zu erschöpfend, um den furchtlosen und unablässigen Angriffen der Wespe auf die Länge der Zeit widerstehen zu können. Jetzt bleibt sie mit angezogenen Beinen wie tot liegen; in demselben Augenblick wirft sich die Siegerin auf sie, faßt sie mit ihren Kinnbacken am Kopfbruststück und versetzt ihr von unten her wiederholte Stiche in den Hinterleib. Außer dem Zittern des einen Tasters war bei der Spinne keine Spur von Bewegung zu bemerken, während sie die Todesstöße empfing. Große Aufregung seitens der Wespe! Mit lautem Gesumme die Leiche umkreisend, hielt sie ihren Siegestanz, betastete sie bald hier, bald da, zerrte sie an den Füßen oder an den Tastern, um sich von dem Tode derselben zu überzeugen. Als sie endlich ruhiger geworden war und eine vollständige Reinigung ihres Körpers nach jenem Entscheidungskampf unternommen hatte, schickte sie sich an, ihre Beute in Sicherheit zu bringen. Die Spinne vorne fassend und rückwärts gehend, schleppte sie dieselbe zu der Tür hinaus, um sie zu vergraben.
Die Jagden der Wegwespen auf Spinnen waren schon dem Aristoteles bekannt; denn er sagt: »Die Wespen aber, die Ichneumonen genannt werden (ein Name, der heutzutage wesentlich andere Aderflügler bezeichnet), die kleiner als die übrigen sind, töten die Spinnen, schleppen die Leichname in alte, verfallene Mauern oder andere durchlöcherte Körper und überziehen das Loch mit Lehm; daraus aber entstehen die spürenden Wespen«. Weniger bekannt dürfte sein, was Ferd. Karsch bei Münster beobachtet hat. Derselbe fing am 2. Juli 1870 ein ausgewachsenes Weibchen der Tarantula inquilina, das ihm durch seinen wenig geschwollenen Hinterleib, durch den Mangel des Eiersackes und durch ein rötlichweißes Wülstchen an der rechten Rückenseite des Hinterleibes auffiel, so daß er in letzterer Beziehung meinte, der Spinne beim Einfangen eine Verletzung beigebracht zu haben. Als dieselbe, die zur Beobachtung des Eierlegens gefangengehalten wurde, am 16. Juli bei Darreichung einer Fliege und Einspritzen von Wasser in ihren Behälter näher betrachtet wurde, fand sich das rote Wülstchen merklich vergrößert und ließ sich unter der Lupe als saugende Larve eines Schmarotzers erkennen. Auffallend war, daß die Spinne nicht nur nicht dieses Anhängsel mit ihrem rechten Hinterbeine zerdrückte oder abstreifte, sondern durch Linksbiegung ihres Hinterleibes jedes Anstreifen an diesen Mitesser sorgfältig vermied. Da Menge eine ganz ähnliche Beobachtung gemacht, die Schmarotzerlarve aber nicht zur Entwicklung gebracht hatte, wurde alles aufgeboten, hier einen besseren Erfolg zu erzielen. Die Spinne wurde jetzt in ein geräumiges Glas umquartiert, dessen Boden mit lockerer Erde gefüllt war. Sie grub sich alsbald ein und verspann den Eingang, so daß eine weitere Beobachtung unmöglich war. Am 4. August wurde die Dachwölbung gelüftet, ein Puppengespinst und graugelbe Gespinstfäden entdeckt, aber keine Spur mehr von der Spinne. Am 17. August endlich spazierte eine Wegwespe, die als Pompilus trivialis bestimmt worden ist, in dem Glase behaglich einher. An dem näher untersuchten Gespinste fanden sich noch einige Beinüberreste und die hartschaligen Stücke des Vorderleibes nebst den Freßzangen der Spinne.
Die gemeine Wegwespe ( Pompilus viaticus) erscheint im ersten Frühjahr an blühenden Weiden und ist den ganzen Sommer über in Tätigkeit. Sie wohnt im Sande, den das Weibchen mit großer Geschicklichkeit und Schnelligkeit mittels der Vorderbeine wie ein Hund oder ein Kaninchen aus- und zwischen seinen gespreizten Beinen hinter sich wirft, bis es acht Zentimeter und tiefer eingedrungen ist. Das Futter für die Brut wird mühsam herbeigeschleppt, zum Teil herangeschleift und besteht aus verschiedenen Kerfen; daß mehrere abschüssige Röhren in das Nest führen, meint Dahlbom daraus schließen zu dürfen, weil die Wegwespe durch eine andere entwische, wenn sie in der einen verfolgt werde. Mir fehlen Erfahrungen, um diese mir zweifelhafte Ansicht bestätigen zu können. Bei frischen Wespen sind die Flügel an der Spitze fast schwarz, der Hinterleib an der Wurzel rot, aber der Hinterrand jedes Gliedes schwarz, und zwar so, daß wenigstens die vorderen Binden nach vorn in eine Spitze ausgezogen sind. Der Hinterrücken trägt einige lange, abstehende Haare, der Hinterrand des Vorderrückens einen Winkelausschnitt; beim Weibchen sind die Vorderfüße gekämmt, die letzte Rückenschuppe des Hinterleibes seitlich beborstet, beim Männchen das Klauenglied der Vorderfüße nach innen etwas erweitert.
Von Pompilus unterscheidet sich die Gattung Priocnemis durch die über das Ende der oberen hinausgehende untere Schulterzelle, die hier also länger ist als dort, durch eine Querfurche im zweiten Bauchrings des Weibchens und durch einen Sägerand der mehr kantigen Hinterschienen, ein Unterschied, der gleichfalls bei dem genannten Geschlechte besser ausgeprägt ist als beim Männchen. Die zahlreichen, oft recht ähnlichen Arten zu unterscheiden, bietet nicht mindere Schwierigkeiten, wie bei der vorigen Gattung. – Sehr ähnlich ist Agania nur hat der Hinterleib einen kaum bemerkbaren Stiel, und der Sägerand fehlt den Hinterschienen. Die Weibchen bauen in Sand, an Lehmwände, hinter Baumrinde usw. eine Anzahl tonnenförmiger Zellen, die aus lauter kleinen Lehmklümpchen zusammengeleimt werden, wie die hier dargestellten Zellen unserer Agenia punctum zeigen, die ich mehrfach hinter Rindenstücken an schadhaften Stellen der Baumstämme aufgefunden habe. Eine jede wird für die Larve mit einer mäßig großen Spinne versorgt, der vorher die Beine abgebissen worden sind. Gueinzius entwirft von einer Art, der 19 Millimeter messenden Agenia domestica, wie ich sie genannt habe, ein sehr friedliches Bild, indem er schreibt: »Von allen mir bekannten ist dieses Hymenopteron das zutraulichste und eine gewisse Anhänglichkeit an den Menschen betätigende. An verschiedenen Orten, wo ich jahrelang in der Nähe von Waldungen wohnte, hatte ich jeden Sommer immer einige Stücke in meinem Zimmer. Stand ich in der Tür und die Sonne fiel auf meine Beinkleider, so erschien die Wespe, um sich daselbst mit gespreizten Beinen zu sonnen, spazierte gemächlich an den Fensterscheiben auf und nieder, oder schnurrte neben mir so lange an den Fenstern herum, bis ich sie hinausließ. Hatte ich ein Buch in der Hand und die Sonne fiel auf dasselbe, so setzte sich gleich eine Wespe breitbeinig darauf. Anhauchen schien ihr nur zu gefallen, und wegblasen ließ sie sich auch nicht, kam wenigstens gleich wieder und kletterte am Arm empor, setzte sich in den Bart, auf den Mund? Blasen mit demselben erschreckte sie nicht und ans Stechen dachte sie nie. So wurde mir diese Wespe durch ihre allzu große Zudringlichkeit öfters lästig. Hatten die Tierchen sich draußen des letzten Sonnenstrahles erfreut, so krochen sie durch ein verstecktes Loch im Fensterrahmen in das Zimmer und suchten hier ihre Verstecke auf. Diese Art baut Zellen von Erde unter Kisten oder in Kasten, auch in beutelförmige Vogelnester; die Zellen sind weniger nett und regelmäßig, auch nicht überkleidet. Als Nahrung für die Brut werden nur graue Wolfsspinnen eingetragen.«
In heißen Ländern leben auf ähnliche Weise noch außerordentlich stattliche, bis 52 Millimeter messende Arten, die auf eine Reihe anderer Gattungen verteilt worden sind, hier aber nicht weiter erörtert werden können.
Unter dem Namen der Grab- oder Mordwespen ( Spegidae, Crabronidae) vereinigen wir alle diejenigen Raubwespen zu einer Familie, bei welchen der Hinterrand des Vorderrückens aufhört, ehe er die Flügelwurzel erreichte, und nicht selten gegen den Mittelrücken etwas eingeschnürt erscheint. Die hierher gehörigen Tiere stimmen weder in Körpertracht, noch in Färbung so miteinander überein, wie die vorigen Familienglieder unter sich, vielmehr gibt ihnen der gestielte, oft sehr lang gestielte, aber auch anhangende Hinterleib das verschiedenartigste Ansehen. Viele tragen sich einfarbig schwarz, schwarz und rot, vorherrschend gelb; den meisten jedoch sind lebhaft gelbe, seltener weiße Zeichnungen auf glänzend schwarzem Grunde eigen, die selbst bei einer und derselben Art mannigfaltig wechseln. So wirken Gestalt, Farben und deren Verteilung sowie Lebendigkeit in den Bewegungen in ihrer Vereinigung dahin, diese vielgestaltigen Tiere zu den zierlichsten und anmutigsten Erscheinungen werden zu lassen. Sie breiten sich über die ganze Erdoberfläche aus.
Entsprechend einigen ausländischen Gattungen der Wegwespen weist die alte Gattung Sphex, die vorzugsweise die wärmeren Länder bewohnt, die Achtung gebietenden Formen und die Riesen für diese Familie auf. Aber längst ist dieselbe zerfallen; denn es ging bei dem Reichtum der Formen nicht mehr an, unter einem Namen alles zu vereinigen, was Vater Linné weiland mit seinen wenigen Arten sich erlauben konnte. Nach der Form des stets gestielten Hinterleibes, nach der Verschiedenheit der Rand- und der drei geschlossenen Unterrandzellen, besonders nach der Aufnahme der rücklaufenden Adern in dieselben, nach der Bildung der Fußklauen und nach manchem andern Merkmal, das bisweilen in das Kleinliche geht, wurden eine Menge von Gattungen geschaffen, von denen nur wenige, und von diesen meist nur die unansehnlichsten, in Europa zu Hause sind.
Die Raupentöter ( Sphex) umfassen diejenigen Arten mit einfachem glatten Hinterleibsstiele, deren zweite und dritte Unterrandzelle des Vorderflügels je eine rücklaufende Ader aufnimmt, deren Hinterschienen bestachelt und deren Klauen an der Wurzel zweizähnig sind. Die eine Art ( Sphex maxillosa) scheint in Europa am weitesten nach Norden vorzukommen. Von zwei andern, südlicheren Arten, dem gelbflügeligen Raupentöter ( Sphex flavipennis) und dem weißdurchschnittenen ( Sphex albisecta), verdanken wir Fabre interessante Beobachtungen.
Jene trägt gewöhnlich vier Grillen in ihr Nest, diese macht Jagd auf Feldheuschrecken aus der Gattung Oedipoda. Eine jede stürzt auf ihr Opfer und sucht dessen Brustseite zu erlangen. Da setzt es heftige Balgereien; denn so ein kräftiger Dickschenkel, wie jene sind, ergibt sich nicht ohne Gegenwehr und strampelt, so lange es gehen will. Nicht immer läßt er sich werfen, hat ihn aber erst die Sphex unter sich, so tritt sie mit den Vorderbeinen auf die ermüdeten Hinterschenkel des Gegners, stemmt ihre Hinterfüße gegen dessen Kopf und führt nun zwei sichere, Gift entsendende Stiche. Der erste trifft den Hals, der zweite die Verbindungsstelle zwischen Vorder- und Mittelbrust. Jetzt ist es um den Grashüpfer geschehen, er kann nicht leben und nicht sterben, aber er ist willenlos. Mühsam schleift ihn die Sphex nach ihrer Erdhöhle, legt ihn davor nieder, um sich erst zu überzeugen, ob auch alles darin in Ordnung sei. Fabre nahm ein und derselben Wespe während ihrer Abwesenheit den Raub vierzigmal weg, um ihn in weiterer Entfernung wieder hinzulegen, und vierzigmal holte sie sich ihn wieder, untersuchte aber jedesmal von neuem den Bau, bevor sie sich anschickte, die Beute hineinzuschaffen. Das Ei wird von der Sphex flavipennis zwischen das erste und zweite Fußpaar an die Brust der Grille gelegt. Hier frißt sich die Larve ein und zehrt in sechs bis sieben Tagen das Innere vollständig auf; die Chitinbedeckung bleibt fast unversehrt zurück. Durch die nämliche Öffnung geht jetzt die 13 Millimeter lange Larve heraus und greift in der Regel am weichen Hinterleibe die zweite Grille an, bald die dritte und endlich die vierte, die in ungefähr zehn Stunden verzehrt ist. Nun mißt die erwachsene Larve 26 bis 30,5 Millimeter, spinnt sich in zweimal vierundzwanzig Stunden ein, das Gehäuse im Innern mit den Auswürfen ausstreichend und dadurch beinahe wasserdicht machend. Hier liegt sie regungslos vom September bis zum Juli des folgenden Jahres, dann erst wird sie zur Puppe, aus der in der kürzesten Zeit der Raupentöter ausschlüpft.
Genau von derselben Gestalt sind die Spinnentöter ( Pelopoeus) und von den vorigen nur dadurch unterschieden, daß die zweite Unterrandzelle im Vorderflügel beide rücklaufenden Adern aufnimmt und die Hinterschienen unbewehrt sind. Der Maurer-Spinnentöter ( Pelopoeus destillatorius), ein Bewohner der Mittelmeerländer, der auch einmal bei Hannover gefangen sein soll, ist glänzend schwarz, der lange Hinterleibsstiel, die Flügelschüppchen, das Hinterschildchen, der Fühlerschaft und die Beine von den Schenkeln an abwärts sind gelb, mit Ausnahme der schwarzen Schenkel- und Schienenspitzen an den Hinterbeinen. Eversmann fand an einem Felsvorsprunge des Uralgebirges das Nest als unregelmäßigen, etwas nierenförmigen Erdklumpen angeklebt. Im Innern enthielt es ungefähr vierzehn längliche Zellen neben- und übereinander, eine jede mit zehn Stück der selten aufzufindenden Spinnenart Tomisus citricus. Von einer andern, außerordentlich ähnlichen Art, wenn es überhaupt eine andere Art ist ( Pelopoeus spirifex), und nur durch ganz schwarze Fühler und ganz schwarzen Mittelleib von der vorigen zu unterscheiden, liegen mir mehrere Wespen aus dem südlichen Europa, aus Port Natal, und auch einige Nester aus dem letztgenannten Lande vor. Das Nest gleicht sehr dem unsrer Mauerbiene, und seine Zellen werden gleichfalls mit Spinnen versorgt. Eine dritte, wiederum ungemein nahestehende Art aus Port Natal baut ihre Zellen von frischem Kuhdünger und hängt sie einzeln oder zu zweien an Binsenhalmen auf. Sein Landsmann, der blaue Spinnentöter ( Pelopoeus chalybeus), legt das Nest in hohlen Bambusstengeln auf den Dächern der Häuser an und bedient sich zur Anfertigung der Scheidewände, welche die Zellen trennen, der Auswürfe von Vögeln, die er von den Blättern abschabt und mit Speichel vermischt. Der pfeifende Spinnentöter ( Pelopoeus fistularius), zu erkennen am schwarzen Hinterleibsstiele, an sechs gelben Flecken, die den Hinterrücken verzieren und zum Teil bis nach den Seiten des Mittelrückens vorreichen, und an den schwach angeräucherten Flügeln, lebt in Südamerika und fertigt einzelne Zellen aus Ton in der Länge von 52 Millimeter und von der Form eines Eies. Mit schwirrendem Tone, einer Art von Triumphgesang, bringt das Weibchen, wie auch bei den übrigen Arten, den Baustoff herbei, setzt ihn an, glättet mit Kinnbacken und Unterlippe die bildsame Masse, lustig dabei seinen Gesang fortsetzend, betastet von außen und innen mit den Beinen die ganze Wand und – verschwindet. Meist hat, trotz der darauf fallenden Sonnenstrahlen, das neu angelegte Stückchen noch nicht einmal die Farbe des trockenen Teiles, so ist die Wespe schon wieder mit neuem Tone da. Die fertige Zelle pfropft sie voll mit einer kleinen Spinne aus der Gattung Castra und schließt sie dann. Als Bates während seiner Streifzüge am Amazonenstrom mit seinem Kanu acht Tage an einer Stelle hielt, hatte eine dieser Wespen an einem Kastengriff in der Kajüte ihren Bau begonnen und war gerade fertig geworden, als sich die Gesellschaft auf ihrem Fahrzeuge wieder in Bewegung setzte. So zutraulich und furchtlos sie sich bisher auch gezeigt hatte, so kam sie doch nicht wieder, obschon langsam am Ufer hingefahren wurde.
Für Deutschland und den höheren Norden Europas vertreten zwei Arten, die rauhe und gemeine Sandwespe, die größeren Sphexe, von denen sie sich hauptsächlich durch die ungezähnten Fußklauen unterscheiden. Die rauhe Sandwespe ( Psammophila hirsuta) ist 19,5 Millimeter lang, hat einen dreimal kürzeren Hinterleibsstiel als der Maurer-Spinnentöter und ist bis auf die braunrote Hinterleibswurzel schwarz gefärbt, an Beinen und an der vorderen Körperhälfte zottig schwarz behaart, vorzugsweise am grob gerunzelten Hinterrücken. Den ganzen Sommer hindurch treiben sich diese Wespen an sandigen Stellen umher und suchen, wenn sie hungrig sind, blühende Blumen und mit Blattläusen besetzte Sträucher auf. Bei ihren Balgereien setzt sich eine auf die andere und beißt sie in den Nacken; auch kommt wohl eine dritte und vierte hinzu, und so entsteht ein Knäuel, der sich auf dem Boden wälzt und sich endlich wieder auflöst. Ob bloße Kurzweil, ob Eifersucht und ernstliche Zänkereien solchen Auftritten zugrunde liegen, wer soll es erraten?
Die Lebensweise dieser Wespen unterscheidet sich in nichts von der in der Regel noch häufigeren, mit ihr untermischt vorkommenden gemeinen Sandwespe ( Ammophila sabulosa). Das erste Glied ihres Hinterleibes ist dünn und walzig, das fast ebenso lange zweite verdickt sich etwas nach hinten, und erst dann nimmt der Umfang bis zum fünften merklich zu, von wo ab eine schnelle Verjüngung nach der Spitze erfolgt. Mit einem Worte, der Hinterleibsstiel ist hier zweigliedrig, sonst, besonders in der Bildung der Klauen und Flügel, die ruhend dem Körper platt aufliegen und nur bis zum Ende des Stieles reichen, wiederholen sich die Merkmale von Psammophila. Mit Ausnahme der bleichroten Hinterleibswurzel herrscht auch hier die schwarze Farbe vor, jedoch an den Seiten des Brustkastens bildet kurzes Haar abreibbare Silberflecke. Ein schmales, silberbehaartes Kopfschild unterscheidet das Männchen leicht vom Weibchen, bei dem jenes breiter und kahl ist.
Man trifft diese Sandwespe den ganzen Sommer hindurch an und, wie es scheint, immer lustig und guter Dinge, bald geschäftig auf dem Boden umherschnüffelnd, bald bedacht für ihr wohl auf blühenden Brombeeren oder an andern Honigquellen. Stundenlang wird man von diesen Tieren gefesselt und kann sich nicht müde sehen an dem geschäftigen Treiben und den eigentümlichen Gewohnheiten der kecken Gesellen, zumal wenn sie in Masse nebeneinander wohnen und geschäftig ab- und zufliegen. Nach Morgen gelegene, verfallene Abhänge eines sandigen Grabens und ähnliche, aber immer offene Stellen wählen sie besonders aus, um ihre Nester anzulegen. Wie ein Hund, der ein Loch in die Erde scharrt, so wirst die um die Nachkommenschaft besorgte Wespenmutter mit den Vorderbeinen den Sand zwischen ihren übrigen Beinen und unter dem Körper in einer Hast hinter sich, daß leichte Staubwölkchen um sie auswirbeln, und summt dabei in hohem Tone ein lustiges Liedchen. Hört man diesen eigentümlichen Ton, so kann man sicher darauf rechnen, die Wespe bei dieser Beschäftigung anzutreffen. Häuft sich der Sand beim weiteren Vorrücken in das Innere zu sehr hinter dem Loche an, so stellt sie sich darauf und fegt unter Staubwirbeln den ganzen Haufen auseinander. Kleine Steinchen, an denen es auf solchem Boden nicht zu fehlen pflegt, und der feuchte Sand werden zwischen Kopf und Vorderfüße geklemmt und herausgetragen. Die Wespe kommt rückwärts aus dem Loche hervor, nimmt fliegend einen kleinen Satz abseits von diesem und läßt ihre Bürde fallen. In demselben Augenblick ist sie auch schon wieder in der Erde verschwunden und wiederholt dieselbe Schachtungsweise zwei-, dreimal nacheinander. Dann bleibt sie, wohl der Abwechslung wegen, auch einmal vor der Öffnung sitzen, streicht mit den Vorderbeinen über die Fühler hin, geht um ihren Bau herum, mit Kennerblick die Anlage zu mustern, in ihrem Selbstbewußtsein stolz den Hinterleib emporhaltend. Husch! und sie ist wieder im Inneren verschwunden. Je tiefer sie vordringt, desto länger dauert es, ehe sie, mit neuem Abraum beladen, sich rückwärts wieder herausdrängt, doch geschieht dies stets nach verhältnismäßig kurzer Zeit. Jetzt kommt sie heraus und fliegt fort in das Weite, sicher will sie sich nun stärken nach der anstrengenden Arbeit und ein wenig Honig lecken; denn kräftigere Fleischkost nimmt sie ja niemals zu sich. Nicht minder unterhaltend wie der Nestbau ist das Herbeischaffen der Schmetterlingsraupen für die künftige Brut; denn nur solche, aber nach den verschiedenen Beobachtungen von verschiedenen Arten, wenn sie nur groß und nicht behaart sind, werden von der Sandwespe aufgesucht. Die Stelle, an der ich einst Gelegenheit fand, eine große Menge von Nestern zu beobachten, war nicht eben günstig für das Fortschaffen der Beute, denn die Nester befanden sich an einem Grabenhange längs eines Waldsaumes, und ein Brachacker jenseits des Grabens lieferte die Raupen gewisser Ackereulen. Ist eine aufgefunden, so werden mit ihr, der Wehrlosen, wenig Umstände gemacht; ein paar Stiche in das fünfte oder sechste Bauchglied berauben sie jeder Selbständigkeit, sie ist dadurch zum willenlosen Gegenstand geworden, nicht getötet, damit sie nicht in Fäulnis übergehe, sondern nur gelähmt. Nun war oft erst ein weiter, wenn auch nicht gerade unebener Weg zwischen Unkraut zunächst bis zum Graben zurückzulegen, dieser zu passieren und am jenseitigen, schrägen Ufer emporzuklimmen. Fürwahr, keine Kleinigkeit für ein einzelnes Tier, eine solche Last, bisweilen zehnmal schwerer als der eigene Körper, so weite Strecken fortzuschaffen! Bei den geselligen Ameisen kommen die Kameraden zu Hilfe, wenn es not tut, die Sandwespe aber ist auf ihre eigene Kraft, Gewandtheit, auf ihr – Nachdenken, Diese Ausdrücke sind sehr menschlich gedacht. Irgend etwas Sicheres wissen wir über das Innenleben der Insekten nicht; dazu ist ihre Psyche der unsern doch zu fremd. Hrsgbr. wenn ich mich so ausdrücken darf, angewiesen. Sie faßt die Beute mit den Zangen, zieht und schleppt, wie es eben gehen will, auf ebenem Wege meist auf ihr reitend, d. h. sie unter ihrem Körper mitschleppend in langsamem Vorwärtsschreiten. Am steileren Grabenhange angelangt, stürzten dann Roß und Reiter jählings hinab, die Wespe ließ dabei los und kam selbstverständlich wohlbehalten unten an. Die Raupe ward bald wiedergefunden, von neuem gefaßt und weitergeschleppt. Nun geht es aber bergan, die frühere Weise läßt sich dabei nicht mehr anwenden; um die höchste Kraft zu entwickeln, muß sich die Wespe rückwärts bewegen und ruckweise ihre Last nachschleppen. Manchmal entgleitet dieselbe, und alle Mühen waren vergeblich, aber solches Mißgeschick hält die Wespe nicht ab, von neuem ihr Heil zu versuchen, und zuletzt wird ihre Arbeit mit Erfolg gekrönt. Die Raupe liegt vor der rechten Öffnung. Nicht um auszuruhen, sondern aus Mißtrauen, aus Vorsicht kriecht unsere Wespe, wie jede andere, die in dieser Weise baut, erst allein in ihre Wohnung, um sich zu überzeugen, daß alles in Ordnung sei. Während dieses Ganges hat sie schon wieder so viel Kräfte gesammelt, um an die Beendigung ihres schweren Werkes gehen zu können. Rückwärts vorankriechend, zieht sie die Raupe nach. Meist wird diese folgen, manchmal kann es aber auch geschehen, daß sie an einer Stelle hängen bleibt, dann muß sie wieder heraus und der nötige Raum im Eingang erst beschafft werden. Wahrhaft bewunderns- und nachahmungswürdig ist die Ausdauer, die wir hier, bei Ameisen und andern in ähnlicher Weise lebenden Kerfen so häufig wahrnehmen können!
Endlich sind beide, Sandwespe und Raupe, verschwunden, und es währt lange, ehe jene wieder zum Vorschein kommt; denn sie hat zum Schluß noch ihr weißes, längliches Ei an letztere zu legen, aber nur eins. Jetzt endlich kommt sie wieder zum Vorschein, aber noch ist sie nicht fertig. Sie weiß sehr wohl, daß sich in der Nähe ihres Baues kleine graue Fliegen, manche mit silberglänzendem Gesicht, und andere Faulenzer umhertreiben, die auch ihre Eier legen möchten, aber weder Geschick noch Kraft dazu haben, es ihr nachzutun, es vielmehr vorziehen, von andern Seiten herbeigeschafftes Futter für ihre Zwecke zu benutzen und ihr Kuckucksei daran abzusetzen. Gegen solche ungebetene Gäste sucht sich die Sandwespe zu verwahren, indem sie Steinchen, Erdklümpchen oder Holzstückchen vor den Eingang legt und auf diese Weise jede Spur vom Vorhandensein desselben verwischt. Zur Aufnahme eines zweiten, dritten und jedes folgenden Eis müssen dieselben Vorkehrungen wiederholt werden. Bei diesem mühevollen Leben, das die Sandwespe mit so vielen ihrer Verwandten teilt, bleibt sie aber immer lustig und guter Dinge. Zu Ende des Sommers macht der Tod ihrem bewegten Dasein ein Ende. Das Ei im Schoße der Erde wird bald lebendig, die Made frißt ein Loch in die Raupenhaut und zehrt sie saugend gänzlich auf. War der Vorrat reichlicher, so wird sie größer gegen ihre Schwester, der eine kleinere Raupe zur Nahrung diente, woraus sich die verschiedene Größe erklärt, die man bei den verschiedenen Wespen gleicher Art wahrnehmen kann; denn sie können zwischen 15 und 30 Millimeter in der Länge schwanken.
Die Larve, die, den Eistand eingerechnet, vier Wochen bis zu ihrer Reife bedarf, spinnt ein dünnes, weißes Gewebe, innerhalb dieses ein dichteres und festeres, das sie eng umschließt und braun aussieht. In diesem Gehäuse wird sie bald zu einer Puppe, die nicht lange auf ihre volle Entwicklung warten läßt. Die Wespe frißt ein Deckelchen vom walzigen Futteral herunter und kommt zum Vorschein. Möglichenfalls gibt es im Jahre zwei Bruten, besonders wenn das Wetter die Entwicklung begünstigt; die letzte überwintert als Made oder Puppe. – Im südlichen Europa leben noch einige sehr ähnliche Sandwespen; die Arten wärmerer Erdstriche zeichnen sich durch vorherrschende rote Körperfarbe oder zahlreiche Silberschüppchen vorteilhaft vor der unserigen aus.
Die Glattwespen ( Mellinus) bilden eine andere Sippe von wesentlich verschiedener Körpertracht ihrer wenigen Arten. Man erkennt sie an dem deutlich gestielten, elliptischen Hinterleib, der anhanglosen Randzelle und den drei geschlossenen Unterrandzellen, deren erste den ersten, deren dritte den zweiten rücklaufenden Nerv aufnimmt. Der Fühlerschaft ist kurz, aber dick, die Geißel fadenförmig, der Hinterleibsstiel keulenartig verdickt. Das kleinere, schlankere Männchen hat sieben Bauchringe, das Weibchen einen weniger und ein größeres Rückenglied an der Spitze. Die Acker-Glattwespe ( Mellinus arvensis) ist eine gemeine, zudringliche Art, die häufig in Nadelwäldern angetroffen wird und in suchenden, ruckweisen Bewegungen auf dem Sandboden umherkriecht. Dabei dreht und wendet sie sich nach allen Seiten, fliegt mit Gesumm eine kurze Strecke, läßt sich wieder nieder, um hier in gleicher Beweglichkeit hin und her zu fahren. Gern setzt sie sich dem vorübergehenden Wanderer auf die Kleider und dreht sich ebenso keck rechts und links wie auf dem Boden; aber in nichts weniger als böser Absicht wählt sie diesen Tummelplatz, sondern, wie es scheint, aus einer gewissen Neugierde. An verlausten Gebüschen, mit Chermesarten besetzten Kiefern zeigt sie sich geschäftig mit Hunderten ihresgleichen und allerlei andern Aderflüglern im Auflecken der Süßigkeiten; an Blumen trifft man sie selten an. Ihr Körper ist glänzend schwarz, hat drei breite, gelbe Binden auf dem Rücken des Hinterleibes und zwischen den beiden letzten zwei gelbe Seitenflecke, bald hinter den geschwollenen Wurzeln der Schenkel ebenso gefärbte Beine. Von gleicher Farbe sind ferner: das Schildchen, der linienförmige Halskragen, die Flügelschüppchen, ein Fleckchen unter ihnen, der vordere Teil des Fühlerschaftes und die oben offene, viereckige Zeichnung im breiten Gesicht. Wie bei so vielen Grabwespen fehlt auch hier die Beständigkeit der gelben Zeichnungen. Die Körperlänge beträgt 8,75 bis 13 Millimeter. Die Wespe gräbt verzweigte Röhren in den Sand und trägt nur Fliegen ein, besonders Muskiden ( Musca rudis und andere), weicht aber dadurch von fast allen übrigen Sandwespen ab, daß sie schon an die erste das Ei legt und, während die Larve schon frißt, ihr mehr Futter zuträgt. Erst im nächsten Jahre ist die Entwicklung dieser vollendet.
Eine zweite, kleinere Art ( Mellinus sabulosus) findet sich meist in Gesellschaft der ersteren. Das Weibchen legt seine Brutlöcher einzeln an, die sich durch kleine, kegelförmige Sandhäufchen auf der Oberfläche kenntlich machen, und trägt ebenfalls nur Fliegen aus den Gattungen Sarcophaga, Coenosia, Anthomyia, Lucilla, Cyrtoneura und Syrphus ein. Es legt die Beute vor dem Bau nieder, ehe es dieselbe, rückwärts gehend, in denselben hineinzieht.
