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In der Gabe des Fluges erkennen wir ein so bezeichnendes Merkmal des Vogels, daß uns derjenige, dem diese Begabung fehlt, als fremdartiges Geschöpf erscheinen muß. Der ungebildete Mensch erblickt in solchen Vögeln Wundertiere, und seine Einbildungskraft ist geschäftig, das Wunder zu deuten. Ein alter Scheich Kordofans erzählte mir eine köstliche Sage, die berichtet, daß der Riesenvogel Afrikas die Befähigung zum Fluge verloren, weil er in törichtem Hochmute sich vermaß, fliegend die Sonne zu erreichen. Ihre Strahlen versengten seine Schwingen; er stürzte elendiglich zum Boden herab, kann heute noch nicht fliegen und trägt heute noch des Sturzes Zeichen an seiner Brust. Älter, aber minder dichterisch, ist die Anschauung, daß man in demselben Tiere einen Blendling vom Kamele und einem märchenhaften Vogel der Wüste zu erkennen habe. Diese Anschauung klingt wider in uralten Erzählungen und hat sich bis zu unsern Tagen erhalten in dem Namen, den die Wissenschaft als Erbe vergangener Zeiten sich zugeeignet; sie ist aber auch in anderer Weise zur Geltung gebracht worden, da man in den Kurzflüglern die höchststehenden von allen zu erblicken geglaubt und sie an die Spitze der ganzen Klasse gestellt hat.
Die Kurzflügler sind die größten, vielleicht auch die ältesten Mitglieder ihrer Klasse. Ihr Kopf erreicht höchstens mittlere Größe, der Hals fast stets bedeutende Länge, der Leib gewaltige Größe; der Schnabel ist in der Regel ziemlich kurz, breit und stumpf, nur bei den Angehörigen einer kleinen Familie verschmächtigt und verlängert; die Nasenlöcher münden nach der Spitze oder selbst auf ihr; das Bein ist ungemein entwickelt, der Schenkel sehr kräftig, dickmuskelig, der Fuß lang, aber stark, zwei-, drei- oder vierzehig, der Flügel verkümmert und mit gänzlich veränderten, weichen, zum Fliegen untauglichen Federn besetzt, die ebensowenig Schwingen genannt werden können, wie die Schwanz-, richtiger Bürzelfedern noch Steuerfedern sind, das Gefieder zerschlissen, haarartig, weil die Bärte der Fahnen keinen Zusammenhang haben und Faserbüscheln gleichen.
Unter den Sinneswerkzeugen der Kurzflügler scheint das Gesicht ausnahmslos wohlentwickelt, neben dem Gehör aber auch der Geruch in gleichem Maße ausgebildet, das Gefühl oder Empfindungsvermögen schwach, der Geschmack sehr stumpf zu sein. Alle bekannten Arten sind ungemein scheu und fliehen ängstlich die Annäherung eines Menschen, handeln aber ohne Überlegung, wenn es gilt, einer Gefahr zu begegnen, und alle zeigen sich, wie beschränkte Wesen überhaupt, störrisch, boshaft und wenig oder nicht bildsam. Sie leben unter sich, solange die Eifersucht nicht ins Spiel kommt, in Frieden, dulden auch wohl die Gesellschaft anderer Tiere, bekunden aber weder gegen ihresgleichen noch gegen andere Geschöpfe wirkliche Zuneigung. In der Gefangenschaft gewöhnen sie sich einigermaßen an den Wärter, unterscheiden ihn aber kaum von andern Menschen.
Die Kurzflügler fehlen nur in Europa. Afrika, einschließlich Westasiens, beherbergt eine, Amerika drei, Ozeanien, einschließlich der großen südasiatischen Eilande, mehrere verschiedene Arten. Dürre, sandige, mit wenig Gestrüpp und Gras bestandene, kurz, wüstenhafte Ebenen und Steppen geben den einen, dichte Waldungen den andern Herberge. Jene bilden zuweilen zahlreiche Scharen, diese leben einzeln und ungesellig.
Alle Arten zeichnen sich aus durch ihre unübertroffene Fertigkeit im Laufen, einige sollen auch recht leidlich schwimmen; andere Bewegungsarten sind ihnen fremd. Die Nahrung besteht aus Pflanzenstoffen und Kleingetier; letzteres dient den Jungen zur ausschließlichen Speise. Gefräßig im eigentlichen Sinne des Wortes kann man die Glieder dieser Ordnung nicht nennen; einige von ihnen bekunden aber unüberwindliche Neigung, allerlei Gegenstände, die ihrer Gurgel nicht allzu großen Widerstand bieten, hinabzuwürgen und ihren Magen mit ungenießbaren und unverdaulichen Stoffen zu füllen.
Über das Fortpflanzungsgeschäft sind wir erst durch Beobachtungen an gefangenen Straußen unterrichtet worden. Bei allen Straußen übernimmt der Vater den Hauptanteil an Erbrütung der Eier und Erziehung der Jungen.
Der Mensch verfolgt alle Kurzflügler, die einen ihrer Federn, die andern ihres Fleisches wegen, hält auch alle Arten in Gefangenschaft und versucht neuerdings, die wichtigsten zu Haustieren zu machen.
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Die Unterschiede der gegenwärtig noch lebenden Kurzflügler sind so erheblich, daß fast jeder einzelne als Urbild einer besonderen Familie angesehen wird. Vertreter der ersten dieser Familien ( Struthionidae) ist der Strauß ( Struthio camelus). Er kennzeichnet sich durch sehr kräftigen Leib, langen, größtenteils nackten Hals, kleinen, platten Kopf, große glänzende Augen, deren oberes Lid Wimpern trägt, unbedeckte, offene, innen mit haarartigen Gebilden besetzte Ohren, mittellangen, stumpfen, vorn abgerundeten, an der Spitze platten, mit einem Hornnagel bedeckten, geraden Schnabel, dessen Kinnladen biegsam sind, und dessen Mundspalte bis unter das Auge reicht, längliche, ungefähr in der Mitte des Schnabels sich öffnende Nasenlöcher, hohe, starke, auf dem Schenkel nur mit einigen Borsten bekleidete, übrigens nackte Beine, groß geschuppte Läufe und zweizehige Füße, deren innere Zehe mit einem großen, breiten und stumpfen Nagel bewehrt ist, ziemlich große, zum Fliegen jedoch gänzlich untüchtige, mit doppelten Sporen besetzte Flügel, die an Stelle der Schwingen lange, schlaffe, weiche, hängende Federn tragen, ziemlich langen Schwanz, der aus ähnlichen Federn besteht, und nicht undichtes, aus schlaffen, gekräuselten Federn gebildetes Gefieder, das auf der Brustmitte eine hornige Schwiele unbekleidet läßt. Beim Männchen sind alle kleinen Federn des Rumpfes kohlschwarz, die langen Flügel- und Schwanzfedern aber blendendweiß, die nackten Halsteile hochrot, die Schenkel fleischfarben. Das Auge ist braun, der Schnabel horngelb. Beim Weibchen ist das Kleingefieder braungrau, nur auf den Flügeln und in der Schwanzgegend schwärzlich! Schwingen und Steuerfedern sind unrein weiß. Die jungen, unreifen Vögel tragen, sobald sie das Nestkleid angelegt, ein dem Weibchen ähnliches Gefieder. Die Höhe des erwachsenen männlichen Straußes beträgt ungefähr dritthalb, die Länge von der Schnabelspitze bis zum Schwanzende mindestens zwei Meter, das Gewicht etwa fünfundsiebzig Kilogramm.
Steppen und Wüsten Afrikas und Westasiens beherbergen den Strauß. In früheren Zeiten ist er unzweifelhaft viel häufiger gewesen als gegenwärtig, hat auch Örtlichkeilen, Gegenden und Länder bevölkert, in denen er jetzt ausgerottet ist; ein Wüstenvogel aber war er von jeher. Er bewohnt die Sahara und die Lybische Wüste, alle Steppen Innerafrikas und die südlichen Ebenen des Erdteiles, ebenso aber auch weite Landstriche Westasiens. Das Vordringen des Europäers hat ihn aus vielen Gegenden Afrikas, in denen er früher häufig war, zurückgedrängt; demungeachtet verbleiben ihm noch so viele geeignete Örtlichkeiten, daß man sagen darf, er fehlt keinem ausgedehnteren Landstriche Afrikas. Sein Wohnkreis beginnt im Süden Algeriens und reicht bis tief in das Kapland hinein, ebenso wie er, mit Ausnahme der bewaldeten Küstenländer, im Westen nicht minder als im Osten gefunden wird. Sandige Strecken der Wüste, denen aller Pflanzenwuchs mangelt, können Strauße selbstverständlich nicht ernähren? man begegnet ihnen innerhalb des Wüstengürtels daher nur in Niederungen, in denen ein wenn auch spärlicher Pflanzenwuchs den Boden deckt; wohl aber sieht man, wie Heuglin richtig hervorhebt, auch auf gänzlich pflanzenlosen Strecken, sogenannten Hammadas, nicht allzuselten die Fährten des Vogels, der, von einer Niederung zur anderen ziehend, solche Sandmeere durchwandert. In Südafrika scheinen derartige Reisen regelmäßiger zu geschehen als im Norden; wenigstens gedenken alle Reisenden, die Gelegenheit hatten, eingehendere Beobachtungen zu sammeln, des zeitweiligen Auftretens und Wiederverschwindens von Straußen in einem und demselben Gebiete. Eintretende Dürre zwingt die Vögel, bestimmte Weidegebiete zu verlassen und andere, oft weit entfernte, sogar auf sonst gemiedenen Höhen gelegene, aufzusuchen, und ihre außerordentliche Bewegungsfähigkeit setzt sie in den Stand, weite Reisen mit Leichtigkeit zurückzulegen. Selbst in den reichen Steppen, deren endlose Graswälder, mit Buschwald bestandene Einsenkungen und Felder jahraus, jahrein Nahrung gewähren, führen die Strauße, ohne eigentlich Zugvögel zu sein, ein Wanderleben und schweifen, solange sie die Brut nicht an eine bestimmte Stelle bindet, in engeren oder weiteren Grenzen umher.
