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Ein verfallendes Geschlecht, die letzten Stammhalter einer vormals zahlreichen Abteilung der Säugetiere, treten vor uns in den Vielhufern. Sie erscheinen uns als lebende Zeugen früherer Schöpfungsabschnitte, als auf uns überkommene vergangener Erdentage. Die Riesen aus anderen Ordnungen, die neben ihnen in der Vorzeit lebten, sind längst gestrichen aus dem Buche der Lebendigen, nur sie gleichen noch den gewaltigen Geschöpfen, die einstmals unsere Erde bevölkerten. Jetzt stehen sie allein, fast jeder vereinzelt, weit getrennt von den übrigen, die wir mit ihnen zu einer Ordnung rechnen, weil die Verbindungsglieder ausgestorben, die Lücken zwischen ihnen bedeutende geworden sind. Aus diesem Grunde stimmen die Forscher hinsichtlich der Begrenzung der Ordnung nicht miteinander überein; einzelne wenigstens wollen die Zusammengehörigkeit der Vielhufer nicht anerkennen und reihen sie nicht weniger als vier verschiedenen Ordnungen ein, indem sie diese mit den Einhufern, jene mit den Wiederkäuern vereinigen und zwei Familien zu besonderen Ordnungen erheben. Obwohl ich die Gewichtigkeit der hierzu bestimmenden Gründe nicht verkennen oder unterschätzen will, habe ich mich doch nicht entschließen können, dem gegebenen Beispiel zu folgen, es vielmehr für zweckmäßiger erachtet, die dem größeren Teile meiner Leser bekanntere und verständlichere Zusammenfassung der vielhufigen Säugetiere nicht zu zersplittern, zumal ich der neuerlichen, auf die Deutung Owens begründeten Auffassung im nachstehenden Rechnung tragen werde.
Die Vielhufer, gegenwärtig die einzigen Riesen unter den Landsäugetieren, kennzeichnen sich durch plumpen, massigen Leibesbau. Die Glieder sind kurz und dick, die Füße drei- bis fünfzehig; jede Zehe wird von einem besonderen Huf umschlossen. Bei mehreren Arten verlängert sich der Antlitzteil, bei einigen streckt sich die Nase in auffallender Länge als Rüssel hervor. Der Hals ist kurz, vom Leib kaum abgesetzt; der Schwanz erreicht selten das Fersengelenk; die Ohren schwanken in weiten Grenzen; die Augen sind durchschnittlich klein, gleichsam verkümmert. Eine dicke, oft nur mit wenigen, seltener mit dicht stehenden Borsten bedeckte, auf große Stellen hin fast gänzlich kahle Haut umhüllt den Leib; nur eine einzige Familie erinnert hinsichtlich ihrer Bekleidung noch an die pelzbekleideten Vielhufer der Vorwelt. Der innere Leibesbau steht mit der Massenhaftigkeit der Tiere im Einklang. Alle Knochen sind schwer, kurz und massig. Das Gebiß ist sehr verschieden. Gewöhnlich finden sich alle drei Zahnarten; ausnahmsweise aber fehlen wenigstens teilweise die Schneide- oder Eckzähne. Die Backenzähne zeichnen sich durch ihre Falten und Höcker aus. Der Magen ist ziemlich einfach, bei einigen jedoch in zwei Abteilungen geschieden. Der Darmschlauch mißt gewöhnlich die zehnfache Länge des Leibes.
Die Vielhufer bevölkerten unsere Erde zuerst in der Tertiärzeit; der größte Teil aller damals lebenden verschwand aber bereits vor der Diluvialzeit und wurde durch andere Arten und Sippen der Ordnung ersetzt, von denen einige auf unsere Tage herübergekommen sind. Vormals bewohnten sie die ganze Oberfläche der Erde; gegenwärtig leben sie nur in warmen Ländern, zumeist in feuchten, schattigen Wäldern, hauptsächlich in den Urwaldungen unter den Wendekreisen. Sie ähneln sich vielfach, unterscheiden sich aber noch weit mehr, so daß wir jedenfalls wohltun, das Allgemeine so kurz als möglich zu behandeln und dafür alsbald zur ausführlichen Betrachtung der hauptsächlichsten Familien überzugehen.
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Die höchste Stelle unter den Vielhufern gebührt den Rüsseltieren ( Proboscidea). Von den vielen Arten dieser Familie, die unsere Erde bevölkerten, sind nur noch zwei oder vielleicht drei auf unsere Zeiten gekommen; aber gerade sie sind es, die die Jetztwelt so recht ersichtlich mit der Vorwelt verbinden; denn ihrer Familie gehörten die Riesen an, deren wohlerhaltene Leichname das Eis Sibiriens durch Hunderttausende von Jahren uns aufbewahrte. Es erleichtert das Verständnis der Abteilung, wenn wir zunächst einen Blick auf diese ausgestorbenen Arten werfen.
Die Grabstätten der ausgestorbenen Rüsseltiere, insbesondere des Mammut ( Elephas primigenius), das ich im Sinne habe, liegen im Lande der Ostjaken, Tungusen, Samojeden und Buräten, in der Nachbarschaft der Flüsse Ob, Jenissei und Lena, zwischen dem 58. Grade nördlicher Breite und dem Eismeere. Beim Auftauen sandiger Strecken geschieht es, daß Haufen ungeheurer Zähne zum Vorschein kommen, zwischen denen Massen von großen Knochen zerstreut liegen. Manchmal sitzen die Zähne noch fest in den Kiefern; ja, man hat solche gefunden, die noch mit Fleisch, mit Haut und Haar umgeben, die noch blutig waren. »Die Einwohner nennen das Tier Mammut und sagen, es sei ungeheuer groß, drei bis vier Meter hoch, habe einen langen und breiten Kopf und Füße wie die des Bären; es lebe und hause unter der Erde, ziehe den gewaltigen Kopf bei seinen unterirdischen Wanderungen bald zurück und strecke ihn bald wieder vor, hierdurch die Wege sich bahnend, die es mit den Zähnen gebrochen; es suche seine Nahrung im Schlamm, müsse aber sterben, wenn es auf Sandboden gerate, weil es aus diesem die Füße nicht mehr herausziehen könne, verende auch, sobald es an die Luft komme.« So schreibt Ides, der auf einer Gesandtschaftsreise nach China im Jahre 1692 von den Knochenlagern sprechen hörte. Pallas gibt Ende des vorigen Jahrhunderts umständliche Berichte von diesen Knochen; den größten Fund aber machte der Reisende Adams am Ausflusse der Lena. Er hatte erfahren, daß man ein Mammut mit Haut und Haar gefunden habe, begab sich deshalb sofort auf die Wanderung, um diese kostbaren Überbleibsel zu retten, verband sich mit dem Häuptling der Tungusen, der das Tier entdeckt hatte, und reiste auf Renntierschlitten an Ort und Stelle. Der Tunguse hatte das Tier eigentlich schon im Jahre 1799 aufgefunden, von der Ausbeutung desselben jedoch abgesehen, weil einige alte Leute erzählten, daß ihre Väter auf derselben Halbinsel einmal ein ähnliches Ungeheuer entdeckt hätten, das das Verderben über die ganze Familie des Entdeckers gebracht habe, indem sie ausgestorben sei. Diese Nachricht erschreckte den Tungusen so, daß er krank wurde; die ungeheuren Stoßzähne des Tieres aber reizten seine Habsucht, und er beschloß, sich derselben zu bemächtigen. Im März 1804 sägte er beide Zähne ab und vertauschte sie gegen Waren von geringem Wert.
Als Adams zwei Jahre später seine Untersuchungsreise ausführte, traf er das Tier zwar noch auf derselben Stelle, aber sehr verstümmelt. Die Jakuten hatten das Fleisch abgerissen und ihre Hunde damit gefüttert; Eisbären, Wölfe, Vielfraße und Füchse von dem Vorweltstiere sich genährt. Nur das Gerippe, mit Ausnahme eines Vorderfußes, war noch vorhanden. In dem mit einer trockenen Haut bedeckten Kopf waren die Augen und das Hirn sowie ein mit borstenartigem Haar bedecktes Ohr noch gut erhalten. An den Füßen konnte man noch die Sohlen erkennen; auch von der Leibeshaut war noch Dreiviertel übrig. Sie erschien dunkelgrau; die Wollhaare auf ihr waren rötlich, die Borsten dazwischen schwarz und dicker als Roßhaare. Die längsten Haare, die Adams sah, standen auf dem Halse und maßen siebzig Zentimeter. Aber auch den übrigen Körper deckte ein dichtes Kleid, ein deutlicher Beweis, daß das Mammut für das Leben in kalten Gegenden ausgerüstet war. Die Stoßzähne dieses vorweltlichen Elefanten sind viel mehr gekrümmt und daher auch weit länger als bei den lebenden; es gibt solche, die Dreiviertel eines Kreises vorstellen; Adams hat einen gesehen, der gegen sieben Meter lang war.
Adams sammelte, was er zusammenbringen konnte. Zehn Leute waren kaum imstande, die abgeschälte Haut von der Stelle zu bringen; die auf dem Boden zusammengelesenen Haare wogen mehr als siebzehn Kilogramm. Dies alles wurde nach Petersburg geschickt, und wenn auch auf dem langen Wege von zwölfhundert Meilen die kostbaren Schätze so litten, daß an der Haut selbst kein Haar mehr zu sehen ist, so steht doch die Tatsache, dank der Untersuchung und Bemühung des wackeren Reisenden, unzweifelhaft fest. Der Fund dieses Tieres hat die Gelehrten Neuerdings hat ein deutscher Forscher, E. W. Pfizenmayer, der um die Auffindung und Erforschung weiterer Mammutreste sich die größten Verdienste erworben hat, seine Erfahrungen und Erlebnisse in einem Buche niedergelegt. »Mammutleichen und Urwaldmenschen in Nordostsibirien«, Leipzig. F. A. Brockhaus. 1926. Unser Mammutbild ist eine auf den Forschungen des genannten Gelehrten beruhende Rekonstruktion und uns in überaus dankenswerter Weise von ihm zur Verfügung gestellt. Herausgeber. naturgemäß lebhaft beschäftigt.
Ungefähr um die gleiche Zeit, in der das Mammut auf der Erde lebte, fanden sich auch die Mastodonten oder Zitzentiere ( Mastodon), von denen bereits zehn bis zwölf Arten in Europa, Nord- und Südamerika sowie in Indien ausgegraben wurden. Zumal in Amerika hat man viele Überbleibsel dieser Tiere entdeckt und eine Art, das Ohiotier ( Mastodon giganteus), ziemlich vollständig kennengelernt. Barton erzählt, daß 1761 von Indianern fünf Mammutsgerippe aufgefunden wurden, an deren Köpfen, nach dem Berichte der Entdecker, »lange Nasen mit einem Maul unter denselben sich befanden«, und Kalm gedenkt eines andern Gerippes, an dem man ebenfalls den Rüssel noch unterscheiden konnte. Alle Arten dieser Familie ähnelten unserm Elefanten. Die einen waren kleiner, die andern größer. In der Neuzeit hat man in sehr verschiedenen Gegenden Amerikas ähnliche Knochen entdeckt und somit über die vorzeitliche Verbreitung unserer Ordnung Gewißheit erhalten.
Unsere Elefanten, die einzigen gegenwärtig noch lebenden Vertreter der gleichnamigen Familie ( Elephantina) oder Unterordnung, kennzeichnen der lange, bewegliche Rüssel und die Zähne, namentlich die Stoßzähne, die man als umgebildete Schneidezähne betrachtet. Der Rumpf ist kurz und dick, der Hals sehr kurz, der Kopf rund, durch Höhlen in dem oberen Schädelknochen aufgetrieben; die ziemlich hohen, säulenartigen Beine haben entweder fünf oder vorn vier, hinten drei, bis auf die in einer Reihe nebeneinander liegenden Hufe verbundene Zehen und flache hornartige Sohlen.
Das wichtigste Glied des Elefanten ist der Rüssel, eine Verlängerung der Nase, ausgezeichnet durch seine Beweglichkeit, Empfindlichkeit und vor allem durch den fingerartigen Fortsatz an seinem Ende. Er ist zugleich Geruchs-, Tast- und Greifwerkzeug. Ring- und Längsmuskeln, nach Cuvier etwa vierzigtausend einzelne Bündel, setzen ihn zusammen und befähigen ihn nicht allein zu jeder Wendung, sondern auch zur Streckung und Zusammenziehung. Dem Munde ersetzt er die fehlende Oberlippe, dem Tiere selbst ermöglicht er das Leben. Der Leibesbau erlaubt dem Elefanten nicht, den Kopf bis zur Erde herabzubringen, und es würde dem Dickhäuter deshalb schwer werden, sich zu ernähren, würde nicht jenes sonderbare Werkzeug ihm zur Lippe, zum Finger, zur Hand und zum Arme zugleich. Dieser Rüssel heftet sich an der platten Gesichtsfläche des Schädels, auf den Stirnbeinen, dem Oberkiefer, dem Nasenbein und dem Zwischenkiefer an, ist oben gerundet, unten verflacht, und verdünnt sich allmählich von der Wurzel zur Spitze.
Alle übrigen Glieder und selbst die Sinneswerkzeuge des Elefanten erscheinen weniger beachtenswert. Die Augen sind klein und von blödem, aber gutmütigem Ausdruck, die Ohren dagegen sehr groß, Lederlappen vergleichbar. Die Zehen werden so innig von der allgemeinen Körperhaut umschlossen, daß eine Bewegung unter sich unmöglich ist. Jede einzelne wird von einem zwar kleinen, aber starken, breiten und platten, nagelartigen Hufe bedeckt, der nur eben die Zehenspitze umhüllt. Nicht selten kommt es vor, daß einer der Hufe fehlt, weil er abgestoßen und durch das schnelle Nachwachsen der übrigen vollends verdrängt wurde. Der mittellange, ziemlich gerundete Schwanz reicht bis an das Beugegelenk und endet mit einem aus sehr dichten, groben, drahtähnlichen Borsten bestehenden Büschel.
Sehr merkwürdig ist das Gebiß. Der Elefant trägt im Oberkiefer zwei außerordentlich entwickelte Stoßzähne, aber weder Schneidezähne noch Eckzähne, sondern bloß noch einen einzigen gewaltigen Backenzahn in jedem Kiefer. Dieser Zahn besteht aus einer ziemlich bedeutenden Anzahl einzelner Schmelzplatten, die miteinander verbunden sind. Wenn er sich durch das Kauen so weit abgenutzt hat, daß er nicht mehr vollständig seine Dienste tut, bildet sich hinter ihm ein neuer Zahn, der allmählich weiter nach vorn rückt und vor dem Ausfallen des letzten Stummels in Tätigkeit tritt. Man hat beobachtet, daß dieser Zahnwechsel sechsmal vor sich geht, und darf deshalb von vierundzwanzig Backenzähnen sprechen, die das Tier während seines Lebens besitzt. Die Stoßzähne haben ein ununterbrochenes Wachstum und können daher eine ungeheure Länge, sowie ein Gewicht von fünfundsiebzig bis neunzig Kilogramm erreichen.
Der Elefant ( Elephas indicus), den wir als Urbild seiner Sippe, Familie und Unterordnung zu betrachten pflegen, ist ein mächtiges, plumpes, vierschrötiges Tier mit massigem, breitstirnigem Haupte, kurzem Halse, gewaltigem Leibe und säulenartigen Beinen. Sein Kopf, der fast senkrecht gehalten wird, trägt wesentlich dazu bei, den überwältigenden Eindruck, den das riesige Tier auf den Beschauer ausübt, zu erhöhen. Gewaltig in seinen Verhältnissen, erscheint derselbe bei aller Einfachheit der Formen reich gegliedert. Er ist hoch, kurz und breit, seine Gesichtslinie fast gerade, der Scheitel gekrönt durch zwei erhabene, auch nach vorn stark sich herauswölbende Kuppeln, die den höchsten Punkt des Tieres bilden und vorn am Grunde durch eine wulstige Leiste verbunden werden. Letztere setzt sich jederseits in Gestalt eines unter stumpfem Winkel nach den Augenrändern laufenden Grates fort und umschließt dreieckige Vertiefungen, aus denen die Nasenwurzel oder Ansatzstelle des Rüssels deutlich hervortritt. Zwischen den dicken Augenrändern, Jochbeinen, Stirnhügeln und Ohrwurzeln liegen muldenförmige Einsenkungen. Hinter dem Stirnrande, etwas über dem Jochfortsatze des Oberkieferbeines, befindet sich eine von vorn und oben nach hinten und unten gerichtete, etwa fünf Zentimeter lange, schmale, durch ihre flachen Ränder fast geschlossene Drüsenöffnung, aus der zeitweilig, zumal während der Brunst, eine übelriechende, die Backen dunkel färbende Absonderung aussickert. Hoch oben am Kopfe sitzt das mittelgroße, verschoben viereckige, nach unten in eine etwas verlängerte Spitze ausgezogene Ohr, dessen Oberrand vorn und an der Innenseite umgekrempt ist und dessen schlaff herabhängende Spitze sich nach hinten biegt. Das kleine, geschlitzte, sehr bewegliche, jedoch unschöne Auge liegt ziemlich tief in der Höhle, wird durch dicke, mit starken, schwarzen Wimpern besetzte Lider geschützt und von vielen Hautfalten ringförmig umgeben; sein Stern ist sehr klein und rund, die Iris kaffeebraun, der Augapfel dicht um die Iris herum weißlich, übrigens aber kastanienbräunlich gefärbt. Die faltenreichen Winkel des weit gespaltenen Maules, dessen bewegliche, meist jedoch tief herabhängende Unterlippe in einer langen Spitze hervortritt, liegen nicht weit unter und hinter dem Auge, in einer tiefen Grube, die durch die sehr starken Kaumuskeln und die Wurzel der Stoßzähne gebildet wird. Zwischen den Augen, nach oben bis zur Stirn reichend, befindet sich die Ansatzstelle des an der Wurzel halbkugeligen, fast walzenförmigen, weil bis gegen die Spitze hin nur wenig und gleichmäßig an Dicke abnehmenden Rüssels, der ausgestreckt bis auf den Boden herabreicht und daher regelmäßig eingerollt getragen werden muß. Sein vorderer Teil ist drehrund, jede seiner Seiten etwas gedrückt, der hintere Teil, der jederseits durch eine vorspringende Leiste begrenzt wird, im oberen Viertel der Länge flach, im übrigen Verlaufe mehr und mehr ausgehöhlt, vor dem Ende mit einem dicken, hinten knollig aufgetriebenen Wulstringe umgeben, vorn mit dem ausgezeichneten Greifwerkzeuge, einem deutlich abgesetzten, kegeligen, fingerartigen Haken, ausgerüstet und an dem abgestutzten Ende selbst in Gestalt einer becherförmigen Höhlung eingebuchtet, in deren Tiefe die Nasenlöcher liegen. Die vorderen drei Seiten des ungemein dehnbaren und allseitig beweglichen Rüssels sind mit ringförmigen, dicht nebeneinanderliegenden, nach der Spitze zu noch mehr sich zusammendrängenden und verfeinernden Querfalten bedeckt, die in den Seitenleisten endigen, wogegen die hintere Seite seine Längsfalten und Querkerben zeigt. Die gewaltigen Stoßzähne treten mit starker Wölbung aus dem Oberkiefer hervor. Der Hals ist kurz, nach dem Kopfe zu gehoben, von diesem deutlich abgesetzt. Der Widerrist macht sich wenig bemerklich, weil die Rückenlinie vom Halse an gleichmäßig bis zu dem ungefähr in der Rückenmitte gelegenen, wenig hinter dem Kopfe zurückbleibenden höchsten Punkte ansteigt, um von hier aus bis zur Wurzel des Schwanzes steil abzufallen. Die Bauchlinie senkt sich von der Brust, die die beiden Saugwarzen trägt, wenig nach hinten. Der Schwanz ist hoch angesetzt, drehrund und mit Querfalten bedeckt, verjüngt sich wenig nach der Spitze zu und hängt senkrecht bis etwas unter das Knie herab. Die Vorderbeine sind vom Schultergelenk an frei und erscheinen besonders aus dem Grunde merklich höher als die hinteren, weil die Achselhöhlen zwischen dem Oberarm und den Brustknochen erheblich sich eintiefen; ihre von Hautfalten kreisförmig umgebenen Ellenbogen treten stark, die Handgelenke schwach hervor; die an der Vorderfläche sehr eingezogene Mittelhand läßt den fünfhufigen, kissenförmigen, nach allen Seiten verbreiterten, glattsohligen Fuß besonders groß erscheinen. Die Hinterbeine stecken fast bis zu den Knien herab in einer mit den Bauchteilen verbundenen häutigen Umhüllung; ihre Knie sind deutlich bemerkbar, indem sich die Beine unmittelbar unter ihnen auffallend verschwächen und erst dann wieder bis zu der sehr tief sitzenden Ferse stetig verstärken; der Fuß verbreitert sich von hier aus rasch nach vorn und hinten, so daß seine Sohle eirund wird. Die Haut ist in bestimmten Richtungen fein gefaltet, in anderen, die die Falten meist kreuzen, geritzt, weshalb ihre Oberfläche eigentümlich netzartig gerieft erscheint; nur an der Brust verdicken sich diese Falten zu losen, beweglichen, wammenartigen Wülsten. Infolge des gedachten Faltennetzes vermißt man kaum das fast gänzlich fehlende Haarkleid, das eigentlich nur durch sehr einzeln am Körper, etwas dichter rings um die Augen, an den Lippen, am Unterkiefer, auf dem Kinn und dem Hinterrücken stehende Haare angedeutet und einzig und allein an der Schwanzspitze zu einer zweizeiligen dünnen Quaste entwickelt ist. Die einzelnen Haare haben braune oder schwarze, die der Lippen weißliche, die nackten Hautstellen fahlgraue Färbung, die jedoch am Rüssel, Unterhals, der Brust und dem Bauch in Fleischrötlich übergeht und hier durch eine dichte, tropfenartige, dunkle Fleckung gezeichnet wird. Die Hufe sind Hornfarben.
Die Maße des Elefanten werden gewöhnlich überschätzt. Es beträgt bei sehr großen Männchen die Gesamtlänge von der Rüssel- bis zur Schwanzspitze ungefähr 7 Meter, wovon etwa 2,25 Meter auf den Rüssel und 1,4 Meter auf den Schwanz kommen, und die Höhe am Widerrist 3,5 bis höchstens 4 Meter; größere Stücke dürften kaum gefunden werden. Das Gewicht soll zwischen drei- und viertausend Kilogramm schwanken.
Als Vaterland des Elefanten haben wir Vorder- und Hinterindien zu bezeichnen. In vielen Gegenden dieser riesigen Reiche bereits ausgerottet, lebt er innerhalb des angegebenen Verbreitungsgebietes noch in allen größeren und zusammenhängenden Waldungen, im Gebirge wie in der Ebene. Ob die auf Ceylon, Sumatra und Borneo hausenden Elefanten mit denen des Festlandes gleichartig sind, wie man bisher ziemlich allgemein angenommen, oder ob sie in der Tat eine besondere Art ( Elephas sumatranus) bilden, wie der ältere Schlegel, gestützt auf Vergleichungen des Gerippes der festländischen und Inselelefanten, uns versichert, lassen wir einstweilen noch unentschieden.
Dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß der Afrika bewohnende Elefant von dem indischen unterschieden werden muß. Derselbe, der Fihl der Araber ( Elephas africanus), amharisch »Zohen«, tigrisch »Harmas«, äthiopisch »Negiê« genannt, von den Denkeli »Decken«, den Somali »Merodeh«, den Gallavölkern »Arbâ«, den Belen »Dsansa«, den Betschuanen »Ylo« und »Dzo« geheißen, fast in jedem andern Lande Afrikas also mit einem besonderen Namen belegt, übertrifft seinen indischen Verwandten wahrscheinlich an Größe, steht jedoch insofern hinter ihm zurück, als er auf den Beschauer bei weitem nicht den majestätischen Eindruck ausübt wie die indische Art. Seine Erscheinung ist unschöner, der Leib kürzer, aber höher gestellt als bei dem Verwandten; auch sein flacher Kopf mit dem dünnen Rüssel und den ungeheuren Ohren, seine ausdruckslos geschwungene Rückenlinie, seine schmale Brust und seine häßlichen Beine bilden eine Vereinigung von Merkmalen, die ihn bestimmt von jenem unterscheiden. Am Kopfe, der nur selten erhoben, sondern meist gesenkt und vorgestreckt wird, tritt, von den Nasenbeinen angefangen, die Stirn zurück, bildet eine nur wenig hervortretende Spitze und fällt über die Scheitelbeine nach dem Hinterhaupt wiederum flach ab. Alle Leisten und Gruben des Kopfes sind verflacht; die Augenränder treten wenig hervor, und das Auge füllt seine Höhle fast gänzlich aus; der Unterkiefer ist verhältnismäßig schwach, und die Kaumuskeln machen sich wenig bemerkbar; der Rüssel setzt sich flach an die Stirn an und verschmächtigt sich, ohne eine kräftige Wurzel zu zeigen, bald unverhältnismäßig. Hierdurch gewinnt die Gesichtslinie ein höchst bezeichnendes Ansehen und eine gewisse Ähnlichkeit mit der eines Raubvogels. Die größte Breite des Kopfes liegt zwischen den Jochbeinen, und Stirn und Unterkiefer treten weit zurück, wogegen bei der indischen Art Schläfe, Jochbeine und Kaumuskeln annähernd dieselbe Breite des Kopfes bedingen. Der Rüssel ist vorn rund, seitlich etwas zusammengedrückt und hinten flach, nicht aber eingemuldet, wird von breiten, nach der Spitze zu dichter stehenden und sich verschmälernden Faltenringen umgeben, von denen jeder untere aus dem oberen hervorgewachsen zu sein scheint, und hat, den Ringen entsprechend, stark geschnürte, in der Mitte jedoch sehr erhabene Randleisten, deren Begrenzungslinie deutlich zackig ist. Die Rüsselmündung ist nur schwach umwulstet. Dem sehr breiten, kaum den Namen verdienenden Finger entspricht ein ähnlicher, vorgezogener Teil des Hinterrandes der Mündung; beide können mit ihren Rändern sich fest aneinanderlegen und den Rüssel so verschließen, daß die sichtbar bleibende Öffnung nur ein quergestellter Schlitz zu sein scheint. Die Nasenscheidewand tritt tief zurück, und die länglichen, aufrechtstehenden Nasenlöcher liegen daher ebenfalls in einer becherförmigen Aushöhlung. Die kurze, rundliche Unterlippe hängt nicht, sondern wird gewöhnlich angezogen. Die Augen sind klein und geschlitzt; die Iris hat hellrötlich gelbbraune Färbung. Hoch oben am Kopfe sitzen auf mächtigen Wurzeln die riesigen Ohren, die nicht allein den ganzen Hinterkopf überdecken, sondern noch über das Schulterblatt wegreichen. Sie haben fünf Ecken, von denen eine, die untere, in eine lange, weit unter die Kehle reichende Spitze ausgezogen ist, und eine zweite vordere obere den Nacken, dem sie aufliegt, überragt und von den entsprechenden des andern Ohres bedeckt wird. Von der ersten Ecke an bis zur dritten, hinter dem Schulterblatt liegenden, ist der Ohrrand nach innen, d. h. der Vorderseite der Ohrmuschel, umgeschlagen, wogegen der übrige Teil des Ohres wie ein Stück steifer, schwachgerollter Pappe oder wie Sohlenleder auf der Schulter liegt. Das ganze Ohr ist ungemein flach, nach hinten, der Schulterform entsprechend, gebogen und zeigt nur dicht vor der Gehöröffnung eine kleine, seichte Mulde zum Auffangen des Schalles; den Gehörgang schützen Knorpel und einige Hautfalten zur Genüge. Vom Kopfe aus erhebt sich der dünne Hals zum Widerrist, der zwischen den Ohren liegt; hinter diesen ist der Rücken sattelartig eingesenkt, steigt aber von der Mitte an ziemlich steil empor, die Schulterhöhe merklich überbietend, und fällt sodann noch steiler nach dem tief angesetzten, senkrecht herabhängenden, bis zu den Kniekehlen reichenden, dünnen und glatten Schwanze ab. Die Brust liegt hoch zwischen den Vorderbeinen, so daß die Linie des gerundeten, vollen Bauches nach hinten zu erheblich sich senkt. Die Vorderbeine, deren Ellenbogen als Spitze etwas hervortreten, verjüngen sich bis zur Mittelhand und gehen sodann, allseitig sich verbreiternd und über die Mittelhand hinausreichend, in die kissenartigen, fast rundsohligen Füße über, die vier Hufe haben. An den Hinterbeinen, deren Oberschenkel bis ans Knie sich verstärken und länglich viereckige Keulen darstellen, sind die Unterschenkel auffallend dünn, verbreitern sich stark nach der Ferse zu und stehen auf eirundsohligen, vorn und hinten vorgezogenen, plumpen Füßen, die drei Hufe haben. Die Falten und Risse der netzartig eingerieften Haut zeigen ein gröberes Gepräge als bei dem indischen Elefanten. Mit Ausnahme eines schwachen Haarkammes auf Hals und Widerrist dünnstehender, bis fünfzehn Zentimeter langer, schwarzbrauner Haare, die von Brust und Bauch herabhängen, und einzelner, die in der Umgebung der Augen und an der Unterlippe sich finden, fehlt die Behaarung gänzlich. Die Färbung der Haut, ein kräftiges Schieferblaugrau, wird durch anhaftenden Schmutz und Staub getrübt und in ein mißfarbenes Fahlbraun umgewandelt.
Bei einem von Kirk in den Sambesiländern erlegten männlichen Fihl betrug die Länge von der Spitze des Rüssels bis zum Scheitel 2,75 Meter, die Länge der gebogenen Linie von hier bis zur Ansatzstelle des Schwanzes 4,2 Meter, die Schwanzlänge 1,3 Meter, die Gesamtlänge also rund 8 Meter, bei 3,14 Meter Schulterhöhe. Und doch hatte jeder Stoßzahn erst ein Gewicht von 15 Kilogramm, das Tier demnach noch keineswegs ein hohes Alter erreicht.
Das Verbreitungsgebiet des Fihl umfaßt noch gegenwärtig ganz Innerafrika, soweit es durch den alljährlich regelmäßig fallenden Regen das Wüstengepräge verloren hat und entweder bewaldet oder doch mit hohen Gräsern bedeckt ist. Ob das Tier jemals in den Atlasländern gelebt hat, wie Wagner zu glauben scheint, dürfte fraglich sein. Im Kapland ist es erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts ausgerottet worden; im Süden wie im Norden Afrikas wird es von Jahr zu Jahr weiter zurückgedrängt, beziehentlich in stetig zunehmenden Gebieten vernichtet; nur im Westen wie im Osten kommt es noch in unmittelbarer Nähe der Küste vor.
Beide Elefantenarten waren den Alten wohlbekannt und wurden schon in früher Zeit oft lebend nach Europa gebracht. »Die alten Ägypter«, fügt Dümichen hier ein, »kannten nicht bloß die afrikanische Art, sondern auch den Elefanten des fernen Indien und schätzten beide hoch. Die so wertvollen Stoßzähne dieser Riesen der Tierwelt bildeten zu allen Zeiten des ägyptischen Reiches einen Hauptbestandteil des jährlichen Tributs, den die Bewohner »des elenden Kusch« und die noch südlicher wohnenden Neger wie die unter ägyptischer Oberhoheit stehenden Völker Asiens an den Pharao zu entrichten hatten. Auf der die Assuâner Kataraktenlandschaft am nördlichen Ende, nach der ägyptischen Seite hin, abschließenden Insel, heute Gesiret Assuân genannt, erhob sich zur Zeit des alten Ägypten die Metropolis des ersten oberägyptischen Gaues, die, gleich der Insel, auf der sie stand, bei Griechen und Römern den Namen Elephantine führte, was nur eine treue Wiedergabe des Namens ist, den Stadt und Insel bereits im alten Ägypten trugen, des Namens »Elefanteninsel, Elfenbeinstadt«. So wurden Insel und Stadt genannt, weil ehedem an jener Stelle, wie heute in dem gegenüberliegenden Assuân, der Stapelplatz war für das aus dem Süden kommende Elfenbein, das bereits in den ältesten Zeiten des Pharaonenreiches von den in Kunst und Handwerk so geschickten ägyptischen Meistern zu allerlei Schmuckgegenständen und verschiedenen Gerätschaften, die praktischen Zwecken des Lebens dienten, verarbeitet wurde. Der Name des Elefanten wird in der Hieroglyphenschrift durch ein Silbenzeichen gegeben, das die Aussprache »Ab« hatte; je nach dem hinter dieses Wort nun tretenden Bestimmungsbilde bezeichnet »Ab«, außer dem Elefanten selbst, auch die Stoßzähne desselben, das Elfenbein, und ebenso die Insel oder Stadt des Elfenbeins, Elephantine. Zur Bezeichnung der letzteren tritt in den Inschriften zuweilen sogar mit Fortlassung des Silbenzeichens »Ab« nur das Bild des Elefanten auf. In bezug auf die Kenntnis, die die alten Ägypter von dem asiatischen Elefanten hatten, ist von besonderer Wichtigkeit eine von Ebers in einem oberägyptischen Grabe, und zwar in Qurnah, auf der Westseite von Theben, aufgefundene Inschrift. Das Grab stammt, wie aus den darin vorkommenden Königsnamen hervorgeht, aus dem siebzehnten Jahrhundert v. Chr., und der Verstorbene, namens Amenemheb, der die Ehre hatte, den Heldenkönig Thutmosis den Dritten auf seinen asiatischen Kriegszügen zu begleiten, berichtet nur an der Wand seines Grabes über einige hervorragende Erlebnisse aus diesem Feldzuge. So heißt es: »Ich schaute abermals da eine Tat der Vollkommenheit, ausgeführt von dem Herrscher Ägyptens im Lande Ninive, woselbst er auf der Jagd erlegte hundertundzwanzig Elefanten, wegen ihres Elfenbeins.« Über die Liebhaberei der ägyptischen Könige für gefährliche Jagden wird uns in den Inschriften vielfach Bericht erstattet. Wie bei den alten Ägyptern waren auch bei andern Völkern des Altertums der Name des Elefanten und die Bezeichnung des Elfenbeins gleichlautend. Erst Herodot meint unter dem Namen » Elephas« wirklich das Tier. Ktesias, der Leibarzt von Artaxerxes von Nemon, war der erste Grieche, der einen Elefanten nach eigener Anschauung beschrieb. Er sah einen lebenden in Babylon, wohin derselbe aus Indien gekommen sein mochte; er war es auch, der zuerst das Märchen verbreitete, daß der Elefant keine Gelenke in den Beinen habe, weder sich legen noch aufstehen könne und deshalb stehend schlafen müsse. Darius ist geschichtlich der erste, der die Elefanten in der Schlacht, und zwar gegen Alexander den Großen, verwendete. Von den durch letzteren erbeuteten Elefanten bekam Aristoteles einige zu Gesicht und konnte nunmehr das Tier ziemlich genau beschreiben. Von dieser Zeit an kommen die Elefanten oft in der Geschichte vor. Fast dreihundert Jahre nacheinander werden sie selbst in Europa in den endlosen Kriegen verwendet, die die verschiedenen Völker um die Weltherrschaft führen, bis die Römer endlich siegreich aus den Kämpfen hervorgehen. Neben den indischen Elefanten aber wurden auch afrikanische gebraucht, und namentlich die Karthager verstanden es, diese Tiere, die man später für unzähmbar erklären wollte, zum Kriege abzurichten und in derselben Weise zu verwenden wie die indischen.
Die Römer brauchten ihre Elefanten hauptsächlich zu den Kampfspielen, und schon ihnen sollen wir die Schuld zuzuschreiben haben, daß die Tiere im Norden des Atlas ausgerottet wurden. Wie weit die afrikanischen Elefanten abgerichtet wurden, mag daraus hervorgehen, daß die römischen Schauspieler sie gelehrt hatten, Buchstaben mit einem Griffel zu zeichnen, auf einem schräg gespannten Seil auf und ab zu gehen, zu viert auf einer Sänfte einen Fünften zu tragen, der den Kranken vorstellte, nach dem Takt zu tanzen, von einer prächtig besetzten Tafel aus Gold- und Silbergeschirr mit aller Beobachtung der feinen Sitte und des Anstandes zu speisen usw. Soviel Gelegenheit aber auch die Alten hatten, Elefanten im Leben zu beobachten, so wenig zuverlässig sind die Beschreibungen, die auf uns gekommen sind. Sonderbarerweise haben sich gewisse Märchen und Fabeln hartnäckig erhalten, und eigentlich kennen wir erst seit der allerneuesten Zeit die riesigen Dickhäuter wirklich. Gegenwärtig liegt eine Reihe vortrefflicher Beobachtungen über beide Arten vor, und es läßt sich somit ein eingehendes und richtiges Lebensbild der Tiere zeichnen.
In den angegebenen Ländern findet man den Elefanten in jeder größeren Waldung. Je reicher eine solche an Wasser ist, je mehr sie dadurch zum eigentlichen Urwald wird, um so häufiger tritt er auf. Allein man würde sich irren, wenn man glauben wollte, daß er einzig und allein in derartigen Wäldern gefunden werde. Es ist behauptet worden, daß der Riese unter den Säugetieren die Kühle und die Höhe scheue, wogegen gewissenhafte Beobachtungen dies aufs bestimmteste widerlegen. Auf Ceylon sind gerade die hügeligen und bergigen Gegenden seine Lieblingsplätze. »In Uvah,« sagt Tennent, »wo die Hochebenen oft mit Reif überzogen sind, finden sich die Elefanten noch in Höhen von mehr als zweitausend Meter über dem Meere in Herden, während der Jäger in den Dschungeln der Tiefe vergeblich nach ihnen suchen wird. Keine Höhe scheint ihnen zu luftig oder zu frostig zu sein, vorausgesetzt nur, daß sie Wasser im Überfluß enthalte. Der gewöhnlichen Meinung entgegen, meidet der Elefant das Sonnenlicht soviel als möglich und bringt deshalb den Tag in den dichtesten Gehegen des Waldes zu, während er gerade die kühle, dunkle Nacht zu seinen Ausflügen erwählt. Er ist, wie fast alle Dickhäuter, mehr Nacht- als Tagtier; denn obgleich er bei Tage ab und zu weidet, bildet doch die stille, ruhige Nacht die eigentliche Zeit, in der er sich des Lebens freut. Wenn der Wanderer zufällig oder der Jäger auf vorsichtigem Schleichgange bei Tage einer Herde nahe kommt, sieht er sie in der größten Ruhe und Gemütlichkeit beieinander stehen. Ihre ganze Erscheinung ist geeignet, alle die Erzählungen von ihrer Bosheit, Wildheit und Rachsucht zu widerlegen. Im Schatten des Waldes hat die Herde sich in den verschiedenartigsten Stellungen gelagert und aufgestellt. Einige brechen mit dem Rüssel Blätter und Zweige von den Bäumen, andere fächeln sich mit Blättern, die sie abbrechen, und einige liegen und schlafen, während die Jungen spiellustig unter der Herde umherlaufen; das anmutigste Bild der Unschuld, wie die Alten das der Friedfertigkeit und des Ernstes sind. Dabei bemerkt man, daß jeder Elefant, wie die zahmen auch tun, sich in einer sonderbaren Bewegung befindet. Einige wiegen ihr Haupt einförmig in einem Kreis oder in Bogen von der rechten zur linken Seite, andere schwingen einen ihrer Füße vor- und rückwärts, andere schlagen ihre Ohren an das Haupt oder bewegen sie hin und her, andere heben oder senken in gleichen Zeiträumen ihre Vorderbeine auf und nieder. Mehrere Reisebeschreiber haben geglaubt, daß die sonderbaren Bewegungen, die man auch alle an den Gefangenen beobachten kann, nur eine Folge von der langen Seereise wären; sie haben aber niemals Elefanten in der Wildnis gesehen. Sobald eine Herde von Menschen überrascht wird oder sie auch nur wittert, entflieht die ganze Gesellschaft furchtsam in die Tiefe des Waldes, und zwar gewöhnlich auf einem der von ihr gebahnten Pfade.«
Für den Fihl gilt hinsichtlich des Aufenthaltes wie beziehentlich des Auftretens dasselbe. In den Bogosländern habe ich die Losung der Elefanten noch in Höhen von zweitausend Meter unbedingter Höhe gefunden und von den Eingeborenen erfahren, daß in den benachbarten Hamasén die Tiere regelmäßig auf den höchsten Bergen, also bis zu dreitausend Meter über dem Meer, vorkommen. Van der Decken fand bei seiner Besteigung des Kilimandscharo noch in einer Höhe von fast dreitausend Meter über dem Meere Spuren unserer Dickhäuter.
Weder im Hoch- oder Mittelgebirge noch in der Ebene hält der Elefant unter allen Umständen am Walde fest, ändert vielmehr seinen Aufenthalt nicht allein entsprechend der Örtlichkeit, sondern auch gemäß der obwaltenden Umstände. So begegnet man dem Fihl in einem großen, vielleicht im größten Teil Afrikas monatelang nur in der freien Steppe, vorausgesetzt, daß hier Bäume wenigstens nicht gänzlich fehlen, oder aber trifft ihn in Sümpfen an, deren Röhricht die höchste Pflanze der Umgegend ist. Eine Bedingung muß der von ihm gewählte Aufenthaltsort stets erfüllen: an Wasser darf es nicht fehlen. Von einem Regenstrom zum andern, von diesem Sumpf oder Pfuhl zum nächsten führen die Wechsel, und jede Lache unterwegs bildet einen Ort der Ruhe, der Erquickung, weil sie stets benutzt wird, die Haut durch Bäder oder wenigstens durch Überspritzen zu nässen, zu säubern und von Kerbtieren zu reinigen. »Nicht nur vormittags und mit Einbruch der Dunkelheit«, sagt Heuglin, »am lichten Nachmittag selbst haben wir in einzeln gelegenen Plätzen Elefanten angetroffen, die dort, oft tief im Wasser stehend oder sogar liegend, beschäftigt waren, letzteres trübe und kotig zu machen und sich damit anzuspritzen.«
So häufig die Elefanten im Innern Afrikas auch sind, so schwierig ist es zuweilen, ihren augenblicklichen Aufenthalt ausfindig zu machen, da sie ein sehr unstetes Leben führen. In hellen Mondscheinnächten hört man, wie der letztgenannte Berichterstatter ebenfalls bemerkt, einen Trupp scheinbar in nächster Nähe, muß aber schon vor Tagesgrauen zur Stelle sein, wenn man ihn noch antreffen will, weil die Tiere, nachdem sie sich gesättigt haben, in der Regel einen andern Teil ihres Gebietes aufsuchen und so rasch sich bewegen, daß sie heute hier, morgen zweihundert Kilometer weiter sein können. Bei solchen Ortsveränderungen folgen sie regelmäßig bestimmten Wechseln oder bahnen sich neue, gleichviel ob sie ihren Weg durch Wälder oder Sümpfe, über steile Höhen oder durch enge Schluchten nehmen müssen. Bodenhindernisse scheint es für sie überhaupt nicht zu geben; sie durchschwimmen, wie Heuglin treffend schildert, Ströme und Seen, arbeiten sich ohne Mühe durch den dicksten Urwald, an steilen, steinigen und felsigen Höhen hinan, auf festem Boden oft förmliche Straßen herstellend, weil sie bei ihren Zügen nicht allein geschlossene Gesellschaften bilden, sondern sich auch in lange Reihen zu ordnen pflegen, die dann verhältnismäßig schmale Wechsel hinterlassen. Solche Straßen bemerkte ich in allen dichteren Waldungen Innerafrikas, die noch von ihnen bewohnt werden. Die Wege laufen gewöhnlich von der Höhe zum Wasser herab; doch findet man auch Pfade, die die übrigen durchkreuzen. In allen größeren Urwaldungen zu beiden Seiten des oberen Blauen Nils konnte ich nur auf diesen Wegen in den Urwald eindringen; dort waren die Elefanten geradezu als Straßenbauer anzusehen. Das leitende Mitglied einer Herde geht ruhig durch den Wald, unbekümmert um das Unterholz, das es unter seinen breiten Füßen zusammentritt, unbekümmert auch um die Äste, die von stärkeren Bäumen herabhängen; denn diese werden einfach mit dem Rüssel abgebrochen und bis auf die stärkeren Teile verspeist. Auf freien, sandigen oder auch staubigen Flächen des Waldes scheint die Elefantenherde gewöhnlich Rast zu halten und ein Staubbad zu nehmen, wie die Hühner es tun. Ich beobachtete an solchen Orten tiefe, der Größe des Elefanten entsprechende Kessel, die wahrscheinlich mit Hilfe der Stoßzähne ausgewühlt worden waren und deutlich zeigten, daß die gewaltigen Tiere sich hier gepaddelt hatten. In der freien Steppe dürften sie, laut Schweinfurth, mit Vorliebe die schmalen Wege begehen, die der Mensch im Hochgrase gebahnt hat, obgleich sie kaum zur Aufnahme eines Vierteils ihrer Körperbreite ausreichen; im Gebirge dagegen legen sie sich, ebenso wie im Walde, Pfade an, und zwar mit einer Klugheit, die selbst menschliche Straßenbauer in Erstaunen setzt. Tennent erfuhr von englischen Baumeistern, daß die Elefanten, wenn sie Gebirge überschreiten, stets die günstigsten und tiefsten Sättel auszuwählen und alle Regeln zur Überwindung bedeutender Steilungen aufs geschickteste zu benutzen verstehen. Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß solche Wege selbst über Gebirge verlaufen, in denen gewöhnliche Pferde unbesiegbare Hindernisse finden würden. Genau das gleiche gilt für die Bogosländer. Hier haben die Elefanten immer die günstigsten Pässe des Gebirges, die weit und breit zu finden sind, zu ihren Wegen sich ausgesucht und diese mit wunderbarer Klugheit benutzt. Im Mensagebirge durchkreuzen die Elefantenwege nur da das Haupttal, wo von beiden Seiten her Quertäler einmünden, steigen von jenem aus in diesen so hoch als möglich aufwärts und erheben sich dann im Zickzack vollends bis zum Kamm, von wo aus der Weg in umgekehrter Weise nach unten führt.
Der Elefant ist nur scheinbar plump, in Wirklichkeit sehr geschickt. Für gewöhnlich geht er einen ruhigen, gleichmäßigen Paß, wie das Kamel und die Giraffe; dieser ruhige Gang aber kann so beschleunigt werden, daß ein Reiter Mühe hat, dem trabenden Elefanten nachzukommen. Anderseits versteht dieser es, so leise durch den Wald zu schleichen, daß man ihn kaum noch gehen hört. »Anfangs«, sagt Tennent, »stürzt eine wilde Herde mit lautem Geräusch durch das Unterholz; bald aber sinkt der Lärm zur vollständigen Geräuschlosigkeit herab, so daß ein Neuling glauben muß, die flüchtenden Riesen hätten nur wenige Schritte getan und sich dann ruhig wieder aufgestellt.« Beim Überschreiten sehr bedeutender Steilungen wird der Elefant geradezu zum kletternden Tier. An einem Gefangenen, den ich pflegte, habe ich mit wahrem Vergnügen gesehen, wie geschickt er es anfängt, schroffe Gehänge zu überwinden. Er biegt zunächst sehr klug seine Vorderläufe in den Handgelenken ein, erniedrigt also den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn, dann rutscht er auf den eingeknickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgestreckten Beinen geht. Bergauf also fördert die Wanderung noch ziemlich gut, bergab dagegen hat das schwere Tier selbstverständlich wegen seines ungeheuren Gewichts größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elefant in seiner gewöhnlichen Weise fortgehen, so würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, nach vorn sich überschlagen und solchen Sturz vielleicht mit seinem Leben bezahlen. Das kluge Tier tut dies jedoch nicht, kniet vielmehr am Rande des Abhangs nieder, so daß seine Brust auf den Boden zu liegen kommt, und schiebt nun seine Vorderbeine höchst bedächtig vor sich her, bis sie irgendwo wieder Halt gewonnen haben, zieht hierauf die Hinterbeine nach und gelangt so, gleitend und rutschend, nach und nach in die Tiefe hinab. Zuweilen kommt es übrigens doch vor, daß der Elefant auf seinen nächtlichen Wanderungen einen schweren Fall tut. Im oberen Mensatale sah ich hiervon unverkennbare Spuren. Eine starke Herde war beim Übergang des Haupttales längs einer Bergwand hingegangen und dabei auf einen schmalen Weg geraten, den das Regenwasser hier und da unterwaschen hatte. Ein teilweise überragender Stein war von einem Elefanten betreten und dadurch zur Tiefe herabgestürzt worden, hatte aber auch zugleich das schwere Tier aus dem Gleichgewicht gebracht und nach sich gezogen. Dieses mußte einen gewaltigen Purzelbaum geschossen haben; denn Gras und Büsche waren in einer Breite, die der Länge eines Elefanten etwa entsprach, auf mindestens sechzehn Meter nach unten niedergebrochen und teilweise ausgerissen. Ein stärkeres und dichteres Gebüsch hatte den Rollenden endlich aufgehalten; denn von dort aus führte die Fährte wieder zum Hauptwege empor. Einige Kreuzschmerzen mochte das gute Tier wohl davon getragen haben, ernstlichen Schaden aber hatte es nicht erlitten.
Der alte Glaube, daß der Elefant sich nicht niederlegen könne, wird von jedem, den wir in Tierschaubuden sehen, aufs gründlichste widerlegt. Allerdings schläft unser Dickhäuter nicht immer im Liegen, sondern oft auch im Stehen; wenn er es sich aber bequem machen will, läßt er sich mit derselben Leichtigkeit, mit der er sich anderweitig bewegt, nieder oder erhebt sich vom Lager. Nicht minder leicht schwimmt der ungeschlachte Gesell, er wirft sich daher mit wahrer Wollust in das Wasser und versenkt sich nach Belieben in die Tiefe desselben. Falls es ihm gefällt, schwimmt er in gerader Richtung über die breitesten Ströme, und manchmal lagert er sich förmlich unter Wasser, wobei er dann einzig und allein die Spitze seines Rüssels über die Oberfläche emporstreckt.
Die wunderbarsten Bewegungen, deren der Elefant überhaupt fähig ist, führt er mit seinem Rüssel aus. Dieses vorzügliche Werkzeug erscheint ebenso ausgezeichnet wegen seiner gewaltigen Kraft als wegen der Mannigfaltigkeit der Biegungen und Drehungen, deren es fähig ist, oder der Geschicklichkeit, mit der es etwas angreifen kann. Mit dem fingerartigen Fortsatze am Ende erfaßt der Elefant die kleinsten Dinge, leichte Silbermünzen oder Papierschnitzel zum Beispiel, mit ihm bricht er aber auch starke Bäume um. Man kann wohl sagen, daß der Rüssel zu jeder Arbeit und in jeder Richtung verwendet werden kann; denn es würde geradezu unmöglich sein, alles aufzuzählen, was das Tier mit seiner langen Nase auszuführen imstande ist.
Nächst dem Rüssel benutzt der Elefant auch die Zähne zu mancherlei Arbeiten. Er hebt mit ihnen Lasten auf, wälzt Steine um, wühlt Löcher und gebraucht sie endlich wohl auch als Waffen zur Abwehr oder zum Angriff, schont sie übrigens soviel als möglich, denn in ihnen liegt seine wahre Stärke nicht! Mercer sandte an Tennent die Spitze eines Elefantenzahns von zwölf Zentimeter im Durchmesser und zwölf Kilogramm Gewicht, die im Kampf von einem andern Elefanten abgeschlagen worden war. Eingeborene hatten ein eigentümliches Geräusch gehört, waren dem Schalle nachgegangen und an zwei kämpfende Elefanten gekommen, einen Zahntragenden und ein Weibchen ohne Zahn, das jenem mit einem Rüsselschlage den halben Zahn abbrach.
Alle höheren Fähigkeiten des Elefanten stehen im Einklang mit den bereits erwähnten Begabungen. Das Gesicht scheint nicht besonders entwickelt zu sein; wenigstens hegen alle Jäger die Meinung, daß das Gesichtsfeld des Tieres ein sehr beschränktes ist. Um so besser aber sind Geruch und Gehör ausgebildet, und Geschmack und Gefühl, wie man an Gefangenen sich leicht überzeugen kann, wenigstens verhältnismäßig sein. Von dem scharfen Gehör des Tieres wissen alle Jäger zu berichten. Der geringste Laut ist hinreichend, um einen Elefanten aufmerksam zu machen; das Brechen eines kleinen Zweiges genügt, um seine Behaglichkeit zu unterbrechen. Der Geruch ist fast ebenso scharf wie bei den Wiederkäuern; jeder geübte Jäger vermeidet es sorgfältig, weidenden Elefanten mit dem Winde sich zu nähern. Im Rüssel hat auch der Tastsinn seinen bevorzugten Sitz, und zumal der fingerförmige Fortsatz an der Spitze desselben wetteifert an Feinheit der Empfindung mit dem geübten Finger eines Blinden.