Die Wirbelwespen ( Bembex) lassen sich unter allen andern Mordwespen leicht an ihrer Mundbildung erkennen. Die Oberlippe hängt nämlich wie ein langer Schnabel herab und wird in der Ruhe, die lange Zunge deckend, an die Kehle angelegt, indem die schlanken, vorn zweizähnigen Kinnbacken sie an der Wurzel jederseits umfassen. In der Körpertracht gleichen diese Immen ungemein einer Hornisse oder einer andern großen Wespe, tragen überdies vorherrschend gelbes Gewand. Die mittelste der drei geschlossenen Unterrandzellen nimmt beide, ungemein lange, rücklaufenden Adern auf, die Fühler sind gebrochen, ihre Geißel fast fadenförmig, an der Spitze sanft nach außen gebogen. Beim Männchen erscheinen die letzten Glieder derselben etwas stumpf gesägt, und überdies unterscheiden es einige Höcker mitten auf dem Bauche vom andern Geschlecht. Wir lernen in der gemeinen Wirbelwespe ( Bembex rostrata) die der Körpermasse nach für Deutschland größte Mordwespe kennen; sie mißt zwar nur 15 bis 17,5 Millimeter in der Länge, aber 6,5 in der Breite. Ihre schwarze Grundfarbe wird durch reichliche blaßgelbe Zeichnungen verdrängt, die am Mittelleibe sehr veränderlich sind, am Hinterleibe, wie gewöhnlich, als Binden auftreten, aber nicht an den Hinterrändern, sondern in der Mitte der Glieder. Die erste derselben ist in der Mitte breit unterbrochen, jede folgende verläuft wellenförmig durch zwei Bogenausschnitte nach vorn und einen mittleren nach hinten. Das Gesicht und die Beine sind gleichfalls vorherrschend gelb gefärbt. Die hübsche Wespe kommt in ganz Europa vor, aber in den mittleren und mehr nördlichen Gegenden vereinzelt und an demselben Orte nicht alle Jahre. Ende Juni 1857 fand ich an einer freien, sehr dürren Stelle einer Kiefernschonung in hiesiger Gegend eine Menge von Nestern, die das starke Summen der sie umkreisenden Wespen verraten hatte; seitdem habe ich alljährlich dieselbe Stelle wieder aufgesucht und nie, auch nirgends anders auf meinen Ausflügen, eine Bembex zu sehen bekommen. Die Tiere tragen durch das sehr kräftige Summen und die kreisenden, auf und ab wogenden Flugbewegungen um die Erdlöcher, die sie für ihre Brut anlegen, mehr als alle andern ihresgleichen den Charakter der Wildheit an sich. Die Nester entstehen in der gewöhnlichen Weise durch Scharren und Herausschaffen des Sandes und gehen in schräger Richtung tief in das Erdreich hinab, über die Einrichtung derselben und die Lebensweise ihrer Erbauer sprechen sich die Forscher verschieden aus. Nach Westwood legen mehrere Mütter ihre Eier gemeinsam an das eingetragene Futter; Dahlbom meint, die langen Röhren verzweigten sich und hätten mehrere Aus- und Eingänge. Lepeletier gibt an, daß jedem Ei zehn bis zwölf Fliegen zuerteilt, die schrägen Röhren mit Sand verschlossen und von jedem Weibchen etwa zehn Eier gelegt würden. Bates endlich fand bei der südamerikanischen Bembex ciliata in jedem Nest nur ein Ei, wonach also ebensoviel Nester zu beschaffen wären, als Eier vom Weibchen gelegt werden. Darin stimmen alle überein, daß sie nur größere Fliegen für die Larven fangen und eintragen. Die erste jener Ansichten würde den Erfahrungen an allen andern Mordwespen widersprechen, die übrigen erscheinen mir glaubwürdiger, ich wage aber nicht zu entscheiden, welche die allein richtige sei, weil mir die eigenen Beobachtungen fehlen. – Die Wirbelwespen leben vorzugsweise in heißen Erdstrichen und ändern hier zum Teil den Körperbau, so daß sich Latreille veranlaßt fand, eine besondere Gattung unter dem Namen Monedula davon abzutrennen. Während bei Bembex die Kiefertaster aus vier, die Lippentaster aus zwei Gliedern bestehen, erhöhen sich hier die Zahlen entsprechend auf sechs und vier, ferner verengen sich die beiden letzten Unterrandzellen merklich nach vorn. Außer einigen unbedeutenderen Verschiedenheiten bilden die beiden hervorgehobenen die Hauptgründe zur Abtrennung. Von der Monedula signata sagt Bates: »Sie ist für Reisende in den Gegenden Amazoniens, die von den blutdürstigen ›Mutúca‹ der Eingeborenen, Hadans lepidotus der Fliegenkenner (Dipterologen), geplagt sind, eine wahre Wohltat. Daß sie auf diese Fliege Jagd macht, bemerkte ich zuerst, als ich einmal an einer Sandbank am Rande des Waldes landete, um mir dort ein Mittagbrot zu kochen. Das Insekt ist so groß wie eine Hornisse, sieht aber einer Wespe sehr ähnlich. Ich stutzte nicht wenig, als aus der Schar, die über uns schwebte, eine gerade auf mein Gesicht flog; sie hatte ein Mutúca auf meinem Halse erspäht und schoß nun auf diese herab. Sie ergreift die Fliege mit den vier vorderen Beinen und trägt sie fort, dieselbe zärtlich an ihre Brust drückend.«
Der bunte Bienenwolf ( Philanthus triangulum) ist ein böser Gesell und wegen seiner räuberischen Anfälle auf deren Pfleglinge bei den Bienenvätern übel berüchtigt. Weil er am liebsten Honigbienen, aber auch Sandbienen, vier bis sechs auf jedes Ei, einträgt, wurde ihm obiger Name im Deutschen beigelegt. Kühn und gewandt, wie er ist, fällt er gleich einem Stößer von oben über die Beute her, die, nichts ahnend, eifrig mit Eintragen beschäftigt ist, wirft sie zu Boden und hat sie gelähmt, ehe jene sich zur Gegenwehr anschicken kann. Den Raub unter sich, fliegt er dann zum Nest. Dasselbe befindet sich ebenfalls in der Erde, in der Nachbarschaft anderer Raubnester und der Wohnungen honigeintragender Bienen. Sandige Hänge, welche die Sonne trifft, bieten dem aufmerksamen Beobachter die beste Gelegenheit, die Sitten aller dieser Tiere zu studieren; Schenck traf die Löcher zwischen den Pflastersteinen neuer Anbaue Wiesbadens, ich ergriff einen Räuber samt seinem Raube auf den belebten Anlagen um Meran. Der Bienenwolf gräbt seine 31,4 Zentimeter langen Gänge in derselben Art wie die ebenso lebenden Familiengenossen, erweitert das hinterste Ende derselben als Brutplatz und schließt den Eingang, wenn zu den eingetragenen Bienen das eine für sie bestimmte Ei hinzugekommen ist. So viele Eier er absetzt, so viele Minen muß er graben. Im nächsten Juni kommen die jungen Bienenwölfe zum Vorschein, und die befruchteten Weibchen treiben ihr Unwesen genau ebenso, wie die Mütter es im vorausgegangenen Sommer taten. In der Größe schwanken die breitköpfigen Tiere zwischen 9 bis 16 Millimeter, und auch die gelben Zeichnungen wechseln so, daß manchmal am lanzettförmigen, anhangenden Hinterleibe das Gelb die schwarze Grundfarbe überwiegt und nur schwarze Dreiecke an der Wurzel der Glieder übrig bleiben. Für gewöhnlich tragen die Hinterränder der schwarzen Leibesringe gelbe, an den Seiten stark erweiterte Binden und am Mittelleibe der Halskragen, die Flügelschüppchen, das Hinterschildchen und zwei Flecke davor dieselbe Farbe. Die Zeichnungen des Kopfes sind weiß: seine untere Partie bis zwischen die Fühler hinauf in dreizackigem Verlauf und die inneren Augenränder bis fast zu ihrem tiefen Ausschnitt. Durch eine in der Mitte verdickte Geißel und weiten Abstand untereinander charakterisieren sich die kurzen Fühler, durch drei geschlossene Unterrandzellen und ebenso viele Mittelzellen die Vorderflügel. Von jenen nimmt die fünfeckige zweite in ihrer Mitte die erste, die nach vorn sehr verengte dritte nahe bei ihrem Anfange die zweite rücklaufende Ader auf.
Zur nächsten Verwandtschaft gehören die mit vielen Arten über die ganze Erde ausgebreiteten Knotenwespen ( Cerceris). Bei ihnen setzt sich das erste Hinterleibsglied knotig gegen die übrigen ab, und auch die folgenden schnüren sich in den Gelenken merklich ein, so daß die Hinterleibsform die Gattung auf den ersten Blick erkennen läßt. Die zweite Unterrandzelle ist dreieckig und gestielt und die Randzelle am Ende stumpf gerundet. Zwischen den nicht merklich gebrochenen Fühlern zieht eine Längsleiste nach dem Gesicht herab, das sich bei dem immer kleineren Männchen durch reichlich gelbe Zeichnung auf schwarzem Grunde und durch goldiges Wimperhaar an den Ecken des Kopfschildes auszeichnet. Während dem Weibchen dieser Schmuck fehlt, hat es bei manchen Arten eigentümliche Platten und nasenartige Ansätze des Gesichtes vor seinem Männchen voraus. Überdies liegt noch ein durchgreifender Geschlechtsunterschied in der Bildung des letzten Rückengliedes, der sogenannten oberen Afterklappe. Dieselbe ist beim Männchen regelmäßig viereckig, beim Weibchen vorn und hinten bogig verengt, so daß ein eiförmiger oder elliptischer Umriß zustande kommt. Schwarze Körperfarbe und gelbe oder weiße Binden am Hinterleib bilden das Kleid der meisten Knotenwespen; in den wärmeren Erdstrichen finden sich aber durchaus rot oder rotgelb gefärbte mit untergeordnet dunkeln Zeichnungen. Man trifft die mäßig beweglichen Wespen auf Blumen und ihre gekrümmten, bis 26,2 Zentimeter tief gehenden Röhren in der Erde. Verschiedene Arten tragen verschiedene Kerfe als Larvenfutter ein, unsere heimischen vorherrschend Sand- und Schmalbienen sowie andere Aderflügler. Fabre verschaffte sich aus dem Neste der Cerceris vespoides Rossis ( major Spin.) den Cleonus ophtalmicus, einen sonst schwer aufzufindenden Rüsselkäfer, in größeren Mengen. Durch einen oder zwei Stiche zwischen den ersten und zweiten Brustring seitens der Wespe verfällt der Käfer sofort in Scheintod. Vermutlich wird durch den Stich der Knotenwespe gerade der Brustknoten des Nervensystems verletzt, weil der Käfer urplötzlich durch ihn gelähmt wird. Hrsgbr.. Dufour sah eine andere Art in Frankreich schöne und seltene Prachtkäfer zu Neste tragen und nannte sie darum den Prachtkäfertöter ( Cerceris dupresticida). Bewundernswert war die Leichtigkeit, mit der in beiden letzten Fällen die Beute, die das Körpergewicht der Räuberin öfters nicht unmerklich übertrifft, in der Umarmung mit den sechs Beinen heimgetragen wurde, und in wie kurzer Zeit die sorgsame Mutter mit neuem Vorrat wieder ankam, wenn man ihr grausamerweise den alten abgenommen hatte. Die ganz niedere Jagd der Entomologen hat auch ihren Reiz und bei weitem mehr Wechsel in ihren Methoden wie das »edle Weidwerk«! Lepeletier beobachtete, wie manchmal während des Einschleppens der Beute eine Larvenfliege (Tachine) herbeikam, um ihr Ei daran zu legen, und fand später auch die Tonnenpuppe der Fliege im Neste. Mord, Raub und Betrug sind nun einmal die Künste, die handwerksmäßig hier nicht weniger wie bei tausend und aber tausend andern Kerfen und höheren Tieren betrieben werden, ihnen zur Erhaltung, uns teilweise zum Segen! Die Sand-Knotenwespe ( Cerceris arenaria) ist unsere größte und gemeinste Art.
Zahlreiche Arten von Mordwespen, kleiner und unansehnlicher im Körper, aber gleich tatkräftig und besorgt um ihre Nachkommen, bevölkern das reich mit Blattläusen besetzte Gebüsch und siedeln sich im Sandboden, in altem Mauer- oder Holzwerk an, sei es, daß sie selbst bauen, sei es, daß sie die Anstrengung andern überlassen und nur auf List sinnen, um ihr Kuckucksei fremden Nestern im verstohlenen einzuverleiben. Infolge ihres verschiedenartigen Flügelgeäders wurden sie verschiedenen Sippen zuerteilt. So bilden die Töpferwespen ( Trypoxylon) durch ihre zwei Unterrandzellen, die in der Anlage vorhanden, deren zweite aber von so blasser Ader begrenzt wird, daß man sie leicht übersieht, den Übergang zu allen denen, wo überhaupt nur eine vorkommt. Die am Innenrande tief ausgeschnittenen Augen, der gestreckte, keulenförmige Hinterleib, der beim kleinen Männchen stumpf, beim Weibchen spitz endet, lassen die Gattung leicht erkennen. Die gemeine Töpferwespe ( Trypoxylon figulus), ein durchaus schwarzes, schlankes Tierchen, das in der Größe zwischen 4,5 und 11 Millimeter schwankt, macht sich während des ganzen Sommers durch sein geschäftiges Aus- und Einfliegen an alten Pfosten, an der Rinde beraubten, absterbenden Baumstämmen bemerklich. Vielfach die Bohrlöcher anderer Insekten benutzend, tragen die Weibchen Blattläuse oder kleine Spinnen für die Brut ein, teilen die Röhren durch Lehmwände in Zellen und verstreichen zuletzt den Eingang in gleicher Weise. Darum gab man ihnen den deutschen Namen. Die Made entwickelt sich rasch, spinnt sich dann ein, wird aber erst im nächsten Frühjahr zur Puppe. – Südamerika ernährt größere Arten, die wieder in anderer Weise bauen. Die 19,5 Millimeter lange weißfüßige Töpferwespe ( Trypoxylon albitarse) legt unter starkem Gesumme röhrenförmige, fast 78 Millimeter lange Nester in die Ecken oder an die Pfosten menschlicher Wohnungen an und trägt Spinnen ein. Der flüchtige Töpfer ( Trypoxylon fugax) Brasiliens benutzt verlassene Nester einer Polistes und verschließt die Zellen mit roter Erde; eine andere nordamerikanische Art baut entweder selbst in ähnlicher Weise wie ein Spinnentöter, jedoch kürzere Zellen, oder sie benutzt dessen verlassene Nester, teilt aber jede Zelle durch eine Querwand in zwei, weil sie dann immer noch groß genug für ihre Zwecke sind. Die Zellen der goldstirnigen Töpferwespe ( Trypoxylon aurifrons) in Amazonien nehmen sich ungemein zierlich aus. In Form einer stark gerundeten, sehr kurzhalsigen Steinkruke werden sie untereinander an verschiedene Gegenstände angeklebt und mit Raupen gefüllt.
Eine der artenreichsten Gattungen bilden die Silbermund- oder Siebwespen ( Crabro), kenntlich an nur einer Unterrandzelle des Vorderflügels, die von der darunterliegenden Mittelzelle getrennt ist. Die Randzelle setzt sich in einem kurzen Anhange fort, der so ziemlich gleichgerichtet mit dem Flügelrande verläuft. Von oben erscheint der Kopf beinahe quadratisch, von vorne gesehen am Kopfschilde mit silberner oder goldiger Behaarung verziert, welcher Umstand, obschon auch anderswo zu beobachten, den ersten Namen veranlaßt hat. In der Regel ist der glänzend schwarze, nach beiden Seiten hin verschmälerte Hinterleib gelb gezeichnet, nur die kleineren, teilweise sehr schwer zu unterscheidenden, durchaus schwarzen Arten, wie Crossocerus scutatus, C. elongatulus und andere, machen eine Ausnahme. Die Männchen sind schlanker und kleiner als ihre Weibchen, haben eine halbmondförmige, meist etwas gewölbte obere Afterklappe und bei manchen Arten unregelmäßig gebildete Fühler oder Beine. Diese sind bei den Weibchen einfach, die Hinterschienen aber häufig sägeartig bedornt und die obere Afterklappe der Dreiecksform genähert. Jene Auszeichnungen der Männchen bestehen entweder in breitgedrückter Geißelmitte oder Aushöhlung an einigen Gliedern, die dann wie ausgefressen erscheinen. Bei andern wieder erweitert sich die Vorderschiene muschelartig. Wegen der lichten, durchscheinenden Pünktchen hat man diese Erweiterung mit einem Siebe verglichen und der ganzen Gattung den zweiten Namen verliehen. In noch andern Fällen kommen wieder andere Abweichungen vor. Die in Rede stehenden Wespen gehören zu den lebendigen und beweglichen ihrer Familie, nisten ebenso häufig in altem Holze wie in der Erde und benutzen dort häufig die Bohrlöcher und verlassenen Gänge der Holzkäfer, dieselben durch Bohrmehl in Zellen teilend. Die kleineren, schwarzen Arten tragen unter Beihilfe der Kinnbacken und vordersten Beine Blattläuse oder kleine Fliegen ein; auch die größeren Arten scheinen sich vorzugsweise an Fliegen zu halten, wie z. B. Crabro (Thyreopus) patellatus, von der ich einst ein Weibchen erhaschte, das eine Regenbremse ( Haematopota pluvialis) einheimste.
Am Schluß sei noch der gemeinen Spießwespe ( Oxybelus uniglumis) gedacht, einer Gattung angehörig, die man leicht an dem rinnenartigen Dorn erkennt, in den das Hinterschildchen ausläuft, und an den Hautschüppchen beiderseits des Schildchens. Den Vorderflügel kennzeichnen ein Anhang an der Randzelle und nur eine Unterrandzelle, die durch eine sehr unscheinbare, blasse Ader von der oberen Mittelzelle getrennt wird. Der spindelförmige Hinterleib hängt dem Hinterrücken an und läuft beim Männchen in eine viereckige, ebene Afterklappe, beim Weibchen in eine allmählich verschmälerte aus; gelbe, auch weiße Seitenflecke oder Binden verzieren ihn. Die kurzen Fühler sind gebrochen, und in der Gesichtsbildung spricht sich noch ein zweiter Unterschied der Geschlechter aus: eine nasenartige Leiste läuft beim Männchen der Länge nach über das vorn ausgeschnittene, silberhaarige Kopfschild, während das weibliche vorn stumpf ist und sich nur in der Mitte buckelartig erhebt. Das Gesagte gilt von der Gattung; die genannte, 4 bis 7,5 Millimeter messende Art ist schwarz, auch an den Kinnbacken und der oberen Afterklappe, hat auf dem stark punktierten Hinterleibe veränderliche, elfenbeinweiße Seitenflecke, das Männchen auf Glied eins bis vier, das Weibchen auf zwei bis fünf, die bisweilen auf dem fünften Glied zu einer Binde verschmelzen, rote Schienen und Füße, von denen jene an der Wurzel oft braun geringelt sind. Die beim Weibchen meist weißen Schildschüppchen vereinigen sich nicht an ihrer Wurzel, und der mäßig lange Dorn zwischen ihnen endet stumpf. Im allgemeinen hat das Männchen eine etwas düsterere und glanzlosere Färbung als das andere Geschlecht.
Das befruchtete Weibchen gräbt an sonnigen Stellen einen fünf bis neun Millimeter langen Gang in den Sandboden, für jede Larve einen, beginnt damit im Mai und fährt fort bis gegen Ende des Sommers. Ist ein Nest fertig, so wird sein Ausgang sorgfältig verschlossen und auf Raub ausgezogen, um die künftige Larve zu versorgen. Nach von Siebolds interessanten Mitteilungen über diesen Gegenstand finden sich in dem Nest Fliegenarten, in jedem meist nur einerlei, vorzugsweise den Anthomyien angehörig. Das um seine Nachkommen besorgte Weibchen stürzt sich von oben auf das Schlachtopfer, wirft es zu Boden und auf den Rücken, sticht es in den Hals und trägt es, angespießt mit dem Stachel, zum Nest. Dies alles geht aber nicht immer so glatt hintereinander fort, wie es sich erzählen läßt. Kaum ist die Fliege vor dem Eingang zum Nest niedergelegt, um dieses erst durchzumustern, so ist auch schon eine andere Spießwespe bei der Hand, um jene zu stehlen. Ehe der rechtmäßige Eigentümer seine mißliche Lage erkannt hat, ist der Dieb längst verschwunden. Das ist ärgerlich, läßt sich aber nicht ändern; es muß von neuem auf die Jagd gegangen werden. Dann gibt es eine kleine Fliege, Miltogramma conica nennen sie die Kundigen, die hat die böse Gewohnheit, bei Oxybelus zu schmarotzen, ihr Ei in dessen Nest zu legen, damit sich die aus demselben schlüpfende Larve die des Oxybelus schmecken lasse. Deshalb lungert die genannte Fliege an solchen Stellen umher, wo unsere Spießwespe baut. Sobald letztere nun mit Beute anlangt, erhebt sich die Miltogramma und schwebt unbeweglich über derselben, wie der Raubvogel, der sich sein Schlachtopfer tief unten ersah. Jene erkennt ihren Feind sehr wohl und fliegt, um sich seiner zu entledigen und ihn von der Spur abzubringen, hin und her. Die Fliege läßt sich nicht so leicht täuschen, sie begleitet die Wespe, setzt sich auf einen höheren Punkt, wenn diese ausruht, stets dieselbe im Auge behaltend. Die beladene Wespe ermüdet meist früher als die ledige Fliege, die mit gleicher Hartnäckigkeit und Entschlossenheit ein und dasselbe Ziel im Auge hat: die Sorge für ihre Nachkommen. Jetzt öffnet die Spießwespe ihr Nest, um die Beute hineinzuschaffen. Sobald sie in demselben ist, stürzt die Miltogramma nach, erscheint aber gleich wieder, denn sie wurde hinausgejagt. Beiläufig bemerkt, scheinen andere Miltogramma-Arten ein ähnliches Spiel mit andern Mordwespen zu treiben. Nach von Siebolds Beobachtung wird die rauhe Sandwespe durch Miltogramma punctata verfolgt.
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In den Goldwespen ( Chrysidae) tritt uns eine weitere scharf abgegrenzte, nicht leicht zu verkennende Familie mittelgroßer bis kleiner Hautflügler entgegen, die in unsern gemäßigten Gegenden mit derselben, ja fast mit noch bunterer Farbenpracht erglänzen als in den wärmeren Ländern, wo nicht mehr, aber etwas größere Arten vorzukommen scheinen. Der auf seiner Oberfläche am Kopfe und dem gleich breiten Mittelleibe mehr oder weniger grob, an dem ebenso breiten oder breiteren, anhängenden Hinterleib meist sehr fein oder gar nicht punktierte Körper glänzt metallisch in Goldgelb, Feuerrot, Violett, gesättigtem Blau, das durch Grün ersetzt sein kann, und zwar selten in einer, meist in der Verbindung mehrerer der genannten Farben; Schwarz kommt vereinzelt, Weiß oder eine lichte, nicht metallische Farbe niemals vor. Der kurze und dann halbkreisförmige oder gestreckte, durchaus gleich breite, hinten stumpf gerundete, oben gewölbte Hinterleib besteht aus drei oder vier, in der Regel am Bauche ausgehöhlten Gliedern. Diese Hohlbäuchigkeit benutzen die Wespen zu ihrem Vorteil; so wie sie sich bei feindlichen Angriffen nicht anders zu helfen wissen, kugeln sie wie der Igel, manche Gürteltiere, gewisse Asseln ihren Körper zusammen, und jene Höhlung paßt trefflich für Kopf und Vorderrücken. Vor dem Leibesende sehr vieler Goldwespen läuft eine tiefe, oft punktgrubige Furche dem Rande entlang, so daß man das eine Glied für deren zwei halten könnte. Die Beschaffenheit der Oberfläche des letzteren, besonders aber seines Hinterrandes, ob er ganz, verschiedenartig gekerbt oder gezähnt ist, gibt wichtige Artunterschiede ab. Unter diesem Hinterrande kann das Weibchen eine fernrohrartige Legröhre weit herausstrecken, mit deren Hornspitze unter günstigen Verhältnissen Stiche ausführbar sind; in der Ruhe zieht sie sich zurück, pflegt aber im Tode wieder etwas herauszutreten. Der in den Umrissen so ziemlich viereckige Mittelleib tritt an den scharfen Hinterecken mehr oder weniger zahnartig hervor. Eirunde, nicht ausgerandete Augen, drei Punktaugen auf dem Scheitel und dreizehngliedrige, gebrochene Fühler, die nahe beieinander und beim Munde stehen, kommen am queren Kopfe in Betracht. Die Fühler stehen selten still, sondern tasten hin und her und krümmen die Geißel spiralförmig. Hinsichtlich ihres Geäders bleiben die Vorderflügel der Goldwespen hinter denen der Mordwespen zurück. Eine nach hinten offene Randzelle, eine gleichfalls nur in der Anlage vorhandene Unterrandzelle, zwei Mittelzellen und die so leicht nirgends fehlenden beiden Schulterzellen ist alles, was hier vorkommt. Die kleinen Krallen der weder langen noch kurzen Beine bieten je nach dem Mangel oder dem Vorhandensein von Zähnchen wichtige Unterscheidungsmerkmale.
Während des Sommers, am zahlreichsten im Juli und August, erscheinen die Goldwespen auf Blumen, an altem Holz- und Mauerwerke, und die listigen Weibchen legen ihre Eier in die Nester anderer, besonders grabender Immen. Osmia unter den Bienen, Odynerus und Eumenes unter den Faltenwespen, Philantus, Cercercis, Trypoxylon, Crabro, Bembex unter den Grabwespen und so manche andere, die wir nicht kennengelernt haben, sind keinen Augenblick vor deren Angriffen gesichert. Ob die Maden der Goldwespen das von jenen eingetragene Futter wegfressen oder sich mitunter auch an den Larven der Wirte vergreifen, ist noch nicht bei allen ermittelt, ersteres scheint aber gewöhnlich der Fall zu sein. In der Regel geschieht beides. Ist die Larve der Goldwespe früher da als diejenige des Wirts, frißt sie gewöhnlich zuerst das Ei des Wirts und dann das für die Wirtsmade bestimmte Futter. Bei mancher Form erscheint die Schmarotzermade aber später und frißt dann die inzwischen schon ziemlich herangewachsene Wirtslarve. Hrsgbr. Die Verwandlung erfolgt in Jahresfrist nur einmal.
Unter den selteneren Arten zeichnet sich die fleischrote Goldwespe ( Parnopes carnea) durch eine lange, in der Ruhe an die Kehle angedrückte Zunge aus, die von dem Oberkiefer an der Wurzel eingeschlossen wird und große Ähnlichkeit mit dem gleichen Werkzeug der Bienen hat. Dafür schwinden die Taster, insofern jeder nur aus zwei Gliedern besteht. Kopf, Brustkasten, erstes Hinterleibsglied und Beine bis zu den Knien sind dunkel erzgrün und grob punktiert, wie das weit heraustretende, dreilappige Hinterschildchen; die zwei oder drei folgenden Glieder (das Männchen hat nämlich eins mehr) sind lebhaft fleischrot, die Hinterränder aller und die Beine von den Knien an lichter gefärbt. Die untersetzte, 11 Millimeter lange, auch noch größere Goldwespe schmarotzt bei der gemeinen Wirbelwespe und findet sich also nur da, wo diese in größeren Mengen vorkommt. Sie stellt mit einigen andern, in der Mundbildung übereinstimmenden Arten eine besondere Sippe dar.
Eine weitere Sippe umfaßt die größeren und größten Arten der ganzen Familie und nähert sich durch den langgestreckten Körper der vorigen, durch die mäßig lange Zunge, den überhaupt nicht abweichenden Bau der Mundteile und durch die einfachen Fußklauen der folgenden Sippe. Die Dorngoldwespen ( Stilbum) empfingen ihr Kainszeichen an dem Hinterschildchen, das, in seinem Vorderteil vom Schildchen überdeckt, nur an der Hinterhälfte in Form eines ausgekehlten, kräftigen Dornes sichtbar wird. Die glänzende Dorngoldwespe ( Stilbum splendidum) ist einzeln und grob punktiert, am Endrande des Hinterleibes vierzähnig, am Ende des napfartig ausgehöhlten Hinterschildchens gerundet, durchaus stahlblau oder goldgrün gefärbt, oder erglänzt zum Teil in dieser, zum Teil in jener Farbe. Sie kommt in den Mittelmeerländern und in Asien weiter östlich vor und stellt bei 15 Millimeter Länge, die sie allerdings nicht immer erreicht, neben einer zweiten Gattungsgenossin für Europa die größte Goldwespe dar.
Die Gattung Chrysis ist die artenreichste von allen und durch das freie Hinterschildchen von den vorigen unterschieden. Je nach der Bildung des letzten Leibesgliedes hat Dahlbom acht Gruppen angenommen, bei denen in Betracht kommt, ob der Hinterrand ganz und glatt verläuft, etwas wellenartig, mit einem seichten zahnartigen Einschnitte in der Mitte, oder ob er mit zwei seitlichen, mit drei, vier, fünf oder sechs Zähnen ausgestattet ist; vier und sechs finden sich am häufigsten.
Die Chrysis-Arten, deren Endglied ohne jegliche Auszeichnung verläuft, leben vorzugsweise in den Mittelmeerländern und nur eine in Amerika, einige verbreiten sich nördlich bis Deutschland und darüber hinaus bis Schweden, wie Chrysis austriaca, bicolor, imbecilla, zetterstedti und andere. Von den weniger zahlreichen wellenrandigen gilt so ziemlich dasselbe, nur dürfte eine Art ( Chrysis elegans) bis Deutschland und eine andere ( unicolor), selten nördlicher, in Schweden vorkommen.
Die blaue Goldwespe ( Chrysis cyanea L.) ist die einzige über ganz Europa verbreitete Art, deren Hinterleibsrand in drei Zähne geteilt ist. Sie trägt sich in der Regel durchaus blau, am Hinterleib etwas schwarz gestreift und wenigstens an der Wurzel der Beine grün. Das Tierchen gehört zu den kleineren (bis 5,15 Millimeter) und schmarotzt am liebsten bei solchen Immen, die ihr Nest in Brombeerstengeln anlegen, Trypoxylon figulus, Crabro lapidarius, bei der kleinen, mit dem Bauch sammelnden Biene Chelostoma florisomne und andern. – Chrysis fulgida ist eine von den wenigen am Hinterrand vierzähnigen, über ganz Europa ausgebreiteten Arten; sie wird besonders durch die gleiche Färbung am Kopf, Brustkasten und erstem Hinterleibsglied kenntlich. Die genannten Teile erglänzen lebhaft blau, violett oder blau in grün übergehend, die beiden letzten Glieder goldigrot, das Männchen trägt aber auf dem zweiten Ringe einen Bogenfleck von der Farbe des vorderen Körperteils.
Die gemeine Goldwespe ( Chrysis ignita), die verbreitetste und häufigste von allen, gehört gleichfalls hierher. Sie ist wenig wählerisch und beglückt eine Menge von Immen mit ihrem Kuckucksei, Immen, die an solchen Stellen, im Sande oder in alten Pfosten wohnen, weshalb wir sie auch da am meisten sich herumtreiben und bei Sonnenschein sehr beweglich sehen, Philanthus triangulum, Cerceris ornata, Odynerus parietum, Antilope spinipes, Eumenes pomiformis sind ihr von den früher erwähnten alle genehm, außerdem noch manche Lehmwespe, die wir nicht kennengelernt haben. Wer ihr einige Zeit widmen will, kann sie bald als ein schlaues und gegen ihresgleichen eifersüchtiges Wesen kennenlernen, dessen ganze Lebensdauer vom Frühjahr bis in den Herbst eben nur mit Übungen in diesen nichts weniger als liebenswürdigen Eigenschaften hingebracht wird. Diese Goldwespe ändert in ihrer Größe (5,15 bis 11 Millimeter) wie in ihrer Färbung mannigfach ab, sieht am Kopf und Mittelleib blau oder grün aus, rein, oder in den gewöhnlichen Übergängen gemischt, und am Hinterleib goldglänzend, bisweilen grün schillernd oder gesättigt rot, oft mit schwarzen Rändern in den Gelenkeinschnitten, am Bauche schwarzfleckig. Der ziemlich grob punktierte Hinterleib zeichnet sich auf dem Rücken durch einen auf dem Mittelring besonders stark vortretenden Längskiel aus.
Bisher war von den langgestreckten Formen die Rede. Die kurzen Goldwespen, deren Hinterleib kaum länger als breit und deren Fußklauen in verschiedener Weise gezähnt sind, werden ihrer geringeren Körpergröße wegen teilweise übersehen, kommen auch in weit beschränkterer Artenzahl vor als die Gattung Chrysis. Es schwinden bei ihnen die Unterrand- und Mittelzelle im Vorderflügel noch mehr; so sehr sie sich aber durch diese Merkmale und in der äußeren Tracht von den übrigen absondern, so wenig lassen sich bequeme Merkmale für die beiden, nach dem Bau des Mundes sehr scharf unterschiedenen, hauptsächlichsten Gattungen Elampus und Hedychrum, aufstellen. Esttere stimmt mit Chrysis in der kurzen, kegelförmigen, letztere mit Stilbum in der verlängerten, an der Spitze ausgerandeten Zunge überein; die von den Fußklauen und der Beschaffenheit des Endgliedes hergenommenen Unterschiede, die zu weiteren Spaltungen geführt haben, sind durchaus nicht stichhaltig und geben wohl auf dem Papier eine ganz hübsche Übersicht, aber keine Sicherheit, wenn es sich darum handelt, eine schwierigere Art zu bestimmen.
Die Gattung Hedychrum zeichnet sich, soweit unsere heimischen Arten in Betracht kommen, durch den ganzen, nicht einmal gefurchten Endrand des Hinterleibs und einen Zahn vor der Mitte der Fußklauen aus. Eine der gemeinsten und schönsten Arten ist Hedychrum lucidulum, deren Männchen von Fabricius als Chrysis regia beschrieben worden ist und als königliche Goldwespe der gemeinen gegenüber auf der Pfoste sich vorstellen mag. Der breite, aber immer noch etwas längere Hinterleib glänzt auf dem Rücken goldigrot, am Bauch schwarz, der gleichmäßig grob punktierte Mittelleib beim Männchen grün oder blaugrün, beim Weibchen dagegen der Vorder- und Mittelrücken in der Regel fast ganz purpurrot. Die Flügel sind von der Mitte an getrübt. Die Länge beträgt 4,5 bis 8,75 Millimeter. Man hat diese Art bei Osmia nigiventris, mehreren Schmalbienen und bei Chalicodoma muraria schmarotzend gefunden.
Die rosige Goldwespe ( Hedychrum roseum, auch Chrysis rufa, von Panzer benannt) wird durch ihren ungemein dicht punktierten, darum matten, zart rosenrot gefärbten Hinterleib sehr leicht kenntlich; Kopf und Brustkasten sind grünblau, blau oder violett, dicht, fast netzartig punktiert, die Hinterecken des letzteren treten dornenartig hervor. Das zierliche Wespchen wird höchstens 4,5 Millimeter lang, bewohnt besonders trockene Gegenden und wurde nördlich nur bis gegen den sechzigsten Breitengrad hinauf beobachtet.
Die kleinen Clampiden, eine Sippe, bei welcher die Feststellung der Arten einen sehr geübten Blick voraussetzt, haben mehr oder weniger deutlich gekämmte Klauen, ein ganzrandiges oder in der Mitte etwas ausgeschnittenes, zum Teil schwach zugespitztes Ende des sehr Polierten Hinterleibs und scheinen am liebsten bei Holzbewohnern zu schmarotzen. Omalus auratus fand sich in einer Holzgalle zwischen Blattläusen, die jedenfalls von einer kleinen Mordwespe eingetragen worden waren, nachdem die Gallwespe ihr Haus verlassen hatte; auch erzog man das Goldwespchen aus dem Nest von Cemonus unicolor, einem kleinen Pemphredoniden (Mordwespe) aus Brombeerstengeln. Elampus aeneus und bidentulus legen ihre Eier in die Nester des kleinen Sphegiden Psen caliginosus.