Einige Reisende, unter ihnen Lichtenstein, sprechen von sehr ansehnlichen Straußenherden, die sie von ihrem Wege aus gesehen haben, und auch Heuglin erwähnt, daß er im Herbste des Jahres 1854 Trupps von meist jungen Vögeln begegnet sei, deren Anzahl wohl fünfzig bis sechzig betragen mochte. Regel ist dies nicht, vielmehr immer nur Ausnahme. Gewöhnlich lebt der Strauß im Süden wie im Norden des Erdteiles in kleinen Trupps von fünf bis sechs Stück oder selbst in Familien, in denen man dann meist mehr Hennen als Hähne bemerkt. Eine solche Familie scheint ein ziemlich ausgedehntes Weidegebiet zu haben und an demselben mit einer gewissen Zähigkeit festzuhalten. Die erste Bedingung, die der Vogel an seinen Aufenthalt stellt, ist Vorhandensein von Wasser. Da, wo solches reichlich vorhanden und nicht überall von Menschen in Besitz genommen wurde, stößt man jederzeit, wenn auch nicht auf Strauße selbst, so doch auf unverkennbare Anzeichen ihres Vorkommens, auf ihre Fährten, die nicht verwechselt werden können. Lichtenstein beobachtete, daß sie nach den Quellen, aus denen sie zu trinken pflegen, immer auf einem und demselben Wege gehen, so daß dadurch gerade Bahnen ausgetreten werden, die in den unbewohnten Gegenden oft auf die Vermutung führen, daß man Fußsteige von Menschen vor sich habe. Da, wo der Unterschied der Jahreszeiten und ihre Einwirkung auf die Pflanzenwelt nicht so groß ist, daß der Strauß zum Wandern gezwungen wird, behält er das einmal gewählte Gebiet wahrscheinlich jahraus, jahrein bei und entfernt sich selten über die Grenzen desselben.
Das tägliche Leben des Straußes verläuft ziemlich regelmäßig. In den Früh- und Nachmittagsstunden sind alle Mitglieder eines Trupps mit der Weide beschäftigt. Hierbei wandeln sie, gemächlich schreitend, etwas voneinander getrennt, durch ihr Gebiet, von einer genießbaren Pflanze zur andern sich wendend. Gegen die Mittagszeit hin haben sie ihren Magen gefüllt und ruhen nun entweder einige Stunden, bald auf den Fußwurzeln hockend, bald auf dem Bauche liegend, oder tummeln sich munter und übermütig umher, führen die wunderlichsten Tänze aus, indem sie wie toll in einem engen Kreise hin- und herlaufen, die Flügel heben und zitternd schwingen, als ob sie versuchen wollten, in die Luft sich zu erheben. Die drückendste Sonnenhitze scheint sie nicht im mindesten zu belästigen, ebensowenig als der glühende Sand sie behelligt. Später gehen sie vielleicht zur Tränke, nehmen sogar, wie Heuglin beobachtete, ein Bad im Meer, indem sie auf Sandbänken in das Wasser waten und hier, oft weit vom Ufer entfernt, bis an den Hals eingetaucht, längere Zeit stehend verweilen. Nachmittags weiden sie wiederum, und gegen Abend suchen sie an irgendeiner geeigneten Stelle ihr Nachtlager, legen sich mit zusammengeknickten Beinen auf den Bauch und schlafen, ohne jedoch auch jetzt noch ihre Sicherung zu vernachlässigen. Vor drohenden Gewitterstürmen legen sie sich ebenfalls nieder; im allgemeinen aber lieben sie Bewegung mehr als Ruhe.
Die starken und behenden Läufe ersetzen dem Strauße zwar nicht das Flugvermögen anderer Vögel, verleihen ihm aber doch eine Bewegungsfreiheit, die wahrhaft in Erstaunen setzt. Bei meiner Reise durch die Bahiuda überritt ich eine sandige Stelle, auf der Straußenfährten in allen Richtungen sich kreuzten. Man konnte an ihnen deutlich erkennen, ob der Vogel behaglichen Schrittes gegangen oder trabend gelaufen war. Im ersteren Falle waren die Fußtapfen ein bis anderthalb, im letzteren zwei bis drei Meter voneinander entfernt. Anderson versichert, daß der Strauß, gejagt und auf geringe Entfernung hin, die englische Meile vielleicht in einer halben Minute durchlaufen könne, weil seine Füße den Boden kaum zu berühren scheinen und jeder Schritt nicht selten vier bis fünfeinhalb Meter weit sei. Diese Angabe ist gewiß übertrieben, wohl aber ist es richtig, daß der Vogel mit einem Rennpferde an Schnelligkeit nicht nur wetteifert, sondern es überholt; das Wort der Bibel: »Zur Zeit, wenn er hoch fähret, erhebt er sich und verlachet beide, Roß und Mann«, enthält also die vollständige Wahrheit. Bei sehr eiligem Laufe breitet der Strauß seine Flügel aus.
Als den am besten entwickelten Sinn des Straußes hat man unzweifelhaft das Gesicht anzusehen. Das Auge ist wirklich schön und seine Sehkraft erstaunlich groß. Alle Beobachter stimmen darin überein, daß man aus dem Gebaren des Riesenvogels deutlich wahrnehmen kann, wie er auf Meilen hin sein nacktes Gebiet beherrscht. Nächstdem sind Gehör und Geruch am meisten entwickelt, Gefühl und Geschmack aber wohl sehr stumpf; wenigstens läßt das Gebaren des Vogels hierauf schließen. Meiner Ansicht nach gehört der Strauß zu den dümmsten Vögeln, die es gibt. Daß er sehr scheu ist, unterliegt keinem Zweifel; er flieht jede ihm ungewohnte Erscheinung mit eiligen Schritten, würdigt aber schwerlich die Gefahr nach ihrem eigentlichen Werte, weil er sich auch durch ihm unschädliche Tiere aus der Fassung bringen läßt. Daß er unter den klugen Zebraherden lebt und sich deren Vorsicht zunutze zu machen scheint, spricht keineswegs für seinen Verstand; denn die Zebras schließen sich ihm an, nicht er ihnen, und ziehen aus dem schon durch seine Höhe zum Wächteramte berufenen Vogel, der davonstürmt, sobald er etwas Ungewohntes sieht, bestmöglichsten Vorteil. Das Betragen gefangener Strauße läßt auf einen beschränkten Geist schließen. Sie gewöhnen sich allerdings an den Pfleger und noch mehr an eine gewisse Örtlichkeit, lassen sich aber zu nichts abrichten und folgen augenblicklichen Eingebungen ihres schwachen Gehirnes blindlings nach. Empfangene Züchtigungen schrecken sie zwar für den Augenblick, bessern sie aber nicht; sie tun dasselbe, wegen dessen sie bestraft wurden, wenige Minuten später zum zweiten Male; sie fürchten die Peitsche, solange sie dieselbe fühlen. Andere Tiere lassen sie gewöhnlich gleichgültig; während der Paarungszeit aber, oder wenn sie sonst in Erregung geraten, versuchen sie, an denselben ihr Mütchen zu kühlen und mißhandeln sie ohne Grund und Ursache, oft auf das abscheulichste. Ein männlicher zahmer Strauß, den wir besaßen, verwundete ein Weibchen, ehe er sich an dasselbe gewöhnt hatte, mit den scharfen Nägeln seiner Zehen gefährlich. Er schlug dabei immer nach vorn aus, und zwar mit solcher Kraft und Sicherheit, daß er jedesmal die Brust der bedrängten Straußin entsetzlich zerfleischte. Uns fürchtete er ebensowenig wie die Tiere, und wenn er sich gerade in Aufregung befand, durften wir uns ohne die Nilpferdpeitsche in der Hand nicht auf den ihn beherbergenden Hof wagen. Niemals haben wir bemerkt, daß er zwischen uns oder Fremden unterschieden hätte; doch will ich damit nicht behaupten, daß er nicht nach und nach sich an eine bestimmte Persönlichkeit gewöhnen könne. Gern stimme ich mit Heuglin überein, wenn er sagt, daß sein ganzes Wesen das Gepräge von Hast und Eile trage, obschon er zuweilen auch längere Zeit wie träumend und gedankenlos ins Weite starre; entschieden aber muß ich meinem verstorbenen Freunde widersprechen, wenn er das Wesen auch als friedlich bezeichnet.
Pflanzenstoffe bilden die hauptsächlichste, jedoch nicht ausschließliche Nahrung des Straußes. In der Freiheit weidet er nach Art des Truthahnes, indem er Gras, Kraut und Laub abbeißt oder Körner, Kerbtiere und kleine Wirbeltiere vom Boden aufliest! in der Gefangenschaft würgt er alles ihm Erreichbare hinab. Er scheint einen unwiderstehlichen Hang zu besitzen, nach allem, was nicht niet- und nagelfest ist, zu hacken und es womöglich aufzunehmen und in den Magen zu befördern. Ein ihm vorgeworfener Ziegelbrocken, eine bunte Scherbe, ein Stein oder ein anderer ungenießbarer Gegenstand erregt seine Aufmerksamkeit und wird ebenso gut verschlungen, als ob es ein Stück Brot wäre. Daß Strauße zu Selbstmördern werden können, indem sie ungelöschten Kalk fressen, steht mit meinen Beobachtungen im Einklange. Wenn wir in Khartum etwas verloren hatten, das für eine Straußenkehle nicht zu umfangreich und für den kräftigen Magen nicht zu schwach war, suchten wir regelmäßig zuerst im Straußenkote nach dem vermißten Gegenstande und sehr oft mit Glück. Mein ziemlich umfangreicher Schlüsselbund hat den angegebenen Weg, wenn ich nicht irre, mehr als einmal gemacht. Berchon fand bei Zergliederung eines Straußes in dem Magen Gegenstände im Gewichte von 4,228 Kilogramm vor: Sand, Werg und Lumpen im Gewicht von 3,5 Kilogramm und drei Eisenstücke, neun englische Kupfermünzen, eine kupferne Türangel, zwei eiserne Schlüssel, siebzehn kupferne, zwanzig eiserne Nägel, Bleikugeln, Knöpfe, Schellen, Kiesel usw. Kleinere Wirbeltiere werden gern verzehrt. Meine gefangenen Strauße in Khartum fraßen einige Küchlein, die sich unvorsichtig in ihre Nähe gewagt hatten; Methuen beobachtete dasselbe. »Eine Ente hatte eine hoffnungsvolle Schar Junge zur Welt gebracht und führte sie mit mütterlichem Stolze im Hühnerhof hin und her. Hier trafen sie auf den Strauß, der mit feierlichen Schritten auf und ab ging, und dieser verschluckte alle jungen Enten, eine nach der andern, als wären es ebenso viele Austern gewesen.« Heuglin zählt, gewiß nicht mit Unrecht, allerlei Kriechtiere, junge Vögel und Wüstenratten zu seinen Nährstoffen. Tagtäglich nimmt er eine bedeutende Wassermenge zu sich. Es ist wahrscheinlich, daß auch er, wie das Kamel, mehrere Tage lang dursten kann; in der Regel aber findet er sich tagtäglich an Quellen oder Wasserlachen ein und vergißt, wenn ihn arger Durst quält, sogar die ihm sonst eigene Scheu. »Wenn Strauße an einer Quelle trinken«, sagt Anderson, »scheinen sie weder zu hören noch zu sehen. Während unseres Aufenthaltes an einer solchen, wo ich in kurzer Zeit acht dieser prächtigen Vögel tötete, erschienen sie regelmäßig jeden Mittag, und, obwohl ich mich nicht an sie heranschleichen konnte, ohne von ihnen gesehen zu werden, ließen sie mich doch in Schußweite kommen und zogen sich nur Schritt für Schritt zurück.« Genau dasselbe haben mir die Araber erzählt, und nach Beobachtungen an Gefangenen scheint mir die Angabe glaubwürdig. Ob mit dieser Menge von Getränk in Verbindung steht, daß der Strauß harnt, wie es sonst kein anderer Vogel tut, lasse ich dahingestellt sein.