Die geistigen Fähigkeiten der Elefanten werden von allen, die mit den Tieren zu tun haben, in ihrem vollen Wert anerkannt. Scharfer, überlegender Verstand läßt sich nicht verkennen. Der Blick verrät allerdings wenig von hervorragenden geistigen Eigenschaften, wohl aber nur deshalb, weil das verhältnismäßig kleine Auge der gewaltigen Leibesmasse gegenüber kaum zur Geltung kommt. Jede Beobachtung lehrt bald erkennen, welch ein ausgezeichnet kluges Geschöpf man in dem Elefanten vor sich hat. Wie Heuglin mitteilt, erkennen alle Neger den hohen Verstand des Tieres willig an und schätzen ihn so hoch, daß sie den Glauben hegen, ursprünglich von diesem Riesen abzustammen, ebenso, wie viele Muselmanen des Sudan in ihm den Urvater des Menschengeschlechtes erblicken wollen und aus diesem Grunde sein Fleisch nicht genießen. Im Umgang mit dem Menschen entwickelt sich der Verstand unseres Dickhäuters zuletzt zu einer wahrhaft bewunderungswürdigen Höhe. Der Elefant steht den klügsten Säugetieren, einem Affen, Hunde oder Pferde, ziemlich gleich. Er überlegt, bevor er handelt, verbessert und vervollkommnet sich mehr und mehr, ist für Lehre empfänglicher als jedes andere Tier und erwirbt sich mit der Zeit einen wahren Schatz von Kenntnissen. Für diese Behauptung ließen sich aus den vielen Geschichten, die von Elefanten erzählt wurden, die nötigen Beweise leicht finden. Zwei Belege mögen genügen. Raxava, ein Kaffeepflanzer, erzählte Tennent, daß er mehr als einmal beobachtet habe, wie die wilden Elefanten bei Gewittern plötzlich die Wälder verließen und sich fern von allen Bäumen auf freie Wiesenflächen lagerten, solange die Blitze leuchteten und der Donner noch rollte! Diese einzige Angabe spricht besser als die ausführlichste Geschichte für einen sehr scharfen Verstand; sie zeigt uns den Elefanten, wie er sich benimmt, wenn er einzig und allein auf sich selbst angewiesen ist. In der Gefangenschaft, im Umgang mit dem Menschen, tritt die hohe Begabung des Tieres noch schärfer hervor. »Eines Abends«, sagt Tennent, »ritt ich in der Nähe von Kandy durch den Wald. Plötzlich stutzte mein Pferd über ein Geräusch, das aus dem ziemlich dichten Wald herübertönte und in einer Wiederholung von dumpfen, wie » urmf, urmf« klingenden Lauten bestand. Dieses Geräusch erklärte sich beim Näherkommen. Es rührte von einem zahmen Elefanten her, der eben mit harter Arbeit beschäftigt und ganz auf sich selbst angewiesen, d. h. ohne Führer war. Er bemühte sich nach Kräften, einen schweren Balken, den er über seine Zähne gelegt hatte und wegen des engen Weges nicht gut fortbringen konnte, wegzutragen. Die Enge des Pfades zwang ihn, um überhaupt durchzukommen, sein Haupt beständig bald nach dieser, bald nach jener Seite zu kehren, und diese Anstrengung erpreßte ihm die beschriebenen mißwilligen Töne. Als das kluge Tier uns erblickte, erhob es sein Haupt, besah uns einen Augenblick, warf plötzlich den Balken weg und schob sich rückwärts gegen das Unterholz, um uns den Weg frei zu machen. Mein Pferd zögerte. Der Elefant bemerkte dies, drückte sich noch tiefer in das Dickicht und wiederholte sein »Urmf«, aber entschieden in viel milderem Tone, offenbar in der Absicht, uns zu ermutigen. Noch zitterte mein Pferd. Ich war viel zu neugierig auf das Beginnen der beiden klugen Geschöpfe, als daß ich mich eingemengt hätte. Der Elefant wich weiter und weiter zurück und wartete ungeduldig auf unseren Vorüberzug. Endlich betrat mein Pferd den Weg, zitternd vor Furcht. Wir kamen vorüber, und augenblicklich trat der Elefant aus dem Dickicht hervor, erhob seine Last von neuem und setzte seinen mühseligen Weg fort wie vorher.«
Der wildlebende Elefant bekundet mehr Einfalt als Klugheit. Seine Geistesfähigkeiten erheben sich kaum zur List, weil die reiche Natur, die ihn umgibt und ernährt, ihn der Notwendigkeit überhebt, seinen Verstand anzustrengen. Anfänglich will es dem Beobachter scheinen, als wäre er das stumpfsinnigste aller Geschöpfe. Das Gemessene und die Bedachtsamkeit seines Auftretens, die Ruhe und Harmlosigkeit seines Wesens werden verkannt oder unterschätzt, und erst, wenn üble Erfahrungen ihn mißtrauisch gemacht haben, Gefahr und Not, die ihm bisher fremd waren, durch den Menschen über ihn verhängt wurden, offenbart er seine herrlichen Geistesgaben. Es ist falsch, wenn von ihm behauptet wird, daß er ein reizbares Tier sei. Sein Wesen ist mild und ruhig. Er lebt mit jedem Geschöpf in Freundschaft und Frieden. Ungereizt greift er niemals an, weicht im Gegenteil allen Tieren, selbst kleinen, ängstlich aus. »Der ärgste Feind des Elefanten«, sagt Tennent, »ist – die Fliege.« »Eine Maus«, behauptet Cuvier, »entsetzt den zahmen Elefanten, daß er zittert.« Alle die so schön ausgedachten Erzählungen von Kämpfen zwischen Elefant und Nashorn oder Elefant, Löwe und Tiger müssen unerbittlich in das Reich der Fabeln geworfen werden. Jedes Raubtier hütet sich, den Elefanten anzugreifen, und dieser gibt keinem Geschöpf Veranlassung zum Zorn oder zur Rachsucht. Einzelne Tiere, namentlich einzelne Vögel, leben in besonderer Freundschaft mit ihm. Im Innern Afrikas folgt seinen Herden regelmäßig ein Wildschwein nach, im Süden des Erdteils begleiten jene die Madenhacker, in Nordostafrika die kleinen Kuhreiher, in Indien ähnliche gutmütige Vögel, die das große Säugetier beständig von Ungeziefer zu reinigen suchen. Insbesondere der Kuhreiher gehört wesentlich zum Bilde des afrikanischen Elefanten. Schwerlich kann man sich einen hübscheren Anblick denken als einen der gewaltigen, dunklen, ruhig dahinschreitenden Riesen, auf dem ein ganzes Dutzend der anmutigen, blendend weißen Vögel sitzt oder umherwandelt, der eine ruhend, der andere sich putzend, der dritte alle Falten der Haut untersuchend und hier und dort jagend, ein Kerbtier oder einen Egel, den sich der Dickhäuter bei seinem nächtlichen Bade geholt, aufnehmend. Ebenso verträglich und friedlich würde der Elefant auch mit dem Menschen leben, verdiente dieser das Vertrauen des edlen Geschöpfes. Noch heutigestags geschieht es, wie Heuglin angibt, im Innern Afrikas, zumal in Gegenden, wo Elefanten wenig Verfolgung erleiden, daß diese einen Menschen, der sich zufällig mitten unter ihnen befindet, kaum zu beachten scheinen, und ebenso trifft man, nach Kirks Versicherung, in Südafrika zuweilen auf zahlreiche Herden, die bei Annäherung des Menschen nicht entfliehen; die Erfahrung eines Tages aber genügt, um sie für immer mißtrauisch zu machen. Ängstlich meiden sie dann die Nähe des Erzfeindes aller Tiere und seine Niederlassungen, ja sogar die nur zeitweilig von ihm begangenen Pfade, und wandern deshalb Gegenden zu, die ihnen Sicherheit, Frieden und Ruhe gewähren. »Bei dem hohen Alter, das sie erreichen,« meint Schweinfurth, »mag es wohl kein bejahrtes Stück mehr geben, das nicht öfter in seinem Leben von Menschen angegriffen wurde.« Solche Erfahrungen lassen die ängstliche Scheu der Tiere begreiflich erscheinen und erklären es, daß der Elefant sofort flüchtet, wenn er die Nähe seines furchtbaren Feindes auch nur ahnt. Wittert einer Unrat, so hebt er, laut Heuglin, den Rüssel hoch, windet und legt, indem er den Kopf seitlich umbiegt oder hoch ausrichtet, ein Ohr zurück, um sich genau zu überzeugen, woher Gefahr naht, stößt, sobald er diese erkannt, einen Warnungslaut aus und gibt damit das Zeichen zur Flucht, auf der alle Glieder des Rudels ihm folgen.
Jede Elefantenherde ist eine große Familie und umgekehrt, jede Familie bildet ihre eigene Herde. Die Anzahl solcher Gesellschaft kann sehr verschieden sein; denn die Herde kann von zehn, fünfzehn, zwanzig Stück anwachsen bis auf Hunderte. Anderson sah am Ngamisee eine Herde, die fünfzig, Barth am Tschad eine solche von sechsundneunzig, Wahlberg im Kafferland eine andere von zweihundert Stück. Einzelne Reisende sprechen von vier- und fünf-, ja sogar achthundert Elefanten, die sie zusammen gesehen haben. So versichert Heuglin, einem Trupp begegnet zu sein, dessen Anzahl seiner Schätzung nach mindestens auf fünfhundert zu veranschlagen war, und ebenso behauptet Kirk, am Sambesi einmal eine Herde von achthundert Stück angetroffen zu haben, die in einer indianischen Reihe sich bewegte und einen über eine englische Meile langen Zug bildete. In den von mir durchreisten Ländern zählen die Herden zehn, zwanzig bis höchstens fünfzig Stück.
Die Familie bildet einen geschlossenen Verband unter sich. Kein anderer Elefant findet Zutritt, und derjenige, der so unglücklich war, durch irgendwelchen Zufall von einer Herde getrennt zu werden, vielleicht übrigzubleiben oder aus der Gefangenschaft zu entfliehen, ist gezwungen, ein Einsiedlerleben zu führen. Er mag weiden in der Nähe der Herde, dieselben Trink- und Badeplätze besuchen, der Familie nachziehen, wohin sie will; immer muß er in einer gewissen Entfernung sich halten, und niemals wird er in den eigentlichen Familienkreis aufgenommen. Wagt er sich einzudrängen, so gibt es Schläge und Stöße von allen Seiten; selbst das harmloseste Elefantenweibchen schlägt mit seinem Rüssel auf ihn los. Solche Elefanten werden von den Indern Gundâs oder, falls sie sich bösartig zeigen, Rogues genannt. Sie sind vorzugsweise gefürchtet. Während die Herde ruhig und still ihres Weges geht, dem Menschen immer ausweicht und nur im äußersten Notfall an ihm sich vergreift, während sie sogar sein Besitztum achtet, kennen die Rogues derartige Rücksichten nicht; das einsame, unnatürliche Leben hat sie erbittert und wütend gemacht. Auf sie werden in Indien besondere Jagden angestellt, und niemand hat mit einem Rogues Mitleid; man mag ihn nicht einmal in der Gefangenschaft haben. Die Indier, die wir unbedingt als die größten Elefantenkenner betrachten müssen, versichern, daß jede Familie durch ihre Ähnlichkeit sich auszeichnet, und die Engländer bestätigen, daß einzelne Hindus Familienangehörige einer Herde mit aller Sicherheit erkennen, die Familie mag zerstreut sein, wie sie will. »In einer Herde von einundzwanzig Elefanten«, sagt Tennent, »die 1844 gefangen wurden, zeigten die Rüssel von allen dieselbe eigentümliche Gestaltung, denn sie waren lang und von derselben Dicke, anstatt sich nach der Spitze hin zu verdünnen. In einer andern Herde von fünfunddreißig Stück zeigten alle dieselbe Stellung der Augen, dieselbe Wölbung des Rückens, dieselbe Bildung des Vorderkopfes.« Die Indier wissen, daß die Anzahl einer Herde, abgesehen von der natürlichen Vermehrung, immer gleich bleibt, wenn nicht besondere Unglücksfälle sie heimsuchen, und Jäger, die den edlen Tieren nachstellten, haben Jahre hindurch stets nur so viele von der Herde gefunden, als ihren tödlichen Geschossen entronnen waren. In allen Herden überwiegen die Weibchen; in manchen gibt es gar keine männlichen Elefanten, wahrscheinlich, weil sie der größeren Zähne wegen den Nachstellungen bereits zum Opfer gefallen waren. Durchschnittlich kann man annehmen, daß auf einen männlichen sechs bis acht weibliche Elefanten kommen.
Inwieweit diese Angaben auch für den afrikanischen Elefanten gelten dürfen, lasse ich unentschieden. Kirk und Heuglin melden übereinstimmend, daß die männlichen und weiblichen Tiere besondere Rudel bilden, die sich nur während der Paarzeit gesellen, und daß man auch in Afrika Einsiedler bemerkt, deren Wesen nie zu trauen ist, weil sie gelegentlich, ohne herausgefordert zu sein, einen Menschen angreifen sollen.
Der klügste Elefant pflegt der Herde vorzustehen. Sein Amt ist, die Herde zu führen, auf alle Gefahren zu achten, die Gegend zu untersuchen, kurz, für die Sicherheit derselben Sorge zu tragen. Alle wilden Elefanten sind, wie bemerkt, im höchsten Grade scheu und vorsichtig; der Leitelefant aber zeigt diese Eigenschaften gleichsam verzehnfacht. Sein Amt ist ein sehr mühevolles; er ist sozusagen ununterbrochen in Tätigkeit. Aber dafür lohnt ihn auch der unbedingteste Gehorsam seiner Untergebenen. Widerspruch gegen seine Anordnungen kommt niemals vor; er geht voran, und alle übrigen folgen ihm rücksichtslos nach und sei es in das Verderben. »In der Höhe der dürren Jahreszeit«, erzählt Major Skinner, »trocknen bekanntlich alle Ströme aus, und die Teiche und Lachen ebenso. Die indischen Tiere leiden dann des Wassers wegen bittere Not und sammeln sich massenhaft um diejenigen Teiche und Tümpel, die das ihnen so notwendige Element am längsten behalten. In der Nähe eines solchen Teiches hatte ich einmal Gelegenheit, die erstaunliche Vorsicht der Elefanten zu beobachten. An der einen Seite des Pfuhles und hart an seinem Ufer begann ein dichter Urwald, auf der andern umgab ihn offenes Land. Es war eine jener prachtvollen, klaren Mondscheinnächte, die fast ebenso hell sind als unser nordischer Tag, in der ich beschloß, die Elefanten zu beobachten. Die Örtlichkeit war meinem Zwecke günstig. Ein gewaltiger Baum, dessen Zweige über den Teich weg hingen, bot mir ein sicheres Unterkommen in seiner Höhe. Ich begab mich beizeiten an meinen Platz und achtete mit der gespanntesten Aufmerksamkeit auf alles, was vorging. Die Elefanten waren keine fünfhundert Schritte von mir entfernt; aber doch mußte ich zwei volle Stunden warten, bevor ich einen von ihnen zu sehen bekam. Endlich schlüpfte, etwa dreihundert Schritte vom Teich entfernt, ein großer Elefant aus dem dunklen Wald, ging mit größter Vorsicht beiläufig zweihundert Schritte vor und stand dann still, um zu lauschen. Er war so ruhig gekommen, daß nicht das leiseste Geräusch gehört werden konnte, und blieb mehrere Minuten stehen, bewegungslos wie ein Felsbock. Dann erst rückte er in drei Absätzen weiter und weiter vor, zwischen jedem Vorrücken mehrere Minuten lang anhaltend und die mächtigen Ohren nach vorwärts öffnend, um auch das leiseste Geräusch aufzufangen. So bewegte er sich langsam bis an das Wasserbecken. Er dachte nicht daran, seinen Durst zu löschen, obgleich er dem Wasser so nahe stand, daß seine gewaltige Gestalt sich in ihm widerspiegelte. Minutenlang verweilte er lauschend, ohne ein Glied zu rühren. Dann drehte er sich vorsichtig und leise um und ging nach derselben Stelle des Waldes zurück, von woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile zeigte er sich wieder nebst fünf andern, mit denen er wiederum ebenso vorsichtig, aber weniger lautlos als früher, auf das Wasser losging. Die fünf wurden als Wächter aufgestellt. Er kehrte in den Wald zurück und erschien nochmals, umgeben von der ganzen aus etwa achtzig bis hundert Stück bestehenden Herde, und führte diese über die Blöße mit solcher Stille, daß ich trotz der Nähe die Tiere nur sich bewegen sah, nicht aber auch bewegen hörte. In der Mitte der Blöße blieb die Herde stehen. Der Leitelefant ging von neuem vor, verkehrte mit den Wächtern, untersuchte alles, überzeugte sich von der vollständigen Sicherheit, kehrte zurück und gab nun Befehl zum Vorrücken. In demselben Augenblick stürzte die Herde gegen das Wasser los und warf sich ohne jede Scheu, und ohne an Gefahr zu denken, mit aller Wollust in die Fluten. Von ihrer Schüchternheit und Furchtsamkeit war keine Spur zu bemerken. Alle vertrauten ihrem Führer so vollkommen, daß sie sich um nichts mehr zu kümmern schienen. Nachdem die verschmachteten Tiere den Teich eingenommen hatten und als auch der letzte, der Leitelefant, eingetreten war, überließen sie sich gleichsam frohlockend der Wonne, ihren Durst zu stillen sowie der Wohltat des Badens. Niemals hatte ich solche Menge von tierischem Leben in einem so engen Raum gesehen. Es wollte mir erscheinen, als tränken die Elefanten den ganzen Teich trocken. Ich beobachtete sie mit der größten Teilnahme, bis sie sich mit Trinken und Baden Genüge getan hatten. Dann versuchte ich, welche Wirkung ein unbedeutendes Geräusch auf sie ausüben würde. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen, und die ganze feste Masse kam augenblicklich in Aufruhr und floh dahin wie eine Herde aufgescheuchten Wildes in toller Hast und Eile.«
Mit ähnlicher Vorsicht gehen die Elefanten auf Nahrung aus, geben sich aber, falls sie sich erst von ihrer Sicherheit überzeugt haben, um so behaglicher der Mahlzeit hin. Der Reichtum ihrer Waldungen ist so groß, daß sie eigentlich niemals Mangel leiden; sie erscheinen auch, weil sie beständig auf Örtlichkeiten leben, in denen es Nahrung in Hülle und Fülle gibt, weder gefräßig noch begierig. Sie brechen Zweige von den Bäumen, gleichsam als geschähe es zu ihrem Vergnügen, fächeln sich mit ihnen, vertreiben die so gehaßten Fliegen und verzehren sie dann allgemach, nachdem sie dieselben einigermaßen zusammengebrochen haben. Wenn aber auch gemächlich und behaglich, still und geräuschlos geht solche Mahlzeit nicht vonstatten, verursacht vielmehr, wie Heuglin malerisch schildert, einen wahren Höllenlärm. Das Knicken der Zweige, das Krachen der oft mit vereinigten Kräften niedergebrochenen Äste oder Stämme, das Kauen, Atmen, Misten, das dumpfe Rollen der Luft in den Eingeweiden, das Patschen der schweren Füße im Morast, das Überspritzen des Leibes mittels des Rüssels, das Klatschen der mächtigen Ohren, die oft wie Sonnenschirme ausgebreitet werden, das Reiben der massigen Leiber an dicken Baumstämmen und das dazwischen gellende tiefe, schmetternde Brüllen der Tiere vereinigt sich zu einem ohrbetäubenden Ganzen. Entsprechend solchem Lärm ist die jeder Beschreibung spottende Verwüstung, die eine Elefantenherde im Wald anrichtet. »Was der mächtige Fuß nicht tief in den Boden tritt«, sagt unser Gewährsmann, »wird umgeworfen, der stärkste Baum entwurzelt, sein Geäst herabgebrochen; das Unterholz liegt wild durcheinander, als hätte es ein rasender Wirbelwind niedergerissen; Stämme, die den Stürmen von mehr als einem Jahrhundert getrotzt, sind abgeknickt wie ein Rohr.« Äste von mehr als Armstärke werden von den Elefanten ohne Bedenken verschlungen; in der 50 Zentimeter langen und 12 Zentimeter dicken, 6 Kilogramm schweren wurstartigen Losung fand ich Aststücke von 10 bis 12 Zentimeter Länge und 4 bis 5 Zentimeter Dicke im Durchmesser. Niedrige Zweige, zumal solche, die in Mundhöhe stehen, schieben sie mit dem Rüssel bündel- oder buschweise ins Maul und beißen oder richtiger quetschen sie dann mit den Zähnen ab. Sehr starke Äste schälen sie ganz oder teilweise, lassen aber das Holz liegen. In jeder Gegend gibt es Lieblingsbäume der Elefanten, die vor allen andern heimgesucht werden; in Mittelafrika heißt ein Baum geradezu »Elefantenbaum«, weil er vor allen übrigen besucht, beweidet und verwüstet wird. Er ist dornig, aber die Dornen sind weich und deshalb kein Hindernis für den Gaumen des Elefanten, der den härteren Stacheln der Mimosenzweige nicht gewachsen zu sein scheint. Nächst diesem Elefantenbaume brandschatzt der Fihl übrigens noch viele andere, einzelne fast nur wegen der Früchte, die er durch Schütteln gewinnt und mit dem Rüssel zusammenliest, letztere der Zweige und Schale halber. Baumzweige werden von beiden Elefanten unter allen Umständen Gräsern vorgezogen, letztere jedoch auch nicht verschmäht. Kommt eine Elefantenherde auf einen mit saftigem Grase bewachsenen Platz, so werdet sie davon, packt mit dem Rüssel einen Busch, reißt ihn samt den Wurzeln aus dem Boden, klopft diese Wurzeln gegen einen Baum, um sie von der ihnen anhängenden Erde zu befreien, und steckt sich dann einen nach dem andern in den Schlund. Aus den nächtlichen Weidegängen wird wohl auch ab und zu einmal ein Feld besucht, und dann freilich tut die Herde in ihm großen Schaden. Aber schon die einfachste Scheuche oder die leichteste Umzäunung genügt, um unsere Dickhäuter von den Feldern abzuhalten. Die Indier lassen zwischen ihren Pflanzungen breite Stege für die zur Tränke gehenden Elefanten und umzäunen die Felder mit leichten Rohrstäben; ein einziger Schlag mit dem gewaltigen Rüssel würde eine ganze Wand dieser Pfähle niederwerfen, aber niemals kommt es vor, daß die Elefantenherde die Umzäunung durchbricht; nur die Gondahs tun dies zuweilen. Dieselbe Herde geht aber sofort auf die Felder, wenn die Türe dazu geöffnet ist. Nach der Ernte des Reises zum Beispiel überlassen die Indier den Elefanten das leere Stroh und halten deshalb die Umhegungen nicht mehr verschlossen. Sobald dies geschieht, dringen die Tiere ein und fressen alles Übriggebliebene auf. Einen ähnlichen Beweis von Klugheit liefern, falls die Erzählungen der Eingeborenen auf Wahrheit beruhen, auch die afrikanischen Elefanten. Nach Heuglin gewordenen Mitteilungen sollen sie die Zeit, in der vom Flachlande her nach den Gebirgen von Habesch Getreide befördert wird, genau kennen, plötzlich erscheinen, die Kamele der Karawane erschrecken, die von diesen würdigen Tieren unter solchen Umständen regelmäßig abgeworfenen Fruchtballen öffnen und sich an den so erbeuteten Schätzen gütlich tun. Ich meine, daß diese Erzählung ebensowenig begründet ist wie die Versicherung der Sudaner, daß der Fihl, und zwar aus edlem Gerechtigkeitssinne, niemals in die durch Schutzbriefe versicherten Felder einfalle. »Elefanten«, sagte mir ein Scheich am Blauen Flusse, »werden dir nichts zuleide tun, wenn du sie in Frieden läßt, wie sie mir und meinen Vorfahren nie etwas getan haben. Wenn die Zeit der Ernte herankommt, hänge ich an hohen Stangen Schutzbriefe auf, und diese genügen den gerechten Tieren; denn sie achten das Wort des Gottgesandten Mohammed – über dem der Friede des Allbarmherzigen walten möge! Sie fürchten die Strafe, die den Gotteslästerer ereilen wird: sie sind eben gerechte Tiere!« Jedenfalls hindert diese Gerechtigkeitsliebe die Elefanten nicht, dann und wann ein Feld zu plündern und Büschelmais oder Kafferhirse zu fressen, gleichviel ob die Ähren reif sind oder nicht; ihr Edelmut hält sie nicht einmal ab, gelegentlich die riesigen Kürbisse, die auf den Hütten der im Walde wohnenden Neger reifen, abzupflücken oder das Dach einer solchen Hütte abzudecken, um nachzusehen, ob Getreide im Innern des Raumes aufgespeichert worden sei.
In den Gebirgen von Habesch zwingt der Wechsel der Jahreszeiten die Elefanten zu regelmäßigen Wanderungen. Im Bogoslande ziehen sie auf ziemlich streng eingehaltenen Wegen alljährlich zweimal auf und nieder, also viermal an einem Orte vorüber, so bei der Ortschaft Mensa. Wassermangel treibt sie in die tiefsten Flußtäler hinab; der Frühling, d. i. die Regenzeit, der gerade im Gebirge reiches Leben hervorzaubert, lockt sie wieder zur ergiebigen und unbehelligten Weide empor. Sie ziehen von den Gebirgskämmen bis in das Flußbett des Ain-Saba talwärts und von dort aus wieder nach ihren ersten Weideplätzen hinauf. Alle Wanderungen geschehen selbstverständlich nur des Nachts.
Wie die Nahrung, führt der Elefant auch seine Getränke mit Hilfe des Rüssels zum Munde: er saugt beide Röhren desselben voll und spritzt sich den Inhalt dann in das Maul. Sobald eine Herde an das Wasser kommt, ist dies ihr wichtigstes Geschäft, und erst wenn der Durst gestillt ist, denken die Tiere daran, in derselben Art und Weise auch ihren Körper zu nässen. Der Rüssel ist übrigens nicht bloß zum Aufsaugen des Wassers, sondern auch zur Aufnahme von Sand und Staub geeignet. Diese Stoffe werden angewendet, um die so lästigen Kerbtiere zu verscheuchen.
Wie leicht erklärlich, ist die Vermehrung unserer Landriesen eine geringe. Man erkennt den Zustand des brünstigen Elefanten zunächst daran, daß zwei Drüsen neben den Ohren eine übelriechende Flüssigkeit in reichlicher Menge ausschwitzen. Das Tier selbst ist sehr erregt; sogar das gezähmte wird oft furchtbar wild gegen seine Treiber, die es sonst vortrefflich behandelt. Früher glaubte man, daß die Elefanten im Freien, fern von allem menschlichen Treiben, sich paarten, und wollte deshalb von einer großen Schamhaftigkeit des Tieres reden; Corse aber beobachtete, daß zwei frisch gefangene Elefanten vor einer Menge Zuschauer sich begatteten. Vorher erwiesen sie sich mit ihren Rüsseln Liebkosungen; dann paarten sie sich in sechzehn Stunden viermal ganz nach Art der Pferde. Die Brunstzeit ist nicht bestimmt. Das eine Mal zeigte sie sich im Februar, das andere Mal im April, ein drittes Mal im Juni, ein viertes Mal im September und ein fünftes Mal im Oktober. Aufgeregt sind die paarungslustigen Tiere immer, und die kleinste Veranlassung kann sie in Zorn bringen. Drei Monate nach der Paarung bemerkte Corse die ersten Anzeichen der Trächtigkeit des Weibchens. Nach einer Tragzeit von zwanzig Monaten und achtzehn Tagen warf es ein Junges, das sofort nach seiner Geburt zu saugen anfing. Die Mutter stand dabei, das Junge legte den Rüssel zurück und ergriff das Euter mit seinem Maule. Fast alle Beobachter stimmen darin überein, daß die Liebe der Mutter zu ihrem eigenen Kinde nicht besonders groß ist; dagegen bemerkte man, daß sich alle weiblichen Elefanten eines jungen mit gleicher Zärtlichkeit annehmen. Die wilden sollen sämtlichen Kleinen ohne Ausnahme ihr Euter bieten. Letztere, die bei der Geburt etwa 90 Zentimeter hoch sind, nehmen rasch an Größe zu und sind bereits nach Ablauf des ersten Jahres 1,2, ein Jahr später 1,4, zu Ende des dritten Jahres 1,5 Meter hoch geworden. Sie erscheinen vom Anfang an verhältnismäßig weniger plump als andere junge Tiere, sogar als niedliche und drollige Geschöpfe, halten sich in der ersten Zeit ihres Lebens vorzugsweise unter dem Leibe und zwischen den Beinen ihrer Mutter auf und verlassen diesen sicheren Platz auch dann nicht, wenn letztere einen rascheren Gang einschlägt. Wie es scheint, stehen sie mehrere Jahre, jedenfalls bis zur Geburt eines Geschwisters, unter Obhut der Alten, die sie bald zum Fressen anleitet und ihnen nötigenfalls durch Abbrechen von Ästen oder Bäumen ihr Lieblingsfutter, laubige Zweige, verschafft.
Ein Elefant wächst zwanzig bis vierundzwanzig Jahre, ist aber wahrscheinlich schon im sechzehnten Jahre zur Fortpflanzung geeignet. Der erste Zahnwechsel findet im zweiten, der zweite im sechsten, der dritte im neunten Lebensjahre statt. Später dauern seine Zähne länger aus. Das Alter, das das Tier überhaupt erreichen kann, wird sehr verschieden angegeben. Tennent spricht von Elefanten, die über hundert Jahre in der Gefangenschaft gelebt haben sollen, stellt jedoch vorher eine beglaubigte Totenliste von denen auf, die durch die Regierung verwendet wurden, aus der hervorgeht, daß von hundertachtunddreißig Gefangenen nach Ablauf von zwanzig Jahren nur ein einziger noch lebte. Andere Beobachter nehmen an, daß wilde Elefanten hundertfünfzig Jahre alt werden können.
Der Elefant zählt leider ebenfalls zu denjenigen Tieren, die ihrem Untergange entgegengehen. Man jagt die edlen Geschöpfe nicht, um sich wegen des von ihnen verübten Schadens zu rächen, sondern des kostbaren Elfenbeins halber und hat deshalb von jeher einen Vernichtungskrieg gegen sie geführt. Der Schaden, den die Vielhufer anrichten, ließe sich ertragen, obgleich diese zuweilen durch sonderbare Gelüste unangenehm werden. So zogen sie den indischen Straßenbaumeistern wiederholt die Merkpfähle aus dem Boden, die die Leute mühsam zur Bezeichnung der anzulegenden Straßen gesetzt hatten, und andere fielen hartnäckig immer und immer wieder in eine und dieselbe Pflanzung ein, so daß der Besitzer genötigt war, die berüchtigtsten Jäger zu sich zu erbitten. Wenn ich die Jäger, anstatt berühmt, berüchtigt nenne, habe ich leider guten Grund dazu. Die meisten von ihnen betragen sich der Jagd, die sie betreiben, vollkommen unwürdig. Es sind hauptsächlich Engländer, die der Elefantenjagd obliegen, und dies sagt genug. Ich will einen von ihnen, den oft genannten Gordon Cumming, seine Art und Weise, Elefanten zu erlegen, selbst schildern lassen. »Am 31. August erblickte ich den größten und höchsten Elefanten, den ich jemals gesehen. Er stand, mit der Seite sich mir zuwendend, in einer Entfernung von ungefähr anderthalbhundert Schritten vor mir. Ich machte halt, schoß in die Schulter und bekam ihn durch diesen einzigen Schutz in meine Gewalt. Die Kugel hatte ihn hoch in das Schulterblatt getroffen und auf der Stelle gelähmt. Ich beschloß, eine kurze Zeit der Betrachtung dieses stattlichen Elefanten zu widmen, ehe ich ihm vollends den Rest gab. Es war in der Tat ein gewaltiger Anblick, den er mir bot. Ich fühlte mich als Herr der grenzenlosen Wälder, die eine unaussprechlich edle und ansprechende Jagd ermöglichen. Nachdem ich den Elefanten eine Zeitlang bewundert, beschloß ich, einige Versuche anzustellen, um die verwundbarsten Punkte des Tieres kennenzulernen. Ich näherte mich ihm auf ganz kurze Entfernung und feuerte mehrere Kugeln auf verschiedene Teile seines ungeheuren Schädels ab. Bei jedem Schusse neigte er gleichsam grüßend seinen Kopf nieder und berührte dann mit dem Rüssel seltsam und eigentümlich sanft die Wunde. Ich war verwundert und wurde wirklich von Mitleid ergriffen, als ich sah, daß das edle Tier sein Schicksal, seine Leiden mit so würdevoller Fassung ertrug, und beschloß, der Sache so schnell als möglich ein Ende zu machen. Deshalb eröffnete ich nun das Feuer auf ihn an einer geeigneteren Stelle. Ich gab ihm nacheinander sechs Schüsse aus meiner Doppelbüchse hinter die Schulter, die zuletzt tödlich sein mußten, im Anfange aber keine unmittelbare Wirkung zur Folge zu haben schienen. Hierauf feuerte ich drei Kugeln aus dem holländischen Sechspfünder auf dieselbe Stelle. Jetzt rannen ihm große Tränen aus den Augen; er öffnete diese langsam und schloß sie wieder. Sein gewaltiger Leib zitterte krampfhaft; er neigte sich auf die Seite und verendete.«
Nun entschuldigt sich zwar der Mann damit, daß er diese Versuche bloß angestellt habe, um künftighin die Leiden anderer Elefanten abzukürzen: wir aber können diese Entschuldigung unmöglich gelten lassen, weil ein Elefantenjäger im voraus wissen muß, wohin er seine Geschosse zu richten hat. Auch gibt Gordon Cumming in seinem Buche so unzählige Beweise eines wilden und zwecklosen Blutdurstes, daß wir jene Entschuldigung sicherlich nur als ein Anerkenntnis seiner Roheit ansehen können. Wie unendlich hoch stand jener Elefant über dem Menschen, wie erbärmlich, wie niederträchtig zeigte sich der elende, heimtückische Feind dem herrlichen Geschöpfe gegenüber! Bei Gelegenheit einer andern Elefantenjagd erzählt der Biedermann, daß er einem großen männlichen Tiere fünfunddreißig Schüsse gab, bevor es verendete. Die Jäger in Indien verfahren nicht besser: Tennent läßt dies deutlich genug merken. Sie sind ebenso schamlos, wie unsere Großen es früher waren, wenn sie Hunderte von edlen Tieren in einen engen Raum zusammentreiben ließen und sie dann von einem hohen Sitze aus niedermeuchelten. Die prahlenden Elefantenjäger Indiens haben einen guten Teil ihrer Beute in den Corrals oder Fangplätzen, die wir bald kennenlernen werden, erlegt. Sie haben die in einem engen Raume eingepferchten Tiere kaltblütig niedergeschossen und dann verfaulen lassen, aus dem einfachen Grunde, um in ihr schändliches Jagdregister einige Zahlen mehr eintragen zu können. Sie haben Alte und Junge zusammengeschossen, ohne die Leichname nützen zu können.
Grausam und unbarmherzig betreiben auch die Eingeborenen Innerafrikas die Jagd auf dieses edle Wild. Sie jagen noch heute, wie vor undenklichen Zeiten gejagt wurde. Schon Strabo erwähnt, daß die unfern Saba, also in den Steppen des Atbaragebietes, wohnenden »Elephantophagen« den riesigen Dickhäutern die Achillessehne mit dem Schwerte zerhauen, um sich ihrer zu bemächtigen; die Nomaden, die die genannten Steppen durchziehen, verfahren noch heutigentags genau so. Nackt auf dem Pferde sitzend, um möglichst wenig behindert zu sein, verfolgen sie die Elefanten einer Herde, versuchen diese zu sprengen, jagen, so schnell ihre Rosse laufen können, hinter dem auserkorenen Stücke her, gleichviel, ob dasselbe bergauf oder bergab, durch Schluchten, Wälder, Dornengestrüppe oder durch das Hochgras der Steppe seinen Weg nehme, ermüden es, greifen es mit der Lanze an und lenken es dadurch ab von dem Genossen, der die lähmenden Streiche ausführt. Baker, der längere Zeit in Gesellschaft dieser Leute jagte, vermeint, nicht Worte finden zu können, um die Gewandtheit und den Mut der Schwertjäger zu schildern. Ein von ihm auf einen Elefanten abgegebener Schuß hatte keine andere Wirkung gehabt, als das Tier in gesteigerter Eile zum Dickicht zu treiben. »In demselben Augenblick aber«, so erzählt er, »sprengten, wettlaufenden Windhunden vergleichbar, die Schwertjäger über die sandige Fläche, schnitten dem Elefanten den Rückzug ab, wandten sich gegen ihn und traten ihm mit dem Schwerte in der Hand entgegen. Sofort nahm das wütende Tier den Feind an, der nunmehr ebenso tapfer als töricht zu Werke ging. Anstatt den Elefanten durch einen vor ihm flüchtenden Reiter zu beschäftigen, wie es sonst die Gewohnheit ist, sprangen alle Schwertjäger in einem Augenblicke vom Pferde und griffen das riesige Tier zu Fuß und im tiefen Sande an. Vom Standpunkte des Jägers kann es kein prachtvolleres und ohne Not gefährlicheres Schauspiel geben als solches Gefecht, das mit jedem Gladiatorenkampfe zu wetteifern vermocht haben würde. Der Elefant war in höchster Wut und schien zu wissen, daß die Jäger auf seine Rückseite zu gelangen suchten, vermied daher mit großer Gewandtheit, sich eine Blöße zu geben, indem er sich mit äußerster Geschwindigkeit wie auf einem Zapfen drehte und einem seiner Angreifer nach dem andern mit gesenktem Kopfe entgegentrat, gleichzeitig vor Wut schreiend und mit dem Rüssel Wolken von Staub emporschleudernd. Die Schwertjäger wichen mit affenartiger Behendigkeit aus, obwohl die Tiefe des Sandes für den Elefanten günstig, für sie aber so hinderlich war, daß sie den Angriffen des Tieres nur mit der höchsten Anstrengung zu entgehen vermochten. Bloß dem entschlossenen Mute aller drei war es zu verdanken, daß sie einander abwechselnd retteten, indem sie, sobald der Elefant einen von ihnen angriff, selbander von der Seite hervorsprangen und dadurch ihren Gegner zwangen, gegen sie kehrtzumachen.« So treiben sie ihr Spiel, bis es einem von ihnen gelingt, mit einem Schwerthiebe die Achillessehne des Elefanten zu durchhauen, bringen diesen dadurch zu Fall und töten ihn nunmehr ohne Mühe mit weiteren Schwertstreichen.
Die Neger des oberen Nilgebietes legen, wie Heuglin und Schweinfurth uns schildern, auf den zur Tränke führenden Wechseln tiefe Gruben an, die sich nach unten kegelförmig verengen und zuweilen noch mit starken, spitzen Pfählen versehen werden, bedecken sie oben sehr sorgfältig, damit sie der vorsichtige Elefant womöglich nicht bemerke, werfen auch, um der Straße den Anschein größter Sicherheit zu verleihen, gesammelte Losung auf die dünne Decke, die die Grube trügerisch verbirgt, wie vorher auf den Wechsel, den sie durch Verhaue zu einem fast unvermeidlichen umzugestalten suchen. Wo die Gegend es gestattet, hebt man in engen Tälern solche Gruben aus und treibt sodann die Elefanten aus einem weiten Umkreise zusammen, so daß sie ihren Weg durch das gefährliche Tal nehmen und in die Fallgruben, die sie in der Eile der Flucht leicht übersehen, stürzen müssen. Ein anderes Verfahren besteht darin, an begangenen Wechseln auf Bäumen, deren Laub als Lieblingsnahrung der Tiere bekannt ist, anzustehen und dem unten vorübergehenden Elefanten eine meterlange, breite, scharfgeschliffene, am Ende des kurzen Schaftes mit einem Klumpen aus Ton beschwerte Lanze zwischen die Schultern zu schleudern. Die erdige Masse fällt bei der ersten Bewegung des verwundeten Wildes ab, die eingedrungene Lanze wühlt sich durch Reiben und die schwingende Bewegung des Schaftes tiefer in die Wunde ein und bewirkt bald das Verenden des Schlachtopfers, dessen Sterbebett binnen kurzem durch die in hoher Luft kreisenden Geier angezeigt wird. Im Westen Afrikas flechten die Neger, laut Du Chaillu, Schlingpflanzen netzartig zusammen, jagen dann die Elefanten nach den so eingezäunten Stellen des Waldes hin, verfolgen sie und schleudern, wenn die Tiere unschlüssig vor den verschlungenen Ranken stehenbleiben, Hunderte von Lanzen in den Leib der stärksten und größten, bis sie zusammenbrechen. Die Niamniam schonen einzelne mit vier bis fünf Meter hohem Grase bewachsene Stellen der Steppe vor dem vernichtenden Feuer, bis sich Elefanten zeigen, rufen durch weittönende, in jedem Dorfe wiederholte Schläge ihrer Kriegs- und Lärmtrommeln binnen wenigen Stunden Tausende von Jägern zusammen, umstellen Geviertmeilen und mehr, treiben die Elefanten in den Deckung versprechenden Grashorst, zünden diesen an und scheuchen die geängstigten Tiere, die irgendwo durchzubrechen versuchen, mittels Lanzenstichen und Feuerbränden wieder in das Grasdickicht, in dem ihnen die lodernde Flamme, der erstickende Rauch oder ein Gnadenstoß mit der Lanze unmittelbar Verderben und Tod bereiten. Herzerschütternd ist das Benehmen und Gebaren der edlen Geschöpfe in ihrer Todesnot. Heuglin erfuhr von den Schwarzen, daß die der tückischen Fallgrube glücklich entronnenen Elefanten sich nach Kräften bemühen, um einen in die Tiefe gestürzten Genossen zu befreien, indem sie mit ihren Stoßzähnen die Erde um die Grube aufwühlen und letztere nach und nach auszufüllen versuchen, ja selbst den Rüssel zu Hilfe nehmen, und dem Gefangenen bei seinen Bestrebungen, zu entrinnen, Unterstützung gewähren; Schweinfurth schildert nach eigenen Wahrnehmungen, wie die von den Flammen bedrohten edlen Tiere, wenn ihnen ein Entweichen nicht mehr möglich scheint, sich um die Jungen scharen, dieselben mit Gras bedecken, mit ihren Rüsseln Wasser auf sie pumpen, um wenigstens sie zu retten, bis die treuen Eltern endlich, selbst von Rauch und Hitze betäubt, infolge erlittener Brandwunden ohnmächtig zusammenbrechen und dem grausamsten Schicksale erliegen.
Elefantenjäger von Fach gehen ihrem Wilde im freien Walde nach und erlegen es, um das Elfenbein zu gewinnen. Eingeborene, die die Gewehre tragen, spüren die Elefanten aus. Der Jäger nähert sich soweit als möglich und feuert aus weitläufiger Büchse eine Kugel unmittelbar hinter dem Ohr in den Schädel. Gute Schützen brauchen selten noch den zweiten Lauf ihres Gewehres, und schon oft haben einzelne Jäger mit jedem Laufe der Büchse einen Elefanten erlegt. Die Gefahr ist nicht so groß, als sie scheinen mag. Allerdings kommt es vor, daß gereizte Elefanten sich auf ihre Verderber stürzen, und einzelne von diesen haben auch wirklich ihr Leben unter den Fußtritten der Waldriesen ausgehaucht; drei Viertel aber von denen, die angegriffen wurden, konnten sich noch retten, selbst wenn sie sozusagen schon zwischen den Füßen lagen. Die Furchtsamkeit des Dickhäuters siegt bald wieder über seine Erregung, und nur höchst selten geschieht es, daß ein verwundeter Elefant seinen Feind so weit verfolgt, wie nach Tennents Bericht einmal ein Rogues einen Inder, der bereits die Stadt erreicht hatte, aber auf dem Basare noch von dem wütenden Elefanten eingeholt und zerstampft wurde. Auch in Afrika kommt selten ein Unglück vor, obgleich die dort wirkenden Elefantenjäger meist erbärmliche Schützen sind und der gereizte Fihl durchaus nicht unterschätzt werden darf. Rasch und entschieden, jedes Hindernis verachtend, stürzt sich, laut Heuglin, das wütend gewordene Geschöpf zuweilen auf seinen Angreifer, verfolgt diesen jedoch selten weit, sondern begnügt sich, ihn in die Flucht geschlagen zu haben und Herr des Feldes geblieben zu sein. Ungeachtet solcher Mäßigung vermeidet jedermann soviel als möglich, es bis zu einem Angriffe seitens des Elefanten kommen zu lassen; denn dieser macht, wenn er wirklich in Zorn gerät, auch abgesehen von der Masse, unter der der Boden dröhnt, einen unauslöschlichen Eindruck auf den Menschen. Den Rüssel hochgehoben, die riesigen Ohren etwas gelüftet, den kurzen, borstigen Schweif in Kreisen schwingend, stürzt er sich bald wild brausend auf seinen Feind; sein Vorderteil scheint zu wachsen, jedenfalls viel mächtiger und höher zu sein als je; an seinem Hintergestelle treten die langen Hautfalten schlotternd heraus; die gewaltige Masse schiebt sich rasch und unaufhaltsam vor; Schnauben des Zornes wechselt mit Wutschreien, von denen ein Ohr, das solche Laute niemals vernommen, keine Vorstellung gewinnen kann. Wenn unter solchen Umständen der erboste Riese seinen Gegner erreicht, ist dieser verloren, gerechter Rache unrettbar verfallen.
Weit anziehender und menschlicher als alle Jagd ist die Art und Weise, wilde Elefanten lebend in seine Gewalt zu bekommen, um sie zu zähmen. Hier gilt es, sehr kluge Tiere doch noch zu überlisten, Wildlinge dem Dienste des Menschen zu unterwerfen. Die Indier sind gegenwärtig die Meister in dieser Kunst. Unter ihnen gibt es eine förmliche Zunft von Elefantenfängern, in der das Gewerbe vom Vater auf den Sohn forterbt. Die Kunstfertigkeit, List, Vorsicht und Kühnheit, mit der diese Leute zu Werke gehen, sind wahrhaft bewunderungswürdig. Ihrer zwei gehen in den Wald hinaus und fangen einen Elefanten aus seiner Familie heraus!
Die besten Elefantenjäger auf Ceylon, Panikis genannt, bewohnen die maurischen Dörfer im Norden und Nordwesten der Insel und stehen schon seit mehreren hundert Jahren in hohem Ansehen. Nach vererbter Gewohnheit folgen sie der Fährte eines Elefanten, wie ein guter Hund der Spur eines Hirsches folgt, bestimmen im voraus an gerechten und vollkommenen Jägerzeichen, wie stark die Herde, wie hoch die größten und wie niedrig die kleinsten Elefanten sind; für europäische Augen unmerkliche Spuren bilden für sie deutlich geschriebene Blätter eines ihnen verständlichen Buches. Ihr Mut steht mit ihrer Klugheit im Einklang; sie verstehen es, den Elefanten zu leiten, wie sie wollen, setzen ihn in Angst, in Wut, wie es ihnen eben erwünscht ist. Ihre einzige Waffe besteht in einer festen und dehnbaren Schlinge aus Hirsch- oder Büffelhaut, die sie, wenn sie allein zum Fange ausziehen, dem von ihnen bestimmten Elefanten um den Fuß werfen. Dies geschieht, indem sie ihm unhörbaren Schrittes auf seinem Wege folgen und im günstigen Augenblicke ihn fesseln oder selbst, wenn er ruhig steht, ihm die Schlinge zwischen beiden Beinen festlegen. Wie sie es anstellen, unbemerkt an das furchtsame Tier heranzukommen, ist und bleibt ein Rätsel. Und während der eine die Schlinge um den Fuß legt, befestigt sie der andere bereits an einem Baume; und sollte kein solcher in der Nähe sein, so erzürnt der eine den Elefanten und lockt ihn nach einer Baumgruppe hin, um deren stärksten Stamm dann der andere den Strick anbindet und dadurch die Verfolgung endet.
Der gefangene Elefant ist rasend; aber die Fänger wissen ihm zu begegnen. Sie kennen ihn genau und zähmen ihn in verhältnismäßig kurzer Zeit. Zuerst gebrauchen sie hellbrennendes Feuer, Rauch und andere Mittel, um ihn zu schrecken; hierauf lassen sie ihn hungern und dursten, gönnen ihm keine Ruhe, ängstigen und matten ihn ab; sodann ändern sie ihr Betragen und erweisen ihm nur Liebes und Gutes. So gelingt es ihnen nach wenigen Monaten, ihren anfangs tobenden Zögling zu einem ihrem Willen unterwürfigen Geschöpfe umzuwandeln. Ein Europäer ist, weil er alles verderben würde, nicht imstande, diesen Leuten auf derartigen Zügen zu folgen, muß sich also mit Hörensagen begnügen, kann dafür aber um so eher an den großartigen Treiben teilnehmen, die unter Umständen Hunderte von Elefanten auf einmal in die Gewalt des Menschen bringen. Einen solchen Elefantenfang hat Tennent in so anziehender und ausführlicher Weise beschrieben, daß ich nichts Besseres tun kann, als seine Erzählung, wenn auch teilweise im Auszuge, so doch möglichst mit seinen eigenen Worten hier wiederzugeben.
»An einer kühlen und angenehmen Stelle des Waldes fanden wir die luftigen Wohnungen, die für uns in der Nähe des Corral (Fangraumes) hergestellt worden waren. Man hatte Hütten aus Zweigen erbaut und mit Palmblättern und Gras bedeckt; man hatte einen hübschen Saal zum Speisezimmer errichtet, Küchen, Ställe erbaut und nach besten Kräften für unsere Bequemlichkeit gesorgt. Dies alles war von den Eingeborenen im Laufe weniger Tage ausgeführt worden.
Früher wurde die mit der Elefantenjagd notwendig verbundene Arbeit zwangsweise von den Eingeborenen verrichtet; denn dies gehörte mit zu den Frondiensten, die das Volk seinen Herrschern zu leisten hatte. Die Holländer und Portugiesen verlangten diese Dienste, ebenso die britische Regierung, bis die Fronen im Jahre 1832 abgeschafft wurden. Es wurden damals fünfzehnhundert bis zweitausend Männer unter der Leitung eines Oberen beschäftigt. Sie hatten den Corral zu bauen, die Elefanten zusammenzutreiben, die Kette von Wachfeuern und Wächtern zu unterhalten und überhaupt alle mühsamen Verrichtungen des Fanges auszuführen. Seit der Abschaffung der Fronen ist es nicht schwer gewesen, die freiwillige Mitwirkung der Eingeborenen bei diesen Unternehmungen zu erlangen. Die Regierung bezahlt denjenigen Teil der Vorbereitungen, der wirkliche Kosten mit sich bringt: die geschickte Arbeit, die auf die Errichtung des Corral und seines Zubehörs verwendet wird, die Anschaffung von Speeren, Seilen, Waffen, Flöten, Trommeln, Schießgewehren und andere notwendige Erfordernisse.
Zum Fange wählt man die Zeit des Jahres, die dem Anbau der Reisfelder am wenigsten Eintrag tut, die Zeit zwischen der Aussaat und der Ernte. Das Volk selbst hat, ganz abgesehen von der Aufregung und dem Genusse der Jagd, seinen eigenen Vorteil dabei, die Anzahl der Elefanten zu vermindern, da diese ihren Gärten und ihren aufwachsenden Ernten ernsten Schaden zufügen. Auch die Priester ermutigen zu dieser Jagd, weil die Elefanten einen heiligen Baum, dessen Blätter sie außerordentlich lieben, oft vernichten, und jene außerdem wünschen, auf leichte Weise Elefanten zum Tempeldienste zu erhalten. Die Häuptlinge endlich suchen ihren Stolz darin, die Menge ihrer Untergebenen im Felde zur Schau zu stellen wie auch die Leistungen der zahmen Elefanten, die sie für das Jagdgeschäft darleihen, zu zeigen. Eine große Anzahl von Bauern findet willkommene Arbeit auf viele Wochen; denn sie haben die Pfähle zu pflanzen, Pfade durch das Sumpfrohr auszuhauen und die Treiber abzulösen, von denen die Elefanten umringt und herangetrieben werden sollen.
Zur Jagd selbst wählt man einen Platz, der an einer alten und viel betretenen, zur Weide oder zur Tränke führenden Straße der Tiere liegt; namentlich die Nähe eines Stromes ist unerläßlich, nicht nur, um den Elefanten den nötigen Wasservorrat zu bieten, während man sie der Umzäunung zu nähern sucht, sondern auch, um ihnen nach dem Fange während des Zähmungsverfahrens eine Gelegenheit zum Baden und zum Abkühlen verschaffen zu können. Bei der Errichtung des Corrals vermeidet man es sorgfältig, die Bäume oder das Unterholz innerhalb des eingeschlossenen Raumes, insbesondere auf der Seite, von der die Elefanten kommen sollen, zu vernichten, da es ein wesentliches Erfordernis ist, ihnen die Einpfählung soviel als möglich durch das dichte Laub zu verbergen.
Die zum Baue verwendeten Stämme, die 20 bis 25 Zentimeter im Durchmesser haben, bringt man etwa einen Meter tief in die Erde, so daß noch vier bis fünf Meter über dem Boden sich erheben. Zwischen jedem Paar Pfählen bleibt Raum genug, daß ein Mann hindurchschlüpfen kann. An diese so aufgerichteten Säulen befestigt man mit biegsamen Schlingpflanzen oder mit Rohr Querbalken, und das Ganze wird dann noch durch Gabeln gestützt, die die Querbalken halten und verhindern, daß das Pfahlwerk durch einen Anprall der wilden Elefanten nach außen gedrängt werde. Der also eingeschlossene Platz, den ich im Sinne habe, war ungefähr anderthalbhundert Meter lang und halb so breit. An dem einen Ende hatte man einen Eingang offen gelassen, der jeden Augenblick durch Schiebebalken verschlossen werden konnte, und von jeder Ecke des Endes, wo die Elefanten herkommen sollten, zogen sich ebenfalls, sorgfältig von Bäumen verdeckt, zwei Linien derselben starken Einzäunung auf beiden Seiten hin. Wäre die Herde nicht durch den offen gelassenen Eingang hereingekommen, sondern rechts oder links abgeschweift, so würde sie hier ein Hindernis gefunden und sich genötigt gesehen haben, die alte Richtung nach dem Eingang zu wieder einzuschlagen. Endlich waren auf einer Gruppe von Bäumen für die Gesellschaft des Statthalters Schaubühnen errichtet worden, die die ganze Einfassung übersehen ließen, so daß man das Verfahren vom ersten Eintreten der Herde in die Einfassung bis zum Herausführen der gefangenen Elefanten bequem beobachten konnte.