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Die schönen rotbackigen, kugelrunden Auswüchse, die manchmal zu halben Dutzenden an der Unterseite eines Eichenblattes hängen, kennt jedermann unter dem Namen der »Galläpfel«, weiß auch, daß eine andere, mehr holzige Art, die aus der Levante zu uns gelangt, bei Bereitung einer brauchbaren Tinte füglich nicht entbehrt werden kann. Man nennt diese und hunderterlei andere Mißbildungen an Pflanzen ganz allgemein Gallen und will damit sagen, daß es krankhafte Wucherungen des Zellgewebes seien, die unter tierischem Einflüsse entstanden und dazu bestimmt sind, der Brut des Erzeugers Nahrung und Obdach zu gewähren. Die Zahl der Kerfe ist nicht gering, die Gallen hervorbringen: Fliegen, hauptsächlich aus der Sippe der Gallmücken, einige Käser, Blattläuse, Blatt- und Gallwespen kommen auf das Verzeichnis. Da kein Pflanzenteil von der Wurzel bis zum Zweige, dem Blatte bis zur Blüte und Frucht, vor Gallenbildung gesichert ist, so dürfen wir uns nicht Wundern, wenn wir eine über alle Erwartung große Mannigfaltigkeit unter diesen Gebilden finden. Der interessante Gegenstand, noch lange nicht hinreichend erschöpft, hat neuerdings die Aufmerksamkeit einiger Forscher auf sich gelenkt, läßt sich hier aber nicht weiter verfolgen, als er mit den Aderflüglern zusammenhängt und sich auf die Gallwespen ( Cynipidae), eine besondere Familie der genannten Insektenordnung, bezieht, welche die vollkommensten Gallen erzeugen.
Indem eines dieser kleinen Wesen, deren wir gleich nachher einige näher kennenlernen werden, an der bestimmten Stelle, die ihm der Naturtrieb anweist, eine ganz bestimmte Pflanze mit seinem Bohrer ansticht und ein Ei in der Wunde zurückläßt, wird in wunderbarer Weise diese veranlaßt, als Kugel, Zapfen, Kegel, Hörnchen, zottiger »Rosenkönig« oder in wer weiß welcher Form auszuwachsen und solange fortzuwuchern, als das Insekt dessen bedarf. Dann erst, wenn der Insasse nicht mehr wächst, ist auch die Galle »reif« geworden. Man sieht also sehr wohl die Ursache und ihre Wirkung, begreift aber nicht recht die Art der Wirkung. Diese muß dereinst die Pflanzenphysiologie in Vereinigung mit der Physiologie der Tiere lösen, wir wollen uns zunächst nur die Bedingungen vergegenwärtigen, unter denen eine Galle Von philosophischer Seite ist das Problem der Pflanzengallen zum Gegenstand einer wichtigen Kontroverse gemacht worden. Erich Becker hat nämlich die Frage ausgeworfen, ob die Pflanzengallen etwa der Ausdruck einer »fremddienlichen Zweckmäßigkeit« sind. Hrsgbr. zustande kommen kann. Zunächst ist die vollkommene Lebensfähigkeit des betreffenden Pflanzenteils und die Möglichkeit, sich an der Mutterpflanze weiter zu entfalten, Vorbedingung. Denn jede Galle geht ein, sobald man den sie tragenden Pflanzenteil abschneidet, mag man ihn auch noch solange durch Einsetzen in Wasser frisch erhalten können. Eine zweite Bedingung ist die Verwundung des gesunden Pflanzenteiles durch die Eier legende Gallwespe. Dieselbe besitzt einen borstenartigen, sehr seinen Bohrer, der im Leibe verborgen ist, aber weit vorgestreckt und in den Pflanzenkörper eingestochen werden kann, wenn durch ihn das Ei in die Wunde gelangen soll. Mit dem Ei hat die Pflanze einen fremdartigen Körper aufgenommen und wird, wie jeder Organismus, dagegen reagieren, um so mehr, als auch dieser nicht unverändert bleibt, sondern sich weiter entwickelt. Zunächst handelt es sich um den Anstoß zu dem nun erfolgenden abweichenden Wachstum, ob es in Form einer Kugel, einer Linse, einer Eichel usw. vor sich gehen soll. Der Bildungssaft der Eiche überhaupt, dieser besonderen Eichenart, die Stelle, an der die Wirkungen eintreten, ob Blattfleisch, Blattrippe, ob Rinde, ob junges Holz usw., mag hierbei von wesentlichem, aber nicht ausschließlichem Einflüsse sein; denn wie könnte sich sonst dieselbe Form, beispielsweise die der Kugel, an verschiedenen Stellen: am Blattfleische, am jungen Holze entwickeln, oder wie könnten umgekehrt die verschiedensten Formen oft gleichzeitig an demselben Eichenblatte zustande kommen? Hier muß also noch etwas anderes wirken, als der Bildungsstoff und der bloße Reiz, es muß der jeder Gallwespe eigenartige, beim Legen mit ausfließende Saft, das »Gallwespengift«, wie wir ihn für die Pflanze bezeichnen dürfen, diese bedeutenden Verschiedenheiten bewirken. Eine fernere Bedingung zum Gedeihen der Galle liegt endlich in der Entwicklung und fressenden Tätigkeit der Wespen larve im Innern jener. Denn das Fortwachsen der Galle hört auf und dieselbe verkümmert, wenn das Larvenleben auf einer allerdings noch nicht ermittelten Entwicklungsstufe beider zugrunde geht. Die Gallwespen haben außerordentlich zahlreiche Schmarotzer, diese mögen in vielen Fällen die Gallwespenlarven hinsichtlich der Weiterbildung der Galle vertreten, in andern aber nicht; denn man findet verkümmerte Gallen, in denen alles tierische Leben fehlt, und da wurde es zu zeitig für deren Fortbildung getötet.
Auf solche wunderbare Weise wird die Galle zu einem Schmarotzer der Pflanze, der nicht mehr ihr, sondern dem tierischen Einwohner dient. Das Gallinsekt gewinnt mithin eine Herrschaft über die Pflanze, wie kein anderes Insekt weiter, wie der Mensch mit seinen Veredelungsversuchen nimmermehr. Es ist bisher nicht gelungen, künstlich Pflanzengallen zu erzeugen. Hrsgbr.
Die von den Gallwespen erzeugten Gallen sind vollkommen geschlossen und öffnen sich nicht von selbst, wie viele andere Gallen, sondern werden von den vollendeten Wespen durchnagt, wenn diese schließlich dem Freiheitsdrange alles Lebenden folgen. Eine Raupe, die im Blattfleische miniert, ein Holzwurm, der schrapend alte Bretter ausarbeitet, sie beide haben eine gewisse Freiheit; sie werden zwar beengt durch den Nahrungsstoff in ihrer Umgebung, können ihn aber da fortschaffen, wo es ihnen gefällt, und hierdurch ihre Wohnung beliebig erweitern. Anders verhält es sich mit der Made der Gallwespe. Dieselbe liegt in einem festeren, steinartigen Kerne, der sogenannten Larvenkammer, gleich dem Samen der Kirsche oder Pflaume in ihrem Steinkerne. Auf diese enge Klause ist sie beschränkt, diese und die weitere Umhüllung, mehr fleischiger oder holziger Natur, hat der Kerf zu durchbrechen, wenn die Verwandlung vollendet ist. Der gemeine Gallapfel enthält in seinem Mittelpunkte nur eine Larvenkammer und gehört daher zu den einkammerigen Gallen; welcher Art die mehrkammerigen sein müssen, erklärt sich hieraus von selbst. Je nach ihrer Beschaffenheit, ob holzig, fleischig, mehlig usw., nach ihrer Anheftungsstelle, ob Blatt, Wurzel, Knospe, Frucht sie erzeugten, ihrer Gestalt und der Art der Gruppierung, wenn mehrere beisammen sind, gibt es eine Menge von näheren Bezeichnungen für die Galle, die allermeist keiner weiteren Erklärung bedürfen. Der Regel nach hat jedes Erzeugnis einer Gallwespe seinen bestimmten Platz an einer bestimmten Pflanze und erscheint stets in derselben Form. Keine Regel ohne Ausnahme: die Gallen des Spathegaster baccarum kommen an den Blättern, aber auch an den Blütenkätzchen der Eiche vor, die Rosen-Gallwespe sticht für gewöhnlich die Zweige an, die zu den bekannten »Rosenkönigen« auswachsen, kann aber auch außer der Wurzel jeden andern Teil des Rosenstrauches beglücken. Eine interessante ungeflügelte Gallwespe, die Biorrhiza aptera, lebt für gewöhnlich in Wurzelgallen der Eiche, ist aber auch an der Wurzel der Kiefer gefunden worden. Möglich, daß sich bei aufmerksamer und eifrig fortgesetzter Beobachtung die Zahl derer noch vermehrt, die ihren Standort verändern. Nicht nur in der Größe wechselnd, sondern auch in der Farbe und mit unwesentlichen Abänderungen der Form, kommen bisweilen Gallen ein und derselben Art vor. So kommen aus den rotbäckigen Eichengalläpfeln immer nur weibliche Gallwespen. Hartig erhielt einmal aus 28 000 Gallen 9000 bis 10 00O ausnahmslos weibliche Wespen. Diese seltsame Erscheinung hat dann dadurch ihre Aufklärung gefunden, daß Walsh und Adler bei vielen Gallwespen einen Generationswechsel ermittelten, indem eine oder mehrere weibliche Generationen mit einer aus Männchen und Weibchen bestehenden Generation abwechselt. Auch die Gallen selbst sind in beiden Generationsformen verschieden. Aus den unbefruchteten Eiern der weiblichen Generation entsteht dann, durch sogenannte Jungfernzeugung (Parthenogenesis) also, die getrenntgeschlechtliche Generation. Hrsgbr. Neuerdings will von Osten-Sacken in Nordamerika aus zwei verschiedenen Gallformen die verschiedenen Geschlechter ein und derselben Art erzogen haben. Die Gall mücken leben an den verschiedensten Pflanzen, die Gall wespen mit sehr geringen Ausnahmen an den verschiedenen Eichenarten, so daß man in dieser Beziehung die Eiche so recht eigentlich den »Baum der Einheit« nennen könnte, weil sich in seinem Innern wie an seinem Äußern mehr Kerfe ernähren und friedlich beieinander wohnen, als irgendwo anders. An der Eiche kommen allein nach Mayr (»Die mitteleuropäischen Eichengallen in Wort und Bild«, Wien 1871) in Mitteleuropa zwei Wurzel-, acht Rindengallen, neununddreißig Knospen-, vierunddreißig Blatt-, neun Staubblüten- und vier Fruchtgallen vor. Für Frankreich und das südliche Europa gestalten sich die Verhältnisse wieder anders, ebenso ernähren die nordamerikanischen Eichen andere; von Osten-Sacken zählt achtundzwanzig an den nordamerikanischen Eichen, besonders um Washington, aus. Außer der Eiche kommen Ahorn, Vogelbeerbaum, wilde Rosen und Brombeeren in Betracht. Von krautartigen Pflanzen sind in dieser Beziehung kaum der Rede wert einige Korbblümler ( Hieracium, Centaurea Scorzonera), wilder Mohn, Gundermann, Königskerze und noch einige zweisamenlappige Gewächse. Nach den unzureichenden Beobachtungen in außereuropäischen Ländern, die über diesen Gegenstand bekannt geworden sind, fehlt es zwar nirgends an Gallen, wohl aber überall an der Menge von Gallwespen, die unsere Heimat ernährt. Von Alexandria bis zum Ende der Sinaitischen Halbinsel fand von Frauenfeld sehr zahlreiche Gallen an der Tamariske, behauptet aber, daß nicht eine davon einer Cynipide angehören könne. Schrader, der sich über gallenerzeugende Insekten Australiens verbreitet, hat gleichfalls nur wenig Gallwespen, sondern hauptsächlich Fliegen, Schild- und Blattläuse aufzuzeichnen.
Das Studium der Gallinsekten kann hauptsächlich nur durch die Zucht derselben gefördert werden, die aber – Geduld erfordert, vornehmlich aus zwei Gründen. Sammelt man die Gallen zu einer Zeit, die ihrer Reife noch zu fern liegt, so vertrocknen sie und die Larven darin natürlich auch; sie in Wasser zu setzen, schützt wenig vor dem Mißlingen. Trifft man aber den günstigen Zeitpunkt der Reife, so folgt noch lange nicht daraus, daß man nun auch Bekanntschaft mit ihren Erzeugern werde machen müssen. Dieselben werden nämlich zu häufig von Schmarotzern So fand Kieffer einst in einer einzigen großen Galle der Schwammgallwespe nacheinander 75 verschiedene Insektenarten mit 55 000 Exemplaren; 45 Arten mit 2400 Exemplaren hiervon waren Schmarotzer der Gallwespe. Hrsgbr. bewohnt, um nicht deren verhältnismäßig mehr zu erziehen als jene. Neben der Geduld wird daher auch große Um- und Vorsicht nötig, wenn die Wissenschaft in Wahrheit gefördert werden soll.
Die Gallwespen selbst, denen wir uns nun zuwenden, unterscheiden sich zunächst von allen bisher besprochenen Immen durch die zweigliedrigen Schenkelringe, die sie mit den übrigen noch folgenden gemein haben, außerdem erkennt man sie leicht an der eigentümlichen Bildung ihrer Vorderflügel. Denselben fehlt zunächst das Mal und jede Mittelzelle, nur eine geschlossene Rand- und zwei geschlossene Unterrandzellen kommen bei ihnen außer den beiden Schulterzellen vor. Hierbei unterscheidet man zwei Hauptformen, entweder ist nämlich die erste Unterrandzelle sehr schmal und lang, die zweite bildet ein bis zum Verschwinden kleines Dreieck und die dritte wird wegen des abgekürzten Kubitus nicht geschlossen, oder die erste ist größer, unregelmäßig viereckig, gewissermaßen durch Verschmelzung der ersten und zweiten in der eben besprochenen Form entstanden, während die dritte vom Saum und von dem bis dahin reichenden Kubitus geschlossen wird; zwischen beide schiebt sich die dreieckige, breite Randzelle mit einem fast rechten Winkel ein. Die Hinterflügel haben höchstens eine einzige Ader, also auch keine Zelle. Es finden sich Arten, deren Weibchen verkümmerte oder gar keine Flügel tragen und darum gewissen kleinen Schlupfwespen nahestehen, aber wegen ihres abgerundeten, von den Seiten zusammengedrückten Hinterleibes und wegen noch anderer Merkmale nicht wohl mit diesen zu verwechseln sind.
Alle Gallwespen stellen sich uns als unscheinbare, kleine Tierchen von durchschnittlich 4,5 Millimeter Länge vor; wenige werden größer, sehr viele erreichen aber nicht einmal das Maß von 2,25 Millimeter; sie sind schwarz, schwarz und hellrot bis braun oder ganz hellbraun und in keinerlei Weise mit lichten Zeichnungen verziert. Die geraden, nicht gebrochenen Fühler sind fadenförmig oder verdicken sich allmählich und schwach nach vorn; sie bestehen aus zwölf bis fünfzehn, meist recht deutlich abgesetzten Gliedern, deren erstes am dicksten, zweites sehr kurz und drittes meist das längste ist, beim Männchen kommen gewöhnlich eins oder zwei mehr vor als beim Weibchen, oft auch ein gekrümmtes oder ausgerandetes drittes Glied und größere Schlankheit. Der Kopf ist klein, fast kreisrund und steht tief unten, weil sich der Mittelleib hoch wölbt und bucklig erhebt, trägt auf dem Scheitel drei Nebenaugen und hat mäßig entwickelte Mundteile, eine sehr kleine Oberlippe, kurze, meist zweizähnige Kinnbacken, am Ende verbreiterte und gefranste Unterkiefer, eine breite, nicht ausgeschnittene Unterlippe mit sehr kurzer Zunge und kaum vorragende Taster, die vier- bis fünfgliedrig dort, zwei- bis dreigliedrig hier an der Lippe sind. Der kurze, von den Seiten zusammengedrückte Hinterleib, bisweilen so gedrückt, daß am Bauche oder auch am Rücken eine kielartige Zuschärfung hervortritt, sitzt am Hinterrücken, steht in andern Fällen mit diesem durch ein kurzes Stielchen oder einen Ring in Verbindung, die man wie bei den Ameisen als Mittelglied betrachtet und ihm nicht zuzählt. Die Rückenringe gleichen nur selten einander in der Länge, und das letzte Bauchglied ragt wenigstens beim Weibchen in Form einer kleineren oder größeren Schuppe über die Rückenschuppe hinaus, und beide klaffen an der Spitze oft weit auseinander. Die Legröhre des letzteren ist eine seine, zum Teil sehr lange, im Innern des Leibes gewundene Borste, die in der Ruhe nicht herauszutreten Pflegt. Die Hinterleibsspitze endet beim Männchen immer stumpfer; außerdem unterscheidet sich dieses durch die geringe Größe sowie häufig noch durch eine andere Fühlerbildung vom Weibchen. Zu einer Reihe von Arten hat man bisher noch kein Männchen aufgefunden und muß somit eine Fortpflanzung ohne vorhergegangene Befruchtung (Parthenogenesis) annehmen.
Wie bei weitem nicht alle Gallen von Gallwespen herrühren, so entwickeln sich umgekehrt nicht alle ihrer äußeren Erscheinung nach zur Familie gehörigen Wespen aus Gallen, sind echte Gallwespen, sondern ein gut Teil derselben legt seine Eier an bereits vorhandene junge Gallen, wo sich die daraus entstandene Made von dem Pflanzenstoffe ernährt; diese sind Einmieter oder Aftergallwespen genannt worden, und können deren zwei Arten in einer Galle leben. Nach Mayrs neuesten und umfassenden Beobachtungen (»Die Einmieter der mitteleuropäischen Eichengallen«) über diesen Gegenstand lassen sich im Verhältnis des Einmieters zum Wirt vier verschiedene Fälle unterscheiden: er lebt in der Larvenkammer der echten Gallwespe, die im jugendlichen Larvenalter zugrunde geht, und jene wird durch dünne Häute in so viele Kammern geteilt, als Larven vorhanden sind. Zweitens kann die Kammer der echten Gallwespenlarve und ein Teil des umgebenden Zellgewebes zerstört und an deren Stelle ein Hohlraum getreten sein, der gleichfalls von den Einmieterlarven in Kammern geteilt ist. Die natürliche Höhlung gewisser Gallen wird von Einmieterlarven bewohnt und auch erweitert, ohne daß hierdurch der ursprünglichen Erzeugerin Abbruch geschieht; endlich sind viertens die Kammern der Einmieter im Parenchym rings um die Larvenkammer verteilt, und beide entwickeln sich ungestört nebeneinander. In der Regel geht jedoch die ursprüngliche Gallenbrut zugrunde, da die Einmieterlarven sich rascher entwickeln und ihrem Wirt dann das meiste Futter weggefressen haben, so daß dieser verkümmert und schließlich zugrunde geht. Hrsgbr. Sicher sind bisher die drei Gattungen Synergus, Sapholytus und Ceroptreas als Einmieter erkannt worden.
Eine dritte Reihe von Cynipiden lebt im Larvenzustand ganz so wie eine Schlupfwespe in und von andern Insekten und schmarotzt mithin in vollkommenster Weise; es sind die zahlreichen Schmarotzer-Gallwespen.
Die in Gallen lebenden Larven, gleichviel, ob deren Erzeuger oder bloße Einmieter, sind dicke, nackte, etwas gekrümmte Maden mit hornigem Kopf, an dem kräftige Oberkiefer, aber keine Augen sitzen, und schließen sich somit in ihrer allgemeinen Bildung den Larven der vorhergehenden Familien an; die echten Parasiten mögen mit ihrem Wachstum ähnliche Veränderungen erleiden, wie sie Ratzeburg bei einigen Schlupfwespen beobachtet hat. Wie überall geht die Entwicklung bei verschiedenen Arten in längerer oder kürzerer Zeit vor sich, nur darin stimmen sie alle überein, daß sie sich in ihrer Galle verpuppen, dabei meist kein Gespinst fertigen und als breite Puppen nur kurze Zeit ruhen. Einige können als Larve, andere als Wespe, aber auch diese in der noch nicht geöffneten Galle, überwintern. Ein rundes Loch in dieser beweist allemal, daß der Insasse seinen Kerker verlassen hat, und oft entscheidet die Größe des Loches, ob die zu erwartende Gallwespe oder ein Schmarotzer daraus hervorging.
Die Eichen-Gallwespen ( Cynips), obschon ohne Männchen, liefern die Grundform der größten echten Gallwespen und lassen sich als Gattung leicht erkennen an dem mehr oder weniger zottig behaarten Rücken des Mittelleibes, an dem fast halbkugeligen, großen Schildchen, an dem sitzenden, runden und zusammengedrückten Hinterleibe, dessen erstes Glied jedes der andern an Länge übertrifft, und an den nach vorn schwach verdickten Fühlern. Die Randzelle der Vorderflügel ist gestreckt, die zweite Unterrandzelle sehr klein und dreieckig und an dem Grunde jener gelegen. Die Kiefertaster werden von fünf, die Lippentaster von zwei Gliedern zusammengesetzt. Neuerdings hat man nach Försters Vorgang von Cynips zwei Gattungen abgeschieden, indem man den Arten mit anliegendem Seidenhaar an der Hinterleibsspitze den alten Namen belassen, diejenigen ohne diese Behaarung Aphilotrix und die mit abstehender Behaarung an Beinen und Fühlern Dryphonta genannt hat. Dieser Spaltung ist bei Benennung der wenig besprochenen Arten hier keine Rechnung getragen worden.
Die gemeine Gallapfelwespe ( Diplolepis quercus foliis) ist die Verfertigerin der kugelrunden, fleischigen Galläpfel (wie sich neuerdings herausgestellt hat, nicht Cynips folii L. nach der bisherigen Ansicht), die so an der Unterseite der Eichenblätter ( Quercus sessilifolia und pedunculata) angewachsen sind, daß man auf der Oberfläche nichts davon bemerkt. Das Tierchen ist am Hinterleib glänzend schwarz, auf dem Schildchen, an Beinen und Kopf mehr oder weniger braunrot, hat rauhhaarige Fühler und Beine und eine kleine, borstig bewimperte letzte Bauchschuppe. Zur Zeit, wo die Knospen aller Bäume noch schlafen – die Eiche grünt bekanntlich unter unsern Waldbäumen zuletzt –, kriecht das Wespchen träge an den noch völlig unentwickelten Knospen umher und sticht eine und die andere an, um bei jedem Stich ein Ei zu legen. Ist seine Arbeit vollendet, so stirbt es, und wer daher den »holden« Mai und das frische Grün abwartet, ehe er den Wald besucht, bekommt es im Freien nicht zu sehen. Die von ihm getroffenen Blätter sind es, die im Sommer und besonders im Herbst uns durch jene rotbäckigen, etwas höckerigen Apfel in die Augen fallen. Sie waren mit der Made in ihrem Mittelpunkt entstanden und reifen mit ihr. Im Herbst kann man beim Öffnen bereits die fertige Fliege darin finden, die für gewöhnlich aber erst im nächsten Jahre sich herausarbeitet. Inzwischen hat man erkannt, daß es sich hier um die Folge zweier Generationen handelt. Die Herbstgeneration bilden die unbefruchteten Weibchen. (Vgl. Anmerkung auf Seite 159. Sie kommen im November oder Dezember zur Erscheinung und stechen an milden Tagen im Januar oder Februar die jungen Adventivknospen an den Stämmen aller Eichen an und legen ihre Eier in sie hinein. Aus diesen Gallen entsteht im Mai oder Juni die zweigeschlechtliche Generation ( Spathegaster taschenbergi Schechtd.). Nach der Paarung, die an sonnigen Tagen erfolgt, sticht das befruchtete Weibchen seine Eier in die Mittelrippe oder in die größten Seitenrippen junger Eichenblätter hinein. Aus diesen Gallen geht dann wieder die parthenogenetisch sich fortpflanzende Generation der unbefruchteten Weibchen hervor. Manchmal fällt die getrenntgeschlechtliche Generation auch aus. Hrsgbr. Eingeschrumpfte, noch am Strauche hängende Galläpfel sind von Schmarotzern bewohnt, zu denen unter andern ein goldiggrüner, in sehr vielen Gallen schmarotzender Pteromaline( Torymus regius Ns.) gehört, welcher den schon halbwüchsigen Gallapfel mit seinem langen Bohrer ansticht, wobei sich der Hinterleib in gewaltigem Buckel erhebt und die letzte Bauchschuppe weit klafft. Als Einmieter beherbergt die Art drei: Synergus pallicornis und Tschecki sowie Sapholytus connatus.
Die Galle von Cynips folii findet sich Anfang Juni ausschließlich an der Blattunterseite von Quercus pubescens, ist glatter und, ausgewachsen, nur von Erbsengröße. Cynips longiventris erzeugt die ganz ebenso beschaffenen, aber rot- und gelbgestreiften Gallen an den Blättern der Stieleiche ( Quercus pendunculata). Die oft massenhaft an den Seitenrippen unserer beiden Eichenarten auftretenden kugeligen Gallen von der Größe eines Hanfkorns, deren harte Schale einen Hohlraum einschließt, verdanken der Cynips agama ihren Ursprung.
Innengallen heißen solche Gallen, die sich innerhalb einer eigentümlichen Überwucherung befinden, von der sie sich bei der Reife lösen können. Solche zierliche Zapfen sitzen öfters in größeren Mengen beieinander an den Spitzen oder in den Blattwinkeln junger Triebe der drei bisher genannten Eichenarten und gehören der Eichenzapfen-Gallwespe ( Cynips gemmae) an, die anliegend behaarte, daher seidenglänzende Fühler und Beine hat, schwarz aussieht, an der Wurzel jener und an den Schenkeln dieser braunrot. Sie bedarf sehr langer Zeit zu ihrer Entwicklung. In den Gallen, die ich als abgefallen im Herbst 1865 aufsuchte, fand ich Mitte Oktober 1867 noch lebende Larven, die nie zur Entwicklung gelangt sind. Bei früheren Zuchtversuchen erhielt ich aus den Gallen nur einen schönen Schmarotzer, den durch prächtigen Metallglanz wie durch zierliche Skulptur seiner Oberfläche gleich ausgezeichneten Ormyrus tubulosus.
Die Cynips lignicola, durchaus gelbbraun und am Ende des Hinterleibs anliegend behaart, fertigt gleichfalls Knospengallen von der Größe und Gestalt der gemeinen Galläpfel an den Blättern, die aber vollkommen verholzen. Vor mehreren Jahren waren sie in der Umgegend von Halle sehr häufig, und ich erzog eine Menge Fliegen daraus, seitdem sah ich sie nie wieder. Dieselben stehen der Cynips tinctoria, welche die levantinischen Knoppern erzeugt, ungemein nahe.
Es ist bekannt, daß schon die Alten sich eine Gallwespe, die Cynips Psenes L., zunutze machten, um saftigere und wohlschmeckendere Feigen zu erlangen, und noch heutigestags verwendet man in Griechenland große Sorgfalt darauf, die »Kaprifikation« der Feigen an den veredelten Bäumen durch dieses Tier zu bewirken. Es lebt in den wilden Feigen und ist zu der Zeit, wo diese noch unreif sind, Ende Juni vollkommen entwickelt, würde auch noch darin bleiben, wenn man es nicht störte. So aber pflückt man diese Feigen, verbindet je zwei durch einen langen Binsenhalm miteinander und wirft sie auf die Zweige der edlen Feigenbäume, sie möglichst gleichmäßig zwischen deren Früchten verteilend; das Austrocknen und Zusammenschrumpfen der wilden Feigen veranlaßt die Insekten, aus diesen herauszukommen, eine (abnorme) zweite Brut zu bilden und die veredelten Feigen für diese Wohnung zu wählen. Ehe dieselbe zur Entwicklung gelangt, werden die Feigen geerntet; sie geht daher zugrunde, nachdem sie durch ihre Anwesenheit den Saftreichtum der Frucht vermehrt hat. Neuerdings hat dieser Kerf den Namen Blastophaga psenes und seine Stellung bei den Zehrwespen der Pteromalinensippe erhalten, ein Umstand, der sich mit den von ihm eben mitgeteilten Wirkungen nicht vereinigen läßt.
Die Gattung Andricus kommt in beiden Geschlechtern vor und unterscheidet sich dadurch wie durch den kahlen, lederartig gerunzelten Mittelrücken von den vorigen; das weniger gewölbte Schildchen hat zwei Gruben an seiner Wurzel, und der gedrungene Hinterleib erscheint weniger zusammengedrückt. Beim Männchen ist das dritte Fühlerglied gebogen und ausgerandet. Die Arten erreichen selten die Länge von 2,25 Millimeter und bilden Knospen-, Blatt-, namentlich Staubblütengallen, aber weniger auffällige und weniger regelmäßige als die vorigen.
Die Schwamm-Gallwespe ( Teras terminalis, Biorrhiza pallida) erzeugt nicht immer an den Spitzen, wie der Beiname besagen soll, sondern auch an den Seiten der Eichenzweige die vielkammerigen, unregelmäßigen Schwammgallen, die im ersten Frühjahr weiß und rotbäckig, im Alter aber mißfarbig und durchlöchert erscheinen. Die Wespe hat die besondere Eigentümlichkeit, daß neben geflügelten auch ungeflügelte Weibchen, außerdem geflügelte Männchen vorkommen. In der Regel leben die beiden Geschlechter getrennt in den Gallen. Im Juni pflegen sie auszuschlüpfen. Die Flügel haben den Bau wie bei Cynips, auch die Fühler, aber das Schildchen ist niedergedrückt und Platt; die Kiefertaster bestehen aus vier, die Lippentaster aus zwei Gliedern. Das Tier ist an der vorderen Hälfte braungelb, an der Wurzel des Hinterleibs braunrot und dahinter schwarzbraun gefärbt, die schmale Bauchschuppe des Weibchens trägt einen langen Haarbüschel. Es sind außer mehreren Synergus-Arten schon vierzig Parasiten aus den Gallen erzogen worden, besonders Pteromalinen. Auch ein Rüsselkäfer ( Balaninus villosus) legt seine Eier in die Galle, damit sich die Larve vom Fleische derselben ernähre. Überdies benutzen noch zahlreiche Insekten anderer Ordnung die alten Gallen, um hier in der Jugend ein Obdach zu finden.
Den ungeflügelten Weibchen der vorigen ungemein ähnlich ist die seltene, flügellose Wurzel-Gallwespe ( Biorrhiza aptera), die nur im weiblichen Geschlecht vorkommt und etwa 4,5 Millimeter Länge erreicht. Sie ist rötlichbraungelb, an der Fühlergeißel etwas dunkler, und trägt einen schwärzlichen Gürtel um den stark zusammengedrückten Hinterleib. Das kleine Schildchen tritt kaum hervor und der Mittelleib in der Breite zurück gegen Kopf und Hinterleib. Die Wespe zeigt sich sehr zeitig im Frühjahr, nachdem sie überwintert hat, denn ich habe sie am 22. November 1870 in Mehrzahl von Eichengebüsch geklopft. Sie lebt an den Wurzeln alter Eichen, oft mehrere Fuß unter der Erde, wo die unregelmäßigen, mehrkammerigen Gallen in größeren oder geringeren Mengen gedrängt nebeneinander sitzen als traubige Mißbildung der Rinde, nicht zu verwechseln mit den kartoffelähnlichen, mehrkammerigen Gallen der Cynips radicis.
Die Brombeer-Gallwespe ( Diastrophus rubi) schließt sich bezüglich des Flügelgeäders an Cynips an, auch in der Hinsicht, daß das erste Glied des wenig zusammengedrückten Hinterleibes länger als alle andern ist. Die fadenförmigen Fühler bestehen aus dreizehn bis vierzehn Gliedern, beim Männchen auch aus fünfzehn. Der ganze Körper ist glänzend schwarz, nur das fast halbkugelige, an der Wurzel zweigrubige Schildchen unregelmäßig gerunzelt; die Beine sind braunrot oder Heller. Diese gedrungene Gallwespe erzeugt an den Stengeln der Brombeeren starke, oft wunderlich gekrümmte Anschwellungen, aus denen im April des nächsten Jahres die Wespchen massenhaft hervorkommen, ein jedes aus seinem Flugloche. – Eine andere Art, die Gundermann-Gallwespe ( Diastrophus glechomae), ist am vorderen Brustringe behaart, am Mittelbrustringe fein gerunzelt, am Schildchen längsrunzelig, also entschieden weniger glänzend als die vorige Art, von der sie sich in der Färbung nicht unterscheidet. Sie erzeugt an dem Gundermann ( Glechoma hederacea) schön rot gefärbte kugelige, einkammerige Gallen mehr fleischiger Natur. Diese Gallen werden bis 2 Zentimeter im Durchmesser groß und sollen außerordentlich gut schmecken. Hrsgbr.
Die gemeine Rosen-Gallwespe ( Rhodites rosae) und ihre wenigen Gattungsgenossen verbinden, wenn der Bau der Vorderflügel in Betracht kommt, die beiden obenerwähnten Formen miteinander, insofern eine breite, dreieckige Randzelle und gleichzeitig eine dreieckige, unter ihrer Wurzel stehende, zweite Unterrandzelle vorkommen. Die fadenförmigen Fühler haben sechzehn walzige Glieder, die Kiefertaster vier, die Lippentaster nur zwei. Der Kopf ist breiter als der Mittelleib und nicht so tief herabgerückt an diesem, wie bei Cynips, welcher Gattung diese hinsichtlich der allgemeinen Körperform nahesteht. Der ganze Hinterleib mit Ausnahme seiner Spitze und die Beine sind braunrot, alles übrige schwarz, beim Männchen auch der größte Teil des Hinterleibes. Die letzte Bauchschuppe des Weibchens klafft wie ein langer, spitzer Schnabel. Männchen kommen zwar vor, aber sehr einzeln. Die genannte Art bringt an den wilden Rosen, ausnahmsweise auch an den Zentifolien der Gärten, die zottigen »Rosenkönige, Schlafäpfel, Bedeguar« hervor. Vor Zeiten schrieb man diesen vielkammerigen Gallen heilende Kräfte zu und legte sie z. B. in ihrer natürlichen Gestalt zur Beruhigung schlecht schlafender Kinder unter das Kopfkissen, oder gab sie in Pulverform denselben gegen Würmer, Ruhr usw. ein, weshalb sie eine gewisse Berühmtheit erlangt haben. Im Herbst ist die Galle reif, aber erst im nächsten Frühjahr arbeiten sich nicht nur die Wespen, sondern häufig auch noch andere Bewohner daraus hervor, wie die Einmieter ( Aulax Brandti) und Arten des mehrfach erwähnten Geschlechtes Synergus, besonders aber Schlupfwespen aus den Familien der Pteromalinen und Braconiden; es sind etwa ihrer zwanzig zusammen, von denen die einen vor, andere nach und noch andere gleichzeitig mit dem rechtmäßigen Bewohner erscheinen. – Eine andere Rosen-Gallwespe verursacht an der Unterseite der Blätter, aber auch anderwärts, kugelige, harte Gallen meist von Erbsengröße und darunter und heißt Rhodites Eglantariae. Dieselbe ist der vorigen sehr ähnlich, hat aber hellere Flügel, statt des Dreieckes der zweiten Unterrandzelle nur ein Pünktchen und lichteres Rot am Körper; auch ihr fehlt es nicht an Schmarotzern. Noch ein paar andere Arten leben unter gleichen Verhältnissen an den Rosen, und man muß daher genau prüfen, wenn man sich vor Verwechslungen sichern will. Wir können unmöglich weitere Gallen und ihre Erzeuger vorführen, sondern müssen hinsichtlich der an Eichen vorkommenden auf die bereits erwähnte Arbeit verweisen.