Über die Fortpflanzung sind wir erst durch die Beobachtungen, die an gefangenen Straußen angestellt werden konnten, aufgeklärt worden. Je nach der Gegend tritt die Brutzeit früher oder später ein, immer und überall aber kurz vor Beginn des Frühlings, der das Weidegebiet der jungen Brut ergiebig macht. Der Hahn umtanzt die Henne mit gehobenen und zitternden Flügeln und unter allerlei Sprüngen und Gebärden, wie dies später noch ausführlicher geschildert werden wird, und betritt sie dann in sitzender Stellung. Nach geraumer Zeit legt das Weibchen sein erstes Ei, und die übrigen in Zwischenräumen von je zwei Tagen nach, bis das Gelege vollständig ist. Nunmehr beginnt die Bebrütung, und zwar vom Männchen und Weibchen abwechselnd. In kühleren Gegenden werden die Eier während des Tages ebenso regelmäßig bebrütet wie während der Nacht, im Innern Afrikas dagegen bei Tage ohne Schaden für sie stundenlang verlassen, dann aber gewöhnlich mit Sand zugedeckt. Letzteres wurde mir von den Beduinen erzählt und durch Tristram selbst beobachtet. »Einmal, aber auch nur einmal«, sagt dieser verläßliche Forscher, »hatte ich das Glück, ein Straußennest auszunehmen. Mit Hilfe unserer Ferngläser beobachteten wir zwei Vögel, die längere Zeit auf einer und derselben Stelle standen, und fühlten uns veranlaßt, dahin zu reiten. Nachdem wir die schwer zu verfolgende Fährte aufgefunden hatten, ritten wir zur Stelle, auf der wir die Strauße hatten stehen sehen, und fanden dort den Sand niedergetrampelt. Zwei Araber begannen mit ihren Händen zu wühlen und brachten bald vier frische Eier aus einer Tiefe von ungefähr sechzig Zentimeter unter der Oberfläche zum Vorschein.« Die Eier selbst sind verschieden groß, erklärlicherweise aber die größten von allen Vögeleiern. Ihre Länge schwankt zwischen einhundertvierzig bis einhundertfünfzig, ihr Durchmesser an der dicksten Stelle zwischen einhundertzehn bis einhundertsiebenundzwanzig Millimeter; die Gestalt ist schön eiförmig, an beiden Enden fast gleich abgerundet, die glänzende Schale sehr hart und dick, die Färbung gelblichweiß mit hellgelblicher, marmorartiger Zeichnung. Das Gewicht beträgt nach Hardys Untersuchung im Durchschnitt eintausendvierhundertzweiundvierzig Gramm, ebensoviel wie das von vierundzwanzig Eiern des Haushuhnes. Der Dotter ist schmackhaft, obschon bei weitem weniger mild als der des Haushuhnes. Die Eier, die man ums Nest herum findet, sind nachträglich noch von dem oder jenem Weibchen abgelegt worden, während das Männchen bereits brütet. Nach einer zwischen fünfundvierzig bis zweiundfünfzig Tagen schwankenden Brutzeit entschlüpfen die Jungen und werden sofort, nachdem sie abgetrocknet, vom Nest weg und zur Weide geführt. Über sie kann ich aus eigener Erfahrung berichten, da ich einmal zu gleicher Zeit zehn von ihnen besessen, gepflegt und beobachtet habe. Nach Versicherung der Sudaner, die sie mir brachten, waren sie höchstens einen Tag alt; zum mindesten behaupteten die Leute, es sei unmöglich, ältere zu fangen. Es sind allerliebste Tierchen, die aber sonderbar aussehen, da sie eher einem Igel als einem Vogel gleichen. Ihre Bedeckung besteht nämlich nicht aus Federn, sondern aus steifen, dem Igel ähnlichen Horngebilden, die in allen Richtungen vom Körper abstehen. Ihr Betragen ist das junger Trappen oder Hühner. Sie laufen sofort nach dem Auskriechen ebenso behend und gewandt als diese umher und sind geschickt genug, ihre Nahrung zu erbeuten. Nachdem meine Gefangenen ungefähr vierzehn Tage alt geworden waren, benahmen sie sich so selbständig, daß wir annehmen durften, sie vermißten die Führung ihrer Eltern nicht. Gleichwohl wissen wir, daß diese oder mindestens der Vater ihnen sorgfältige Pflege angedeihen läßt. Schon der brütende Strauß betätigt warme Liebe zu den Eiern, tritt verhältnismäßig starken Feinden kühn gegenüber und nimmt zu allerlei Kunstgriffen seine Zuflucht, wenn er meint, einen unwillkommenen, ihm zu starken Gegner loswerden zu können. Im Alter von zwei Monaten verlieren sich die Stachelfedern der jungen Strauße und machen dem unscheinbaren, grauen Gewande der Weibchen Platz. Dieses tragen beide Geschlechter bis zu ihrem zweiten Lebensjahre. In diesem sieht das Männchen schon schwarz aus, erst im dritten Jahre aber ist es ausgewachsen, ausgefärbt und zeugungsfähig.
Der Strauß erträgt, falls er genügenden Raum zu freier Bewegung hat, die Gefangenschaft ohne Kummer, läßt sich auch, wie schon angedeutet, so an einen gewissen Ort gewöhnen, daß er nach Belieben umherschweifen darf, ebenso hüten und auf Reisen mitnehmen. Duveyrier sah auf dem Wege nach Rhat im Lande der Tuaregs einen zahmen Strauß einer Karawane folgen. Dem Vogel wurden, wenn er sich sonst überlassen blieb, Fesseln an die Füße gelegt, wie sie die Kamele auf der Weide tragen, damit er sich nicht verlaufen möge; im übrigen beaufsichtigte man ihn nicht, und er erschien auch regelmäßig wieder mit den Kamelen, denen er dann fessellos folgte. Auch Heuglins gezähmte Strauße wurden mit den Pferden und Kamelen frei auf die Weide getrieben oder durften sich nach Belieben in den Straßen der Ortschaften bewegen. Im Innern Afrikas pflegen alle wohlhabenden und vornehmen Leute, sehr häufig aber auch die Dorfbewohner der Steppe, zu ihrem Vergnügen Strauße zu halten. In der Ortschaft Haschaba in Kordofan fand ich zwei Strauße, die in einem halbwilden Zustande lebten, nach freiem Ermessen im Dorfe oder der es umgebenden Steppe umherliefen, von uns erkauft und in einer Anwandlung von kindischer Ruhmsucht schließlich totgeschossen und abgebalgt wurden. In Khartum schauten über die Mauern der größeren Höfe regelmäßig ein paar Straußenköpfe weg; in andern Ortschaften fanden wir dieselbe Liebhaberei betätigt. Es bedurfte eines einzigen Wortes, d. h. nur des Rühmens der Vögel, um glücklicher Besitzer von Straußen zu werden. Im Sudan dachte niemand daran, letztere zu Haustieren zu stempeln bzw. sie in irgendeiner Weise zu benutzen; man hielt sie einzig und allein des Vergnügens wegen und gab sich nicht die geringste Mühe, sie zu züchten, ebensowenig als man darauf ausging, ihre Federn zu verwerten. Erst der neuesten Zeit gebührt das Verdienst, die Züchtung versucht und Erfolge erzielt zu haben.
Die ersten Strauße wurden in Algier gezüchtet. In Ham hielt man, laut Hardy, seit zehn Jahren in einem ziemlich engen Raume der dortigen Baumschule zahme Strauße. Es waren zufällig viel mehr Männchen als Weibchen vorhanden. Die Männchen bekämpften sich beständig, und die Weibchen legten nicht, sei es nun, daß sie zu jung waren oder daß die Örtlichkeit nichts taugte. Nachdem viele weggeschenkt worden, blieben zwei Männchen und zwei Weibchen übrig. Diese sperrte man nun im Jahre 1852 in ein kreisförmiges Gehege von fünfzehn Meter Durchmesser ein. Die Paare schienen sich bald gewählt zu haben; aber die beiden Männchen bekämpften sich fortwährend, bis endlich eins sich zum Alleinherrscher aufwarf. Es war um die Paarzeit, die sich auch äußerlich bei dem Männchen durch verschiedene Zeichen kundgibt: die nackte Haut der Schenkel färbt sich lebhaft rot; das Gefieder prangt in seiner schönsten Schwärze. Der Hahn sucht seine Liebe durch eigentümliche Gebärden und Tänze auszudrücken und läßt fremdartige, heisere, tiefe Laute ertönen. Er hockt sich vor dem Weibchen auf die Fußwurzel nieder, bewegt Hals und Kopf in regelmäßiger Weise, zittert am ganzen Körper und schlägt mit den Flügeln. Beim Schreien wirft er den Hals zurück, schließt den Schnabel und stößt nun durch krampfhafte, aber willkürliche Bewegungen des ganzen Körpers die in der Lunge enthaltene Luft hervor, wobei er seine Kehle außerordentlich aufbläht. Die dreimal drei Töne, die er oft wiederholt, erinnern an das Brüllen des Löwen, aber auch an ein dumpfes Trommeln. Der zweite ist um einige Töne höher als der erste, der dritte viel tiefer und gedehnt, gegen das Ende hin allmählich verschwächt. Es wurde ein Nest gegraben, und unmittelbar darauf begann das Weibchen zu legen. Männchen und Weibchen arbeiteten am Nest, faßten die Erde mit dem Schnabel und warfen sie so aus dem Kreise heraus, den sie graben wollten. Während dieser Arbeit wurden die Flügel niedergebeugt und zitternd bewegt. Der Boden war voll Schuttsteine und Kiessand, die zusammen eine feste Masse bildeten; dennoch wurde die etwa ein Meter im Durchmesser haltende Grube nur mit dem Schnabel ausgetieft, auch ein größerer Stein mit ihm herausgefördert. Trotz dieser Vorkehrungen legten die Hennen ihre Eier nicht in die gegrabenen Nester, vielmehr bald dahin, bald dorthin.