Es scheint kaum nötig zu bemerken, daß das eben beschriebene Pfahlwerk, so stark es auch ist, blutwenig nützen würde, wenn ein Elefant mit aller Kraft sich darauf stürzen wollte, und es sind auch wirklich manche Unfälle vorgekommen, indem die Herden durchbrachen. Man verläßt sich aber nicht sowohl auf den Widerstand der Einpfählung als auf die Schüchternheit der Gefangenen, die ihre eigene Kraft nicht kennen oder nicht verwenden wollen, ebenso aber auch auf die Kühnheit und List der Fänger.
Wenn der Corral fertig ist, beginnen die Treiber ihr Werk. Sie haben oft einen Umfang von vielen Meilen zu umstellen, damit die Anzahl der Elefanten ansehnlich genug werde, und die anzuwendende Vorsicht verlangt viel Geduld. In keinem Falle darf man die Elefanten beunruhigen; sonst möchten sie leicht die entgegengesetzte Richtung einschlagen. Die Tiere sind äußerst friedlich und wünschen nur in Stille und Sicherheit zu weiden; vor der geringsten Störung weichen sie zurück; dies muß man nun so benutzen, daß man sie gerade nur so viel beunruhigt, daß sie langsam in der gewünschten Richtung vorgehen. Auf diese Weise werden verschiedene Herden zusammen und Tag für Tag langsam weiter vorwärts dem Corral zugetrieben. Wird ihr Argwohn rege, zeigen sie Unruhe und Befürchtung, so ergreift man schärfere Maßregeln, um ihr Entkommen zu verhindern. Alle zehn Schritte wird rings um den Plan, in dem man sie schon gesammelt hat, ein Feuer angezündet und Tag und Nacht unterhalten. Die Treiber steigen bis auf zwei- bis dreitausend; es werden Fußwege durch die Dschungeln hergestellt, um die ganze Linie in steter Verbindung zu erhalten. Die Führer üben eine ununterbrochene Aufsicht, damit ein jeder Treiber auf seinem Posten und aufmerksam ist; denn Nachlässigkeit an irgendeiner Stelle der Linie könnte die ganze Herde entkommen lassen und in einem Augenblick die mühevolle Arbeit von Wochen vernichten. Auf diese Weise wird jeder Versuch der Elefanten, rückwärts durchzubrechen, sogleich abgewiesen und, wo immer ein solcher droht, augenblicklich eine hinreichende Menge versammelt, um sie zurückzuscheuchen. Endlich werden die Tiere so dicht an die Einzäunung getrieben, daß sich der Treibergürtel an beiden Flügeln an das Ende des Corral anlehnt. Das Ganze bildet nun einen Umkreis von ziemlich einer Stunde, und man wartet nun bloß noch auf das Zeichen zum Schlußtreiben.
Diese Vorbereitungen hatten zwei volle Monate in Anspruch genommen und waren eben vollendet, als wir ankamen und unsern Platz auf der oben erwähnten Schaubühne einnahmen, von der wir den Eingang zum Corral übersehen konnten. Dicht neben uns im Schatten lagerte eine Gruppe zahmer Elefanten, die aus den Tempeln und von den Fürsten gesandt worden waren, um beim Fange der wilden zu helfen. Drei verschiedene Herden, zusammen vierzig bis fünfzig Elefanten, waren umzingelt und lagen im Dschungel unweit der Einpfählung verborgen. Jeder Laut wurde vermieden; man sprach nur flüsternd, und das Stillschweigen unter der ungeheuren Menge der Treiber war so streng, daß man hin und wieder die Zweige rascheln hörte, wenn einer der Elefanten die Blätter abstreifte.
Plötzlich wurde das Zeichen gegeben und die Stille des Waldes von den Rufen der Wachen, dem Rasseln der Trommeln und dem Knattern der Gewehre unterbrochen. Man begann an dem entferntesten Punkt und trieb so die Elefanten immer näher, dem Eingang des Corral zu. Die Treiber entlang der Linie waren nur so lange still, bis die Herde an ihnen vorüber war; dann stimmten auch sie in das allgemeine Geschrei der andern hinter ihnen nach Herzenslust ein. So wuchs das Getöse mit jedem Schritt der Herde. Diese suchte wiederholt die Linie zu durchbrechen, wurde aber durch Kreischen, Trommeln und Kleingewehrfeuer immer wieder zurückgeschlagen.
Endlich zeigte das Knacken der Zweige und das Prasseln des Unterholzes die Näherkunft der Elefanten an. Ihr Führer brach aus dem Dschungel heraus und stürzte vorwärts bis auf dreißig Ellen Entfernung vom Eingang des Corral. Die ganze Herde folgte ihm; noch einen Augenblick, und alle wären in die offene Tür hineingestürzt, als sie plötzlich rechts umschwenkten und, trotz der Jäger und Treiber, ihrem früheren Platz im Dschungel wieder zueilten. Der oberste der Treiberaufseher kam hervor und erklärte ihren Durchbruch dadurch, daß ein wildes Schwein plötzlich von seinem Lager aufgestanden und dem Leittier der Herde über den Weg gelaufen sei. Er fügte hinzu, daß bei dem aufgeregten Zustande der Herde es der Wunsch der Jäger wäre, ihre letzte Anstrengung bis zum Abend zu verschieben, wo ihnen die Dunkelheit, die Feuer und die Fackeln um so mächtigere Gehilfen sein würden.
Nach Sonnenuntergang wurde der Schauplatz außerordentlich fesselnd. Die niedrigen Feuer, die im Sonnenlichte offenbar nur gedampft hatten, glühten wieder düster rot in der Dunkelheit und warfen ihren Schein über die Gruppen. Wirbelnd stieg der Rauch durch das reiche Laubwerk der Bäume. Die Scharen der Zuschauer beobachteten tiefe Stille. Kein Laut war hörbar als das Summen der Kerbtiere. Auf einmal brach wiederum das Rasseln einer Trommel und gleich darauf Gewehrfeuer durch die Stille. Dies war das Zeichen für den erneuten Angriff. Rufend und lärmend betraten die Jäger den Kreis. Trockene Blätter und Reiser wurden auf die Wachtfeuer geworfen, bis sie emporloderten und ringsum eine Flammenlinie bildeten; nur nach dem Corral zu wußte man aufs sorgfältigste die Dunkelheit zu bewahren. Dorthin begaben sich, durch das Getöse und das Gellen ihrer Verfolger hinter sich erschreckt, die Elefanten. Sie näherten sich mit rasender Eile, das Unterholz niedertretend und die trockenen Zweige zerknickend. Das leitende Tier erschien dem Corral gegenüber, hielt einen Augenblick inne, starrte wild um sich, stürzte dann über Hals und Kopf durch das offene Tor, und die ganze Herde folgte ihm nach. Der gesamte Umfang des Corral, der bis zu diesem Augenblick in tiefste Dunkelheit gehüllt gewesen war, strahlte nun wie durch Zauberei plötzlich von tausend Lichtern wieder. Denn in dem Augenblick, als die Elefanten eingetreten waren, rannte jeder Jäger mit einer Fackel herbei, die er am nächsten Wachtfeuer angezündet hatte.
Zuerst stürmten die Elefanten bis zum äußersten Ende der Einpfählung, stießen hier auf Widerstand, prallten zurück, um das Tor zu erreichen, und fanden dasselbe verschlossen. Ihr Schrecken war entsetzlich. Sie eilten mit reißend schnellen Schritten rings im Corral umher, sahen ihn aber nunmehr von Feuer umringt. Sie versuchten das Pfahlwerk zu durchbrechen, wurden jedoch mit Speeren und Fackeln zurückgetrieben; überall, wo sie sich näherten, kam ihnen Geschrei und Gewehrfeuer entgegen. Jetzt sammelten sie sich in eine einzige Gruppe, standen einen Augenblick in offenbarer Bestürzung still und traten dann in einer andern Richtung auf, als ob ihnen plötzlich eine Stelle eingefallen wäre, die sie vorher übersehen gehabt hätten. Immer wieder abgewiesen, kehrten sie langsam zu ihrem einsamen Ruheplatz inmitten des Corral zurück.
Die Teilnahme an diesem außerordentlichen Schauspiel beschränkte sich nicht auf die Zuschauer, sondern erstreckte sich auch auf die außen aufgestellten zahmen Elefanten. Schon bei der ersten Annäherung der fliehenden Herde legten sie Achtsamkeit an den Tag; zwei besonders, die vorn angebunden waren, bekundeten die höchste Aufregung, und als endlich die Herde in den Corral hineingebraust war, riß einer von diesen beiden sich los und stürzte den wilden nach, wobei er einen ziemlich ansehnlichen Baum, der im Wege stand, umbrach.
Länger als eine Stunde durchtrabten die Elefanten den Corral und griffen mit unermüdlicher Kraft die Pfähle an. Nach jedem fehlgeschlagenen Versuch trompeteten und kreischten sie vor Wut. Wieder und wieder strebten sie, das Tor zu erstürmen, als ob sie wüßten, daß es einen Ausgang bieten müsse, da es ja doch zum Eingange gedient hatte; aber betäubt und verwirrt wichen sie immer zurück. Nach und nach wurden ihre Anstrengungen matter; nur noch einzelne Tiere rannten hier- und dorthin, kehrten jedoch bald bekümmert zu ihren Genossen zurück. Endlich bildete die ganze Herde, verdutzt und erschöpft, eine einzige Gruppe mit den Jungen in der Mitte, und so standen sie regungslos unter den düsteren Schatten der Bäume, mitten in dem Corral.
Es wurden nun Anstalten getroffen, während der Nacht Wache zu halten. Die Anzahl der Wächter rund um die Einfriedung wurde verstärkt und den Feuern frische Nahrung gegeben, damit sie bis Sonnenaufgang hoch emporflammten.
Ursprünglich waren von den Treibern draußen drei Herden umstellt worden; aber mit eigentümlicher Vorausahnung hatten die drei sich einander fern gehalten. Als das Schlußtreiben stattfand, war nur eine Herde in den Corral gekommen, weil die andern beiden sich noch zurückhielten. Da nun das Tor augenblicklich hinter der ersten Abteilung geschlossen werden mußte, so waren die beiden andern natürlich ausgesperrt und blieben noch im Dschungel verborgen. Um ihr Entkommen zu hindern, wurden die Wachen an ihre früheren Plätze zurückbefehligt und die Feuer neu genährt. Nachdem so alle Vorsichtsmaßregeln getroffen waren, kehrten wir zurück, um die Nacht in unsern Häusern am Flusse zu verbringen. Diese waren nur etwa dreißig Schritte vom Corral entfernt, und so wurden wir in unserm ersten Schlaf oft von dem Lärm der Menge geweckt, die im Walde lagerte, dann und wann auch von dem Geschrei, das die Elefanten von einem plötzlichen Angriff auf die Einfriedung zurückscheuchte. Bei Tagesanbruch aber fanden wir am Corral alles still und wachsam. Als die Sonne aufging, ließ man die Feuer ersterben. Die abgelösten Wächter schliefen nahe der großen Einzäunung; ringsum aber waren Männer und Knaben mit Speeren oder langen Ruten aufgestellt, während die Elefanten drinnen in einer dicht gedrängten Gruppe zusammenstanden, nicht mehr ungestüm und stürmisch, sondern erschöpft, ruhig, gänzlich gebrochen durch Furcht und vor Erstaunen über alles, was um sie herum vorgegangen war. Nur ihrer neun waren bis jetzt gefangen worden, darunter zwei sehr große und zwei kleine, höchstens ein Paar Monat alte. Einer der großen war ein »Landstreicher«, der in keiner Verbindung mit der übrigen Herde stand, daher auch nicht in deren Kreis aufgenommen wurde, sondern nur in ihrer Nähe sich aufstellte.
Draußen schickte man sich an, die zahmen Elefanten in den Corral zu führen, damit diese die Gefangenen fesseln möchten. Die hierzu erforderlichen Schlingen waren bereit. Behutsam zog man die Stämme weg, die den Eingang geschlossen, und zwei abgerichtete Elefanten gingen leise hinein, jeder von seinem Führer und einem Diener geritten und mit einem starken Halsband versehen, von dem herab auf beiden Seiten Stricke aus Antilopenhaut mit einer Schlinge hingen. Zugleich mit ihnen und hinter ihnen verborgen, kam der Führer der Schlingenmänner hereingekrochen, begierig, sich die Ehre zu sichern, den ersten Elefanten festzumachen. Es war ein behender, kleiner Mann, ungefähr siebzig Jahre alt, der sich in solchen Diensten bereits zwei silberne Spangen als Ehrenzeichen erworben hatte. Er wurde von einem wegen seines Mutes und seiner Geschicklichkeit gleich berühmten Sohne begleitet. Zwei der zehn gezähmten Elefanten waren das Eigentum eines nahen Tempels, vier gehörten benachbarten Häuptlingen; die übrigen waren aus den Ställen der Regierung, so auch die beiden, die jetzt den Corral betraten. Von den ersten beiden war einer erst das Jahr vorher gefangen worden und dennoch jetzt schon zum Fange anderer tauglich. Einer von den letzteren war von ungemeinem Alter und bereits im Dienste der holländischen und der englischen Regierung seit mehr denn einem Jahrhundert. Der andere, namens Siribeddi, war etwa fünfzig Jahre alt und durch sanftes und gelehriges Wesen ausgezeichnet. Siribeddi war eine vollendete Sirene und ein solcher Fang ganz und gar nach ihrem Geschmack. Geräuschlos betrat sie den Corral und ging mit schlauem Blick, aber anscheinend sehr gleichgültig, langsam vorwärts. Gemütlich schlenderte sie in der Richtung nach den Gefangenen hin und blieb hin und wieder stehen, um ein wenig Gras oder einige Blätter im Vorbeigehen zu pflücken. Als sie sich den eingeschlossenen wilden Elefanten näherte, kamen diese ihr entgegen, und ihr Anführer strich sie sanft mit seinem Rüssel über den Kopf, wandte sich dann um und ging langsam zu seinen niedergeschlagenen Gefährten zurück. Siribeddi folgte ihm mit demselben gleichgültigen Schritt und stellte sich dicht hinter ihm auf, so daß der alte Mann unter ihr hinkriechen und seine Schlinge um den Hinterfuß des wilden Elefanten gleiten lassen konnte. Derselbe bemerkte augenblicklich seine Gefahr, schüttelte das Seil ab und wandte sich zum Angriffe gegen den Mann. Dieser würde auch seine Keckheit schwer gebüßt haben, hätte nicht Siribeddi ihn mit ihrem Rüssel beschützt und den Angreifer in die Mitte der Herde getrieben. Der Alte war nur leicht verwundet und verließ den Corral, während sein Sohn Raughanie seine Stelle einnahm. Die Herde stellte sich wieder in einen Kreis, die Köpfe nach der Mitte gerichtet. Zwei zahme Elefanten drängten sich keck zwischen sie, und zwar so, daß sie das größte Männchen zwischen sich nahmen. Dieses leistete keinen Widerstand, zeigte aber doch sein Unbehagen dadurch an, daß es fortwährend einen Fuß um den andern hob. Raughanie kroch jetzt herbei, hielt die Schleife, deren anderes Ende an das Halsband Siribeddis befestigt war, mit beiden Händen offen und lauerte nun den Augenblick ab, in dem der wilde Elefant seinen Hinterfuß erhob; endlich gelang es ihm, die Schlinge über das Bein zu bringen, er zog sie an und floh rückwärts. Die beiden zahmen Elefanten wichen augenblicklich zurück. Siribeddi spannte das Seil zur vollen Länge an, und während sie den Gefangenen von der Herde abzog, stellte sich der andere zwischen sie und die Herde, um jede Einmischung zu verhindern.
Nun war aber der Gefangene an einen Baum zu fesseln und mußte deswegen dreißig oder vierzig Meter weit rückwärts gezogen werden, während er doch wütend widerstand, unablässig voll Entsetzen brüllte, nach allen Seiten sprang und die kleineren Bäume wie Schilf zertrat. Siribeddi zog ihn stetig nach sich und wand das Seil, das sie fortwährend in voller Spannung erhielt, um den geeigneten Baum. Schließlich schritt sie behutsam über das Seil hinweg, um es ein zweites Mal um den Stamm zu wickeln, wobei sie erklärlicherweise zwischen dem Baum und dem Elefanten durchzugehen hatte. Es war ihr aber nicht möglich gewesen, den Gefangenen dicht an den Baum zu fesseln, was doch nötig war. Der zweite zahme, der die Schwierigkeit bemerkte, kam ihr zu Hilfe, und Schulter an Schulter, Kopf an Kopf drängte er den Gefangenen rückwärts, während Siribeddi bei jedem seiner Schritte das schlaff gewordene Seil anzog, bis er richtig am Fuße des Baumes fest stand. Dann wurde er von dem Fänger festgemacht, hierauf eine zweite Schlinge um das andere Hinterbein gelegt und so wie die erste am Baum befestigt. Endlich wurden beide Beine mit geschmeidigeren Stricken zusammengefesselt, um Wunden und Eiterung möglichst zu verhüten.
Wiederum stellten sich nun die beiden Fängerelefanten wie zuvor neben den Wildling, so daß Raughanie unter ihrem Leibe hervor seine Schlinge auch um dessen beide Vorderfüße befestigen konnte. Nachdem der dann auch diese Seile an einen hervorstehenden Baum gebunden hatte, war der Fang vollständig, und die zahmen Elefanten wie die Wärter verließen ihr Opfer, um es mit einem andern Gliede der Herde zu versuchen. Solange die beiden zahmen neben ihm gestanden hatten, blieb der Gefangene verhältnismäßig ruhig und fast widerstandslos stehen: in dem Augenblicke, als sie weggingen und er ganz allein gelassen war, begann er die erstaunlichsten Anstrengungen, um sich freizumachen und wieder zu seinen Gefährten zu kommen. Er befühlte die Stricke mit seinem Rüssel und versuchte die unzähligen Knoten aufzuknüpfen; er zog nach hinten, um seine Vorderfüße zu befreien; er lehnte sich vorwärts, um die Hinterbeine loszubekommen, so daß jeder Ast des großen Baumes erzitterte; er kreischte in seiner Angst und erhob den Rüssel hoch in die Luft; er legte sich seitwärts mit dem Kopfe an den Boden und preßte seinen zusammengebogenen Rüssel, als ob er ihn in die Erde stoßen wollte; er sprang plötzlich wieder auf und erhob sich auf Kopf und Vorderbeinen frei in die Höhe. Dieses traurige Schauspiel währte mehrere Stunden. Er hielt mitunter, offenbar vor sich hinbrütend, inne, erneuerte dann plötzlich die Anstrengungen, gab sie aber zuletzt hoffnungslos auf und stand nun vollkommen regungslos, ein Bild der Erschöpfung und Verzweiflung. Unterdessen stellte sich Raughanie vor der Schaubühne des Statthalters auf, um die gewohnte Belohnung für das Fesseln des ersten Elefanten in Empfang zu nehmen. Ein Platzregen von Rupien belohnte ihn, und aufs neue ging er an sein gefährliches Amt.
Die Herde stand in einer gedrängten Masse mürrisch und unruhig. Mitunter trieb den einen oder andern die Ungeduld, ein paar Schritte zu tun und Umschau zu halten; dann folgten die andern, erst langsam, hierauf schneller, und zuletzt stürmte die ganze Herde wütend zum erneuten Angriff auf das Pfahlwerk. Diese erfolglosen Anläufe waren ebenso großartig wie erheiternd: die Anstrengung der riesigen Kraft ihrer gewaltigen Glieder, gepaart mit dem fast lächerlichen Wackeln ihres schwerfälligen Schrittes und der Wut ihrer anscheinend unwiderstehlichen Angriffe verwandelte sich einen Augenblick später in einen furchtsamen Rückzug. Sie stürzten wie toll längs der Einfriedung hinunter, den Rücken gekrümmt, den Schwanz gestelzt, die Ohren ausgebreitet, den Rüssel hoch über den Kopf erhoben, schrillend, trompetend und kreischend, und blieben, obgleich ein Schritt mehr das Pfahlwerk zu Trümmern zerschmettert haben würde, plötzlich vor einigen weißen Stäbchen stehen, die ihnen durch das Gitter entgegengestreckt wurden! Und wenn sie dann das verhöhnende Geschrei der Menge draußen vernahmen, verschwanden sie, vollständig aus der Fassung gebracht, durchkreisten den Corral ein- oder ein paarmal und gingen wieder langsam an ihren Standplatz im Schatten. Die Wächter, die namentlich aus Knaben und jungen Männern bestanden, legten aber auch wirklich eine erstaunliche Ausdauer und Unermüdlichkeit an den Tag. Immer wieder stürzten sie nach dem Punkte hin, der von den Elefanten bedroht schien, und hielten den Rüsseln ihre Stäbe entgegen, wobei ihr ununterbrochenes Geschrei: ›Huub, Huub‹ ertönte und die Tiere unabänderlich in die Flucht trieb.
Das zweite von der Herde getrennte Opfer, ein weiblicher Elefant, wurde auf dieselbe Weise festgemacht wie das erste. Als dieses Tier die Schlinge an dem Vorderfuße fühlte, ergriff es sie mit seinem Rüssel, und es gelang ihm, sie in den Mund zu bringen, wo sie sich schleunigst getrennt haben würde, hätte nicht ein zahmer Elefant seinen Fuß auf das Seil gesetzt und so die Schlinge niedergedrückt und seinen Kinnladen entrissen. Die Fänger wählten nun immer zunächst dasjenige Tier, das bei den nachfolgenden Angriffen auf die Einpfählung die Führerschaft übernommen hatte, und der Fang eines jeden erforderte durchschnittlich nicht mehr als dreiviertel Stunden.
Höchst merkwürdig war, daß die wilden Elefanten keinen Versuch wagten, die Leiter, die auf den zahmen Tieren ritten, anzugreifen oder herunterzuziehen. Diese ritten gerade mitten in die Herde hinein, aber kein Elefant machte auch nur Miene, sie zu belästigen. Major Skinner sagt: »Es scheint mir, daß man in einem Corral vollständig vor den Angriffen der wilden gesichert ist, sobald man auf einem zahmen Elefanten sitzt. Ich sah einst den alten Häuptling Mollegadde in eine Herde von Wildlingen hineinreiten, und zwar auf einem so kleinen Elefanten, daß der Kopf des Häuptlings in gleicher Höhe mit dem Rücken der wilden Tiere war. Ich war sehr besorgt um den Mann, dieser aber blieb ohne alle Belästigung.«
»Da der Herde«, fährt Tennent fort, »alle ihre Führer nacheinander weggefangen wurden, so wuchs die Aufregung der andern immer mehr. Wie groß aber auch ihre Teilnahme für die verlorenen Gefährten sein mochte, sie wagten doch nicht, zu den Bäumen zu folgen, an denen diese angebunden waren. Wenn sie an ihnen vorüberkamen, blieben sie manchmal stehen, umschlangen einander mit dem Rüssel, leckten sich an Hals und Gliedern und legten die rührendste Trauer über ihre Gefangenschaft an den Tag, machten aber keinen Versuch, die fesselnden Seile zu lösen. Die Verschiedenheit des Wesens der einzelnen Tiere bekundete sich deutlich in ihrem Benehmen. Einige ergaben sich mit verhältnismäßig geringem Widerstande, andere warfen sich in ihrer Wut mit solcher Gewalt zu Boden, daß jedes andere schwächere Tier dabei den Tod gefunden haben würde. Sie ließen ihren Zorn an jedem Baume, an jeder Pflanze aus, die sie erreichen konnten. War sie klein genug, um niedergerissen zu werden, so machten sie dieselbe mit ihrem Rüssel dem Boden gleich, streiften die Blätter und Zweige ab und streuten diese wild nach allen Seiten über ihre Köpfe hin. Einige gaben keinen Laut von sich, während andere wütend trompeteten und brüllten, dann wohl ein kurzes, krampfhaftes Gekreisch ausstießen und zuletzt erschöpft und hoffnungslos nur noch dumpf und kläglich stöhnten. Manche blieben nach einigen heftigen Versuchen regungslos auf dem Boden liegen, und nur die Tränen, die unaufhörlich aus ihren Augen flossen, sprachen aus, was sie duldeten; andere machten in der Kraft ihrer Wut die erstaunlichsten Windungen und Verrenkungen, und uns, die wir bei dem unbehilflichen Körper des Elefanten unbedingt an Steifheit denken, erschienen die Stellungen, in die sie sich drängten, geradezu unglaublich. Ich sah einen liegen, der die Wangen gegen die Erde drückte und die Vorderfüße vor sich hingestreckt hatte, während der Körper so herumgebogen war, daß die Hinterfüße nach der entgegengesetzten Seite hinausragten.
Es war höchst wunderbar, daß ihre Rüssel, die sie doch gewaltig nach allen Seiten schleuderten, nicht verletzt wurden. Einer wand den seinigen so, daß er einem gekrümmten riesigen Wurme ähnlich sah, zog ihn mit rastloser Schnelligkeit ein und stieß ihn aus, legte ihn wie eine Uhrfeder zusammen und schoß ihn dann plötzlich wieder in voller Länge vor; ein anderer, der sonst ganz regungslos dalag, schlug langsam den Boden mit der Spitze seines Rüssels, wie ein Mann in Verzweiflung wohl mit der flachen Hand auf sein Knie schlägt. Die Empfindlichkeit ihres Fußes war bei so plumpen Verhältnissen und einer solchen Dicke der Haut äußerst auffallend. Die Fänger konnten sie jeden Augenblick dazu zwingen, den Fuß zu heben, sobald sie nur mit einem Blatte oder Zweige kitzelten. Die Anlegung der Schlinge bemerkte das Tier augenblicklich, und wenn es dieselbe mit dem Rüssel erreichen konnte, näherte es den andern Fuß, um sie womöglich abzustreifen.
Eins war fast bei allen zu bemerken: sie zertrampelten den Boden mit ihren Vorderfüßen, nahmen mit einer Wendung des Rüssels die trockene Erde oder den Sand auf und bestreuten sich damit geschickt über und über. Dann führten sie die Spitze des Rüssels in den Mund und entnahmen diesem Wasser, das sie über ihren Rücken ausgossen; dies wiederholten sie so oft, bis der Staub gewöhnlich durchnäßt war. Ich verwunderte mich über die Menge Wasser, die sie dazu verwendeten; denn sie bekleideten sich förmlich mit einem dünnen Schlammantel und hatten nun doch seit vierundzwanzig Stunden keinen Zugang zur Tränke gehabt, waren außerdem auch von Kampf und Schrecken erschöpft.
Wirklich bewundernswert war das Benehmen der zahmen Elefanten. Sie bewiesen das vollkommenste Verständnis jeder Bewegung, des erstrebten Zieles und der Mittel, es zu erreichen. Offenbar bereitete ihnen der Fang Vergnügen. Es war keine böse Stimmung, kein Übelwollen in ihnen, sie schienen die ganze Sache als einen angenehmen Zeitvertreib zu betrachten. Ebenso merkwürdig wie ihre Klugheit war aber auch ihre Vorsicht. Übereilung oder Verwirrung war niemals zu bemerken. Nie verwickelten sie sich in die Seile, nie kamen sie den gefesselten in den Weg, und mitten in den heftigsten Kämpfen, wenn sie über die gefangenen wegzusteigen hatten, traten sie weder auf diese, noch fügten sie ihnen das geringste Leid zu, suchten vielmehr aus freien Stücken jede Schwierigkeit oder Gefahr für dieselben zu beseitigen. Mehr als einmal, wenn ein wilder seinen Rüssel ausstreckte, um das Seil aufzufangen, das um sein Bein gewickelt werden sollte, schob Siribeddi den Rüssel schnell beiseite. Ein Elefant, der schon an einem Fuße gefesselt war, setzte den andern immer weislich fest aus den Boden, sooft man versuchte, die Schlinge darumzulegen. Da lauerte Siribeddi die Gelegenheit ab, als jener den Fuß wieder erhob, schob geschwind ihr eigenes Bein darunter und hielt es in die Höhe, bis die Schlinge angelegt und zugezogen war. Es schien fast, als ob die zahmen mit der Furcht der wilden ihr Spiel trieben und ihren Widerstand verspotteten. Drängten die wilden sich rückwärts, so schoben sie dieselben vorwärts: wollten jene erzürnt eine andere Richtung einschlagen, so trieben die zahmen sie zurück. Warfen sie sich nieder, so stemmte sich ein zahmer mit Kopf und Schulter dagegen und zwang sie wieder in die Höhe. War es aber nötig, sie niederzuhalten, so kniete er auf sie und hielt sie nieder, bis die Seile festgemacht waren. Nur der Fänger, der besonders gute Dienste leistete und vor dem sich die wilde Herde ganz vorzüglich zu fürchten schien, hatte Stoßzähne, brauchte sie aber durchaus nicht zum Verwunden, sondern bahnte sich mit ihnen zwischen zwei Elefanten, wo er den Kopf nicht hätte hineinbringen können, einen Weg und benutzte seine Zähne außerdem, die Gefallenen oder Widerspenstigen mit größerer Bequemlichkeit aufzuheben. Mehrere Male, als die Vermittlung der andern zahmen Elefanten nicht genügte, um einen wilden zur Ordnung zu bringen, schien die bloße Annäherung dieses Stoßzahnträgers Furcht einzuflößen und Unterwürfigkeit zu erzwingen.
Vielleicht wurde der Mut und die Geschicklichkeit der Menschen durch die überraschenden Eigenschaften der zahmen Elefanten in den Schatten gestellt. Gewiß besaßen die ersteren ein schnelles Auge, das die geringste Bewegung des Elefanten erlauerte, und großes Geschick, die Schlingen überzuwerfen und rasch zu befestigen; jedoch genossen sie dabei stets den Schutz der zahmen Elefanten, ohne den auch die kühnsten und geschicktesten Jäger in einem Corral nichts ausrichten würden.
Von den beiden jungen Elefanten war der eine etwa zehn Monate alt, der andere etwas älter. Der kleinere mit seinem klobigen Kopfe und wolligen, braunen Haaren war die belustigendste und anziehendste Taschenausgabe eines Elefanten, die man sich denken kann. Bei jedem Angriff auf die Einfriedigung trabten beide Jungen der Herde nach. Standen die andern ruhig, so liefen sie den älteren zwischen den Beinen umher. Als die Mutter des jüngsten gefangen wurde, hielt sich das kleine Geschöpf neben ihr, bis sie dicht an den verhängnisvollen Baum gezogen worden war. Anfangs waren die Fänger von seinem Ärger mehr belustigt; bald aber fanden sie, daß es durchaus nicht zugab, wie seiner Mutter die zweite Schlinge angelegt werden sollte. Es lief herbei, griff nach dem Seile, stieß und schlug die Männer mit seinem Rüssel und mußte endlich zur Herde zurückgetrieben werden. Langsam, fortwährend brüllend und bei jedem Schritte sich umsehend, zog es sich zurück, gesellte sich sodann zu dem größten Weibchen, das noch unter der Herde war, und stellte sich zwischen dessen Vorderfüße, während dieses es mit seinem Rüssel liebkoste und ihm zuzureden schien. Hier blieb es stöhnend und wehklagend, bis die Fänger seine gefesselte Mutter sich selbst überlassen hatten. Dann kehrte es augenblicklich zu dieser zurück. Da es aber wieder störend auftrat und jeden Vorbeigehenden angriff, wurde es endlich nebst dem andern Jungen an einen nahen Baum gebunden. Letzteres hatte sich übrigens beim Fange seiner Mutter ganz ebenso benommen. Die beiden Jungen waren die lustigsten der ganzen Gesellschaft. Ihr Geschrei nahm kein Ende, und jeden, der in ihre Nähe kam, suchten sie zu packen. Ihre Wendungen erregten wegen der Geschmeidigkeit ihres Körpers besonderes Erstaunen. Das Belustigendste war, daß die kleinen Burschen mitten in all ihrer Not und Betrübnis doch alles Eßbare, was ihnen vorgeworfen wurde, schleunigst ergriffen und dann gleichzeitig brüllten und fraßen.
Unter den letzten, die eingefangen wurden, befand sich auch der Landstreicher. Obgleich er viel wilder war als die andern, verband er sich doch nicht mit ihnen zum Angriff gegen die Einfriedigung, da sie ihn einmütig von sich trieben und ihn nicht in ihren Kreis aufnahmen. Als er neben einem seiner Unglücksgefährten vorbeigeschleppt wurde, stürzte er auf ihn zu und suchte ihn mit seinen Zähnen zu durchbohren. Dies war auch das einzige Beispiel von Böswilligkeit, das sich während dieses Vorfalls im Corral zeigte. Als er überwältigt war, zeigte er sich erst lärmend und ungestüm, legte sich aber bald friedlich nieder, ein Zeichen, wie die Jäger sagten, daß sein Ende nahe war. Etwa zwölf Stunden lang deckte er sich noch ununterbrochen mit Staub wie die andern und befeuchtete diesen mit Wasser aus seinem Rüssel; endlich aber lag er erschöpft da und starb so ruhig, daß der Eintritt des Todes nur durch das Heer von schwarzen Fliegen bemerklich wurde, von dem sein Körper fast augenblicklich bedeckt wurde, obschon wenige Minuten vorher nicht eine sichtbar gewesen. Der Leichnam wurde losgebunden, und zwei zahme Elefanten zogen ihn hinaus.
Als endlich sämtliche Elefanten gefesselt waren, vernahm man aus der Entfernung die Töne einer Flöte. Sie wirkten wundersam auf mehr als einen. Die Tiere wandten den Kopf nach der Richtung, woher die Musik kam, und spannten ihre breiten Ohren; der klägliche Laut besänftigte sie offenbar. Nur die Jungen brüllten noch nach Freiheit, stampften mit den Füßen, bliesen Staubwolken über ihre Schultern, schwangen ihre kleinen Rüssel hoch empor und griffen jeden an, den sie erreichen konnten.
Anfangs verschmähten die älteren Tiere jedes angebotene Futter, traten es unter die Füße und wandten sich verächtlich ab. Einige konnten, als sie ruhiger wurden, der Versuchung eines saftigen Bäumchens nicht mehr widerstehen, sondern rollten ihn unter den Füßen, bis sie die zarten Zweige abgelöst hatten, hoben sie dann wieder mit ihrem Rüssel auf und kauten sie sorglos.
Wenn die Klugheit, die Ruhe und die Gelehrigkeit der Locktiere lebhaftes Erstaunen erregte, so mußte man anderseits auch das würdige Benehmen der Gefangenen bewundern. Ihr Betragen stand durchaus im Widerspruch mit den Schilderungen mancher Jäger, die sie als falsch, wild und rachsüchtig darstellen. Wenn die Tiere von den Waffen ihrer Verfolger gequält werden, wenden sie freilich ihre Stärke und ihre Klugheit dazu an, daß sie zu entkommen oder zu vergelten suchen; hier im Corral aber zeugte jede ihrer Bewegungen von Unschuld und Schüchternheit. Nach einem Kampfe, in dem sie keine Neigung zur Gewalttätigkeit oder Rache sehen ließen, unterwarfen sie sich endlich mit der Ruhe der Verzweiflung. Erbarmend war ihre Stellung, rührend ihr Schmerz, zum Herzen gehend ihr dumpfes Stöhnen. Wären sie mit unnötiger Quälerei gefangen worden oder wären sie einer übeln Behandlung entgegengegangen, es wäre geradezu unerträglich gewesen.
In ähnlicher Weise wie die erste Herde wurden dann auch die andern nach und nach eingetrieben, bald mit vollerem, bald mit geringerem Erfolge. Der Eintritt der neuen Gäste in den Corral beunruhigte natürlich die bereits gefangenen nicht wenig. Die zweite Herde kam nun aber bei Tageslicht hinein, und ihre Angriffe waren daher noch viel entschiedener als die der ersten. Sie wurde von einem weiblichen Elefanten, der ziemlich neun Fuß hoch war, angeführt, und dieses mutige Tier konnte bei einem Angriff auf die Umfriedigung, da alle weißen Stäbe nichts mehr halfen, nur dadurch zurückgetrieben werden, daß ihm ein Jäger eine lodernde Fackel an den Kopf warf. Um die bereits gefangenen kümmerten sich die später gekommenen nicht, stürzten vielmehr öfters wie toll über deren Körper dahin. Die oben erwähnte weibliche Führerin wurde zuerst erkoren. Als sie die Schlinge am Hinterfuße hatte, zeigte es sich, daß sie für Siribeddi zu stark war. Da diese fühlte, daß ihre Kraft nicht hinreichte, die widerstrebende Beute an den bestimmten Ort zu bringen, so kniete sie nieder, um ihr Ziehen durch das volle Gewicht ihres Körpers zu verstärken. Der Stoßzähner aber, der wohl sah, wie sauer sie es sich werden ließ, stellte sich vor die Gefangene und trieb sie Schritt für Schritt rückwärts, bis sie glücklich an den Baum gebracht und festgebunden worden war.
Die letzte Arbeit bestand darin, die Seile, die die Beine der Gefangenen fesselten, ein wenig zu lockern; dann führte man jeden zum Flusse. Zwei zahme mit starken Halsbändern traten ihm zur Seite; dem Neugefangenen legte man ein gleich starkes Halsband aus Kokosnußfäden an, band dann alle drei zusammen, wobei der zahme Elefant mitunter seinen Rüssel brauchte, um den Arm seines Reiters vor dem Rüssel des Gefangenen zu schützen, weil dieser sich das Seil natürlich nicht gern um den Hals legen ließ. Nachdem dies geschehen war, wurden die Schlingen von seinen Beinen abgenommen und er zum Flusse geleitet, wo er sich baden durfte, ein Genuß, den alle begierig ergriffen. Dann wurde jeder an einen Baum im Walde festgebunden und ihm seine Wärter zugewiesen, die ihn reichlich mit seinem Lieblingsfutter versorgten.
Die Zähmung des Elefanten ist ziemlich einfach. Nach etwa drei Tagen beginnt er ordentlich zu fressen und bekommt dann in der Regel einen zahmen zum Gesellschafter. Zwei Männer streicheln ihm den Rücken und reden ihm in sanften Tönen zu. Anfangs ist er wütend und schlägt mit seinem Rüssel nach allen Seiten, vorn aber stehen andere Männer, die alle seine Schläge mit der Spitze ihrer Eisenstangen auffangen, bis das Vorderende des Rüssels so wund wird, daß das Tier ihn endlich einzieht und dann selten wieder zum Angriff benutzt. So lernt er zuerst die Macht des Menschen fürchten. Später helfen die zahmen Elefanten seine Erziehung weiterführen. In etwa drei Wochen bringt man das Tier so weit, daß es sich im Wasser niederlegt, sobald die Spitze der eisernen Rute, die ihn vorher öfter am Rücken verwundet hatte, ihm droht.
Sehr schwierig ist es, die Wunden zu heilen, die auch die weichsten Seile an den Beinen hervorbringen. Diese Wunden eitern oft viele Monate lang, und manchmal vergehen Jahre, ehe der Elefant bei einer Berührung der Füße ruhig bleibt.
Während ihre Größe keinen besonderen Einfluß auf die Dauer ihrer Abrichtung zu haben scheint, sind die Männchen gewöhnlich minder leicht zu behandeln als die Weibchen. Die, die anfangs die heftigsten und widerspenstigsten sind, werden am schnellsten und wirksamsten gezähmt und bleiben gewöhnlich gehorsam unterworfen; die mürrischen oder tückischen aber langsamer, und es ist ihnen selten zu trauen, überhaupt darf man einem gefangenen Elefanten nie mit unbegrenztem Vertrauen begegnen. Auch die zahmsten und sanftesten bekommen mitunter Anfälle von Halsstarrigkeit, und selbst nach jahrelangem Gehorsam macht sich ihre Reizbarkeit und Rachsucht bemerklich.
Im allgemeinen kann die Gegenwart der zahmen Elefanten nach zwei Monaten entbehrt und der eingefangene vom Kornak allein geritten werden; nach drei bis vier Monaten läßt er sich zur Arbeit verwenden; nur darf man ihn nicht zeitig dazu bringen, da es oft vorgekommen ist, daß ein wertvolles Tier beim erstenmal Anschirren sich niedergelegt hat und, wie die Einwohner sagen, ›am gebrochenen Herzen gestorben ist‹, jedenfalls verendet ist, ohne daß irgendeine Ursache nachgewiesen werden konnte. Gewöhnlich läßt man den Elefanten Lasten tragen oder in Gemeinschaft mit einem zahmen einen Wagen ziehen. Am schätzbarsten wird er durch Herbeischaffung schwerer Baustoffe, Balken oder Steine, wobei er Einsicht und Geschick in hohem Grade beweist und stundenlang ohne einen Wink seines Aufsehers arbeitet; indes läßt sein Eifer nach, wenn er sich unbeobachtet glaubt.«
Wie Melchior mitteilt, schätzt und wertet man in Indien männliche Elefanten aus dem Grunde höher als weibliche, weil letztere wegen der ihnen mangelnden Stoßzähne nur zum Ziehen, erstere dagegen auch zum Heben und Fortstoßen schwerer Lasten gebraucht werden können. Außerdem schwankt der Preis je nach der Erziehung, die das Tier genossen, beziehentlich nach der Leistungsfähigkeit, die es erlangt hat.
Was man von der Vorliebe des Elefanten für eine einmal angenommene Ordnung der Zeit oder seiner Arbeitsweise oft behauptet hat, ist nach Tennents Beobachtungen ungenau. Er zeigt sich auch in dieser Beziehung so gefügig wie etwa ein Pferd. Sein Gehorsam gegen seinen Treiber gründet sich sowohl auf Furcht als auf Liebe, und obschon er dem einen oft sehr zugetan ist, gewöhnt er sich doch auch leicht an einen andern, falls dieser ihn ebenso freundlich behandelt wie der frühere. Die Stimme des Führers reicht hin, ihn bei seinen Verrichtungen zu leiten. Wenn zwei eine gemeinsame Arbeit verrichten sollen, lassen sich ihre Bewegungen leicht durch eine Art Gesang in Einklang bringen. Die schwerste Probe seines Gehorsams legt der Elefant ab, wenn er auf Geheiß seines Wärters die ekelhaften Arzneien der Elefantenärzte verschluckt oder wenn er schmerzvolle wundärztliche Verrichtungen an sich vornehmen lassen muß.
Als Lasttier muß der Elefant zart behandelt werden; denn seine Haut ist äußerst empfindlich und Eiterungen in hohem Grade ausgesetzt. Ebenso bekommt er leicht böse Füße und ist dann monatelang nicht zu gebrauchen. Auch von Augenentzündungen wird er häufig heimgesucht, und gerade in dieser Beziehung leisten die Elefantenärzte wirklich so viel, daß sie seit den Zeiten der alten Griechen berühmt geworden sind. An der Viehseuche leiden wilde und zahme Elefanten gleich stark.
Die alte Angabe, daß der Elefant ein Alter von zwei- bis dreihundert Jahren erreiche, wird durch einzelne Beispiele auf Ceylon allerdings bestätigt, wo einzelne in der Gefangenschaft länger als hundertvierzig Jahre zugebracht haben. Indes glaubt man jetzt, daß ihre eigentliche Lebensdauer etwa siebzig Jahre betrage. Der Glaube an ihr fast unbegrenztes Alter kommt jedenfalls daher, daß der Leichnam selten oder nie in den Wäldern gefunden wird. Nur nach einer verheerenden Seuche finden sich solche vor. Ein Europäer, der sechsunddreißig Jahre lang ununterbrochen in dem Dschungel gelebt und die Elefanten fleißig beobachtet hat, pflegte oft seine Verwunderung auszusprechen, daß er, der doch viele Tausende lebendiger Elefanten gesehen, noch nie das Gerippe eines einzigen toten gefunden habe, ausgenommen solche, die durch eine Krankheit gefallen waren. Diese Bemerkung gilt übrigens nur von den Elefanten aus Ceylon; denn in Afrika werden die Gebeine der in den Waldungen gestorbenen Elefanten häufig gefunden. Der Eingeborene in Ceylon glaubt, daß jeder Elefantentrupp seine Toten begrabe. Außerdem behauptet er auch, daß der Elefant, der seinen Tod herannahen fühle, stets ein einsames Tal zu seinem Sterbeplatz erwähle, das zwischen den Bergen östlich von Adams Peak liegt und einen klaren See umschließt.
Gegenüber den regelrechten Fanganstalten der Inder und deren verständnisvoller, auf die sorgsamste Beobachtung begründeter Behandlungsweise des Elefanten verfahren die afrikanischen Stämme, die sich mit dem Fange des Fihl befassen, unendlich roh und ungeschickt. Soviel mir bekannt, betreiben nur die Nomadenstämme der zwischen dem oberen Nil und dem Roten Meer sich ausdehnenden Steppen, also der Atbaraländer, einen mehr oder weniger regelmäßigen Fang, seitdem der nunmehr verstorbene Tierhändler Casanova sie hierzu angeregt und eine Verbindung mit ihnen angebahnt hat, die von andern Händlern noch gegenwärtig unterhalten wird. Casanova brachte anfangs der sechziger Jahre zuerst einige, später fast alljährlich viele lebende afrikanische Elefanten nach Europa, woselbst sie seit Jahrhunderten nicht gesehen worden waren. Marno, der Casanova auf einer seiner Reisen nach Kassala (der am Sudit, einem Zufluß des Atbara, gelegenen Hauptstadt des Steppenlandes Taka) begleitete, berichtet, daß die Steppenbewohner einzig und allein auf Säuglinge jagen und auch diese nur erbeuten, indem sie deren Mütter in der oben geschilderten Weise verfolgen und töten. Während die kühnsten Jäger sich mit den Alten beschäftigen, versuchen andere sich des Jungen zu bemächtigen, werfen ihm Schlingen über, reißen es zu Boden und fesseln es sodann an allen Vieren. Die Jäger selbst kehren von ihren wilden Ritten durch dornige Dickichte zerkratzt und zerschunden, die Pferde krumm und lahm nach dem Dorfe zurück, und beide bedürfen nach jeder Jagd längerer Erholung. Nach Marnos Versicherung verursachen selbst die jüngsten Elefanten oft bedeutende Schwierigkeiten, ebensowohl durch ihr Widerstreben bei und nach dem Fange selbst wie durch die mit der Ernährung und Fortschaffung verbundene Mühwaltung. Daß ein junger Elefant dem Jäger, der etwas von seinem eigenen Schweiße an die Rüsselspitze des kleinen Dickhäuters gebracht hat, beständig nachfolgen soll, wie Heuglin behauptet, scheint man in den Atbaraländern nicht zu wissen, braucht hier vielmehr stets Gewalt. Mehrere Männer sind erforderlich, um die kleinen Wildlinge auf kurzen Märschen bis zum Aufenthaltsort des Händlers zu geleiten, und eine stetig mitwandernde Ziegenherde ist nötig, sie unterwegs mit Milch zu versorgen. Infolge der rohen Behandlung, die sie erlitten, bekunden die jungen Tiere einen glühenden Haß gegen alle Eingeborenen, erheben ihre mächtigen Ohren, sobald sie einen solchen gewahren, schreien und werden wild und ungebärdig, falls ein solcher sich naht, wogegen sie sich mit dem Europäer um so eher befreunden, je sanfter und liebevoller dieser mit ihnen verkehrt. Anfänglich versuchen sie auch ihn zu stoßen oder mit dem Rüssel zu schlagen, gewöhnen sich jedoch verhältnismäßig erstaunlich schnell an jeden verständigen Pfleger und werden dann zu wirklich liebenswürdigen Geschöpfen, deren gutmütig drolliges Wesen jedes Herz gewinnen muß. Verdiente oder doch für notwendig erachtete Schläge fruchten zwar, machen sie jedoch ängstlich und furchtsam, erschweren deshalb auch ihre Zähmung mehr, als sie dieselbe fördern. Bei harter Behandlung vergießen sie Tränen wie ein gequälter Mensch. Nicht wenige verenden in den ersten Tagen ihrer Gefangenschaft infolge der rohen Behandlung, der Beschwerden des Weges, der ungewohnten Nahrung und endlich der Wunden, die die Fesseln verursachen, in manchen Fällen auch ohne erklärliche Ursache, wahrscheinlich aus Kummer über den Verlust ihrer Mutter und ihrer Freiheit. Schweinfurth schildert das Betragen eines jungen Elefanten dieser Art, der in der üblichen Weise erbeutet und ihm geschenkt worden war: »Einen rührenden Anblick gewährte die vererbte Wohlerzogenheit des jungen Elefantenkindes. Bei jeder Pfütze und bei jedem Brunnen, den der Weg berührte, pflegte es den Rüssel voll Wasser zu pumpen, um sich vom Staube der Wanderung oder vom Schmutze des sumpfigen Pfades zu säubern. Indem es sich des Rüssels gleich eines Wasserschlauches bediente, begann es alsdann immer wieder von neuem sich den Körper zu berieseln und zu bespritzen.« Ungeachtet der ihm gewordenen Sorgfalt und Pflege erlag auch dieser Elefant nach wenigen Tagen den Folgen des anstrengenden Marsches. »Es hatte für mich«, sagt Schweinfurth, »etwas unendlich Wehmutvolles, das bereits riesige und doch noch so hilflose Geschöpf unter schweren Atemzügen verenden zu sehen. Wer das Auge des Elefanten beobachtet, wird finden, daß trotz seiner Kleinheit und bei aller Kurzsichtigkeit, die diesen Tieren angeboren ist, doch ein so seelenvoller Blick von demselben ausgeht wie bei keinem zweiten Vierfüßler.«
Casanovas Gefangene wurden, wie Marno fernerhin mitteilt, unter schattigen Bäumen aufgestellt oder durch aufgespannte Matten gegen die Hitze geschützt, bekamen dreimal täglich ein Gemisch von Milch und Wasser, die größeren nur Wasser zu trinken und außer Durrhamehlbrei junge Durrhakolben und Zweige verschiedener Bäume zu fressen. Beim Trinken bekundeten auch sie, daß Wasser ihnen durchaus unentbehrlich ist. Sie tranken nicht allein eine erhebliche Menge desselben, sondern verbrauchten stets auch einen ansehnlichen Teil davon, um sich zu überspritzen und die ihnen ersichtlich sehr schmerzlichen Wunden zu kühlen.
Auf der Reise von Kassala nach Suakin, die mehrere Wochen in Anspruch nahm, wurden die größten und verständigsten unter den jungen Elefanten von je drei Männern geleitet, derart, daß ein Mann das Tier führte und zwei die an den Hinterbeinen befestigten Stricke hielten, um ein etwaiges Entrinnen zu verhindern. Hieran dachten die folgsamen Geschöpfe jedoch nicht, liefen vielmehr, wie Schafe ihrem Hirten, dem Führer nach, solange sie nicht erschreckt wurden. Noch immer hatten sie ihre Abneigung gegen die Araber nicht aufgegeben, griffen auch einmal einen dieser Leute an und würden ihn wahrscheinlich übel zugerichtet haben, wäre dem Bedrohten nicht rechtzeitig ein Europäer zu Hilfe geeilt. Diesem gegenüber zeigte sich das soeben in Wut geratene Tier zahm und gehorsam wie immer. Weit mehr Unannehmlichkeiten verursachten die jüngeren Genossen der leitenden Elefanten. Sie hatten sich vom Anfange an gewöhnt, in dicht gedrängtem Haufen nebeneinander zu gehen, stießen und drückten sich infolgedessen, schrien, wollten sich auch auf dem Lagerplatze, wo sie, um das Verwickeln ihrer Fesseln zu verhüten, einzeln angebunden werden mußten, nicht trennen, ergriffen ärgerlich die Flucht und zerrten dann nicht allein ihre Führer durch Dick und Dünn, Gestrüpp und Dornen, sondern verleiteten auch die übrigen zur Flucht, da einer dem andern nachzulaufen pflegte. Mehrmals rissen einzelne sich los, liefen jedoch niemals davon, sondern blieben stets in der Nähe ihrer Schicksalsgenossen. Ein kleines Weibchen, das ohne alle Fesseln umherlaufen durfte, ging naschend von einem Kameraden zum andern, wurde auch von den kleineren geduldet, von den größeren dagegen stets vertrieben, weil diese futterneidischer waren als jene. Nur mit einem größeren Weibchen hatte es innige Freundschaft geschlossen, fraß und trank mit ihm und hielt sich fast beständig in seiner Nähe auf, schlief auch stets dicht an seiner Seite. Fast alle kleinen hatten die Gewohnheit, an den Ohren ihrer Nachbarn oder an den Kleidern und Händen ihrer Führer zu saugen. Gewöhnlich wurde täglich morgens und abends je fünf bis sieben Stunden lang weiter gezogen und dazwischen gerastet, die langnasige Herde gefüttert, getränkt, mit Wasser begossen und, nachdem Leute und Tiere geruht und geschlafen, die Wanderung fortgesetzt. An heißen Tagen fächelten sich die Elefanten während des Gehens mit den großen Ohren Kühlung zu und bespritzten sich mit dem früher getrunkenen Wasser, das sie vom Magen aus in das Maul stießen und dann mittels des Rüssels hervorholten. Letzterer war in beständiger Bewegung; spritzten die Tiere nicht Wasser, so bestreuten sie sich mit Sand oder hüllten sich in dicke Staubwolken ein. Durch die Hitze litten sie fast ebenso wie durch die weiten Wege über dürren und steinigen Boden, infolge deren ihre dicken Sohlen sehr angegriffen wurden. Viele Mühe verursachte das Ein- und Ausladen in und aus Booten, Schiffen und Güterwagen auf den Eisenbahnen: doch gewöhnten sie sich, so erschreckt sie anfänglich sich zeigten, in kürzester Frist auch an diese ihnen vollkommen neuen Verhältnisse.