Aus der Sippe der Aftergallwespen oder Einmieter sei nur der Gattungen Synergus von den drei oben bereits genannten und einer zweiten Aulax gedacht, deren beider Flügelgeäder der zweiten Form angehört, wo zwei Unterrandzellen, die erste und dritte, vorhanden, zwischen die sich die dreieckige, breite Randzelle einschiebt. Der schwach zusammengedrückte Hinterleib ist mit dem Brustkasten durch ein kurzes, geschwollenes Stielchen verbunden, das sich bei Synergus durch Längsriefen vor dem glatten der Aulax-Arten auszeichnet; jene Gattung hat zweigliedrige Lippentaster mit einem großen Anhang am Ende, dieser Gattung fehlt derselbe. Bei Aulax unterscheiden sich die Geißelglieder untereinander nicht in der Länge, und die fadenförmigen Fühler bestehen aus dreizehn bis vierzehn Gliedern beim Weibchen, fünfzehn bis sechzehn beim Manne. Die Gallwespe Synergus facialis lebt als Einmieter bei Cynips solitaria glutinosa, albopunctata, Teras terminalis, Spathegaster baccarum, tricolor und andern und erscheint noch in demselben Jahre, in dem sich die Galle gebildet hat. Sie ist glänzend schwarz, an den Fühlern, am Kopfe, mit Ausnahme der Stirn und des Scheitels, und an den Beinen scherbengelb und 1,3 bis 2,6 Millimeter lang.
Nicht alle Aulax-Arten sind übrigens Einmieter, sondern es gibt auch echte Gallwespen unter ihnen, die nie an der Eiche, wohl aber am Habichtskraut ( Aulax Hieracii und Sabaudi), am Fingerkraut ( Aulax Potentillae), wo überall Stengelanschwellungen durch sie entstehen, am Mohn ( Aulax Rhoeadis), und zwar in den Kapseln, leben.
Während die bisher besprochenen Arten und noch viele andere ihnen nahestehende Gallen bewohnen, solche selbst erzeugend, oder als Einmieter sich wenigstens von ihren Wucherungen ernährend, sind die noch übrigen Schmarotzer-Gallwespen, d. h. sie stehen nur in Hinsicht ihres Körperbaues den Gallwespen nahe genug, um mit ihnen verbunden werden zu können, haben aber mit den Gallen nichts gemein und entwickeln sich vollkommen in der Weise, wie die Schlupfwespen in den Körpern anderer Insekten. So beispielsweise die vierzig kleinen Arten der Gattung Allotria in Blattläusen. Hinsichtlich der Gestalt stimmen sie mit voriger Gruppe überein: der kurze, fast runde Körper, der sitzende oder kaum gestielte, im ersten Gliede eigentlich allein vertretene Hinterleib und die zweite Flügelform kommen hier wie dort vor; die polierte Oberfläche des kleinen Körpers aber und die dünnen, meist diesen an Länge übertreffenden Fühlerchen unterscheiden sie leicht. Bei vielen von ihnen schließt sich die Randzelle nicht vollkommen nach hinten, und bei ein paar Arten erscheinen die Flügel sogar nur stummelhaft, so daß man die Gattung gewiß schon längst in mehrere aufgelöst haben würde, wenn nicht die Entwicklungsgeschichte bei allen so übereinstimmte.
Die Figitiden bilden einen andern Formkreis, ausgezeichnet durch den gestreckteren Körper, der beim Weibchen durch die kurz vorstehende Legröhre spitz ausläuft, niemals durch eine abstehende Bauchschuppe klafft. Die Randzelle der Vorderflügel ist kurz, dreieckig, höchstens noch einmal so lang wie breit. Die Rückenschuppe des zweiten Hinterleibsgliedes erreicht nicht die halbe Länge des ganzen Hinterleibes, endlich trägt das Männchen vierzehngliedrige, das Weibchen dreizehngliedrige Fühler. Die artenreichste Gattung Figites ( Psilogaster Hartigs) charakterisiert der kurze, ringartige Hinterleibsstiel, den an der Unterseite ein von vorn nach hinten wagerecht eindringender Ausschnitt in einen oberen Hauptkörper und in einen untern, stumpf zahnartigen Ansatz teilt; die Oberfläche jenes führt Längsriefen. Die beiden ersten Glieder des eiförmigen, nur schwach zusammengedrückten Hinterleibes gleichen einander so ziemlich auf dem Rücken an Länge, das erste verschmälert sich aber allmählich an der Körperseite nach vorn, ohne an seiner Wurzel behaart zu sein, wie bei andern Gattungen. Die Fühler sind fadenförmig beim Männchen, vorn schwach geschwollen und schnurförmig beim Weibchen. Außerdem deckt ein sehr sparsames Haarkleid die Augen. Der glänzend schwarze, nur an den Vorderbeinen von den Knien abwärts rote Figites scutellaris ist am Kopfe, den Brustseiten und am Schildchen runzelig, am Vorderrande des zweiten Hinterleibsringes gerieft, das hinten gestutzte, gerandete Schildchen ist an seiner Wurzel durch zwei tiefe, fast quadratische Grübchen ausgezeichnet. Diese Art scheint über ganz Europa verbreitet zu sein und schmarotzt bei der Fliegengattung Sarcophaga, wie überhaupt alle Sippengenossen, soweit man dieselben bisher erzogen hat, von Fliegenlarven leben.
Die messerförmige Schmarotzer – Gallwespe ( Ibalia cultellator) weicht zu sehr von der vorigen Sippe ab, um ihr zugezählt werden zu können, bildet vielmehr durch den höchst eigentümlichen Bau eine wenig zu der ganzen Familie passende Form. Der sitzende Hinterleib ist von den Seiten so stark zusammengedrückt, daß er sich beinahe wie eine Messerklinge an dem walzigen, langgestreckten Mittelleibe, dem Stiele dazu, ausnimmt; seine Glieder haben unter sich gleiche oder beim Weibchen das fünfte geringere Länge. Der oben stark gerunzelte Brustkasten trägt ein fast quadratisches, vor den Hinterecken und in der Mitte des aufgebogenen Hinterrandes sanft ausgerandetes Schildchen und zwei durchgehende und beiderseits eine nach vorn abgekürzte Längsfurche auf dem Mittelrücken. Der nach hinten bogig endende Vorderbrustring verlängert sich nach vorn in einen kurzen Hals, auf dem der ebenfalls stark gerunzelte Kopf aufsitzt. Dreizehn Glieder bilden die weiblichen, fünfzehn die männlichen Fühler, deren drittes hier an der Außenseite wie angefressen erscheint. Die getrübten Flügel haben kräftige schwarze Adern, gehören der ersten Form an, wegen der Dicke des Geäders verschwindet aber die mittlere Unterrandzelle fast ganz. Die Beine sind sehr kräftig, besonders die hintersten, deren erstes Fußglied mehr als zwei Drittel der Schiene an Länge erreicht. Die reichlich elf Millimeter lange Wespe kleidet sich schwarz, an den vorderen Beinen von den Schienen an und am polierten Hinterleibe braunrot. Sie schmarotzt in den Larven der gemeinen Holzwespe, die wir später noch kennenlernen werden. In einem Jahre, das in unserer benachbarten Heide die genannte Holzwespe in ungewöhnlichen Mengen erzeugt hatte, wimmelte es im Herbst am Stamm der Kiefer förmlich von diesen mir damals noch unbekannten Schmarotzergallwespen, namentlich deren Männchen. Seitdem ist sie mir in jenem Walde nie wieder zu Gesicht gekommen, sondern nur vereinzelt auf Waldblumen während des Sommers in der Schweiz und in jüngster Zeit einmal an der Außenwand, ein zweites Mal im Stubenfenster eines neu erbauten Hauses, so daß also der Schmarotzer gleich dem Wirte mit den Bauhölzern in die Gebäude verschleppt wird.
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Unter dem Namen der Proctotrupiden ( Serphidae; Codrinen, Oxyuren älterer Schriftsteller und anderer Fassung) vereinigen die neuern Forscher eine nicht unbeträchtliche Anzahl kleiner Schmarotzer, die als Übergangsgruppe in ihrer Gesamtheit sich kaum charakterisieren lassen zu einer (unserer neunten) Familie. Die Bildung ihres Flügelgeäders, manchmal den Gallwespen nahestehend, erlaubt darum keine Verbindung mit ihnen, weil das Randmal hier nicht fehlt wie dort; auch die allgemeine Körpertracht verbietet den Anschluß. Auf der andern Seite kommen Formen vor, die sich der folgenden Familie zueignen, wie die gebrochenen Fühler, der Mangel jeder Zelle und jeder Ader in den Flügeln bis auf die des Unterrandes im Vorderflügel dartun; einer Verbindung mit dieser widerspricht aber neben einigen Abweichungen auch der Umstand, daß bei den Weibchen der Legbohrer aus der Spitze des Hinterleibes hervorragt. Die Proctotrupier sind im allgemeinen kleine, schwarze Wespen, die, ohne schlank und zierlich zu sein, einen gestreckten Körperbau haben und, ohne träge genannt werden zu können, doch eine gewisse Langsamkeit und Plumpheit an den Tag legen. Wie sich die schwerfällige, unverdrossen tätige Hummel zur wilderen, fahrigen, in allen ihren Bewegungen rascheren Sandbiene oder zu andern Bienenarten verhält, so die Proctotrupier zu den Chalcidiern. Sie bemerken einen herannahenden Feind nicht schon aus weiterer Ferne, suchen sich ihm auch nicht durch schleunige Flucht zu entziehen; sie halten sich am liebsten an feuchten Stellen, unter abgefallenem Laube, in den unteren Schichten dichter Zäune auf, während die ewig beweglichen, nimmer mit den Fühlern ruhenden Chalcidier, deren Weibchen stets ausspähen nach dem Gegenstände, dem sie ihre Eier anvertrauen wollen, die Sonne lieben, den Schatten wählen zwischen der Fülle grünen Laubwerks und nur dann jene Orte der Verwesung aufsuchen, wenn sie genötigt sind, bei herannahendem Winter ein sicheres Lager zu beziehen gegen dessen verderbliche Einflüsse auf ihren zarten Körperbau. Es ließe sich eine Reihe der zierlichsten Zu dieser Familie gehören die kleinsten bekannten Insekten. Hrsgbr. Formen vorführen; doch wo wäre da ein Ende zu finden! Ich ziehe es darum vor, Nachrichten über das Betragen eines dieser Tierchen zu geben und gleichzeitig eine Form vorzuführen, die lebhaft an die folgende Familie erinnert und zu ihr überleitet.
Wir betrachten hier die weibliche Eierwespe ( Telesas laeviusculus Ratzeburgs oder phalaenarum Hartigs) und den ihr ungemein ähnlichen, in der Hinterleibsspitze aber von ihr verschiedenen Teleas terebrans. Beide Arten und noch zwei andere, die Ratzeburg davon getrennt wissen will, haben eine glänzend schwarze, an den Hüften und Schenkeln braunschwarze Färbung. Die feineren Unterschiede, kaum dem Auge des Forschers klar, mögen unberücksichtigt bleiben, statt derselben einige Bemerkungen über die Lebensweise dieser Eierwespchen hier ihren Platz finden. Die Weibchen legen ihre Eier in die von Spinnern, und zwar das erstere in die des Kiefernspinners, der Teleas terebrans in die sehr harten Eier des Ringelspinners, deren nähere Bekanntschaft wir später noch machen werden. In diesen kleinen Eiern entwickelt sich nicht immer bloß eine Eierwespe, sondern es kommen zwei und drei, ja bis dreizehn darin vor. Die Ausbildung erfolgt in vier bis sechs Wochen; Bouché erzog im August nach schon vierzehn Tagen die Wespchen, so daß sich wohl mehrere Bruten im Jahre annehmen lassen, wenn nur Spinnereier genug als Nahrung vorhanden sind. Ratzeburg beobachtete den Teleas terebrans beim Ablegen der Eier. Gestützt auf die Hinterbeine, die vorderen Beine und die Fühler langsam bewegend, schiebt er taktmäßig den Bohrer in dem Tempo eines langsamen Pulsschlages auf und nieder, ohne daß dabei der Hinterleib klafft, wohl aber der Vorderkörper durch Vor- und Rückwärtsgehen den Takt ausführen hilft. Die Flügel entfalten sich bisweilen, werden aber gleich wieder platt auf den Körper aufgelegt. Dies dauert etwa eine Viertelstunde, und währenddem spazieren andere seiner Genossen träge auf dem Eierringe umher, in der gewohnten Weise mit den zierlichen Fühlern unaufhörlich tastend.
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Die überaus reichhaltige Familie der Zehrwespen, Chalcidier oder Pteromalinen, wie sie früher hieß, mit ihren meist winzigen Gliedern, trennt sich als geschlossenes Ganze weit schärfer von den übrigen Immen ab als die Proctotrupier. Die stets gebrochenen Fühler, die breiten, aderlosen Vorderflügel, der metallische Glanz des gedrungenen, untersetzten, oder des schmächtigen und zierlich gebauten Körpers, wenn einmal die gestreckte Form austritt, und die beim Weibchen vor der Leibesspitze, am Bauche hervortretende Legröhre: die Vereinigung all dieser Merkmale kommt eben nur hier vor und unterscheidet die Chalcidier von ihren nächsten Verwandten.
Die verhältnismäßig großen, länglich ovalen Netzaugen sind niemals ausgeschnitten, die Punktaugen auf dem Scheitel vorhanden. Die Flügel erheben sich nicht zur Zellenbildung, den vorderen fehlt das Mal, und vom Geäder ist nur die Unterrandader deutlich entwickelt und gibt gute Unterscheidungsmerkmale ab. Sie entspringt aus der Flügelwurzel, läuft in der Nähe des Vorderrandes ein Stück hin und vereinigt sich dann mit ihm selbst. Nachdem sie eine kleine Strecke damit vereinigt blieb, springt sie entweder astartig nach der Flügelfläche ab und endigt in einem mehr oder weniger entwickelten Knopfe, oder sie sendet wirklich einen Ast aus, gleichzeitig am Flügelrande nach der Spitze hin fortlaufend. Die deutlich gebrochenen Fühler zeigen in der Bildung der Geißel einen Reichtum an Formen und manchmal sogar bei beiden Geschlechtern einer Art Verschiedenheiten; häufig schieben sich zwischen Schaft und Geißel einige, von den übrigen abweichende, sehr kurze Glieder, die sogenannten Ringel, ein. Die Füße, vorherrschend fünfgliedrig, können auch vier- und dreizehig sein. Alle diese Verhältnisse werden zur Unterscheidung der Gattungen und Arten zu Rate gezogen, und außerdem noch die Bildung des Brustkastens, besonders des Mittelrückens, der entweder eine Fläche darstellt, oder durch zwei Längsfurchen in drei Lappen geteilt ist. Dies wäre in allgemeinen Umrissen die Uniform, in die das große Heer der kleinen Tierchen von Mutter Natur gesteckt worden ist, von denen wir durch Vorführung nur einiger Formen in ihren Umrissen ein Bild zu geben versucht haben, da ermüdende Beschreibungen sonst nicht hätten vermieden werden können.
Das Weibchen des Torymus regius war, wie wir oben erfahren haben, auf einem Gallapfel damit beschäftigt, ein Ei in die dort lebende Larve zu versenken, damit die aus ihm entschlüpfende Made von den Säften des Gallinsektes seine Nahrung beziehe und dieses dann zur Auflösung bringe, wenn sie seiner nicht mehr bedarf. Aus einem kleineren Flugloche, als die rechtmäßige Einwohnerin bohren müßte, kommt schließlich unser goldiges, auf dem Rücken blauschillerndes, mit rotgelben Beinchen ausgestattetes Wespchen zum Vorschein.
Hinsichtlich der allgemeinen Körpertracht den vorher erwähnten Eierwespen sehr nahestehend, unterscheidet sich die artenreiche Gattung Pteromalus doch wesentlich und vor allem durch den grubig eingedrückten Rücken des Hinterleibes von jenen. Die dreizehngliedrigen Fühler sitzen mitten in dem kaum punktierten Gesicht und haben am Grunde der schwach keulenförmigen Geißel zwei sehr kleine Ringel. Den Hinterleib kann man höchstens als anhangend bezeichnen, denn ein deutlicher Stiel läßt sich nicht wahrnehmen, und beim Weibchen ragt der Bohrer nicht hervor. Sonst weisen weder Beine noch Flügel ein besonderes Merkmal auf, es sei denn der ziemlich lange Ast der Unterrandader, an dessen Knopf man mindestens ein Zähnchen erkennen kann. Der Hinterleib aller Arten glänzt metallisch grün, bisweilen mit blauem Schiller, von den fünf meist lichten Fußgliedern ist nur das Klauenglied schwarz; dunkle Flecke der Flügel, stärkere oder schwächere Punktierung des Mittelrückens, Farbe der Fühler und Beine müssen an letzter Stelle bei Unterscheidung der Arten zu Hilfe kommen. Die Pteromalen leben in Rinden- und Holzkäfern, in Gallwespen, einige in Schild- und Blattläusen, Fliegenmaden, und der sehr verbreitete Pteromalus (Diplolepis) puparum in den Puppen mehrerer Tagschmetterlinge, wie in denen der Eckfalter und Kohlweißlinge. An Stellen, wo deren Puppen sich aufhalten, treiben sich die Zehrwespchen unbemerkt umher, sobald aber die Raupe zum letztenmal ihre Haut abgestreift hat und nun als noch sehr weichhäutige Puppe dahängt, spaziert auch dies und jenes Weibchen der Rauhflügelwespe auf ihrer Oberfläche umher und beschenkt ihr Inneres mit einer Menge von Eierchen, mag dies Opfer auch noch so sehr mit den Hinterleibsgliedern wirbeln und sich bewegen, das einzige Verteidigungsmittel, das den Hilflosen zu Gebote steht, es fand keine Berücksichtigung. Mit der Zeit verliert die Puppe ihre Beweglichkeit vollständig, wird mißfarbig, zuletzt siebförmig durchlöchert, weil sich ein Wespchen nach dem andern aus der allein noch übriggebliebenen Puppenhaut herausbohrt, sobald seine Zeit gekommen ist, d. h. sobald neue Schlachtopfer für die legenden Weibchen vorhanden sind. Im Sommer erfolgt die Entwicklung unserer Art innerhalb vier Wochen, in den überwinternden Puppen bleiben auch die Wespchen, die sie bis zu fünfzig Stück anfüllen. Die gedrungenen Formen, die wir auf dem Eichenlaube erblicken, vom herrlichsten Stahlblau und Metallgrün erglänzend, leben in verschiedenen Gallen. Die gelbfleckige Schenkelwespe ( Chalcis clavipes) findet sich oft sehr zahlreich auf Eichenblättern und bewegt sich mehr hüpfend als fliegend; sie geht entschieden hier mehr den Süßigkeiten der Blattlausauswürfe als dem Brutgeschäft nach. Die größte heimische Form bildet die gestielte Schenkelwespe ( Smicra clavipes), welche die Länge von sechs Millimeter und darüber erreicht. Sie läßt sich so leicht nicht zwischen den übrigen sehen, denn vom Mai bis in den August hält sie sich am Schilfe auf, weil sie entschieden nur hier ihre Rechnung findet. Im Wasser, das von jenem umsäumt wird, lebt nämlich die lange, blutegelähnliche Larve der Waffenfliege, arbeitet sich zur Verpuppung aus dem Wasser heraus und sucht feuchte Erde auf. Bei dieser Wanderung, die ziemlich langsam vonstatten geht, weil die Bewegungswerkzeuge fehlen, dürfte das Schenkelwespenweibchen Gelegenheit finden, seine Mutterpflichten zu erfüllen. Beobachtet habe ich es nicht, habe aber die Wespe aus einer der bezeichneten Puppen erzogen. Der Bau der schwarzglänzenden, an den Beinen mehr oder weniger roten Schenkelwespe ist zierlich, ferner sei noch darauf hingewiesen, daß die Flügel durch reichlicheres Geäder von der Einfachheit der übrigen Familiengenossen abweichen.
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Nichts weniger als natürlich schließt sich die Familie der Hungerwespen ( Evaniadae) ab. Man hat in ihr nämlich, ohne Rücksicht auf die sonstige Körperbildung und auf den allerdings einfachen Bau der Flügel, alle diejenigen Schlupfwespen vereinigt, bei denen sich der Hinterleib nicht in der gewöhnlichen Weise am Unterrande des Hinterrückens anheftet, sondern in der Mitte oder über demselben, und noch einige andere Arten hinzugefügt, die sonst kein Unterkommen finden konnten.
Die Hungerwespen ( Evania), die als die artenreichsten der ganzen Familie den Namen gaben, finden sich in allen Erdteilen und schmarotzen bei den Schaben ( BIatta), was wenigstens von einigen Arten erwiesen ist. Die zu den kleineren Wespen zählenden Tiere haben ein eigentümlich verkommenes Ansehen, indem der sichelförmige, stark zusammengedrückte Hinterleib, der an dem beinahe rechteckigen, kräftigen Mittelleib sich hoch oben ansetzt, gegen diesen durch seine Kleinheit fast verschwindet, zumal wenn die langen, dünnen Hinterschenkel ihn seitlich decken. Der breite Kopf trägt in der Mitte zwischen den Augen die dicken, geraden Fühler von Körperlänge. Die Vorderflügel haben eine große Rand- und Unterrand- und eine Mittelzelle, es gibt aber auch Arten, bei denen sie fast aderlos sind und nur zwei Rippen von der Wurzel bis zum kleinen Flügelmale aufzuweisen haben. Diese trennte man unter dem besonderen Namen Brachygastor von Evania, und mußte unter andern die kleine Hungerwespe ( Br. minuta oder Hyptia minuta) daselbst unterbringen. Sie ist 3,37 bis 4,2 Millimeter lang, schwarz, an Kopf und Brustkasten dicht punktiert und scheint von allen diejenige Art zu sein, die am weitesten nach Norden vorkommt; ich habe sie auf den beinahe zwanzig Jahre lang unternommenen Sammelausflügen in der Umgegend von Halle erst ein einziges Mal (16. August) an einem sandigen Grabenrande gefangen.
An alten Lehmwänden, für den Immensammler beutereiche Orte, fliegt in der Sommerzeit zwischen einer Menge anderer Bewohner jener Stätten ein schlankes Tierchen in so auffälliger Weise, daß es dem einigermaßen aufmerksamen Beobachter unmöglich entgehen kann. Wie eine drohend geschwungene Keule den Hinterleib emporhaltend, die gleichfalls keulenförmigen Hinterschienen weit spreizend, wiegt es sich in sanften Bogenschwingungen hart an der Mauer und wird kaum müde; denn nur selten sieht man es storchbeinig mit aufrechten Flügeln einige Schritte hinwandeln. Es ist die bei mauerbewohnenden Hautflüglern schmarotzende Gichtwespe ( Foenus assectator)), ein durchaus von der Seite breitgedrücktes, schwarzes, am Hinterleib rot geflecktes und auch an den Kniekehlen der Hinterschienen rotes Wesen, dessen Bohrer etwa den vierten Teil der Hinterleibslänge erreicht. Ich habe das Wespchen sehr häufig gefangen, und zwar mit Hilfe eines Schröpfkopfes, mich aber stets über den höchst leichten und zierlichen Flug verwundert, der noch lange Zeit in dem engeren Raum fortgesetzt wurde, ohne daß irgendein Körperteil an der Umgebung anstieß. Eine zweite, seltenere, aber auch etwas stattlichere Art ist der Pfeilträger ( Foenusjaculator). Vom vorigen unterscheiden ihn die an der Wurzel weißen Schienen und Füße, was wenigstens von den hintersten gilt, der in der Mitte rote Hinterleib und der bei weitem längere Bohrer. Einige wunderliche Formen von ganz außerordentlich in die Länge gezogenen Körperteilen haben ihre Heimat in heißen Ländern.
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Die Schlupfwespenverwandten, Braconiden ( Braconidae), unsere zwölfte Familie, stehen zwischen den Chalcidiern und den echten Schlupfwespen in der Mitte, was den Körperbau anlangt, in der Lebensweise dagegen auf gleicher Stufe. Es sind durchschnittlich kleinere Wespen von 2,25 bis 6,5 Millimeter Länge, und nur wenige dehnen diese bis auf 13 Millimeter aus. Sie lassen sich am leichtesten am Flügelgeäder erkennen, insofern nämlich der Vorderflügel nur eine rücklaufende Ader hat. Außerdem verwächst der zweite Hinterleibsring mit dem dritten auf dem Rücken und läßt entweder keine Naht zurück, oder in dem ihr entsprechenden Quereindruck keine Bewegung zu. Dieser Umstand erleichtert die Erkennung der wenigen ungeflügelten Arten, die auch hier vorkommen, bei den Pteromalinen jedoch weit häufiger sind. Nur die Aphidier machen von dem eben angeführten Merkmale und durch die einfachere Flügelbildung usw. eine Ausnahme. Einzelne seltenere Fälle abgerechnet, sind die geraden Fühler der Braconiden faden- oder borstenförmig und bestehen aus einer Menge von Gliedern, die man nicht mehr zu zählen pflegt. Den Beinen kommen die zwei Schenkelringe aller Immen mit Legröhre und den Füßen durchweg fünf Glieder zu.
Um die Gattungen und Arten zu erkennen, hat man den Mittelrücken zu beachten, ob er mit oder ohne die bereits bei den Chalcidiern erwähnten Längsfurchen ist, sowie die Skulptur des Hinterrückens, der manchmal durch Leisten in Felder geteilt wird, aber von anderer Anordnung als bei den echten Schlupfwespen. Für den Hinterleib wird besonders der erste Ring von Bedeutung, je nachdem er seiner ganzen Länge nach oder nur an der Wurzelhälfte zu einem Stiel verschmälert ist, oder gar keinen solchen bildet, und die Bezeichnung des gestielten, fast gestielten, sitzenden usw. Hinterleibs spielen hier eine ebenso wichtige Rolle wie in der folgenden Familie. Dagegen ist hier wegen seiner Mannigfaltigkeit das Geäder des Vorderflügels zur Unterscheidung von größerer Wichtigkeit als dort. Das größte Gewicht hat man indes auf die Mundteile gelegt und nach ihren Verschiedenheiten die Familie in drei Sippen geteilt. Bei den einen ist das Kopfschild wie gewöhnlich am vorderen Rand gerundet, zugespitzt oder nur sehr seicht ausgebuchtet, und die Kinnbacken greifen weit übereinander, so daß die Mundöffnung gänzlich bedeckt wird oder höchstens als schmale Spalte erscheint: Geschlossenmäuler (Clidostomen). Bei der zweiten Sippe, den Rundmäulern (Cyclostomen) buchtet sich das Kopfschild am Vorderrand tief aus, und die Oberlippe klappt sich so weit zurück, daß sie gewissermaßen den Gaumen der Mundhöhle bildet, gleichzeitig bleiben die Kinnbacken kurz genug, um sich beim Schluß eben nur mit ihren Spitzen zu berühren. Infolge dieser eigentümlichen Bildung erscheint der geschlossene Mund als eine kreisförmige Öffnung. Im dritten Fall endlich, dem abweichendsten, sind die Kinnbacken nicht nur sehr kurz, so daß sie sich gegenseitig gar nicht berühren können, sondern sie stehen auch wie vertauscht: mit der gewölbten Seite einander zugekehrt, mit der ausgehöhlten nach außen. Die mit ihren Zangen so übel beratenen Braconiden heißen Außenzähnler (Exodonten).
Bogenförmig nach unten gerichtete Fühler, ein deutlich gestielter, lanzettförmiger Hinterleib ohne sonstiges Anhängsel, dessen zweites und drittes Glied nicht miteinander verwachsen, die mit der oberen Mittelzelle verschmolzene erste Unterrandzelle und die mit dem Mal aufhörende Randader im Vorderflügel kennzeichnen die kleinen, höchstens 2,37 Millimeter langen Aphidier, die, gleich den früher erwähnten Schmarotzergallwespen aus der Gattung alle in Blattläusen leben und daher am besten durch Zucht zu erlangen sind. Die angestochene Blattlaus sitzt mit gespreizten Beinen, metallisch glänzend und, wie wassersüchtig, mit kugelig angeschwollenem Hinterleib tot zwischen den gesunden flügellosen Schwestern, wenn der sie bewohnende Schmarotzer seine Larvenreife erlangt hat. Bemerkt man ein Loch im Körper, nicht größer als einen Nadelstich, so weiß man, daß der Aphidier bereits das Weite gesucht hat. Einen wahrhaft panischen Schrecken Nach andern Angaben ist davon nicht die Rede. Die Blattläuse verhalten sich diesen Feinden gegenüber genau so phlegmatisch, wie bei andern äußeren Beeinflussungen. Hrsgbr verursacht das Erscheinen eines solchen Wespchens unter den so ruhigen, harmlos weidenden Blattläusen. Sie kennen ihren Feind, ihre Hilflosigkeit, und wissen auch, daß sie sich durch den eingestochenen Schnabel und die Krallen der beiden Vorderbeine an ihrem Platze fest behaupten können, darum lassen sie mit den vier übrigen Beinen los, richten den Hinterleib empor oder lassen ihn herab, sofern sie auf der Rückseite eines Blattes sitzen, strampeln gewaltig mit jenen und wackeln mit diesem, um den Feind abzuwehren oder wenigstens seinem Stoß auszuweichen. Dieser läßt sich nicht beirren, nimmt Stellung, spreizt die Beine, und im Nu fährt er mit seinem beweglichen Hinterleib dazwischen durch nach vorn und – der Stich sitzt im Leib des Schlachtopfers. In gleicher oder ähnlicher Weise kommt ein zweites, drittes an die Reihe.
Entschieden die gemeinste Gattung in der ganzen Familie und die reichste an Arten, die sich mit großer Mühe unterscheiden lassen, auch nichts Anziehendes in ihrer Körperform aufzuweisen haben, heißt Microgaster, auf deutsch »Kleinbauch«. Erkennen läßt sie sich an dem unansehnlichen, sitzenden oder kaum gestielten Hinterleib, den plumpen, nur aus achtzehn Gliedern zusammengesetzten Fühlern und der vom Flügelmale an verwischten, undeutlichen Randader, auch hat der Mittelrücken keine scharfen Seitenfurchen. Höchst charakteristisch für die Gattung wird die Bildung der Unterrandzellen, deren meist zwei, aber auch drei vorhanden sind. Die erste, unregelmäßig sechs- oder siebeneckige, liegt am ziemlich großen Flügelmal, die zweite ist geschlossen, dreieckig oder bildet, wie in den meisten Fällen, bloß einen spitzen Winkel, indem der nach außen hin schließende Nerv fehlt. Diese Zelle, geschlossen oder nicht, hängt immer wie ein Steigbügel an einem Stielchen, das, fast einen rechten Winkel mit der Randader bildend, vom Male länger oder kürzer hinabsteigt. Zu Ende dieses Stielchens bemerkt man entweder eine scharfe Ecke oder den Anfang der Randader. Der Hinterleib ist stets kürzer als der vordere Körperteil, am Bauch meist nach der Spitze hin zusammengedrückt, und beim Weibchen klafft diese oft stark, wenn es den kurz vortretenden Bohrer gebraucht. Die ziemlich großen Netzaugen sind meist deutlich behaart und die Punktaugen auf dem Scheitel sichtbar. Die Männchen haben einen kleineren, weniger zusammengedrückten Hinterleib, etwas längere Fühler und bei manchen Arten dunklere Flecke oder Streifen an den Beinen, durch die sie sich von den Weibchen unterscheiden.
Die Arten leben, mit Ausnahme zweier, die aus Spinneneiern und Blattläusen erzogen worden sind, in Schmetterlingsraupen, den haarigen mehr als den nackten. Sie selbst werden aber im Larvenstande wieder von den kleinen Pteromalinen bewohnt. Zur Zeit ihrer Reife bohren sich die Microgaster-Larven aus der Raupe heraus, spinnen aber sofort ein geschlossenes Häuschen um sich. So bei M. glomeratus und M. nemorum, einem der zahlreichen Schmarotzer in der Raupe des Kiefernspinners. Beim Herausfressen aus der Raupenhaut fangen die Larven an zu spinnen, sobald sie zur Hälfte mit dem Körper frei sind, und brauchen keine vierundzwanzig Stunden, um ihre weißen Gehäuse zu vollenden. In zehn bis zwölf Tagen bricht das Wespchen daraus hervor, natürlich zu einer Zeit, in der es Raupen gibt, die bekanntlich im halb erwachsenen Zustand überwintern und von Anfang Juni bis Mitte August fehlen oder wenigstens noch nicht groß genug sind, um von den Microgaster-Weibchen angestochen zu werden. Das Wespchen ist glänzend schwarz, die Hinterränder der beiden ersten Hinterleibsglieder sind licht, die Flügelschüppchen gelb und die Beine, mit Ausschluß der schwarzen Hinterfüße und der etwas angeräucherten äußersten Spitzen der Schenkel und Schienen und der ganzen Füße, rötlichgelb.
Microcentrus marginator, einer von etwa zwölf andern Gattungsgenossen, hat der Körpertracht nach viel übereinstimmendes mit gewissen echten Ichneumoniden, wird jedoch durch die Bildung des Flügelgeäders hierher verwiesen.