Im Dezember des Jahres 1856 brachte Hardy das Paar in einen geräumigeren und ruhigeren Park, der zur einen Hälfte mit Bäumen und Gebüsch bedeckt, zur andern durch ein hohes Gebäude geschützt war. Im Januar gruben die Strauße ihr Nest in die Mitte des Gehölzes, gerade am dichtest belaubten Orte. Gegen den 15. begann das Weibchen zu legen. Zwei Eier wurden an verschiedene Orte, die übrigen zwölf zusammen nacheinander in das gegrabene Nest gelegt. In den ersten Tagen des März fingen sie an zu brüten. Eine Woche nachher fiel starker und dauernder Regen; das Wasser drang ins Nest ein, die Eier lagen bald in einer Art von Mörtel eingebettet, und die Eltern verließen ihre Brut. Hardy traf Vorkehrungen, ließ an der betreffenden Stelle ein Sandhügelchen aufführen und bedeckte die Stelle außerdem noch durch Strohmatten. Zu seiner großen Genugtuung sah er gegen Mitte Mai die Straußen ein neues Nest, und zwar auf der Spitze des künstlichen Hügels, graben. Bald darauf begann das Legen wieder. In den letzten Tagen des Juni beschäftigten sich die Vögel viel um das Nest; vom 2. Juli an brüteten sie regelmäßig. Am 2. September sah man ein Junges neben dem Nest umherlaufen; vier Tage später gaben die Alten das Brüten auf und befaßten sich nur noch mit ihrem Sprößling. Hardy zerbrach die Eier und fand in ihnen drei Keimlinge, deren Entwicklung schon ziemlich weit vorgeschritten war. Der ausgeschlüpfte Strauß wuchs prächtig heran und erreichte seine volle Ausbildung.
Am 18. Januar begann die Straußin wieder zu legen, und zwar genau in derselben Weise wie früher. Nachdem zwölf Eier im Neste waren, schickte sie sich zu Anfang März zum Brüten an, indem sie über Mittag bald längere, bald kürzere Zeit darauf saß. Vom 12. März ab blieb sie fest auf den Eiern sitzen; dann, namentlich bei Nacht, teilte der Strauß das Brutgeschäft mit ihr, harrte immer länger aus, und gegen das Ende der Brütezeit hin saß er mehr als die Straußin selbst. Jedesmal, wenn sich beide ablösten, untersuchte dasjenige, das sich zu setzen im Begriff war, die Eier eins nach dem andern, indem es sie umdrehte und einzeln an einen andern Ort rollte. Bei Regenwetter legte sich derjenige Strauß, der nicht auf den Eiern saß, dem andern an die Seite, um ihm im Schutze der Eier beizustehen. Schon in den ersten Tagen des Brütens war ein Ei aus dem Nest geworfen worden. Es blieb unberührt und wurde von den Straußen nicht zertrümmert. Am 11. Mai sah man einige kleine Strauße den Kopf unter den Flügeln des brütenden Alten hervorstrecken, am Morgen des 13. Männchen und Weibchen das Nest verlassen und eine Herde von neun Jungen anführen. Die kleinsten wankten noch mit unsicheren Schritten, die ältesten liefen schon rasch umher und pflückten die zarten Kräuter ab. Vater und Mutter wachten über ihnen mit großer Sorgfalt; insbesondere der Vater bekundete die wärmste Zärtlichkeit gegen sie und nahm sie bei Nacht unter seine Flügel.
Von außerordentlichem Einfluß waren die gewonnenen Ergebnisse für das Kapland. Hier hatte man auf Hühnerhöfen und Landgütern von jeher Strauße gehalten, einzelne von ihnen auch wohl vor leichte Wagen gespannt oder selbst zu Reittieren verurteilt; hier faßte man jetzt den Entschluß, die Zucht im großen zu versuchen. Im Jahre 1865 wurden im Kaplande die ersten Strauße in Gefangenschaft gezüchtet, vier Jahre später eine zweite Zucht glücklich großgezogen. Ein Besitzer von neunundzwanzig Stück, unter denen fünfzehn Männchen waren, begann seine gefangenen Strauße zu rupfen und erlöste aus den gewonnenen Federn jedes männlichen Vogels nicht weniger als acht Pfund Sterling jährlich. Dies gab den Anstoß zu der gegenwärtig in ganz Kapland bestehenden und blühenden Straußenzucht. Nach einer Zählung, die im Jahre 1865 vorgenommen wurde, gab es in den Ansiedlungen nicht mehr als achtzig gezähmte Strauße; zehn Jahre später, im Jahre 1875 also, hatte sich der Bestand auf zweiunddreißigtausend und einige hundert Stück gehoben, und heutzutage bildet die Straußenzucht einen der wichtigsten Erwerbszweige ganz Südafrikas, soweit es von Europäern bevölkert ist.
Um Strauße zu züchten, umgibt man zunächst ausgedehntere Flächen leichten, womöglich kalkhaltigen Bodens mit einer aus Steinen zusammengetragenen oder aus Eisendraht hergestellten Umzäunung, sät innerhalb dieses Raumes Luzerne an und überläßt da, wo der Boden selbst alles Erforderliche enthält, die Strauße möglichst sich selbst, wogegen man an andern Orten zur künstlichen Fütterung schreiten, auch wohl unter das Futter zertrümmerte Knochen und Kalksteine mengen muß. Hat man über hinreichenden Raum zu verfügen, so läßt man die Vögel selbst brüten; ist dies nicht der Fall, so sondert man wenigstens die alten, brutlustigen Paare oder doch Männchen und Weibchen ab und sammelt die von letzteren gelegten Eier, um sie in besonderen, eigens für diese Zucht eingerichteten Brutmaschinen zu zeitigen. Die auf diese Weise erbrüteten Strauße bedürfen zwar in den ersten Tagen einer ebenso sorgsamen Pflege wie mutterlose Küchlein, gewöhnen sich aber besser als die von den eigenen Eltern erbrüteten und geführten an den Menschen und lassen sich später von eingeborenen, dunkelhäutigen Knaben oder, wenn erwachsen, von berittenen Hirten wie Truthühner auf die Weide treiben, also auch außerhalb der eingehegten Grundstücke verwenden. Einzelne Ansiedler, die eine glückliche Hand besitzen und sich die nötige Erfahrung erworben haben, ziehen die künstliche Ausbrütung der natürlichen vor und züchten gegenwärtig nicht allein für den eigenen, sondern ebenso für fremden Bedarf, versichern auch, daß ihre Pfleglinge den unter der Brust der eigenen Eltern großgewordenen Jungen vollständig gleichen.
Die erwachsenen Strauße beraubt man binnen je acht Monaten einmal ihrer Federn. Bevor man hinreichende Erfahrungen gesammelt hatte, rupfte man diese einfach aus, indem man eine Herde in einem bestimmten engen Räume zusammenpferchte und damit allen Widerstand der Vögel lähmte; das gewaltsame Ausziehen frisch entwickelter Federn wirkte jedoch oft sehr ungünstig und zog selbst Todesfälle nach sich. Aus diesen Gründen schneidet man gegenwärtig alle Federn hart über der Haut ab und entfernt etwa sechs Wochen später die Spulreste, die in dieser Zeit noch nicht ausgestoßen wurden. Strauße, die zur Brut schreiten sollen, dürfen selbstverständlich nicht gerupft werden; alle übrigen aber, auch die Weibchen, erleiden in den angegebenen Zeitabständen dieses Schicksal, da man Mittel gefunden hat, alle Federn zu bleichen und beliebig zu färben. Infolge der massenhaften Erzielung brauchbarer Federn sinkt der Preis derselben allerdings von Jahr zu Jahr; dafür ist man aber auch imstande, der mehr und mehr sich steigernden Nachfrage gerecht zu werden, ohne wie vormals durch rücksichtslose Jagd die Gefahr der Ausrottung der Vögel heraufzubeschwören.
Die Straußenjagd wird in ganz Afrika mit Leidenschaft betrieben. Den Beduinen gilt sie als eins der edelsten Vergnügen; denn gerade in der Schwierigkeit, die sie verursacht, liegt für Menschen dieses Schlages ein besonderer Reiz. Die Araber Nordostafrikas unterscheiden den Strauß nach seinem verschiedenen Geschlecht und Alter genau. Der erwachsene männliche Vogel heißt »Edlim« (der Tiefschwarze), das Weibchen »Ribéda« (die Graue), der junge Vogel »Ermud« (der Bräunliche). Da Erbeutung der Federn das hauptsächlichste Ziel der Jagd ist, verfolgt man vorzugsweise, ja fast ausschließlich den »Edlim«; aber gerade dadurch schadet man der Vermehrung besonders empfindlich. Auf flüchtigen Pferden oder ausgezeichneten Dromedaren reiten die Jäger in die Wüste oder Steppe hinaus und suchen eine Straußenherde auf. Wenn sie ihr Wild entdeckt haben, reiten sie so lange auf den Trupp der Vögel zu, bis ein vorsichtiger »Edlim« durch sein Beispiel das Zeichen zur Flucht gibt. Je zwei oder drei Jäger wählen sich jetzt ein Männchen aus und reiten in gestrecktem Galopp hinter ihm her; während einer von ihnen dem Vogel auf allen Krümmungen seines Laufes folgt, sucht der andere dieselben abzuschneiden, übernimmt, wenn es ihm gelang, die Rolle des ersteren und läßt diesen die kürzere Strecke durchreiten. So wechseln sie miteinander ab, bis sie den mit aller ihm möglichen Schnelligkeit dahineilenden Strauß ermüdet haben. Gewöhnlich sind sie schon nach Verlauf einer Stunde dicht hinter ihm her, zwingen ihre Pferde zu einer letzten Anstrengung und versetzen dem Vogel schließlich einen heftigen Streich über den Hals oder auf den Kopf, der ihn sofort zu Boden wirft. Unmittelbar nach dem Fall des Wildes springt der eine Jäger vom Pferde, schneidet ihm unter Hersagen des üblichen Spruches: »Im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, Gott ist größer«, die Halsschlagader durch und steckt, um Beschmutzung der Federn durch das Blut zu verhüten, den Nagel der langen Zehe eines Fußes in die Wunde. Nachdem sich der Strauß verblutet hat, zieht ihm der Jäger das Fell ab, dreht es um und benutzt es gleich als Sack, um in ihm die Schmuckfedern aufzubewahren. Von dem Fleisch schneidet er so viel ab, wie er braucht; das übrigbleibende hängt er an einen Baum zum Trocknen und für etwa vorüberziehende Wanderer auf.
Anderson erzählt, daß in gewissen Gegenden Südafrikas der Strauß von einigen Jägern zu Fuß gejagt wird und daß er am Ngamisee Buschmänner bei dieser Gelegenheit habe beobachten können. Diese umzingelten meistenteils eine ganze Herde, worauf die erschreckten Vögel gewöhnlich unter Geschrei und Lärmen ins Wasser getrieben wurden. Außerdem lauern dieselben Jäger dem Strauß an seinem Nest oder am Wasser auf, sollen auch, wie Moffat angibt, um sich unter die Herden der werdenden Vögel zu begeben, ein flaches Doppelkissen mit Stroh ausstopfen, es ungefähr wie einen Sattel formen, mit Federn bekleiden, außerdem den abgetrennten Hals und Kopf eines Straußes vorrichten, indem sie das Fell über einen mit Stroh umwickelten Stock ziehen und sich die Beine weiß anmalen. Der Jäger soll hierauf den mit Federn besteckten Sattel aus den Kopf, den Unterteil des Straußenhalses fest in die rechte, den Bogen in die linke Hand nehmen und der Straußenherde zugehen, den Kopf wie ein sich umschauender Strauß drehen, den Sattel mit den Federn schütteln und die Strauße zuweilen so täuschen, daß einzelne von ihnen auf den vermeintlichen Vogel zugehen und mit ihm Streit anfangen wollen.