Aus Marnos Mitteilungen wie aus den von mir und andern in Tiergärten gesammelten Beobachtungen geht hervor, daß auch der Fihl wie sein indischer Verwandter gezähmt und in seiner an geeigneten Nutztieren so armen Heimat gewiß mit großem Vorteile dem Menschen dienstbar gemacht werden könnte. Ob er ebensoviel leisten würde, wie der indische Elefant, steht dahin; die Angaben der Alten sprechen dagegen, und der Eindruck, den das Tier auf den Beobachter macht, straft jene Angaben nicht Lügen. Wie Plinius, Livius, Strabo und andere römische Schriftsteller berichten, waren die indischen Elefanten den afrikanischen an Stärke und Mut entschieden überlegen; in der von Ptolemäus Philopator im Jahre 217 v. Chr. gegen Antiochus geschlagenen Schlacht von Raphia zogen, wie Hartmann hervorhebt, die dreiundsiebzig afrikanischen Elefanten des ägyptischen Königs gegen die hundertundzwei des syrischen Gegners in kläglicher Weise den kürzeren. Doch wissen wir auch, durch die Römer sowohl wie durch unsere Tierbändiger, daß der Fihl jeder für ihn überhaupt möglichen Abrichtung fähig ist. Allerdings vermissen wir an ihm den Ausdruck der geistigen Vollkommenheit, der den indischen Verwandten in so hohem Grade auszeichnet, würden ihm jedoch entschieden Unrecht tun, wenn wir deshalb folgern wollten, daß er der Erziehung und Abrichtung unfähig wäre. Er dürfte nichts so Erstaunliches wie sein Verwandter, sicherlich aber noch immer außerordentlich viel leisten, wollte man ihn nur in derselben Weise behandeln, wie die Indier mit der in ihrer Heimat lebenden Art verkehren.
In unsern Tiergärten hält sich der afrikanische Elefant ebenso gut wie der indische, auch unter Umständen, die seinen natürlichen Bedürfnissen wenig entsprechen; so beispielsweise da, wo ihm ein größerer Raum zu freier Bewegung oder ein hinreichend weites und tiefes Badebecken fehlt und er genötigt wird, durch Hin- und Hergehen oder Aufheben und Niederlassen der Beine für erstere, durch zeitweiliges Überspritzen mit Hilfe des Rüssels für die ihm so notwendige Suhle Ersatz sich zu verschaffen. In der Regel höchst gutmütig und folgsam, kann der eine wie der andere zuweilen doch alle Rücksichten gegen den sonst warm geliebten Wärter vergessen und dann sehr gefährlich werden. Die Brunstzeit erregt ihn stets im hohen Grade und macht äußerste Vorsicht des ihn bedienenden Mannes zur gebieterischen Notwendigkeit. Nach den bisher gesammelten Erfahrungen sind Männchen stets mehr zu fürchten als Weibchen, obgleich auch sie sehr zornig und angriffslustig werden können. Freundliche Behandlung erkennt jeder Elefant an und erweist sich derselben gegenüber dankbar; Unfreundlichkeit und Ungerechtigkeit vergibt er in den meisten, aber keineswegs in allen Fällen. Gleichwohl richtet er nur selten Unglück an und ist deshalb weniger zu fürchten als jeder bösartige Wiederkäuer, als jeder Wildstier, jeder größere Hirsch, jede stärkere Antilope. Seine vortrefflichen Sinne, sein scharfer Verstand, sein mildes Wesen machen sich jedem Beobachter in ersichtlicher Weise bemerkbar. Er lernt spielend leicht und »arbeitet« willig und gern, bildet deshalb auch eines der hervorragendsten Zugtiere jeder Tierbude, wie er bald zum erklärten Liebling der Besucher eines Tiergartens wird. Die Menge der Nahrung, deren er bedarf, ist sehr bedeutend: laut Schmidt erhält der im Frankfurter Tiergarten lebende, etwa fünfzehn Jahre alte Elefant täglich acht Kilogramm Weizenkleie, fünf Kilogramm Brot, achtzehn Kilogramm Heu und einen Tag um den andern je drei Kilogramm gekochten Reis, abgesehen von den ihm seitens der Besucher zugesteckten Leckerbissen, in Gestalt von Weiß- und Schwarzbrot, Rüben, Obst und ähnlichen Dingen. Dasselbe Tier leert, je nach der Jahreszeit, täglich vier bis achtzehn mit Wasser gefüllte Stalleimer. – Paarweise zusammenlebende Elefanten begatten sich nicht selten, jedoch, soweit bisher beobachtet werden konnte, ohne Erfolg. Mancherlei Krankheiten und ebenso zufällige Unfälle raffen unsere Gefangenen oft plötzlich weg; ersteren stehen die Tierärzte meist ratlos gegenüber, letztere sind in den seltensten Fällen zu vermeiden. Mit gewöhnlichen Arzneigaben richtet man, wie folgendes Beispiel beweist, bei den kranken Riesen wenig aus. Einem Elefanten, der an Verstopfung litt, wurden im Laufe von zehn Tagen eingegeben: vier Pfund Aloë, ein Pfund fünf Unzen Kalomel, fünf Pfund Rizinusöl, zwölf Pfund Butter und fünf Pfund Leinöl, worauf endlich die erwünschte Wirkung eintrat.
Als Unfälle bezeichne ich z.B., wenn ein Elefant an einer von ihm selbst aufgenommenen Rübe erstickt, oder wenn ein Tierhändler, wie dies Hagenbeck erfahren mußte, drei junge Elefanten dadurch verliert, daß die Ratten ihnen die Fußsohlen bei lebendigem Leibe abgenagt haben.
Elefantenfleisch hat den Geschmack von Ochsenfleisch, ist aber viel zäher und grobfaseriger; Elefantenfett ist von graulichweißer Farbe, etwas grobkörnig und rauh und dabei so leicht gerinnbar, daß es schon bei 20 Grad Reaumur zu einer ziemlich festen Masse verdickt. So berichtet Heuglin, der ersteres frisch und im getrockneten Zustande genossen und schmackhaft gefunden hat. Das Stück eines Vorderfußes lieferte, nachdem es vierundzwanzig Stunden lang über dem Feuer gestanden hatte, wohlschmeckende Fleischbrühe in Menge und außerdem schmackhaftes Fleisch. Tennent rühmt die Zunge, Corse läßt dem in Asche gebratenen Rüssel Gerechtigkeit widerfahren. Die Neger schneiden alle Muskeln in lange Streifen, trocknen diese an der Sonne oder über dem Feuer und zerreiben sie vor der Verwendung zu einem groben Pulver, das ihren einfachen Gerichten beigemischt wird. Bei den Jagden, die die Niamniam anstellen, vernichtet man zuweilen so viele Elefanten, daß der Fleischbedarf mehrerer Dörfer auf Monate gedeckt ist. »Oft«, sagt Schweinfurth, »sah ich Leute, die ich mit einem großen Bündel Brennholz ihren Hütten zuzuschreiten glaubte: sie trugen ihren Anteil an Elefantenfleisch, das, in lange Striemen geschnitten und über dem Feuer gedörrt, ganz das Ansehen von Holz und Reisig angenommen hatte.«
Von dem Elfenbein, das wir gegenwärtig bei uns verarbeiten, stammt ein guter Teil aus Afrika, kaum weniger aus Sibirien, von den vorweltlichen Arten nämlich, und der geringste Teil endlich aus Indien. Die Negerländer im oberen Nilgebiete führen alljährlich eine bedeutende Menge des kostbaren und von Jahr zu Jahr im Preise steigenden Stoffes aus; eine der größten Handelsstädte des innern Afrikas, Chartum, die Hauptstadt Kordofâns, Obëid, und die Hafenstadt Massaua am Roten Meere sind zurzeit wichtige Stapelplätze für dieses, den höchsten Gewinn bringende Erzeugnis des inneren Afrika. In den achtziger Jahren hat sich auch Sansibar zum Stapelplatze für Elfenbein aufgeschwungen, und seitdem beginnt die Verfolgung des Elefanten seiner Zähne wegen längs der ganzen Westküste. Noch durchziehen zahlreiche Herden der stattlichen Tiere die Wälder Afrikas; aber mehr und mehr lichtet sie der verfolgende Mensch. Wie im Norden und Süden, steht ihnen auch in den Küstenländern des Ostens und Westens und selbst im Innern von Afrika das Schicksal bevor: ausgestrichen zu werden in der Liste der Lebendigen.
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Als die den Rüsseltieren zunächst stehende Unterordnung betrachten wir die Gruppe der Unpaarhufer ( Anisodactyla), zu der wir die beiden jetzt lebenden Familien der Tapire und Nashörner rechnen. Die Tapire ( Tapirina), verhältnismäßig kleine, plump gebaute Tiere, die zwischen den Elefanten und Schweinen ungefähr die Mitte zu halten scheinen, kennzeichnen sich durch noch immer wohlgebildeten Leib, mit verlängertem, schmächtigem Kopfe, schlankem Halse, kurzem, stummelhaftem Schwanze und mittelhohen, kräftigen Beinen. Die Oberlippe verlängert sich rüsselförmig und hängt weit über die Unterlippe herab. Die kräftigen Füße haben vorn vier, hinten drei Zehen. Das starke Fell liegt überall glatt auf. Die Behaarung ist kurz, aber dicht, bei den amerikanischen Arten von der Mitte des Hauptes an bis zum Widerrist mähnenartig verlängert. Das Gebiß besteht aus sechs Schneidezähnen und einem Eckzahn in jedem Kiefer, sieben Backenzähnen in der oberen und sechs in der unteren Kinnlade. Das Gerippe, das mit dem anderer Dickhäuter entschiedene Ähnlichkeit hat, zeichnet sich durch verhältnismäßig leichte Formen aus. Am Schädel überwiegt der lange, schmale Antlitzteil den sehr zusammengedrückten Hirnkasten beträchtlich. Endlich bekundet sich hinsichtlich der Tapire dasselbe Verhältnis, das wir fast regelmäßig beobachten können, wenn eine Familie in der Alten und in der Neuen Welt vertreten ist: die altweltlichen Arten sind edler gestaltete, falls man so sagen darf, vollkommenere Tiere als die in der Neuen Welt lebenden.
Der Schabrackentapir ( Tapirus indicus) zeichnet sich vor seinen Verwandten aus durch beträchtlichere Größe, den verhältnismäßig schlankeren Leibesbau und endlich durch die Färbung. Besonders wichtig für die Kennzeichnung des Tieres scheint mir der Bau des Rüssels zu sein. Während dieser bei den amerikanischen Tapiren sich deutlich von der Schnauze absetzt und röhrenförmig gerundet erscheint, geht die obere Schnauzenhälfte des Schabrackentapirs unmerklich in den Rüssel über, der einen ähnlichen Querschnitt hat wie der Elefantenrüssel, d.h. auf der Oberseite gerundet, auf der Unterseite hingegen gerade abgeschnitten ist. Außerdem zeigt dieser Rüssel viel deutlicher als der seiner amerikanischen Verwandten den fingerförmigen Fortsatz, – wiederum eine Andeutung an den Elefantenrüssel. Sehr bezeichnend ist die Färbung des höchst gleichmäßigen Haarkleides. Kopf, Hals und Vorderteil des Leibes bis hinter die Schulterblätter, nebst den Beinen, ein breiter Streifen, der längs der Brust- und Bauchmitte verläuft, die Hinterbeine, einschließlich der Oberschenkel, sowie endlich der Schwanz sind tief schwarz, alles übrige hingegen ist graulichweiß. Im Jahre 1820 trafen der erste Balg, ein Gerippe und verschiedene Eingeweide des bis dahin noch immer sehr wenig bekannten Geschöpfes in Europa ein. Seitdem haben wir manches vom Schabrackentapir erfahren, ohne uns jedoch rühmen zu können, über ihn vollständig unterrichtet zu sein.
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Eine kurze Nackenmähne und ein einfarbiges Haarkleid kennzeichnen den Tapir, in Brasilien Anta genannt ( Tapirus americanus). Er ist diejenige Art seiner Familie, mit der wir am frühesten bekannt wurden. Ein ziemlich gleichmäßiges Haarkleid, das sich nur von der Mitte des Oberkopfes längs des Nackens bis zu den Schultern steifmähnig, jedoch nicht bedeutend verlängert, bedeckt den Leib. Die Färbung desselben ist ein schwärzliches Graubraun, das an den Seiten des Kopfes, besonders aber am Halse und an der Brust, sich etwas lichtet. Verschiedene Abweichungen kommen vor: es gibt fahle, graue, gelbliche, bräunliche Spielarten. Nach Tschudis Messungen kann der Tapir bis 2 Meter Länge und 1,7 Meter Höhe erreichen. Auffallenderweise kommen diese Maße nicht dem männlichen, sondern dem weiblichen Tiere zu, das regelmäßig größer zu sein pflegt.
Nach den neueren Untersuchungen scheint sich das Vaterland des Tapirs auf den Süden und Osten Südamerikas zu beschränken und im Norden und Westen der Südhälfte sowie in der Mitte Amerikas durch ihm zwar innig verwandte, jedoch wohl unterschiedene Arten ersetzt zu werden, auf die wir nicht näher eingehen wollen.
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Alle Tapire halten sich im Walde auf und vermeiden ängstlich Blößen oder offene Stellen desselben. Sie sind es daher auch, die dem vordringenden Menschen am ersten weichen und sich vor ihm tiefer in die Wälder zurückziehen, während, wie Hensel von Südamerika sagt, die übrige Tierwelt der Wendekreise sich im Gegenteil nach den urbar gemachten Stellen des Waldes hindrängt. In den Dickichten der südamerikanischen Waldungen treten die Tapire regelmäßige Pfade aus, die sich von den Wegen der Indianer schwer unterscheiden lassen und den Ungeübten leicht verlocken, ihnen zu seinem Schaden zu folgen. Diese Wildbahnen benutzen die Tiere, solange sie nicht gestört werden; geängstigt dagegen brechen sie ohne irgendwie bemerkliche Anstrengung durch das verschlungenste Dickicht.
Die Tapire sind Dämmerungstiere. »Wir haben«, sagt Tschudi, »monatelang die dichten Urwälder, in denen Scharen von Tapiren leben, durchstrichen, ohne je einen im Laufe des Tages zu sehen. Sie scheinen sich dann nur im dichten Gebüsch, an den kühlen, schattigen Plätzen aufzuhalten, am liebsten in der Nähe von stehendem Wasser, in dem sie sich gern wälzen.« In gänzlich ungestörten und sehr dunkeln Wäldern hingegen streifen sie, wie Prinz von Wied versichert, auch bei Tage umher, und diese Angabe findet Unterstützung in der Beobachtung des Betragens der Gefangenen, die ebenfalls nicht selten in den Tagesstunden sich erheben und eine Zeitlang in ihrem Gehege umherlaufen. Im Sonnenscheine freilich bewegen sie sich höchst ungern, und während der eigentlichen Mittagsstunden suchen sie stets im Schatten des Dickichts Schutz gegen die erschlaffende Hitze und noch mehr gegen die sie im hohen Grade peinigenden Mücken. Gegen Abend gehen die Tapire ihrer Nahrung nach, und wahrscheinlich sind sie während der Nacht fortwährend in Bewegung. Sie bekunden in ihrer Lebensweise Ähnlichkeit mit unserem Wildschwein, halten sich jedoch nicht in so starken Rudeln wie dieses, sondern leben, nach Art des Nashorns, mehr einzeln. Namentlich die Männchen sollen ein einsiedlerisches Leben führen und sich bloß zur Paarungszeit zu dem Weibchen gesellen. Familien trifft man höchst selten an, und Gesellschaften von mehr als drei Stück sind bis jetzt nur da beobachtet worden, wo eine besonders gute, fette Weide zufällig verschiedene Tapire vereinigt hat. Doch bemerkt Tschudi, daß sie haufenweise an die Ufer der Flüsse kommen, um hier zu trinken und sich zu baden.
In ihren Bewegungen erinnern die Tapire an die Schweine. Der Gang ist langsam und bedächtig: ein Bein wird gemächlich vor das andere gesetzt, der Kopf dabei zur Erde herabgebogen, und nur der beständig sich hin- und herdrehende, schnüffelnde Rüssel sowie die fortwährend spielenden Ohren beleben die sonst äußerst träge erscheinende Gestalt. So geht der Tapir ruhig seines Weges dahin. Der geringste Verdacht aber macht ihn stutzen, Rüssel und Ohren drehen und bewegen sich kurze Zeit fieberisch schnell, und plötzlich fällt das Tier in eilige Flucht. Es beugt den Kopf tief zur Erde herab und stürzt in gerader Richtung blindlings vorwärts, durch das Dickicht ebenso rasch wie durch Sumpf oder Wasser. »Begegnet man«, sagt der Prinz, »zufällig einem solchen Tiere im Walde, so pflegt es heftig zu erschrecken und schnell mit großem Geräusche zu entfliehen. Auf kurze Entfernung ist es ziemlich flüchtig; doch kann es einem raschen Hunde nicht entgehen und pflegt sich bald vor diesem zu stellen.« Der Tapir ist ein vortrefflicher Schwimmer und ein noch vorzüglicherer Taucher, der ohne Besinnen über die breitesten Flüsse setzt, solches auch nicht allein auf der Flucht, sondern bei jeder Gelegenheit tut. Wahrscheinlich läuft der Tapir, wie das Flußpferd, auch längere Zeit auf dem Grunde der Gewässer hin; wenigstens beobachtete man dies an dem gefangenen Schabrackentapir zu Barakpur, den man oft in dieser Weise sein Wasserbecken durchschreiten sah, während er hier niemals wirklich schwamm.
Unter den Sinnen des Tapirs stehen Geruch und Gehör entschieden obenan und wahrscheinlich auf gleicher Stufe; das Gesicht hingegen ist schwach. Über den Geschmack ist schwer ein Urteil zu fällen; doch habe ich an Gefangenen beobachtet, daß sie zwischen den Nahrungsmitteln sehr scharf zu unterscheiden wissen und besondere Leckerbissen wohl zu würdigen verstehen. Das Gefühl bekundet sich als Tastsinn und als Empfindung. Der Rüssel ist ein sehr feines Tastwerkzeug und findet als solches vielfache Verwendung. Gefühl beweist der Tapir nicht bloß durch seine Furcht vor den Sonnenstrahlen und Mücken, sondern auch durch Kundgeben einer ersichtlichen Behaglichkeit, wenn seine Dickhaut an irgendeiner Stelle des Leibes gekraut wird. Meine Gefangenen legten sich, wenn sie gebürstet oder abgerieben wurden, sofort nieder und zeigten sich dabei willig wie ein Kind, ließen sich nach allen Seiten hin drehen und wenden, ja auch zum Aufstehen bringen, je nachdem man die Bürste an dieser oder jener Stelle des Leibes in Anwendung brachte.
Alle Tapire scheinen gutmütige, furchtsame und friedliche Gesellen zu sein, die nur im höchsten Notfall von ihren Waffen Gebrauch machen. Sie fliehen vor jedem Feinde, auch vor dem kleinsten Hunde, am ängstlichsten aber vor dem Menschen, dessen Übermacht sie wohl erkannt haben. Dies geht schon daraus hervor, daß sie in der Nähe von Pflanzungen viel vorsichtiger und scheuer sind als im unbetretenen Walde. Doch erleidet diese Regel Ausnahmen. Unter Umständen stellen sie sich zur Wehr und sind dann immerhin beachtenswerte Gegner. Sie stürzen sich blindwütend auf ihren Feind, versuchen ihn umzurennen und gebrauchen auch wohl die Zähne nach Art unserer Bache. In dieser Weise verteidigen die Mütter ihre Jungen, wenn sie diese vom Jäger bedroht sehen. Sie setzen sich dann ohne Bedenken jeder Gefahr aus und achten keine Verwundung. Im übrigen ist die geistige Begabung der Tapire freilich gering, obwohl die Tiere auf den ersten Anblick hin noch viel stumpfsinniger erscheinen, als sie wirklich sind. Wer längere Zeit gefangene Tapire behandelt hat, erkennt, daß sie immer noch hoch über Nashorn und Nilpferd und ungefähr mit dem Schwein auf gleicher Höhe stehen. Die von mir gepflegten Gefangenen waren höchst gutmütige Geschöpfe. Sie waren ganz zahm, friedlich gesinnt gegen jedes Tier, höchst verträglich unter sich und ihren Bekannten zugetan. Wenn ich zu ihnen ging, kamen sie herbei und beschnupperten mir Gesicht und Hände, wobei sie die wunderbare Beweglichkeit ihres Rüssels betätigten. Andere Tiere, die zufällig in ihre Nähe kamen, wurden neugierig dumm längere Zeit beschnüffelt. Die Anta hatte mit einem neben ihm stehenden Wasserschwein sogar innige Freundschaft geschlossen und leckte es zuweilen minutenlang äußerst zärtlich. Beider Trägheit ist sehr groß; sie schlafen viel, zumal an heißen Sommertagen, und ruhen auch des Nachts mehrere Stunden. Am lebendigsten sind sie gegen Sonnenuntergang; dann können sie zuweilen ausgelassen lustig sein, in dem ihnen gewährten Raume auf- und niederjagen und sich mit Wollust im Wasser umhertummeln. In letzterem pflegen sie auch, solange sie sich frei bewegen können, ihre Losung abzusetzen. Ihre Stimme lassen sie nur höchst selten vernehmen; manchmal schweigen sie monatelang. Auf den Ruf folgen sie nicht, überhaupt tun sie nur das, was ihnen eben behagt, und es kostet sie immer eine gewisse Überwindung, bevor sie sich aus ihrer Trägheit aufraffen. Bei geeigneter Pflege halten Tapire auch bei uns jahrelang in der Gefangenschaft aus. Ein warmer Stall ist ihnen Bedürfnis; namentlich im Winter muß man sie gegen die Unbill des Wetters bestmöglichst zu schützen suchen. In den meisten Fällen verenden sie an Lungenkrankheiten, die sie, wie alle Tiere der Wendekreisländer, in dem kalten Europa leicht heimzusuchen pflegen.
Die freilebenden Tapire nähren sich nur von Pflanzen und namentlich von Baumblättern. In Brasilien bevorzugen sie die jungen Palmenblätter; nicht selten aber fallen sie auch in die Pflanzungen ein und beweisen dann, daß ihnen Zuckerrohr, Mango, Melonen und andere Gemüse ebenfalls behagen. In den Kakaopflanzungen richten sie, wie Tschudi versichert, manchmal in einer Nacht durch Niedertreten der zarten Pflanzen und das Abfressen der jungen Blätter einen Schaden von vielen tausend Mark an. Im freien, großen Walde leben sie oft monatelang von den abgefallenen Baumfrüchten oder in den Brüchen von den saftigen Sumpf- und Wasserpflanzen. Besonders erpicht sind sie auf Salz; es ist ihnen, wie den Wiederkäuern, Bedürfnis. »In allen tiefliegenden Ländern Paraguays,« sagt Rengger, »wo das Erdreich schwefelsaures und salzsaures Natron enthält, findet man die Tapire in Menge. Sie belecken hier die mit Salz geschwängerte Erde.« Auch die Gefangenen zeigen eine große Vorliebe für Salz. Im übrigen nehmen diese alles an, was Schweine fressen, erkennen aber dankbar jede schmackhafte Gabe, die ihnen gereicht wird. Baumblätter und Früchte, Zwieback und Zucker gehören zu ihren besonderen Leckerbissen.
Die Brunst der freilebenden Tapire fällt in die Monate, die der Regenzeit vorausgehen. Etwa vier Monate später wirft das Weibchen ein kleines, niedliches Junges, das nach Art der Wildschweine gestreift ist. Beim Schabrackentapir ist das Jugendkleid schwarz, oben fahl, unten weiß gefleckt und gestreift, bei der Anta die Grundfarbe ein helles Grau, die Flecken und Streifenzeichnung aber in ähnlicher Weise darüber verbreitet. Vom vierten Monat an beginnt die Färbung sich zu ändern, und im sechsten Monat zeigen die Jungen die Färbung der Alten.
Alle Tapirarten werden von den Menschen eifrig verfolgt, weil man ihr Fleisch und Fell benutzt. Von amerikanischen Forschern erfahren wir, daß das Fell seiner Dicke und Stärke wegen geschätzt wird. Man gerbt es und schneidet meterlange, dicke Riemen aus ihm, die abgerundet, durch wiederholtes Einreiben mit heißem Fett geschmeidig gemacht und sodann zu Peitschen oder Zügeln verwendet werden. Die Ansiedler jagen den Tapir regelmäßig, entweder mit Hunden, die ihn aus dem Walde ins Freie und den Reitern zutreiben, oder indem sie in der Nähe seiner Wechsel auf ihn anstehen, oder endlich, indem sie ihn im Wasser verfolgen. Hierüber gibt Prinz von Wied Auskunft. »Die Brasilianer«, sagt er, »betreiben die Jagd des Tapirs so unzweckmäßig als möglich. Um ein so großes Tier zu erlegen, bedienen sie sich nicht der Kugeln, sondern schießen es mit Schrot, gewöhnlich, wenn sie es schwimmend in den Flüssen am frühen Morgen oder gegen Abend überraschen. Der Tapir sucht durch dieses Mittel seinen Verfolgern im Wasser zu entrinnen. Allein die Brasilianer rudern mit ihren Booten äußerst schnell heran und pflegen das Tier einzuschließen. Dieses taucht dann sehr geschickt und häufig unter, selbst unter den Booten hindurch, bleibt lange unter Wasser und kommt bloß zuweilen mit dem Kopfe an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen. Dann zielen sogleich alle Rohre nach diesem Teil, besonders nach der Ohrgegend, und ein Tapir erhält auf diese Art zwölf bis zwanzig Schüsse, bevor er getötet wird. Häufig entkommt er dennoch, wenn nicht ein Jagdhund bei der Hand ist. Mit einer Kugel würde man das ermüdete Tier in einer kleinen Entfernung sehr sicher erlegen können; allein die Brasilianer bedienen sich niemals dieses Geschosses, weil sie im vorkommenden Fall mit ihren groben, schweren Schroten ebensowohl einen Tapir als ein Wildhuhn erlegen können.«
Schlimmere Feinde noch, als die Menschen es sind, mögen die Tapire in den großen Katzen haben, die mit ihnen dieselbe Heimat bewohnen. Daß die amerikanischen Arten vom Jaguar hart verfolgt werden, versichern alle Reisenden; das gleiche wird wohl vom Schabrackentapir hinsichtlich des Tigers anzunehmen sein. Es wird erzählt, daß der Tapir, wenn der Jaguar ihm auf den Nacken springe, so eiligst als möglich in das verschlungenste Dickicht sich stürze, um den bösen Feind von sich abzustreifen, und daß er, da seine Haut die Krallen des Raubtieres kaum durchdringen lasse, oft auch glücklich davonkäme. Die Angabe dürfte nicht so unglaublich sein, als sie scheint; Schomburgk versichert wenigstens, daß er viele Tapire erlegt habe, die bedeutende, von ihrem Zusammentreffen mit den Katzen herrührende Narben an sich trugen.
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Die Nashörner ( Nasicornia) sind plump gebaute, ungeschlachte Dickhäuter von ziemlich bedeutender Größe, ausgezeichnet durch auffallend gestreckten Kopf, dessen vorderer Gesichtsteil ein Horn oder zwei hintereinanderstehende Hörner trägt, kurzen Hals, kräftigen, in eine panzerartige Haut gehüllten, fast gänzlich oder größtenteils unbehaarten Leib, kurzen Schwanz und kurze, stämmige, jedoch keineswegs plumpe Beine, deren Füße vorn wie hinten drei mit Hufen umkleidete Zehen haben. Jeder einzelne Leibesteil erscheint, auch wenn man ihn mit dem entsprechenden anderer Dickhäuter vergleicht, eigentümlich und absonderlich. Der Kopf ist schmal und sehr gestreckt, zumal der Antlitzteil ungewöhnlich verlängert und vorgezogen, der Schädelteil dagegen von vorn nach hinten stark zusammengedrückt, so daß die Stirn ungemein steil abfällt und zwischen ihr und dem merklich erhöhten Nasenteil ein in der Mitte tief eingebuchteter, seitlich scharf gewölbter Sattel entsteht; der Winkel des Unterkiefers deutlich hervortretend, dieser im übrigen mit mehr oder minder starker Wölbung gegen das Maul zu aufwärtssteigend; das Maul unverhältnismäßig klein, die Oberlippe in ihrer Mitte in Gestalt eines finger- oder rüsselartigen Fortsatzes vorgezogen, die Unterlippe gerundet oder vorn gerade abgeschnitten; das länglich eiförmige, hinten spaltartige Nasenloch fast wagerecht gestellt und von dem andern durch einen weiten Zwischenraum getrennt; das Auge auffallend klein, sein länglichrunder Stern quergestellt, sein oberes Lid dicht, aber kurz bewimpert: das nicht ungewöhnlich gestaltete Ohr eher groß als klein, sein äußerer Rand gerundet, sein innerer Rand bis zur Hälfte der Länge umgestülpt. Der kurze, stets faltige Hals übertrifft den Kopf an Dicke und geht ohne merklichen Absatz in den massigen Leib über, der sich ebenso durch die schneidige, in der Mitte eingesenkte Rückenfirste und den allseitig gerundeten und hängenden Bauch wie dadurch auszeichnet, daß der Widerrist das Kreuz an Höhe um etwas überragt; der kurze Schwanz ist entweder gegen die Spitze hin seitlich stark zusammengedrückt und dann bis zu seinem Ende beinahe gleich breit oder gestreckt kegelförmig. Die Beine, die sehr starke und breite Schultern und Oberschenkel, aber ziemlich schmächtige Oberarme und Unterschenkel sowie noch mehr verdünnte Hand- und Fußwurzeln haben, krümmen sich wie bei einem Dachshunde von außen nach innen und strecken sich erst von der Handwurzel oder Ferse an senkrecht nach unten; die Füße verbreitern sich vorn wie hinten gleichmäßig zu dem Fußballen, dessen Sohlenfläche rundlich eiförmig ist; unter den nicht unzierlichen Hufen ist der mittlere etwa doppelt so breit als die beiden seitlichen. Die stets sehr dicke, bei den meisten Arten panzerartige Haut schließt sich dem Leibe entweder bis auf wenige und nicht stark hervortretende Falten an oder zerfällt in mehrere durch tiefe Falten bestimmt getrennte Schilder, die einzig und allein durch jene Falten eine gewisse Beweglichkeit erlangen, indem sie sich an den mit dünnerer und schmiegsamerer Haut ausgekleideten Faltenfurchen übereinander wegschieben lassen. Tiefe Runzeln umgeben Auge und Maul und ermöglichen das Öffnen oder Schließen der Lider und eine unerwartete Schmiegsamkeit der obschon fast hornigen, doch sehr beweglichen Lippen. Netzartige Riefen durchkreuzen sich auf der Haut, begaben sie mit einer bemerkbaren Zeichnung und buckelartigen Erhebungen von sehr regelmäßiger Gestalt und verleihen ihr, zumal den Schildern, einen ebenso absonderlichen wie gefälligen Schmuck. Die Behaarung beschränkt sich auf eine mehr oder weniger lange Umsäumung der Ohren und der breitgedrückten Schwanzspitze, sowie bei einzelnen Arten auf einige Stellen des Rückens, woselbst dann spärlich dicke und kurze Borsten stehen. Die Hörner, Gebilde der Oberhaut, bestehen aus gleichlaufenden, äußerst seinen, runden oder kantigen, innen hohlen Fasern von Hornmasse und ruhen mit ihrer breiten, rundlichen Wurzelfläche auf der dicken Haut, die den vorderen Teil des Gesichts bekleidet. Nicht selten, obschon immer nur bei einzelnen Stücken, zeigt die Oberhaut an verschiedenen Stellen, zumeist aber am Kopfe, hornartige, bis zu mehreren Zentimetern sich erhebende Wucherungen.
Plumpe und kräftige Formen kennzeichnen auch das Gerippe. Der Schädel erscheint sehr lang und viel niedriger als bei den übrigen Dickhäutern; die Stirnbeine nehmen den vierten oder dritten Teil der Schädellänge ein und verbinden sich unmittelbar mit den breiten und starken Nasenbeinen, die die Nasenhöhle überwölben oder von einer mittleren Scheidewand noch gestützt werden. Da, wo das Horn ruht, ist dieser Knochen uneben, rauh, höckerig und wird dies um so mehr, je größer die Hörner sind. Der Zwischenkiefer ist bloß bei den Arten, die bleibende Schneidezähne haben, ansehnlich; bei jenen dagegen, die diese Zähne in frühester Jugend verlieren, verkümmert. Die Wirbelsäule wird von starken, mit langen Dornen besetzten Wirbelkörpern gebildet; achtzehn bis zwanzig von ihnen tragen stark gekrümmte, dicke und breite Rippen; das Zwerchfell setzt sich aber schon am vierzehnten bis siebzehnten Wirbel an. Bereits in früher Jugend verwachsen die fünf Wirbel, die das Kreuzbein bilden, zu einem Ganzen. Der Schwanz besteht aus zweiundzwanzig bis dreiundzwanzig Wirbeln. An allen übrigen Knochen ist ihre Stärke und Plumpheit das auffallendste. Dem Gebiß fehlen regelmäßig die Eckzähne und gewöhnlich auch die vier Schneidezähne in beiden Kiefern; letztere sind in der Jugend zwar vorhanden, fallen aber so bald aus, daß man sie nur bei sehr jungen Stücken wahrnimmt. Das übrige Gebiß besteht aus sieben Backenzähnen in jedem Kiefer, von denen jeder einzelne aus mehreren Hügeln und Pfeilern zusammengeschmolzen zu sein scheint und deren Kauflächen sich mit der Zeit so abnutzen, daß verschiedenartige Zeichnungen entstehen.
Auch die Weichteile verdienen mit einigen Worten beschrieben zu werden. Die Haut der Oberlippe ist sehr dünn, gefäß- und nervenreich, die Zunge groß und empfindlich. Die Speiseröhre hat eine Weite von 8 Zentimeter und eine Länge von 1,6 Meter; der Magen ist einfach länglich, im Längsdurchmesser 1,3 Meter und im größten Querdurchmesser 60 Zentimeter; die kleinen Gedärme messen 15 bis 18 Meter; der Blinddarm ist 1 Meter, der Dickdarm 6 bis 8 Meter, der Mastdarm 1 bis 1,6 Meter lang. Unter den Sinneswerkzeugen fallen die Augen durch ihre geringe Größe auf.
Die Nashörner, die gegenwärtig Südasien, die Sundainseln und alle Gleicherländer Afrikas bewohnen und deren Verbreitung insofern bemerkenswert ist, als in Asien das Festland sowohl wie jede einzelne der drei großen Sundainseln bestimmte, wohl unterschiedene Arten beherbergt, wogegen in Afrika wahrscheinlich nur zwei Arten leben, waren in der Vorzeit weiter verbreitet und kamen ebenso im südlichen Deutschland, in Frankreich und England wie in Rußland und Sibirien vor. Unter den bis jetzt bekanntgewordenen ausgestorbenen Arten verdient namentlich eine der Erwähnung: das zweihörnige Vorweltsnashorn mit knöcherner Nasenscheidewand ( Rinoceros trichorhinus) nämlich, weil es nicht bloß in einzelnen Knochen, sondern mit Haut und Haaren bis auf unsere Tage gekommen ist. Im nördlichen Asien vom Don an bis zur Behringstraße gibt es keinen Fluß im ebenen Lande, an dessen Ufer nicht Knochen von vorweltlichen Tieren, namentlich solcher von Elefanten, Büffeln und Nashörnern, gefunden würden; auch habe ich schon erwähnt, daß man hier alljährlich beim Auftauen Massen von vorweltlichem Elfenbein gewinnt und damit einen sehr bedeutenden Handel treibt. »Als ich«, so berichtet Pallas, »im März 1772 nach Jakutzk kam, zeigte mir der Statthalter des östlichen Sibirien den Vorder- und Hinterfuß eines Nashorns, der noch mit Haut überzogen war. Das Tier wurde im sandigen Ufer eines Flusses gefunden. Den Rumpf und die Füße ließ man liegen.« Nun bemühte sich Pallas, mehr zu erfahren, und brachte zunächst den Kopf und den Fuß nach Petersburg. Später hat Brandt die Reste untersucht, und so erfahren wir, daß dieses vorweltliche Nashorn, das während der Schwemmzeit das mittlere und nördliche Europa und den Norden Asiens bewohnte, neben dem Mammut einer der gemeinsten Dickhäuter unseres Weltteils war. Außer in Sibirien fand man seine Knochen auch noch in Rußland, Polen, Deutschland, England und Frankreich, und zwar an manchen Orten in erstaunlicher Menge. Das hauptsächlichste Artkennzeichen dieses Tieres besteht darin, daß die bei allen andern Nashörnern knorpelige Nasenscheidewand bei ihm verknöchert ist, wahrscheinlich bedingt durch die auffallende Verlängerung der Nasenbeine. Ebenso weicht das Tier hinsichtlich seines Kleides von den andern Nashörnern ab. Die getrocknete Haut hat eine schmutzig-gelbliche Farbe und keine Falten, ist aber dick, an den Lippen gekörnelt und überall mit netzförmigen, rundlichen Poren dicht besetzt. Die Haare, straffe Grannen und weiches Wollhaar, stehen in den Poren büschelförmig beisammen; im übrigen ähnelt das Tier den jetzt lebenden außerordentlich.
Die Alten haben das Nashorn sehr wohl gekannt. Auf den altägyptischen Denkmälern kommt es, laut Dümichen, als erklärendes Bild hinter dem Worte »Ab« vor. »Die Zeichnung stellt außer Zweifel, daß nur dieses Tier dort gemeint sein kann, und führte es wohl wegen seiner an die Stoßzähne erinnernden, ebenfalls nach oben gebogenen Hörner bei den alten Ägyptern denselben Namen wie der Elefant.« Für mich steht fest, daß es das Einhorn der Bibel ist, von dem Hiob sagt: »Meinest du, das Einhorn werde dir dienen und werde bleiben an deiner Krippe? Kannst du ihm dein Joch anknüpfen, die Furchen zu machen, daß es hinter dir brache in Gründen? Magst du dich darauf verlassen, da es so stark ist, und wirst es dir lassen arbeiten? Magst du ihm trauen, daß es deinen Samen dir wiederbringe und in deine Scheunen sammle?« Der Urtext nennt dieses Tier Rêm und schreibt ihm bald ein Horn, bald zwei Hörner zu. Die Römer, die das einhörnige ebensowohl wie das doppelhörnige kannten, ließen beide auf ihren Kampfplätzen arbeiten. Nach Plinius brachte Pompejus neben dem Luchs aus Gallien und dem Pavian aus Äthiopien das erste einhörnige Nashorn im Jahre 61 v. Chr. zu den Spielen nach Rom. »Das Nashorn«, erzählt Plinius, »ist der geborene Feind des Elefanten. Es wetzt das Horn an einem Steine und zielt im Kampfe vorzüglich nach dem Bauche, wohl wissend, daß er weicher ist, und so erlegt es den Elefanten.« Dem fügt er hinzu, daß man schon bei Meroe Nashörner finde, und dies ist ganz richtig; denn dort gibt es deren heutzutage noch. »In der Stadt Aduleton, dem größten Handelsplatze der Troglodyten und Äthyopier, fünf Tagereisen zu Schiffe von Ptolemais, werden Elfenbein, Hörner des Nashorns, Leder vom Flußpferde und andere derartige Handelsgegenstände verkauft.« Der erste, der von diesen Tieren spricht, ist Agatharchides; auf ihn folgt Strabo, der in Alexandrien ein Nashorn gesehen hat. Pausanias führt es unter dem Namen »äthiopischer Ochse« auf. Martial besingt beide Arten:
»Auf dem geräumigen Plan, o Cäsar, führet das Nashorn
Solcherlei Kämpfe dir aus, als es sie nimmer verhieß.
Wie in erbittertem Rasen erglühete stürmend das Untier!
Wie gewaltig durchs Horn, welchem ein Ball war der Stier!«
sagt er von dem einhörnigen und
»Während bekümmerte Hetzer zum Kampfe aufreizten das Nashorn
Und lange sammelnd den Zorn dieses gewaltigen Tieres,
Schwindet dem Volke die Hoffnung des Kampfes vor großer Erwartung,
Aber dem Untier kehrt wieder die eigene Wut;
Denn es erhebt mit doppeltem Horn den gewaltigen Bären,
Leicht, wie die Doggen der Stier wirft zu den Sternen empor.«
von dem zweihörnigen.
Die arabischen Schriftsteller sprechen schon sehr frühzeitig von beiden Arten und unterscheiden die indischen und afrikanischen; in ihren Märchen kommen sie nicht selten als zauberhafte Wesen vor. Marco Polo, der bekannte und für die Tierkunde so wichtige Schriftsteller, ist der erste, der nach langer Zeit, während man nichts von Nashörnern vernimmt, das Stillschweigen bricht. Er hat es auf seiner Reise im dreizehnten Jahrhundert in Indien, und zwar auf Sumatra, wiedergesehen. »Sie haben dort«, sagt er, »viel Elefanten und ›Löwenhörner‹, die zwar gleiche Füße haben, aber viel kleiner sind als jene und in der Behaarung dem Büffel ähneln. Sie tragen ein Horn mitten auf der Stirn, tun damit aber niemandem etwas. Wenn sie jemanden angreifen wollen, werfen sie ihn vielmehr mit den Knien nieder und stoßen dann mit der Zunge, die mit einigen langen Stacheln besetzt ist, auf ihn los. Ihren Kopf, der dem des Wildschweins ähnelt, tragen sie immer gegen die Erde gekehrt. Sie halten sich gern im Schlamme auf und sind überhaupt rohes, garstiges Vieh.« Im Jahre 1513 erhielt Emanuel von Portugal aus Ostindien ein lebendes Nashorn. Sein Ruf erfüllte alle Länder. Albrecht Dürer gab einen Holzschnitt (vgl. Abbildung) heraus, den er nach einer schlechten, ihm aus Lissabon zugekommenen Abbildung angefertigt hatte. Derselbe stellt ein Tier dar, das aussieht, als ob es mit Schabracken bekleidet wäre und Panzerschuppen an den Füßen trage, zeigt auch ein kleines Horn auf der Schulter. Fast zweihundert Jahre lang war jener Holzschnitt des berühmten Meisters das einzige Bild, das man von dem Nashorn besaß; kein Wunder daher, daß auch der alte Geßner es verwendete. Erst Chardin, der in Ispahan ein Nashorn sah, hat zu Anfang des vorigen Jahrhunderts eine bessere Abbildung gegeben. Die Lebensschilderung hatte Bontius um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts berichtigt. Von nun an beschreiben alle naturkundigen Reisenden die eine und andere Art, mit besonderer Ausführlichkeit aber die südafrikanischen Nashörner, so daß es gegenwärtig leichter ist, ein allgemeines Lebensbild der Tiere zu entwerfen, als die verschiedenen Arten selbst zu kennzeichnen.
Im großen und ganzen ähneln sich alle Nashörner in ihrer Lebensweise, in ihrem Wesen, in ihren Eigenschaften, Bewegungen und in ihrer Nahrung; doch scheint immerhin jede Art ihre Eigentümlichkeiten zu haben. Unter den asiatischen Arten zum Beispiel gilt das indische Nashorn ( R. unicornis) als ein außerordentlich bösartiges Geschöpf; das Waranashorn ( R. sondaicus) wird schon als viel gutmütiger und das auf Sumatra lebende, gewöhnlich Badak ( R. sumatranus) genannte Tier, als harmlos geschildert. Ähnlich verhält es sich mit dem afrikanischen. Das Doppelnashorn ( R. bicornis) wird trotz seiner geringen Größe als das wütendste aller afrikanischen Tiere, das Stumpfnashorn ( R. simus) dagegen als ein wirklich harmloses Wesen bezeichnet. Etwas Wahres wird wohl an dieser Auffassung, die volle Wahrheit aber die sein, daß jedes Nashorn beim ersten Zusammentreffen mit dem Menschen, und solange es nicht gereizt wurde, als gutmütig, durch böse Erfahrungen gewitzigt oder erzürnt, aber als bösartig sich erweist. Im allgemeinen werden die riesenhaften Dickhäuter überall mehr gefürchtet als der Elefant. Die Araber des Sudan sind geneigt, in ihnen, wie im Nilpferde, Zaubergestalten zu erblicken; sie glauben, daß irgendein böswilliger Hexenkünstler die Gestalt dieser Tiere annehmen könne, und versuchen ihre Ansicht damit zu begründen, daß Nashörner wie Nilpferde in ihrer blinden Wut keine Grenzen kennen. »Der Elefant«, so sagen sie, »ist ein gerechtes Tier, das das Wort des Gottgesandten Mohammed (über dem der Friede des Allbarmherzigen sei) in Ehren hält und Schutzbriefe und andere erlaubte Mittel der Abwehr wohl achtet; Nilpferde und Nashörner aber kümmern sich nicht im geringsten um alle Amulette, die unsere Geistlichen schreiben, um die Felder zu bewahren, und beweisen hierdurch, daß ihnen das Wort des Wahrheitsprechenden und Allmächtigen vollkommen gleichgültig ist. Sie sind verbannt und verworfen vom Anfang an. Nicht der Herr, der Allerschaffende, hat sie geschaffen, sondern der Teufel, der Allverderbende, und deshalb ist es den Gläubigen nicht geraten, mit derartigen Wesen sich einzulassen, wie wohl die Heiden und christlichen Ungläubigen zu tun pflegen. Der Muselman gehe ihnen ruhig und still aus dem Wege, damit er seine Seele nicht beschmutze oder Schaden an ihr nehme und verworfen werde am Tage des Herrn.«
Ein möglichst wasserreiches Gebiet: Sumpfgegenden, Flüsse, die auf weithin ihr Bett überfluten, Seen mit umbuschten, schlammigen Ufern, in deren Nähe sich grasreiche Weideplätze befinden, Waldungen mit Bächen und ähnliche Örtlichkeiten bilden die bevorzugten Aufenthaltsorte der Nashörner. So massigen und wohlgepanzerten Tieren gegenüber eröffnet selbst das verschlungenste Dickicht sein andern Geschöpfen unnahbares Innere, erweisen sich auch die furchtbarsten Dornen machtlos. Daher begegnen wir fast sämtlichen Arten in besonderer Häufigkeit in Wäldern, und zwar vom Meeresstrande an bis zu dreitausend Meter unbedingter Höhe empor, einzelnen von ihnen in der Höhe noch regelmäßiger und häufiger als in der Tiefe. So findet sich zum Beispiel, laut Junghuhn, das Waranashorn auch in den in unserm Werke bereits wiederholt erwähnten Allangallang-Wildnissen, die vom Seestrande an Ebenen und Berge Javas bis zu dreitausend Meter Meereshöhe bedecken, weit regelmäßiger und zahlreicher aber in den höher gelegenen Urwäldern, in denen viele kleine grasumbuschte Seen, Sümpfe und Wasserbecken zerstreut liegen; es ersteigt sogar die höchsten Berge der Insel und nimmt über Gipfel von dreitausend Meter unbedingter Höhe seinen Pfad. Auch das Doppelnashorn, ein Bewohner der von den dornigsten Mimosen gebildeten Dickichte Innerafrikas, der diese ihm Sicherheit und Ruhe gewährenden Plätze nur verläßt, um in der freieren Steppe zu werden, wird, wie Heuglin mitteilt, in Westabessinien nicht allzuselten noch in Höhen von dritthalbtausend Meter über dem Meere angetroffen. Entsprechend der Bildung seiner Lippen, die ein Grasen nach Art der Rinder erleichtert, meidet dagegen das Stumpfnashorn den geschlossenen Wald und nimmt lieber in der offenen Steppe seinen Stand. Unbedingtes Erfordernis für die Wahl des Aufenthaltsortes unserer Tiere ist Wasser. Täglich einmal besucht wohl jedes Nashorn ein Gewässer, um hier zu trinken und sich im Schlamme zu wälzen. Ein Schlammbad ist allen auf dem Lande lebenden Dickhäutern geradezu Bedürfnis; denn so sehr auch ihr Fell ihren Namen betätigt, so empfindlich zeigt es sich. Zumal im Sommer peinigen Fliegen, Bremsen und Mücken alle größeren Säugetiere in wirklich unglaublicher Weise, und nur durch Auflegen einer dicken Schlammlage verschaffen sich diese einigermaßen Schutz und Frieden. Ehe sie noch auf Nahrung ausgehen, eilen die Nashörner zu den weichen Ufern der Seen, Lachen und Flüsse, wühlen mit dem Hörne ein Loch und wälzen und drehen sich in diesem, bis Rücken und Schultern, Seiten und Unterleib mit Schlamm bedeckt sind. Das Wälzen im Schlamme tut ihnen so wohl, daß sie dabei laut knurren und grunzen und sich von dem behaglichen Bade sogar hinreißen lassen, die ihnen sonst eigene Wachsamkeit zu vernachlässigen. Gegen die bösen Fliegen und Mücken schützt die Schlammdecke jedoch immer nur kurze Zeit, weil sie zunächst an den Beinen, dann auf den Schultern und an den Schenkeln abspringt und diese Teile nun den Stichen der Fliegen bloßstellt, ohne daß sich das Nashorn dagegen zu schützen vermöchte. Gepeinigt von seinen Quälgeistern, rennt es, seiner Trägheit vergessend, eilig den Bäumen zu, um dort sich zu reiben und die Qual für einige Augenblicke zu verringern.
Die Nashörner sind mehr bei Nacht als bei Tage tätig. Große Hitze ist ihnen sehr zuwider; deshalb schlafen sie um diese Zeit an irgendeinem schattigen Orte, halb auf der Seite, halb auf dem Bauche liegend, den Kopf vorgestreckt und ebenfalls aufgelegt, oder stehen träge in einem stillen Teile des Waldes, wo sie durch Kronen größerer Bäume gegen die Sonnenstrahlen geschützt sind. Solche Schlafplätze scheinen in der Regel wieder aufgesucht zu werden, weil man auf ihnen fast immer ungewöhnlich große Düngerhaufen der Tiere selbst bemerken kann. Und da nun auch diese bestäubende, gegen die Fliegen schützende Decke benutzt wird und beim Wälzen zur Unterlage dient, gewinnt es den Anschein, als ob die Nashörner absichtlich ihre Losung an bestimmten Stellen abzusetzen suchten. Alle Berichterstatter stimmen darin überein, daß der Schlaf der Tiere ein sehr gesunder ist. Mehrere von ihnen konnten ruhenden Nashörnern ohne besondere Vorsicht sich nähern; diese glichen fühllosen Felsblöcken und rührten sich nicht. Gordon Cumming erzählt, daß selbst die besten Freunde des Nashorns, mehrere kleine Vögel nämlich, die stets mit ihm ziehen, vergeblich bemüht waren, ein Doppelnashorn, das er erlegen wollte, zu wecken, und bereits die ältesten Berichterstatter erwähnen, daß gerade während der Mittagshitze das sonst vorsichtige Geschöpf am meisten beschlichen und getötet würde. Gewöhnlich vernimmt man das dröhnende Schnarchen des schlafenden Nashorns auf eine gute Strecke hin und wird dadurch selbst dann aufmerksam gemacht, wenn man das versteckt liegende Tier nicht sieht. Doch kommt es auch vor, daß der Atem leise ein- und ausgeht und man plötzlich vor einem der Riesen steht, ohne von dessen Vorhandensein eine Ahnung gehabt zu haben. So berichtet Sparrmann, daß zwei seiner Hottentotten dicht an einem schlafenden Nashorn vorbeigingen und dieses erst bemerkten, als sie bereits einige Schritte vorüber waren. Sie drehten sich sofort herum, setzten ihm ihre Gewehre dicht auf den Kopf und schossen beide mit Kugeln geladenen Läufe ab. Das Tier bewegte sich noch: sie luden ruhig wieder und erlegten es durch die nächsten Schüsse.
Mit Anbruch der Nacht, in vielen Gegenden aber auch schon in den Nachmittagsstunden, erhebt sich das plumpe Geschöpf, nimmt ein Schlammbad, reckt und dehnt sich dort behaglich und geht nun auf Weide aus. An den Quellen und Lachen erscheint es, in Afrika wenigstens, am häufigsten zwischen der dritten und sechsten Stunde der Nacht, und immer verweilt es dann mehrere Stunden an diesen so beliebten Orten. Später gilt es ihm allerdings ziemlich gleich, wohin es sich wendet. Es äst ebensowohl in den dichten, andern Tieren kaum zugänglichen Wäldern wie auf offenen Ebenen, im Wasser nicht weniger als in dem Röhricht der Sümpfe, auf den Bergen ebensogut wie in dem Tale. Selbst durch das verschlungenste Dickicht bahnt es sich mit der größten Leichtigkeit einen Weg. Die Zweige und dünneren Stämme müssen der in Bewegung gesetzten Masse weichen oder werden von ihr niedergebrochen, und nur um größere Stämme zu umgehen, beschreibt es eine kleine Biegung. Wo es mit Elefanten zusammenlebt, nimmt es gewöhnlich deren Wege an; doch verursacht es ihm keine Schwierigkeit, selbst solche zu bahnen. In den Dschungeln Indiens sieht man von ihm herrührende lange, schnurgerade Wege, auf denen alle Pflanzen seitlich niedergebrochen sind, während der Boden niedergestampft ist; im Innern Afrikas gewahrt man ähnliche Gangstraßen, die man als solche des Nashorns erkennt, wenn die Bäume rechts und links niedergebrochen sind, wogegen die von Elefanten herrührenden sich dadurch auszeichnen, daß die niederen hindernden Stämme ausgerissen, entlaubt und dann auf die Seite geworfen wurden. Nicht selten findet man in den indischen Gebirgsgegenden wohl ausgetretene Wege, die über felsige oder steinige Abhänge von einem Walde zum andern führen und durch das beständige Traben auf der gleichen Stelle förmlich in das Gestein eingegraben wurden, so daß schließlich tiefe Hohlwege entstehen. »Auf Java«, schreibt mir Haßkarl, »fand ich solche Wege noch auf Höhen von dreitausend Metern über dem Meere, ebenso wie in den feuchten Niederungen der Südküsten der Insel. Unter allen Umständen kann man, diesen Wegen folgend, mit Sicherheit darauf rechnen, schließlich zu einer Quelle oder Wasserlache zu gelangen. Hier und da ist ein Baumstamm quer über den oft mehr als einen halben Meter tief ausgetretenen Weg gestürzt, so daß das Nashorn nur mit Mühe darunter weglaufen kann; gleichwohl nimmt es nach wie vor den altgewohnten Wechsel an, denn man findet den unteren Teil des Stammes abgerieben, ja förmlich Poliert.« Auch Heuglin hebt hervor, daß das Doppelnashorn regelmäßig seinen Wechsel einhält, nicht wie der Elefant ein umherschweifendes Leben führt, vielmehr seine Standorte nur selten, höchstens durch die Dürre gezwungen, verändert, und Mohr erzählt, ebenso wie Junghuhn und Haßkarl, von breit ausgetretenen Wegen der letztgenannten Art, die auf den steilen Höhenzügen und Bergen südlich vom Sambesi, selbst auf den schroffsten Kuppen und Gipfeln zu bemerken waren und zuweilen als Fußpfade benutzt werden konnten. Ein Begehen dieser Gangstraßen ist immer gefährlich, laut Haßkarl, selbst auf Java, wo man das im ganzen durchaus friedliche Waranashorn keineswegs fürchtet und sich gleichwohl sehr in acht nimmt, ihm im dichten Walde, der kein Ausweichen gestattet, unbewaffnet auf derartigen Pfaden entgegenzutreten.