Die Randzelle ist nicht nur vollständig entwickelt, sondern auch verhältnismäßig groß nach Längen- und Breitenerstreckung; weiter sind drei geschlossene Unterrandzellen vorhanden, und von der hinteren Schulterzelle im Hinterflügel entspringt nur eine Längsader, nicht zwei, wie bei Earinus. Der Scheitel ist schmal und nicht scharfrandig, der Rücken dreibucklig, der Hinterleib sitzend, in seinen vorderen längsriefigen Gliedern sehr gestreckt, am Ende etwas zusammengedrückt und beim Weibchen mit einem aus der Spitze kommenden Bohrer versehen, der mindestens die Länge des ganzen Körpers erreicht. So weit die Gattungsmerkmale. Die genannte Art ist glänzend schwarz, an den langen Tastern und den schlanken Beinen rötlichgelb, nur die Hinterschienen sind von den Knien ab schwärzlich und ihre Füße weißlich; auch das Flügelgeäder und die Schüppchen sind rotgelb. Das ohne Bohrer mindestens 8 Millimeter messende Weibchen deutet durch die Länge jenes an, daß die Eier nicht oberflächlich abgesetzt werden, das Wespchen schmarotzt nämlich in den Raupen eines Glasflüglers, die in Birken bohren. Wenn diese Schmarotzerlarve die Raupe ausgezehrt hat, spinnt sie ein langes, walziges Gehäuse um sich, und statt des zierlichen Schmetterlings, dem die Raupe das Flugloch bereitet hatte, erscheint seinerzeit die schmächtige Wespe.
Bracon, die erste Gattung der Rundmäuler, die wir zur Sprache bringen, besteht aus sehr vielen Arten, und sie sind es, die von diesen kleineren Schlupfwespen am zahlreichsten aus den Gleicherländern für unsere Sammlungen eingehen, weil sie durch ihre gefällige Form und die häufig bunt gefärbten Flügel mehr als andere unscheinbare Tierchen in die Augen fallen und von den unkundigen Sammlern für etwas Geschätzteres gehalten werden. Der fast kugelige, am hinteren Teil gerundete und nicht scharf gerandete Kopf, die gleiche Länge beider Schulterzellen im Vorderflügel, der sitzende oder kaum gestielte elliptische oder lanzettförmige Hinterleib, dessen erster Ring kürzer als die vier folgenden zusammengenommen ist, das im Vergleich zum zweiten längere dritte Fühlerglied und die oben beschriebene Mundbildung charakterisieren die Gattung, die bis dreizehn Millimeter lange heimische und merklich größere ausländische Arten aufzuweisen hat. Der mehr schlanke, nach vorn und hinten etwas verengte Brustkasten ist mit Ausnahme des Hinterrückens immer glatt und blank, die Fühler sind stets lang, der Bohrer des Weibchens ragt mehr oder weniger weit vor. Im Norden Kameruns existiert eine Form, Rhammura filicauda Enderl., dessen Weibchen einen 12Zentimeter langen – viermal so lang wie das ganze Tier! – Legebohrer besitzt. Hrsgbr. Die rötlichen oder gelben Farben herrschen meist an den Beinen, am Hinterleibe und weniger am Kopf vor, zu den Seltenheiten gehören die ganz hellen oder ganz schwarzen Arten. Sehr häufig sind die Flügel, deren vordere übrigens zwei oder drei Unterrandzellen haben können, stark getrübt, bis fast schwarz, und bei ausländischen Arten mit lebhaft gelben Flecken oder Binden gezeichnet. Die Braconen scheinen vorzugsweise in denjenigen Käferlarven zu schmarotzen, die absterbendes Holz bewohnen, wie Bock-, Rüssel-, Bohrkäfer, deshalb trifft man sie auch am meisten auf altem Holz an, wenn sie nicht auf Blumen dem Honigsaft nachgehen.
Wir geben hier in dem Bracon palpebrator eine Art, die von Ratzeburg in beiden Geschlechtern zahlreich aus Kiefernknüppeln erzogen ward, die mit Pissodes notatus, einem hier lebenden und Schaden anrichtenden Rüsselkäfer, erfüllt waren. Der Rücken des Mittelleibes ist durchaus glatt und glänzend, das ganze Tier schwarz; rot sind die Beine mit Ausnahme der hintersten, allenfalls noch der mittleren Hüften, der Unterhals, Gesicht und Stirn bis zu den Fühlern, beim Mann auch meist die Wurzel und endlich der Hinterleib mit Ausnahme eines schwarzen Flecks aus dem ersten Ring, beim Weibchen öfters auch auf den folgenden Gliedern.
Eine ganz ähnliche Körperform wie Bracon bildet die gleichfalls artenreiche Gattung Rogas, indes unterscheidet sie sich bei näherer Betrachtung leicht von jener. Der breite, quere Kopf ist am Hinterhaupte scharf gerandet, das zweite Hinterleibsglied vom dritten durch eine tiefe Querfurche geschieden, der Bohrer verborgen oder nur sehr wenig sichtbar. Die Vorderflügel haben immer drei Unterrandzellen. Alle bisher erzogenen Arten stammen aus Schmetterlingsraupen, und zwar höchst eigentümlich zugerichteten. Die Schlupfwespe spinnt sich im Innern derselben ein und versteinert sie gewissermaßen in gekürzter und verkrüppelter Form. Man findet dergleichen Mumien, die man noch als Raupen erkennt, wenn man auch nicht die Art nennen kann, an Zweigen und Pflanzenstengeln nicht selten. Wer eine sieht, der denke nur daran, daß es ein Rogas war, der ihr dieses antat.
Der Spathius clavatus, der als Vertreter seiner Sippe die Rundmäuligkeit zur Anschauung bringen soll, ist ein treuer Hausgenosse und Mitbewohner unserer Zimmer, sofern es denselben an gewissen Käfern nicht fehlt. Seine Larve schmarotzt nämlich bei den in altem Holzwerk, also im Stubengerät bohrenden Klopfkäfern, besonders bei dem Anobium striatum, und ich möchte vermuten, auch bei dem Pelzkäfer. Jedenfalls darf man ihm nichts zuleide tun, wenn er sich zwischen Juni und August an den Fensterscheiben zeigt. Von Bracon unterscheidet ihn der lange Hinterleibsstiel und der scharfe Rand an den Seiten des Hinterkopfes. Die Vorderflügel haben drei Unterrandzellen, alle von fast gleicher Größe, eine bis zur Spitze fortgesetzte Randader und vom großen Mal an einen getrübten Schein durch die sonst glashelle Fläche. Das erste Glied des Hinterleibs bildet in voller Erstreckung den Stiel, ist durch seine Längsrisse, wie das zweite durch sehr dichte Punktierung matt, die folgenden glänzen, und alle einigen sich zur Keulenform. Unter der Hinterleibsspitze ragt ein Bohrer von der Länge der Fühler hervor. Das blonde Tier kleidet sich bräunlichrot, nur die Beine sind in den Gelenken bedeutend lichter; seine Größe schwankt zwischen 4,5 bis 8,75 Millimeter, die kleinen Maße fallen besonders auf die Männchen, deren Fühler noch schlanker sind.
Von den Exodonten breitet sich die Gattung Alysia am weitesten aus und kennzeichnet sich neben der oben erwähnten eigentümlichen Mundbildung durch einen breiten, sitzenden Hinterleib. Die Alysia manducator hat breite, an der Spitze dreizähnige Kinnbacken, die, wenn sie klaffen, wie ein paar Seitenflügel, kaum wie Teile des Mundes aussehen, einen dicken, weiter hinter die Augen fortgesetzten Kopf und stark behaarte, beim Weibchen fast perlschnurartige, beim Männchen mehr fadenförmige, bedeutend längere Fühler. Der Hinterrücken ist grob gerunzelt und matt, wie die Seiten des Brustkastens, der in seiner Länge nicht hinter dem eiförmigen, ziemlich flachgedrückten Hinterleib zurückbleibt. Das erste Glied desselben ist durch Längsrisse matt, und unter der Endspitze ragt beim Weibchen der Bohrer nur sehr wenig hervor. Ein große Randzelle, drei Unterrandzellen und ein großes, schwarzes Mal zeichnen die Vorderflügel aus. Das ganze Tier ist glänzend und schwarz, die kurz behaarten Beine sehen braunrot aus, ihre Fersen am dunkelsten. Die Art schmarotzt, wie alle Glieder der Exodonten, in Fliegenlarven ( Anthomyia dentipes, Cyrtoneura stabulans und andern), nicht bei Mistkäferlarven, wie man gemeint hat, weil diese und die Fliegenlarven vielfach dieselbe Wohnstätte miteinander teilen.
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Die Familie der echten Schlupfwespe ( Ichneumonidae) läßt sich zwar von den vorausgehenden Schmarotzern durch die Flügelbildung leicht unterscheiden, setzt aber die Schwierigkeiten derselben fort, wenn es sich um Erkenntnis der zahlreichen Arten handelt. Die Vorderflügel aller stimmen im Geäder so überein, daß dasselbe nur wenig benutzt werden kann, um die überaus große Zahl der Gattungen voneinander zu unterscheiden. Im Vorhandensein zweier rücklaufenden Adern finden wir den Unterschied zwischen dieser Familie und den Braconiden, die in anderer Beziehung zum Teil leicht miteinander verwechselt werden können. Ferner verschmilzt hier immer die vordere Mittelzelle mit der ersten Unterrandzelle, und ein kleiner Nervenast deutet oft den Anfang der trennenden Ader an. Somit hat der Vorderflügel einer echten Schlupfwespe ein Randmal, eine Randzelle, drei oder mit Wegfall der mittelsten, der sogenannten Spiegelzelle, nur zwei Unterrand- und zwei Mittelzellen. Ein weiteres, allen Ichneumoniden an die Stirn geheftetes Erkennungszeichen sind die vielgliedrigen, geraden Fühler, die durchaus gleich dick sind, mit Ausschluß der immer kräftigeren Wurzelglieder, oder nach der Spitze hin dünner werden; etwas keulenförmige kommen sehr selten vor, eher bei gewissen Weibchen solche, die eine Anschwellung oder Verbreiterung vor der Spitze erleiden. Die drei Nebenaugen, der vorn durch das Kopfschild geschlossene Mund, die fünfgliedrigen Kiefertaster und Füße, ein sitzender oder dünngestielter Hinterleib sind Merkmale der Ichneumoniden, die aber auch vielen andern Immen zukommen, und so bleiben eben nur die Flügel mit ihrem Geäder das wesentlich Unterscheidende. Wenn dieselben fehlen, was bei gewissen kleinen Arten auch vorkommt, kann unter Umständen ein Zweifel entstehen, wo das betreffende Tier einzustellen sei. Keine Schlupfwespe summt beim Sitzen oder Fliegen, jede kann sich also geräuschlos ihrem Schlachtopfer nähern; nur die größeren Arten werden bisweilen durch einen mehr knisternden Flügelschlag hörbar.
Der Vielseitigkeit in der schmarotzenden Lebensweise wurde bereits gedacht, und die Entwicklung der einen und andern Art soll bei Besprechung der Sichelwespen zusammengefaßt werden. Daß das Wohntier erst dann zugrunde geht, wenn der Schmarotzer seiner nicht mehr bedarf, liegt in der Art, wie er sich von ihm ernährt. Man nimmt nämlich an, daß er von dem Fettkörper zehre, von einer gelben Masse, die sich meist um den Darmkanal lagert und denjenigen Nahrungsstoff in sich aufgespeichert enthält, durch welchen der Kerf seine volle, vielleicht hauptsächlich seine geschlechtliche Entwicklung erhält. Alle edleren, das Larvenleben bedingenden Teile bleiben unverletzt, solange der Schmarotzer seine Reife noch nicht erlangt hat.
Es bliebe für die allgemeine Betrachtung nur noch übrig, diejenigen Körperteile etwas näher ins Auge zu fassen, die zur Unterscheidung der Hunderte von Gattungen und vielen Tausende von Arten dienen.
Die Fühler aller folgen demselben Bildungsgesetze: an ein dickes Grundglied, das manchmal charakteristisch sein kann, und ein sehr kleines, zweites, meist nur wenig aus dem ersten hervorragendes Glied reihen sich die übrigen an, die der Geißel der gebrochenen Fühler entsprechen würden und wenigstens von der Hälfte ihrer Gesamtlänge nach der Fühlerspitze zu immer kürzer werden; bleiben sie bis dahin gleich dick, so haben wir den fadenförmigen, werden sie gleichzeitig auch dünner, den borstenförmigen Fühler. Abgesehen hiervon treten in der Gestaltung der einzelnen Glieder noch zwei Bildungsunterschiede auf: entweder, und dies ist der gewöhnlichste Fall, sind alle vollkommen walzig und dann manchmal schwer zu unterscheiden, oder jedes schwillt nach oben etwas an, und es entsteht ein knotiger Verlauf, der beim Weibchen ringsum, beim Männchen mehr auf der Unterseite bemerkbar wird und an eine stumpfzähnige Säge erinnert. So geringfügig dieser Umstand auch erscheint, so entscheidend wird er doch für den Gesamteindruck, den der Fühler auf das Auge des Beschauers macht. Die Weibchen, die kurze, knotige Glieder in ihren Fühlern führen, ringeln dieselben nach dem Tode immer mehr oder weniger und schmücken sie viel häufiger als das andere Geschlecht mit einem weißen Ring, oder vielmehr einem Gürtel oder Sattel, insofern die Färbung an der Unterseite verwischt zu sein pflegt. Das Kopfschild, die Zähne der meist in ihrem Verlauf ziemlich gleich breiten Kinnbacken und die Gestalt des Kopfes, der in der Regel breiter als lang, also quergestellt ist, kommen mehrfach in Betracht. Am Brustkasten verdient besonders der Hinterrücken eine nähere Beachtung, ob seine vorn oder oben liegenden Luftlöcher oval oder kreisförmig sind, ob sich ein vorderer, mehr wagerechter Teil von einem hinteren, abfallenden scharf scheidet, oder ob zwischen beiden ein allmählicher Übergang stattfindet, besonders aber, ob und wie er durch Leisten in Felder geteilt wird. Bei der vollständigsten Felderung, die möglich ist, kann man sechzehn Felder unterscheiden, die alle ihre Namen erhalten haben. Auf der Vorderfläche zählt man dann fünf: eins in der Mitte, das »obere Mittelfeld«, als das am meisten charakteristische, und jederseits zwei hintereinander gelegene, weiter folgen symmetrisch auf jeder Seite das in die Quere nicht geteilte, in dem das Luftloch liegt, dann ein größeres weiter nach unten und ein sehr kleines an der äußersten Ecke. Am abschüssigen Teile liegt das größte in der Mitte als »unteres Mittelfeld« und jederseits noch zwei, die alle wie breite Strahlen um den Mittelpunkt des Hinterrandes sich ausbreiten, an dem der Hinterleib befestigt ist. Dieser nun ist den größten Veränderungen unterworfen. Rücksichtlich seiner Anheftung kommen die bereits mehrfach erwähnten Gegensätze zwischen sitzendem und gestieltem Hinterleib in allen Übergängen zur Geltung. Beim ersten Ringe handelt es sich wieder darum, ob nur der Vorderteil den Stiel bildet, der dann gegen den breiteren hinteren, den sogenannten Hinterstiel, eine Biegung nach unten macht, oder ob das ganze Glied, ohne gebogen zu sein, sich allmählich nach vorn verjüngt. Ein sehr wichtiges Merkmal bildet die Stellung der Luftlöcher an diesem ersten Gliede, die manchmal unter seitlich heraustretenden, knotigen Anschwellungen sitzen und dann leicht erkannt werden, ohne diese aber versteckter sind. In den seltensten Fällen liegen sie gerade in der Mitte des Gliedes, häufiger davor oder dahinter, dem Endrande (der Spitze) desselben näher gerückt. Oberflächenbeschaffenheit, Vorhandensein oder Abwesenheit von Kielen und Furchen, die Art, wie Hinterstiel und Stiel beim Übergang ineinander sich in der Seitenlinie verhalten, und so mancherlei anderes bedarf oft einer genauen Prüfung. Diese beschränkt sich aber nicht ausschließlich auf das erste Glied, sondern auf alle folgenden; und da treten zunächst wieder zwei Gegensätze hervor, die recht charakteristisch wären, wenn sie die Natur nur auch scharf innehielte; ein von oben nach unten mehr oder weniger breitgedrückter (deprimierter) Hinterleib, der im allgemeinen einen ovalen Umriß hat, und ein von den Seiten her zusammengedrückter (komprimierter) Leib, der in seiner vollkommensten Entwicklung am Rücken einen stumpferen, am Bauche einen schärferen Kiel bekommt, von vorn nach hinten breiter wird und in der Seitenansicht an eine Sichel erinnert. Zwischen beiden Formen liegen viele Übergänge, die manchmal zweifelhaft lassen, welche der beiden Grundformen anzunehmen sei, dann entscheiden die übrigen Teile, die ja niemals außer acht gelassen werden dürfen, und besonders auch die letzte Hälfte des Hinterleibes selbst, der zu den zusammengedrückten zählt, sobald diese darauf hinweist. Sehr charakteristisch wird für viele Weibchen der Hinterleib durch den hervorstehenden, bisweilen sehr langen Legbohrer, von dessen Bau das Nötige bereits beigebracht worden ist. Seine verhältnismäßige Länge und der Umstand, ob er aus der Spitze oder durch eine Spalte am Bauch beim Gebrauch heraustritt, wird bei der Unterscheidung von großer Bedeutung. Die beiden, stets etwas behaarten Klappen, die sein Futteral bilden, sind natürlich immer an der Spitze des Hinterleibes angeheftet, aber darum braucht nicht aus dieser gerade der Bohrer selbst hervorzukommen, vielmehr wird häufig ein gut Teil seiner Wurzel durch den Leib selbst umhüllt. In andern Fällen fehlt jener äußere Schwanz ganz, weil der kurze Bohrer, der hier genau dem Stachel der Stechimmen gleicht, im Bauche selbst hinreichenden Platz findet. Die Kennzeichen am Hinterleibe und an den Fühlern prägen sich vorzugsweise bei den Weibchen aus, die daher leichter zu unterscheiden sind als die viel einförmiger gebauten Männchen. Erwägt man nun noch, daß diese auch in der Färbung bisweilen wesentlich von ihren Weibchen abweichen, und daß man die Tiere nur in sehr seltenen Fällen in der Vereinigung antrifft, welche die meisten während der Nacht oder sonst im verborgenen vornehmen, so wird man die große Unsicherheit, die in den verschiedenen Ansichten der Forscher ihren Ausdruck findet, die vielen Namen ein und desselben Tieres und die zweifelhaften Vermählungen, die an toten Stücken in den Sammlungen vorgenommen wurden, leicht begreiflich finden. Gleichzeitig ergeht an den strebsamen Naturfreund die dringende Mahnung, durch aufmerksame Beobachtung ein Feld ausbauen zu helfen, das noch sehr der Pflege fähig ist, ein Feld, dem nur vereinigte Kräfte wirklich Ersprießliches abgewinnen können.
Um des mächtigen Heeres dieser Schlupfwespen einigermaßen Herr zu werden, hat man sie in fünf Sippen geteilt, die zwar in ihren Hauptformen scharf geschieden sind, aber durch dem Ordner immer Schwierigkeiten bereitende Übergänge teilweise ineinander verschmelzen. In die Mitte möchte ich die Ichneumonen ( Ichneumones) stellen, als den Kern, die edelsten Formen der Familie. Der niedergedrückte, lanzettförmige Hinterleib ist gestielt, so zwar, daß der Hinterteil des ersten Ringes mit den übrigen höher steht als die Wurzel des Stieles. Die Luftlöcher jenes befinden sich hinter seiner Mitte und liegen einander nicht näher als dem Hinterende des Ringes. Der Bohrer verbirgt sich meist vollständig im Leibe. Die Spiegelzelle ist fünfeckig mit dem Streben, nach dem Vorderrande zu einen Winkel zu bilden. Die Fühler haben etwas geschwollene Glieder, sind beim Männchen immer borstig, beim Weibchen ebenso, oder fadenförmig und im Tode vorn mehr oder weniger geringelt. Die Felder des Hinterrückens sind hier am vollzähligsten und seine Luftlöcher nur bei den kleineren Arten kreisrund. Die Ichneumonen stellen die buntesten Schlupfwespen, Weibchen, an deren Körper Rot, Schwarz und Weiß oder Gelb sich vereinigen, diejenigen reinen Farben, die in der Familie überhaupt nur zur Geltung kommen; auch nehmen wir hier die größten Geschlechtsunterschiede im Kleide wahr. Die Larven, soweit man sie kennt, zeichnen sich durch eine gewisse Welkheit aus und scheinen nicht zu spinnen, weil ihnen größere Schmetterlingspuppen als Gehäuse dienen. Man erzieht die Wespen nach meinen Erfahrungen nur aus solchen, und zum Ausschlüpfen nagen sie ihnen den oberen Kopfteil weg. Das Weibchen beschenkt daher die Raupe nur mit einem Ei.
Die Cryptiden ( Cryptides) haben die Form des gestielten Hinterleibes und die schwachknotigen Fühler mit den Ichneumonen gemein, auch zum Teil die fünfeckige Spiegelzelle, die hier zum Quadrat hinneigt, und eine weniger vollkommene Felderung des Hinterrückens, unterscheiden sich aber von denselben durch einen in der Ruhelage hervortretenden Bohrer, der aus einer Bauchspalte kommt, sowie dadurch, daß die Luftlöcher des ersten Hinterleibsgliedes einander näher stehen als dem Ende desselben; auch kommen hier meist viel schlankere Fühlerglieder vor und vielfach Verdickung vor der Spitze. Die Angehörigen dieser Sippschaft gehen schon viel zu weit auseinander, um mit wenigen Worten vollständig charakterisiert werden zu können? die einzigen, im weiblichen Geschlechte wenigstens flügellosen Ichneumoniden finden wir hier in der Gattung Pezomachus von Gravenhorst vereinigt.
Eine dritte Sippe, die Pimplarier ( Pimplariae) kennzeichnet sich im allgemeinen durch einen sitzenden, niedergedrückten Hinterleib, an dessen erstem, nicht gebogenem Gliede die Luftlöcher in oder vor der Mitte stehen und über dessen letztes Glied der weibliche Bohrer oft sehr lang hinausragt. In der Regel ist die Spiegelzelle dreieckig, fehlt aber auch ganz. Die Felderung des Hinterrückens tritt sehr zurück, seine Luftlöcher sind häufiger kreisrund und sehr klein als länglich, die Fühlerglieder vorherrschend vollkommen walzig und undeutlich voneinander geschieden. Die größere Form von Pimpla bemerkt man schon von ferne an ihrem durchdringenden teerartigen Geruch. Hrsgbr.
Die Sichelwespen ( Ophionidae) stimmen in dem meist geradstieligen, von den Seiten zusammengedrückten Hinterleib überein, aus dem der Bohrer kaum hervorragt. Die Fühlerglieder sind zylindrisch, bei Hellwigia elegans, einem zierlichen, gelb und braun gefärbten Wespchen, werden sie um so dicker, je näher sie der Spitze kommen. Die Spiegelzelle ist dreieckig oder fehlt.
Von den Tryphoniden ( Tryphonides) endlich läßt sich eigentlich nur sagen, daß sie diejenigen seien, die nach Ausscheidung der vorigen von der ganzen Familie noch übrig bleiben. Bei vielen allerdings wird der teils sitzende, teils gestielte Hinterleib dadurch charakteristisch, daß er drehrund und von vorn nach hinten etwas dicker, also kolbig verläuft und den Bohrer kaum sehen läßt; wo dies nicht der Fall, erinnert die Körpertracht an eine der übrigen Sippen, aber die Bildung der Fühler oder der Flügel, oder eines andern Teiles läßt die Verbindung damit nicht zu. Sie halten sich gern am Schilfe und schilfartigen Gräsern auf.
Ein gemeiner Thryphonide ist der elf Millimeter lange Exenterus marginatorius, kenntlich an den gelben Hinterrändern der Hinterleibsringe, veränderlich gelber Zeichnung an Kopf und Brustkasten auf schwarzem, durch Runzelung rauhem Untergrunde und am Mangel jeglichen Enddornes der gelben, schwarz bespitzten Hinterschienen. Durch einen Bogeneindruck scheidet sich das Kopfschild Vom Gesicht ab. Eine dreieckige Spiegelzelle kommt dem Vorderflügel zu, und der Hinterleib sitzt mit seinem nach vorn kaum verschmälerten, oben zweimal gekielten Grundglieds an dem etwas gefelderten, steil abfallenden Hinterrücken. Die Wespe fliegt vorzugsweise in Kiefernwäldern, weil sie hier für ihre Larve in der gemeinen Kiefernblattwespe ( Lophyrus pini) das Wohntier antrifft. Mit der allen Schlupfwespen eigenen Spürgabe und durch die fortwährende Beweglichkeit ist die grüne, fast erwachsene Larve der Kiefernwespe vom Schlupfwespenweibchen bald aufgefunden. Es wird ihr äußerlich ein Ei durch ein Häkchen angehängt, was sie trotz ihres abwehrenden Umherschnellens mit dem Körper leiden muß. Sie spinnt sich nun ein tonnenförmiges Gehäuse, um darin, wie sie in den gesunden Tagen gewohnt ist, zu überwintern. Das Schmarotzerei kriecht aus, die Larve bleibt äußerlich sitzen und saugt ihren Wirt gründlich aus, von dem sich schließlich nur noch die zusammengeschrumpfte Haut in der einen Ecke des von ihm angefertigten Gespinstes vorfindet, während der Eindringling sein eigenes anfertigt, das den Innenraum von jenem nur halb ausfüllt. Statt der Blattwespe arbeitet sich im nächsten Jahre durch die doppelte Umhüllung unser Tryphonide heraus, und zwar nicht durch einen am Scheitel abgenagten Deckel, wie es die Blattwespe getan haben würde, sondern durch ein unregelmäßiges, immerhin aber rundes Loch seitwärts des Scheitels.
Eine andere Gattung, von der mehrere zierliche und bunte Arten häufig vorkommen, heißt Bassus und wird leicht kenntlich durch das fast quadratische Grundglied, mit welchem der stark niedergedrückte, kurz ovale Hinterleib am Brustkasten sitzt. Einigen Arten fehlt die Spiegelzelle, bei andern ist sie vorhanden und dreieckig, die erste rücklaufende Ader winkelig gebogen. Der Bassus albosignatus hat keine weiteren Entdeckungsreisen anzutreten, wenn er seine Eier unterbringen will. Als fleißiger Besucher von Blattlauskolonien, deren Süßigkeiten er nachgeht, findet er in den von den Blattläusen selbst lebenden Maden der Schwebfliegen ( Syrphus) den Gegenstand seines Verlangens. Die wie ein kleiner Blutegel gestaltete Made wird mit einem Ei beschenkt. Das scheint sie wenig zu kümmern; denn sie frißt weiter, wird größer und spinnt sich zuletzt ihr tropfenförmiges Gehäuse, das seitlich der Länge nach einer Nadel, einem Blatt oder einem andern Pflanzenteile angeheftet ist. Unmittelbar in diesem Gespinste entwickelt sich aber keine Fliegen-, sondern eine Schlupfwespenpuppe, und aus dieser das Wespchen, das 5,17 bis 8,57 Millimeter lang, wahrscheinlich je nachdem es in einer kleineren oder größeren Syrphus-Larve schmarotzte, und an seinem schwarzen Körper reichlich weiß gezeichnet ist, am Kopfschilde nämlich, an den inneren Augenrändern, den Flügelschüppchen und darunter, dem Schildchen und Hinterschildchen, den Hinterrändern mehrerer Leibesglieder und endlich in einem Ringe an den schwarzen Hinterschienen; im übrigen sehen die Beine lebhaft rot aus. Dem Vorderflügel fehlt die Spiegelzelle. Noch andere Arten wurden bei gleicher Lebensweise betroffen, eine als Schmarotzer in der Larve von Marienkäferchen ( Coccinella), die bekanntlich gleichfalls die Blattläuse aufzehren.
Der Banchus falcator, dessen Weibchen Fabricius für eine andere Art hielt und Banchus venator genannt hat, ist eine Sichelwespe, aber insofern noch keine echte, als der sitzende Hinterleib erst in seiner zweiten Hälfte den Sippencharakter annimmt und sich von den Seiten her stark zusammendrückt. Die Gattung läßt sich überdies noch an dem Schildchen erkennen, das in einen mehr oder weniger scharfen Dorn ausgezogen ist, an den linienförmigen Luftlöchern des Hinterrückens, der fast rhombischen Spiegelzelle und den gekämmten Fußklauen. Beide Geschlechter unterscheiden sich nicht nur in der Färbung des Körpers, sondern auch in der Form des Hinterleibes, und daraus lassen sich die von verschiedenen Forschern begangenen Fehler leicht erklären. Beim Männchen wird der sichelförmig gekrümmte Hinterleib in der Seitenansicht von vorn nach hinten breiter, stutzt sich am Ende schräg nach unten ab und läßt hier ein Paar Läppchen hervorsehen, die für die Bohrerscheide gehalten werden könnten, während sie den männlichen Geschlechtsteilen angehören. Über dem so gebildeten glänzend schwarzen Hinterleib liegen bei der genannten Art vier gelbe, sattelartige Flecke. Von gleicher Farbe sind die schlanken Beine, mit Ausnahme der Hüften und Schienenspitzen an den hintersten, Schildchen, Flügelschüppchen, ein Dreieck davor, zwei Längsflecke darunter und endlich der größte Teil des Vorderkopfes samt der Unterseite der fadenförmigen Fühler. Das Weibchen zeigt vor allem einen spitz verlaufenden Hinterleib. Es trägt sich vorherrschend schwarz, nur die Vorderhälfte des Hinterleibes, die Beine mit Ausschluß sämtlicher Hüften und der Schienenspitze an den hintersten sehen gelblichrot aus. Bei beiden Geschlechtern trüben sich die Flügel in Gelb. Die Banchen schmarotzen in Schmetterlingsraupen, vorzugsweise den Eulen angehörigen. Dieselben gelangen nicht zur Verpuppung, sondern statt ihrer Puppe erscheint ein schwarzes Gehäuse. Ein solches Gespinst hat bedeutende Festigkeit, denn es besteht aus sechs bis sieben dicht aufeinander liegenden Häuten, die alle durchnagt sein wollen, ehe der Kerf seine Freiheit erlangt. Derartige Futterale scheinen den Sichelwespen besonders eigen zu sein; denn ich erzog daraus die verschiedensten Arten derselben, wie beispielsweise mehrere der verwandten Gattung Exetastes. Auch bei ihr sitzt der Hinterleib an, spitzt sich beim schlanken Männchen zu, während er beim Weibchen nach hinten etwas breiter wird (in der Seitenansicht) und den Bohrer kurz vorragen läßt. Die Klauen sind hier einfach, die Luftlöcher des Hinterrückens oval oder kreisrund; die verhältnismäßig kleinere Spiegelzelle hängt nicht selten an einem Stielchen.
Die bei weitem größere Menge der Sichelwespen kennzeichnet sich durch einen gestielten, nach hinten allmählich breiter werdenden Hinterleib. An den Bäumen und Gebüschen, vorzugsweise der Wälder, suchend zwischen ihren Blättern, schwebt in höchster Anmut die Kiefernspinner-Sichelwespe ( Anomalon circumflexum) und ihre zahlreichen, sehr ähnlichen Verwandten. Zierlich streckt sie ihre langen Hinterbeine aus, hält die Fühler in die Höhe und den schmächtigen Hinterleib sanft geschwungen nach unten. Sie läßt sich zuzeiten auf ein Blatt nieder, um den Honigsaft, den eine Blattlaus spendete, aufzusaugen, oder von einem noch übrig gebliebenen Regentropfen zu naschen, und erhebt sich darauf wieder zu neuem Spiel, aber stets mit einer gewissen Ruhe und Würde, als wenn ihr jede Bewegung von einem Tanzmeister schulgerecht beigebracht worden wäre und sie sich befleißige, pedantisch alle Regeln des Anstandes zu befolgen. Das Weibchen sitzt gerade so, als wenn es eine Kiefernspinnerraupe unter sich hätte, der es seinen Stachel einbohrt und ein Ei einverleibt, ein Ei, an das sich wunderbare Geschichten anknüpfen, wenn es einmal glücklich in die genannte, in die Forleulenraupe, oder in diese und jene andere gelegt ist. Die ihm entschlüpfte Larve lebt frei in der Raupe, ist 2,25 Millimeter lang, nicht viel dicker als ein Pferdehaar, hat einen braunen, hornigen Kopf und einen langen Schwanz. Auf einer zweiten Stufe ihrer Entwicklung wächst sie in der Breite und verkürzt sich in der andern Richtung, weil der Schwanz mehr schwindet. Der Hauptstrang der Atmungswerkzeuge mit den ersten Anfängen seiner Verzweigung beweist den Fortschritt in der Entwicklung. Auf der dritten Stufe finden sich die Luftröhren vollständig verzweigt, aber noch keine Luftlöcher; Ratzeburg fragt, ob etwa der weiter verkürzte, sichelförmige Schwanz deren Stelle vertreten möchte. Zu den anfangs vorhandenen Kinnbacken haben sich Unterkiefer und Lippe eingefunden, gegliederte Taster und Fühler sind vorgesproßt und dadurch die Mundteile vervollständigt. Diese Larvenform fand Ratzeburg in eine Haut eingeschlossen, deren Gegenwart er sich nicht erklären konnte. Auf der vierten Stufe endlich erhält die Larve die Beschaffenheit, in der man andere Schmarotzer kennt. Der Kopf erscheint jetzt verhältnismäßig klein, mehr zum Saugen eingerichtet, und der Schwanz als entgegengesetzter Pol ist verschwunden. Das Tier scheint nun weniger mit der Aufnahme von Nahrung beschäftigt zu sein, als mit der Behauptung seines Platzes in dem mehr und mehr verderbenden Wirte. Während mit dem Schmarotzer die eben angedeuteten Veränderungen vorgehen, wächst dieser, häutet sich, hält seinen Winterschlaf, wenn es die Spinnerraupe war, häutet sich wieder, spinnt ein Gehäuse und wird zur Puppe, und erst in dieser verwandelt sich die Larve gleichfalls in eine Puppe. Im Mai oder Juni gelangt diese zur Vollendung, und unsere Wespe frißt sich heraus. Kopf, Rumpf, äußerste Spitze des Hinterleibes, Hüften und an den Hinterbeinen die Spitze der Schenkel und Schienen sehen schwarz aus, das übrige, wozu die inneren Augenränder, Taster und Schildchen gehören, gelbrot, die Füße am lichtesten, die Fühler braunrot. Beachtenswert sind noch: das vorn gestutzte Kopfschild und zwei ungleiche Endzähne der Kinnbacken, ovale Luftlöcher des Hinterrückens und die einfachen Klauen. Ähnliche Formenveränderungen mögen die Larven der andern, ebenso schmarotzenden Immen durchlaufen, wenigstens liegen noch einige Beobachtungen Ratzeburgs vor, die darauf schließen lassen.