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Die amerikanischen Strauße heißen Nandus und werden in einer besonderen gleichnamigen Familie ( Rheidae) vereinigt. Ihr Leibesbau stimmt im wesentlichen mit dem des afrikanischen Verwandten überein; die Flügel sind jedoch weit mehr entwickelt und die Füße dreizehig.
Unter den drei bekannten Arten ist der Pampastrauß oder Nandu ( Rhea americana) der bekannteste und verbreitetste. Die Federn des Oberkopfes, Oberhalses, Nackens und der Vorderbrust sowie die Zügelborsten sind schwarz, die der Halsmitte gelb, die der Kehle, Backen und oberen Halsseiten heller bleigrau, die des Rückens, der Brustseiten und Flügel bräunlich aschgrau, die der übrigen Unterteile endlich schmutzigweiß. Das Auge ist perlgrau, der nackte Teil des Gesichts fleischfarben, der Schnabel horngraubraun, der Fuß grau. Das Weibchen unterscheidet sich hauptsächlich durch die lichtere Färbung der Federn, des Nackens und der Vorderbrust. Beim männlichen Vogel beträgt die Länge gegen anderthalb, die Breite gegen dritthalb Meter. Ein altes Weibchen, das Prinz von Wied untersuchte, war einhundertachtunddreißig Zentimeter lang, zweihundertzwanzig Zentimeter breit.
Der Verbreitungskreis des Nandu dehnt sich über die Steppenländer des südlichen Amerika aus. Als eigentliche Heimat darf man das Pampasgebiet zwischen dem Atlantischen Ozean und den Kordilleren, von den Urwaldungen Boliviens, Gran Chacos, Paraguays und Brasiliens an bis nach Patagonien oder mit einem Wort die Staaten des Rio de la Plata bezeichnen. Als echter Steppenvogel vermeidet er sowohl wirkliche Berge wie den eigentlichen Urwald; in den Hügelländern aber wird er ebenso häufig gefunden wie in der Ebene; auch die lichteren Algarobenwälder sowie die inselartig in dem Grasmeer liegenden Myrten- und Palmenhaine besucht er sehr gern. In der Pampa oder Steppe gibt es wenige Striche, wo er gänzlich fehlt.
Ein Hahn lebt mit fünf bis sieben, selten mehr oder weniger Hennen in gesonderter Familiengruppe, innerhalb des von ihm gewählten und gegen andere seines Geschlechts behaupteten Standes. Nach der Brutzeit scharen sich aber mehrere solcher Familien zusammen, und dann kann es geschehen, daß man Herden sieht, die aus sechzig und mehr Stück bestehen. Im Herbst sucht der Nandu die mit Gestrüpp bewachsenen Stromufer oder Niederungen auf, der Myrten- und andern Beeren wegen, oder er zieht sich da, wo es kein Strauchwerk gibt, in die Distelwälder zurück, die, der Liebhaberei der ersten spanischen Ansiedler für die Disteln als Küchen- und Gartengewächs ihre Entstehung verdankend, jetzt in der Pampa den Reisenden wie den Viehzüchtern zum größten Verdruß viele tausend Geviertmeilen Landes bedecken und von Jahr zu Jahr an Ausdehnung zunehmen. Zur Winterszeit steht der Vogel gern auf solchen Strichen, die von Viehherden regelmäßig begangen werden, weil hier das Gras immer kurz gehalten wird und deshalb zarter ist als anderswo. Um diese Zeit sind diejenigen Stellen, auf denen das Vieh von allen Richtungen her, der Übersicht halber, tagtäglich zusammengetrieben wurde und den Boden reichlich düngte, seine Lieblingsstände.
Auch der Nandu ist ein vortrefflicher Läufer, der das beste Pferd ermüdet und verwirrt, da er nicht bloß äußerst schnell dahinrennt, sondern ebenso mit bewunderungswürdiger Gewandtheit Haken zu schlagen versteht. Während der Paarungszeit zeigt er sich äußerst lebhaft und Tag und Nacht in Bewegung; während der Dürre hält er, wie alles Wild und Vieh, mittags drei bis vier Stunden Ruhe, holt aber diese Zeit, obgleich ein echtes Tagtier, in den erfrischenden Nächten nach. Seine gewöhnliche Schrittweite beträgt, laut Böcking, fünfzig bis sechzig Zentimeter. Wenn er mit gelüfteten Flügeln, noch immer scheinbar nachlässig, dahintrabt, legt er mit jedem Schritt einen Meter zurück; verfolgt, greift er weit aus, macht Sätze von anderthalb Meter und bewegt seine Beine so schnell, daß man die einzelnen Schritte nicht mehr unterscheiden kann. Oft weicht er plötzlich mitten im Jagen von der geraden Linie bis zu einem Winkel von fünfundzwanzig bis dreißig Grad ab, wobei er einen Flügel hoch aufhebt und den andern andrückt, dann stürmt er wieder mit rasender Eile geradeaus. Erdrisse von drei Meter Breite überspringt er mit Leichtigkeit, während des Sprunges einen Augenblick lang mit den Flügeln flatternd; steile Ufer aber meidet er sorgfältig, weil ihm das Erklimmen derselben schwer wird. Darwin berichtet, daß er Nandus zweimal über den Fluß Santa Marta schwimmen sah und ein Herr King solches öfters beobachtet habe; Böcking hingegen versichert, daß er niemals einen unserer Vögel im tiefen Wasser bemerkt, ja sich vergeblich bemüht habe, ihn mit Gewalt in einen tiefen, nicht eben breiten Strom zu jagen.
Der von den Indianern gegebene Name ist ein Klangbild des weit hörbaren Rufes, den der Hahn zur Balzzeit ausstößt. Wenn die Paarungszeit vorüber ist, hört man von beiden Geschlechtern einen pfeifenden, anschwellenden und abfallenden Laut, der Sammlung der Gesellschaft zu bezwecken scheint. Junge piepen wie Truthühner. Schmerzens- oder Schreckenslaute hat Böcking nicht vernommen; im Zorne aber fauchen die Nandus in schwer zu beschreibender Weise.
Während der Regenzeit äst der Nandu vorzugsweise von Klee und Kerbtieren; später sucht er jene schon erwähnten Stellen auf, die das Vieh düngte. Für die aus Europa eingeführten Nutzgewächse zeigt er eine seinen Geschmack ehrende Vorliebe, und wenn ein Trupp die Alfalfafelder oder den Gemüsegarten eines Ansiedlers entdeckt, »so gibt es zu hüten, wenn noch ein grünes Blatt übrigbleiben soll«. Dagegen bringt er auch wieder Nutzen, indem er klettenartige Samen, den Fluch des Viehzüchters, gern verzehrt, solange dieselben noch grün sind. »Wer einen einzigen Nandumagen im Dezember untersucht hat«, sagt Böcking, »weiß, in welchen Massen der Pampastrauß diesen Samen verzehrt, und schon deshalb allein verdient er die Schonung allgemein, die ihm der denkende Landbesitzer bereits angedeihen läßt.« Zu jeder Zeit und in jedem Alter frißt er Kerbtiere der verschiedensten Art, nach Versicherung der Gauchos auch Schlangen und andere kleine Kriechtiere, und behufs der Verdauung nimmt er, wie die Hühner, Steinchen zu sich. Er trinkt selten; es scheint also, als ob der Tau und Regen ihm längere Zeit genügen könne; wenn er aber an ein Wasser kommt, schöpft er mit dem Schnabel und läßt das Wasser durch Emporhalten des Kopfes in den Schlund hinabfließen, wie die Hühner tun. Gefangene trinken regelmäßig.
Mit Beginn des Frühlings, auf der südlichen Halbkugel also im Oktober, sammelt der Nanduhahn, der nach Ablauf des zweiten Jahres fortpflanzungsfähig wird, drei bis sieben, in seltenen Fällen mehr Hennen um sich und vertreibt andere Hähne durch Schnabelhiebe und Flügelschläge aus seinem Bereich. Vor dem Weibchen führt er, wie wir an unseren Gefangenen beobachten können, höchst sonderbare Tänze auf. Er schreitet mit weit ausgebreiteten, herabhängenden Flügeln hin und her, beginnt zuweilen plötzlich außerordentlich schnell zu rennen, schlägt mit unübertrefflicher Gewandtheit drei oder vier Haken nacheinander, mäßigt seinen Lauf und stolziert würdevoll weiter, beugt sich etwas hernieder und fängt das alte Spiel von neuem an. Dabei stößt er ein dumpfes, brüllendes Geschrei aus, gibt überhaupt in jeder Hinsicht lebhafte Erregung kund. In der Freiheit zeigt er unter diesen Umständen seinen Mut und seine Kampflust bloß andern Männchen gegenüber; in der Gefangenschaft fällt er seinen Wärter oder überhaupt alle Menschen an, die er kennt, versucht, ihnen Schnabelhiebe beizubringen und schlägt auch wohl, wie der afrikanische Strauß, heftig mit den Füßen aus. In der Pampa findet man, laut Böcking, noch vor dem Brüten, das von Mitte Dezember an beginnt, einzelne Eier, die dort Findlinge genannt werden; sie rühren von den zuerst befruchteten Hennen her, die Legenot überraschte, bevor noch das Männchen für einen Nestplatz sich entschieden hatte. Das Nest ist hier stets eine flache Aushöhlung an einem der Überschwemmung nicht ausgesetzten und auch übrigens trockenen Ort, der möglichst verborgen und seitlich von Disteln oder hohem Grase beschützt wird. Allermeist sind es die Löcher, die die wilden Stiere austiefen, indem sie sich mit dem Schulterblatt auflegen und vermittels der Hinterbeine um ersteres drehen, in der Absicht, der Biesfliegenlarven in ihrer Haut sich zu entledigen. Findet der Hahn solche Mulde nicht vor, so scharrt er nur an einer ihm zusagenden Stelle den Pflanzenüberzug weg, füttert dieselbe notdürftig am Boden und Rande mit einigen Grashalmen aus und läßt seine Weibchen sieben bis dreiundzwanzig Eier hineinlegen. Um das Nest herum, von seinem Rande an bis zum Abstand von fünfzig Schritten, findet man stets Findlinge, die frischer als die Nesteier sind. Die Eier selbst sind von sehr verschiedenem Umfange, da sie von Gänseeiergröße bis zum Durchmesser von dreizehn Zentimeter nach der Längenachse abändern. Die Färbung des Eies ist ein mattes Gelblichweiß; die Zeichnung besteht aus kleinen grüngelben Pünktchen, die die großen Poren umgeben. Sobald aber das Ei der Sonne ausgesetzt wird, verbleicht es rasch, und bereits nach acht Tagen sieht es schneeweiß aus. Nachdem das Nest seine Eierzahl erhalten hat, besorgt das Männchen das Brutgeschäft allein. Die Hennen entfernen sich sogar von denselben, bleiben aber immer zusammen und innerhalb des früher vom Hahne behaupteten Gebietes. Letzterer sitzt während der Nacht und in den Morgenstunden, bis der Tau abgetrocknet ist, über den Eiern, verläßt dann jedoch in unregelmäßigen Abständen, die sich nach der Wärme richten, das Nest, um zu weiden. Diese Zwischenräume können ohne Schaden für die Entwicklung des Keimlings sehr groß sein: Böcking beobachtete eine vierstündige Abwesenheit des Nandu vom Nest und erfuhr später, daß die Eier dadurch nicht gelitten hatten. Anfangs sitzt der Hahn nur lose und schleicht sich beim geringsten verdächtigen Geräusch still abseits, bis die Gefahr vorüber; später hingegen brütet er sehr eifrig und schnellt erst, meist zum großen Schrecken des Pferdes, dicht vor dem Reiter empor. Bei solchem jähen Auffahren geschieht es, daß er einzelne Eier zertritt und andere aus dem Nest wirft, während er sonst sehr vorsichtig verfährt. Seine Liebe zu den Eiern offenbart er zunächst dadurch, daß er mit ausgebreiteten Flügeln und krausem Gefieder dem Reiter entgegentritt, sodann, nachdem er sich besonnen, im Zickzacke und hinkend langsam wegläuft, also die Verstellungskünste aller Vögel nachahmt, um die Aufmerksamkeit von seiner Brut ab- und auf sich hinzulenken. Einen öfteren Besuch sieht er zwar nicht gern, verläßt aber das Nest, solange es nicht wirklich zerstört wurde, nur in seltenen Fällen und duldet sogar, daß einzelne Eier weggenommen werden. Gegen Stinktiere, Beutelratten und Schlangen soll er die Eier mutig und erfolgreich verteidigen; doch hat Böcking niemals ein getötetes Raubtier in der Umgebung seines Nestes bemerkt, wohl aber dicht daneben zerstörte Findlinge gesehen.