Hinsichtlich seiner Nahrung steht das Nashorn zum Elefanten in einem ähnlichen Verhältnis wie der Esel zum Pferde. Am liebsten frißt es Baumzweige und harte Stauden aller Art, Disteln, Ginster, Sträucher, Schilfarten, Steppengras und dergleichen. In Afrika besteht seine Hauptnahrung aus den dornigen Mimosen, zumal aus den niederen, buschigen, deren eine Art ihrer krummen, sich an alles anhakenden Dornen halber von den Jägern so bezeichnend »Wart ein bißchen« genannt wird. Während der Regenzeit verläßt es die Wälder und zieht sich da, wo Feldbau in der Nähe seines Aufenthaltes betrieben wird, nach dem angebauten Lande. Hier richtet es gewöhnlich unglaubliche Verwüstungen an; denn ehe der Magen von 1,5 Meter Länge und 75 Zentimeter Querdurchmesser gefüllt werden kann, muß eine bedeutende Menge von Kraut vernichtet sein. Bei den in der Gefangenschaft lebenden Nashörnern hat man die tägliche Nahrung gewogen und gefunden, daß das Tier mindestens fünfundzwanzig Kilogramm zu sich nimmt. Im freien Zustande frißt es wahrscheinlich noch mehr. Aber freilich ist es auch kein Kostverächter. Nicht bloß die dürren Zweige und Schößlinge, nicht bloß die starrenden Teile der Mimosen und andere stachligen Gewächse der Wendekreisländer, sondern auch Aste von 3 bis 5 Zentimeter Durchmesser würgt es hinab. Die Nahrung wird mit dem breiten Maul abgepflückt oder mittels des handartigen Fortsatzes abgebrochen. An einem gefangenen indischen Nashorn beobachtete ich, daß es mit seiner Lippenspitze sehr kleine Stücke, Zuckerbrocken z. B., geschickt einklemmen und dann durch Umbiegen derselben auf die weit vorragende Zunge bringen kann. Alle Nahrung, die das Tier aufnimmt, zerkaut es sogleich, aber in rohester Weise; denn seine Speiseröhre ist weit genug, um auch großen Stücken den Durchgang zu gestatten. Das indische Nashorn kann die rüsselartige Ausbuchtung der Oberlippe bis auf etwa 15 Zentimeter verlängern und damit einen dicken Grasbusch erfassen, ausreißen und in das Maul schieben. Ob das Gras rein ist oder ob etwas Erde an den Wurzeln hängt, scheint gleichgültig zu sein. Es schlägt allerdings erst den ausgerissenen Busch einmal gegen den Boden, um den größten Teil der erdigen Stoffe abzuschütteln, schiebt ihn dann aber mit Seelenruhe in den weiten Rachen und würgt ihn ohne Schlingbeschwerden hinab. Sehr gern frißt es auch Wurzeln, deren es sich mit Leichtigkeit bemächtigt. Bei guter Laune gefällt es sich, schon seines Vergnügens halber, darin, einen kleinen Baum oder Strauch aus dem Boden zu wühlen, und fegt zu diesem Zwecke mit dem gewaltigen Horn so lange unter den Wurzeln herum, bis es schließlich den Strauch erfassen und herausheben kann, worauf durch andere Schläge die Wurzeln losgebrochen und endlich verzehrt werden. Dabei hat man jedoch bemerkt, daß die verschiedenen Arten auch eine verschiedene Auswahl ihrer Nahrung zu treffen pflegen. Das Nashorn scheint Baumzweige zu bevorzugen; das Waranashorn dagegen erklimmt, laut Junghuhn, die Gebirge Javas hauptsächlich mehrerer Grasarten halber, die im Innern der Waldungen auf verhältnismäßig trockenen Plätzen wachsen, lebt beispielsweise auf dem Slamat fast ausschließlich von einer wohlriechenden Grasart ( Ataxia Horsfieldii), die die Abhänge dieses Berges zwischen anderthalb- bis zweitausend Meter unbedingter Höhe bedeckt; das Doppelnashorn hält sich wiederum mit Vorliebe an Bäume, zumal Mimosen, deren Rinde es abschält und deren Gezweige es verbeißt, »als ob sie mit einer Schere verschnitten wären«; das Stumpfnashorn endlich werdet, ganz im Einklänge mit der Bildung seiner Lippen, ausschließlich auf grasigen Ebenen. Ein Euphorbienstrauch, der hier wächst, soll ihm ebenfalls zur Nahrung dienen und keinerlei Magenbeschwerden verursachen, das Doppelnashorn aber vergiften. Bambus- und Schilfblätter wie Getreide jeder Art gewähren allen Arten zeitweilig willkommene Speise. Dementsprechend hat die Losung ein verschiedenes Aussehen und unterscheidet sich zuweilen von der des Elefanten ebenso, als sie ihr in andern Fällen ähnelt. Haßkarl fand in den fünf bis sieben Zentimeter im Durchmesser haltenden Klumpen der Losung des Waranashorns oft Überreste von fingerdicken Asten, Heuglin dagegen in der des Doppelnashorns immer nur sein zerkaute Pflanzenfasern. Bloß das eine scheint allen Nashörnern gemeinsam zu sein, daß sie ihre Losung an bestimmten Stellen absetzen und nach und nach Haufen von bedeutendem Umfange auftürmen.
Das Wesen der Nashörner hat wenig Anziehendes. Sie fressen entweder oder schlafen; um die übrige Welt bekümmern sie sich kaum. Im Gegensatze zu dem Elefanten leben sie nicht in Herden, sondern meist einzeln oder höchstens in kleinen Trupps von vier bis zehn Stück. Unter solcher Gesellschaft herrscht wenig Zusammenhang; jedes einzelne lebt in der Regel für sich und tut, was ihm beliebt. Gleichwohl kann man nicht behaupten, daß eins das andere mit stumpfer Gleichgültigkeit betrachte; es bilden sich vielmehr, ganz abgesehen von einer Nashornmutter und ihrem Kinde, nicht selten Freundschafts-, um nicht zu sagen Eheverhältnisse zwischen den verschiedenen Geschlechtern aus, die sehr inniger Art sein können und vielleicht nur mit dem Tode endigen. In der Freiheit begegnet man öfters Paaren, die alles gemeinschaftlich tun, und an gefangenen und aneinander gewöhnten Nashörnern beiderlei Geschlechtes kann man eine wahrhaft zärtliche Liebe wahrnehmen. Schwerfällig wie der Leib erscheint auch das geistige Wesen; aber weder der eine noch das andere ist es wirklich. Für gewöhnlich schreitet ein Nashorn gewichtig und etwas plump dahin, und wenn es sich niederlegt oder wälzt, tut es dies anscheinend so ungeschickt als möglich; alle Bewegungen aber sehen unbeholfener aus, als sie tatsächlich sind. Behende Wendungen und Biegungen kann ein Nashorn freilich nicht ausführen, und auf den Bergen springt es auch nicht mit der Leichtigkeit einer Gemse umher; in ebenen Gegenden aber eilt es, wenn es einmal in Bewegung gekommen ist, sehr rasch davon. Es geht nicht, wie die andern schweren Dickhäuter, durch fast gleichzeitiges Bewegen der Beine einer Seite, sondern schreitet mit den sich gegenüberstehenden Vorder- und Hinterbeinen aus. Beim Laufen hält es den Kopf gewöhnlich niedrig und gerade vor sich hin, in der Wut aber schaukelt es ihn wiegend hin und her und reißt mit dem Horn tiefe und weite Furchen auf. Wenn es sehr erzürnt ist, springt es auch von einer Seite zur andern und hebt dann den stumpfen Schwanz in die Höhe. Es kann einen sehr geschwinden und ausdauernden Trab laufen und selbst berittenen Jägern gefährlich werden, zumal in buschreichen Gegenden, wo Mann und Pferd nicht so leicht auszuweichen vermögen, während jenes alle ihm im Wege stehenden Bäume niedertritt. Das Schwimmen übt jedes Nashorn, hält sich jedoch mehr an der Oberfläche und taucht nicht ohne Not unter. Einzelne Berichterstatter wollen jedoch beobachtet haben, daß es in Sümpfen oder Flüssen bis zum Grunde hinabtauche, dort mit dem Horn die Wurzeln und Ranken der Wasserpflanzen aushebe und mit sich emporbringe, um sie oben zu verzehren.
Unter den Sinnen der Nashörner steht das Gehör obenan, dann folgt der Geruch und auf diesen das Gefühl. Das Gesicht ist sehr wenig ausgebildet. Es wird allgemein behauptet, daß ein Nashorn immer nur gerade nach vorn sehen könne und Menschen, die von der Seite zu ihm hinschlichen, nicht wahrzunehmen vermöge. Ich bezweifle diese Angaben, weil ich das Gegenteil an zahmen bemerkt habe. In der Wut folgt das Nashorn dem Geruch ebenso wie dem Gehör; denn es nimmt die Fährte des Feindes auf und spürt dieser nach, ohne das Auge zu brauchen. Das Gehör muß sehr fein sein; denn das Tier vernimmt das leiseste Geräusch auf weite Entfernungen. Aber auch der Geschmack ist durchaus nicht zu leugnen; wenigstens beobachtete ich bei zahmen, daß ihnen Zucker ein höchst erwünschter Gegenstand war und mit besonderem Wohlgefallen von ihnen verzehrt wurde. Die Stimme besteht in einem dumpfen Grunzen, das bei größerer Wut in ein tönendes Blasen oder Pfeifen übergehen soll. In der Freiheit mag man dieses Pfeifen oft vernehmen, denn jedes Nashorn ist leicht in Wut zu versetzen, und seine Gleichgültigkeit gegen alles, was nicht Futter heißt, kann sich sehr bald in das Gegenteil umwandeln. Raffles beobachtete, daß das Waranashorn vor einem einzigen Hunde die Flucht ergriff, und andere Reisende sahen, daß es, nachdem es sie bloß gewittert, eiligst davonging; allein dieses Betragen ändert sich, wenn das Tier gereizt wird. Es achtet dann weder die Anzahl noch die Nahrhaftigkeit seiner Feinde, sondern stürzt blindlings in gerader Linie auf den Gegenstand seines Zornes los. Ob dann eine Gesellschaft bewaffneter Leute dem rasenden Vieh entgegensteht oder ob der Gegenstand seiner Wut ein völlig harmloser und unbedeutender ist, scheint von ihm nicht in Betracht gezogen zu werden. Rote Farben sollen ihm, wie dem Ochsen, zuwider sein; wenigstens hat man es Anfälle auf schreiend gekleidete Menschen ausführen sehen, die ihm nicht das geringste zuleide getan hatten. Seine Wut übersteigt alle Grenzen. Es rächt sich nicht bloß an dem, der es wirklich gereizt hat, sondern an allem und jedem, was ihm vorkommt; selbst Steine und Bäume müssen seinen Zorn entgelten, und wenn es gar nichts findet, reißt es wenigstens zwei bis drei Meter lange, halbkreisförmige Furchen in die Erde. Glücklicherweise ist es nicht so schwer, einem in voller Wut dahinrennenden Nashorn zu entgehen. Der geübte Jäger läßt es bis auf etwa zehn oder fünfzehn Schritte herankommen und springt dann zur Seite; der tobende Gesell rennt an ihm vorüber, verliert die Witterung, die er bisher hatte, und stürzt nun auf gut Glück vorwärts, vielleicht an einem andern unschuldigen Gegenstande seinen Ingrimm auslassend. Man kennt, wie Lichtenstein erzählt, Beispiele, daß ein Nashorn bei Nacht einem Wagen oder einem davorgespannten Ochsen in die Seite gefallen ist und mit unbegreiflicher Kraft alles mit sich fortgeschleppt und zertrümmert hat. Für den gerade im Zuge begriffenen Reisenden ist ein Nashorn von allen Tieren das gefährlichste, weil es nicht selten ohne alle Ursache auf die Leute losrennt und in sinnloser Wut gänzlich Unschuldige umbringt. Zumal das Doppelnashorn wird wegen seines ungeheuren Grimmes sehr gefürchtet. Manchmal arbeitet eins dieser Tiere stundenlang mit seinem Horn an einem Busch und wühlt schnaubend an ihm herum, bis es ihn mitsamt seinen Wurzeln aus der Erde gehoben hat; dann legt es sich vielleicht ruhig nieder, ohne weiter an die eben zerstörte Pflanze zu denken. Das Stumpfnashorn ist viel sanfter und harmloser als sein dunklerer Verwandter, steht ihm an Schnelligkeit bei weitem nach und greift, selbst wenn es verwundet worden ist, selten den Menschen an.
Die außerordentliche Reizbarkeit der Nashörner verdunkelt den wahren Ausdruck ihres geistigen Wesens und erschwert in hohem Grade eine richtige Beurteilung und gerechte Würdigung ihres Verstandes. Ich wage meinem verehrten Freunde Westerman nicht zu widersprechen, wenn er das Nashorn als den geistig am wenigsten entwickelten aller großen Vielhufer erklärt, muß jedoch hierbei an den hohen Verstand der Elefanten, an die nicht zu unterschätzende geistige Begabung der Tapire und Schweine erinnern, um nicht die Meinung hervorzurufen, als erachte ich die Nashörner als geistlose, dumme Geschöpfe. Solche sind sie gewiß nicht. Sie stehen den aufgeführten Verwandten in geistiger Hinsicht nach, übertreffen aber sicherlich sämtliche Nager und wahrscheinlich auch die meisten Wiederkäuer in dieser Beziehung. Im Zorne vergißt auch der Elefant seine Klugheit, das Schwein seine Vorsicht, der Hirsch seine Scheu; im Zorne handelt der listige Affe töricht, sogar der weise Mensch oft unbedacht; das zornige Nashorn also ist nicht maßgebend für die Beurteilung seiner geistigen Fähigkeiten. Ungeachtet aller bisher mitgeteilten Beobachtungen kennt man das freilebende Tier noch viel zu wenig, als daß man imstande wäre, ein einigermaßen zutreffendes Urteil zu fällen; man hat es aber auch kaum wirklich beobachtet, sondern bei der Begegnung entweder angegriffen oder geflohen. Die wenig entwickelte Hirnkapsel seines Schädels, sein kleines Gehirn, das sich zu der Leibesmasse verhält wie 1:164, spricht allerdings nicht für eine hohe geistige Entwicklung, und seine leibliche Trägheit scheint die Annahme auch einer geistigen Schwerfälligkeit zu rechtfertigen; es fragt sich jedoch, ob die eine wie die andere Folgerung richtig ist. Gefangene Nashörner bekunden zwar ebenfalls wenig geistige Begabung, keineswegs aber eine so auffallende Verstandesarmut wie viele andere Mitglieder ihrer Klasse, beispielsweise alle Beuteltiere und die meisten Nager. Viel eher und bestimmter als diese und jene lernen sie ihre Wärter kennen, fügen sie sich in die ihnen auferlegten Verhältnisse, gewöhnen sie sich an eine gegen ihre frühere wesentlich veränderte Lebensweise; sie lassen sich daher keineswegs schwierig behandeln. Wahrscheinlich würden sie noch ganz andere Beweise ihres Verstandes liefern, wollte man sich überhaupt Mühe geben, mit ihnen zu verkehren, ihren Geist zu wecken und zu bilden, anstatt einfach für ihre unabweislichsten Bedürfnisse zu sorgen und sie im übrigen anzustaunen oder gleichgültig sich selbst zu überlassen.
Über die Fortpflanzung des Nashorns fehlen zurzeit noch erschöpfende Berichte. Von der indischen Art weiß man, daß die Paarung in die Monate November und Dezember fällt, und da nun der Wurf im April oder Mai erfolgt, hat man die Tragzeit auf siebzehn bis achtzehn Monate angeschlagen, aber wahrscheinlich ebenso wie bei dem Flußpferde erheblich geirrt. Der Paarung gehen zuweilen gewaltige Kämpfe unter den Männchen voraus. So sah Anderson vier männliche Nashörner im wütendsten Kampfe, erlegte zwei und fand, daß sie mit Wunden bedeckt und infolge deren nicht imstande waren, sich satt zu fressen. Mitten im Dickicht des Waldes bringt das Nashorn sein einziges Junges zur Welt: ein kleines, plumpes Vieh, von der Größe eines stattlichen Hundes, das mit offenen Augen zur Welt kommt. Seine rötliche Haut ist noch faltenlos, der Keim zum Horne aber schon vorhanden. Durch einen Zufall ist unsere Kunde über die ersten Tage des Kindeslebens eines Nashorns in der neuesten Zeit nicht unwesentlich bereichert worden. Am 7. Dezember 1872 traf, wie Bartlett berichtet, das Dampfschiff Orchis, von Singapore kommend, mit einem alten weiblichen Badaknashorn am Bord, in den Viktoria-Docks zu London ein. Das Tier war vor etwas mehr als sieben Monaten gefangen und, nach Aussage der Fänger, kurz vorher belegt worden. Am Tage seiner Ankunft, gegen sieben Uhr abends, vernahm der Wärter zu seiner Überraschung ein schwaches Quieken, das aus dem Behälter des Nashorns zu kommen schien. Bei Besichtigung des Tieres ergab sich, daß es soeben ein Junges geworfen hatte und gerade beschäftigt war, die Nabelschnur, mittels welcher letzteres noch an ihm hing, zu zerbeißen. Zur Verwunderung des Wärters zeigte sich die bisher sehr ungebärdige Alte ruhig und sanft, erlaubte ihm sogar, nachdem er sie angerufen hatte, in den Verschlag zu treten, sie zu melken und ihr später das Junge an das Euter zu legen. In der Meinung, daß Ruhe und Stille der ermatteten und erschöpften Mutter willkommen sein werde, verließ er hierauf den Versandkäfig und deckte ihn sorgfältig mit Segeltuch zu. Das Junge schien jedoch nicht gewillt, in dieser Weise sich einsperren zu lassen; denn bald darauf lustwandelte es, trotz Dunkelheit und Regen, auf dem Decke des Schiffes umher, aber freilich nicht lange, weil infolge der Kälte und Nässe binnen kurzem die zarten Glieder ihm den Dienst versagten. Tüchtig gerieben und in wollene Decken gehüllt, erholte es sich zwar wieder, litt aber ersichtlich unter der Unwirtlichkeit des ihm feindlichen Klimas. Als Bartlett am andern Morgen an Bord kam, war man eben beschäftigt, Mutter und Kind zu landen. Auf seinen Rat trennte man beide, um zu verhüten, daß die Alte beim Verkranen und Umladen des Behälters das Kleine erdrücke oder beschädige. Kaum aber stand der schwere Versandkäfig glücklich auf dem Wagen, als die Mutter so unruhig wurde, daß man sich genötigt sah, ihr das Kind zurückzugeben. Der Wärter begab sich ebenfalls in den Käfig und verblieb hier während der ziemlich langen Fahrt von den Docks bis zu den Ställen des betreffenden Händlers und Besitzers. Hier verging eine geraume Zeit, bevor man die Alte abgeladen und im Stalle eingepfercht hatte, und man hielt es für geraten, das Junge einstweilen in dem Geschäftszimmer unterzubringen, hatte jedoch seine liebe Not mit ihm, um unerlaubten kindischen Gelüsten zu steuern. Sobald man die Mutter glücklich eingestellt hatte, gab man ihr das Junge zurück. Dasselbe begann auch sofort zu saugen, verließ, nachdem es sein Bedürfnis befriedigt hatte, die Alte, wandte sich einem dunklen Winkel zu und legte sich hier zur Ruhe nieder, ganz, wie viele Wiederkäuer zu tun pflegen, die von ihren Müttern so lange versteckt werden, als diese ihrer Nahrung nachgehen. Besonders auffallend fand Bartlett die merkwürdige Friedfertigkeit der Alten. Während diese vor der Geburt des Jungen stets geneigt war, ihren Wärter und jeden andern, der sich ihr näherte, anzugreifen, erlaubte sie jetzt dem Pfleger, in den Raum zu treten und sie zu melken, als wäre sie die zahmste Kuh, gestattete auch später, als sie sich bereits im Stalle befand, andern, ihr fremden Leuten, zu ihr zu kommen, und nahm ihr gespendete Liebkosungen mit derselben Widerstandslosigkeit entgegen wie irgendein von vielen Leuten verwöhntes und verhätscheltes Mitglied der vierbeinigen Bewohner eines Tiergartens. Nach Bartletts Meinung befand sie sich in einem Zustande von Geistesabwesenheit oder vielleicht in einem solchen der Erschöpfung; möglicherweise auch nahm sie Rücksichten auf ihr Kind und zeigte deshalb ein so vollständig verändertes Betragen; denn sie ließ sich Mißhandlungen oder Behelligungen gefallen, die sie sonst sicherlich zurückgewiesen haben würde und wenige Tage später auch tatsächlich auf das kräftigste abwehrte.
Das junge Badaknashorn erinnerte wegen seines mageren Leibes, der langen Glieder und der Art und Weise, wie es den großen, gestreckten Kopf bewegte, an einen jungen Esel oder an ein verhungertes Ferkel. Sein vorderes Horn war bereits vorhanden und etwa zwei Zentimeter hoch, sein hinteres noch nicht sichtbar, dessen Stelle aber durch einen nackten Fleck angedeutet, sein beinahe schwarzhäutiger Leib dicht mit kurzem, krausem, schwarzem Haar bekleidet, das Ohr innen wie außen dichter, der Schwanz an der Spitze bürstenartig behaart. Besonders merkwürdig erschien die Beschaffenheit der Hufe, die unter der weichen Sohle lagen und somit das Tier nötigten, auf der Vorder- oder Außenseite der Hufe zu gehen. Seine Länge betrug ungefähr ein Meter, die Schulterhöhe 60 Zentimeter, das Gewicht 25 Kilogramm.
Leider lebte das Tierchen nicht lange. Laut Noll, der nach Hagenbecks Mitteilungen über das freudige Ereignis berichtet, wurde es zwar von der Alten treulich gepflegt und tagsüber sieben- bis achtmal, des Nachts drei- bis viermal genährt, gedieh auch zusehends und wuchs schnell, lag aber bereits am Morgen des 10. Dezember tot im Stalle, wahrscheinlich erdrückt von der eigenen Mutter, die sich, als man ihr jetzt das Junge wegnahm, überaus wütend gebärdete.
Auch von freilebenden Nashörnern hat man erkundet, daß die Mutter warme Liebe für ihr Junges zeigt, es fast durch zwei Jahre säugt, während dieser Zeit mit der größten Sorgfalt bewacht und bei Gefahr mit beispiellosem Grimme gegen jeden Feind und jeden Angriff verteidigt. Bontius erzählt, daß ein Europäer auf einem seiner Ritte ein indisches Nashorn mit seinem Jungen entdeckte. Als das Tier die Menschen erblickte, stand es auf und zog mit seinem Kinde langsam weiter in den Wald. Das Junge wollte nicht recht fort, da stieß es die Alte mit der Schnauze vorwärts. Nun fiel es einem Jäger ein, dem Tiere nachzureiten und ihm mit seinem Säbel einige Hiebe auf den Hintern zu geben. Die Haut war zu dick, als daß er hätte durchdringen können; die Hiebe hinterließen nur einige weiße Streifen. Geduldig ertrug das alte Nashorn alle Mißhandlungen, bis sein Junges im Gesträuche verborgen war; dann wendete es sich plötzlich mit ungeheurem Grunzen und Zähneknirschen gegen den Reiter, stürzte auf ihn los und zerriß ihm mit dem ersten Streiche einen Stiefel in Fetzen. Es würde um ihn geschehen gewesen sein, wäre das Pferd nicht klüger gewesen als sein Leiter. Dieses sprang zurück und floh aus allen Kräften, das Nashorn aber jagte ihm nach, Bäume und alles, was ihm hinderlich war, krachend niederschmetternd. Als das Pferd zu den Begleitern des Weißen zurückkam, ging das Nashorn auf diese los; sie aber fanden glücklicherweise zwei nebeneinander stehende Bäume, hinter die sie sich flüchteten. Das Nashorn, blind gemacht durch seine Wut, wollte schlechterdings zwischen den Bäumen hindurch und geriet in förmliche Raserei, als es sah, daß diese seinen Angriffen widerstanden. Die Stämme zitterten wie Rohr unter den Streichen und Stößen, die das erboste Vieh führte; doch widerstanden sie, und die Leute gewannen Zeit, ihm einige Schüsse auf den Kopf zu geben, die es fällten.
Wie lange das junge Nashorn bei seiner Mutter bleibt, weiß man nicht; ebensowenig kennt man das Verhältnis zwischen dem Vater und dem Kinde. Das Wachstum des letzteren schreitet in den ersten Monaten rasch vor sich. Ein Nashorn, das am dritten Tage etwa 60 Zentimeter hoch und 1,1 Meter lang war, wächst in einem Monat 13 Zentimeter in die Höhe, 15 Zentimeter in die Länge und ebensoviel im Umfang. Nach dreizehn Monaten hat es bereits eine Höhe von 1,2, eine Länge von 2 und einen Umfang von 2,1 Meter erreicht. Die Haut ist in den ersten Monaten von dunkelrötlicher Farbe und erhält später eine dunkle Schattierung auf hellerem Grunde. Bei den bezüglichen Arten ist bis zum vierzehnten Monat kaum eine Andeutung der Falten vorhanden; dann aber bilden sich diese so rasch aus, daß binnen wenigen Monaten kein Unterschied zwischen den Alten und Jungen vorhanden ist. Übrigens gehört mindestens ein achtjähriges Wachstum dazu, bevor das Nashorn eine Mittelgröße erreicht hat, und erst nach zurückgelegtem dreizehnten Jahre nehmen gefangene nicht mehr an Größe und Umfang zu. Das Horn biegt sich durch das ewige Wetzen mehr nach hinten. Manche, zumal gefangene Nashörner haben die Gewohnheit, so viel mit ihm zu schleifen, daß es bis auf einen kleinen Stummel verkleinert wird. Gänzlich abgestoßene Hörner ersetzen sich wieder, verletzte nehmen zuweilen eine von der gewöhnlichen sehr verschiedene Gestalt an, woraus hervorgeht, daß man nicht berechtigt ist, auf die Hörner allein Arten zu begründen.
Man hat in alter Zeit viel von den Freundschaften und Feindschaften der Nashörner gefabelt. Namentlich der Elefant sollte aufs eifrigste von ihnen bekämpft werden und regelmäßig unterliegen müssen. Diese schon von Plinius herrührenden Geschichten werden von dem einen und andern Reisebeschreiber gelegentlich aufgewärmt, sind jedoch sicherlich als Fabeln anzusehen. Daß ein gereiztes Nashorn sogar einen Elefanten angreifen kann, mag glaublich erscheinen; in solchem Falle aber weiß ein solcher sich auch zu wehren und bietet sich nicht ohne weiteres zur Zielscheibe für die Hornstöße des Gegners dar. Richtigeres erzählt man von der Freundschaft unseres Tieres mit schwächeren Geschöpfen. Anderson, Gordon Cumming und andere fanden fast regelmäßig auf dem Doppel- wie auf dem Stumpfnashorn einen dienstwilligen Vogel, den Madenhacker, der den Riesen während des ganzen Tages treu begleitet und gewissermaßen Wächterdienste bei ihm verrichtet. »Die Nashornvögel (Madenhacker)«, sagt Cumming, »sind fortwährende Begleiter des Nilpferdes und der beiden Arten des Nashorns. Sie nähren sich von dem Ungeziefer, von dem diese Tiere wimmeln, und halten sich deshalb immer in unmittelbarer Nähe der Dickhäuter oder auf ihrem Leibe selbst auf. Oft haben diese stets wachsamen Vögel mich bei meiner vorsichtigsten Annäherung in meinen Erwartungen getäuscht und meine Mühe vereitelt. Sie sind die besten Freunde, die das Nashorn hat, und verfehlen selten, es aus seinem tiefsten Schlafe aufzuwecken. Der alte Dickbauch versteht auch ihre Warnung vollkommen, springt auf seine Füße, sieht sich nach allen Richtungen um und ergreift dann jedesmal die Flucht. Ich habe oft zu Pferde ein Nashorn gejagt, das mich viele Meilen weit lockte und eine Menge Kugeln empfing, ehe es stürzte. Auch während solcher Hatze blieben diese Vögel fortwährend bei ihrem Brotherrn. Sie saßen ihm auf den Rücken und den Seiten, und als eine Kugel in die Schulter des Nashorn einschlug, flatterten sie ungefähr zwei Meter in die Höhe, einen gellenden Schrei ausstoßend, und nahmen dann wieder ihren früheren Platz ein. Zuweilen traf es sich, daß die unteren Zweige der Bäume, unter welchen das Nashorn dahinrannte, die Vögel wegfegten; aber sie fanden allemal ihren Platz wieder. Ich habe Nashörner geschossen, wenn sie um Mitternacht an den Quellen tranken; die Vögel aber, die glauben mochten, daß das erlegte Nashorn schliefe, blieben bis zum Morgen bei ihm, und wenn ich mich näherte, bemerkte ich, daß sie, ehe sie fortflogen, alles mögliche aufboten, um das vermeintlich schlafende Nährtier aufzuwecken.« Wir haben keinen Grund, an der buchstäblichen Wahrheit dieser Mitteilung zu zweifeln, da wir ähnliche Freundschaften zwischen den Vögeln und den Säugetieren oft genug finden können. Zudem habe ich selbst in Habesch die Madenhacker wenigstens auf Pferden und Rindern beobachten können. Selbstverständlich finden die Vögel Anerkennung für solche treue Begleitung, und auch das stumpfeste Säugetier muß die Wohltaten erkennen, die sie ihm durch Auflesen der es peinigenden Kerfe bereiten. Ob aber bei Annäherung des Menschen die Vögel ihr Weidetier geradezu in das Ohr picken, um es aufzuwecken, will ich gern dahingestellt sein lassen; ich glaube eher, daß schon die allgemeine Unruhe, die sie kundgeben, wenn sich ihnen etwas Verdächtiges zeigt, hinreichend ist, um das Nashorn aufmerksam zu machen. Daß besonders vorsichtige Vögel von andern Tieren als Vorposten und Warner anerkannt und beachtet werden, wissen wir bestimmt.
Außer dem Menschen dürfte das Nashorn nicht viele Feinde haben. Löwen und Tiger meiden das Tier, weil sie wissen, daß ihre Klauen doch zu schwach sind, um dessen dicke Panzerhaut zu zerreißen. Der Prankenschlag des Löwen, der einen Stier im Nu zu Boden wirft, dürfte sich dem Nashorn gegenüber als zu schwach erweisen; denn dieses ist infolge der Kämpfe mit seinesgleichen noch ganz andere Schläge gewohnt. Weibliche Nashörner, die Junge haben, lassen Tiger oder Löwen nicht leicht in ihre Nähe kommen, weil dem kleinen, noch weichlichen Nashorne ein so großes Raubtier wohl gefährlich werden mag. »Als ich einmal aus der Stadt an einem Flusse spazierenging«, sagt Bontius, »um die lieblichen Pflanzen zu betrachten, fand ich am Ufer ein junges, noch lebendiges und jämmerlich heulendes Nashorn liegen, dem die Hinterbacken abgebissen waren, ohne Zweifel von einem Tiger. Was man von seiner Freundschaft mit dem Tiger sagt, scheint mir nur eine Heuchelei zu sein; denn wenn auch beide Tiere nebeneinander hergehen, so sehen sie einander mit schiefen Augen an, grunzen und blöken die Zähne, was sicher kein Zeichen von Freundschaft ist.«
Der Mensch ist wohl überall der gefährlichste Feind des Nashorns. Alle Völkerschaften, in deren Gebieten eine Art dieser plumpen Geschöpfe sich findet, stellen ihm mit dem größten Eifer nach, und auch die europäischen Jäger betreiben seine Jagd mit wahrer Leidenschaft. Man hat gefabelt, daß die Panzerhaut für Kugeln undurchdringlich wäre; doch haben schon frühere Reisende bezeugt, daß selbst eine Lanze oder ein kräftig geschleuderter Pfeil sie durchbohrt. Die Jagd ist gefährlich, weil der gewaltige Riese auf dem rechten Fleck getroffen werden muß, wenn er der ersten Kugel erliegen soll. Verwundet nimmt er augenblicklich den Kampf mit dem Menschen auf und kann dann überaus furchtbar werden. Die eingeborenen Jäger suchen das Nashorn während des Schlafes unter dem Winde zu beschleichen und werfen ihm ihre Lanze in den Leib oder setzen ihm die Mündung des Gewehrlaufs fast auf den Rumpf, um den Kugeln ihre volle Kraft zu sichern. Die Abessinier gebrauchen Wurfspieße, schleudern davon aber manchmal fünfzig bis sechzig auf ein Nashorn. Wenn es etwas erschöpft vom Blutverluste ist, wagt sich einer der Kühnsten an das Tier heran und versucht, mit dem scharfen Schwerte die Achillessehne durchzuhauen, um das Tier zu lähmen und zu fernerem Widerstande unfähig zu machen. In Indien zieht man mit Elefanten zur Jagd hinaus; aber selbst diese werden zuweilen von dem wütenden Tiere gefährdet. »Als das Nashorn aufgejagt war,« sagte Borri, »ging es ohne anscheinliche Furcht vor der Menge der Menschen auf seine Feinde los, und als diese bei seiner Annäherung rechts und links auseinanderprallten, lief es ganz gerade durch die aus ihnen gebildete Reihe, an deren Ende es auf den Statthalter traf, der auf einem Elefanten saß. Das Nashorn lief sogleich hinter diesem her und suchte ihn durch sein Horn zu verwunden, während der Elefant seinerseits alle Kraft aufbot, das angreifende Nashorn mit dem Rüssel zu fassen. Der Statthalter nahm endlich die Gelegenheit wahr und schoß ihm eine Kugel an die rechte Stelle.«
Auf die afrikanischen Arten wird im offenen, freien Felde Jagd gemacht. Der Jäger schleicht sich durch das Gebüsch heran und schießt aus ganz geringer Entfernung. Fehlt er, so stürzt das Tier wütend nach dem Orte hin, von dem der Schuß fiel, und spürt und äugt nach dem Feinde umher. Sobald es denselben sieht oder wittert, senkt es den Kopf, drückt die Augen zu und rennt, mit der ganzen Länge des Horns die Erde streifend, vorwärts. Dann ist es noch ein leichtes, ihm auszuweichen. Geübte Nashornjäger haben stundenlang einem auf sie eindringenden Nashorn standgehalten, indem sie stets zur Seite sprangen, wenn das Nashorn auf sie losrannte, und es an sich vorbeirasen ließen, bis sie, nachdem es sich ausgetobt, es doch noch erlegten. Anderson ist mehrmals durch verwundete Nashörner in Todesgefahr gekommen. Eins derselben stürzte sich wütend auf ihn, warf ihn nieder, glücklicherweise ohne ihn mit dem Horn zu treffen, schleuderte ihn aber ein gutes Stück mit seinen Hinterfüßen weg. Kaum war es an ihm vorübergestürmt, als es sich schon herumdrehte und einen zweiten Angriff wagte, der dem Manne eine schwere Wunde in den Schenkel beibrachte. Damit war glücklicherweise seine Rache erfüllt; es eilte in ein benachbartes Dickicht, und Anderson konnte gerettet werden.
»Als ich einst auf der Rückkehr von einer Elefantenjagd begriffen war,« erzählte Oswell dem eben Genannten, »bemerkte ich ein großes Stumpfnashorn in kurzer Entfernung vor mir. Ich ritt ein vortreffliches Jagdpferd, das beste und flotteste, das ich jemals während meiner Jagdzüge besessen habe; doch war es eine Gewohnheit von mir, niemals ein Nashorn zu Pferde zu verfolgen, einfach deshalb, weil man sich dem stumpfsinnigen Vieh weit leichter zu Fuß als zu Pferde nähern kann. Bei dieser Gelegenheit jedoch schien es, als ob das Schicksal dazwischentreten wolle. Meinen Nachreitern mich zuwendend, rief ich aus: ›Beim Himmel, der Bursche hat ein gutes, feines Horn; ich will ihm einen Schuß geben‹. Mit diesen Worten gab ich meinem Pferde die Sporen, war in kurzer Zeit neben dem ungeheuren Tier und sandte ihm einen Augenblick später eine Kugel in seinen Leib, doch, wie sich zeigte, nicht mit tödlicher Wirkung. Das Nashorn, anstatt wie gewöhnlich die Flucht zu ergreifen, blieb zu meiner größten Verwunderung sofort stehen, drehte sich rasch herum und kam, nachdem es mich einen Augenblick neugierig angesehen hatte, langsam auf mich los. Ich dachte noch gar nicht an die Flucht, dessenungeachtet versuchte ich, mein Pferd wegzulenken. Aber dieses Geschöpf, gewöhnlich so gelehrig und lenksam, dem der kleinste Druck des Zügels genug war, verweigerte jetzt ganz entschieden, mir zu gehorchen. Als es zuletzt noch folgte, war es zu spät, denn das Nashorn war bereits so nahe zu uns gekommen, daß ich wohl einsah, ein Zusammentreffen mußte unvermeidlich sein. Und in der Tat, einen Augenblick später bemerkte ich, wie das Scheusal seinen Kopf senkte, und indem es denselben rasch nach oben warf, stieß es sein Horn mit solcher Kraft zwischen die Rippen meines Pferdes, daß es durch den ganzen Leib, durch den Sattel selber hindurchfuhr und ich die scharfe Spitze in meinem Bein fühlte. Die Kraft des Stoßes war so furchtbar, daß mein Pferd einen wirklichen Purzelbaum in der Luft schoß und dann langsam nach rückwärts zurückfiel. Was mich anlangt, so wurde ich mit Gewalt zu Boden geschleudert, und kaum lag ich hier, als ich auch schon das Horn des wütenden Tieres neben mir erblickte. Doch mochte es seine Wut gekühlt und seine Rache erfüllt haben. Es ging plötzlich mit leichtem Galopp von dem Schauplatze seiner Taten ab. Meine Nachreiter waren inzwischen nähergekommen. Ich eilte zu einem hin, riß ihn vom Pferde herab, sprang selbst in den Sattel und eilte, ohne Hut, das Gesicht von Blut überströmt, rasch dem sich zurückziehenden Tiere nach, das ich zu meiner großen Genugtuung wenige Minuten später leblos zu meinen Füßen hingestreckt sah.«
Levaillant beschreibt in sehr lebhafter Weise eine Jagd auf das zweihörnige Nashorn. »Man beobachtete ein Paar dieser Tiere, die ruhig in einem Mimosenwalde nebeneinander standen, die Nase gegen den Wind gerichtet und von Zeit zu Zeit hinter sich sehend, um zu sichern. Ein Eingeborener bat sich aus, die Tiere zu beschleichen. Die übrigen Jäger verteilten sich, und ein Hottentotte nahm die Hunde unter seine Obhut. Der Eingeborene zog sich nackt aus und kroch mit der Flinte auf dem Rücken höchst langsam und vorsichtig wie eine Schlange auf dem Boden fort, hielt augenblicklich still, sobald sich die Nashörner umsahen, und glich dann täuschend einem Steinbrocken. Sein Kriechen dauerte fast eine Stunde. Endlich kam er bis zu einem, etwa zweihundert Schritte von den Tieren entfernten Busche, stand auf und sah sich um, ob seine Kameraden alle auf ihren Posten wären, legte an und verwundete das Männchen, das im Augenblick des Schusses einen fürchterlichen Schrei ausstieß und mit dem Weibchen wütend auf ihn zukam. Er legte sich unbeweglich auf den Boden, die Nashörner eilten an ihm vorbei und stürzten auf die übrigen Jäger los. Jetzt befreite man die Hunde und feuerte von allen Seiten auf sie. Sie schlugen fürchterlich gegen die Hunde los, zogen mit ihren Hörnern tiefe Furchen in den Boden und schleuderten die Erde nach allen Seiten weg. Die Jäger rückten näher, die Wut der Tiere steigerte sich fortwährend; sie boten einen wirklich entsetzlichen Anblick dar. Da plötzlich stellte sich das Männchen gegen die Hunde, und das Weibchen flüchtete, zur großen Freude der Jäger, die es nicht gern mit zwei derartigen Ungeheuern aufnehmen wollten. Das Männchen kehrte endlich auch zurück, lief aber auf einen Busch zu, in dem drei Jäger standen, und diese sandten ihm aus einer Entfernung von dreißig Schritt tödliche Schüsse zu. Es schlug aber noch so heftig um sich, daß die Steine nach allen Seiten flogen und weder Menschen noch Hunde sich zu nähern wagten. Levaillant wollte aus Mitleid ihm den Rest geben, wurde aber von den Wilden abgehalten, weil sie einen sehr großen Wert auf das Blut legen und es getrocknet gegen allerlei Krankheiten gebrauchen, namentlich gegen Verstopfung. Als es endlich tot war, liefen sie hurtig heran, schnitten ihm die Blase aus und füllten sie mit Blut an.«
Ähnlich wie die vorstehend gegebenen Mitteilungen lauten alle Berichte über das Zusammentreffen mit Nashörnern und ihr Betragen und Gebaren während der Jagd. Bald entfliehen sie furchtsam vor dem sich nahenden Menschen, bald setzen sie sich mutig zur Wehr; bald lassen sie sich hetzen, bald hetzen sie den Jäger. Wo sie öfter beunruhigt worden sind, warten sie den Angriff nicht erst ab, sondern gehen sofort ihrerseits zu Feindseligkeiten über; in Gegenden, wo der Mensch ihnen als fremdes Wesen erscheint, lassen sie denselben entweder mit staunender Verwunderung an sich herankommen oder stehen von weitem. In die Enge getrieben und erzürnt, wehren sie sich tapfer ihrer Haut. Das allgemeine Urteil erkennt in ihnen mutige, wehrhafte, streitlustige und ausdauernde Tiere, die, einmal erregt, nicht so leicht nachlassen, vielmehr hartnäckig und mit Todesverachtung kämpfen, überhaupt ein ritterliches Wesen bekunden.
Schwieriger als die Jagd ist der Fang. Das Waranashorn erbeutet man, wie Haßkarl mir mitteilt, hauptsächlich seines Hornes wegen, das man für fünfundzwanzig bis dreißig Gulden an die Chinesen verkaufen kann. Um es zu fangen, tieft man auf seinen Pfaden enge Gruben aus, versieht sie mit spitzen Pfählen, bestimmt, das schwere Tier beim Herabfallen zu spießen, und deckt sie oben sorgfältig mit Zweigen zu. Das Nashorn nimmt, wie gewohnt, seinen Wechsel an, stürzt in die Grube und ist, auch wenn es sich nicht an den spitzen Pfählen verletzte, in der Regel außerstande, sich herauszuhelfen und zu befreien. Erwachsene Tiere tötet man ohne weiteres, weil man sie lebend nicht fortzuschaffen weiß, jüngere dagegen sucht man zu fesseln und in bewohnte Gegenden zu treiben, wo man sie zu verwerten hofft. In Afrika erlangt man die jungen Doppelnashörner, die gegenwärtig auf unsern Tiermarkt gebracht werden, dadurch, daß man während der Fortpflanzungszeit zur Jagd auszieht, alte Weibchen mit ihrem Kinde zu erkunden sucht, erstere tötet und sich des letzteren dann mit leichter Mühe bemächtigt. Zuweilen spielt der Zufall eine Vermittlerrolle. Offiziere, die im nördlichsten Teil des Meerbusens von Bengalen bemüht waren, Elefanten für das englische Heer aufzutreiben, erfuhren durch Eingeborene, daß ein Nashorn in den Triebsand geraten, unfähig, sich herauszuhelfen, von mehr als zweihundert Männern mittels umgelegten Stricken aufs Land befördert und zwischen zwei Bäumen festgebunden worden sei, woselbst es sich noch und zwar im besten Wohlsein befinde, so daß man es nicht loszubinden wage. Auf diese Nachricht hin brachen Hauptmann Hood und ein Herr Wickes mit acht Elefanten nach dem sechzehn Stunden entfernten Fangplatze auf, um das Tier zu holen. Bei Ankunft an Ort und Stelle fanden sie ein weibliches Nashorn von etwa 2,6 Meter Länge und 1,3 Meter Schulterhöhe mit noch wenig entwickelten Hörnern vor, ließen es mit Stricken zwischen Elefanten festbinden und führten es unter mancherlei Mühsalen, aber auch unter lebhafter Beteiligung des Volkes nach Tschittagong. Hier wurde es auf einen umzäunten Platz eingestellt, allmählich gezähmt und einige Jahre später nach Kalkutta gebracht, von wo es schließlich nach England gelangte.
Selbstverständlich vollzog sich das alles nicht ohne mancherlei Umstände und Schwierigkeiten. Zuerst weigerten sich die Elefanten, beim Fesseln des gefangenen Wildlings tätig zu sein, und als man ihre Bedenken beschwichtigt und das Nashorn glücklich mittels einer um seinen Hinterfuß gelegten Schlinge mit dem einen Elefanten zusammengekoppelt hatte, genügte ein Aufschreien des furchterweckenden Geschöpfes, um die klugen, aber furchtsamen Rüsselträger von neuem in Schreck zu setzen. Endlich hatte man unser Nashorn doch zwischen zwei Elefanten befestigt, und der Marsch konnte beginnen; auf dem Wege aber waren zwei größere Flüsse zu überschreiten, von denen nur einer mit einem passenden Fährboote überschifft werden konnte; es blieb also nichts anderes übrig, als » Begum«, das Nashorn, zwischen den beiden Leitelefanten durch den breiten Songu schwimmen, beziehentlich schleppen zu lassen, da jenes sich gebärdete, als ob es nicht schwimmen könne. Nicht wenig belästigte jetzt und später die Neugierde des sich herandrängenden Volkes, das manchmal in meilenlangem Aufzuge vor und hinter dem Ungeheuer dahinschritt. Als man Begum später nach Kalkutta brachte, verbot die Behörde den Weg durch die Dörfer; man war also genötigt, das Tier auf Umwegen seinem Ziele zuzuführen; der Wärter, an den sich das Nashorn nach und nach gewöhnt hatte, schritt nachts mit der Laterne in der Hand singend voraus, und Begum folgte gutwillig nach. Größere Schwierigkeiten verursachte die Verladung auf den kleinen Küstendampfer, auf dem das Tier nach Kalkutta reiste, nicht geringere sein letzter Versand nach Europa, in einem der Größe und Stärke des Nashorns entsprechenden ungefügigen Käfige aus dem eisenfesten Teakholze. Bei der Zähmung selbst ging man mit dem allen Indiern eigenen Verständnisse zu Werke. Durch sanfte Behandlung brach man den Trotz, durch Darreichung von Leckerbissen, namentlich Pisangblättern und Mangozweigen, erwarb man sich nach und nach die Zuneigung und Freundschaft des Wildlings.
Aus diesen Angaben und andern Berichten geht hervor, daß alle Nashornarten, die eine früher, die andere später, gebändigt werden können und trotz ihres reizbaren Wesens verhältnismäßig leicht zahm werden, wenn man sie sanft und freundlich behandelt. Bei denen, die sich auf Schiffen befanden, bemerkte man eine stumpfe Gleichgültigkeit, die nicht einmal nach wiederholten Neckereien dem sonst auflodernden Zorne Platz machte, ganz im Einklange mit der bekannten Tatsache, daß alle Tiere, die das weite Meer um sich sehen, wahrscheinlich im Gefühle ihrer zeitweiligen Schwäche, sich ausnehmend mild und fromm zeigen. Aber wir haben auch andere Belege dafür, daß gefangene Nashörner auffallend zahm wurden. Horsfield rühmt das Badaknashorn als ein sehr gutmütiges Geschöpf. Ein Junges benahm sich im hohen Grade liebenswürdig, widerstrebte nicht, als man es in einem großen Karren fortschaffte, und zeigte sich, nachdem es seinen Bestimmungsort erreicht hatte, umgänglich wie zuvor. Man hatte ihm in dem Schloßhofe von Surakarta einen Platz eingeräumt und diesen durch einen tiefen Graben von ungefähr einem Meter abgegrenzt; hier blieb es mehrere Jahre, ohne daran zu denken, seine Grenze zu überschreiten. Es schien sich mit seiner Lage vollkommen ausgesöhnt zu haben, geriet auch niemals in Zorn, trotzdem es bei seiner Ankunft auf alle Weise geneckt wurde, weil die zahlreiche Bevölkerung der Stadt sich mit dem Fremden aus dem Walde irgendwelchen Spaß machen wollte. Baumzweige, Schlingpflanzen der verschiedensten Art, Strauchwerk usw. wurden ihm in zahlreicher Menge zugeworfen; es zog aber den Pisang allem vor, und die zahlreichen Besucher, die diese Neigung bald auskundschafteten, sorgten nun redlich dafür, daß es diese Lieblingsnahrung in Masse erhielt. Es erlaubte, daß man es berührte und von allen Seiten besah; ja, die kecken unter den Beschauern wagten es zuweilen, auf seinem Rücken zu reiten. Wasser war ihm Bedürfnis; wenn es nicht mit Fressen beschäftigt war oder durch die Eingeborenen aufgestört wurde, legte es sich regelmäßig in tiefe Löcher, die es sich ausgegraben hatte. Als es nach verhältnismäßig kurzer Zeit erwachsen war, genügte der schmale Graben nicht mehr, es abzuschließen. Da geschah es nicht selten, daß es in den Häusern der Eingeborenen Besuche abstattete und in den Pflanzungen, die die Gebäude regelmäßig umgeben, sich oft bedeutende Zerstörungen zuschulden kommen ließ. Die Eingeborenen, die das Tier nicht kannten, wurden natürlich bei seinem Erscheinen in die peinlichste Furcht versetzt, die beherzteren aber trieben es ohne Umstände wieder nach seinem Behälter zurück. Als die Ausflüge in der Nachbarschaft immer häufiger und die Verwüstungen, die es in den Gärten anrichtete, immer toller wurden, war man genötigt, es nach einem benachbarten Dorfe zu treiben, und dort fand es schmählicherweise sein Ende in einem kleinen Flüßchen.
Auch in unsern Tiergärten zeigen sich die meisten Nashörner gutmütig und zahm, lassen sich berühren, hin und her treiben und sonstwie behandeln, ohne sich zur Wehr zu setzen, und gewinnen nach und nach eine entschiedene Zuneigung zu jedem Wärter, der verständig mit ihnen umgeht. Das Leben der gefangenen Nashörner fließt einförmig dahin. Wie in der Freiheit sind sie eigentlich nur in den Früh- und Abendstunden sowie während eines Teiles der Nacht vollkommen munter und so rege, als ihnen der Raum gestattet. Die Mittagsstunden bringen sie schlafend zu, nachdem sie vorher, falls dies ihnen möglich, ein Bad genommen haben. Beim Ruhen legen sie sich bald auf den Bauch und die zusammengebogenen Beine, bald auf die Seite, wälzen sich auch gern im Sande und bewegen dabei die schwere Masse ihres Leibes leichter, als man annehmen möchte. Beim Schlafen werden der Kopf und der lang ausgestreckte Hals auf den Boden gelegt und die Augen geschlossen, die Ohren dagegen auch in tiefster Ruhe noch bewegt; beim Baden verweilen sie stundenlang im Wasser, tauchen, falls das ihnen angewiesene Becken es erlaubt, bis zur Rückenfirste ins Wasser, strecken den Kopf vor und schließen die Augen ebenfalls. Wie sehr ein Begießen oder Benetzen ihrer dicken Haut ihnen Bedürfnis ist, sieht man an denen, die nicht baden können oder wollen und deshalb täglich mittels einer Spritze eingenäßt werden; sie drängen sich, solange der Wärter die Spritze handhabt, an das Gitter, drehen und wenden sich, legen sich nieder und auf den Rücken, wälzen sich auf dem benetzten Boden und geben überhaupt ihr hohes Behagen auf jede Weise zu erkennen, lassen auch währenddem unfriedliche Gedanken nicht aufkommen. Lauwarmes Wasser ist ihnen lieber als kaltes; doch baden sie noch bei vierzehn Grad Luft- und Wasserwärme, ohne Unbehaglichkeit zu bekunden. An die Beschaffenheit des Futters stellen sie, obwohl sie den Unterschied zwischen besserer und minder guter Nahrung zu würdigen wissen, geringe Ansprüche, verlangen aber ziemlich viel, etwa 20 Kilogramm Heu, 3 Kilogramm Hafer oder sonstiges Getreide und 15 Kilogramm Rüben täglich. Baumzweige mit Blättern und saftiges Kleeheu zählen zu ihren Leckerbissen; Weißbrot und Zucker schmeicheln ihrem Gaumen in unverkennbarer Weise; gewöhnliches Stroh oder Sumpfgräser werden übrigens auch nicht verschmäht. Bei regelmäßiger Pflege halten sie selbst in unserm Klima lange aus; man kennt Beispiele, daß sie zwanzig, dreißig, in Indien sogar fünfundvierzig Jahre in der Gefangenschaft lebten, und spricht ihnen daher wohl nicht mit Unrecht eine Lebensdauer von mindestens achtzig oder selbst hundert Jahren zu.