Sehr zahlreiche Sippengenossen scheinen infolge der Tracht und gleichen Färbung ihres Körpers dem ungeübten Blicke einer und derselben Art anzugehören; denn überall auf Gebüsch, in Zäunen, an Blumen begegnen uns lehmgelbe Sichelwespen, die mit aufgehobenen Flügeln darauf umherspazieren, in trägem, taumelndem Fluge, bei dem das Schwirren der Flügel bisweilen hörbar wird, sich auf und davon machen, um in nächster Nähe mit einer gewissen Schwerfälligkeit wieder niederzugehen und zu suchen, was sie vorher nicht fanden. Diese Tiere haben genau dieselbe Gestalt wie das eben besprochene Anomalon, ergeben sich aber bei näherer Betrachtung als nicht nur in den Arten verschieden, sondern gehören auch mehreren Gattungen an, vorzugsweise zweien. Die eine, Ophion, die der ganzen Sippe den Namen gab, breitet sich in zahlreichen Arten mit gleichem, unscheinbarem Gewande über alle Erdteile aus. Sie läßt sich sehr leicht durch das Flügelgeäder von allen andern Sichelwespen unterscheiden. Die beiden rücklaufenden Adern werden hier nämlich von der ersten Unterrandzelle allein aufgenommen, weil die Spiegelzelle durch Fehlschlagen ihres inneren Nervs abhanden gekommen ist. Wir werden später Beispiele kennenlernen, wo sie durch Schwinden des äußeren Nervs unvollständig wird, aber kein zweites der eben bezeichneten Art. Überdies sind die Klauen gekämmt und der Hinterrücken glatt, während er bei Anomalon und andern Runzeln zeigt. Unbedeutende Farbenunterschiede zwischen Braungrau, schmutzig Gelbrot, ob auf den Vorderflügeln Hornfleckchen sichtbar werden oder nicht, und ähnliche Dinge müssen beachtet werden, wenn man die Arten erkennen will. Die zweite hier in Betracht kommende Gattung Paniscus hat das Flügelgeäder von Anomalon, unterscheidet sich aber hauptsächlich durch gekämmte Fußklauen von ihm und von verwandten andern Gattungen dadurch, daß die Luftlöcher des ersten Hinterleibsgliedes vor dessen Mitte stehen. Ja, ein Tryphonide ( Mesoleptus testaceus) kann selbst von einem geübten Auge wegen seiner gleichen Körperfarbe leicht mit hierhergezogen werden. Ich erwähne alle diese Sichelwespen nicht, um einer Verwechslung derselben miteinander vorzubeugen, denn dazu bedürfte es weitläufigere Auseinandersetzungen, sondern wegen eines schon von Degeer und andern beobachteten, höchst interessanten Punktes aus ihrer Entwicklungsgeschichte. Ich meine die schon oben einmal flüchtig erwähnten gestielten Eier, die bei Ophioniden und Tryphoniden wahrgenommen worden sind. Dieselben hängen manchmal der weiblichen Wespe einzeln oder in gedrängten Trauben an der Hinterleibsspitze. Was sollen sie hier? Ich kann mir diese Erscheinung nur dadurch erklären, daß das Weibchen den Drang zum Ablegen der Eier hatte und den Gegenstand nicht fand, dem es dieselben anvertrauen konnte. Dergleichen gestielte Eier fand ich schon öfters zu einem bis dreien an verschiedenen Stellen, vorzugsweise aber in der Nähe des Kopfes an einer und der andern nackten Schmetterlingsraupe. Dieselben sehen glänzend schwarz aus, den Samen mancher Pflanzen, etwa des bekannten Fuchsschwanzes, nicht unähnlich, und sind durch ein Häkchen in der Raupenhaut befestigt. Nach den von mir gemachten Erfahrungen kommen bei der weiteren Entwicklung der Eier zwei wesentlich verschiedene Fälle vor. Vor einigen Jahren fand ich die schöne Raupe der Hybocampa Milhauseri, eines bei den Sammlern der Seltenheit wegen in hohem Ansehen stehenden Spinners. Leider war sie angestochen; denn an der linken Seite der vorderen Ringe saßen zwei Eier von dem oben beschriebenen Aussehen. In der Hoffnung, noch zur rechten Zeit als Arzt aufzutreten, zerdrückte ich dieselben mit einer Pinzette, merkte aber leider dabei, daß ich es nur noch mit leeren Schalen zu tun hatte, der Inhalt also schon in den Raupenkörper eingedrungen sein mußte. Dessenungeachtet ward die Raupe sorgfältig gepflegt und ihr ein Stück Eichenrinde gegeben, um ihr daran die Verpuppung zu ermöglichen. Dieselbe erfolgte auch in äußerlich vollkommen regelrechter Weise. Sie nagte ein flaches, elliptisches Lager aus, spann eine mit den Abnagseln untermischte flache Hülse darüber, und die schützende Hülle war so kunstgerecht angelegt wie im Freien, so verborgen, daß sie nur ein geübter Blick von den übrigen Unebenheiten eines Eichenstammes unterscheiden konnte. Alles dies geschah im Spätsommer. Im Mai des nächsten Jahres mußte der Schmetterling erscheinen, falls die Anlage zu ihm noch vorhanden war. Ehe aber die Zeit herankam, trieb mich die Neugierde. Das Gespinst wurde vorsichtig geöffnet, und siehe da, statt der dasselbe gänzlich füllenden Schmetterlingspuppe fand ich eine gestreckte, schwarze Tonnenpuppe, mir längst schon als die einer Schlupfwespe bekannt. Einige Wochen später kam denn auch eine solche lehmgelbe Sichelwespe, der Paniscus testaceus, daraus hervorspaziert, die ich schon zweimal bei früheren Gelegenheiten aus demselben Schmetterlingsgespinst erzogen hatte. Was aus dem zweiten Ei geworden sein mochte, kann ich nicht angeben. Ein zweiter Fall, den ich hier erzählen will, um eine andere Schmarotzerweise zu veranschaulichen, ist folgender. Im Spätsommer trug ich eine Anzahl nackter Raupen einer eben nicht seltenen Eule, der Naenia typica, ein. Sie waren noch ziemlich jung und wurden mit dem auf allen Wegen wachsenden Vogelknöterich ( Polygonum aviculare) gefüttert. Bald bemerkte ich, daß einige Raupen in ihrem Wachstum zurückblieben, während die übrigen fröhlich gediehen. Bei näherer Untersuchung fanden sie sich angestochen, und zwar nahe am Kopfe mit einem oder zweien der oben beschriebenen Eier behaftet. Mit denselben hatten sie sich, wie die übrigen, gehäutet, waren dabei wohl ihre alte Haut, aber nicht die gefährlichen Anhängsel losgeworden. Zwei dieser kranken Raupen nahm ich unter meine besondere Aufsicht, brachte sie mit Futter in ein Pappschächtelchen und sah des Tages öfters nach ihrem Befinden. Jede hatte ein Ei zur Seite des Nackens sitzen. Alsbald spaltete sich dieses durch einen Längsriß, und der vordere Teil einer Made ward sichtbar. Bei der einen Raupe wuchs dieselbe anscheinend nur langsam, häutete sich einmal und ward zu einem kleinen Püppchen; auch die Raupe gab eine, aber am Kopfe verkrüppelte Puppe. Leider verkam das Schlupfwespenpüppchen. Durch die Beobachtung ist nur festgestellt, daß das Ei von einer kleineren Zehrwespe angestochen war und dadurch für die Raupe weniger schädlich gemacht wurde, indessen doch deren regelrechte Entwicklung verhinderte. Ganz anders gestalteten sich die Verhältnisse bei dem zweiten Patienten. Die Made sog, mit der hinteren Körperhälfte zunächst gleichfalls in der Eischale ruhend, sehr eifrig an dem Wohntiere, wie aus den Bewegungen der inneren, durch ihre dünne Haut durchscheinenden Körperteile und ihrem schnellen Wachstum ersichtlich. Nach acht Tagen war sie erwachsen, jenes vollkommen ausgesogen. Sie fing nun an zu spinnen, schien aber nicht in der für sie ersprießlichen Lage zu sein; denn sie fertigte nur ein hohes Polster auf dem Boden der Schachtel und brachte kein geschlossenes Gehäuse zustande. Trotzdem ward sie, frei ruhend auf diesem Gespinst, zu einer Puppe. Als der Kerf so ziemlich entwickelt war, durch seine lehmgelbe Farbe und die Körpergestalt deutlich genug nachwies, daß er dem hier in Rede stehenden Formenkreise angehöre, starb er, weil ihm die nötige Feuchtigkeit gefehlt haben mochte. Wenn angenommen werden dürfte, daß eine und dieselbe Art in dem einen Fall innerlich, in einem andern äußerlich schmarotzen könne, möchte ich das Verkrüppelte Tier für nichts anderes als den bereits genannten Paniscus halten. Jedenfalls lassen die Beobachtungen einen tiefen Blick tun in die so höchst interessante Lebensweise unserer vielgestaltigen Schmarotzer.
Gravenhorst beschrieb 1829 in seiner »Ichneumonologia europaea« unter der Gattung Ichneumon zweihundertvierundsiebzig Arten, die in Europa und vorzugsweise in Deutschland leben, darunter nicht wenige nur in dem einen Geschlecht. Die richtige Vereinigung je zweier Geschlechter zu einer Art stellte sich seit 1844 Wesmael in verschiedenen Arbeiten der Brüsseler Akademie zur Aufgabe, unter vorherrschender Berücksichtigung der belgischen Arten. Die Zahl der Gattungen und Untergattungen hierbei vermehrte sich nicht unbedeutend, durch weitere Forschungen nicht minder die der Arten. Es kommen hier die stattlichsten Formen und lebhaftesten Farben unter den Schlupfwespen vor: ganz schwarze, schwarze, besonders blauschwarze und elfenbeinweiß gezeichnete Arten. Dergleichen Zeichnungen finden sich vorherrschend an den Augenrändern, im Gesicht überhaupt, am Halskragen, Schildchen, Flügelschüppchen, an den Beinen in Ringform, seltener als Säume der Hinterleibsringe, häufiger an der Afterspitze. Gelb, das statt Weiß ebenfalls vorkommt, tritt vorherrschend als Binde an den Ringen auf oder verbreitet sich über einige der vorderen ganz. Bei sehr vielen Arten ist der Hinterleib zweifarbig, rot und schwarz, oder es kommen, wenn das Rot etwas lichter ist, noch einige weiße Ränder der hintersten Glieder hinzu. Diese wenigen Farben bringen die größte Mannigfaltigkeit hervor, und in der Regel sehen die Weibchen bunter aus als die Männchen, wodurch die Zusammenstellung beider Geschlechter zu einer und derselben Art ungemein erschwert wird. Die Weibchen lassen sich als solche leicht erkennen an den etwas knotigen, im Tode immer mehr oder weniger gewundenen, faden- oder borstenförmigen Fühlern, nur in seltenen Fällen an der kaum sichtbaren Bohrerscheide. Abgesehen von einigen unter Moos oder in mürben Baumstämmen überwinternden Ichneumonen, bekommt man vom Juni ab die meisten zu sehen. Die Flügel platt auf den Rücken gelegt, schnüffeln sie an den Blättern der Gebüsche einzeln oder um so zahlreicher umher, wenn Blattläuse für sie ihre Süßigkeiten zurückließen oder Raupen vorhanden sind, denen sie ihre Eier anvertrauen können. Man kann es rascheln und knistern hören, wenn zahlreiche Arten in Gemeinschaft mit andern Immen derselben Familie, besonders auch mit Mordwespen, flüchtigen Fliegen und andern, im bunten Gemisch als Leckermäuler oder Räuber sich zusammenfinden, und unterhaltend ist es, ihnen allen zuzuschauen und die Beweglichkeit der einen, die größere Schwerfälligkeit der andern, die Furchtsamkeit dieser, die Dreistigkeit jener Art zu beobachten. Das ist ein Leben und Treiben wunderbarer Art, das sich schwer schildern läßt, sondern selbst angeschaut sein will, wenn es sich um die richtige Würdigung handelt. Ich hatte einst Gelegenheit, unter andern Verhältnissen ein solches Jahrmarktsleben dieser kleinen Wesen, wie ich es nennen möchte, zu beobachten. Es war in einem trockenen Sommer, und jegliches Getier, jede Pflanze schmachtete nach erquicklichem Regen. Ein Gewitter hatte denselben gebracht, und in einem breiten Fahrweg, der stellenweise beschattet durch einen gemischten Laub- und Nadelwald hinzog, hatten sich feuchte Stellen und einige Pfützen zwischen Graswuchs und Brombeergestrüpp erhalten. Diesen Weg wandelte ich in den späten Nachmittagsstunden und gewahrte ein Leben, das mich wahrhaft in Staunen setzte und erst recht erkennen ließ, wie unentbehrlich das Wasser auch für diese Geschöpfe ist, die doch sonst mit ihm gar nichts zu schaffen haben. Tausende von durstigen Kerfen hatten sich hier zusammengefunden, große und kleine Schlupfwespen, geschwänzte und ungeschwänzte, sicheltragende und die schmucken Formen der in Rede stehenden Ichneumonen, Fliegen und Schmetterlinge. Alles tummelte sich in buntem Gemisch, fliegend und kriechend. Das kühle Gras, vor allem aber die feuchten Ränder der Pfützen übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf die Kerfe aus und schienen einen gewissen friedlichen Sinn auszugießen über die sonst kriegerischen, einander zum Teil befeindenden Wesen. Leider verschieben die Ichneumonen wie die meisten andern Familiengenossen die Hauptaufgabe ihres Lebens, das Paarungsgeschäft und die Brutpflege, auf die Nacht, oder verrichten sie mindestens so im Verborgenen und versteckt im Grase, daß ersteres, soviel mir bekannt, noch von niemand, das Anstechen einer Raupe sehr vereinzelt und nur dann beobachtet wird, wenn gewisse Raupen vorübergehend in verheerender Menge vorhanden sind.
Ichneumon pisorius ist eine der größten deutschen Arten; sie vergegenwärtigt die Körpertracht der ganzen Sippe. Zu ihrer Charakteristik sei bemerkt, daß der Hinterleibsstiel nicht breiter als hoch, das Ende des siebengliedrigen Leibes beim Weibchen zugespitzt ist und die letzte Bauchschuppe vom Ursprung des Bohrers etwas entfernt steht, daß die Luftlöcher des Hinterrückens gestreckt, Rücken- und Kopfschild ohne besondere Auszeichnung sind. Hierin liegen im Verein mit den bereits erwähnten Sippenkennzeichen, namentlich auch des Flügelgeäders, die Merkmale der Gattung Ichneumon, wie sie Wesmael auffaßt. In einer Gruppe erscheint der Hinterstiel nadelrissig, sind die Eindrücke am Grunde des zweiten Ringes tiefgrubig und mindestens so breit, wie ihr ebenfalls längsrissiger Zwischenraum ist; ferner ist die Furche zwischen dem genannten und dem folgenden Ring tief, das obere Mittelfeld des Hinterrückens fast quadratisch, höchstens vorn etwas gerundet; die weiblichen Fühler wie auch die aller Männchen spitzen sich vorn zu. Bei ihr sind Schildchen und je eine Linie an der Flügelwurzel gelb, der durch Punktierung matte Hinterleib, mit Ausnahme des braunen Stielgliedes, bleich rostrot. Das Männchen hat das ganze Gesicht und die Beine vorherrschend gelb, das Weibchen nur Stirn- und Scheitelränder der Augen und an den schwarzen Beinen die Mitte der Schienen, überdies einen Ring um die Fühler weiß. Die nicht erwähnten Körperteile sehen schwarz aus. Der Ichneumon pisorius treibt sich vom Juni ab in gemischten Nadelwäldern umher, in seiner Größe die Überlegenheit über seinesgleichen fühlend; denn er ist ein kecker, lustiger Geselle. Im Fluge schwirren seine weingelben Flügel vernehmlich. Das Weibchen sticht größere Schwärmerraupen an, besonders die des an seinem Wohnort meist nicht seltenen Kiefernschwärmers, legt aber nur ein Ei in jede. Die Gestochene wird von dem Schmarotzer im Leib wenig belästigt; denn sie gelangt zu äußerlich regelrechter Verwandlung in die Puppe. Hier aber mag das Leben des Eindringlings erst zur wahren Geltung kommen; allmählich wird die Puppe starr und leicht, und wenn man sie im rechten Zeitpunkt öffnet, findet man eine gelblichweiße, weiche Made von 45 Millimeter Länge darin. An jeder Seite führt sie über den stark wulstigen Rändern der Glieder neun Luftlöcher, deren drei hinterste unentwickelter erscheinen und weniger gelb durchschimmern als die übrigen. Nach der Verwandlung zur Puppe liegt sie in der Regel nur vierzehn Tage, bis die Fliege erscheint. – Im Wesen, in der Größe und der allgemeinen Färbung ungemein ähnlich ist der gleich häufige Ichneumon fusorius, nur daß bei ihm Schildchen und Scheitelränder der Augen und bisweilen ein, auch zwei Punkte an der Flügelwurzel weiß, die Schienen und Tarsen dagegen rot aussehen.
Nicht schwer unterscheidet man die Weibchen der Gattung Amblyteles von Ichneumon durch die stumpfere Hinterleibsspitze und die sie fast ganz erreichende letzte Bauchschuppe, welche der Bohrerwurzel hier viel näher liegt als dort; viele zeichnen sich durch besonderen Glanz der Körperoberfläche und lebhafte Farben aus und ringeln sich ihre schlanken Fühler weniger eng als bei Ichneumon. Man kennt zahlreiche Arten, die fast alle der Größe und Farbe nach zu den stattlichsten Ichneumonen gehören und durchschnittlich 17,5 Millimeter messen, aber auch größer sein können. Die zahlreichen kleineren Arten der Sippe sind meist eintöniger in den Farben, am Hinterleibe schwarz oder rot gefärbt, am Kopfschild oder an den Hinterhüften mit besonderen Auszeichnungen und am Hinterrücken mit kreisrunden Luftlöchern versehen. Wesmael hat sie auf eine große Menge weiterer Untergattungen verteilt, die wir jedoch, wie so viele andere, mit tiefem Stillschweigen übergehen müssen.
Den natürlichsten Übergang von den Ichneumonen zu den Cryptiden bildet die Gattung Phygadeuon die aus meist kleineren, untersetzten Wespen besteht. Die weiblichen Fühler setzen sehr kurze, knotige Glieder zusammen, deren längstes drittes höchstens das Doppelte seiner Breite erreicht; dieselben rollen sich stark und enden stumpf. Bisweilen strecken sie sich mehr und verbreitern sich vor der Spitze, oder, findet diese Erweiterung nicht statt, so gibt die mehr entwickelte Felderung des Hinterrückens gegen die übrigen Genossen der Sippe ein gutes Unterscheidungsmerkmal ab. Der Bohrer ragt nur wenig über die Spitze des ovalen, gestielten Hinterleibes hervor und kommt aus einer Bauchspalte. Bei den Männchen verbreitert sich der Hinterstiel merklich im Vergleich zum Stiel und verläuft gleichfalls nicht in derselben Ebene mit ihm. Trotz dieser Formengleichheit mit den Ichneumonen und trotz der Übereinstimmung beim Verlauf des Flügelgeäders wie durch die schon oben, bei den Sippenunterschieden angegebene andere Lage der Luftlöcher, durch die glatten, in den Gliedern wenig abgesetzten Fühler auch im männlichen Geschlecht, ist zwischen beiden eine unverkennbare Grenzlinie gezogen. – Zu den größeren und gemeinsten Arten, die 6,5 bis 8,75 Millimeter in der Länge mißt, gehört das Phygadeuon pteronorum, der gewöhnliche Schmarotzer in den Tönnchen der öfters schon erwähnten Kiefern-Blattwespe ( Lophyrus pini). Ratzeburg hatte im Herbst eine Menge Tonnenpüppchen der eben genannten Blattwespe unter Moos gesammelt und in die warme Stube gebracht. Am 24. April des folgenden Jahres erschienen zwei Stück eines kleinen Cryptiden, des Hemiteles areator. Die beiden Gespinste, aus denen sie hervorgekommen waren, wurden einer näheren Untersuchung unterworfen, und merkwürdigerweise befanden sich darin: zunächst der rechte Bewohner, die Blattwespe, deren Flügel nicht ordentlich entfaltet waren, sodann der Phygadeuon vollkommen flugfertig. Wie läßt sich dieser ungewöhnliche Fall erklären? Wahrscheinlich hatte die Blattwespenlarve, als sie vom Phygadeuon angestochen wurde, in ihrer Entwicklung einen so bedeutenden Vorsprung, daß ihre regelrechte Verpuppung und Entwicklung nicht mehr verhindert werden konnte. Die Phygadeuon-Larve hatte denselben Vorsprung, als der Hemiteles ihr sein Ei anvertraute, und es entwickelten sich alle drei, aber auch nur so eben; denn jenen zweien fehlte die Kraft zum Durchbrechen des Gespinstes.
Die Gattung Cryptus, die sich auf der ganzen Erde ausbreitet, unterscheidet sich von Ichneumon durch den heraustretenden Legbohrer der Weibchen, eine meist zu der Vierecksform neigende Spiegelzelle und sehr unvollkommene, meist auf zwei Querleisten beschränkende Felderung des Hinterrückens. Cryptus schmarotzt, und zwar meist in mehreren Stücken gleichzeitig, besonders bei Blattwespen und Spinnern.
Mesosteuns gladiator ist eine schwarze Wespe, deren Hinterrücken dornenlos, durch zusammenfließende Punktierung sehr rauh ist und ovale Luftlöcher hat; sie würde ein Cryptus sein, wenn nicht die auffällig kleine, viereckige Spiegelzelle an der den rücklaufenden Nerv aufnehmenden Seite vollkommen geradlinig wäre. Ein zweites Unterscheidungsmerkmal beruht in der nach untengebogenen Bohrerspitze. Die Schenkel und vorderen Schienen nebst ihren Füßen sind rot, bisweilen auch noch die Wurzelhälfte der männlichen Hinterschienen, und das zweite bis vierte Glied der Hinterfüße sowie einige weibliche Fühlerglieder weiß. Die zierliche Wespe fliegt im Juni, treibt sich hauptsächlich an alten Mauern umher und läßt vermuten, daß sie bei daselbst hausenden Grabwespen oder Bienen schmarotzt.
Der Hemiteles areator wurde schon vorher als Schmarotzer eines Schmarotzers erwähnt und scheint ein gewaltiger Umhertreiber zu sein; denn man erzog ihn aus den verschiedensten Kerfen, aus der Raupe des Sichelspinners ( Platypterix falcula), aus Mottenraupen, aus den Larven des Speck- und Pelzkäfers und kann ihn daher auch vom Juni bis November an den Fenstern solcher Wohnzimmer antreffen, denen jene beiden Käferlarven nicht fremd bleiben. Das unansehnliche Tierchen von 3,37 bis 5,17 Millimeter Länge zeichnet sich mit seinen kleinen und zahlreichen Gattungsgenossen durch die nach außen ungeschlossene, in der Anlage fünfeckige Spiegelzelle aus. Der Hinterrücken ist dicht punktiert, und wegen der auf den vorhandenen Querleisten stehenden kurzen Längsrunzeln ein oberes Mittelfeld angedeutet. Das erste Hinterleibsglied erweitert sich bis zu den knotigen Anschwellungen allmählich und von da ab nochmals bis zum Ende des Hinterstieles und ist mit dichten Punkten besetzt, wie die folgenden. Fadenförmige Fühler, drei dunkle Querbinden über die weiblichen, nur zwei über die männlichen Flügel, schwarze Flecke auf rotem Untergrund am Kopf, Brustkasten und zweiten Hinterleibsglied und rote Beine mit weißen Schienenspitzen an den Hinterbeinen machen das zierliche Wespchen kenntlich.
Wie die Cryptiden »Schwanzwespen« mit gestieltem Hinterleibe sind, so die noch übrige Sippe der Pimplarier solche mit sitzendem Hinterleib. Der Bohrer des Weibchens, der eben als Schwanz erscheint, kommt bei gewissen Gattungen aus einer Bauchspalte, bei andern aus der Hinterleibsspitze und erreicht dort bisweilen die dreifache Länge des ganzen Körpers. In dieser Beziehung übertrifft die an dem querrunzligen Rücken des Mittelleibes kenntliche Gattung Rhyssa alle übrigen und alle andern Familienglieder an Körpergröße. Abgesehen von einigen nordamerikanischen Arten, deren Weibchen bei einer Körperlänge von 3,5 Zentimeter einen Bohrer in Pferdehaarstärke von 10,4 Zentimeter besitzen, so daß die ganze Rhyssa ziemlich dreiviertel Länge einer dieser Druckseiten einnehmen würde, kommen in unsern Nadelwäldern einige schwarze Arten mit reichlichen weißen Zeichnungen und rotgelben Beinen vor, welche den Nordamerikanern in den Größenverhältnissen wenig nachstehen. Der »Pfeifenräumer«, wie ein Sammler die stattliche Gestalt zu bezeichnen pflegte, Rhyssa persuasori der Gelehrten, schmarotzt in den Larven der Holzwespen ( Sirex), die tief im Innern der Nadelbäume bohrend leben. Bis zur Wurzel des Bohrers, also etwa sechs Zentimeter tief, verstehen die legenden Weibchen diese Borste in gesundes Holz hineinzutreiben und die dort sitzende Larve zu treffen. Als ich vor einigen Jahren auf dem Wege nach der Tellskapelle an einer Anzahl von dem Berge herabgestürzter, entrindeter Fichtenstämme vorübergehen wollte, fesselte mich das Schwärmen zahlreicher Wespen der genannten Art. Die eine hatte sich festgebohrt und zwar bis zu der Tiefe, die sie überhaupt erreichen konnte; ich faßte sie und versuchte mit großer Vorsicht und nicht geringer Kraftanstrengung, den Bohrer ohne Verletzung des übrigen Körpers herauszuziehen. Es gelang mir nicht; denn die letzten Leibesringe rissen früher ab, als der Bohrer in seiner vollen Länge zum Vorschein kam, und die Muskelbewegungen in den abgerissenen Gliedern dauerten noch einige Zeit fort.
Man steht hier staunend vor einer rätselhaften Erscheinung. Jene federnde, pferdehaarartige Borste wird sechs Zentimeter tief und tiefer in den Stamm weichen Holzes hineingeschoben, durch dieselbe wird ein Ei befördert, und das alles wiederholt sich zu verschiedenen Malen seitens einer und derselben Wespe. Welcher Aufwand von Muskelkraft steht diesem schmächtigen Tierchen zu Gebote! Entschieden schmiegt und biegt sich der Bohrer rechts und links und benutzt die Zwischenräume zwischen den Fasern und Gefäßen des Holzes, da er nur ruckweise und sehr langsam vordringt. Möglicherweise ist das Ei in ihm bis fast zur Spitze vorgerückt, ehe er seinen Weg antritt, wenigstens bleibt es unverständlich, wie die verschiebbaren und hierdurch erweiterungsfähigen Teile des Bohrers unter solchen Verhältnissen noch tätig sein können. Wie, fragen wir weiter, erspürt die Mutterwespe die Gegenwart einer für ihr Ei passenden Larve; wie ermittelt sie deren Lage, um gerade hier und nicht einen Zentimeter mehr oben oder unten den Eizubringer einzuschieben; denn daß sie keinem Larvengange nachgeht, daß die Oberfläche des Stammes unverletzt, wurde vorher mitgeteilt und ergibt sich aus der Festigkeit, mit welcher der Bohrer im Holze sitzt. Woher weiß sie, daß nicht schon eine Schwester ihr zuvorgekommen und jene Larve, nur für eine Schmarotzerlarve hinreichend, bereits mit einem Ei beschenkt hat? Denn, daß es sich bei so mühseliger und kraftverbrauchender Arbeit nicht um bloße Versuche, sondern um Erreichung des Zweckes und Erfüllung der Mutterpflichten handelt, können wir von den natürlichen Einrichtungen, von der »Weisheit des Schöpfers« nicht anders erwarten. Beantworte alle diese Fragen, wer es kann, ich habe keine andere Antwort als diese: Wir stehen hier, wie bei so manchen andern Dingen, vor einem Naturgeheimnis, das vielleicht dereinst, vielleicht auch nie enthüllt werden wird; denn der menschliche Geist hat Großes geleistet und wird noch Größeres leisten, jedoch bis zu einer – nicht näher zu bezeichnenden Grenze! Dem einen ist diese enger, dem andern weiter gestellt, aber nur der Anmaßende, der Vermessene hält sie für übersteigbar; denn »keine ewige Grenze ist ihm gesetzt, aber ewig eine Grenze.«
Die artenreichere Gattung Ephialtes hat einen glatten Rücken des Mittelleibes und hinsichtlich der lang gestreckten Glieder des Hinterleibes, die mehr oder weniger uneben sind, der verhältnismäßigen Bohrerlänge und der Färbung der Beine große Ähnlichkeit mit Rhyssa. Ephialtes imperator zeichnen vor den andern, in der Färbung sehr übereinstimmenden Arten die abgerundet rhombischen Flächen aus, die durch die seitlichen Knoten mitten auf den mittleren Hinterleibsgliedern entstehen, die im Vergleich zu ihren Schienen längeren Hinterfüße sowie endlich die kurze Behaarung an der Bohrerscheide. Am schwarzen Körper haben nur die Flügelschüppchen die braunrote Färbung der Beine und wiederum diese nur die hintersten Füße und Schienen schwarz. Das Mal der gelblichen Flügel ist dunkelbraun, ihre Spiegelzelle dreieckig. Wie alle Ephialtes-Arten in der Körperlänge ungemein schwanken, je nach der Größe der Larve, in der sie wohnten, so kommt auch die in Rede stehende kleiner und noch kräftiger vor. Ich besitze ein Weibchen von etwa 3,5 Zentimeter Körper- und fast derselben Bohrerlänge, letzterer nur in seiner Scheide gemessen; da er aber aus einer Bauchspalte kommt, seine Wurzel mithin weiter vorn sitzt, so ist er um ein gut Teil länger als sein Futteral. Das stets kleinere Männchen zeichnet sich durch größere Schlankheit des Hinterleibes aus. In der Sommerzeit, wie sie der Kalender begrenzt, treiben sich die Ephialtes-Arten in den Wäldern umher, vorzugsweise an zerbohrten Baumstämmen, denn hier nur finden sie die Wiege für ihre Nachkommen. Sehr bedächtig tastet das Weibchen mit vorgestreckten Fühlern, deren Spitze bogenförmig nach unten steht, überall umher, verweilt forschend, wie riechend, bei jedem Bohrloche und vertieft sich so in diese Arbeit, daß sein scheues Wesen schwindet und man in nächster Nähe dabei stehen kann, ohne es zu verscheuchen. Ist endlich die rechte Stelle gefunden, so wird der Hinterleib hoch emporgehoben, so daß das Tier förmlich auf dem Kopfe steht, die Bohrerspitze eingeführt und behutsam bis zur Larve vorgeschoben, wobei der Hinterleib mit seiner Spitze allmählich herabgeht, während die Scheide immer senkrecht nach oben gerichtet ist. In solcher Stellung verharrt die Wespe, bis das Ei gelegt ist, und befindet sich währenddessen in einem vollkommen hilflosen Zustand, indem sie sich selbst anheftete. Die im nächsten Jahre erwachsene Larve spinnt ein schwarzes, walziges Gehäuse, die ihr entschlüpfte Wespe frißt sich durch und gelangt durch das Bohrloch des Wohntieres zur Freiheit. Ich habe die Männchen mancher kleineren Arten aus Glasflüglerraupen erzogen ( Sesia sphegiformis), aus der einer Schwammotte ( Scardia polypori), aus den knotigen Anschwellungen, welche die Larve des kleinen Pappelbockkäfers ( Saperda populnea) hervorbringt, ferner aus einem Kiefernzapfen. Sie alle schmarotzen bei im Holze verborgenen Larven, wie schon der lange Bohrer des Weibchens beweist, scheinen aber beim Eierlegen mehr den Bohrlöchern zu folgen, da es ihnen nicht möglich sein dürfte, zwischen den Gefäßen des harten, d. h. sehr dichten Eichenholzes einzudringen, wie die Rhyssa-Weibchen in die weichen Hölzer. Sonst weichen sie von den eben genannten in der Lebensweise nicht ab.