In Südamerika schlüpfen die ersten jungen Nandus Anfang Februar aus, im Norden etwas früher, im Süden später. Sie wachsen erstaunlich rasch und sind schon nach Verlauf von zwei Wochen einen halben Meter hoch. Am vierten Tage ihres Lebens soll kein Mensch mehr imstande sein, sie im freien Felde einzuholen; früher aber ist dies möglich, weil sie sich, wenn sie gejagt werden, platt auf den Boden drücken. Ungefähr fünf Wochen lang folgen sie dem Vater allein; nach und nach gesellen sich auch wieder die Weibchen der Familie. Im Herbst, also im April oder im Mai, hat der junge Nandu sein Flaumkleid schon mit dem ersten, schmutzig gelbgrauen Federkleide vertauscht. Die jungen Hähne lassen sich an ihrem stärkeren Wuchse bald unterscheiden; in jeder Herde aber findet man einige Küchlein, die verkümmert, d.+h. sehr klein sind.
Die Jagd wird auf verschiedene Weise ausgeübt. Indianer und Gauchos verfolgen den Nandu zu Pferde und erlegen ihn mit Wurfkugeln oder Hetzen ihn durch Hunde, weniger der zu erlangenden Beute selbst wegen, als vielmehr, um die Schnelligkeit und Ausdauer ihrer herrlichen Pferde und die eigene Geschicklichkeit in der Handhabung ihrer Wurfkugeln zu erproben. Zu solcher Jagd versammeln sich mehrere Reiter, suchen unter dem Winde die Vögel auf, nähern sich im Schritt, soweit sie können, und beginnen das Rennen, sobald die Nandus unruhig werden. Zunächst sucht man ein Stück von der Herde zu trennen und verfolgt nun dieses allein. Trotz aller Listen sind die Gauchos in kürzester Zeit dicht hinter ihm, und derjenige Reiter, der ihm zur Linken dahinsprengt, schleudert die Kugeln, worauf einen Augenblick später der Nandu, einem riesigen Federklumpen vergleichbar, über den Boden rollt und durch die Gewalt des eigenen Laufes getötet wird. Fehlt der eine, so tritt der andere Reiter ein; wenn es also dem gehetzten Tiere nicht gelingt, einen Sumpf zu erreichen, in dem die Pferde steckenbleiben, oder ein Gebüsch, in dem die Wurfkugeln nicht gebraucht werden können, ist es jedesmal verloren. Zum Hetzen bedient man sich einer Blendlingsrasse von großen Metzger- oder Schäferhunden mit Windhunden, hütet sich aber wohl, junge Hunde ohne Begleitung älterer auf den Nandu anlaufen zu lassen, weil diese Neulinge im Augenblick des Zugreifens so geschlagen werden, daß sie sich überstürzen und beschädigen, oder sich doch einschüchtern lassen. Die Jagd mit dem Feuergewehr erfordert einen sicheren Schützen. Der Nandu ist zählebig und läuft oft mit der Kugel im Leib noch weit davon. Wird eine Herde in der oben beschriebenen Art herbeigelockt und ein Stück des Volkes gefällt, so umspringen dieses die übrigen, falls es noch zappelt, mit sonderbaren Sätzen, als wenn sie Zuckungen in Flügeln und Beinen hätten, noch eine Weile, so daß der Schütze Zeit hat, einen zweiten Schuß abzugeben. Der Knall an und für sich erschreckt sie nicht; denn wenn sie gänzlich gefehlt wurden, fliehen sie nicht nur nicht, sondern kommen noch näher, um die Sache zu untersuchen. Ein verwundeter Nandu folgt seinem Rudel, solange er kann, schlägt sich dann abseits und verendet allein.
In Südamerika sieht man allerorten Nandus, die jung eingefangen und zu halben Haustieren wurden, frei umherlaufen. Sie gewöhnen sich so an die Örtlichkeit, auf der sie groß wurden, daß sie gegen Abend stets zurückkehren. Bis vor kurzem nahm man die Eier, die sie legten, regelmäßig weg, um sie zu verspeisen; seit einigen Jahren aber beginnt man, auch diese Strauße zu züchten, um sie von Zeit zu Zeit zu rupfen. In unseren Tiergärten ist der Nandu eine regelmäßige Erscheinung. Seine Haltung verursacht wenig Schwierigkeiten; denn er begnügt sich mit dem einfachsten Futter, falls er davon nur genug hat, und ist gegen die Rauheit unseres Klimas durchaus nicht empfindlich.
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Im Jahre 1789 erschien eine Beschreibung der Reise des Statthalters Philipp nach Botanybay und brachte der wissenschaftlichen Welt die Kunde, daß auch Neuholland von Straußen bevölkert wird. Die bezügliche Art der Familie, in jenem Reisewerke »neuholländischer Kasuar« genannt, heißt gegenwärtig Emu, unter welchem Namen die früheren Portugiesischen Seefahrer einen riesigen Vogel Malakkas verstanden.
Die Emus ( Dromaeus), die mit Recht als Vertreter einer besonderen Sippe angesehen werden, bilden gleichsam ein Mittelglied zwischen den bisher genannten Straußen und den Kasuaren und werden mit letzteren in einer Familie ( Casuaridae) vereinigt, als deren Merkmale der gekielte Schnabel, die gänzlich verkümmerten Flügel, die dreizehigen Füße und die mit einem dem Hauptschafte gleich langen Afterschafte ausgestatteten Federn gelten. In der Gestalt ähneln die Emus dem Strauße, haben aber einen gedrungeneren, untersetzteren Rumpf und kürzeren Hals, stehen auch niedriger auf den Beinen und machen deshalb einen durchaus verschiedenen Eindruck.
Der Emu( Dromaeus novae-hollandiae) steht dem afrikanischen Strauße an Größe nach, übertrifft hierin aber den Nandu. Seine Höhe beträgt ungefähr einhundertundsiebzig Zentimeter. Die Färbung des Gefieders ist ein sehr gleichmäßiges Mattbraun, das aus dem Kopfe, der Hals- und Rückenmitte dunkler, auf der Unterseite aber etwas lichter erscheint. Das Auge ist lebhaft braun, der Schnabel dunkel Hornfarben, der Fuß lichtbräunlich; die nackten Teile des Gesichtes sehen graubläulich aus.
Unter seinen Familienverwandten ist der Emu der langweiligste. Bewegung, Haltung, Wesen oder das Betragen überhaupt sind einförmiger als bei jedem andern Strauß und seine Stimmlaute auch nicht gerade anziehend; denn sie lassen sich eben nur mit dem dumpfen Geräusche vergleichen, das man hervorbringen kann, wenn man in tiefem Tone durch das Spundloch einer hohlen Tonne spricht, wie Knaben zu ihrer Belustigung zu tun pflegen. Männchen und Weibchen unterscheiden sich durch die Stimme; es gehört aber ein sehr feines und geübtes Ohr dazu, um diese Unterschiede immer richtig zu deuten. Zu dem tollen Jagen mit pfeilschnellen Wendungen und sonderbaren Gebärden, wie wir es bei andern Straußen bemerken, läßt er sich kaum herbei. Er durchläuft Schritt für Schritt sein Gehege, pumpt zuweilen seinen Stimmlaut hervor, wendet den Kopf langsam und gemächlich nach rechts und links und läuft und pumpt weiter, scheinbar, ohne sich um die Außenwelt zu kümmern.
Unter allen Straußenvögeln dürfte sich der Emu am leichtesten bei uns einbürgern und, wenn man sonst wollte, als Parkvogel verwenden lassen. In den meisten Tiergärten macht man mehr Umstände mit ihm, als er beansprucht. Er verlangt im Winter höchstens einen gegen den Wind geschützten Raum, nicht aber einen warmen Stall, wie man ihm solchen gewöhnlich anweist. Ein männlicher Emu, den Gurney in Gefangenschaft hielt, verließ während des ganzen Winters seinen Park nicht und schien von der Kälte wenig behelligt zu werden; denn auch wenn es schneite, blieb er ruhig aus dem Boden liegen und ließ sich ohne Kümmernis einschneien. Es war ein Vergnügen, ihn am Morgen nach einer schneeigen Nacht wieder zu finden, wenn nur sein Kopf und Hals unter dem Schnee hervorsahen, der übrige Körper aber so bedeckt war, daß der ganze Vogel wie ein Schneehaufen aussah. Seine Ernährung verursacht keine Schwierigkeiten; denn er gehört zu den anspruchslosesten Tieren, die ich kenne. Er wählt seine Nahrung vorzugsweise aus dem Pflanzenreiche, obwohl er tierische Stoffe nicht gänzlich verschmäht; aber er verlangt keineswegs ausgesuchte Kost, sondern nimmt mit dem einfachsten Körnerfutter und mit Grünzeug aller Art vorlieb. In Australien soll er sich zeitweilig fast ausschließlich von Früchten ernähren.