Soviel mir bekannt, hat man noch niemals die Freude gehabt, gefangene Nashörner zur Fortpflanzung schreiten zu sehen; es liegt jedoch meiner Ansicht nach kein Grund vor, die Möglichkeit der Vermehrung gefangener Tiere dieses Geschlechts in Abrede zu stellen. Nur wenige Tiergärten vermochten bis jetzt, irgendeine Art der Familie paarweise zu erwerben, und wenn das wirklich der Fall war, fehlte es meist an genügenden Einrichtungen, um die Tiere zur Paarung zu treiben.
Aller Nutzen, den das Nashorn gewähren kann, wiegt den Schaden, den es während seines Freilebens anrichtet, nicht entfernt auf. In Gegenden, wo ein regelmäßiger Anbau des Bodens stattfindet, läßt es sich nicht dulden; es ist so recht eigentlich nur für die Wildnis geschaffen. Von dem erlegten Tiere weiß man fast alle Teile zu verwenden. Nicht bloß das Blut, sondern auch das Horn steht in hohem Ansehen wegen seiner geheimnisvollen Kraft. Im Morgenlande sieht man in den Häusern der Vornehmen allerlei Becher und Trinkgeräte, die aus dem Horne des Tieres gedreht sind. Man schreibt diesen Gefäßen die Eigenschaft zu aufzubrausen, wenn eine irgendwie giftige Flüssigkeit in sie geschüttet wird, und glaubt somit ein sicheres Mittel zu haben, sich vor Vergiftungen zu schützen. Die Türken der höheren Klassen führen beständig ein Täßchen von Rhinozerushorn bei sich und lassen es in allen zweifelhaften Fällen mit Kaffee füllen. Gar nicht selten kommt es vor, daß ein Türke, der einen andern besucht, von dem er sich eben nicht viel Gutes versieht, in dessen Gegenwart durch seinen Diener das Horntäßchen mit dem Kaffee füllen läßt, der als Freundschaftstrank jedem Ankommenden gereicht wird, und es scheint fast, als nähme der Wirt eine so beispiellose Ungezogenheit gar nicht übel. Noch häufiger wird das Horn zu den Griffen der kostbaren Säbel verwendet. Wenn es gut gewählt und geglättet ist, zeigt es eine unbeschreiblich schöne, sanft rötlichgelbe Farbe, die mit Recht als ein besonderer Schmuck der Waffe betrachtet wird. Aus der Haut verfertigen die Eingeborenen gewöhnlich Schilde, Panzer, Schüsseln und andere Gerätschaften. Das Fleisch wird gegessen, das Fett hoch geachtet, obwohl Europäer das eine wie das andere als schlecht bezeichnen. Hier und da benutzt man, und sicherlich nicht ohne Erfolg, das Fett zu Salben der verschiedensten Art, wie auch das Mark der Knochen hier und da als Heilmittel gilt.
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Ungleich plumper noch als Elefant und Nashorn ist das Nil- oder Flußpferd, Djamús el Bahhr und Aésint der Sudanesen, Gomari der amharisch redenden Abessinier, Robi der Galla, Omfobo der Sulu, Jhubu der Betschuanen usw. ( Hippopotamus amphibius), neben einem kleineren Verwandten, dem noch wenig bekannten liberianischen Zwergflußpferde ( Hippopotamus liberiensis), der einzige noch lebende Vertreter einer besonderen Familie, der Illiger den Namen der Plump- oder Feisttiere ( Obesa) gegeben hat. Viel richtiger als die Griechen, deren Namen wir übersetzten, richtiger auch als die Araber, deren Namen »Djamús el Bahhr« Wasserbüffel bedeutet, bezeichneten die alten Ägypter den ungeschlachten Riesen, der bei ihnen »Flußschwein« genannt wurde; denn, wenn überhaupt, nur mit den Schweinen darf der »Behemot« der Bibel verglichen werden.
Bei einer rein äußerlichen Betrachtung unterscheidet mehr als alles übrige der Kopf das Nilpferd von andern Säugetieren. Ihn kennzeichnen die fast viereckige Gestalt, die kleinen Ohren und Augen sowie die schief gegeneinandergestellten, großen, bogig schlitzförmigen Nasenlöcher, die mit den übrigen Sinneswerkzeugen die höchsten Punkte einer Fläche bilden, in die Stirn und Gesichtsteil muldig sich einsenken; ihn kennzeichnet ebenso die unförmliche Schnauze, deren glatter und dicker, hinten auch ziemlich schmaler Oberteil vorn sich verbreitert und erhebt, hierauf aber in Gestalt der dicken Oberlippe seitlich tief herabfällt, das scheußliche Maul allseitig deckend und schließend. Der Hals ist kurz und kräftig, der Leib zwar gestreckt, zugleich aber über alles gewohnte Maß verdickt, daher ungemein plump, der Rücken am Kreuze höher als am Widerrist, in der Mitte eingebogen, der Bauch voll und rund, in seiner Mitte so tief herabgesenkt, daß er beim Gehen auf schlammigem Grunde den Boden berührt, der Schwanz kurz und dünn, gegen die Spitze hin seitlich zusammengedrückt; die unverhältnismäßig kurzen, formlosen Beine haben breite, vorn und hinten vierhufige Füße, deren durch kurze Schwimmhäute verbundenen Zehen sämtlich nach vorn gerichtet sind. Nur an der Schwanzspitze stehen kurze, drahtähnliche Borsten; im übrigen bemerkt man auf der über zwei Zentimeter dicken Haut, die zumal am Halse und vorn an der Brust einige tiefe Falten bildet, höchst spärlich kurze, borstenartige Haare. Durch sich kreuzende Furchen wird die Haut in schuppenartige Felder geteilt, die bald größer, bald kleiner sind. Ihre Färbung ist ein eigentümliches Kupferbraun, das auf der Oberseite mehr in das Schmutzigdunkelrote, auf der Unterseite mehr in das Hellpurpurbräunliche übergeht. Ziemlich regelmäßig gestellte bräunliche und bläuliche Flecken geben der sonst einförmigen Masse eine gewisse Abwechslung. Übrigens verändert sich die Färbung, je nachdem das Nilpferd trocken oder naß ist. Wenn es eben dem Wasser entsteigt, erscheint sein Oberteil bräunlichblau und der Unterteil fast fleischfarben, wogegen es, wenn die Haut trocknet, dunkler, fast schwarzbraun oder schieferfarben, oder, wenn ihm die Sonne auf den Rücken scheint, gleichförmig bläulichgrau aussieht. Schweinfurth traf mehrmals sehr lichtgefärbte, Kirk fast weiße und gefleckte Stücke sowie auch solche an, bei denen nur die Füße weiß waren. Die Haargefäße der Haut schwitzen, wenn das Tier sich längere Zeit außerhalb des Wassers aufhält oder erregt wird, eine dünnflüssige, blutige Absonderung aus. Die Gesamtlänge eines vollkommen erwachsenen männlichen Nilpferdes beträgt einschließlich des 45 Zentimeter langen Schwanzes 4,2 bis 4,5 Meter, bei höchstens 1,5 Meter Schulterhöhe; das Gewicht eines solchen Riesen mag bis 2500 Kilogramm erreichen.
Das Gebiß des Nilpferdes unterscheidet sich von dem der Schweine, mit dem es am meisten übereinstimmt, weniger durch die Anzahl als durch die Bildung der Zähne. In jeder Kieferhälfte stehen zwei Schneidezähne, ein Eckzahn und sieben Backenzähne; das Gebiß besteht demnach aus vierzig Zähnen. Die beiden mittleren, durch eine Lücke voneinander getrennten Schneidezähne der Unterkiefer sind bedeutend größer als die seitlichen, in gewissem Sinne Eckzähnen zu vergleichen, jedoch wagerecht gestellt, die des Oberkiefers, deren mittleres Paar durch eine noch größere Lücke getrennt wird, kleiner, gekrümmt und senkrecht gestellt, die Eckzähne des Unterkiefers, riesige Hauer, die vier bis sechs Kilogramm an Gewicht erreichen können, dreiseitig, halbkreisförmig gebogen, an der Spitze schief abgeschnitten und mit tiefen Längsfurchen gezeichnet, die oberen, nach unten gerichteten merklich kürzer und schwächer, aber ebenfalls gekrümmt und schief abgestutzt, die Backenzähne, von denen der erste im Alter auszufallen pflegt und die von vorn nach hinten an Größe zunehmen, kegelförmig oder gefurcht, der vierte bis sechste von ihnen mit vier Höckern versehen, deren Kauflächen bei Abnutzung kleeblattartige Zeichnungen erkennen lassen. Das Gerippe ist außerordentlich massig in allen seinen Teilen, der Schädel fast vierseitig, flach und niedergedrückt, der Hirnteil klein, die Augenhöhle vom Stirnbein und Jochbogen hoch umrandet, das übrige Knochengerüst dick, plump und schwer. Unter den inneren Teilen fällt besonders der vierfach geteilte Magen aus.
Das Nilpferd war den Alten wohlbekannt, wie uns die ägyptischen Denkmäler und die Bibel, die Schriften der Griechen und der Römer zur Genüge beweisen. »Das Flußpferd«, so schreibt mir mein gelehrter Freund Dümichen, »wird in den ägyptischen Schriften nicht Nilpferd, sondern Flußschwein genannt; › Rer‹, d. h. das sich wälzende Tier, womit man ebenso das sich im Wasser wie im Kot wälzende, das Nilpferd wie das Schwein bezeichnete. Nach den Darstellungen und Inschriften zu schließen, muß in alten Zeiten das Flußpferd im ägyptischen Nil sehr häufig gewesen sein. Die Jagd auf dieses Tier gehörte zu den beliebtesten Vergnügungen des vornehmen Ägypters. Wiederholt finden sich an den Wänden der Gräber, namentlich der des alten Reiches, Darstellungen, die uns in anschaulichem Bilde vorführen, wie man diesen Wasserriesen zu Leibe ging, indem man sie teils mit Harpunen erlegte, teils mittels Metallhaken, die an zwei oder drei Stricken befestigt waren, sich ihrer bemächtigte.« Die Bibel nennt das Flußpferd Behemot und sagt von ihm, daß seine Knochen fest seien wie Erz und die Gebeine wie eiserne Stäbe, daß er gern im Schatten des Rohres und im Schlamme verborgen liege, von den Bachweiden gedeckt werde, den Strom in sich schlucke und sich dünken ließe, als wolle er den Jordan mit seinem Maul ausschöpfen. Griechische und römische Schriftsteller, von Herodot an bis zu Plinius, gedenken seiner oft, beschreiben ihn, so gut sie können, und schildern richtiger noch seine Sitten und Gewohnheiten. Alle späteren Schriftsteller stützen sich zumeist auf die Berichte der Alten, und erst Geßner fügt, nach Belons Angaben, Neues hinzu, ohne jedoch damit die aus wahren und falschen Angaben zusammengesetzte Naturgeschichte des Tieres zu klären.
Gegenwärtig muß man schon ziemlich tief in das Innere Afrikas eindringen, ehe man den Tiergestalten begegnet, die ich zurückgelassene aus der märchenhaften Vorzeit nannte. Namentlich an dem heiligsten Strome sind die altberühmten Tiere weit nach dem Herzen des Erdteils und nach den Jugendländern des Stromes, »der seine Quellen verbirgt«, gezogen. Erst wenn man in das tiefe Innere kommt, werden die viertausend Jahre alten Bilder der Heiligen Schrift auf den Tempeln Ägyptens lebendig; dort finden sich heute noch wie vor Jahrtausenden dieselben Tiere unter den sich gleich gebliebenen Menschen; dort begegnen wir neben dem Pavian und dem Krokodil, dem heiligen Ibis und dem Tantalus jenen übriggebliebenen: dem Elefanten, dem Nashorn und dem Nilpferd. Wo der Mensch zur unbedingten Herrschaft gelangt ist, sind letztere der furchtbaren Feuerwaffe erlegen; da, wo ihn nur die Lanze oder der Bogen bewehrt, stehen sie ihm heute noch feindlich gegenüber. Noch im Sommer des Jahres 1600 konnte der neapolitanische Arzt Zerenghi in der Nähe von Damiât, also am Ausfluß des einen Nilarmes, zwei Flußpferde in Fallgruben fangen und so ihre Haut erbeuten, die dann nach Rom gebracht wurde, wie früher die lebenden Vorfahren des Untiers. Gegenwärtig ist das Nilpferd in ganz Ägypten und auch in Nubien, wo es Rüppell noch anfangs dieses Jahrhunderts in ziemlicher Anzahl traf, ausgerottet worden; denn nur höchst selten schwimmt es unter die Gebirgskette Rherri, die als die Südgrenze des Sonnenlandes gilt, im Strome hinab. Anders ist es im Ostsudan. Erst hier zeigt sich überhaupt Afrika in seiner wahren Gestalt, und hier beherbergen die Wälder und die Ströme die eigentlich merkwürdigen Geschöpfe. In allen größeren Strömen und Seen des inneren Afrika ist das Nilpferd noch heute eine gewöhnliche Erscheinung.
Der Stadt Chartum, am Zufluß des Weißen und Blauen Nils, gegenüber liegt eine kleine, baumreiche Insel im Weißen Strome. Auf ihr sah ich noch im Jahre 1851 das wohlbekannte Paar »Wasserbüffel«, das alljährlich mit der steigenden Flut aus den Urwäldern des oberen Gebietes herabkam, und ich habe manche Büchsenkugel vergeblich nach seinen Köpfen entsandt. Nach Norden hin darf gegenwärtig der achtzehnte Breitengrad als die Grenze seines Vorkommens im Nilgebiet angesehen werden; im oberen Laufe aller Zuflüsse des heiligen Stromes dagegen tritt es, Flußseen mit schwimmender Pflanzendecke ausgenommen, noch überall und an den meisten Orten verhältnismäßig häufig auf. Dasselbe gilt für andere Flußgebiete Afrikas. Lander sah im Niger eine unglaubliche Menge Fluhpferde; Major Denham fand sie im Mehabieflusse in großer Anzahl; Ladislaus Magiar beobachtete sie nahe an der Küste; Anderson in Südafrika, oben im Flusse Tumbi; Gordon Cumming im Kaffernlande; er sah einmal auf einer großen Halbinsel des Limpopoflusses bis siebzig Stück beisammen. In Süd-, Ost- und Westafrika gehen sie in den Flüssen viel weiter nach der Küste herab als in der nördlicheren Hälfte des Erdteils, schwimmen auch gar nicht selten in das Meer hinaus. Von der Decken versicherte mir, daß mehrmals Nilpferde auf Sansibar gesehen worden sind, die selbstverständlich nur von der gegenüberliegenden Küste herübergekommen sein konnten und einen Meeresarm von fünfunddreißig englischen Meilen Breite durchschwommen hatten. Ebenso wandern sie flußaufwärts, soweit die Strömung es ihnen gestattet, sind daher in dem fast zweitausend Meter über dem Meere gelegenen Tanasee in Habesch noch einheimisch. In allen Strömen, deren Wasserstand wechselt, führen sie ein förmliches Wanderleben, indem sie bei Abnahme des Wassers aus dem oberen Flußgebiete gesellschaftlich in das untere ziehen und umgekehrt wieder aufwärts steigen, wenn Regengüsse jenen Teil des Flußlaufes von neuem gefüllt haben. Auch kann es vorkommen, daß sie sich gelegentlich solcher Streifzüge an einem Orte, der ihnen behagt, bleibend ansiedeln, wie dies, nach Kerstens Angabe, auf der südlich von Sansibar gelegenen kleinen Insel Mafia geschehen ist.
Da ich während meines langen Reiselebens oft genug mit Flußpferden zusammengekommen bin, stütze ich mich im nachfolgenden vorzugsweise auf eigene Beobachtungen, füge diesen jedoch die nötigen Ergänzungen nach den Angaben anderer glaubwürdigen Reisenden bei.
Das Nilpferd ist mehr als jeder andere Dickhäuter an das Wasser gebunden; denn es geht eigentlich nur ausnahmsweise von ihm aus auf das Land. Dies geschieht da, wo der Strom nicht selbst reich an Pflanzen ist, regelmäßig des Nachts, der Äsung halber, ausnahmsweise aber auch bei Tage, um auf den Sandbänken sich zu sonnen. Wenige Meilen oberhalb der »Hauptstadt der Hölle«, wie die im Sudan Reisenden Charthum zu nennen pflegen, sieht man in den Schlammbänken der Stromufer häufig Spuren unseres Tieres, etwa 60 Zentimeter tiefe, baumstarke Löcher zu beiden Seiten einer muldenartig eingedrückten Furche. Dies sind die Fährten des Nilpferdes, die dieses zurückläßt, wenn es auf seinen nächtlichen Weidegängen dem Strome entsteigt, um nach dem pflanzenreichen Urwalde oder nach einem Felde zu wandern. Die Löcher rühren von den Beinen her, die Furche von dem auf dem Schlamme dahingeschleppten Bauche, bis zu dem das Untier auf dem weichen, nachgiebigen Boden versinkt. Bei der im allgemeinen geringen Abflachung des Abiadt oder Weißen Stromes, der während der Regenzeit an vielen Orten meilenweit seine Ufer überschwemmt und ganze Waldungen unter Wasser setzt, kann man jene Fährten viertelmeilenweit verfolgen. Am oberen Blauen Flusse oder da, wo der Abiadt steiluferig ist, erkennt man den Aufenthalt des Nilpferdes leicht an den Ausstiegen, die es sich bahnt, wenn es vom Wasser aus an dem steilen Ufer emporklimmt. Diese Stiegen stehen zu der Plumpheit des Tieres in keinem Verhältnis; denn sie sind oft so steil, daß ein Mensch nur, wenn er sich rechts und links an den Zweigen festhält, auf ihnen emporklettern kann; man begreift also nicht, wie es dem schweren Dickhäuter möglich ist, solche Wege zu begehen. Von den Stiegen aus führt noch ein kurzer Gang in das Innere des Waldes. Er unterscheidet sich leicht von den Wegen, die die Elefanten zurücklassen, wenn sie durch den Urwald ziehen; denn die Gesträuche auf und neben ihm sind einfach niedergetreten, nicht aber auch abgebrochen und zur Seite geschleudert.
An günstigen Stellen des Flusses, da, wo die Felder nahe an den Ufern liegen oder reiche Waldungen diese bedecken, am sichersten dort, wo das eigene Bett des Stromes zugleich als Weideplatz dienen kann, weil eine Menge von Wasserpflanzen in ihm wachsen, entdeckt man die Flußriesen bald. In Zwischenräumen von drei, höchstens vier Minuten bemerkt man irgendwo einen dampfartigen Wasserstrahl, der sich etwa einen Meter über die Wasserfläche erhebt, und vernimmt zugleich ein eigentümliches Schnauben und Brausen, vielleicht auch ein dumpfes Brummen, das an das grollende Brüllen eines Bullen erinnert; dort ist soeben ein Flußpferd aufgetaucht, um Luft zu schöpfen. Wenn man nahe genug steht, kann man auch den ungeschlachten Kopf desselben wahrnehmen: eine formlose, rote oder bräunlichrote Masse, auf der man zwei Spitzen, die Ohren, und vier Hügel, die Augen und die Nasenlöcher, unterscheidet. Mehr als den Kopf wird man von einem im Wasser sich bewegenden Nilpferde selten zu Gesicht bekommen, und diesen Kopf kann man, wenn man ihn zum ersten Male sieht, leicht verkennen. Hält man sich unter dem Winde und bleibt ruhig, vielleicht in einem Gebüsch verborgen, so kann man das auf- und niederschwimmende, im Wasser gleichsam spielende Tier mühelos beobachten. Man sieht dann auch, daß auf der eingedrückten Stirn zwischen Augen und Ohren ein kleiner Teich zurückbleibt, wasserreich genug, um einem Goldfischchen oder einem Paar Schmerlen das Leben zu fristen. Man darf es wagen, mit einem größeren Schiff zu solchen Köpfen hinzufahren; denn das Tier scheut sich da, wo es nicht gereizt wurde, keineswegs vor der Barke, sondern glotzt sie höchstens mit dummer Verwunderung an, ohne sich durch sie und die auf ihr befindlichen Menschen in seinem Auf- und Niedertauchen stören zu lassen. Höchst selten bleibt es mehrere Minuten lang unter Wasser; die Angaben der Reisenden, die von zehn Minuten oder eine Viertelstunde währendem Untertauchen des Tieres sprechen, sind dahin zu berichtigen, daß ein unverwundetes allerhöchstens vier Minuten unter dem Wasser verweilt, oft aber eben nur mit den Nasenlöchern über die Oberfläche emporsteigt und, nachdem es einen neuen Atemzug getan hat, wieder im Wasser versinkt. Ich bezweifle, daß ein Nilpferd imstande ist, länger als fünf Minuten unter dem Wasser auszuhalten.
Wie die meisten Dickhäuter, ist auch das Flußpferd ein geselliges Tier. Höchst selten findet man es einzeln. Einmal sah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinsel sich ergehen, ein andermal traf ich ihrer sechs in einem See, nahe am Ufer des Blauen Flusses. Größere Gesellschaften, die als unmittelbar zusammengehörend angesehen werden konnten, fand ich nicht; wohl aber berichten andere Reisende, wie schon angegeben, von zahlreicheren Trupps. Der Wohnkreis einer Gesellschaft ist beschränkt, weil er stets in der Nähe guter Futterplätze liegt, und so genügt unter Umständen schon ein großer Tümpel mehreren Flußpferden zu längerem Aufenthalte; der erwähnte See, in dem ich sechs Stück sah, hatte höchstens eine halbe Gehstunde im Umfange. Bewohnen sie engere, weniger tiefe Gewässer, in denen die dürre Jahreszeit viele Stellen trockenlegt, so bemerkt man, laut Heuglin, daß sie tagsüber gewisse Plätze nicht verlassen. Dort haben sie sich auch wohl inmitten des Flußbettes Gruben angelegt, lange, tiefe Mulden in der Richtung des Stromstriches, in denen sie bequem tauchen und bei Verfolgung sich verbergen können. Mehrere solcher Mulden, von denen jede drei bis vier oder noch mehr Nilpferde aufnehmen kann, stehen zuweilen durch grabenartig eingetiefte Gangstraßen untereinander in Verbindung und bilden unter Wasser liegende Wechsel der Tiere. Ist an einer Stelle die Weide knapp geworden, so zieht sich das Nilpferd langsam nach einer andern Stelle.
Bei Tage verläßt die Gesellschaft nur an ganz menschenleeren Orten das Wasser, um in der Nähe des Ufers teils auf seichten Stellen, teils auf dem Lande selbst, am liebsten im tiefen Schilfe, durch das seine eigentümlichen, grabenartigen, vom überhängenden Röhricht oft gänzlich verdeckten Wechsel führen, einem träumerischen Halbschlummer sich hinzugeben. Dabei zeigen die bequem dahingestreckten Tiere ganz die Behaglichkeit der Schweine, die sich suhlen, oder der Büffel, die im Strome sich baden. Von Zeit zu Zeit grunzen die männlichen Tiere nach Art der Schweine und erhebt eins um das andere den Kopf ein wenig, um zu sichern. Mehrere Vögel treiben ungescheut ihr Wesen neben und auf den ruhenden Ungeheuern. Der Regenvogel ( Hyas aegyptiacus) rennt ohne Unterlaß um sie herum und pickt Kerbtiere und Egel von deren Fellen weg; der kleine Kuhreiher spaziert ernsten Schrittes auf dem Rücken hin und her, um diesen selbst von dem Ungeziefer zu säubern. In Südafrika vertritt der bereits erwähnte Madenhacker die Stelle dieser wohltätigen Freunde. Die Araber des Ostsudan behaupten, daß es der Regenvogel übernehme, bei Gefahr das Nilpferd zu warnen, und wirklich achtet dieses auf das Geschrei seines kleinen, aufmerksamen Gesellschafters und geht in das Wasser, wenn der Vogel durch irgendwelche Erscheinung besonders aufgeregt wird. Sonst bekümmern sich die Nilpferde nicht viel um das Treiben um sich her, und bloß an solchen Orten, wo sie den Menschen und sein furchtbares Feuergewehr kennenlernten, nehmen sie sich vor ihrem Haupt-, ja alleinigen Feinde mehr in acht, als dies in den Ost- und Westländern Afrikas der Fall sein soll. So wird der Tag zwischen Schlummern und Wachen verbracht. Unzweifelhaft schlafen die Nilpferde nach Art der Büffel auch im Wasser, indem sie sich mehr nach der Oberfläche desselben emporheben und durch regelmäßiges Bewegen ihrer Beine in gleicher Lage erhalten, so daß die Nasenlöcher, die Augen und die Ohren über dem Wasserspiegel erhoben sind und die Atmung ungestört besorgt werden kann.
Gegen Abend kommt Leben in die Gesellschaft. Das Grunzen der Männchen erstarkt zu einem Gebrüll, und die ganze Herde taucht spielend auf und nieder im Strome. Dann und wann beginnt sogar ein lustiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen scheinen sie sich gern zu zeigen; ich wenigstens habe bemerkt, daß sie unser Boot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken hin begleiteten. Zuweilen verursachen sie einen Höllenlärm durch ihr Schnauben und Grunzen, Brüllen und Wassergurgeln, so daß sie förmlich ermüden können. Dann meint man manchmal, mitten unter ihnen zu sein, während sie in einer ziemlichen Entfernung vom Boote sich umhertreiben, wogegen man auch wiederum dicht neben ihnen hinsegeln kann, ohne etwas von ihnen wahrzunehmen. Sie schwimmen mit erstaunlicher Leichtigkeit in jeder Wassertiefe, tauchen auf und nieder, bewegen sich ruck- oder satzweise, wenden sich mit überraschender Gewandtheit nach allen Seiten und durchschneiden die Wellen mit dem besten Ruderboot um die Wette. Die dicken Fettlagen, die ihren Leib allseitig umgeben, vermindern ihr Gewicht so, daß es dem des Wassers ganz oder ziemlich gleichkommt und sie befähigt werden, jede Tiefe des Stromes zu bewohnen. Wenn man den ungeheuren Körperumfang des Tieres betrachtet, nimmt es einen nicht mehr wunder, daß durch solche Masse über zweitausend Kilogramm Wasser weggedrängt werden können. Ich habe bei ruhigem Schwimmen des Tieres niemals eine heftige Ruderbewegung desselben bemerken können; das Wasser um das schwimmende Nilpferd bleibt vielmehr glatt und unbeweglich; aber das Gegenteil findet statt, wenn das Vieh wütend auf einen Feind stürzt oder nach einer Verwundung im Flusse umhertobt. Dann schnellt es die Hinterbeine überaus heftig zurück, schießt in förmlichen Sätzen vorwärts und bringt einen ganzen See in Aufruhr, so daß er hohe Wellen wirft; ja, die Gewalt seiner Bewegungen ist so groß, daß es, wie erwiesen, mittelgroße Schiffe emporheben und zertrümmern kann. Auch wenn Flußpferde, ruhig am Flußufer sich sonnend und schlafend, plötzlich aufgestört und erschreckt werden, beweisen sie, daß sie nicht so plump sind, als sie scheinen; denn sie springen unter Umständen mit einem mächtigen Satze selbst von einem erhöhten Platze aus in das Wasser, wie Baker behauptet, sogar dann, wenn dieses sechs Meter tief unter ihnen liegt, und werfen dabei Wellen auf, als ob ein kleiner Raddampfer in rascher Fahrt die Wellen durchschnitten habe.
»Die Stimme dieser Riesen einigermaßen annähernd zu beschreiben,« sagt Heuglin mit vollstem Rechte, »liegt wohl nicht in der Macht des Wortes. Sie besteht in einem Brüllen, das entfernt mit dem des Büffelstieres verglichen werden kann, wird entweder in einem einzelnen gezogenen Ton oder mehrmals hintereinander ausgestoßen und ist ein tiefer, weithin hallender Baß, der aus einer großen, hohlen Tonne zu kommen scheint. Man ist versucht zu glauben, daß das Brüllen der höchsten Wut und Gereiztheit Ausdruck geben solle, während das Tier doch ganz friedlich spielt. Das Gebrüll von mehreren wetteifernden Bullen, das plötzlich durch die stille Nacht der Einsamkeit schallt, verbunden mit dem Rauschen, Blasen und Plumpen der tauchenden Flußpferde, macht einen unendlich großartigen Eindruck, den auch die Tiere der Wildnis zu empfinden scheinen, denn der Schakal, die Hyäne und selbst der Löwe schweigen und lauschen, wenn, dem Rollen des Erdbebens vergleichbar, Behemots Donnerstimme sich über die Wasserflächen wälzt und, vom fernen Urwalde gedämpft, auf fernhin widerhallt.«
In den seeartigen Pflanzenreichen Stellen des Abiadt verläßt das Nilpferd auch zur Nachtzeit das Strombett nicht oder nur höchst selten. Es frißt dort bei Tage und bei Nacht von den im Wasser selbst wachsenden Pflanzen. Wie das Zarte und Erhabene so oft dem Rohen und Gemeinen unterliegen muß, so auch hier; der durch die Sinnigkeit längst vergangener Völker geheiligte, als Bild der Gottheit betrachtete Lotos, der herrliche, königliche Bruder unserer stillen, lieblichen Wasserrose, dient zur Hauptnahrung der Nilpferde. Die Pflanzen, deren Gestalt allein schon ein Gedicht und deren Blüten gleich ausgezeichnet sind durch ihre Farbe wie durch ihren Duft, werden von dem plumpesten, rohesten aller Säugetiere des festen Landes – gefressen. Außerdem nähren sich an solchen Orten die Flußpferde auch noch von andern Wasserpflanzen, zumal von den rankenden, die tief unten im schlammigen Grunde wurzeln und halb über, halb unter dem Wasser ihre Blätter entfalten. Schilf und selbst Rohr dienen unter Umständen ebenfalls zur willkommenen Nahrung. In jener Inselflur des Abiadt, wo dieser bald zum stillen, klaren See, bald zum faulenden Sumpfe und bald wieder zum Bruch mit paradiesischer Pflanzenpracht und aller Tücke solchen Reichtums wird, sich selbst nur hier und da als langsam dahinschleichender Fluß bekundend, leben Nilpferd und Krokodil zu Hunderten ausschließlich im Strome, ohne sich um die Außenwelt viel zu bekümmern. Hier bieten der berühmte Papyrus, der Lotos, der flaumleichte Ambakh, die Neptunwasserlilie und hundert andere Pflanzen dem Dickhäuter Nahrung in Hülle und Fülle. Man sieht ihn an solchen Stellen fortwährend auf- und niedertauchen, um sich Nahrung vom Grunde loszureißen. Ein solche Pflanzen fressendes Nilpferd ist eine wahrhaft ekelhafte Erscheinung. Aus die Entfernung einer Zehntelmeile kann man das Aufreißen des Rachens mit bloßen Augen sehen, auf ein paar hundert Schritte hin deutlich alle Bewegungen beim Fressen wahrnehmen. Der ungeschlachte Kopf verschwindet in der Tiefe, wühlt unter den Pflanzen herum, und auf weithin trübt sich das Wasser von sich auflösendem Schlamme; dann erscheint Behemot wieder mit einem großen, dicken Bündel abgerissener Pflanzen, das für ihn eben ein Maul voll ist, legt das Bündel auf die Oberfläche des Wassers und zerkaut und zermalmt es hier langsam und behaglich. Zu beiden Seiten des Maules hängen die Ranken und Stengel der Gewächse weit heraus; grünlicher Pflanzensaft mit Speichel untermischt läuft beständig über die wulstigen Lippen herab; einige halb zerkaute Grasballen werden ausgestoßen und von neuem verschlungen; die blöden Augen glotzen bewegungslos ins Weite, und die ungeheuren Schneide- und Eckzähne zeigen sich in ihrer vollen Größe.
Anders ist es in allen Gegenden, wo steile Ufer die Flüsse begrenzen, z. B. am Asrak, dessen rascher Lauf Seebildung nicht gestattet. Hier muß das Nilpferd an das Land gehen, um zu weiden. Etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang, dem in den Wendekreisländern bekanntlich fast zauberisch schnell die lichte, schöne Nacht folgt, entsteigt es, mit größter Vorsicht lauschend und spähend, dem Strome und klettert an den steilen Uferpfaden empor. Im Urwalde sieht man seine Wege überall, wo der Reichtum der Pflanzenwelt fette Weide verspricht. In der Nähe bewohnter Ortschaften richten sich die Pfade nach den Fruchtfeldern. Hier fällt es verheerend ein und vernichtet in einer einzigen Nacht oft ein ganzes Feld. Seine Gefräßigkeit ist ungeheuerlich, und trotz der Fruchtbarkeit seiner Heimat kann es, wenn es nur einigermaßen zahlreich wird, zur wahren Landplage werden; denn weit mehr noch, als es wirklich zur Nahrung bedarf, zerstampft es mit den plumpen Füßen oder knickt es um, wenn es sich, nachdem es satt geworden, nach Schweineart behaglich in einer seichten Vertiefung hin und her wälzt. Es verzehrt alle Getreidearten und ebenso sämtliche Gemüse, die im Lande gebaut werden, so, laut Baker, auch Wassermelonen, von denen jede, trotzdem sie Kürbisgröße hat, eben nur einen einzigen Bissen ausmacht. Von Baumzweigen äst es selten; Gras aber werdet es nach Rinderart, nur daß es mit seinem ungeheuren Maul ganz andere Büschel abreißt, als ein Rind dies vermag. Seine Losung, in der man niemals Ast- oder Wurzelreste, Rinde oder andere holzige Teile findet, entleert es, laut Heuglin, gewöhnlich beim Aussteigen aus dem Wasser, unter schüttelnder Bewegung des Schwanzes.
Auf seinen Weidegängen schadet das Flußpferd übrigens nicht bloß durch seine Verheerungen unter den Pflanzen, sondern wird auch zu einem das Leben des Menschen und der Tiere bedrohenden Ungetüm; denn mit blinder Wut stürzt es auf alle sich bewegenden Gestalten und vernichtet sie, wenn es dieselben erreicht. Die vier gewaltigen Eckzähne der Kiefer sind andern Tieren gegenüber furchtbare Waffen; mit ihnen zermalmt es ein Rind. Wo Nilpferde hausen, werden die Herden sorgfältig bewacht, weil auch die harmlosesten Geschöpfe das abscheuliche Vieh zu blindwütendem Zorne reizen. Rüppell berichtet, daß ein Nilpferd vier Zugochsen zermalmte, die ruhig an einem Schöpfrade standen. Ich selbst habe mehrere ähnliche Geschichten vernommen, auch ebenso wie Baker erzählen hören, daß es mit Menschen nicht besser verfährt als mit Tieren. Wer sein Wesen als ein friedliches und gemütliches bezeichnet, ist mit ihm nicht in gleicher Weise zusammengekommen wie ich, hat nicht vor ihm flüchten müssen, hat es vielleicht niemals in seiner vollen Wut gesehen. Schon solange es sich im Wasser befindet, ist ihm nicht gänzlich zu trauen. In der Regel greift es hier allerdings größere Boote nicht an, weicht ihnen vielmehr mit einer gewissen Scheu und Vorsicht aus; unter Umständen aber verfährt es auch umgekehrt und gefährdet dann leichtere Fahrzeuge nebst den in ihnen sich befindenden Menschen aufs äußerste. »Leutnant Vidal«, so erzählt Owen, »hatte in einem leichten Boot eben seine Fahrt auf dem Flusse Tembi in Südwestafrika begonnen, als er Plötzlich einen überaus heftigen Stoß von unten fühlte, so daß der Hintere Teil des Fahrzeugs fast über das Wasser emporgehoben und der Steuermann über Bord geschleudert wurde. Im nächsten Augenblick erhob sich ein riesiges Flußpferd aus dem Wasser, stürzte wild und drohend mit offenem Rachen auf das Boot los, faßte es mit seinen fürchterlichen Kinnladen und riß sieben Bretter auf einmal los; hierauf verschwand es, kam jedoch wieder herauf, um seinen Angriff zu erneuern, und wurde nur durch einen Schuß ins Gesicht von seinem Vorhaben abgehalten. Das Boot, das sich sofort mit Wasser füllte, war glücklicherweise so nahe am Ufer, daß man dieses noch erreichen konnte, bevor es unterging. Wahrscheinlich hatte der Kiel des Fahrzeuges den Rücken des Tieres gestreift und es dadurch zum Angriff gereizt.« Ich finde keinen Grund, an der Wahrheit dieser Erzählung zu zweifeln; denn auch meine Schiffer berichteten Ähnliches, wichen deshalb den Nilpferden gewöhnlich aus und sahen es nicht gern, wenn wir von Bord aus auf sie schossen. Viel gefährlicher aber als im Wasser sind die riesigen Dickhäuter auf dem Lande. Hier ergreifen sie, wie ich selbst erfuhr und weiter unten erzählen will, keineswegs immer, im gereizten oder auch nur erregten Zustande sogar ausnahmsweise die Flucht, nehmen vielmehr, gleich einem erzürnten Schwein, ohne weiteres den Menschen an, Packen, nach Versicherung der Eingeborenen, den Gegenstand ihrer Wut mit dem Maul, zermalmen ihn mit ihrem furchtbaren Gebiß und zerstampfen ihn zuguterletzt mit den Füßen zu Brei. Ein Araber, der seinen Melonengarten gegen ein brandschatzendes Nilpferd verteidigen wollte, wurde, wie Baker berichtet, von dem ungeschlachten Gesellen sofort angegriffen und mit einem einzigen Biß getötet. Hierdurch kühn und dreist gemacht, wagte es dasselbe Tier, bei verschiedenen Gelegenheiten Hirten und ihre Herden auch außerhalb des Wassers anzufallen, und hatte die umwohnenden Leute bald so in Furcht gesetzt, daß sich niemand mehr in die Nähe des von ihm beherrschten Flusses getraute.
Noch gefährlicher als gewöhnlich wird das Nilpferd, wenn es ein Junges zu schirmen hat. Über die Zeugung, die Geburt der Jungen und die Dauer der Tragzeit hat man erst in der Neuzeit an Gefangenen Beobachtungen gemacht, da sich diese schon einige Male fortgepflanzt haben. Von der Fortpflanzung der freilebenden Tiere weiß man nur so viel, daß ein Junges etwa im ersten Drittel der Regenzeit, die die meiste und saftigste Nahrung bringt, demnach in den verschiedenen Ländern Afrikas zu sehr verschiedener Zeit geboren wird, je nachdem der Frühling der Wendekreisländer dort eintritt. Die für ihr Kind zärtlich besorgte Mutter sieht auch in den unschuldigsten Dingen Gefahr und stürzt sich mit furchtbarer Wut auf jeden Feind. Es scheint, daß das Junge lange Zeit von der Mutter geführt und geleitet wird; denn Livingstone sah Junge, die, wie er sagt, nicht viel größer waren als Dachshunde, während ich meinesteils niemals so kleine, sondern höchstens solche beobachtet habe, die die Größe eines vollständig ausgewachsenen Ebers hatten, der bedeutend größeren, die noch immer mit der Alten gingen, nicht zu gedenken. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß auch der Vater sich seines Sprößlings schützend annimmt; wenigstens sah ich fast immer um ein Junges zwei Alte. Die Mutter ist leicht zu erkennen. Sie läßt ihr Kind keinen Augenblick aus den Augen und bewacht jede seiner Bewegungen mit mütterlicher Lust und zärtlichen Sorgen. Zuweilen spielt das ungefügige Tier lustig mit seinem Lieblinge; beide tauchen scherzend auf und nieder und unterhalten sich mit Brummen. Jedenfalls saugt das Junge im Wasser. Ich sah mehrmals ein altes Nilpferd ruhig an der gleichen Stelle liegen, nur den Kopf ein wenig über der Oberfläche des Wassers erhoben, während das Junge von Zeit zu Zeit neben ihm auf- und niedertauchte. Heuglin gibt an, daß das Weibchen aus dem Lande oder im Sumpfe auf einem möglichst versteckten Lager sein Junges zur Welt bringe, dasselbe aber nicht immer sogleich zum Flusse führe, sondern zuweilen auch in eine Grube stecke, die das kleine Tier ohne Hilfe der Alten zu verlassen nicht imstande ist, während die Mutter auf die Weide geht oder mit dem Männchen im tiefen Strome sich wälzt. »Oft«, bemerkt genannter Forscher noch, »sieht man die Eltern in der Strömung liegen, vielleicht mit den Eckzähnen an Wurzeln sich anklammernd und nur einen Teil des eckigen und plumpen Kopfes, über dem Wasserspiegel haltend, während das Junge ohne Zweifel auf dem Rücken der Alten sitzt.« Daß letzteres wirklich der Fall ist, hat schon Livingstone beobachtet und außer diesem und Baker auch Schweinfurth gesehen. Die Hälfte der an einer tiefen, etwa eine halbe Meile langen Flußstelle versammelten Nilpferde erkannte Schweinfurth als Weibchen: »denn sie trugen ihre Jungen auf dem Nacken. Die letzteren schienen zu dieser Jahreszeit (Ende Dezember) noch sehr unbeholfen und unentwickelt zu sein. Stets einzeln hafteten sie rittlings auf der Oberseite des kurzen Halses. Die Mütter schienen ihnen zu Liebe weit häufiger aus dem Wasser emporzutauchen, als sie dessen selbst bedurften. Dieses Auftauchen erfolgte in anderer Weise als bei den Männchen, von denen man gewöhnlich nur die Nüstern und Muffeln gewahrt; die Körper der Weibchen traten in der Weise zutage, daß nur die Jungen über dem Wasser erschienen, ihre eigenen Köpfe dagegen meist unsichtbar blieben.« Ob die Nilpferdmütter ihre Jungen auch bei Spaziergängen über Land mit sich nehmen, wie dies neuerdings ein Reisender behauptet, lasse ich billig dahingestellt sein.
Es ist nicht ratsam, einer Nilpferdmutter, die ihr Kind bei sich hat, zu nahen; denn sie greift auch bei Tage Schiffe und Menschen an, wenn sie Gefahr für ihr Junges wittert. Livingstones Kahn wurde von einem weiblichen Flußpferde, dessen Junges man tagsvorher mit dem Speere getötet hatte, halb aus dem Wasser gehoben und einer seiner Leute herabgeschleudert, ohne daß die Mannschaft das Tier fernerhin gereizt hätte. In den Nilländern kennt man ähnliche Beispiele von derartig erzürnten Flußpferden und weiß auch von vielen Unglücksfällen zu berichten, die sie verursacht haben. Ich selbst habe das Necken alter Nilpferde und ihrer Jungen einmal büßen müssen und will die Geschichte hier erzählen, weil sie zur Kennzeichnung des Tieres beiträgt.
Wir hatten unweit des linken Ufers des Asrak einen Regenteich aufgefunden, der vom Strome während seines Hochstandes gefüllt worden und noch bei unserer Ankunft im Februar ziemlich wasserreich war. Außer einer Menge von Vögeln lebten in ihm auch Krokodile und mehrere Flußpferde mit ihren Sprößlingen. Wahrscheinlich hatten letztere die noch sehr kleinen und verhältnismäßig niedlichen Jungen in dem Teich zur Welt gebracht; wenigstens schien mir der stille, ruhige, rings von Wäldern und an einer Seite sogar von Feldern eingefaßte See zu einem Wochenbette für Nilpferde wohl geeignet. Unsere Aufmerksamkeit und Jagdlust fesselten namentlich die Schlangenhalsvögel, obgleich wir, um auf diese geschickten Taucher feuern zu können, oft bis an die Brust in das Wasser waten mußte«, – trotz der Krokodile und Nilpferde, um die wir uns heute gar nicht kümmerten. Mein Jäger Tomboldo, der die Jagd in Vater Adams Kleidung ausführte, hatte eben den vierten Schlangenhalsvogel glücklich durch den Hals geschossen und watete auf ihn zu, um ihn aufzufischen. Da schreit plötzlich vom andern Ufer her ein Sudaner laut auf und winkt und gebärdet sich wie toll; Tomboldo schaut sich um und sieht ein wutschnaubendes Nilpferd mit mächtigen Sätzen auf sich losstürmen. Das Vieh hat bereits festen Grund unter den Füßen und jagt wie ein angeschossener Eber durch die Fluten; der Nubier ergreift in Todesangst die Flucht und erreicht, bis zum Uferrande von seinem furchtbaren Feinde verfolgt, glücklich den Wald. Ich war mit meiner trefflichen, leider aber bloß leichte Kugeln schiebenden Büchse dem treuen, höchst brauchbaren Diener zu Hilfe geeilt und fand ihn im Gebete und stöhnend auf der Erde liegen: »La il laha il Allah, Mohammed rassuhl Allah! – Es gibt nur einen Gott, und Mohammed ist sein Prophet! – Nur bei Allah, dem Starken, allein ist die Stärke; allein nur bei Gott, dem Helfenden, ist die Hilfe! – Behüte, o Herr, deinen Gläubigen vor den aus deinen Himmeln zur Hölle hinabgestürzten Teufeln! – Du Hund, du Hundesohn, Hundeenkel und Hundeurenkel, du von einem Hund Erzeugter und von einer Hündin Gesäugter – du willst einen Muslim fressen?! Verdamme dich der Allmächtige, und werfe er dich in das Innere der Hölle!« Diese und ähnliche Stoßseufzer und Flüche entrangen sich seinen bebenden Lippen. Dann aber sprang er wütend auf, lud eine Kugel in sein Gewehr und sandte sie dem Nilpferde nach, das noch immer vor uns tobte und lärmte. Die Kugel tanzte lustig auf dem Wasser hin und – an dem Ungetüme vorüber.
»Bei dem Barte des Propheten, bei dem Haupte deines Vaters, Effendi«, bat er mich, »sende du dem nichtswürdigen Gottesleugner aus deiner Büchse eine Kugel zu; – denn auch mein schöner Taucher ist ja verloren!«
Ich willfahrte seiner Bitte, schoß und hörte die Kugel auf den Schädel einschlagen. Das Nilpferd brüllte laut auf, tauchte einige Male unter und schwamm nach der Mitte des Sees zu, wie es schien, ohne durch den Schuß wesentlich gestört zu sein. Nur seine Wut nahm von Stunde zu Stunde zu. Freilich ließ uns unsere Rachsucht fortan die hier und da erscheinenden Köpfe als Scheiben ansehen, nach denen wir, sooft es anging, eine Kugel entsendeten. Ich wußte aus Erfahrung, daß meine schwache Büchsenkugel selbst bei einer Entfernung von noch nicht vierzig Schritten kaum die Haut des Kopfes durchbohren konnte, wollte mir aber gleichwohl das Vergnügen nicht versagen, den »Abgesandten der Hölle« unsern Ärger fühlen zu lassen.
Auf unserer Reise kamen wir, wenige Tage nach diesem Vorfalle, wieder zu demselben See und trieben während der Jagd das Zielschießen nach Nilpferdköpfen wie vorher. In das Wasser durften wir uns allerdings nicht mehr wagen; dafür aber schienen die Flußpferde auch das Land zu achten, und so herrschte jeder Gegner in seinem eigenen Kreise, wir auf dem Lande, die Nilpferde im Wasser. Nach einer sehr ergiebigen Jagd kehrten wir nachmittags auf das Boot zurück, mit der Absicht, die Jagd am andern Morgen fortzusetzen. Da wurden wir gegen Sonnenuntergang benachrichtigt, daß soeben eine zahlreiche Herde von Pelikanen im See angekommen sei, um in ihm zu übernachten. Wir gingen deshalb nochmals aus und begannen unsere Jagd auf die Vögel, die im letzten Strahle der Sonne auf dem dunkeln, hier und da vergoldeten Wasserspiegel wie große weiße Seerosen erschienen. In wenig Minuten hatte ich zwei Pelikane erlegt; Tomboldo jagte auf der andern Seite und feuerte ebenfalls lebhaft. Ihn erwartend, verweilte ich bis nach Sonnenuntergang auf meinem Stande; als er jedoch nicht erschien, trat ich mit meinem nubischen Begleiter und Beuteträger den Rückweg an. Unser Pfad führte durch ein Baumwollenfeld, das bereits wieder vom Urwalde in Besitz genommen, gänzlich verwildert und arg von Dornenranken und andern Stachelgewächsen durchzogen war. Froh unserer Beute und der schönen lauen Nacht nach dem heißen Tage, zogen wir unseres Weges dahin.
»Effendi, schau, was ist das?« fragte der Nubier. Er deutete dabei auf drei dunkle, hügelartige Gegenstände, die ich, soviel ich mich erinnerte, bei Tage nicht gesehen hatte; ich blieb stehen und blickte scharf nach ihnen hin; da bekam plötzlich der eine Hügel Bewegung und Leben, – das nicht zu verkennende Wutgebrüll des Nilpferdes tönte uns grauenvoll nahe in die Ohren und belehrte uns vollständig über den Irrtum, seinen Urheber für einen Erdhaufen gehalten zu haben; denn in Sätzen stürzte sich derselbe auf uns zu. Weg warf der Nubier Büchse und Beute; – »Hauen aleihna ja rabbi!« – »Hilf uns, o Herr des Himmels«, rief er schaudernd, »flieh, Effendi, bei der Gnade des Allmächtigen – sonst sind wir verloren!« Und verschwunden war die dunkle Gestalt im Gebüsche; ich aber wurde mir bewußt, daß ich in meiner lichten Jagdkleidung notwendigerweise die Augen des Ungetüms auf mich lenken mußte, und, waffenlos wie ich war – denn meine Waffen waren eben keine Waffen gegen den hautgepanzerten Riesen! – stürzte ich mich blindlings in das dornige Gestrüpp. Hinter mir her brüllte, tobte und stampfte das wüste Vieh, vor mir und rechts und links verflochten sich Dornen und Ranken zu einem fast undurchdringlichen Gewirr; die Stacheln der Nilmimose oder Rharrat verwundeten mich an allen Teilen des Körpers, die gebogenen Dornen des Nabakh rissen mir Fetzen auf Fetzen von meiner Kleidung herab: und weiter floh ich keuchend, schweißtriefend, blutend, – immer geradeaus, ohne Ziel, ohne Richtung, gejagt von Verderben und Tod in Gestalt des Scheusals hinter mir. Es gab keine Hindernisse für mich. Wie sehr auch die Dornen mich verwundeten und die Wunden schmerzten: ich achtete ihrer nicht, sondern hetzte verzweiflungsvoll weiter, weiter, weiter! Ich weiß es nicht, wie lange die wilde Jagd gedauert haben mag; jedenfalls währte sie nicht lange: denn sonst hätte das rasende Ungeheuer mich doch wohl eingeholt; gleichwohl dünkte mich die dabei verlaufene Zeit eine Ewigkeit zu sein. Vor mir dunkle Nacht, hinter mir mein entsetzlicher Feind, – ich wußte nicht mehr, wo ich mich befand. Da, Himmel! ich stürzte, und stürzte tief. Aber ich fiel weich; ich lag im Strome. Als ich wieder an die Oberfläche des Wassers kam, sah ich oben auf der Höhe des Uferrandes, von dem ich herabgestürzt war, das Nilpferd stehen. Auf der andern Seite aber schimmerte mir das Feuer unserer Barke freundlich entgegen. Ich durchschwamm eine schmale Bucht und war gerettet, obwohl ich noch tagelang die Folgen dieser Flucht verspürte. Von meinem Anzüge hatte ich bloß noch Lumpen mit zu Schiffe gebracht.