Eine der gemeinsten Schlupfwespen und, wenn sie bei der Entwicklung reichliches Futter hatte, eine der größeren heimischen Sippengenossen ist die
Pimpla instigator, ein schwarzer Geselle, der lebhaft gelbrote Schienen und Füße an den vier vorderen Beinen, an den hintersten dagegen nur die Schienen von der genannten Farbe hat. Lichte Flügelschüppchen und Taster zeichnen das Männchen
aus; beim Weibchen, das im Hinterleibe wenig breiter ist und eine Bohrerscheide von kaum halber Länge jenes sehen läßt, haben sie dunklere Färbung. Daß die Luftlöcher des breiten und rauhen Hinterrückens länglich sind, die Stirn bis zu den Fühlern durch quere Nadelrisse rauh wird, die Glieder dieser an ihren Spitzen etwas anschwellen, die Klauen an ihrer Wurzel keinen lappigen Anhang haben, wie viele andere, und daß sich endlich die innere Querader des Hinterflügels weit über ihrer Mitte einknickt, um einen Längsnerv auszusenden: das alles sind Merkmale, die wohl beachtet sein wollen, um die zahlreichen, oft recht ähnlichen Arten unterscheiden zu können. Daß die
Pimpla instigator so gemein und daß sie in der Größe zwischen 11 und 19,5 Millimeter schwankt, hat seinen Grund in der Eigentümlichkeit des Weibchens, seine Eier einer großen Menge sehr verschiedener Schmetterlingsraupen, die vorherrschend den Spinnern angehören, einzuverleiben. Alle derartigen Raupen, die sich in unsern Gärten unnütz machen, viele der berüchtigtsten Waldverderber, wie die Raupen der Nonne, des Prozessions- und Kiefernspinners, sind ihm genehm, darum bekommen wir diesen Herumtreiber auch überall zu sehen. Meist mit etwas gehobenen Flügeln spaziert er an Baumstämmen, auf Hecken, an Lehmwänden, kurz, allerwärts umher und sucht sich seine Beute aus. Ehe es sich die ruhig dasitzende Raupe versieht, erhält sie einen Stich, und in kürzester Zeit ist trotz aller abwehrenden Bewegungen des Körpers das Ei durch den kurzen Eileiter geglitten und ihrem Innern einverleibt. Mit wippendem Fluge ist die Übeltäterin verschwunden, treibt ihr Unwesen in nächster Nähe weiter und läßt sich durch nichts außer Fassung bringen. Auch Spinneneier sind in ihrem Gespinstballen nicht sicher vor den Angriffen seitens dieser Wespen, wenn auch unsere Art meines Wissens noch nicht dabei betroffen wurde. Der wesentliche Unterschied der beiden Gattungen
Pimpla und
Ephialtes beruht im gedrungeneren Körperbau jener; die Hinterleibsglieder sind, wenigstens beim Weibchen, immer breiter als lang, und der Bohrer erreicht nur in seltenen Fällen die Länge des Hinterleibes. Auch
Pimpla breitet sich samt der vorigen Gattung mit zahlreichen Arten über die ganze Erde aus.
Habermehl hat einen dramatischen Kampf zwischen einem Weibchen und einer Spinne beobachtet und schildert ihn mit folgenden Worten:
»Am 21. Juni 1900, abends 6½ Uhr, bei bedecktem Himmel, sah ich am sogenannten Rosengarten bei Worms, wie sich ein Weibchen der
Pimpla oculatoria F. von den von einem Ulmenblatt herunterhängenden Spinnfäden durch heftig zerrende Bewegungen zu befreien suchte, was dem Tierchen auch nach einiger Zeit gelang. Zu meiner großen Überraschung flog die Schlupfwespe jedoch sofort wieder auf das Ulmenblatt zurück, wo sie aber in demselben Augenblick von einer kleinen Spinne wütend angefallen wurde. Bei näherem Zusehen entdeckte ich dann auf der Unterseite des Blattes die in einem lockeren Gespinst befindlichen Eier der Spinne, aus die es die Schlupfwespe offenbar abgesehen hatte. Es entspann sich nun zwischen der ihre Eier bewachenden Spinne und der offenbar von Legenot getriebenen Schlupfwespe ein höchst dramatischer Kampf, bei dem ich die Ausdauer der Kämpfenden bewunderte. Unablässig suchte die Spinne ihre Giftklauen in die Schlupfwespe einzuschlagen, während diese mit ihrem Legebohrer auf die Spinne einstach. Dabei konnte ich deutlich beobachten, wie die Stiche der Wespe häufig fehlgingen und das Blatt durchbohrten. Immer wieder versuchte die Spinne, ihren Gegner durch kräftige Bisse und durch Umwickeln mit Spinnfäden unschädlich zu machen, aber jedesmal gelang es der Schlupfwespe, sich wieder zu befreien. Endlich, nach etwa viertelstündigem, erbittertem Kampf, schien die Spinne ermattet zu sein. Während sich diese nun nach dem abwärts umgebogenen Rand des Blattes zurückzog, eilte die Schlupfwespe blitzschnell in das Gespinst auf der Unterseite des Blattes und stieß mehrmals rasch hintereinander den Legebohrer in die Eier der Spinne hinein.«
Harzige Ausscheidungen an den Zweigspitzen junger Kiefernbestände gehören durchaus nicht zu den Seltenheiten. Man hat sie »Harzgallen« genannt, aber mit Unrecht; denn es findet hier keine Wucherung des pflanzlichen Zellgewebes statt, sondern durch die Tätigkeit einer im jungen Holz bohrenden Raupe fließt der harzige Saft aus und erhärtet an der Luft. Dergleichen bis zu Walnußgröße anwachsende Absonderungen entstehen durch verschiedene Raupen zierlicher Blattwickler. Wenn man jene im Frühjahr einsammelt, um den Tortrix resinana zu erziehen, denn so heißt derjenige, um den es sich hier handelt, so kann man bisweilen recht angeführt werden. Statt des Schmetterlings erscheint die Glypta resinanae, ein schwarzer Pimplarier von kaum 8,75 Millimeter Länge, aus jeder Anschwellung nur einer, sei es ein Männlein oder ein Weiblein. Sein Hinterleib ist gleichfalls uneben, wie bei den beiden vorigen, aber nicht durch Knoten, sondern durch je zwei nach vorn genäherte Längseindrücke auf dem zweiten bis vierten Gliede, das Erkennungszeichen der Gattung Glypta, von der es viele Arten gibt. Bei der unsrigen sind die Fußklauen einfach, der Hinterrücken gefeldert, die Vorderflügel ohne Spiegelzelle, das Kopfschild und die Beine mit Ausschluß der schwarzen, weißwurzeligen Schienen und Füße der hintersten rot; beim Männchen sind die Hinterschienen rot und das Kopfschild schwarz. Der Bohrer, bei allen Glypten aus der Spitze des Hinterleibes kommend, erreicht beinahe die Länge des ganzen Körpers. Im Sommer klettert dieses Wespchen auf den Kiefernnadeln umher und braucht kaum andere Stellen aufzusuchen, denn an Blattläusen fehlt es ja hier bekanntlich nicht. Findet das Weibchen einen jugendlichen Harzausfluß, so forscht und prüft es genau und weiß sehr wohl die darin verborgene Raupe zu treffen. Diese lebt den ganzen Winter hindurch mit dem Todeskeime im Leib, und erst im Frühjahr, wenn sie erwachsen ist und sich zur Verpuppung anschickt, kommt der Irrtum an das Tageslicht. Statt des schwarzen Schmetterlingspüppchens erscheint ein helles Gespinst und aus diesem alsbald die beschriebene Glypta
Doch genug; wir haben das Schmarotzertum, das in keiner Kerfordnung nach jeder denkbaren Richtung in so vollendeter Weise ausgebildet ist als bei den Hautflüglern, hinreichend zur Sprache gebracht, um einen Einblick in das geheime Walten des so überaus interessanten Kerflebens zu gewinnen. Möge dieser Blick anregend auf weitere und tiefere Forschungen wirken, damit unsere lückenhaften Kenntnisse mehr und mehr bereichert werden. Jetzt zu der letzten Familie, die sich fern vom Schmarotzerleben hält und in dieser wie in anderer Beziehung sich von allen übrigen Ordnungsgenossen scharf und bestimmt abschließt.
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Die Familie der Pflanzenwespen ( Hymenoptera phytophaga oder Symphyta, Chalastogastra) zeichnet sich im vollkommenen Zustande ihrer Mitglieder durch einen angewachsenen Hinterleib und durch den größeren Zellenreichtum des Vorderflügels, durch die sogenannte lanzettförmige Zelle vor allen andern aus, die Larven aber dadurch, daß sie in größerer Selbständigkeit als alle übrigen auftreten, indem sie sich, in der Mehrzahl frei an Pflanzen lebend, einige jedoch auch im Innern derselben bohrend, nur von lebenden Pflanzenstoffen ernähren. Auf die Larven bezieht sich daher auch obige Bezeichnung der Familie; denn daß alle Aderflügler im vollkommenen Zustande vorherrschend Süßigkeiten lecken, keiner Blätter oder Holz frißt, wurde bereits früher erwähnt.
Der Kopf steht in der Regel dicht vor dem Mittelleib, ist mit Nebenaugen, sechs (sieben)-gliedrigen Kiefertastern und viergliedrigen Lippentastern mit geringen Ausnahmen versehen. Die ungebrochenen Fühler zeigen zwar in der ganzen Ordnung vorherrschende Faden- und Borstenform in den überwiegenden Fällen, doch schleichen sich daneben allerlei Nebenformen, besonders als Schmuck der Männchen, ein. Neun (bis elf) und drei sind Zahlen der sie zusammensetzenden Glieder, die bei der Unterscheidung eine Rolle spielen; sind es ihrer mehr, so Pflegt man sie nicht zu zählen. Der Mittelleib nimmt durchschnittlich den dritten Teil der ganzen Körperlänge, mit Ausschluß des Kopfes, ein und ist in seinem mittelsten Ring, wie bei allen Aderflüglern, am meisten entwickelt, im Hinterrücken hier aber weniger als bei allen übrigen Familien, weil ihm ein »abschüssiger« Teil vollständig fehlt, da der angewachsene Hinterleib seine volle Hinterwand zur Anheftung in Anspruch nimmt. Der kurze Teil, als vorderer von dem abschüssigen bei den andern Familien unterschieden, zeichnet sich nie durch Felderung, wohl aber jederseits durch ein meist Heller gefärbtes häutiges Fleckchen aus, dem Hartig den Namen Rückenkörnchen beigelegt hat. Der Hinterleib ist bei den Männchen etwas plattgedrückt, bei den Weibchen der meisten walzig und läßt die Scheiden der Legröhre an der Unterseite sehen, wenn dieselbe nicht schwanzartig die Spitze überragt. Diese tritt hier nie in Form eines Stachels auf, sondern als Messer, Stoßsäge, Feile, Raspel. Das Geäder der Flügel, namentlich der vorderen, seinerzeit ausführlicher besprochen, verdient ganz besondere Beachtung, weil es in erster Linie zur Unterscheidung der zahlreichen Gattungen benutzt wird. An den Beinen haben diese Wespen die zwei Schenkelringe mit allen nicht stechenden Immen gemein. Die beiden Enddornen der Schienen, an den vorderen bisweilen nur einer, kommen nicht immer in der gewöhnlichen Dornenform, sondern bisweilen breitgedrückt, mehr häutig vor, auch sind die Fußsohlen vieler mit breiten napfartigen Erweiterungen ( Patellen) versehen und die Klauen zweizähnig.
Die in ihrer Gesamtheit eben kurz charakterisierten Wespen wurden und werden noch vielfach in zwei Familien zerlegt: die Holzwespen Die Holzwespen gehören zu den stammesgeschichtlich ältesten Hautflüglern. Ihre ausgestorbenen Vorfahren, die Urholzwespen ( Pseudosirisidae), finden sich schon im oberen Jurakalk und im Solnhofener lithographischen Schiefer. Hrsgbr. mit vortretendem Legebohrer und fußlosen oder höchstens sechsbeinigen, bohrenden Larven und die Blattwespen mit verborgenem Bohrer und mehrfüßigen, äußerlich an Pflanzen fressenden Larven. Unter letzteren kommen jedoch durch äußere Gestalt, Form der Larven und deren Lebensweise so scharf von den übrigen getrennte Wespen vor, daß auch diese eine besondere Familie bilden müßten. Es erscheint daher die Vereinigung aller zu einer Familie und die Zerlegung dieser in drei Sippen, wie im folgenden geschehen, das zweckmäßigste zu sein.
Von den bisher betrachteten Aderflüglern sind nur die Larven der echten Gallwespen auf von ihnen selbst zu erreichende Pflanzennahrung angewiesen, aber insofern vollkommen unselbständige Wesen, als sie in Gallen wohnen und in der ihnen durch die Gallenbildung angewiesenen Kammer der Ortsveränderungen entbehren. Hier finden sich gleichfalls bohrende Larven, die, dem Licht entzogen, beinfarben, wie alle dergleichen Larven, erscheinen, aber doch mehr Freiheit genießen, weil sie ihren Gängen eine beliebige Richtung geben können. Dieselben gehören den Holzwespen an und haben sechs deutliche oder verkümmerte Brustfüße, oder einigen wenigen Blattwespen, wenn ihnen zahlreichere Beine zur Verfügung stehen. Die bei weitem größere Anzahl der Larven lebt aber frei auf den Blättern, gleicht durch bunte Farben den Schmetterlingsraupen, für die sie der Unkundige auch häufig genug hält, und erlangt somit eine Selbständigkeit wie sonst keine Aderflüglerlarve. Diese Afterraupen, wie man sie genannt hat, leben gern in Gesellschaft beisammen und sitzen in der Ruhe schneckenförmig zusammengerollt auf der oberen oder unteren Blattfläche ihrer Futterpflanze. Beim Fressen reiten sie auf dem Blattrande und umsäumen ihn auf sehr eigentümliche Weise, wenn ihrer mehrere beisammen sind. Dabei haben viele die sonderbare Gewohnheit, den von den Brustfüßen an folgenden Körperteil fragezeichenförmig in die Höhe zu halten und taktmäßig auf und nieder zu bewegen, wenn erst eine von ihnen den Ton angegeben hat. Es ist höchst unterhaltend, diese wippenden Fragezeichen zu beobachten, aber auch ersichtlich, daß sie nicht zum Vergnügen, sondern zur Abwehr einer vermeintlichen Gefahr dergleichen Turnkünste vornehmen. Man braucht sich nur der kleinen Gesellschaft so weit zu nähern, daß sie den Atem fühlt, so setzt sie sich in der angegebenen Weise in Bewegung, läßt sich wohl auch herabfallen, wenn sie weiter belästigt wird. Ganz besonders dürfte das Gebaren darauf berechnet sein, einer zudringlichen Schlupfwespe ihr Vorhaben zu vereiteln. Mit Ausschluß des vierten und häufig auch des vorletzten Leibesgliedes trägt jedes ein Paar kurzer Beinchen, von dem die drei vordersten Paare an den Brustringen nur horniger Natur, gegliedert und mit einer Klaue versehen sind, während die übrigen fleischigen Zapfen oder ausstülpbaren Warzen gleichen. Durch jene Lebensäußerungen sowie durch die Anzahl von zwanzig bis zweiundzwanzig Beinen unterscheidet sich jede Afterraupe von der höchstens sechzehnbeinigen Schmetterlingslarve. Ihre Haut erscheint auf den ersten Blick nackt, doch bemerkt man bei genauerer Besichtigung dünne Behaarung, manchmal auffallende Dornspitzchen, nie aber das dichte Haarkleid, wie bei so manchen der letzteren. Die Farben sind lebhaft, doch nicht mannigfaltig, und dunklere Flecke auf hellem Grunde die gewöhnlichen Zeichnungen. Die Afterraupen sind mit einfachen Augen und kleinen Fühlern ausgestattet, häuten sich mehrere Male, wobei manche nicht nur Farbe, sondern auch Gestalt nicht unwesentlich verändern. Eine dritte Form, die den Gespinst-Blattwespen angehört, weicht in Form und Lebensweise wesentlich von den Afterraupen ab, wovon weiter unten bei Besprechung dieser Sippe.
Erwachsen, verlassen die meisten ihre Futterpflanze und spinnen in der Erde, an derselben, unter dürrem Laub oder Moos, mitunter aber auch am Stengel anderer Pflanzen ein tonnenförmiges, pergamentähnliches, jedoch auch zarteres Gehäuse, in dem sie in verkürzter Gestalt und bewegungslos den Winter verbringen und erst kurze Zeit vor dem Ausschlüpfen der Fliege zur gemeißelten Puppe werden. Manche entwickeln zwei Bruten im Jahr und ruhen daher in der Sommerbrut nur kurze Zeit, andere brauchen ein volles Jahr und darüber. In dieser Hinsicht kommen aber auch sonderbare Ausnahmen vor. So verpuppen sich die Larven einer brasilischen Hylotoma-Art ( Dielocerus Ellissi) gesellschaftlich. Das Nest hat die Form eines gestreckten Eis von 10,5 bis 13 Zentimeter Länge und hängt aufrecht an einem Zweig. Jede Larve besitzt ihre eigene Zelle, die in mehreren Schichten dicht, fast wie Bienenzellen, auf- und nebeneinander liegen, so zwar, daß ihre Querachse mit der Längsachse des Zweiges zusammenfällt und ihre beiden Enden frei stehen. Dies Ganze wird von einer gemeinschaftlichen Bedeckung umschlossen, die im Innern seidenartig, auswendig geleimt ist. Beiläufig sei noch eines andern Ausnahmefalles gedacht, der die Lewisii, eine neuholländische Art, näher angeht. Im April legt das Weibchen seine blaßgelben Eier zweireihig in die Blattmittelrippe einer Eucalyptus-Art. Nach wenigen Tagen erscheinen die dunkelgrünen Lärvchen und fressen gesellig, wie es scheint, des Nachts. Die Mutter sitzt schützend über den Eiern und der jungen Brut, während für gewöhnlich die Mütter nicht mehr sind, wenn letztere zum Leben erwacht. – Man kennt bis jetzt mindestens tausend verschiedene Glieder der Familie.
Am 3. Oktober 1857 bemerkte ich an einem Kiefernstamm einige Fuß über der Erde eine große, stahlblau erglänzende, gemeine Holzwespe oder Kiefern-Holzwespe ( Sirex juvencus), die ihren schnurgeraden, von der Mitte des Hinterleibes ausgehenden schwarzen Bohrer in das von der Rinde entblößte Holz eingesenkt hatte. Da in manchen Büchern der Juni, Juli, höchstens noch August als die Schwarmzeit der Holzwespen angegeben wird, so überraschte mich die Erscheinung. Ich näherte mich behutsam, merkte aber bald, daß ich einen wohl erhaltenen – Leichnam vor mir hatte. Es fehlten mir die nötigen Werkzeuge, um in dem gesunden Holz nachzugraben und zu sehen, ob die sorgsame Mutter ein Ei abgesetzt und nicht mehr Kraft genug gehabt habe, ihren Bohrer wieder herauszuziehen. Dieselbe Erfahrung ist auch von andern Seiten gemacht und beim Nachsuchen kein Ei entdeckt worden. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß jene im Drang ihrer Pflichterfüllung die schon vorher aufgewandten Kräfte überschätzt habe und mitten in ihrem Berufe gestorben sei. Infolge späterer Erfahrungen konnte mich die Zeit, in der sich die Wespe zeigte, nicht mehr in Verwunderung setzen, denn einige Jahre nachher hatte ich noch am 7. November ein zwar sehr kleines, aber doch lebensfähiges Weibchen an einem gefällten Baumstamm umherspazieren sehen, und im nächsten Jahr erschienen von der Mitte September an die Wespen so massenhaft in der Gegend von Halle, wie sonst nie. Am 20. des genannten Monats saßen am Stamm einer etwa fünfundzwanzigjährigen Kiefer nicht weniger als sechs Weibchen, von denen vier ihren Bohrer zur Hälfte der Länge in das Holz versenkt hatten. Sie unbeschädigt heraus zu bekommen, war nur durch Anfassen des letzteren mit Anwendung ziemlicher Kraft möglich; wollte man die Wespe selbst ergreifen und an ihr ziehen, so würde man sie mitten entzwei reißen, und der Hinterleib mit dem Bohrer würde im Holz sitzen bleiben, wie ich mich mehrfach überzeugte. Diese und die folgende Art erscheinen in manchen Jahren besonders zahlreich, jedoch ergibt sich aus den Aufzeichnungen durchaus keine Regelmäßigkeit in der Wiederkehr dieser Häufigkeit. Was von der Entwicklung zu erzählen ist, stimmt bei beiden überein; hierüber erst dann, wenn wir ihre Bekanntschaft gemacht haben. Ein Gattungsmerkmal eigentümlicher Art besteht darin, daß der vorderste Brustkastenring in zwei gegeneinander verschiebbare Halbringe zerfällt, von denen der obere den Vorderrücken, der untere die Vorderbrust bildet; überdies bemerkt man am Hinterrücken zwei luftlochähnliche Spaltöffnungen und am Munde keine Kiefertaster. Der Hinterleib endet in einem, bei den verschiedenen Arten wenig anders geformten Afterdorn, der schon bei der Larve angedeutet ist und jedenfalls beim Auskriechen der Wespe aus dem Holz gute Dienste leistet. Ihm schmiegt sich unterwärts die Bohrerscheide dicht an. Die genannte Art ist, wie bereits erwähnt, stahlblau, an den Beinen von den sehr kurzen Schenkeln ab rotgelb, an den Flügeln gelb. Zwei Rand-, vier Unterrand- und drei Mittelzellen legen Zeugnis von ihrem reichen Geäder ab. Das Männchen kleidet sich wesentlich anders. Ein breiter Gürtel um den Hinterleib ist gelbbraun, und die breitgedrückten Schienen und Füße der Hinterbeine nehmen an der dunkeln Körperfarbe teil. Die durchschnittliche Größe eines Weibchens beträgt 26 Millimeter, die eines Männchens die Hälfte; ich besitze aber auch ein Männchen von fast 22 Millimeter Länge und ein Weibchen, das deren nur elf mißt. Solche bedeutende Unterschiede lassen sich hier, wo die Ernährung an einem und demselben Ort geschieht, kaum erklären. Die Larve hat einen hornigen Kopf, Fühlerstumpfe, keine Augen und kräftig entwickelte, aber unsymmetrische Kinnbacken; die Zähne der rechten Hälfte stehen wagerecht neben-, die der linken senkrecht übereinander.
Die Riesen- oder Fichten-Holzwespe ( Sirex gigas) hat einen gelben Hinterleib mit schwarzer Spitze beim Männchen, oder mit bald hinter der Wurzel beginnendem schwarzen Gürtel beim Weibchen, Kopf und Brustkasten sind matt schwarz, an jenem die dick vorquellenden Backen und die Fühler gelb, ebenso sämtliche Beine. Sie findet sich in Gegenden, wo Fichten ( Pinus Picea) wachsen, weil sie als Larve vorzugsweise diesen Nadelbaum bewohnt.
Beide Arten erscheinen einmal früher, einmal später im Jahre, jedoch nicht leicht vor Ende Juni, und leben kurze Zeit. Außer in Jahren, in denen sie besonders häufig sind, kommen sie uns kaum zu Gesicht; denn sie halten sich an den betreffenden Stämmen oder deren Kronen ziemlich verborgen. Beim Fliegen verursachen sie ein lautes Brummen, dem einer Hornisse nicht unähnlich; höchst wahrscheinlich stehen die erwähnten Spaltöffnungen des Hinterrückens hiermit im innigsten Zusammenhange. In welcher Weise je ein Ei bis achtzehn Millimeter tief dem gesunden Holzstamm einverleibt wird, sahen wir bereits. Die bald ausgeschlüpfte Larve bohrt sich tiefer ein und nagt, je größer sie wird, immer mehr an Breite zunehmende, geschlängelte Gänge, die zuletzt über 4,5 Millimeter im Durchmesser haben können. Dieselben sind mit Spänen und den Auswürfen gefüllt. Wie lange Zeit die Larve gebraucht, ehe sie erwachsen ist, weiß man mit Sicherheit nicht anzugeben; ein Jahr mindestens, es können aber auch mehrere Wahrscheinlich mindestens zwei Jahre. Hrsgbr. vergehen, wie wir aus einigen, gleich näher zu erwähnenden Wahrnehmungen zu schließen berechtigt sind. Die erwachsene Larve nagt als Puppenlager das Ende ihres Ganges etwas weiter aus und arbeitet nachher, wie Ratzeburg meint, von da aus einen Kanal bis unter die Oberfläche des Stammes, um der Wespe den Ausgang zu erleichtern. Daß bohrende Schmetterlingsraupen diese Vorsicht gebrauchen, ist hinreichend bekannt; der Schmetterling wäre ja auch unfähig, sich zu befreien. Nicht in dieser unbeholfenen Lage befindet sich die Holzwespe; daß sie nagen kann und es sehr gut versteht, haben zahlreiche Fälle bewiesen. Ich lasse also auch dahingestellt sein, »ob ihr die Larve die Befreiung aus dem Kerker so leicht macht«. Der Umstand, daß die im Nutzholz lebende Larve oft mit in unsere Behausungen verschleppt wurde, die der Fichtenholzwespe mehr als die andere, führte die Bekanntschaft mit dem vollkommenen Kerfe bei Leuten herbei, die ihn draußen im Freien in ihrem ganzen Leben nicht zu sehen bekommen und sich darob sehr verwunderten, urplötzlich von einer so sonderbaren Nachbarschaft Kenntnis zu erhalten. Wie Bechstein erzählt, erschien im Juli 1798 in der Buchdruckerei zu Schnepfental zehn Tage hintereinander jeden Morgen eine große Menge der gelben Art aus dem neugelegten Fußboden und schwärmte an den Fenstern umher. Im Hause eines Kaufmanns zu Schleusingen erschienen in demselben Monat (1843) dieselben Wespen massenhaft, aber aus den das Jahr vorher eingebrachten Unterlagen der Dielen; sie hatten sich also auch durch diese hindurcharbeiten müssen. In Bautzen endlich, um noch einen solchen Fall anzuführen, der zugleich mehr Aufschluß über die Entwicklungs dauer der Holzwespen gibt, kamen im August 1856 aus derselben Stelle, wie in Schleusingen, sechzig bis achtzig Stück der gemeinen Holzwespe zum Vorschein; das Haus war seit 2 ½ Jahren fertig, und die Balken hatten vorher eine Zeitlang frei gelegen. Während dieser mögen die Eier abgesetzt worden und von da an etwa drei Jahre verstrichen sein, bis die Wespen die Dielen durchbohrten. Auch in Bergwerke sind die Larven schon verschleppt worden und haben dann die ausgeschlüpften Fliegen als Berggeister die Grubenlichter verlöscht. Man weih sogar, daß sie selbst Bleiplatten außer dem Holze durchbohrten, um ihrem Drange nach Freiheit gerecht zu werden. Kollar berichtet nämlich, daß zu Wien im neuen Münzgebäude wiederum die gelbe Art nicht nur sehr dicke hölzerne Pfosten, sondern auch die 1 2/3 Zoll starken Bleiplatten eines Kastens durchbohrt hätte, der zur Aufbewahrung von Metallösungen bestimmt gewesen sei. Mehrfache Durchbohrungen der Bleikammern in Schwefelsäurefabriken waren früher schon in Nußdorf beobachtet worden und jüngst in Freiberg, wo es die stahlblaue Holzwespe getan hatte. Man sieht aus den angeführten Beispielen, wie unangenehm unter Umständen diese Tiere werden können, die durch ihren Fraß dem Baum als solchem durchaus keinen Schaden weiter zufügen. – Außer einigen andern, aber selteneren Arten, die in Europa leben, ernährt das nördliche Amerika noch weitere, teilweise sehr ähnliche. – Eine zweite Holzwespengattung, Xiphydria, kommt in nur wenigen und seltenen Arten aus Laubhölzern (Birken, Eichen, Pappeln und andern). Der kugelige, außerordentlich bewegliche Kopf sitzt an einer halsartigen Verlängerung der Vorderbrust, trägt bedeutend kürzere Fühler und am Munde drei- oder viergliedrige Lippentaster, wie bei den vorigen, aber auch Kiefertaster, und zwar fünfgliedrige; in der Bildung des Brustkastens stimmt sie mit der vorigen überein.
Die gemeine Halmwespe Diese Formen saht man neuerdings zu einer eigenen Familie, den Halmwespen ( Cephidae), zusammen. Hrsgbr. ( Cephus pygmaeus) verbirgt sich keineswegs vor den Blicken derer, die überhaupt dergleichen Geziefer sehen wollen. Denn sie besucht vom Mai ab die gelben Ranunkeln, die Schafgarbe und andere Blumen, die den Feldrainen und begrasten Gräben längs der Felder ihr buntes Aussehen verleihen. Im warmen Sonnenschein sieht man sie lebhaft von Blume zu Blume fliegen und Honig naschen, auch Bekanntschaften unter sich anknüpfen; bei bedecktem Himmel sitzt sie still und träge. Ich habe schon fünf oder sechs Stück zu einem Knäuel aufeinander hockend gefunden und daraus ihren heftigen Drang nach Paarung ersehen. Das kleine, drei Linien lange Tierchen erkennt man leicht an dem glänzend schwarzen, reichlich gelb gezeichneten Körper, dessen zusammengedrückter Hinterleib beim Weibchen eine kurze Bohrerscheide nach oben heraustreten läßt, und an den schwach keulenförmigen Fühlern, die einem fast kugeligen Kopf aufsitzen. Zwei Rand- und vier Unterrandzellen zeichnen den Vorderflügel, ein etwas hakig gebogener Enddorn die Vorderschiene, ein überzähliger zur Seite die Mittelschiene und zwei dergleichen die Hinterschiene aus. So harmlos diese Wespchen erscheinen, so unangenehm können ihre Larven den Roggen- und seltener auch den Weizenfeldern werden, in deren Nähe man die Fliege auch am sichersten zu sehen bekommt. Nach der Paarung begibt sich nämlich das Weibchen an die Halme, bohrt einen der obersten Knoten an und läßt hier ein Ei sitzen, nur eins an jedem Halm. Der Eierstock enthält zwölf bis fünfzehn Eier, deren Unterbringung dieselbe Arbeit von neuem erfordert. Nach ungefähr zehn Tagen schlüpft die Larve aus und begibt sich sofort in das Innere der Röhre. Hier nährt sie sich von den abgenagten Spänen der Innenwände, durchfrißt die Knoten und spaziert auf und nieder, dicht eingezwängt in die enge Klause; denn man findet sie aufrecht und mit dem Kopf nach unten stehend, oben oder unten, und die Kotkrümchen an verschiedenen Stellen beweisen, daß sie da war, einzelne Häute mit der hornigen Kopfschale, daß sie sich gehäutet hat. Sie hat eine S-förmige Gestalt, sobald man sie aus der Röhre herausnimmt, einen knotigen Körper, der nach hinten allmählich dünner wird, und läßt an der Brust höchstens warzenartige Anschwellungen, aber keine eigentlichen Füße erkennen, wie beispielsweise die Larven der Nußbohrer oder ähnlicher Rüsselkäfer. Am hornigen Kopf unterscheidet man kurze Fühlerchen, je ein Auge und kräftige Mundteile. Gegen die Erntezeit ist sie vollkommen erwachsen, zieht sich zurück bis zum untersten Halmende und spinnt sich in ein Seidengehäuse. In diesem und also in der Stoppel bleibt sie über Winter liegen, und erst vierzehn Tage vor der Schwärmzeit wird sie zu einer gemeißelten Puppe. Was wird aber aus dem Halm, den sie innerlich bearbeitete? Demselben sieht man nichts an, wohl aber seiner Ähre, die sich frühzeitig entfärbt. Wenn auch die gesunden Ähren zu reifen beginnen und das Ansehen die kranken von ihnen nicht mehr unterscheiden läßt, so braucht man sie nur zu befühlen. Bekommt man eine Ähre zwischen die Finger, die in ihren unteren Teilen sich als körnerlos und schwach erweist, so kann man mit ziemlicher Gewißheit darauf rechnen, beim Spalten des Halmes den Übeltäter zu entdecken. Gleichzeitig und an gleichen Orten mit der Halmwespe treibt sich eine fast noch längere, schlanke Schlupfwespe umher, der zu den Sichelwespen gehörige Pachymerus calcitrator der später als jene dieselben Halme aufsucht, um die bereits dort hausende Larve mit einem Ei zu beglücken; denn er schmarotzt, meines Wissens, ausschließlich bei dieser Zwergsägewespe. – Es gibt noch einige sehr ähnliche Arten, deren Lebensgeschichte man bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt hat, und nur von der einen ( Cephus compressus) Die Hauptfarben auch dieser Art sind Schwarz und Gelbrot. Hrsgbr. weiß man, daß sie als Larve vom Marke einjähriger Zweigspitzen der Birnbäume lebt.
Die Gespinst- oder breitleibigen Blattwespen ( Lyda, Pamphilius) bilden in ihren zahlreichen, nicht leicht zu unterscheidenden und noch wenig in der Lebensweise erkannten Arten eine zweite, sehr bestimmt abgegrenzte Sippe. Die langen, borstigen Fühler, der, weil einem Halse aufsitzend, ungemein bewegliche Kopf sowie das Flügelgeäder bringen sie den Holzwespen nahe, den flachgedrückten, beinahe wagerecht gestellten Kopf, platten Mittel- und gleichfalls Platten, an den Seiten gekanteten Hinterleib beanspruchen sie als Eigentümlichkeit für sich allein, und wegen des nicht vorstehenden Legbohrers und der außen von den Pflanzen lebenden Larven schließen sie sich den echten Blattwespen an. In letzterer Hinsicht jedoch noch nicht vollständig; denn die Larven sind ärmer an Beinen und leben in einem leichten Gespinst oder in einem Blätterfutteral, wie gewisse Motten oder Zünsler unter den Schmetterlingen.
Die Kotsack-Kiefernblattwespe ( Lyda campestris), eine nicht eben seltene Art, mag uns alle diese Verhältnisse etwas genauer erläutern. Die schmutziggrüne Larve hat nur sechs Brustsüße, siebengliedrige, lange Fühler, am After ein Hornhäkchen und seitwärts je ein dreigliedriges Anhängsel. Sie lebt im Juli an drei- und vierjährigen Kiefern, wo sie das röhrenförmige, durch ihren Kot undurchsichtige Gespinst kenntlich macht. Sie selbst hält sich darin versteckt und kommt meist nur am unteren Gespinstteil mit dem Vorderkörper hervor, um eine außerhalb befindliche Nadel von der Spitze bis zur Wurzel abzuweiden, was sie ungefähr in einer Stunde fertig bringt. Sind alle Nadeln im Bereiche ihres Nestes verzehrt, so verlängert sie dasselbe und kann auf diese Weise den ganzen Maitrieb des jungen Bäumchens vernichten. Ende August ist sie erwachsen, in einem warmen Sommer schon früher, läßt sich an einem Faden herab und gräbt sich bis dreizehn Millimeter tief in lockere Erde ein, bereitet aus dieser ein bohnenähnliches, loses Gespinst und verschläft hier in gekrümmter Stellung den Herbst und Winter. Mitte April des nächsten Jahres kann man unter Umständen statt ihrer eine Puppe finden, es ist aber auch möglich, daß Ende Mai die Larve noch unverwandelt liegt, ausnahmsweise Was Taschenberg hier als Ausnahme bezeichnet, scheint nach neueren Erfahrungen die Regel zu sein. Hrsgbr. sogar das ganze laufende Jahr hindurch. Vierzehn Tage ungefähr ruht die Puppe, dann erscheint die Wespe, die sich ziemlich versteckt zwischen den Nadeln hält und darum wenig bemerkt wird. Geht man bei warmem Sonnenschein durch jene Schonungen, in welchen sie sich aufhält, so fliegt sie scheu auf und verrät sich durch schwaches Summen mit den Flügeln. Ihr Körper ist bis auf die größere, rötlichgelbe Hinterleibsmitte (Glied 2 bis 5) glänzend blauschwarz, Mund, Fühler, ein Augenfleck, Schildchen, Knie, Schienen, Füße und Flügel sind gelb, letztere auf dem Male blaufleckig. Die Vorderschienen haben zwei End- und zwei Seitendornen, die mittleren zwei der letzteren Art übereinander, die hintersten nur einen und auch nur einen am Ende. Diese Dornenverhältnisse ändern sich bei andern Arten, darum müssen sie, wie die Oberflächenverhältnisse des Scheitels zu seiner Umgebung sowie die Beschaffenheit der schmalen Wurzelzelle am Vorderrand des Vorderflügels, stets genau geprüft werden, wenn es sich um Artunterschiede handelt. Die eben genannte Zelle ist hier durch eine an der Spitze gegabelte Längsader in drei Teile zerlegt, während bei andern durch Wegfall des oberen Gabelästchens nur zwei Teile entstehen. Ebenso steht hier der Scheitel nicht polsterartig über seine Umgebung heraus, wodurch sich andere Arten auszeichnen. An dem Vorderflügel unterscheidet man überdies zwei Rand- und vier Unterrandzellen, deren letzte sich nicht vollkommen schließt. Das befruchtete Weibchen setzt seine Eier, höchstens ihrer drei, auf ein Bäumchen an verschiedene Zweige des Maitriebes ab, dieselben nur anklebend, und die Folgen davon haben wir bereits kennengelernt.