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Die Kasuare ( Casuarius) zeichnen sich durch etwas schlankeren Bau und haarartiges Gefieder vor den Emus aus. Ihr Kopf trägt einen knochigen, bei allen bis jetzt bekannten Arten verschieden gestalteten Helm, der Hals, der an seiner oberen Hälfte nackt bleibt und in lebhaften Farben prangt, vorn gewöhnlich eine oder zwei Klunkern; die kurzen, dicken Füße sind dreizehig und die inneren Zehen mit Nägeln bewehrt, die die der übrigen an Länge um mehr als das Doppelte übertreffen; die kurzen Flügel haben keine eigentlichen Schwungfedern, an ihrer Stelle aber fünf runde, fahnenlose Kiele, die großen Hornstacheln gleichen; eigentliche Steuerfedern sind nicht vorhanden und auch die Gebilde, die den Leib bekleiden, eher Haare als Federn zu nennen, da die kurzen, steifen Fahnenstrahlen weit voneinander entfernt stehen und keine Seitenfasern tragen. Der Helm besteht aus einer Auftreibung des Stirnknochens und wird mit einer hornartigen Masse überdeckt.
Der Helmkasuar ( Casuarius galeatus) ist schwarz, das Gesicht grünblau, der Hinterkopf grün, der Hals vorn violett, seitlich blau, hinten lackrot, das Auge rotbraun, der Schnabel schwarz, der Fuß graugelb. Junge Vögel sehen bräunlich aus.
Alle Reisenden, die uns über das Freileben der Kasuare etwas mitzuteilen wissen, stimmen darin überein, daß sie im Gegensatz zu den bisher erwähnten Verwandten die dichtesten Waldungen bewohnen und hier ein sehr verborgenes Leben führen, auch bei der geringsten Gefahr augenblicklich davoneilen und sich den Blicken der Menschen zu entziehen suchen. Auf den dünn bevölkerten Inseln sollen sie keineswegs selten, im Gegenteil häufig sein, immer aber einzeln gefunden werden. Wie schwer es ist, sie zu beobachten, mag daraus hervorgehen, daß Müller auf Neuguinea niemals Gelegenheit hatte, einen Kasuar zu sehen, obschon er dessen Fährte fand und den flüchtigen Vogel durch das Gebüsch rauschen hörte, und daß Wallace auf Ceram auch nicht einen einzigen erbeuten konnte, obgleich der Vogel an allen von ihm besuchten Orten vorkommt.
In ihrem Gange unterscheiden sich die Kasuare wesentlich von andern Straußen. Sie laufen nicht, sondern traben, und zwar mit einer wagrechten Haltung des Leibes, lüften dabei auch gewöhnlich die verlängerten Bürzelfedern etwas und erscheinen so hinten höher als vorn. Die einzelnen Schritte folgen nicht besonders schnell aufeinander, und der Trab fördert demgemäß verhältnismäßig wenig; wenn aber der Kasuar wirklich flüchten will, läuft er mit erstaunlicher Eilfertigkeit, führt Wendungen aller Art mit bewunderungswürdiger Fertigkeit aus, ist auch imstande, senkrecht ein bis anderthalb Meter hoch emporzuspringen. Daß er vortrefflich schwimmt, erfuhr Ramsay von seinem gefangenen Kasuar. Die Stimme läßt sich mit einem schwachen, tief aus der Kehle kommenden »Huh, hu, hu« vergleichen. Dieser Laut drückt stets behagliche Stimmung aus; denn der gereizte Kasuar faucht nach Art einer Katze oder Eule. Unter den Sinnen steht das Gesicht unzweifelhaft obenan; das Gehör dürfte nächstdem als am meisten entwickelt betrachtet werden; aber auch der Geruch scheint ziemlich scharf zu sein. Ob der Kasuar einen ausgebildeten Geschmack besitzt, läßt sich schwer entscheiden, auch hinsichtlich des Gefühles, bezüglich des Empfindungsvermögens, nur annehmen, daß es nicht verkümmert ist. Jedes ungewohnte Ereignis bringt ihn, wenn nicht in Furcht, in eine Erregung, die in förmlichen Jähzorn ausartet. Dann fällt er rücksichtslos den Gegner an, der ihn reizt, gleichviel ob derselbe ein Mensch oder ein Tier ist, springt wütend an ihm empor und versucht ebensowohl mit dem Schnabel wie mit den scharf bekrallten Füßen zu schädigen. Genau ebenso gebärdet er sich während der Paarungszeit. Die Wärter des Londoner Tiergartens erfuhren, daß man mit Kasuaren nicht vorsichtig genug sein kann, da das Weibchen nach geschehener Begattung oft wütend auf das Männchen losstürzt und mehr als eines dieser boshaften Geschöpfe seinen Ehegatten getötet hat. Einzelne werden mit der Zeit so unbändig, daß sie sich über alles ärgern, was ihnen vor die Augen kommt, auf Leute in buntfarbigen Kleidern losstürzen oder Kinder ernstlich bedrohen, ja selbst in blinder Wut Bäume zerkratzen und entschälen. Die Wärter aller Tiergärten, in denen sich Kasuare finden, fürchten letztere mehr als die großen Katzenarten, weil man deren Stimmung stets im Ausdruck des Gesichtes erkennt, vor dem Kasuare aber sich gar nicht genug in acht nehmen kann und auf irgendeinen boshaften Streich jederzeit gefaßt sein muß.
Obgleich man annehmen darf, daß die Kasuare tierische Nahrung nicht gänzlich verschmähen, muß man sie doch den Pflanzenfressern beizählen. Man nimmt an, daß sie sich in ihren heimischen Waldungen hauptsächlich von weichen Pflanzenteilen und saftigen Früchten nähren, Körner und Sämereien, die von ihren Verdauungswerkzeugen nicht zersetzt und zerkleinert werden können, aber verschmähen. An Gefangenen hat man beobachtet, daß sie ganze Äpfel oder Orangen verschlingen, aber auch unverdaut wieder von sich geben. In den Tiergärten reicht man ihnen ein Gemisch von Brot, Körnern, klar geschnittenen Äpfeln und dergleichen, und sie halten sich dabei vortrefflich; aber man hat auch von ihnen erfahren müssen, daß sie junge Hühner oder Entchen, die zufällig in ihren Behälter kommen, ohne weiteres hinabwürgen.
Über die Fortpflanzung der freilebenden Kasuare fehlen noch immer genügende Nachrichten; es läßt sich jedoch annehmen, daß sie nicht wesentlich von der der eigentlichen Strauße abweicht. Gefangene legen oft Eier; aber nur in wenigen Tiergärten ist es gelungen, Junge zu erzielen. Das größte Hindernis für die Fortpflanzung hat man in der Unverträglichkeit der Vögel selbst zu suchen. Selten erhält man ein Paar, das im Frieden lebt. Zwei Kasuare, die der Londoner Tiergarten erhielt, wurden nach und nach von einem vortrefflichen Wärter aneinander gewöhnt und machten im Jahre 1862 Anstalt zum Brüten. Auch hier war es das Männchen, das alle Geschäfte der Mutter auf sich nahm. Es brütete sieben Wochen lang mit regem Eifer und zeitigte ein Junges, das aber leider schon an demselben Tage von Ratten getötet wurde. Zu meiner lebhaften Freude sah ich im Sommer des Jahres 1866 in demselben Tiergarten ein eben ausgeschlüpftes Junges des Helmkasuars, das ebenfalls vom Männchen erbrütet worden war. Die Brutzeit hatte vom 26. April bis zum 23. Juni gedauert. Der junge Kasuar ist ein allerliebstes Geschöpf, ebensowohl was Färbung und Zeichnung wie Betragen und Wesen anlangt. Sein Dunenkleid ist auf licht gelbbraunem Grunde dunkelbraun in die Länge gestreift, und zwar besteht diese Zeichnung aus einem breiten Mittelstreifen und schmalen Seitenstreifen, die längs des ganzen Körpers herablaufen, und von denen einer sich auch über die Beine zieht. Der Helm ist als Hautplatte angedeutet, die Belappung der Kehle bereits vorhanden. Am Tage seines Eintritts in die Welt ist das Junge noch schlecht zu Fuße, jeder seiner Schritte wird mit einer gewissen Ängstlichkeit ausgeführt, und der Lauf hat etwas sehr Schwankendes. Am folgenden Tage geht die Bewegung bereits weit besser vonstatten, und das Tierchen läßt auch schon seine Stimme, ein dem Geschreie junger Küchlein ähnliches schwaches »Glüh, glück, glück«, vernehmen. In seinem Betragen und Wesen erinnert es an junge Hühner. Der Vater führt es mit großer Sorgfalt, hebt beim Gehen vorsichtig seine Füße auf und setzt sie behutsam erst dann wieder nieder, wenn er sich durch einen Blick überzeugt hat, daß er sein Kind nicht gefährdet. Dieses schwankt und humpelt beständig hinter dem Alten drein oder, richtiger gesagt, unter demselben dahin, ohne daß letzterer irgendeinen Lockton ausstößt. Der Wärter hatte ihm ein Futter vorgestreut, wie man es jungen Fasanen zu reichen pflegt, und es pickte auch ziemlich oft einige Bröckchen von demselben auf. Nachts wurde es von dem Alten sorgfältig gehudert.
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Die Schnepfenstrauße ( Apterygidae) haben äußerlich wenig Ähnlichkeit mit andern Kurzflüglern. Ihr Leib ist verhältnismäßig gedrungen, der Hals kurz, aber dick, der Kopf nicht besonders groß, der Schnabel lang und dünn, der Fuß verhältnismäßig kurz und vierzehig, der Flügel so verkümmert, daß er eigentlich nur im Gerippe sichtbar wird, da sich im Gefieder bloß kurze Stummel auffinden lassen, die einige unvollkommene, aber starke Kiele tragen; der Schwanz fehlt gänzlich. Das Gefieder besteht aus langen, lanzettförmigen, lose herabhängenden Federn, die aber nicht zu zwei aus einer Wurzel entspringen, vom Halse abwärts an Länge zunehmen und etwas zerfaserte Fahnen und seidenartigen Glanz haben. Der Schnabel mag, oberflächlich betrachtet, mit dem eines Ibis verglichen werden, unterscheidet sich aber von diesem, und jedem andern Vogelschnabel überhaupt, durch die Stellung der Nasenlöcher an der Spitze. Die Beine sind sehr stark und kurz, die vorderen Zehen lang und stark, mit kräftigen Grabekrallen bewehrt, wogegen die hintere, dickere und kürzere, die fast senkrecht gestellt ist und beim Auftreten den Boden nicht berührt, eine noch stärkere Kralle trägt und eher dem Sporn eines Haushahnes als einer Zehe gleicht; harte, netzförmige Schilder bekleiden die Läufe, Schuppen die Mitte der seitlichen, mit schmalen Häuten besäumten Zehen.
Der erste Schnepfenstrauß, der nach Europa kam und den Namen ( Apteryx australis) erhielt, wird gegenwärtig als zweifelhafte Art betrachtet. Der betreffende Vogel war angeblich in den Waldungen der Dusky-Bai, an der Südwestküste der Südinsel Neuseelands erlegt worden. Fast alle diejenigen Stücke, die man gegenwärtig in den Sammlungen sieht, stammen von der Nordinsel und gehören einer zweiten Art ( Apteryx mantelli) an, für die ich den Namen der Eingeborenen, Kiwi, beibehalten will. Dieser Schnepfenstrauß unterscheidet sich nach Bartlett von jenen schon dadurch, daß er etwas kleiner ist, hat aber auch verhältnismäßig längere Läufe, kürzere Zehen und Krallen und zeichnet sich am Kopfe durch lange, borstige Haare sowie endlich durch dunklere und mehr rötliche Färbung aus.