Tomboldo war auf seinem Heimwege in dieselbe Lebensgefahr gekommen; er wurde ebenfalls von dem Nilpferde angenommen und bis zu derselben Stelle des Ufers verfolgt, über die ich hinabgestürzt war. In höchster Aufregung langte er bei uns an und rief schon aus einiger Entfernung: »Brüder, meine Brüder, preist den Propheten, den Gottgesandten! Betet zwei ›Rakaat‹ mehr für das Wohl meiner Seele! Der Sohn der Hölle und des Teufels war mir nahe, und der Arm des Todes griff nach mir; aber Gott, der Erhabene, ist barmherzig und seine Gnade ohne Ende! Preiset den Propheten, ihr Brüder! Ich aber will, bin ich erst dem Verruchten entronnen, einen ganzen Sack Datteln zum Opfer bringen.«
Diese beiden Pröbchen mögen genügen, die blinde Wut eines gereizten Nilpferdes zu beweisen. Sie zeigen auch klar genug, daß die Jagd des Tieres ohne Feuerwaffen, die sehr schwere Kugeln schießen, eben kein Vergnügen für Sonntagsschützen ist. Leichte Büchsenkugeln haben, selbst wenn sie aus geringer Entfernung abgeschossen werden, so gut wie keinen Erfolg. Jede Büchsenkugel durchdringt den Panzer des Krokodils, aber sie ist zu schwach, als daß sie die mehr als zentimeterdicke Haut und außerdem den noch dickeren Schädel des Nilpferdes durchbohren sollte. »Mit einem der Flußpferde, das wir erlegten,« erzählt Rüppell, »kämpften wir vier Stunden lang. Wenig fehlte, daß die Bestie unsere große Barke und mit ihr uns alle vernichtet hätte. Die fünfundzwanzig Flintenkugeln, in einer Entfernung von etwa zwei Meter auf den Kopf des Untieres abgeschossen, hatten nur die Haut und den Knochen bei der Nase durchbohrt. Alle andern Kugeln waren in der dicken Haut steckengeblieben. Bei jedesmaligem Schnauben spritzte das Vieh reichliche Blutströme auf die Barke. Da bedienten wir uns endlich eines Standrohres, dessen Gebrauch uns in so kurzer Entfernung überflüssig erschien. Aber erst nach fünf seiner Kugeln, in einer Entfernung von wenigen Metern abgefeuert, die die schrecklichsten Verwüstungen in dem Kopfe und dem Körper angerichtet hatten, gab der Riese seinen Geist auf. Die Dunkelheit der Nacht vermehrte noch das Schauerliche des Zweikampfes.« Derselbe hatte vier Stunden lang gedauert; das vorher angeworfene Tier riß einen kleinen Kahn unter das Wasser, zerschmetterte ihn und schleifte das große Schiff an der Leine des Wurfspießes nach Belieben hin und her. Das war freilich eines der größten Männchen, von denen die Sudaner behaupten, daß sie von andern Nilpferden vertrieben worden wären, verachtet würden und deshalb so großen Unmut zeigten, unter Umständen sogar zur Landplage werden könnten; aber auch kleinere und weibliche Tiere machen dem unvorsichtigen Jäger zu schaffen, falls er nicht mit sehr schweren Büchsen ausgerüstet ist. Solchen gegenüber lernt Behemot bald die Oberherrlichkeit des Menschen erkennen und gerät um so eher und mehr in Angst, je sicherer die Wirkungen des ihm ohnehin verhaßten Feuergewehres sind. Ohne dieses würde er noch heutigestags in Ägypten leben, durch dieses wird man ihn binnen wenigen Jahren in allen von Europäern regelmäßig besuchten Strömen Afrikas ausgerottet haben, und wäre es auch nur, um der viehischen Zerstörungssucht Genüge zu leisten, die jedem rohen Menschen innewohnt und bei dem gebildet sein wollenden Engländer in der widerwärtigsten Weise zur Geltung gelangt. Ich glaube von einer Wiedergabe solcher Jagdgeschichten, wie sie die Bücher neuerer Reisenden enthalten, um so mehr absehn zu dürfen, als sie insgesamt die Rüppellsche einfach schlichte Schilderung nicht erreichen, halte es auch für wichtiger, über die Jagdweise der Eingeborenen noch einiges mitzuteilen.
Der Bewohner des inneren Afrika, der kein Feuergewehr führte, war dem Nilpferde gegenüber so gut wie machtlos, obgleich er noch immer sein einziger gefährlicher Gegner blieb; denn außer Blutegeln, Mücken und Eingeweidewürmern wird Behemot von keinem Geschöpfe angegriffen, und alle die so schön ausgedachten Kämpfe zwischen ihm und dem Krokodile, dem Elefanten, dem Nashorn und dem Löwen müssen unerbittlich in das Reich der Fabel gewiesen werden. Höchstens ein junges Nilpferd würde eine der größeren Katzen vielleicht angreifen, wäre nicht die Alte beständig in der Nähe und zur Abwehr aller Gefahren vorbereitet. Der Mensch suchte auf verschiedene Weise des schädlichen Tieres sich zu erwehren. Während der Zeit der Fruchtreife sah man in den bevölkerten Stromgegenden an beiden Ufern Feuer leuchten; sie wurden einzig und allein als Schreckmittel gegen die Nilpferde angezündet und die ganze Nacht hindurch sorgfältig angefacht. An einigen Orten unterhielt man mit Trommeln einen beständigen Lärm, um die Flußriesen zu schrecken; und gleichwohl waren sie nicht selten so kühn, daß sie nur dann nach dem Strome zurückkehrten, wenn eine größere Menschenmenge schreiend, trommelnd und mit Feuerbränden in den Händen auf sie anstürmte. Leider läßt sich gegen das Nilpferd ein Mittel, das bei andern Tieren mit dem besten Erfolge gekrönt wird, nicht anwenden, und die höllische Natur des Untieres geht daraus deutlich hervor. Das Wort des Gottgesandten, Mohammed – Frieden über ihn! – ist kräftig genug, fast alle übrigen Tiere von den Feldern abzuhalten, die es in Gestalt eines dort aufgehangenen Amulettes schützt und schirmt; ein Nilpferd aber und andere der Gerechtbarkeit trotzende Tiere mißachten auch den kräftigsten und wirksamsten Gottesbrief, und sei er von dem Scheich el Islam in Mekka selbst geschrieben. So blieb dem beklagenswerten Gläubigen eben nur das Feuer übrig, um Höllisches mit Höllischem zu bannen.
Abgesehen von solchen Mitteln der Abwehr, ging man dem Untiere übrigens von jeher auch mit Wurfspieß und Lanze zu Leibe und betrieb seine Jagd, so gut diese Waffen es erlaubten. Hierbei verfuhr und verfährt man im wesentlichen nach Art der alten Ägypter, mit deren Flußpferdjagden die Darstellungen auf den Denkmälern wie einzelne alte Schriftsteller, namentlich Diodor von Sizilien, uns vertraut gemacht haben. Die Lanze und ein entsprechend hergerichteter Wurfspieß mit Leine und Schwimmklotz sind heutigestags noch die einzigen Waffen, die die Bewohner der oberen Nilländer bei der Jagd des Nilpferdes gebrauchen. Von den sinnreich ausgedachten Speerfallen, die man an Bäumen befestigen soll, so daß sie ein zur Weide gehendes Nilpferd selbst losschnellt, weiß man in Nordostafrika nichts, und nur die Neger des Abiadt graben diesem Fallöcher. Der Wurfspieß der Sudaner besteht aus einem Stück Eisen, einer Hornscheide, der Haftschnur und der Wurfstange. Das Eisen ist wie ein Radiermesser zweiseitig geschliffen und besitzt einen starken Widerhaken, steckt fest in einer an beiden Enden dünner werdenden Hornscheide und wird durch eine starke, oftmals um Eisen und Scheide gewundene Schnur hinreichend befestigt. An dem einen Ende der Wurfstange befindet sich eine Höhlung, in die die Hornscheide eingesetzt wird, am andern Ende der Stange ist die Leine festgebunden. Beim Wurfe dringt die eiserne Spitze samt ihrer Hornscheide bis zu der Lanze ein; diese wird durch den Wurf abgestoßen und hängt nun nur noch mit dem andern Ende vermittels der dort angebundenen Schnur an der Harpunenspitze. Andere Jäger befestigen das eine Ende der Leine an der Harpune und das andere an einem leichten Holzklotze, ohne sie mit der Wurflanze zu verbinden.
Mit dieser Waffe und einigen gewöhnlichen Lanzen begibt sich der Sudaner auf die Jagd, um sein Wild entweder zu beschleichen, wenn es ein Mittagsschläfchen hält, oder ihm aufzulauern. Das Unternehmen erfordert nicht nur gewaltige Kraft, sondern auch List, Verschlagenheit und Gewandtheit. Etwa um Mitternacht schleicht der Spießwerfer längs des Ufers bis zu einer Ausgangsstelle der Tiere und versteckt sich hier im Gebüsch unter dem Winde. Kommt das Nilpferd erst nach seiner Ankunft aus dem Wasser, so läßt er es ruhig an sich vorübergehen und harrt bis zur Rückkehr. Niemals greift man ein zu Lande gehendes Nilpferd an, sondern wartet stets, bis es ungefähr halb im Flusse ist. Dann schleudert der Jäger ihm die Harpune mit aller Kraft in den Leib und flieht, in der Hoffnung, daß das durch den Wurf erschreckte Tier sich in den Fluß stürzen werde. So geschieht es auch gewöhnlich, wogegen das Ungetüm beim Heraussteigen ans Land in der Regel seinen Gegner anzunehmen pflegt. Nach dem Wurfe besteigt der Jäger mit seinen Gehilfen entweder sogleich oder am folgenden Morgen eines der bereit gehaltenen Boote und sucht das verwundete Tier, bezüglich das schwimmende Speerstangenende oder den Holzklotz auf. Sobald man diese Merkzeichen gefunden hat, rudert man höchst vorsichtig mit bereit gehaltenen Wurfspeeren und Lanzen herbei und nimmt nun die Leine auf. Beim geringsten Anziehen erscheint das Nilpferd in rasender Wut an der Oberfläche des Wassers und stürmt auf das Schiff los, wird aber mit einem Hagel von Lanzen und Speeren empfangen, der es häufig zur Umkehr zwingt. Gleichwohl kommt es nicht selten vor, daß es die Barke erreicht und mit den Hauzähnen zerreißt. Dann haben die Jäger einen schweren Stand und müssen sich eiligst durch Schwimmen und Tauchen zu retten suchen. Livingstone erfuhr, daß es, um dem Flußpferde unter solchen Umständen zu entgehen, das beste sei, in die Tiefe des Stromes zu tauchen und hier einige Sekunden zu verweilen, »weil das Tier, wenn es einen Kahn zertrümmert hat, allemal nach den Menschen sich umschaut und, wenn es keinen bemerkt, davongeht«; mir hat man Ähnliches erzählt. Im günstigeren Falle besteigt ein Teil der Jäger nach dem zweiten Angriffe auf den Flußriesen ein zweites Boot und fischt sich mit ihm das Ende einer zweiten Harpune auf. Nun wird das Ungetüm durch das schmerzerregende Anziehen der Harpunenleinen beliebig oft zur Oberfläche des Wassers heraufbeschworen und ihm im Verlaufe der Jagd der breite Rücken derartig mit Lanzen bespickt, daß er wie der Pelz eines Stachelschweines aussieht. Übrigens führt man die Jagd nur dann mit einem Male zu Ende, wenn man Feuergewehre zur Verfügung hat; im entgegengesetzten Falle läßt man den im Wasser natürlich viel stärkeren Blutverlust das Seinige zur Abmattung des Tieres tun und nimmt erst am folgenden Tage die Verfolgung desselben wieder auf, da ja die schwimmenden Merkzeichen seinen Aufenthalt immer wieder verraten. Ein glücklicher Lanzenwurf oder Stoß in das Rückenmark oder zwischen den Rippen hindurch in die Brusthöhle bläst schließlich das Lebenslicht des sattsam gemarterten Höllensohnes aus. An Orten, wo die Flußpferde wenig oder nicht mit dem Menschen in Berührung gekommen sind, lauern ihnen besonders geschickte Jäger auch wohl bei Tage auf und werfen ihnen von der Höhe des Ufers aus den Wurfspieß in den Leib; nach Bakers Versicherung gibt es unter den Nomaden der Atbarasteppen einzelne Wagehälse, die sogar schwimmend dem Ungetüme sich nahen, den Wurfspieß schleudern, hierauf sofort untertauchen, um sich dem Auge des infolge der Verwundung aufs höchste erbosten Gegners zu entziehen, und schleunigst das Land zu gewinnen suchen. Den Leichnam der glücklich vom Leben zum Tode gebrachten Beute schleift man stromabwärts bis zur nächsten Sandbank, um ihn hier, nachdem er mit Tauen ans Land gezogen ist, zu zerlegen.
Der Gewinn der Jagd ist nicht unbedeutend. Das Fleisch des Ungeheuers wird geschätzt und ebenso wie das Schmer überall gegessen. In den alten guten Zeiten konnten sich die Ansiedler des Kaplandes kaum ein größeres Fest denken als eine Nilpferdjagd. Man schnitt Fleisch und Speck an Ort und Stelle von dem erlegten Riesen ab und schaffte es wagenweise nach Hause, verkaufte nur aus Gefälligkeit die beliebte Speise an Freunde und ließ sich das Pfund dieses Fleisches teuer bezahlen. Junge Nilpferde sollen ein so wohlschmeckendes Fleisch haben, daß selbst Europäer sich bald an dasselbe gewöhnen. Die geräucherte Zunge gilt als Leckerbissen. Der Speck wird dem des Schweines überall vorgezogen, das aus ihm geschmolzene Schmer als das schmackhafteste aller tierischen Fette bezeichnet und zur Bereitung von Speisen aller Art benutzt oder auch mit dem Brote gegessen. Die Hottentotten trinken es ebenso gern wie die Europäer die Fleischbrühe. In Ostafrika gilt es als die allervorzüglichste Grundlage zur Haar- und Körpersalbe, Delka genannt, die alle dunkelfarbigen Afrikaner zu gebrauchen scheinen. Aus der dicken Haut verfertigt man unübertreffliche Reitpeitschen oder Schilde; die riesigen Hauer werden fast dem Elfenbein gleichgeschätzt und, wie bereits im Altertum, zu allerlei Beinarbeiten verwendet, springen aber leicht. So nutzt man mit Ausnahme der massigen Knochen jeden einzelnen Teil des Tieres und erzielt einen Ertrag, der hinter dem der Elefantenjagd wenig zurücksteht.
Der Fang des Untieres ist mit der Jagd ein und dasselbe. Wie die Römer es anstellten, um Nilpferde zu fangen und fortzuschaffen, wissen wir nicht. Nach Angabe der alten Schriftsteller brachten sie nicht bloß junge und unerwachsene, sondern auch alte Tiere nach der Hauptstadt ihres Weltreiches, um sie bei ihren Kampfspielen und Triumphzügen zu verwenden. Der Aedil Scaurus führte im Jahre 58 vor unserer Zeitrechnung fünf Krokodile und ein großes Nilpferd dem römischen Volke vor; Augustus, Antoninus Pius, Gordianus, Heliogabalus und Carus zeigten andere; Commodus ließ ihrer fünf im Zirkus töten. Von dieser Zeit an gelangte bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung keines dieser Tiere nach Europa, und wiederum vergingen dann dreihundert Jahre, bevor man andere lebend zu uns brachte. Diejenigen, die wir jetzt in Europa sehen können, sind fast ausnahmslos jung harpuniert worden. Es versteht sich von selbst, daß erst die Mutter des jungen Tieres erlegt werden muß, bevor man daran denken kann, auf dieses Jagd zu machen. Die blinde Anhänglichkeit des kleinen, plumpen Geschöpfes an seine Alte erleichtert aber den Fang. Der harpunierten Mutter folgt das Junge überall nach und verläßt selbst ihren Leichnam nicht. Man wirft ihm dann eine Harpune auf eine weniger empfindliche Stelle des Leibes oder sucht es in einem Netze zu verwickeln und zieht es so an das Land. Anfangs sucht es sich loszureißen, stößt, wie ein Schwein, das geschlachtet werden soll, ein gellendes, durchdringendes Geschrei aus und macht den Leuten viel zu schaffen, gewöhnt sich aber bald an den Menschen und folgt ihm nach. Die Hottentotten streichen, wie uns Sparrmann berichtet, frisch gefangenen Nilpferden mehrmals mit der Hand über die Schnauze, um sie an ihre Ausdünstung zu gewöhnen, und sollen dadurch erreichen, daß sie sich an den Menschen anschmiegen wie früher an ihre Mutter. Das Euter der Kuh nimmt ein Nilpferd gern an; mit einer einzigen Saugamme ist es aber freilich bald nicht getan, denn der junge Riese verlangt nach kurzer Zeit die Milch von zwei, drei und vier Kühen oder acht bis zwölf Ziegen.
Nach allen bisherigen Beobachtungen hält das Nilpferd die Gefangenschaft leicht und dauernd auch in Europa aus. Wird das Tier paarweise an einem Orte untergebracht, wo es sich seinem natürlichen Wesen gemäß bewegen, also bald ins Wasser, bald aufs Trockene gehen kann, so darf man auch auf Nachkommenschaft rechnen. Es nimmt mit jeder Kost vorlieb, namentlich mit allem, was man dem Hausschweine zu reichen pflegt.
Ich sah das erste gefangene Flußpferd, das in der Neuzeit wieder nach Europa kam, in Kairo. Es hatte sich dort so an seinen Pfleger gewöhnt, daß es ihm wie ein Hund überall nachlief und sich mit Leichtigkeit behandeln ließ. Ein Gemengsel von Milch, Reis und Kleie bildete seine Nahrung; später nahm es mit frischen Pflanzenstoffen vorlieb. Man baute zur Überfahrt einen eigenen Kasten für das Tier und führte mehrere große Fässer Nilwasser mit sich, um dem Flußbewohner täglich mehrere Bäder geben zu können, brachte ihn auch glücklich nach London.
Später gelangten zwei Nilpferde nach Paris und im Jahre 1859 die ersten beiden nach Deutschland, wo sie überall umhergeführt und zur Schau gestellt wurden. Sie waren außerordentlich zahm, zeichneten sich durch eine plumpe, rohe Gemütlichkeit aus, spielten lustig mit ihrem Wärter und mit einem Steppenhunde, der sich vergeblich Mühe gab, dem dickfelligen Gesellen etwas anzuhaben. Später kamen beide Tiere nach Amsterdam, wo sie sich gegenwärtig noch befinden. Hier haben sie viel von ihrer früheren Gutmütigkeit verloren. Sie sind zwar nicht gerade wild geworden, aber doch auch lange nicht mehr so zahm geblieben, als sie es waren. Nur mit ihrem Wärter stehen sie nach wie vor auf freundschaftlichem Fuße, achten auf dessen Anruf, nähern sich ihm vertraut, sperren auf Anfordern ihren scheußlichen Rachen so lange auf, bis der Mann ihnen einen Bissen in denselben steckt oder fallen läßt, gestatten, daß er ihr dickes Fell mit einem Holzstücke kraut usw. Im September des Jahres 1861 zeigten sie sich brünstig; Mitte des Monats erfolgte die Begattung. Sie wurde im Wasser vollzogen, oft nacheinander, und währte, wie bei den Pferden, nur sehr kurze Zeit. Die Geburt erfolgte am 16. Juli 1862; die angenommene Trächtigkeitsdauer von zehn Monaten war jedoch zu hoch gegriffen. Auffallenderweise behandelte die Mutter ihr wohlausgebildetes, munteres Junges von der ersten Stunde an roh und hart, ließ es nicht saugen, warf es hin und her und zeigte sich, als sie vom Männchen getrennt worden war, höchst aufgeregt. Das Junge starb trotz aller Versuche, es künstlich zu ernähren, bereits zwei Tage nach seiner Geburt. Einen Tag später nahm die Alte schon wieder auf. Sie hatte sich um ihr Männchen, das durch den Anblick des Jungen sehr wütend geworden war, von Anfang an weit mehr bekümmert als um ihr Kind.
Westerman, der Vorstand des Amsterdamer Tiergartens, hat mir später mündlich mitgeteilt, daß dieselbe Alte noch andere Junge zur Welt brachte, und zwar regelmäßig sieben bis acht Monate (genau sieben Monate, zwanzig bis fünfundzwanzig Tage) nach beobachtetem Sprunge; die meisten dieser Jungen wurden von der Mutter schlecht behandelt. Der Vater schien stets eifersüchtig zu sein auf seinen Sprößling und gebärdete sich wie toll, erregte dadurch die Alte ebenfalls und veranlaßte mittelbar die Entfernung des Säuglings, der in den ersten drei Fällen nicht lange lebte. Man versuchte zwar, das Junge mit Kuhmilch aufzuziehen, füllte letztere in große Saugflaschen und gewöhnte das Tierchen auch daran, die solcherart gebotene Nahrung anzunehmen, erhielt ihm jedoch im günstigsten Falle bloß zwei oder drei Wochen lang ein kümmerliches Dasein. Erst bei dem vierten Jungen, das im August 1865 geboren wurde, war man glücklicher. Zwar wendete man auch bei ihm in den ersten Wochen die Saugflasche an, lernte dann aber durch verschiedene Versuche ein weit einfacheres Mittel kennen, um den Säugling zu ernähren, indem man lauwarme verdünnte Kuhmilch einfach in einen Napf schüttete, das junge Nilpferd herbeilockte, die Hand in die Milch steckte und das Tier dadurch veranlaßte, an den Fingern zu saugen. Solcherart leerte es einen Napf Milch nach dem andern und gedieh zusehends. Westerman selbst unterzog sich dieser Mühewaltung, und seiner Aufopferung gelang es wirklich, das junge Nilpferd groß zu ziehen. Vom zweiten Monate seines Lebens an nahm es dann und wann bereits Salat, Gras und andere Pflanzennahrung zu sich, und im Alter von sechs Monaten gebärdete es sich wie die Alten. Man verkaufte es später nach Nordamerika; es verunglückte jedoch beim Brande des Kristallpalastes, in dem es eine Zeitlang ausgestellt war.
In den letzten Jahren ist es auch im Londoner Tiergarten gelungen, dasselbe Ergebnis zu erzielen. Über die erste sorgfältig beobachtete Geburt der im Regentspark gezüchteten Flußpferde erstattete Bartlett einen vortrefflichen Bericht, aus dem ich das Nachstehende entnehmen will: »Gegen Ende des Jahres 1870 bemerkte der Wärter, wie ich selbst, eine auffallende Veränderung im Wesen und in der Erscheinung unseres alten weiblichen Flußpferdes, und die einzige Erklärung, die wir hierfür zu finden wußten, ging dahin, anzunehmen, daß das Tier trächtig sein müsse. Binnen kurzem wurde die Annahme bei uns zur festen Überzeugung, weil die Alte dem Wärter gegenüber in höchst unangenehmer Weise auftrat und ihn nicht selten ohne weiteres aus dem von ihr bewohnten Raume jagte. Nach den mir gewordenen Belehrungen Westermans deutete dieses ungewöhnliche Betragen des Tieres auf das Ende seiner Trächtigkeit, und wir beeiferten uns deshalb, es auf das genaueste zu beobachten. Am 21. Februar bemerkten wir eine entschiedene Veränderung in dem Gebaren der Alten. Sie war überaus unruhig und blickte wild um sich. Sofort ließ ich das Haus verschließen und befahl allen Wärtern, weder in den inneren Raum desselben zu treten, noch irgend jemandem zu gestatten, das Tier zu beunruhigen. Von dem kleinen Fenster eines Nebenraumes konnten wir dieses ungesehen beobachten und jede seiner Bewegungen und sonstigen Handlungen verfolgen. Bis zum Nachmittage des nächsten Tages bekundete es Unruhe und Aufregung, lief im Hause umher, legte sich nieder, um sofort wieder aufzustehen, warf sich auf diese oder jene Seite, ging rückwärts und vorwärts, sah gerade vor sich hin, erhob das Haupt, öffnete und schloß den mächtigen Rachen, knirschte mit den Zähnen und strengte sich dabei so an, daß ihm die blutige Ausschwitzung der Haargefäße über Gesicht und Seiten herabrann. Der Anblick des hin und her sich bewegenden, angsterfüllten Ungetüms wurde zuletzt wahrhaft ermüdend. Das geringste Geräusch erregte seine Aufmerksamkeit, und als der Wärter notgedrungen in das Haus eintrat, stürzte es sich mit wilder Wut auf denselben. Um das Männchen bekümmerte es sich wenig, gab ihm mindestens keine Antwort auf seinen Anruf, wie es bis dahin zu tun gewohnt war. Aus allem ging hervor, daß der Augenblick der Geburt sehr nahe sein müsse. Zuletzt erwählte es sich einen bestimmten Lagerplatz, legte sich nieder, verweilte einige Minuten vollkommen ruhig, und plötzlich, wie durch Zaubergewalt, war das junge Flußpferd, der Kopf voran, in die Welt geschleudert worden.
Unmittelbar nach der Geburt, die wegen der Kürze ihrer Dauer besonders bemerkenswert erschien, war die Mutter auf den Beinen, drehte sich herum, stürzte mit geöffneten Kinnladen auf das Junge und umschloß dasselbe teilweise mit ihrem Maule. Hätte sie in diesem bedenklichen und erregenden Augenblicke irgend jemanden gehört oder gesehen, sie würde, meiner Überzeugung nach, augenblicklich ihren Sprößling vernichtet haben. Mit eingehaltenem Atem erwarteten wir ihr ferneres Beginnen. Rollenden Auges lauschte sie eine Weile und schien im Zweifel zu sein, was sie tun sollte, als zu unserm größten Erstaunen das neugeborene Junge auf das laute Gebrüll des Männchens antwortete und dabei seine Ohren schüttelte, als ob es dieselben vom Wasser befreien wolle. In demselben Augenblicke drehte sich die Alte rückwärts und ließ ihre lange, flache Zunge über den Körper des kleinen Wesens gleiten, das gleichzeitig sich zu bewegen begann und zu gehen versuchte. Die Mutter unterstützte diese Anstrengungen, und zwar mit Hilfe ihrer Nase, mit der sie das Junge fortschob. Letzteres lief bereits eine halbe Stunde nach der Geburt, wenn auch noch wankend, im Stalle umher, sorgfältig bewacht von der dicht hinter ihm folgenden Mutter. Mit Eintritt der Dämmerung hatte es ein ihm behagliches Strohbett im Winkel des Stalles gefunden und zur Ruhe erwählt. Hier legte sich auch die Mutter nieder, mit zärtlichster Sorge das Junge behütend. Am folgenden Morgen schien letzteres sehr zu Kräften gekommen zu sein, lief drei- oder viermal im Stalle auf und nieder, antwortete, während die Alte auch heute noch schweigsam blieb, im Laufe des Tages wiederholt auf das Gebrüll des alten Männchens, verschlief aber mit jener den größten Teil der Zeit. Saugen sah man es nicht, nahm aber an, daß es dies während der Nacht tun werde. Zwei Tage später sahen wir das Junge anscheinend schlafend und die Mutter in schlechter Laune, bemerkten aber bald, daß ersteres vergebliche Anstrengungen machte, sich zu erheben. Dies schien mir bedenklich, und ich beschloß deshalb, es von der Mutter zu trennen, so schwierig und gefährlich dieses Unterfangen auch sein möchte. Umsonst versuchte der Wärter, die Alte in das Wasserbecken zu treiben und das trennende Gitter hinter ihr zu schließen; denn das Tier stürzte sich wohl in das Wasser, drehte sich aber augenblicklich wieder herum und warf sich wütend dem Wärter entgegen. Erst mit Hilfe einer den Nilpferden in hohem Grade verhaßten Feuerspritze gelang die Absperrung und die Wegnahme des Jungen, das zu unserm Erstaunen bereits seine hundert Pfund wog, so schlüpfrig und glatt war wie ein Aal und in unsern Armen tüchtig strampelte. In einem warmen Raume auf einem weichen Bette von Heu gelagert und mit einem wollenen Tuche bedeckt, schien es wieder aufzuleben, nahm auch ohne weiteres die mit lauer Ziegenmilch gefüllte Saugflasche an und schien uns Hoffnung auf Erhaltung seines Lebens zu geben. Doch schon nach der zweiten Mahlzeit wurde es von Krämpfen befallen, und plötzlich gab es seinen Geist auf. Es hatte nie an seiner Muter gesaugt und war infolgedessen verkümmert. An der Mutter konnte die Schuld nicht gelegen haben, denn diese würde nicht allein das Saugen willig gestattet, sondern es auch ausreichend ernährt haben.
»Niemals«, schließt Bartlett, »habe ich ein Tier kennengelernt, das seines Sprößlings wegen so mißtrauisch und wachsam und so entschieden gewillt ist, das Junge zu verteidigen, wie diese Flußpferdmutter. Sie liebt ihr Kind mit eifersüchtiger Sorge und erschwert dadurch dessen Aufzucht in der Gefangenschaft in hohem Grade; denn das Junge läuft beständig Gefahr, durch die wütenden Bewegungen der Mutter über den Haufen gerannt und getötet zu werden.«
Im darauffolgenden Jahre glückte es, wie ich noch bemerken will, auch in London, ein junges Nilpferd, den zweitgeborenen Sprößling derselben Mutter, großzuziehen.
Abgesehen vom Menschen tritt Behemot schwerlich ein anderer Feind entgegen, der ihm gefährlich werden könnte. Man hat zwar wiederholt von Kämpfen gesprochen, die zwischen ihm und dem Krokodile stattfinden sollen, ist jedoch niemals Zeuge solcher Kämpfe gewesen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sich Krokodil und Nilpferd tatsächlich nicht umeinander kümmern, und es dem ersteren gewiß niemals einfällt, an einem so mächtigen Mitbewohner der von ihm bevölkerten Gewässer sich zu versuchen. Da, »wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual«, erreicht das Flußpferd, ungefährdet von irgendeinem Feinde, ein sehr hohes Alter. Obwohl es verhältnismäßig rasch heranwächst, braucht es doch viele Jahre, bevor es seine volle Größe erlangt. Wahrscheinlich ist es bereits im zweiten, sicherlich im dritten Lebensjahre fortpflanzungsfähig; es wächst aber, wie Beobachtungen an Gefangenen unzweifelhaft dartun, auch, nachdem es Junge erzeugt hat, noch mehrere Jahre stetig fort, und wenn es endlich vollkommen erwachsen ist, nehmen mindestens noch die Zähne an Länge und Umfang zu. In welcher Zeit seines Lebens das Greisenalter beginnt, zu wieviel Jahren es sein Leben überhaupt bringen kann, weiß man nicht, wohl aber das eine, daß auch ihm Krankheit und Siechtum nicht erspart bleiben. »Ein Flußpferd«, erzählt Schweinfurth, eine Stelle seines Tagebuches wiedergebend, »lehnt ganz auf dem Trockenen an einem Busche am Ufer und macht keine Miene, bei unserm Herankommen das Wasser wieder zu gewinnen; die Barke segelt auf zwanzig Schritte Entfernung an dem Tiere vorbei; eine abgefeuerte Kugel bewirkt nicht das geringste; der fleischrote, violett schimmernde Riese schwankt unbeholfen hin und her, als suche er eine Stütze am Gebüsche. Alle halten das Tier für krank, da die Erfahrung lehrt, daß die Nilpferde stets nur auf dem festen Lande zu verenden suchen. Weshalb er aber aufrecht dastand, auf allen vieren, blieb allen unbegreiflich.«
Die ungeheuerliche Gestalt und das unfreundliche Wesen des Flußpferdes erklären es zur Genüge, daß das Tier bei den meisten Völkerschaften allerlei wunderliche Anschauungen und Sagen in das Leben gerufen hat. Der Sudaner sieht das wüste Vieh gar nicht für ein echtes, natürliches Wesen, sondern eher für einen Auswurf der Hölle an. Schon der sudanische Name Äésint, dessen Bedeutung niemand kennt, deutet auf etwas Ungewöhnliches hin. Dazu kommt nun die Bedenken erregende Mißachtung aller, auch der kräftigsten Schutzbriefe seitens des Ungetüms. »Möge Gott die Affen verfluchen in seinem Zorn«, sagte mir ein Sudaner; »denn sie sind verwandelte Menschen und Spitzbuben, Söhne, Enkel, Nachkommen von Spitzbuben, aber möge er uns bewahren vor den Kindern der Hölle, jenen Nilpferden! Denn ihnen ist das Heiligste Schaum und das Wort des Gottgesandten ein leerer Hauch; sie zerstampfen den ›Gottesbrief‹ mit ihren Füßen!« Das Nilungeheuer gilt in den Augen der Eingeborenen kaum als ein von Allah erschaffenes Wesen, sondern nur als Maske eines verruchten, dem Teufel – vor dem der Bewahrer alle Gläubigen bewahren möge! – mit Leib und Seele angehörigen Zauberers und Sohnes der Hölle, der nur zu Zeiten diese Satansgestalt annimmt, sonst aber in seiner Hütte als Mensch erscheint, um andere Adamssöhne abzulocken vom Pfade des Heiles. Mit andern Worten: das Nilpferd ist der Gottseibeiuns selber, wenn auch ohne Pferdefüße und Schwanz!
Dafür gibt es hundert Belege. Viele Menschen haben durch jenen Höllensohn ihr Leben verloren, und ihre Seele ist ihnen aus dem Körper gestampft worden, ohne daß der Leib gefressen worden wäre, und unter den Toten war sogar ein Fakir oder Koranverständiger! Ferner ließ einer der Statthalter Ostsudans, Churschid-Pascha, als er einst mit einem Fähnlein seiner Krieger an den Strom kam, diese auf ein Nilpferd Jagd machen, obwohl ihm ein weiser Scheich wohlmeinend davon abriet; denn dieser wußte, daß das vermeintliche Nilpferd bloß die Maske eines verwunschenen Menschen war. Zwar wurde der vom Anbeginn der Welt verfluchte Zauberer getötet und seine schwarze Seele der Hölle zugesandt, aber Churschid-Pascha entging seinem Schicksale nicht. Er war immer hart verfahren gegen die Zauberer des Landes, deshalb bannten ihn diese durch den Blick ihres scheelen Auges. Sein Leib versiechte, weil seine Eingeweide langsam verdorrten, und er wollte, auch krank, noch immer die Meinung der Ulema und des Khadi nicht gelten lassen; denn anstatt sich einem Kundigen des Gotteswortes anzuvertrauen und den Zauberer durch diesen bannen zu lassen, vertrauete er den ungläubigen Ärzten aus Frankistan und welkte und siechte dahin. Möge sein Leib in Frieden ruhen und seine Seele begnadigt sein! Uns aber möge der Bewahrer bewahren, der Schützende schützen vor allerlei Zauber und Höllenwerk!
In wilden, steinigen Gebirgen Afrikas und Westasiens bemerkt man an vielen Orten ein reges Leben. Kaninchengroße Tiere, die auf einer Felsplatte oder auf einem Block sich sonnten, huschen, erschreckt durch die Ankunft eines Menschen, rasch an den Wänden dahin, verschwinden in einer der unzähligen Klüfte und schauen dann neugierig und harmlos, wie sie sind, auf die ungewöhnliche Erscheinung herab. Dies sind Klippschliefer, die kleinsten und zierlichsten aller jetzt lebenden Vielhufer. Wir betrachten sie als zu der Gruppe der Vielhufer gehörige Tiere, denen wir den von Illiger gegebenen Namen Platthufer ( Lamnungia) belassen. Diese Unterordnung umfaßt nur eine einzige Familie ( Hyracina) und eine einzige Sippe ( Hyrax).
Die Merkmale der Klippschliefer oder Klippdachse sind folgende: der Leib ist gestreckt und walzig, der Kopf verhältnismäßig groß und plump, nach der Schnauze hin zugespitzt, zumal seitlich stark verschmälert, die Oberlippe gespalten, die Nasenkuppe klein, das Auge klein, aber vortretend, das im Pelz fast versteckte Ohr kurz, breit und rund, der Hals kurz und gedrungen, der Schwanz ein kaum bemerkbarer Stummel; die Beine sind mittelhoch und ziemlich schwach, die zarten Füße gestreckt und vorn in vier, hinten in drei, bis an die Endglieder mit Haut verbundene Zehen geteilt, die, mit Ausnahme der hinteren inneren, platte, hufartige Nägel tragen, wogegen die hintere, innere Zehe von einem krallenartigen Nagel umhüllt wird; die nackten Sohlen zeigen mehrere, durch tiefe Spalten getrennte, ungemein schmiegsame Schwielenpolster. Eine weiche und dichte, nur aus Grannen bestehende Behaarung bekleidet Leib und Glieder; diese Grannen sind an der Wurzel gewellt und ersetzen daher auch die fehlenden Wollhaare.
Schon in uralter Zeit werden die Klippschliefer als wohlbekannte Tiere erwähnt. Die in Syrien und Palästina lebende Art scheint unter dem biblischen Namen »Saphan« verstanden worden zu sein, welches Wort Luther mit »Kaninchen« übersetzt. Die Schrift sagt, daß der Saphan gesellig lebe, seine Wohnung in Felsen habe und sich durch Schwäche auszeichne, diese aber durch Schlauheit ersetze: »Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht und die Steinklüfte die der Kaninchen.« »Kaninchen, ein schwaches Volk, dennoch legt es sein Haus in den Felsen.« Moses setzt die Saphane unter die wiederkäuenden Tiere mit geteilten Zehen, die von den Juden nicht gegessen werden dürfen, und hierin ist es wohl begründet, daß noch heutigestags in Habesch weder die Christen noch die Mohammedaner Klippschlieferfleisch essen. An andern Orten und namentlich in Arabien erblicken die Beduinen in solchem Wildbret nichts Verachtenswertes und stellen ihm deshalb eifrig nach.
Es ist ziemlich gleichgültig, welche Art von den bis jetzt bekannten Klippschliefern wir uns zur Betrachtung erwählen, weil in ihrer Lebensweise alle übereinkommen. Nur weil ich auf meinem Jagdausfluge nach Habesch Gelegenheit hatte, den dort vorkommenden Aschkoko ( Hyrax abyssinicus) kennenzulernen, habe ich dessen Beschreibung hier aufgenommen. Die Länge des Tieres beträgt 25 bis höchstens 30 Zentimeter; der Pelz besteht aus ziemlich langen, an der Wurzel gewellten, übrigens schlichten und feinen Haaren, die am Grunde graubraun, in der Mitte fahlgrau und vor der lichten Spitze dunkelbraun aussehen, so daß die Gesamtfärbung zu einem heller und dunkler gesprenkelten Fahlgrau wird. Die Unterseite ist lichter, fahlgelblich. Abänderungen der Färbung scheinen ziemlich häufig vorzukommen.
Die Klippschliefer dürfen als bezeichnende Tiere der Wüsten- und Steppengebirge aufgefaßt werden. In verschiedenen, jedoch keineswegs leicht zu bestimmenden Arten bewohnen sie alle Gebirge Syriens, Palästinas und Arabiens, vielleicht auch Persiens, der gesamten Nilländer, Mittel- und Südafrikas, und zwar die Hochgebirge bis zu zwei- oder dreitausend Meter unbedingter Höhe nicht minder zahlreich als die inselartig aus den Ebenen emporragenden Kuppen und Kegel, die den Steppenländern Nordostafrikas ein so eigentümliches Gepräge verleihen.
Je zerklüfteter die Felswände sind, um so häufiger trifft man sie an. Wer ruhig durch die Täler schreitet, sieht sie reihenweise auf den Felsengesimsen sitzen oder noch öfter liegen; denn sie sind ein behagliches, faules Volk, das sich gern von der warmen Sonne bescheinen läßt. Eine rasche Bewegung oder ein lautes Geräusch verscheucht sie augenblicklich: die ganze Gesellschaft bekommt Leben, alles rennt und flüchtet mit Nagergewandtheit dahin und ist fast im Nu verschwunden. In der Nähe der Dörfer, wo man sie ebenfalls, oft fast unmittelbar neben den Häusern, antrifft, scheuen sie sich kaum vor den Eingeborenen und treiben in ihrer Gegenwart dreist ihr Wesen, gerade, als wüßten sie, daß hier niemand daran denkt, sie zu verfolgen; vor fremdartig gekleideten oder farbigen Menschen aber ziehen sie sich augenblicklich in ihre Felsspalten zurück. Weit größere Furcht als der Mensch flößt ihnen der Hund oder ein anderes Tier ein. Wenn sie sich auch vor ihm in ihren Ritzen wohl geborgen haben, vernimmt man dennoch ihr eigentümliches, zitternd hervorgestoßenes, gellendes Geschrei, das mit dem kleiner Affen die größte Ähnlichkeit hat. Die Abessinier glauben, daß der schlimmste Feind der Klippschliefer, der Leopard, an den Felswänden dahinschleicht, wenn diese gegen Abend oder in der Nacht ihre Stimmen vernehmen lassen; denn ungestört soll man sie nach Sonnenuntergang niemals schreien hören. Auch Vögel können ihnen das größte Entsetzen verursachen. Eine zufällig vorüberfliegende Krähe, selbst eine Schwalbe ist imstande, sie nach ihrer sicheren Burg zurückzujagen.
Ungern verlassen die Klippschliefer ihren Felsen. Wenn das Gras, das zwischen den Blöcken hervorsproßte, abgeweidet ist, steigen sie allerdings in die Tiefe herab; dann aber stehen immer Wachen auf den vorragendsten Felsspitzen, und ein Warnungszeichen von diesen ist hinreichend, die eiligste Flucht der ganzen Gesellschaft zu veranlassen.
Hinsichtlich ihrer Bewegungen und ihres Wesens erscheinen die Klippschliefer gewissermaßen als Mittelglieder zwischen den plumpen Vielhufern und den behenden Nagern. Wenn sie auf ebenem Boden dahinlaufen, ist ihr Gang verhältnismäßig schwerfällig; sie bewegen die Beine mit jener bekannten Ruhe der Dickhäuter oder besser, sie schleichen nur dicht an der Erde weg, als ob sie fürchteten, gesehen zu werden. Nach einigen wenigen Schritten stehen sie still und sichern; hierauf geht es in derselben Art weiter. Anders ist es, wenn sie erschreckt werden. Dann springen sie in kurzen Sätzen dahin, immer so eilig als möglich dem Felsen zu, und hier nun zeigen sie sich in ihrer vollen Beweglichkeit. Sie klettern meisterhaft. Die Sohlen ihrer Füße sind vortrefflich geeignet, sie hierin zu unterstützen. Der Ballen ist weich, aber dennoch rauh, und deshalb gewährt jeder Tritt die bei schneller Bewegung auf geneigten Flächen unbedingt notwendige Sicherheit. Mich haben die Klippschliefer lebhaft an die Eidechsen mit Klebefingern, die sogenannten Gekos, erinnert. Obwohl sie nicht, wie diese beweglichen Tiere, an der unteren Seite wagerechter Flächen hingehen können, geben sie ihnen doch im übrigen nicht das geringste nach. Sie laufen aufwärts oder kopfunterst an fast senkrechten Flächen mit derselben Sicherheit dahin, als ob sie auf ebenem Boden gingen, kleben sich an halsbrechenden Stellen förmlich an den Felsen an, steigen in Winkeln oder Ritzen äußerst behend auf und nieder, halten sich auch an jeder beliebigen Stelle fest, indem sie sich mit dem Rücken an die eine Wand der Ritze, mit den Beinen aber an die andere stemmen. Dabei sind sie geübte und gewandte Springer. Auf Sätze von drei bis fünf Meter Höhe kommt es ihnen nicht an; man sieht sie selbst an acht bis zehn Meter hohen, senkrechten, ja überhängenden Wänden nach Art der Katzen herabgleiten, indem sie etwa Dreiviertel der Höhe an der Wand herunterlaufen und dann, plötzlich von ihr abspringend, mit aller Sicherheit auf einem neuen Steine fußen.
Wie mir, erschien auch Schweinfurth die unerreichte Beweglichkeit und Kletterfertigkeit der Klippschliefer im höchsten Grade befremdlich, bis ein Zufall ihm das bis dahin unerklärte Rätsel löste. Von einem eingeborenen Jäger darauf aufmerksam gemacht, daß ein angeschossener Klippschliefer im Todeskampfe so innig an den glatten Felsen sich klammere, als wäre er festgewachsen, erfuhr er die Tatsächlichkeit dieser Behauptung, als er einen von ihm verwundeten Aschkoko von der Felsenplatte abheben wollte und auf einen so bedeutenden Widerstand stieß, daß eine merkliche Kraftanstrengung dazu gehörte, denselben zu überwinden. Genaue Untersuchung der wie Kautschuk spann- oder federkräftigen Sohlen überzeugte unseren wie immer scharf beobachtenden Forscher, daß der Klippschliefer imstande ist, durch beliebige Einziehung und Ausdehnung der mittleren Spalte seiner Sohlenpolster an die glatte Oberfläche sich ansaugen zu können. Mit Recht hebt Schweinfurth hervor, daß eine derartige Befähigung, wie sie bei Kriechtieren und Lurchen vorkommt, bei Säugetieren und Warmblütern überhaupt geradezu unerhört ist.
Das Betragen der Klippschliefer deutet auf große Sanftmut, ja fast Einfalt, verbunden mit unglaublicher Ängstlichkeit und Furchtsamkeit. Sie sind höchst gesellig; man sieht sie fast niemals einzeln oder darf, wenn dies wirklich der Fall sein sollte, bestimmt darauf rechnen, daß die übrigen Glieder der Gesellschaft eben nicht zur Stelle sind. An dem einmal gewählten Wohnplatze halten sie treulich fest, derselbe mag so groß oder so klein sein als er will. Zuweilen genügt ihnen ein einzelner großer Felsblock; man sieht sie höchstens heute auf dieser, morgen auf jener Seite desselben. Bei gutem Wetter lagern sie sich reihenweise in der faulsten Stellung auf passende Steine, die Vorderfüße eingezogen, die hinteren weit ausgestreckt, wie Kaninchen manchmal zu tun pflegen. Einige Wachen bleiben aber auch dann ausgestellt.
Es scheint, daß die Klippschliefer keine Kostverächter sind und unglaublich viel verzehren. Ihre an würzigen Gebirgs- und Alpenpflanzen reiche Heimat läßt sie wohl niemals Mangel leiden. Ich sah sie wiederholt am Fuße der Felsen weiden, und zwar ganz in der Weise, wie Wiederkäuer zu tun pflegen. Sie beißen die Gräser mit ihren Zähnen ab und bewegen die Kinnladen so, wie die Zweihufer tun, wenn sie Wiederkauen. Einige Forscher haben geglaubt, daß sie wirklich die eingenommenen Speisen nochmals durchkauen; ich habe aber hiervon bei allen denen – bei den ruhenden wenigstens –, die ich sehr genau beobachten konnte, niemals etwas bemerkt. Wie es scheint, trinken sie nicht oder nur sehr wenig. Zwei Orte in der Nähe des Bogosdorfes Mensa, die von Klippschliefern bewohnt sind, liegen in einer auf bedeutende Strecken hin vollkommen wasserlosen Ebene, die die furchtsamen Tiere sicherlich nicht zu überschreiten wagen. Zur Zeit, als ich sie beobachtete, regnete es freilich noch wiederholt, und sie bekamen hierdurch Gelegenheit zum Trinken; allein die Bewohner des Dorfes versicherten mir, daß jene Klippschliefer auch während der Zeit der Dürre ihre Wohnsitze nicht verlassen. Dann gibt es nirgends einen Tropfen Wasser, und höchstens der Nachttau, mit dem bekanntlich viele Tiere sich begnügen, bleibt noch zur Erfrischung übrig.
Weil das Weibchen sechs Zitzen hat, glaubte man früher, daß die Klippschliefer eine ziemliche Anzahl von Jungen zur Welt bringen. Ich bezweifelte von jeher die Richtigkeit dieser Ansicht. Unter den zahlreichen Gesellschaften, die ich sah, gab es so außerordentlich wenig Junge, daß man hätte annehmen müssen, es befänden sich unter der ganzen Menge nur zwei oder drei fortpflanzungsfähige Weibchen, und dies war doch entschieden nicht der Fall. Auch habe ich niemals beobachtet, daß eine Alte von mehreren Kleinen umringt gewesen wäre. Aus diesem Grunde glaubte ich annehmen zu dürfen, daß jedes Weibchen nur ein Junges wirft, bin jedoch durch Schweinfurth belehrt worden, daß es deren zwei, und zwar in einem sehr entwickelten Zustande, zur Welt bringt. Diese Angabe stimmt überein mit einer Mitteilung Reads, der im Kaplande mehrmals beobachtete, daß zwei Junge der Alten folgten.
Die Jagd der Klippdachse verursacht keine Schwierigkeiten, falls man die ängstlichen Geschöpfe nicht bereits wiederholt verfolgt hat. Es gelingt dem Jäger gewöhnlich, eine der in geeigneter Entfernung sitzenden Wachen herabzudonnern. Nach einigen Schüssen wird die Herde freilich sehr ängstlich, flieht schon von weitem jeden Menschen und zeigt sich nur in den höchsten Spalten des Felsens. Unglaublich groß ist die Lebenszähigkeit der kleinen Gesellen, selbst sehr stark verwundete wissen noch eine Ritze zu erreichen, und dann ist gewöhnlich jedes weitere Nachsuchen vergebens.
Nur in Arabien und am Vorgebirge der Guten Hoffnung werden Klippschliefer ihres wie Kaninchenfleisch schmeckenden Wildbrets halber gefangen. Auf der Sinaihalbinsel tiefen die Beduinen eine Grube ab, füttern sie mit Steinplatten aus und richten einen steinernen Falldeckel mit Stellpflöcken her. Ein Tamariskenzweig, der als Lockspeise dient, hebt, sobald er bewegt oder angefressen wird, die Stellpflöcke aus; der Deckel schlägt nieder, und das unkluge Gebirgskind sitzt in einem Kerker, dessen Wände seinen schwach bekrallten, zum Graben unfähigen Pfoten unbesieglichen Widerstand leisten. Die Beduinen töten die gefangenen Klippschliefer sofort, weiden sie an Ort und Stelle aus und füllen die Leibeshöhlen mit wohlriechenden Alpenkräutern an, ebensowohl um das Fleisch schmackhafter zu machen, als um es länger vor der Verwesung zu bewahren.
Die letzte Unterordnung endlich umfaßt die Borstentiere oder Schweine ( Suidae). Sie erscheinen, verglichen mit den schweren, massigen Gestalten ihrer Ordnung, als zierlich gebaute Dickhäuter. Ihr Rumpf ist seitlich zusammengedrückt, der Kopf fast kegelförmig mit vorn abgestumpfter Spitze, der Schwanz dünn, lang und geringelt, die langgestreckte Schnauze vorn in eine Rüsselscheibe verbreitert, in der die Nasenlöcher liegen; die Ohren sind mäßig groß, gewöhnlich aufrechtstehend, die Augen schief geschlitzt und verhältnismäßig klein; die Beine schlank und dünn, ihre Zehen paarig gestellt, die mittleren, die den Körper tragen, wesentlich größer als die äußeren. Ein mehr oder minder dichtes Borstenkleid umhüllt den Leib. Beim Weibchen liegen in zwei Reihen zahlreiche Zitzen am Bauche. Das Gerippe zeigt zierliche und leichte Formen. Bei sämtlichen Schweinen sind alle drei Zahnarten in der oberen und unteren Reihe vorhanden. Unter den Muskeln fallen die auf, die die Lippen bewegen; namentlich die der Oberlippe sind sehr stark und verleihen dem Rüssel Kraft zum Wühlen. Außerdem besitzen die Schweine bedeutend entwickelte Speicheldrüsen, einen rundlichen Magen mit großem Blindsack und einen Darmschlauch, der etwa zehnmal länger ist als der Leib des Tieres. Unter der Haut bildet sich bei reichlicher Nahrung eine Specklage, deren Dicke bis zu mehreren Zentimetern ansteigen kann.
Mit Ausnahme von Australien bewohnen die Borstentiere fast alle Länder der übrigen Erdteile. Große feuchte, sumpfige Wälder in bergigen oder ebenen Gegenden, Dickichte, Gestrüppe, mit hohem Grase bedeckte, feuchte Flächen und Felder bilden ihren Aufenthalt. Alle lieben die Nähe des Wassers oder mit andern Worten Sümpfe, Lachen und die Ufer der Flüsse und Seen, wühlen sich hier im Schlamm oder Morast ein Lager aus und liegen in diesen, oft halb im Wasser, während der Zeit ihrer Ruhe; einzelne Arten suchen auch in großen Löchern unter Baumwurzeln Schutz. Die meisten sind gesellige Tiere; doch erreichen die Rudel, die sie bilden, selten eine bedeutende Stärke. Ihre Lebensweise ist eine nächtliche; denn auch an Orten, wo sie keine Gefahr zu befürchten brauchen, beginnen sie erst mit Anbruch der Dämmerung ihr Treiben. Sie sind keineswegs so plump und unbeholfen, als sie erscheinen, ihre Bewegungen vielmehr verhältnismäßig leicht. Ihr Gang ist ziemlich rasch, ihr Lauf schnell, ihr Galopp eine Reihe eigentümlicher Sätze, von denen jeder mit einem ausdrucksvollen Grunzen begleitet wird. Alle schwimmen vortrefflich, setzen sogar über Meeresarme, um von einer Insel zu der andern zu gelangen. Auch die Sinne der Schweine, namentlich Geruch und Gehör, sind gut ausgebildet, sie wittern und vernehmen ausgezeichnet. Vorsichtig und scheu, fliehen sie zwar in der Regel vor jeder Gefahr, stellen sich aber, sobald sie bedrängt werden, tapfer zur Wehr, greifen sogar oft ohne alle Umstände ihre Gegner an. Dabei suchen sie diese umzurennen und mit ihren scharfen Hauern zu verletzen, und sie verstehen diese furchtbaren Waffen mit so großem Geschick und so bedeutender Kraft zu gebrauchen, daß sie sehr gefährlich werden können. Alle Keiler verteidigen ihre Bachen und diese ihre Frischlinge mit vieler Aufopferung. Ungelehrig und störrisch, erscheinen sie nicht zu höherer Zähmung geeignet, wie überhaupt ihre Eigenschaften nicht eben ansprechend genannt werden dürfen. Die Stimme ist ein sonderbares Grunzen, das viel Behäbigkeit und Selbstzufriedenheit oder Gemütlichkeit ausdrückt. Von alten Keilern vernimmt man auch ein tiefes Brummen.
Die Schweine sind Allesfresser in des Wortes vollster Bedeutung. Was nur irgend genießbar ist, erscheint ihnen recht. Wenige von ihnen ernähren sich ausschließlich von Pflanzenstoffen, Wurzeln, Kräutern, Feld- und Baumfrüchten, Zwiebeln, Pilzen usw., die übrigen verzehren nebenbei auch Kerbtiere und deren Larven, Schnecken, Würmer, Lurche, Mäuse, ja selbst Fische, und mit Vorliebe Aas. Ihre Gefräßigkeit ist so bekannt, daß darüber nichts gesagt zu werden braucht; in ihr gehen eigentlich alle übrigen Eigenschaften unter, mit alleiniger Ausnahme der beispiellosen Unreinlichkeit, die ihnen die Mißachtung des Menschen eingetragen hat.
Ihre außerordentliche Vermehrungsfähigkeit und Gleichgültigkeit gegen veränderte Umstände eignen sie in hohem Grade für den Hausstand. Wenige Tiere lassen sich so leicht zähmen, wenige verwildern aber auch so leicht wieder wie sie. Ein junges Wildschwein gewöhnt sich ohne weiteres an die engste Gefangenschaft, an den schmutzigsten Stall, ein in diesem geborenes Hausschwein wird schon nach wenigen Jahren, die es in der Freiheit verlebte, zu einem wilden und bösartigen Tier, das sich kaum von seinen Ahnen unterscheidet.