Eine zweite, gleichfalls an Kiefern lebende Art ist die entschieden schädlichere große Kiefernblattwespe ( Lysa stellata oder pratensis) der Forstleute, deren Gespinst ziemlich klar bleibt, da nur vereinzelte Kotklümpchen in ihm hängen bleiben; eine dritte, die an dem stahlblauen Körper und dem roten Kopfe des Weibchens leicht kenntliche rotköpfige Gespinstblattwespe ( Lyda erythrocephala), lebt ebenfalls im Larvenstande an Kiefern und gehört mit beiden vorigen derselben Grundform an. Andere Arten leben gesellig in einem und demselben Gespinst, wie die gesellige Fichtenblattwespe Im Jahre 1900 sind in einem Nassauer Forst etwa 500 Hektar Fichten von diesem Insekt vernichtet worden. Hrsgbr. ( Lyda hypotrophica) an fünfzehn- bis zwanzigjährigen Fichten, die Birn-Gespinstwespe ( Lyda pyri oder clypeata) an Birnbäumen und Weißdorngebüsch. Die einsam lebende Larve der Rosen-Gespinstwespe ( Lyda inanita) fertigt ein langes Gehäuse aus Stückchen von Rosenblättern, in dem sie lebt, und so ließe sich noch manche Eigentümlichkeit dieser und jener näher bekannten Art aufzählen, wenn es der Raum gestattete. Die Larven aller haben denselben Bau und unterscheiden sich nur durch Färbung und Zeichnung voneinander sowie durch die eben angedeuteten Lebensgewohnheiten. Der Süden Europas scheint reicher, namentlich auch an bunteren Arten zu sein als unsere nördlicheren Gegenden? ich habe wenigstens einige sehr zierliche Gestalten aus Griechenland erhalten.
Die artenreichste, überall verbreitete Sippe umfaßt die echten Blattwespen ( Tenthredinidae), von deren Larven und Lebensweise das oben Gesagte gilt. Die Wespen selbst, sich in lang gestreckte und gedrungene Formen gruppierend, haben in der Mehrzahl neungliedrige, einige dreigliedrige Fühler, die bei den Männchen öfters anders gebildet sind als bei den Weibchen, an ihnen und am Flügelgeäder unterscheidet man hauptsächlich die zahlreichen Gattungen, an einem niedergedrückten, quer bogig endenden Hinterleib die Männchen von ihren Weibchen, deren walziger Hinterleib stumpf gespitzt endigt und den Bohrer in der Ruhelage verbirgt. Manche Arten haben zwei und mehr Brüten im Jahre, doch muß man bei der Beurteilung dieser Verhältnisse vorsichtig sein, weil sie durch oft unregelmäßige Entwicklung mehr oder weniger verwischt werden.
Die Kiefern-Kammhornwespe ( Lophyrus pini) hält sich, wie ihr Name vermuten läßt, nur in Kiefernwäldern auf, wo die Larve bisweilen nicht unbeträchtlichen Schaden anrichtet. Man hat gesehen, wie dieselben in so dicht gedrängten Reihen auf die Bäume kletterten, daß die Stämme gelb gefärbt waren, wie sie oben die Nadeln vollständig bedeckten und in Knäulen von der Größe eines Menschenkopfes daran hingen. Hatten sie alles Grün verschwinden lassen, so zogen sie weiter nach andern Revieren, die vom Schauplatz ihrer Verwüstungen durch einen Bach getrennt waren. Zu Tausenden und abermals Tausenden wimmelten sie am Ufer desselben, und weil sie ihre Richtung nicht änderten, stürzten sie in das Wasser. Tag für Tag wogten sie aus dem Innern jenes vernichteten Bestandes ihrem sicheren Tode zu, so daß der Bach während dieser Zeit nicht von lebendigem Wasser, sondern von dem mit dem Tode ringenden Geziefer gebildet zu sein schien. Solche Erscheinungen kommen selten vor, trotzdem sind die Verwüstungen noch groß genug, wenn das gewöhnliche Maß auch nicht in solchem Umfange überschritten wird. Für gewöhnlich erscheint die Afterraupe vom Mai ab in sehr mäßiger Anzahl. Sie hat zweiundzwanzig Beine, eine grüne, je nach dem Alter in Gelb oder Braun spielende Körperfarbe und eigentümlich geschwungene, rauchgraue oder schwarze Zeichnungen über den vorderen Beinen. Nach acht Wochen oder darüber hinaus, wenn die Witterungsverhältnisse ungünstig, ist sie erwachsen, nachdem sie sich fünfmal gehäutet hat. In diesem Zustande erblicken wir mehrere auf einem Zweig, ebenso das Tönnchen, in dem sie sich an einer Nadel verspinnt. Ende Juli nagt die Wespe ein Deckelchen los und kommt an das Tageslicht. Sehr charakteristisch wird sie und ihre Gattung durch die bei den verschiedenen Arten siebzehn- bis zweiundzwanziggliedrigen Fühler. Beim Weibchen sind diese gesägt, beim Männchen außerordentlich zierlich kammzähnig; die Zähne nehmen nach der Spitze hin allmählich an Länge ab, stehen in zwei Reihen, und jeder hat, wie die Fahne einer Feder, wieder seine Fiedern. Eine Rand- und drei Unterrandzellen, zwei Enddornen an den Vorderschienen kennzeichnen die Gattung, und unsere Art unterscheidet man von den vielen ähnlichen im weiblichen Geschlecht durch die in der Mitte der Fühler auftretende größte Stärke derselben, durch den dicht punktierten Kopf und Mittelleib, die hier und da in kleinen Strecken ausgebliebenen Flügeladern und die zwei Endspornen an den Schienen der Hinterbeine; Kopf und Rücken des Mittelleibes sowie die Hinterleibsmitte sind vorherrschend schwarz, ebenso ein Mittelfleck der Brust, das übrige ist schmutzigrostgelb. Das Männchen erkennt man an seinem schwarzen Kleid, wovon nur die von den Knien an schmutzigrostgelben Beine eine Ausnahme machen, an dem dunkeln Flügelmale und derselben Körperpunktierung, wie sie eben am Weibchen auseinandergesetzt wurde. Gleich nach ihrem Erscheinen paaren sich die Wespen, und das Weibchen kriecht sofort, mit den vorgestreckten Fühlern suchend, umher und wählt, wenn der Juli noch nicht vorüber ist, vorjährige Nadeln, später vom August ab schwärmende Weibchen gehen an diesjährige. Hat es die erwünschte Stelle ausfindig gemacht, so setzt es sich, gleichviel ob an der Spitze oder am Grunde beginnend, auf die scharfe Kante der Nadel, schneidet mit seiner Säge das Fleisch bis auf die Mittelrippe durch und läßt ein Ei neben das andere seiner Länge nach auf diese gleiten. Die Spaltöffnung wird mittels eines gleichzeitig ausfließenden Schleimes, der sich mit den Sägespänen vermengt, zugekittet. Auf solche Weise gelangen zwei bis zwanzig Eier in eine Nadel, deren Kante durch ebenso viele, von der Seite als Bierecke erscheinende, sich aneinander reihende Kittknötchen wieder geschlossen wird. Ein Weibchen vermag achtzig bis hundertundzwanzig Eier abzusetzen, und zwar geschieht dies immer an benachbarten Nadeln. Mit kurzer Unterbrechung behufs der Ruhe wird die Arbeit Tag und Nacht bis zu Ende fortgesetzt, und ein schneller Tod ist die Folge der gehabten Anstrengung. Je nach der Witterung ist ein Zeitraum von vierzehn bis vierundzwanzig Tagen ausreichend, um das Ei zur Entwicklung zu bringen; dabei schwillt es etwas an, und der Kitt löst sich von selbst, so daß die junge Afterraupe ohne Mühe herauskriechen kann. Berechnen wir die bei den verschiedenen Ständen bereits angeführten Zeiten ihrer Entwicklung, so ergibt sich im günstigsten Fall eine Lebensdauer vom Ei bis zum Schwärmen der Wespe von etwa drei Monaten. Findet letzteres nach gewöhnlichen Witterungsverhältnissen zum erstenmal im April statt, so wird im Juli die zweite, gewöhnlich immer zahlreichere Brut schwärmen, und der Fraß der Raupen fällt somit in den Mai und Juni von der ersten, in den August und September von der zweiten Brut, die unter Moos ihre Tönnchen spinnt, darin überwintert und im nächsten Jahr den Anfang macht. Indes muß man nicht meinen, daß die Regelmäßigkeit auch immer statthabe; nach sorgfältig angestellten Beobachtungen kann die erste Brut im nächsten Frühling zur Entwicklung gelangen, oder im Nachsommer, ja selbst mit Überspringung eines ganzen Jahres erst im dritten, ebensowenig braucht die Brut des Spätsommers gerade den ersten Schwarm im folgenden Frühjahr zu bilden. Merkwürdig bleibt hierbei der Umstand, daß die Larven derselben Wespenart wenige Tage in ihrem Gespinst ruhen und in einem allerdings selteneren Falle mehrere Jahre. Im allgemeinen ist die Afterraupe gegen äußere Einflüsse ziemlich empfindlich, besonders in der zarten Jugend und vor dem Verspinnen; es fehlt nicht an Beispielen, wo man nach einer kühlen Nacht, einem heftigen Gewitterregen, nach Höhenrauch usw. ganze Familien in den verschiedensten Stellungen und Färbungen tot, teils auf den Nadeln, teils unter den Bäumen angetroffen hat. Daß sie außerdem noch von vielen Schmarotzern aufgesucht werden – man hat beinahe vierzig verschiedene Arten daraus erzogen – geht aus dem Vorhergehenden zur Genüge hervor. Im Winter schleppen die Mäuse gern die Tönnchen zusammen und fressen sie aus.
Nematus ist eine sehr verbreitete Gattung, deren Arten wegen der großen Übereinstimmung in der unbestimmten, oft matten Färbung unzureichende Unterschiede bieten; neungliedrige, borstige Fühler, die im Vergleich zum kleinen Körper oft ziemlich lang erscheinen, eine Rand- und vier in der Anlage vorhandene Unterrandzellen, die aber wegen Fehlschlagens der Querader zwischen den beiden ersten nicht immer zustande kommen, und deren zweite beide rücklaufende Adern aufnimmt, bilden die Gattungsmerkmale. Die Larven haben zwanzig Füße. Unter ihnen fällt die in der Mitte des Körpers grünblaue, an beiden Enden gelb gefärbte durchaus schwarz punktierte und schwarzköpfige, eines jener oben erwähnten Fragezeichen, vom Juli bis Oktober an verschiedenen Weidenarten in die Augen. Sie gehört dem Nematus salicis an, einer gelben, am Scheitel, Flügelmale, den Fühlern und auf dem Mittelrücken fleckig schwarzen Wespe von nahezu 10 Millimeter Länge. – Die höchstens 6,5 Millimeter lange, rötlich gelbe Stachelbeer-Blattwespe ( Nematus ventricosus), die noch eine Menge anderer Namen führt, ist am Kopf außer dem Mund und der Unterseite der Fühler, an drei Flecken auf dem Brustrücken, an der Brust mehr oder weniger und an der Wurzel des männlichen Hinterleibes schwarz, an der Schienenspitze und den Füßen der Hinterbeine braun. Ihre schmutziggrüne, an den Seiten des ersten und der drei letzten Glieder gelbe, schwarzwarzige, schwarzköpfige und kurzhaarige Larve frißt im Mai manchmal die Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche vollständig kahl und erscheint zum zweitenmal desselben Jahres im Juli und August. Von Afterraupen, die am 22. Mai eingetragen waren, erhielt ich schon am 3. Juni zwei weibliche Wespen. Daraus, daß ein Weibchen bis einhundertundzwanzig Eier absetzen kann, erklärt sich die starke Vermehrung. – Die bohnenartigen Anschwellungen der Weidenblätter, verschieden in ihrem Bau und ihrer Verbreitungsweise, entstehen durch grüne Afterräupchen, aus denen sich verschiedene Arten der in Rede stehenden Gattung entwickeln.
Dolerus heißt ein anderes Geschlecht, dessen grob punktierte, meist ganz schwarze, zur Abwechslung auch stellenweise rot gefärbte, zahlreiche Arten uns im ersten Frühjahr begegnen und mit angezogenen Beinen und Fühlern wie tot von den Grasstengeln oder Weidenblüten sich zur Erde fallen lassen, wenn sie merken, daß sie ergriffen werden sollen. Zwei Rand- und drei Unterrandzellen durch Verschmelzung der sonst zweiten und dritten bilden neben den südlichen, plumpen, neungliedrigen Fühlern die Erkennungszeichen. Die beiden rücklaufenden Adern münden in die mittelste Unterrandzelle.
Ein Heer kurz eiförmiger Gestalten, zu denen die kleinsten der ganzen Familie gehören, vereinte man unter dem gemeinsamen Merkmal von zwei Rand- und vier Unterrandzellen, deren zweite und dritte die rücklaufenden Adern aufnehmen, von neungliedrigen, meist fadenförmigen Fühlern, die nur die Länge von Kopf und Mittelleib zusammengenommen erreichen, und nannte die Gattung Selandria. Je nach Beschaffenheit der lanzettförmigen Zelle, der Anzahl der geschlossenen Zellen in dem Hinterflügel, dem Größenverhältnisse der Fühlerglieder hat man die zahlreichen Arten auf eine Reihe von Untergattungen verteilt und dabei noch manchmal seine liebe Not, die unansehnlichen Wesen nach den vorhandenen Beschreibungen richtig zu benennen. Man trifft sie vom Frühling an bis in den Sommer hinein meist auf Gebüsch, an rauhen Tagen ruhig und teilnahmlos dasitzend, aber immer bereit, sich tot zu stellen, wenn man ihnen zu nahe kommt, sehr beweglich und lustig umherfliegend, wenn ihnen die Sonne warm auf den Leib scheint.
Wir begnügen uns hier mit nur zwei Arten und gedenken zunächst der schwarzen Kirschblattwespe ( Selandria, oder Eriocampa adumbrata), wobei wir bemerken, daß sie nicht Selandria aethiops heißt, wie in vielen Büchern zu lesen, sondern daß unter letzterem Namen ein anderes schwarzes Blattwespchen aus nächster Verwandtschaft gemeint ist, die im Larvenzustande an Rosenblättern lebt. Die Kirschblattwespe ist glänzend schwarz, nur an den Vorderschienen, vorn wenigstens, blaß braun. Die durch die Mitte getrübten Vorderflügel haben eine schräge Querader in der lanzettförmigen Zelle und die Hinterflügel zwei Mittelzellen. Bei einer Körperlänge von 5,5 Millimeter spannt sie deren elf. In den ersten Tagen des Juni, aber auch später, kriechen die Wespchen aus ihren mit Sandkörnchen fest durchwebten Gehäusen, die flach unter der Erde während des Winters gelegen haben, aus und begeben sich auf den Baum oder Strauch, unter dessen Schirm sie geruht haben, und der ein Kirsch-, Birnen-, Pflaumen-, Aprikosenbaum oder ein Schlehenstrauch sein kann. Meist im Juli und während des August bis später fallen an den genannten Obstarten glänzend schwarze, nach Tinte riechende Larven auf, die einzeln oder in größeren Gesellschaften beisammen auf der Blattoberseite sitzen und diese nebst dem Blattgrün verspeisen, die Unterhaut jedoch unversehrt lassen. Diese wird alsbald braun, und schließlich hat die ganze Kronenspitze des bewohnten Baumes ein braunes, florartiges Ansehen. Nach viermaliger Häutung ist die zwanzigfüßige Larve, deren frisches Kleid stets grüngelb aussieht, aber alsbald nachher durch Ausschwitzung die schwarze Farbe annimmt und einer nackten Schnecke nicht unähnlich sieht, erwachsen und geht zum Einspinnen in die Erde. Wegen des ungleichmäßigen Ausschlüpfens der Wespe kann man dieselbe fast ein Vierteljahr lang beobachten, ohne zwei Bruten annehmen zu müssen. Sie fliegt in Deutschland, Frankreich und Schweden und wird bisweilen durch ihre Larve recht lästig. In unserer Gegend hat sie sich in den letzten Jahren ungemein ausgebreitet, und im Spätsommer wimmeln alle an den Landstraßen angepflanzten Sauerkirschen von ihrer Larve.
Die Pflaumen-Sägewespe ( Selandria, oder Hoplocampa fulvicornis) hat eine in der Mitte zusammengezogene lanzettförmige Zelle, ist gleichfalls glänzend schwarz, durch gelbliche, kurze Behaarung an Kopf und Brustkasten sowie durch seine Punktierung hier weniger glänzend, an den kurzen Fühlern mehr oder weniger rötlich braungelb sowie an den Beinen, mit Ausnahme der schwarzen Schenkelwurzel an den Hinterbeinen. Dies Wespchen ist wenig kleiner als das vorige, stellt sich zur Zeit der Pflaumenblüte auf den Bäumen ein, um Honig zu lecken, sich zu paaren, und das Weibchen, um seine Eier unterzubringen, die einzeln in einen Kelchabschnitt gelegt werden. Fünf bis sechs Wochen später ist die in der unreifen Frucht vom Kern derselben lebende Larve erwachsen, fällt mit jener vom Baum, bohrt sich durch ein seitliches großes Loch heraus, um in die Erde einzudringen, wo sie in einem festen Gespinste überwintert. Die gelblichrote Larve mit gelbem Kopf und zwanzig Beinen versehen verdünnt sich nach hinten, riecht stark wanzenartig und verrät ihre Gegenwart durch eine Harzträne oder ein Kotklümpchen an der ungefähr mandelgroßen, vor der Zeit bläulich angehauchten Zwetsche. Wo dieses Wespchen häufiger vorkommt, müssen die Bäume gründlich zu jener Zeit durchgeschüttelt und die herabfallenden Früchte sorgfältig gesammelt und vernichtet werden, um hierdurch die Larven zu beseitigen. – Verschiedene grüne Asterräupchen leben in der verschiedensten Weise an den Rosenblättern oder in den jungen Trieben der Rosenstöcke unserer Gärten und entwickeln sich zum Teil gleichfalls in hierher gehörige Wespchen, doch es würde zu weit führen, auch nur annähernd derer zu gedenken, die als Fliegen oder Larven den Sommer über dem aufmerksamen Naturfreunde in auffälliger Weise begegnen.
Die Rüben-Blattwespe ( Athalia spinarum) wird durch ihre Larve, besonders aus der zweiten Brut, für den Landwirt mitunter zur Plage, indem sie die Blätter der Steckrüben und der jungen Ölsaaten im September vollkommen kahl frißt. Die dottergelbe Wespe, die am Kopf und an den Fühlern, am Mittelleibsrücken, mit Ausnahme des Halskragens und Schildchens, und am Vorderrande der Vorderflügel bis zum Male schwarz erglänzt, hat schwarz und gelb geringelte Füße und etwas keulenförmige, elfgliedrige Fühler. Sie erscheint zuerst aus der überwinterten Larve im Mai und wird kaum bemerkt, weil sie nur einzeln fliegt; bloß ausnahmsweise hört man jetzt über die ihr entstammenden Larven klagen, wie beispielsweise die Krautgärtner in der Gegend von Halle im Juni 1866. Ende Juli und August schwärmt die Wespe zum zweitenmal und fällt durch ihre Häufigkeit leicht in die Augen, wenn sie im Sonnenschein auf Wiesenblumen, an Weidengebüsch, an Sträuchern der Waldränder geschäftig umherfliegt und dem Honig oder den Süßigkeiten der Blattläuse nachgeht. An rauhen Tagen sitzt sie still und verdrossen mit angezogenen Beinen und läßt sich herabfallen, wenn man ihr nahe kommt. Junge Ölsaaten kommen ihr nun trefflich zu statten, und kleine Fleckchen an den oberen Rändern der Blätter bezeichnen die Stellen, die das Weibchen verwundete, um hier ein Ei zu versenken. Im September und Oktober machen sich die graugrünen, schwarz gestreiften Larven durch ihren Fraß leicht kenntlich. Sie haben zweiundzwanzig Beine und werden durch das Zusammenfließen der schwarzen Zeichnungen und Striche über den Rücken manchmal ganz schwarz, so daß man sie in England » nigger« genannt hat, im Gegensatze zu der grünen Raupe der Gamma-Eule, die ungefähr zu gleicher Zeit bisweilen gleichfalls Verheerungen auf den Feldern anrichtet. Im Oktober sind die Niggers erwachsen, gehen flach unter die Erde und fertigen sich ein mit Krümchen derselben untermischtes Gehäuse, in dem sie überwintern. – Einige andere Blattwespen gleichen in Färbung und Größe der in Rede stehenden ungemein, können aber nicht mit ihr verwechselt werden, wenn man Flügelgeäder und Fühlerbildung einer genauen Prüfung unterwirft; nur eine Art, die Athalia rosae, stimmt mit ihr auch in diesen Beziehungen überein, unterscheidet sich jedoch von ihr durch geringere Größe und den durchaus schwarzen Rücken des Brustkastens.
Die größten von den schlanken, echten Blattwespen gehören dem alten Geschlechte Thenthredo an, das in seiner heutigen Begrenzung immer noch sehr zahlreiche Arten umfaßt, die sich nicht immer leicht voneinander unterscheiden lassen; Arten, bei denen öfters Männchen und Weibchen in der Farbe nicht übereinstimmen; besonders kommt es häufig vor, daß ein durchaus schwarzer Hinterleib des letzteren einem schwarz und roten des zugehörigen Männchens entspricht. Die Tenthreden sind schmucke und kecke Tiere, die einzigen unter den Blattwespen, die bisweilen einen andern Kerf mit ihren kräftigen Kinnbacken zusammenarbeiten und verzehren. Fleisch gehört zwar nicht zu ihrer gewöhnlichen Kost, sie verschmähen es aber nicht, wie ich einigemal zu beobachten Gelegenheit fand. Neungliedrige Borstenfühler, die in der Regel den Hinterleib an Länge übertreffen, zwei Rand- und vier Unterrandzellen in den Vorderflügeln und Hinterhüften, die höchstens bis zum Hinterrande des zweiten Hinterleibsgliedes reichen, kennzeichnen neben der gestreckten Körperform die Gattung, die man nach der Beschaffenheit der lanzettförmigen Zelle in eine Reihe von Untergattungen zerlegt hat. Um auf ein Paar leicht kenntliche Arten aufmerksam zu machen, bei denen die lanzettförmige Zelle von gerader Querader geteilt wird und in den Hinterflügeln zwei Mittelzellen vorkommen ( Tenthredo im engeren Sinne), sei die auf Weidengebüsch hierzulande recht gemeine grüne Blattwespe ( Tenthredo scalaris) erwähnt. Sie sieht lichtgrün aus und trägt auf dem Rücken von Mittel- und Hinterleib mehr oder weniger ausgedehnte schwarze Flecke, die in der Regel auf letzterem als Mittelstrieme zusammenhängen. – Tenthredo viridis, welche Art, bevor Klug durch seine Bearbeitung dieser Wespen manche Irrtümer beseitigte, häufig mit der vorigen verwechselt wurde, ist vorherrschend schwarz, und die lichtgrüne Färbung spielt nur eine untergeordnete Rolle. – Die gelbgehörnte Blattwespe ( Tenthredo flavicornis) hat, wie ihr Name andeutet, nicht nur gelbe Fühler, sondern auch gelbe Beine und einen gelben, schwarz bespitzten Hinterleib. Sie gehört zu den zierlichsten Arten und mißt 13 Millimeter.
Die Arten, deren Hinterhüften sich so weit verlängern, daß sie fast bis zum Hinterrande des dritten Hinterleibsgliedes und somit die Spitze ihrer Schenkel bis zu der des Hinterleibes reichen, hat man unter dem Gattungsnamen Macrophya zusammengefaßt. – Allantus unterscheidet sich von Tenthredo nur durch die kürzeren, wenig den Mittelleib übertreffenden Fühler, die einem auffallend dicken Grundglieds aufsitzen; alles übrige ist wie dort, besonders auch die Flügelbildung. Die Braunwurz-Blattwespe ( Allantus scrophulariae) hat durchaus gelbe Fühler, auf schwarzem Untergrunde sechs gleichbreite schmale gelbe Binden am Hinterleibe, ein gelbes Schildchen und Hinterschildchen, auch sonst noch einige gelbe Zeichnungen am Mittelleib und Kopf, und gelbe Beine, nur die Hüften und Schenkel sind an drei Seiten schwarz. Die bis 26 Millimeter lange Larve lebt im August und September auf den Blättern der gemeinen Braunwurz ( Scrophularia nodosa) und frißt Löcher in dieselben. Sie hat zweiundzwanzig Beine, zahlreiche Querfalten und wird nach dem schwarzen Kopf hin dicker. Ihre Oberfläche nimmt ein grauweißes, sammetartiges Aussehen an, ist auf dem Rücken breit perlgrau, bisweilen grünlich und milchweiß bereift. Fünf Längsreihen schwarzer Punkte ziehen überdies noch über den Rücken. Nach der letzten Häutung erscheint sie rotgelb, auf dem Rücken dunkler und ohne schwarze Punkte. Sie überwintert, wie alle Afterraupen, in einem elliptischen Gehäuse unter der Erde.
In der Rosen-Bürsthornwespe ( Hylotoma rosae) erblicken wir ein zierliches Tierchen, das nach Größe und Färbung mit der Rüben-Blattwespe verwechselt werden könnte, sich aber bei näherer Betrachtung in einigen wesentlichen Punkten von derselben unterscheidet. Einmal haben die Flügel nur eine Randzelle, und zwar ist dieselbe auf Vorder- und Hinterflügel mit einem Anhange versehen – wie dort kommen auch hier vier Unterrandzellen vor –, die lanzettförmige Zelle schnürt sich in der Mitte ein; sodann bestehen die Fühler aus nur drei Gliedern. Das sehr lange dritte nimmt beim Weibchen eine schwach keulenähnliche Form an, während es beim Männchen auf der Unterseite wie eine Bürste mit dichtem Borstenhaar besetzt ist. Zu diesen Merkmalen kommen als Charakter der Gattung noch die einfachen Klauen aller Füße und ein Seitendorn der hintersten Schienen. Die Art breitet sich von Schweden bis Italien über Europa aus, ist nirgends selten, ihre Larve vielmehr allen Rosenliebhabern bekannt und verhaßt. Sie hat nur achtzehn Beine und eine Länge von 15 bis 19,6 Millimeter. Ihre Grundfarbe ist bräunlichgrün, auf dem Rücken liegen jederseits des grünen Rückengefäßes gelbe, allmählich in die Grundfarbe übergehende Flecke, die öfters zusammenfließen und den ganzen Rücken pomeranzengelb färben. Auf jedem Gliede, mit Ausnahme der beiden letzten, stehen sechs Paar glänzend schwarzer Warzen von verschiedener Größe, als Träger von ebenso vielen Borstenhärchen. An sie schließt sich jederseits noch ein größerer schwarzer Fleck mit mehreren Borsten und an diesen endlich ein kleinerer. Die beiden letzten Ringe haben kleinere Flecke und der letzte einen einzelnen auf dem After. Unmittelbar nach jeder Häutung erscheinen die Warzen als große, graue Blasen mit vielen schwarzen Pünktchen, die nur allmählich ihre gewöhnliche Farbe und Gestalt annehmen. Man findet die eben beschriebene Afterraupe vom Juli bis September auf wilden und angepflanzten Rosen. Zur Verwandlung spinnt sie ein doppelhäutiges Gewebe, dessen äußere Hülle maschige Zwischenräume läßt. Aus den im Juli erwachsenen Larven erscheint die Wespe im August, die späteren überwintern und schlüpfen erst im nächsten Jahre aus. Hier kommen also wieder zwei Brüten vor. Das Weibchen sägt in die jungen Zweige zwei gleichlaufende Reihen von Einschnitten, jeden für je ein Ei. Infolge dieser Verwundung krümmt sich die Stelle und wird schwarz. – Noch andere, mitunter durchaus blauschwarze Arten mit meist gefärbten Flügeln kommen vor, wie beispielsweise die Sauerdorn-Bürsthornwespe ( Hylotoma berberidis), deren bunte Larve manchmal in großen Mengen am Sauerdorn ( Berberis) sitzt. Brasilien, China und Japan ernähren ihre besonderen Arten. Eine sehr nahe verwandte Gattung ist das Spalthorn ( Schizoneura), bei welcher der Randzelle ein Anhang, der Hinterschiene der Seitendorn fehlt und sich das dritte Glied der männlichen Fühler gabelartig spaltet.
Die Birken-Knopfhornwespe ( Cimbex betulae) mag in beiden Geschlechtern die letzte Gruppe zur Anschauung bringen, die durch die Keulenform der Fühler und durch Plumpheit des Körpers leicht kenntlich wird. Diese hinsichtlich der Breite und Schwerfälligkeit des letzteren die Hummeln unter den Blattwespen darstellenden Kerfe haben zwei Rand- und drei Unterrandzellen nebst einer durch eine gerade Querader geteilten lanzettförmigen Zelle als Gattungsmerkmale. Die Arten, bei denen sich letztere in der Mitte zusammenzieht, sind unter dem gemeinsamen Namen abgeschieden worden. Kopf, Brustkasten und Beine sind bei der vorstehenden schwarz oder gelb behaart, jedoch nicht so dicht, daß dadurch die schwarze Farbe und der Glanz der Oberfläche bedeckt würden. Der Hinterleib ist mehr oder weniger rotbraun, beim Weibchen auch lichter, Fühler wie Körper braungelb oder rein gelb gefärbt, die Flügel sind wasserhell oder gelblich, neben dem Male braungefleckt und am Hinterrande getrübt; das dunklere Männchen hat verlängerte Hinterhüften und sehr dicke Schenkel an denselben. Die erwachsene Larve ist lebhaft grün, reichlich, aber sein querfaltig, mit Weißen Wärzchen unregelmäßig bestreut, besonders an den Seiten, hat eine nach vorn abgekürzte, schwarze Längslinie mit gelblicher Einfassung über den Rücken, einen gelben Kopf und zweiundzwanzig Füße. In der Jugend wird sie durch einen Weißen Staubüberzug einfarbig. Sie frißt vereinzelt auf Birken und hat die ihresgleichen eigene Gewohnheit, aus den Körperseiten einen grünlichen Saft ausfließen zu lassen, wenn sie angefaßt wird, doch fließt der Saft nicht so reichlich wie bei andern. Beim Ruhen am Tage pflegt sie zusammengerollt an der Unterseite der Blätter zu sitzen, beim Fressen eine reitende Stellung einzunehmen. Wenn sie erwachsen ist, so fertigt sie an einem Zweig ein pergamentartiges, braunes Tönnchen, in dem sie vom September oder Oktober an das ganze nächste Jahr hindurch bis zum Mai des folgenden zu ruhen pflegt und wenige Wochen vor dem Schwärmen der Fliege zur Puppe wird. Die dieser entschlüpfte Wespe nagt ein Deckelchen vom Gehäuse und erscheint, und wäre es in der Westentasche, wie es einst einem meiner Freunde erging, der für mich ein Gespinst mitgenommen, dort aufbewahrt und abzuliefern vergessen hatte. Viel Mühe mag ihr dies nicht verursachen, denn ihre Kinnbacken wirken so kräftig, daß sie den Finger eines Kindes blutig kneipen können. Andere ähnliche Arten leben auf Weide, Eller, Buche. Was die Namen anlangt, so sei noch bemerkt, daß der wissenschaftliche neu ist. Klug hatte nämlich in seiner monographischen Bearbeitung (1829) eine große Anzahl verschiedener, ineinander übergehender Formen, welche die früheren Schriftsteller als Cimbex femorata, C. sylvarum und andere aufgestellt hatten, unter dem Namen Cimbex variabilis vereinigt. Da seitdem die Zucht aus der Raupe gelehrt, daß dies nicht gut zulässig, hat Zaddach den obigen Namen in Anwendung gebracht.
Hiermit verabschieden wir uns von den Hautflüglern, nicht ohne die Gefühle der Bewunderung und Dankbarkeit gegen sie; denn wir haben gar viele unter ihnen kennengelernt, die es nicht minder als die Honigbiene verdienen, als das Sinnbild und Muster eines unermüdlichen Fleißes und einer strengen Ordnungsliebe aufgestellt zu werden. Indem wir sie verlassen, gehen wir zu denen über, die im schroffsten Gegensatz zu ihnen den Leichtsinn und die Flatterhaftigkeit zur Schau tragen. Diese Sätze rechtfertigen sich nur vom Standpunkt des Menschen, nicht von demjenigen der Tiere selbst. Jedes Tier hat seine eigene Welt, in der es nicht »fleißiger« und »flatterhafter« ist, als der Mensch in der seinigen. Hrsgbr.