Wie von Hochstetter versichert, lebt der Kiwi in den unbewohnten, waldreichen Gegenden der Nordinsel heute noch, ist aber in den bewohnten Gegenden gänzlich ausgerottet und nicht so leicht zu bekommen. Schon Dieffenbach beklagt, während eines achtzehnmonatigen Aufenthaltes in Neuseeland, trotz der Belohnungen, die er den Eingeborenen überall versprach, nur einen einzigen Balg erlangt zu haben. »Ebenso«, sagt Hochstetter, »ist es mir ergangen. Ich habe manche Gegend auf der Nordinsel durchwandert, auf der nach der Aussage der Eingeborenen der Vogel bisweilen noch vorkommt, konnte aber, trotz aller Bemühungen, mir kein Stück verschaffen. Als Gegenden, in denen der Kiwi noch häufig sein soll, wurden mir Little Barrier-Eiland, eine kleine, dicht bewaldete, gänzlich unbewohnte Insel im Hauraki-Golf bei Auckland, und die waldigen, wenig bewohnten Bergketten zwischen Kap Palliser und dem Ostkap an der Südostseite der Nordinsel angegeben. Jene Insel, die aus einem etwa siebenhundert Meter hohen Berge besteht, ist nur bei ganz ruhiger See zugänglich, und das Vorhandensein des flügellosen Vogels auf derselben beweist, daß sie einst mit dem gegenüberliegenden Lande in Verbindung stand. Eingeborene, die ich in Collingwood an der Golden-Bai traf, gingen gegen ein Versprechen von fünf Pfund Sterling für mich auf den Fang aus und brachten mir auch schon nach drei Tagen zwei lebende Schnepfenstrauße ( Apteryx oweni), Männchen und Weibchen, die sie nahe am Ursprunge des Rocky- und Slate-Rivers in einer Höhe von ungefähr tausend Meter über dem Meere gefangen hatten. Als Skeet im Jahre 1861 das Gebirge zwischen dem Takaka- und Bullerflusse in der Provinz Nelson untersuchte, fand er auf dem grasigen Bergrücken an der Ostseite des Owen-River die Kiwis so häufig, daß er mit Hilfe von zwei Hunden jede Nacht fünfzehn bis zwanzig Stück fangen konnte. Er und seine Leute lebten von Kiwifleisch.
Was man von der Lebensweise des Kiwi weiß, gilt wohl für alle Schnepfenstrauße. Sie sind Nachtvögel, die sich den Tag über in Erdlöchern, am liebsten unter den Wurzeln großer Waldbäume, versteckt halten und nur nachts auf Nahrung ausgehen. Diese besteht in Kerbtieren, Larven, Würmern und den Samen verschiedener Gewächse. Sie leben paarweise und können außerordentlich rasch laufen und springen. Hunde und Katzen sind nächst dem Menschen ihre gefährlichsten Feinde. Die Eingeborenen wissen sie, natürlich bei Nacht, indem sie ihren Ruf nachahmen, heranzulocken und durch Fackelschein verwirrt zu machen, so daß sie die Vögel dann entweder mit der Hand fangen oder mittels eines Stockes erschlagen können. Auch Hunde werden zur Jagd benutzt, und diesen Nachstellungen ist es zuzuschreiben, daß der Kiwi in bewohnten Gegenden längst nicht mehr gefunden wird.«
Eingehendere Nachrichten verdanken wir Buller. Dem Kiwi ersetzt die Schnelligkeit seiner Füße in gewissem Grade den Verlust seiner Flügel. Im vollen Laufe eilt er mit weiten Schritten dahin und trägt dabei den Leib in schiefer Lage und den Hals weit vorgestreckt. Während des Zwielichtes der Nacht bewegt er sich vorsichtig und so geräuschlos wie eine laufende Ratte, an die er in gewissem Grade erinnert. Steht er still, so zieht er den Hals ein und erscheint dann vollkommen rund. Zuweilen unterstützt er sich in dieser Stellung, indem er mit der Spitze des Schnabels den Boden berührt. Stört man ihn während des Tages, so gähnt er häufig und verrenkt dabei die weit geöffneten Kiefer in höchst absonderlicher Weise; wird er herausgefordert, so richtet er den Leib auf, hebt einen Fuß bis zur Brust empor und schlägt mit ihm, seiner einzigen, aber nicht ganz bedeutungslosen Verteidigungswaffe, ebenso rasch wie gewandt nach vorn aus. Während er seiner Nahrung nachgeht, verursacht er beständig ein schnüffelndes Geräusch durch die Nasenlöcher, als ob er winden wolle; man bleibt jedoch im Zweifel, ob ihn hierbei der Sinn des Gefühls oder des Geruchs leitet, und neigt sich eher der Meinung zu, daß beide Sinne in Mitleidenschaft gezogen werden. Daß der Tastsinn sehr entwickelt ist, darf mit Sicherheit angenommen werden, da der Vogel, auch wenn er nicht schnüffelt, stets jeden Gegenstand mit der Spitze des Schnabels berührt und dies ebensowohl dann tut, wenn er frißt, wie wenn er den Boden untersucht. Einen Kiwi im Freien auf seiner Jagd nach Würmern, dem Hauptfutter, zu beobachten, ist höchst unterhaltend. Der Vogel bewegt sich hierbei sehr wenig, stößt aber seinen langen Schnabel fortwährend in den weichen Boden, meist bis zur Wurzel ihn einsenkend, und zieht ihn entweder unmittelbar darauf mit einem in der Spitze festgeklemmten Wurm hervor oder durch langsames Bewegen des Hauptes, ohne daß der Leib irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird, langsam wieder zurück. Niemals reißt er den gefangenen Wurm mit einem raschen Zuge aus seinem Versteckplatz hervor, gebraucht vielmehr alle Vorsicht, um ihn nicht zu zerstückeln. Hat er ihn endlich auf den Boden gelegt, so wirft er ihn mit jähem Ruck in den Rachen und verschlingt ihn. Nebenbei verzehrt er auch verschiedene Kerbtiere, einzelne Beeren und nimmt außerdem kleine Steine auf.
Über die Fortpflanzung der Schnepfenstrauße waren lange Zeit wundersame Berichte in Umlauf, und erst Beobachtungen an Gefangenen haben uns aufgeklärt. Am richtigsten dürfte Webster das Brutgeschäft geschildert haben. »Vor ungefähr vierzehn Jahren«, so schreibt er an Layard, »fand ein Eingeborener ein Kiwi-Ei in einer kleinen Höhle unter dem Gewurzel eines kleinen Kauribaumes und zog, nachdem er das Ei weggenommen, aus der Tiefe der Höhle auch den alten Vogel heraus. Der Neuseeländer, der den Kiwi zu kennen schien, versicherte, daß er stets nur ein Ei legt und daß das Nest immer eine von ihm ausgegrabene Höhle ist, die in der Regel in trockenem Grunde unter Baumwurzeln ausgegraben wird. Das Ei selbst soll mit Blättern und Moos bedeckt werden und die Gärung dieser Stoffe genügende Wärme hervorbringen, um es zu zeitigen, der Hergang aber sechs Wochen währen. Wenn das Junge ausgekrochen, soll die Mutter zu seiner Hilfe herbeikommen.«
Glücklicherweise sind wir imstande, diese Angaben bis zu einem gewissen Grade durch Beobachtungen, die an den Schnepfenstraußen des Londoner Tiergartens gesammelt wurden, zu bestätigen. Seit dem Jahre 1852 hat man hier stets einen oder mehrere dieser absonderlichen Vögel gepflegt. Ihr Käfig ist ein dunkler Stall, in dessen Ecken man einige Garben zusammengestellt hat. Zwischen ihnen verbirgt sich der Schnepfenstrauß während des Tages. Nimmt ihn der Wärter aus seinem Versteck heraus, so rennt er sobald wie möglich dem letzteren wieder zu und verkriecht sich rasch zwischen dem Stroh. Nach Sonnenuntergang wird er munter, rennt lebhaft hin und her, durchsucht jeden Winkel, jede Ecke und sticht mit seinem langen Schnabel nach Art der Schnepfen in den weichen Boden. Man ernährt ihn mit feingeschnittenem Hammelfleisch und mit Würmern. Von ersterem verzehrt er täglich zweihundertfünfzig Gramm; letztere sind Leckerbissen für ihn. Das zuerst angekommene Weibchen legte wiederholt Eier, eins ungefähr drei Monate nach dem andern, versuchte mehrmals, dieselben auszubrüten, und ließ sich nur schwer von denselben vertreiben. Im Jahre 1865 erhielt das Weibchen männliche Gesellschaft, und im Jahre 1867 bekundeten beide die Absicht, sich zu paaren. Hierauf wurde man durch den lauten Ruf des Männchens, auf den das Weibchen mit einem kürzeren und leiseren Ton antwortete, zuerst aufmerksam. Beide waren den Tag über ruhig, in der Nacht aber teilweise sehr laut. Am 2. Januar legte das Weibchen das erste Ei und blieb einen Tag oder etwas länger auf ihm sitzen. Als es das Nest verlassen hatte, nahm das Männchen seine Stelle ein und brütete fortan ununterbrochen. Am 7. Februar legte jenes ein zweites Ei und verließ das Nest, sobald dies geschehen war. Beide Vögel nahmen nun zwei gegenüberliegende Ecken ihres Wohnraumes ein: das Männchen saß auf den beiden Eiern unter seinen Strohgarben, das Weibchen nach wie vor in der von ihm zum Schlafplatz erwählten Ecke. Beide verstummten mit Beginn der Bebrütung vollständig. Bartlett, dem wir vorstehende Angaben verdanken, fand die Eier in einer auf dem Boden und im Stroh ausgehöhlten Vertiefung, dicht nebeneinander liegend, und beobachtete, daß das Männchen nicht der Länge, sondern der Quere nach aus ihnen saß; sein schmaler Leib würde andererseits auch nicht hingereicht haben, die großen Eier, deren Spitzen man hervorstehen sah, zu bedecken. Eifrig brütend verblieb es bis zum 25. April in derselben Stellung; endlich verlieh es sehr entkräftet das Nest. Die Eier waren faul. Ungeachtet des Fehlschlages glaubt Bartlett doch, genügende Erfahrung gesammelt zu haben, um die Meinung auszusprechen, daß sich das Fortpflanzungsgeschäft der Schnepfenstrauße nicht erheblich von dem seiner Verwandten unterscheidet. Die Eier sind unverhältnismäßig groß; denn ihr Gewicht beträgt fast den vierten Teil von dem ihrer Mutter.