Alle Wildschweine fügen dem gebildeten, ackerbautreibenden Menschen so großen Schaden zu, daß sie sich nicht mit dem Anbau des Bodens vertragen. Sie werden deshalb überall aufs eifrigste verfolgt, wo der Mensch zur Herrschaft gelangt. Ihre Jagd gilt als eins der edelsten Vergnügen und hat auch außerordentlich viel Anziehendes, weil es sich hier um Geschöpfe handelt, die ihr Leben unter Umständen sehr teuer zu verkaufen wissen. In den Ländern unterhalb der Wendekreise stellen besonders auch die großen Katzen- und Hundearten den dort wohnenden Arten eifrig nach und richten oft arge Verwüstungen unter ihren Herden an.
Eiförmige, behaarte Ohren und mittellange, am Ende buschiger Schwanz kennzeichnen die Schweine im engsten Sinne (Sus), die unser Wildschwein ( Sus sorofa) würdig vertritt. Dieses starke, kräftige und wehrhafte Tier erreicht bei reichlich 2 Meter Gesamt- oder 1,8 Meter Leibes- und 25 Zentimeter Schwanzlänge, 98 Zentimeter Schulterhöhe und 150 bis 200 Kilogramm an Gewicht, ändert jedoch nach Aufenthalt, Jahreszeit und Nahrung in Größe und Gewicht bedeutend ab. Die in sumpfigen Gegenden wohnenden Wildschweine sind regelmäßig größer als die in trockenen Wäldern lebenden; die auf den Inseln des Mittelmeeres hausenden kommen nie den festländischen gleich. In seiner Gestalt ähnelt das Wildschwein seinem gezähmten Abkömmling; nur ist der Leib kürzer, gedrungener; die Läufe sind stärker, der Kopf ist etwas länger und schmächtiger; das Gehör steht mehr aufgerichtet und ist etwas länger und spitziger; auch die Gewehre oder Hauer werden größer und schärfer als bei dem zahmen Schwein. Die Färbung ist verschieden, wird jedoch im allgemeinen durch den Jägernamen »Schwarzwild« bezeichnet; denn graue, rostfarbene, weiße und gefleckte Wildschweine sind selten. Die Jungen haben auf graurötlichem Grunde gelbliche Streifen, die sich ziemlich gerade von vorn nach hinten ziehen, bereits in den ersten Monaten des Lebens sich aber verlieren. Das Haarkleid besteht aus steifen, langen und spitzigen, an der Spitze häufig gespaltenen Borsten; dazwischen mengt sich je nach der Jahreszeit mehr oder weniger kurzes, feines Wollhaar ein. Am Unterhalse und Hinterbauche sind die Borsten nach vorwärts, an den übrigen Teilen des Körpers nach rückwärts gerichtet; auf dem Rücken bildet sich eine Art von Kamm oder Mähne. Schwarz oder nußbraun ist ihre gewöhnliche Färbung, die Spitzen aber sind gelblich, grau und rötlich, und hierdurch wird der allgemeine Ton etwas lichter.
Der Weidmann nennt unser Tier Sau, das männliche Wildschwein, wenn es erwachsen ist, Schwein, das weibliche Bache. Junge Tiere bis zum zweiten Jahre heißen Frischlinge; später bezeichnet man die Weibchen als zweijährige, starke und grobe Bachen, das Schwein aber als zweijährigen Bacher oder Keiler, dann als dreijährigen Keiler, vom vierten Jahre an als angehendes, vom fünften Jahre als hauendes oder gutes, vom siebenten Jahre an als Haupt- und grobes Schwein. Den Rüssel nennt man Gebreche, die Hauzähne Gewehre, die der Bache Hacken, das gewöhnliche Haar Borste, das längere auf dem Rücken Feder, die dicke Haut auf den Schulterblättern Schild, den Schwanz Pürzel oder Federlein. Das Schwein liegt in einem Revier, gräbt sich in das Lager oder in den Kessel ein, stellt sich dem Hunde, wird von diesem gedeckt oder festgemacht, streitet mit den Hunden, schlägt sie, schlägt sich los (geht durch). Die Bache frischt oder setzt Junge. Die einzelne Sau hat ein Lager, das Rudel einen Kessel. Der durchwühlte Erdboden heißt Gebräche usw.
Früher fast über ganz Europa verbreitet und in der Mitte wie im Süden dieses Erdteils gleich häufig auftretend, ist das Wildschwein gegenwärtig, ebenso zur Freude aller Land- und Forstwirte wie zum Kummer aller Jäger, in mehreren Ländern und in vielen Gegenden gänzlich ausgerottet worden, oder lebt doch nur noch als gehegtes Jagdtier in Wildparks. Sein Verbreitungsgebiet reicht nicht über den fünfundfünfzigsten Grad der Breite hinaus: es kommt also in allen nördlich der Ostsee gelegenen Ländern, wenigstens gegenwärtig, nicht mehr vor. In Deutschland lebt es immer noch in größerer Anzahl, als dem Landwirte lieb ist, in vollständiger Wildheit.
Feuchte und sumpfige Gegenden bilden unter allen Umständen den Aufenthaltsort des Wildschweins, gleichviel, ob hier ausgedehnte Waldungen sich finden oder die Gegend bloß mit Sumpfgräsern bestanden ist. In Europa und Asien wohnt das Tier vorzugsweise in feuchten Dickichten großer Waldungen, in Afrika dagegen bricht es sich sein Lager mitten im Sumpfe oder in ausgedehnten Feldern. An vielen Orten Ägyptens hausen die Wildschweine jahraus, jahrein in Zuckerrohrfeldern, ohne diese jemals zu verlassen, fressen die Rohrstengel, suhlen sich in dem Wasser, das über die Felder geleitet wird, und befinden sich hier so wohl, daß sie durch keine Anstrengungen zu vertreiben sind. Im Delta lagern sie sich auf den feuchten, mit Riedgras bestandenen Stellen und an den unterägyptischen Strandseen in dem Röhricht der ausgedehnten Brüche. Auch in Asien verlassen sie hier und da die Waldungen, um im Hochgrase an fließenden und stehenden Gewässern wenigstens zeitweilig Stand zu nehmen. Inmitten seines Gebietes bricht sich das Schwein eine Vertiefung, gerade groß genug, um seinen Leib aufzunehmen. Wenn es sein kann, füttert es dieses Lager mit Moos, trockenem Grase und Gelaube aus und legt sich hier so bequem als möglich nieder. Das Rudel bereitet sich an ähnlichen Orten den Kessel, Pflegt sich aber so in ihm einzuschieben, daß aller Köpfe nach der Mitte hin gerichtet sind. Der Wärme wegen benutzen die wilden Sauen im Winter gern zusammengerechte Streu- oder Schilfhaufen anstatt der Lager und Kessel, um sich darunter einzuschieben, und der Jäger, der solche Orte besucht, kann dann das sonderbare Schauspiel genießen, daß der Haufen, dem man sich, ohne etwas zu ahnen, näherte, mit einem Male beweglich zu werden anfängt und ein ganzes Rudel Sauen aussendet. Das Schwein und jede andere starke Sau sucht fast täglich das Lager wieder auf; das Rudel dagegen nimmt seinen Kessel gewöhnlich nur im Winter wieder an, weil dann alle Sauen ihr Gebreche so viel als möglich schonen. Im Sommer brechen sie sich täglich einen neuen Kessel aus, und gerade hierdurch werden sie oft sehr schädlich.
Als sehr gesellige Tiere halten sich bis zur Fortpflanzungszeit immer mehrere Bachen und schwache Keiler zusammen, und nur die groben Schweine leben als Einsiedler für sich. Bei Tage liegen die Rudel still und faul im Kessel; gegen Abend erheben sie sich, um nach Fraß auszugehen. Zuerst gehen sie, wie der Weidmann sagt, im Holze und auf den Wiesen ins Gebräche, d. h. stoßen wühlend den Boden auf, oder sie laufen einer Suhle zu, in der sie sich ein halbes Stündchen wälzen. Solche Abkühlung scheint ihnen unentbehrlich zu sein, denn sie laufen oft meilenweit nach dem Bade. Erst wenn alles ruhig wird, nehmen sie die Felder an, und wo sie sich nunmehr festgesetzt haben, lassen sie sich so leicht nicht vertreiben. Wenn das Getreide Körner bekommt, hält es sehr schwer, sie aus dem Felde zu scheuchen und sich vor Schaden zu hüten. Sie fressen weit weniger, als sie sonst durch ihr wiederholtes Wälzen verwüsten, machen oft genug große Flächen vollkommen der Erde gleich und werden gerade deshalb außerordentlich schädlich. Im Walde und auf den Wiesen sucht das Schwarzwild Erdmast, Trüffeln, Kerbtierlarven, Gewürm oder im Herbste und im Winter abgefallene Eicheln, Bücheln, Haselnüsse, Kastanien, Kartoffeln, Rüben und alle Hülsenfrüchte. Mit Ausnahme der Gerste auf dem Halme frißt es überhaupt alle denkbaren Pflanzen und verschiedene tierische Stoffe, sogar gestorbenes Vieh, gefallenes Wild und Leichen, auch solche von seinesgleichen, wird sogar unter Umständen förmlich zum Raubtiere. Erfahrene Weidmänner verdächtigen das Wildschwein, junge, noch unbehilfliche Wildkälber mörderisch anzufallen oder ebenso verwundetem Edel-, Dam- und Rehwilde auf der Rotfährte zu folgen und nicht von ihm abzulassen, bis es die gewitterte Beute erlangt und getötet hat, worauf es, neidisch und streitsüchtig gegen- und untereinander, tapfer schmausen soll, so daß der Jäger am nächsten Morgen kaum mehr als die Knochen findet.
In seinen Eigenschaften ähnelt das Hausschwein in vieler Hinsicht noch seinem Urahn, und man kann deshalb leicht von jenem auf dieses schließen. Selbstverständlich ist das Wildschwein ein viel vollendeteres und mutigeres Geschöpf als unser durch die Knechtschaft verdorbenes Stalltier. Alle Bewegungen des Wildschweins sind, wenn auch etwas plump und ungeschickt, so doch rasch und ungestüm. Der Lauf ist ziemlich schnell und richtet sich am liebsten geradeaus; namentlich der Keiler liebt es nicht, scharfe Wendungen auszuführen. In staunenerregender Weise durchbrechen Wildschweine Dickichte; ihr spitziger Kopf und der schmale Leib scheinen ganz dazu zu Passen, mit Gewalt durch Dickungen, die andern Geschöpfen geradezu undurchdringlich sind, einen Weg zu bahnen. Das schmale Gebreche schiebt sich hinein, der Leib muß dann folgen, und so geht's weiter mit Blitzesschnelle. In den Rohrwaldungen der ägyptischen Strandseen oder in den Zuckerrohrfeldern Mittelägyptens habe ich Wildschweine oft dahin wandeln sehen. Sie trollen mit derselben Geschwindigkeit durch die dichtesten Stellen, als wenn sie auf geebnetem Pfade dahingingen. Auch im Sumpfe und im See selbst verstehen sie sich vortrefflich zu bewegen. Sie schwimmen ausgezeichnet, selbst über sehr breite Wasserflächen, setzen unter Umständen sogar von einer Insel im Meere zur andern über. Bei dem Schwimmen kommt ihnen ihr Bau ebenfalls gut zustatten. Der fischähnliche, fettreiche Leib hält sich ohne weitere Anstrengung im Wasser schwebend, und so genügt eine geringe Bewegung der immerhin noch hinlänglich breiten Schalen, um ihn rasch vorwärts zu treiben. Man hat beobachtet, daß Schweine eine Strecke von sechs bis sieben Kilometer mit Leichtigkeit durchschwimmen.
Alle Wildschweine sind vorsichtig und aufmerksam, obwohl nicht gerade scheu, weil sie auf ihre eigene Kraft und ihre furchtbaren Waffen vertrauen können. Sie vernehmen und wittern sehr scharf, äugen aber schlecht. Keine andere Wildart kommt auf den anstehenden Jäger, wenn er sich ruhig verhält und unter dem Winde steht, so weit heran wie das Wildschwein; und keinem andern größeren Tiere kann man sich, wenn es ruht und man zu schleichen versteht, so weit nähern. In Ägypten ist es mehrere Male vorgekommen, daß ich beim Beschleichen von Sumpf- und Wasservögeln bis auf fünf Schritte an Wildschweine kam, die dann erst, freilich zu ihrer Rettung zu spät, meine Ankunft zu bemerken schienen. Der Geschmack kann nicht schlecht genannt werden, denn wenn das Schwein viel Fraß hat, gibt es immer dem besten den Vorzug; auch Empfindung ist ihm nicht abzusprechen. Sein geistiges Wesen ist nicht so stumpf, als man gewöhnlich annimmt. Sein Wesen ist ein absonderliches Gemisch von behäbiger Ruhe, harmloser Gutmütigkeit und ungewöhnlicher Reizbarkeit. Unerzürnt tut selbst das stärkste Schwein keinem Menschen etwas zu Leide; nur dem Hunde widersetzt es sich stets und versucht, ihm gefährlich zu werden. Aber alte Sauen und namentlich die groben Schweine vertragen keine Beleidigung, nicht einmal eine Neckerei. Wenn der Mensch seinen Gang ruhig fortsetzt, bekümmert sich das Wildschwein nicht um ihn oder entfernt sich flüchtig; reizt man das Tier aber, so nimmt es den bewaffneten Mann ohne weiteres an und geht, in Wut geraten, gleichsam blind aus seinen Gegner los. Dietrich aus dem Winckell erzählt, daß er als unerfahrener Jüngling einem Schweine, das sonst ein ganz gemütlicher Gesell war, im Vorbeireiten mit seiner Peitsche eins versetzte, dann aber reiten mußte, was er konnte, um ihm zu entkommen. »Vor verwundeten Sauen«, sagt er, »hat selbst der Jäger Ursache, auf seiner Hut zu sein. Unglaublich schnell kommt das Schwein gefahren, wenn es einen Menschen oder ein Tier annimmt. Mit seinen Gewehren versetzt es kräftige, gefährliche Schläge; aber selten hält es sich auf, und noch weniger kehrt es sich wieder um. Verliert man in solchen Fällen die Besinnung nicht, läßt man das Schwein ganz nahe heran und springt dann schnell hinter einen Baum oder, wenn dies nicht möglich ist, nur auf die Seite: so fährt es, weil es nicht gewandt ist, vorbei. Wer aber zu diesen Rettungsmitteln weder Zeit noch Gelegenheit hat, dem bleibt noch das Auf-die-Erde-Werfen übrig; denn der kämpfende Keiler kann immer nur nach oben, nie aber nach unten schlagen.« Die Bache wird nicht so leicht zornig wie das Schwein, gibt diesem aber an Mut wenig nach. Zwar kann sie mit ihren Haken durch Schläge keine argen Verwundungen beibringen, wird aber, wenn sie einen Menschen annimmt, deshalb noch gefährlicher als das Schwein, weil sie bei dem Gegenstande ihrer Wut stehenbleibt, mit den Läufen auf ihm herumtritt und beißend ganze Stücke Fleisch losreißt. Selbst schwächere Sauen, ja sogar jährige Frischlinge, nehmen, wenn sie sehr in die Enge getrieben werden, zuweilen den Menschen an, ohne ihm jedoch Schaden zufügen zu können. Bei Gefahr leisten sich die Wildschweine gegenseitig Hilfe, und namentlich junge werden mit unerschütterlichem Mute von den älteren verteidigt. Bachen, die noch kleine Frischlinge führen, gehören zu den gefährlichsten aller Tiere und lassen in der Verfolgung eines Kindesräubers nicht ab, bis dieser überwunden ist oder ihnen wenigstens die Jungen zurückgegeben hat.
Wenn man die Gewehre eines Keilers betrachtet, begreift man, daß diese Waffen furchtbar wirken können. Schon im zweiten Jahre erheben sich die Hauer aus dem Ober- und Unterkiefer, immer nach oben strebend. Beim dreijährigen Keiler verlängert sich das Untergewehr um vieles mehr als das obere, wächst schräg aufwärts und krümmt sich nach oben. Das obere krümmt sich gleich von dem Kiefer ab nach aufwärts, ist aber kaum halb so lang als jenes. Beide Hauzähne sind weiß und glänzend, auch äußerst scharf und spitz, und werden mit zunehmendem Alter durch beständiges Gegeneinanderreiben immer schärfer und spitzer. Je älter das Schwein wird, desto stärker krümmen sich, bei immer zunehmender Länge und Stärke, beide Gewehre. Beim Hauptschweine biegt sich das unterste fast über dem Gebreche zusammen; dann bleibt ihm nur das weiter nach außen und aufwärtsstrebende Obergewehr zum Streiten übrig. Die Schläge, die das Tier mit diesen scharfen Zähnen ausführt, sind im höchsten Grade gefährlich und können tödlich verletzen. Das anrennende Schwein setzt mit viel Geschick sein Gewehr unten in die Beine oder den Leib seines Feindes ein und reißt unter raschem Auf- und Zurückwerfen des Kopfes lange Wunden, die tief genug sind, um an den Schenkeln eines Mannes durch alle Muskellagen bis auf den Knochen zu reichen oder alle Bauchdecken zu durchschneiden und die Eingeweide zu zerreißen. Letzteres geschieht gewöhnlich den angreifenden Hunden. Starke Keiler springen auch an größeren Tieren in die Höhe und versetzen diesen furchtbare Schläge, reißen beispielsweise Pferden Brust und Bauch auf.
Die Stimme des Wildschweins ähnelt der unseres zahmen Schweines in jeder Hinsicht. Bei ruhigem Gange vernimmt man das bekannte Grunzen, das einen gewissen Grad von Gemütlichkeit ausdrückt; im Schmerz hört man von Frischlingen, jährigen Keilern und Bachen ein lautes Kreischen oder »Klagen«, wie der Jäger sagt. Das Hauptschwein dagegen gibt selbst bei den schmerzlichsten Verwundungen nicht einen Laut von sich. Seine Stimme ist tiefer als die der Bachen und artet zuweilen in grollendes Brummen aus. Dies vernahm ich namentlich, wenn Hauptschweine zum Fräße gingen und in der Nähe unserer Versteckplätze Gefahr witterten.
Gegen Ende November beginnt die Brunstzeit der Wildschweine. Sie währt etwa vier bis fünf, vielleicht auch sechs Wochen.
Alsdann nähern sich die bisher einsiedlerisch lebenden Hauptschweine dem Rudel, vertreiben die schwächeren Keiler und laufen mit den Bachen umher, bis sie ihr Ziel erreicht haben. Unter Gleichstarken kommt es zu heftigen und langdauernden Kämpfen. Die Schläge, die sich die wackeren Streiter beibringen, sind aber selten tödlich, weil sie fast alle auf die Gewehre und die undurchdringlichen Schilder fallen. Bei Kämpen von gleicher Stärke bleibt natürlich der Erfolg des Streites unentschieden, und sie dulden sich dann zuletzt nebeneinander, obgleich selbstverständlich mit dem größten Widerstreben. Sonderbar sind die Liebkosungen, die die brünstigen Keiler und Schweine der Bache zukommen lassen: sie stoßen diese nämlich unaufhörlich an alle Teile des Leibes mit ihrem Gebreche und oft in recht unzarter Weise. Allein die keineswegs spröden Schönen verstehen den Wert solcher Liebkosungen zu schätzen und nehmen sie günstig auf. Selbst während des Beschlages, der höchst schwerfällig vor sich geht, erhält die Geliebte noch absonderliche Beweise der Zärtlichkeit; denn vor lauter Entzücken beißt sie der Liebhaber so kräftig in den Hals, daß entweder ein großer Teil von Gefühllosigkeit oder ein Übermaß von wonnevollen Gefühlen auf ihrer Seite dazu gehört, so etwas ohne irgendein Zeichen des Unbehagens zu ertragen. Achtzehn bis zwanzig Wochen nach der Brunst setzt die schwächere Bache vier bis sechs, die stärkere elf bis zwölf Frischlinge. Sie hat sich vorher im einsamen Dickicht ein mit Moos, Nadeln oder Laub ausgefüttertes Lager bereitet und hält die von ihr zärtlich geliebten Kleinen während der ersten vierzehn Tage sorgsam versteckt in diesem Lager, verläßt sie auch nur selten und bloß auf kurze Zeit, um sich Fraß zu suchen. Dann führt sie das Rudel aus, bricht ihm vor, und die netten, munteren Tierchen wissen schon recht hübsch ihr Gebreche anzuwenden. Oft finden sich mehrere Bachen mit ihren Frischlingen zusammen und führen die junge Gesellschaft gemeinsam an. Dann kommt es auch vor, daß, wenn eine Bache zufällig ihr Leben verliert, die andern die Führung der Verwaisten annehmen.
Ein Rudel dieser jungen, schön gezeichneten Tiere bietet einen höchst erfreulichen Anblick; denn die noch kleinen Frischlinge sind allerliebste Geschöpfe. Ihr Kleid steht ihnen vortrefflich, und die Munterkeit und Beweglichkeit der Jugend bilden einen vollendeten Gegensatz zu der Trägheit und Langweiligkeit des Alters. Ernsthaft gehen die Bachen ihren Frischlingen voran, und diese laufen quiekend und grunzend hinter ihnen drein, ohne Unterlaß sich zerstreuend und wieder sammelnd, hier ein wenig verweilend und brechend, einen plumpen Scherz versuchend, und dann wieder sich sammelnd und nach der Alten hindrängend, sie umlagernd und zum Stillstehen zwingend, das Gesäuge fordernd und hierauf wieder lustig weitertrollend, so geht es während der ganzen Nacht fort; ja selbst bei Tage kann es die unruhige Gesellschaft im Kessel auch kaum aushalten und dreht und bewegt sich dort ohne Ende. »Nichts«, sagt Winckell, »übersteigt den Mut und die Unerschrockenheit, womit eine rechte oder eine Pflegemutter ihre Familie im Notfall verteidigt. Beim ersten Ausbruch des klagenden Lautes eines Frischlings eilt die Bache pfeilschnell heran. Keine Gefahr scheuend, geht sie blind auf jeden Feind los, und wäre es auch ein Mensch, der ihr ein Kind rauben wollte. Ein Mann, der einst beim Spazierenreiten ganz junge Frischlinge fand, wollte einen davon mit nach Hause nehmen. Kaum begann dieser, den er aufheben und aufs Pferd bringen wollte, zu klagen, als die Bache heranstürzte, ihn, so sehr er sich auch zu entfernen eilte, unaufhörlich verfolgte, wütend am Pferde in die Höhe sprang und mit offenem Gebreche ihm nach den Füßen fuhr. Endlich warf er den Frischling herunter. Behutsam nahm die zärtliche Alte ihr gerettetes Kind ins Gebreche und trug es zur übrigen Familie zurück.«
Mit achtzehn bis neunzehn Monaten ist das Wildschwein fortpflanzungsfähig, mit fünf bis sechs Jahren vollständig ausgewachsen; das Lebensalter, das es erreichen kann, schätzt man auf zwanzig bis dreißig Jahre. Die Wildschweine sind wohl nur wenigen Krankheiten ausgesetzt. Bloß außerordentlich strenge Kälte mit tiefem Schnee, der ihnen das Brechen und das Auffinden der Nahrung unmöglich macht, oder, wenn er eine Rinde hat, auch die Haut an den Läufen verletzt, werden Ursache, daß in nahrungsarmen Gegenden manchmal viele von ihnen fallen. Wolf und Luchs, auch wohl der schlaue Fuchs, der wenigstens einen kleinen Frischling wegzufangen wagt, sind bei uns zulande die Hauptfeinde des Wildschweins; in den südlicheren Gegenden stellen die größeren Katzen, zumal der Tiger, mit Eifer dem fetten Wildbret nach. Der größte Feind des Tieres ist aber wiederum der Mensch; denn die Jagd des Wildschweins hat seit allen Zeiten als ein ritterliches, hoch geachtetes Vergnügen gegolten, und jeder echte Jäger setzt noch heutzutage gern sein Leben ein, wenn es gilt, einem Wildschwein in der uralten Jagdweise gegenüberzutreten. Gegenwärtig ist die Jagd bei uns freilich mehr zu einer Spielerei geworden, nicht aber mehr ein Kampf mit den wütenden und gefährlichen Keilern oder Ebern, und von ritterlichem Streiten zwischen den Jägern und ihrem Wild bei der jetzigen Jagdweise keine Rede mehr. Zu alten Zeiten war es freilich anders, zumal damals, als noch die Armbrust und die »Schweinsfeder« oder das »Fangeisen« die gebräuchlichen Jagdwaffen waren. Die Schweinsfeder, ein Spieß mit breiter, zweischneidiger Stahlspitze und 8 Zentimeter langen Haken am Ende des 30 Zentimeter langen Eisens, wurde benutzt, um das zornige Wildschwein beim Anrennen auf den Jäger abzufangen. Man stellte sich dem Schwein entgegen, indem man mit der rechten Hand das Ende des hölzernen Stiels fest an den Leib andrückte, mit der Linken aber dem Eisen die Richtung zu geben versuchte. Sobald nun das blindwütende Tier heranschoß, richtete man das Eisen so, daß die Spitze ihm auf den Unterhals oberhalb des Brustbeins zu stehen kam, und der Stoß des anrennenden Schweines war dann auch regelmäßig so heftig, daß die ganze Spitze bis zu den Haken, die das weitere Eindringen verhinderten, dem Wildschwein in die Brust fuhr, bei richtigem Gebrauche der Waffe ihm das Herz durchbohrend. Schwächere Sauen ließ man nur auf den Hirschfänger anlaufen, indem man diesen, das Heft mit der rechten Hand gefaßt, über dem rechten, etwas gebogenen Knie ansetzte und den Körper auf den linken, hinterwärts angesetzten Fuß stützte. Um die Sauen zu reizen, rief man ihnen die Worte »Huß Sau!« zu, worauf sie blind auf den mörderischen Stahl einrannten.
Gegen die Hunde verteidigt sich das Wildschwein mit nachhaltiger Wut. Man brauchte in früheren Zeiten zur Saujagd die sogenannten Saufinder und Hetzhunde, mutige, starke und flüchtige Tiere, die in halbwildem Zustande gehalten und nur auf Schwarzwild gebraucht wurden. Die Saufinder mußten das Wild suchen, die Hetzhunde deckten es. Ehe es zum Packen kam, d. h. ehe die Hunde sich am Gehör ihrer Feinde festbissen, wurde manchem Hunde der Leib aufgerissen oder er wenigstens schwer geschlagen. Auf beiden Seiten wehrte man sich mit gleicher Tapferkeit, und wenn acht bis neun der starken und wehrhaften Hunde über das Schwein herfielen, mußte es sich ergeben. Das von den Hunden angegriffene Schwein suchte sich klugerweise den Rücken zu decken und setzte sich zu diesem Zwecke gewöhnlich an einen Baumstamm oder ins Gebüsch, nach vorn hin wütend um sich hauend. Die ersten Hunde waren am schlimmsten daran. Hatte aber einmal einer dieser trefflichen Jagdgehilfen sich am Schweine festgebissen, so war er nicht wieder loszubringen: er hätte sich eher Hunderte von Schritten weit schleifen lassen. So wurde das Wildschwein festgehalten, bis der Jäger herbeikam, um es abzufangen. Die Hunde wurden, wie Kobell bemerkt, beim Verfolgen der Sau oft so wütend, daß sich ein reitender Jäger in acht nehmen mußte, zwischen sie und die Sau zu kommen, weil sie zuweilen das Pferd packten, niederrissen und Roß und Reiter fürchterlich bissen.
Das Fleisch des Schwarzwildes wird mit Recht sehr geschätzt, weil es neben dem Geschmack des Schweinefleisches den des echten Wildbrets hat. Kopf und Keulen gelten für besondere Leckerbissen. Auch die Würste, die man aus Wildschweinfleisch bereitet, sind vortrefflich. An den ägyptischen Seen, wo die Schweine in gewaltigen Rudeln hausen, beschäftigen sich manchmal europäische Fleischer monatelang mit der Jagd des von den Mohammedanern mißachteten, »unreinen« Wildes und bereiteten aus dem Fleische der erlegten Tiere bloß Würste, die sie dann mit sehr gutem Gewinn verkauften. Während der Brunstzeit ist das Fleisch des Keilers ungenießbar. Die Schwarte wird ebenfalls verwendet, und die Borsten sind sehr gesucht. Aber so groß auch der Nutzen sein mag: den Schaden, den das Tier anrichtet, kann er niemals aufwiegen.
Nicht allein unser Wildschwein, sondern auch mehrere seiner indischen, malaiischen und hinterasiatischen Verwandten scheinen bereits seit uralter Zeit in den Hausstand übergegangen zu sein. Nach Ansicht Juliens, eines ausgezeichneten Kenners von China, züchtete man bereits um das Jahr 4900 vor unserer Zeitrechnung im Himmlischen Reiche Hausschweine; nach Rütimeyers Untersuchungen der Pfahlbauten gab es in der Schweiz schon zwei verschiedene Rassen des nutzbaren Haustieres. »Das Schwein«, so schreibt mir Dümichen, »obgleich zu den typhonischen (der bösen Gottheit Typhon geweihten) Tieren gehörig, wurde sicher von den alten Ägyptern als Haustier gehalten. Die Inschriften sprechen von ihm, und herdenweise wie einzeln wird es abgebildet. Doch scheint man es nur gehalten zu haben zum Zwecke des Opferns an einzelnen Festen des Jahres.« In der Bibel wird seiner oft gedacht; die Odyssee spricht von ihm wie von einem allgemein bekannten Pfleglinge des Menschen.
Seit jenen Zeiten sind unzählige Rassen entstanden und vergangen, und noch gegenwärtig entstehen neue und verschwinden ältere, je nach Bedürfnis oder Laune und Zufall. Fitzinger wie Nathusius nehmen an, daß alle jetzt lebenden Rassen auf zwei verschiedene Formen oder Arten zurückgeführt werden können: auf unser Wildschwein und auf eine südasiatische Art ( Sus cristatus) nämlich; dies schließt jedoch nicht aus, daß auch andere indisch-malaiisch-chinesische Arten an der Erzeugung beteiligt sein können. So groß die Verschiedenheit unter diesen Rassen sein mag, sie wie das Entstehen und Vergehen der unter Einwirkung des Menschen erzeugten Formen erklären sich durch selbständig oder gezwungen geübte Zuchtwahl wie durch die wechselreichen Verhältnisse, unter denen die Hausschweine leben. Schweine, die wühlen können, behalten, laut Nathusius, ihren gestreckten Rüssel auch als gefangene Tiere, bekommen aber einen kürzeren, wenn sie von Jugend an im Stalle gehalten werden. Dieses eine Beispiel zeigt, wie leicht es möglich ist, durch eine bestimmte Behandlungsweise wichtige Merkmale eines Tieres abzuändern, und es bedarf deshalb nur noch des Hinweises auf die Bedeutung und Wirkung der mit Sachverständnis ausgeführten Kreuzungen, um es erklärlich erscheinen zu lassen, daß wir gegenwärtig Hausschweine besitzen, die sich von ihrer Stammart wesentlich unterscheiden. Künstliche Erzeugnisse des Menschen sind sie alle, die gegenwärtig beliebten oder angestaunten Rassen: das stämmige Berkshire- wie das fettleibige Harrisson- oder das quabblige Zwergschwein; ein Kunsterzeugnis auch ist das Maskenschwein, in dem die Laune japanesischer Züchter ihren Ausdruck gefunden hat. Wir überlassen es andern, sie und alle übrigen Rassen zu schildern, und werfen noch flüchtig einen Blick auf die Lebensweise und Eigenschaften des Tieres.
Heutzutage ist das Hausschwein über den größten Teil der Erde verbreitet. Soweit nach Norden hin Landbau betrieben wird, lebt es als Haustier, in den südlichen Ländern mehr im Freien. Da eigentlich nur sumpfige Gegenden ihm zusagen, verändert es sich, wenn man es ins Gebirge bringt. Je höher es hinaufsteigt, um so mehr nimmt es das Gepräge des Bergtieres an. Der Leib wird kleiner und gedrungener, der Kopf kürzer und weniger spitz, die Stirn breiter; der Hals verkürzt sich und nimmt an Dicke zu, der Hinterteil wird mehr abgerundet, und die Läufe kräftigen sich. Damit geht Hand in Hand, daß solche Bergschweine wenig Fett ansetzen, dafür aber zarteres und feineres Fleisch bekommen und daß sie an Fruchtbarkeit verlieren. Klima, Bodenverhältnis, Zucht und Kreuzung haben nun auch einen gewissen Einfluß auf die Färbung, und daher kommt es, daß in gewissen Gegenden die, in andern jene Färbung vorherrscht. So sieht man in Spanien fast nur schwarze Schweine, während solche bekanntlich bei uns im Norden selten sind.
Man hält und mästet die Schweine entweder in den Ställen, oder treibt sie während eines großen Teiles des Jahres im Freien umher. Die eingepferchten Tiere werden größer und fetter, sind aber schwächer und mehr Krankheiten ausgesetzt als diejenigen, die den größten Teil des Lebens im Freien zubringen; sie sind gewöhnlich etwas hochbeiniger und magerer, dabei aber viel kräftiger, selbständiger und mutiger als jene. Nicht bloß in Amerika betreibt man solche Waldzucht, wie man sagen könnte, sondern auch in den meisten Provinzen Rußlands, in den Donautiefländern, in Griechenland, Italien, Südfrankreich und Spanien. In Skandinavien laufen die Schweine, wenigstens während des ganzen Sommers, nach ihrem Belieben umher, jedes mit einem kleinen, dreieckigen Holzkummet um den Hals, das ihnen das Eindringen in die umhegten Grundstücke verwehrt, sie im übrigen aber nicht hindert. Wenn man durch Norwegen reist, sieht man die Schweine mit größter Behaglichkeit und Gemächlichkeit längs der Landstraßen dahinlaufen und hier sich allerlei Abfälle aufsuchen und andere Nahrung erwerben. Im südlichen Ungarn, Kroatien, Slawonien, Bosnien, Serbien, in der Türkei und in Spanien überläßt man sie das ganze Jahr hindurch sich selbst und trägt nur insofern Sorge um sie, daß sie sich nicht verlaufen. Sie nutzen dann die Wälder aus und finden, namentlich in den Eichwaldungen, höchst geeignete Futterplätze und Mastorte. In Spanien steigen sie bis hoch in die Gebirge hinauf: in der Sierra Nevada z. B. bis zu 2500 Meter über dem Meere, und nutzen dort Örtlichkeiten aus, auf denen andere Tiere nicht viel finden würden. Das freie Leben hat alle ihre leiblichen und geistigen Fähigkeiten sehr entwickelt. Sie laufen gewandt, klettern gut und sorgen selbst für ihre Sicherheit. Wie mutig sie sein können, habe ich bereits bei Beschreibung des Wolfes erwähnt. Bei der sogenannten halbwilden Zucht läßt man die Schweine während des Sommers im Freien, bringt sie aber im Winter in die Ställe.
Mit Unrecht hat man geglaubt, daß dem Schweine zu seinem Wohlbefinden Kot und Schmutz unentbehrlich sei. Die neueren Erfahrungen haben erwiesen, daß auch dieses Haustier bei reinlicher Haltung weit besser gedeiht, als wenn es beständig im Schmutze liegt; deshalb pferchen jetzt die gebildeten Tierzüchter ihre Schweine nicht mehr in greulichen Gefängnissen ein, die man Schweineställe nennt, weisen ihnen vielmehr weite, luftige Räume an, die leicht gereinigt werden können, und erziehen hier viel gesündere und kräftigere Hausschweine als in den kleinen unreinlichen Koben. Am besten ist es, wenn der Boden des Stalles mit großen Steinplatten ausgelegt wird.
Im allgemeinen zeigt sich das zahme Schwein als ein vollständiger Allesfresser. Es gibt wirklich kaum einen Nahrungsstoff, den dieses Tier verschmäht. Einige Pflanzen werden von ihm nicht berührt, und scharfe Gewürze können ihm den Tod bringen: im übrigen verzehrt es alles, was der Mensch genießt, und noch hundert andere Dinge mehr. Es wählt seine Nahrung ebensogern aus dem Pflanzen-, wie aus dem Tierreiche. Auf Brach- und Stoppeläckern wird es sehr nützlich, weil es hier Mäuse, Engerlinge, Schnecken, Regenwürmer, Heuschrecken, Schmetterlingspuppen und allerlei Unkraut vertilgt, sich dabei vortrefflich mästet und auch noch den Boden aufwühlt.
Während man bei den Hausschweinen möglichst darauf hält, daß sie sich nicht bewegen, muß man den zur Zucht bestimmten Spielraum gönnen. Die Paarung findet gewöhnlich zweimal im Jahre statt, Anfang April oder im September. Nach sechzehn bis achtzehn Wochen oder 115 bis 118 Tagen wirft das Hausschwein vier bis sechs, zuweilen auch zwölf bis fünfzehn, und in seltenen Fällen zwanzig bis vierundzwanzig Junge. Die Mutter bekundet für diese wenig Sorgfalt, bereitet sich oft nicht einmal ein Lager vor dem Ferkeln. Nicht selten kommt es vor, daß sie, wenn ihr die zahlreiche Kinderschar lästig wird, einige von den Kleinen auffrißt, gewöhnlich dann, wenn sie dieselben vorher erdrückt hat. Manche Mutterschweine muß man bewachen und sie schon lange Zeit vor dem Werfen von tierischer Nahrung abhalten. Die Jungen guter Mütter läßt man vier Wochen saugen, ohne sich weiter um sie zu bekümmern. Dann nimmt man sie weg und füttert sie mit leichten Nahrungsstoffen groß. Das Wachstum geht sehr rasch vor sich, und bereits mit dem achten Monat ist das Schwein fortpflanzungsfähig.
Über die Benutzung des geschlachteten Tieres brauche ich hier nichts zu sagen; denn jedermann weiß, daß eigentlich kein Teil des ganzen Schweines verlorengeht.
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Auf Celebes, Sulla-Mangoli und Buru lebt ein sehr eigentümliches Schwein. Es ist viel schlanker und hochbeiniger als alle übrigen und durch seinen kräftigen, kurzen, schmalen Rüssel, die kleinen, wimperlosen Augen, die kleinen, schmalen und spitzen Ohren, den ziemlich kurzen, mit einer Quaste verzierten Schwanz und das dünne Haarkleid, besonders aber durch einen förmlichen Hörnerschmuck ausgezeichnet; seine Zähne nämlich wachsen zu solcher auffallenden Länge empor, und die oberen krümmen sich so sonderbar, daß man sie recht wohl mit Hörnern vergleichen kann. Die Europäer haben den ursprünglichen Landesnamen Babi-Rusa, der soviel als Eber und Hirsch bedeutet, ohne weiteres aufgenommen und übersetzt, weil er das betreffende Schwein treffend bezeichnet. Durch seine Zähne unterscheidet sich der Babi-Rusa von allen übrigen Mitgliedern seiner Familie und gilt mit Recht als Vertreter einer eigenen Sippe ( Porcus).
Der Hirscheber ( Porcus babirusa) ist ein Tier von bedeutender Größe. Neuere Jäger behaupten, einzelne Eber gesehen zu haben, die ebenso groß wie ein mittlerer Esel waren. Durchschnittlich mag die Körperlänge des erwachsenen Tieres 1,1 Meter, die Schwanzlänge 20 Zentimeter, die Höhe am Widerrist und Kreuze 80 Zentimeter betragen. Der Leib ist gestreckt, rund und voll, seitlich jedoch nur ein wenig zusammengedrückt, der Rücken schwach gewölbt, der Hals kurz und dick, der Kopf verhältnismäßig klein, lang gestreckt, auf der Stirne schwach gewölbt, mit einem stark zugespitzten, die Unterlippe überragenden, kräftigen, beweglichen Rüssel, der an seiner Spitze ebenso wie bei den Schweinen abgestutzt ist und auch die nackte, knorpelige Wühlscheibe mit ihren schwieligen Rändern und den sie durchbohrenden Nasenlöchern zeigt; die Beine sind kräftig, aber gestreckt, die vorderen wie die hinteren vierzehig, die Vorderzehen höchstens etwas weiter voneinander abstehend als bei den übrigen Schweinen; der Schwanz ist dünn und wird hängend getragen. Die Eckzähne des Oberkiefers, die beim Männchen äußerst lang, dünn und spitz, auf der Vorderseite gerundet, seitlich zusammengedrückt, hinten stumpfschneidig nach aufwärts und zugleich nach rückwärts gerichtet sind, so daß sie mit höherem Alter zuweilen in die Haut der Stirn eindringen, durchbohren die Rüsseldecke und krümmen sich halbkreisförmig oder noch mehr nach hinten; die kürzeren und dickeren Gewehre des Unterkiefers richten sich mehr gerade nach aufwärts. Beim Weibchen sind die Eckzähne sehr kurz, und die oberen, die ebenso wie bei dem Männchen die Schnauze durchbohren, ragen kaum einen Zentimeter über sie empor. Vier Vorderzähne in den Oberkiefern, sechs in den Unterkiefern und fünf Backenzähne jederseits oben und unten bilden das übrige Gebiß. Beim Weibchen finden sich nur zwei Zitzen, die in der Weichgegend liegen. Das Haarkleid besteht aus einzelnen, ziemlich kurzen Borsten, die längs des Rückgrats und zwischen den vielen Hautrunzeln sowie am Ende des Schwanzes, wo sie eine kleine Quaste bilden, dichter stehen. Die Haut ist dick, hart, rauh, vielfach gerunzelt und im Gesicht, um die Ohren und am Halse tief gefaltet. Ein schmutziges Aschgrau auf der Außen- und Oberseite und Rostrot an der Innenseite der Beine ist die allgemeine Färbung; über die Mittellinie zieht ein heller, bräunlichgelber Streifen, gebildet durch die Spitzen der Borstenhaare. Die Ohren sind schwärzlich.
Außer Celebes, das als das eigentliche Vaterland des Babirusa angesehen werden muß, findet er sich nur noch auf den oben angegebenen Inseln, während er auf den übrigen Molukken, den großen westlichen Sundainseln und ebenso auf dem hinterindischen Festlande zu fehlen scheint. Möglich ist, daß er auch in Neuguinea und Neuirland vorkommt; wenigstens fanden einige Reisende dort seine unverkennbaren Hauzähne in den Händen der Eingeborenen. Auf Celebes und im Innern Burus ist er häufig. Seine Lebensweise ist die anderer Schweine. Sumpfige Wälder, Rohrgebüsche, Brüche und Seen, auf denen viele Wasserpflanzen wachsen, sind seine Lieblingsorte. Hier rudelt er sich zu größeren oder kleineren Gesellschaften, schläft bei Tage und geht nachts auf Fraß aus, alles Genießbare annehmend. Der Gang ist ein rascher Trab, der Lauf leichter als beim Wildschwein, selbstverständlich aber nicht mit der köstlichen Bewegung der Hirsche zu vergleichen, wie man früher behaupten wollte. Um die auffallend gebildeten Eckzähne des Ebers zu erklären, hat man gefabelt, daß er sich damit manchmal an niedere Äste hänge, teils um seinen Kopf zu stützen, teils aber, um sich gemächlich hin und her zu schaukeln! Begründet ist, daß der Babirusa, als vortrefflicher Schwimmer, nicht bloß in den süßen Gewässern alle Nahrungsplätze besucht, sondern auch dreist über Meeresarme setzt, um von einer Insel zur andern zu gelangen.
Unter den Sinnen des Tieres sind Geruch und Gehör am besten entwickelt. Die Stimme ist ein langes, schwaches Grunzen. Die geistigen Eigenschaften ähneln denen anderer Schweine. Der Hirscheber weicht dem Menschen aus, solange es geht, setzt sich aber unvermeidlichen Angriffen mit der Tapferkeit aller Eber zur Wehr, und seine unteren Eckzähne sind so tüchtige Waffen, daß sie auch dem mutigsten Mann ein gewisses Bedenken einzuflößen vermögen. Ein Seeoffizier, der mehrere Male mit dem Babirusa zusammengekommen war, sprach nur mit der größten Achtung von ihm, schien jedoch aus seinem Zusammentreffen mit ihm nicht gern viel erzählen zu wollen. Die Eingeborenen sollen ihn mit Lanzen erlegen und manchmal Treibjagden veranstalten, bei denen die Babirusas ihr Heil in der Flucht zu suchen pflegen.
Die Sau soll, im Monat Februar etwa, ein oder zwei Frischlinge werfen, kleine, nette Tierchen von 15 bis 20 Zentimeter Länge, die von der Mutter warm geliebt und verteidigt werden. Weiter weiß man nichts über die Fortpflanzung. Fängt man solche Junge frühzeitig ein, so nehmen sie nach und nach einen gewissen Grad von Zahmheit an, gewöhnen sich an den Menschen, folgen ihm unter Umständen und bezeugen ihm ihre Dankbarkeit durch Schütteln der Ohren und des Schwanzes. Bei den Rajas findet man zuweilen einen lebenden Babirusa, weil auch die Eingeborenen ihn als ein ganz absonderliches Geschöpf betrachten und seiner Sehenswürdigkeit wegen in der Gefangenschaft halten. Doch geschieht dies noch immer selten, und man verlangt hohe Preise für gezähmte Schweine dieser Art.
Die Merkmale der Nabelschweine ( Dicotyles) liegen in dem Gebiß, das sich dadurch auszeichnet, daß die Hauzähne sich weder nach aufwärts krümmen, noch die Oberlippe durchbohren, sowie ferner in der gedrungenen Gestalt, dem kurzen Kopfe und kurzem, schmächtigem Rüssel, dem Fehlen der Außenzehe des Hinterfußes, der demgemäß nur in drei Hufe geteilt ist, einer auf dem Hinterteile des Rückens ausmündenden Drüse und den zwei oder drei Zitzenpaaren des Weibchens.
Das Nabelschwein oder der Pekari der Eingeborenen ( Dicotyles torquatus), ein kleines Schwein von höchstens 95 Zentimeter Länge, bei zwei Zentimeter Schwanzlänge und 35 bis 40 Zentimeter Schulterhöhe, hat einen kurzen Kopf und eine stumpfe Schnauze, ist sonst aber verhältnismäßig schlank gebaut. Die allgemeine Färbung des Tieres ist ein schwärzliches Braun, das aus den Seiten ins Gelblichbraune übergeht und mit Weiß sich vermischt. Aus der Rückendrüse sondert sich zu allen Zeiten eine durchdringend riechende Flüssigkeit ab, die den Eignern aber sehr zu behagen scheint, weil sie sich gegenseitig mit ihren Schnauzen an den Rückendrüsen reiben.
Die zweite Art der Gruppe, das Bisamschwein, Tagnicati der Eingeborenen ( Dicotyles labiatus), ist merklich größer, einschließlich des fünf Zentimeter messenden Schwanzstummels 1,1 Meter lang und an der Schulter 40 bis 45 Zentimeter hoch, von dem Verwandten durch einen großen, weißen Fleck am Unterkiefer auch in der Färbung auffallend unterschieden. Die Gesamtfärbung ist ein am ganzen Leibe ziemlich gleichmäßiges Grauschwarz, von dem der lichte Wangenfleck lebhaft absticht.
In allen waldreichen Gegenden Südamerikas, bis gegen tausend Meter über dem Meere, sind die Nabel- und Bisamschweine gewöhnliche Erscheinungen. In zahlreichen, zuweilen Hunderte zählenden Trupps, unter Leitung der stärksten Eber ihrer Art, durchziehen die Bisamschweine, in schwächeren, aus zehn bis fünfzehn Stück bestehenden Rudeln ihre Verwandten, die Pekaris, die Wälder, täglich den Aufenthaltsort ändernd und eigentlich immer auf der Wanderschaft begriffen. Nach Renggers Versicherung kann man ihnen tagelang folgen, ohne sie zu sehen. »Bei ihren Zügen«, sagt dieser Forscher, »hält sie weder das offene Feld, das sie sonst nur selten besuchen, noch das Wasser auf. Kommen sie zu einem Felde, so durchschneiden sie dasselbe im vollen Lauf; stoßen sie auf einen Fluß oder Strom, so stehen sie keinen Augenblick an, ihn zu überschwimmen. Ich sah sie über den Paraguayfluß setzen an einer Stelle, wo er mehr als eine halbe Stunde breit war. Das Rudel selbst zieht in dichtem Gedränge, die männlichen Tiere voran, jedes Mutterschwein mit seinen Jungen hinter sich. Man erkennt es schon von weitem durch das Gehör, und zwar nicht bloß wegen der dumpfen, rauhen Laute, die die Tiere von sich geben, sondern noch mehr, weil sie ungestüm das Gebüsch auf ihrem Wege zerknicken.« Bonpland wurde einmal von seinem indianischen Führer beim Pflanzensuchen gebeten, sich hinter einem Baume zu verstecken, weil der Begleiter befürchtete, daß unser Forscher von einem Rudel dieser Schweine zu Boden geworfen werden möchte. Die Eingeborenen versicherten Humboldt, daß sich selbst der Jaguar im Walde scheue, unter ein Rudel Pekaris zu geraten, und sich, um nicht erdrückt zu werden, vor ihnen regelmäßig hinter einen Baum flüchtete.
Die Nabelschweine gehen bei Tage und bei Nacht ihrem Fraße nach, und der Mangel an geeigneter Nahrung ist es wohl auch, der sie zu größeren Wanderungen zwingt. Baumfrüchte aller Art und Wurzeln bilden ihre Äsung. Ihr Gebiß ist so kräftig, daß sie, laut Schomburgk, mit der größten Leichtigkeit selbst die härtesten Palmensamen zu öffnen vermögen. In bewohnten Gegenden brechen sie häufig in die Pflanzungen ein und zerstören die Felder. Neben pflanzlicher Nahrung sollen sie auch Schlangen, Eidechsen, Würmer und Larven fressen.
In ihren Bewegungen und ihrem Wesen ähneln sie unsern Wildschweinen, zeigen aber weder die Gefräßigkeit, noch die Unreinlichkeit derselben, fressen nie mehr, als sie bedürfen, und suchen bloß während der größten Hitze, und auch dann nur Pfützen auf, um sich in ihnen zu suhlen. Bei Tage verbergen sie sich gern in hohlen Stämmen oder zwischen losen Wurzeln großer Bäume; wenn sie gejagt werden, flüchten sie sich stets nach solchen Schlupfwinkeln. Ihre Sinne sind schwach, ihre geistigen Fähigkeiten gering. Gehör und Geruch scheinen am besten ausgebildet zu sein. Das Gesicht ist schlecht. Von scharfem Verstand hat man wenig bei ihnen bemerkt; dagegen betätigen sie die Rachelust ihres Geschlechts in unbeschränkter Weise.
»Die Bisamschweine«, sagt Rengger, »werden teils ihres Fleisches wegen, teils auch des Schadens halber, den sie in den Pflanzungen anrichten, häufig gejagt. Man sucht sie gewöhnlich mit Hunden in den Wäldern auf und tötet sie mit Schüssen oder Lanzenstichen. Es ist lange nicht so gefährlich, wie man gesagt hat, Trupps dieser Tiere anzugreifen. Wohl mag hier und da ein unbesonnener Jäger einige Wunden davongetragen haben, wenn er sich allein und zu Fuße einem starken Rudel entgegenstellte; jagt man sie aber mit Hunden, und greift man sie nur von der Seite oder von hinten an, so ist für den Jäger keine Gefahr vorhanden, da sie so schnell als möglich davoneilen und sich höchstens gegen schwache Hunde verteidigen. Fallen sie oft in eine Pflanzung ein, so gräbt man auf der Seite, wo sie dieselbe zu verlassen pflegen, eine breite, bis drei Meter tiefe Grube, wartet, bis sie erscheinen, und jagt sie dann mit Hunden und unter Geschrei auf die Grube zu, die, wenn das Rudel stark ist, zuweilen bis zur Hälfte mit ihnen angefüllt wird. Ich sah auf einem Landgute neunundzwanzig Stück in ein Loch herabstürzen und darin durch die Lanzen der Jäger ihren Tod finden. Diejenigen, die sich in den Urwäldern unter Baumwurzeln verborgen haben, treibt man mit Rauch heraus. Wir töteten einmal fünfzehn Stück auf diese Weise. Die Indianer fangen die Bisamschweine in Schlingen.«
Die Sau wirft gewöhnlich ein einziges, in seltenen Fällen zwei Junge, die vielleicht schon am ersten Tage, sicherlich aber sehr kurz nach ihrer Geburt, der Mutter überallhin folgen und, anstatt zu grunzen, fast wie die Ziegen schreien. Sie lassen sich ohne Mühe zähmen und werden, wenn man sie gut behandelt, zu eigentlichen Haustieren. »Der Pekari«, sagt Humboldt, »den man im Hause auszieht, wird so zahm wie unser Schwein und Reh, und sein sanftes Wesen erinnert an die anatomisch nachgewiesene Ähnlichkeit seines Baues mit dem der Wiederkäuer.« Ihr Hang zur Freiheit verschwindet, wie Rengger versichert, gänzlich, und an dessen Stelle tritt die größte Anhänglichkeit an den neuen Wohnort und an die dortigen Haustiere und Menschen. »Der Pekari entfernt sich, wenn er allein ist, nie lange von der Wohnung. Er verträgt sich gut mit den übrigen Haustieren und spielt zuweilen mit ihnen; besonders aber ist er den Menschen zugetan, unter denen er lebt. Er weilt häufig gern in ihrer Nähe, sucht sie auf, wenn er sie einige Zeit lang nicht gesehen hat, drückt beim Wiedersehen durch Entgegenspringen und Schreien seine Freude aus, hört auf ihre Stimme, wenn er sie rufen hört, und begleitet sie tagelang in Wald und Feld. Fremde, die sich der Wohnung seines Herrn nähern, kündigt er durch Grunzen und Sträuben seiner Haare an. Auf fremde Hunde, falls sie nicht zu groß sind, geht er sogleich los, greift sie an und versetzt ihnen zuweilen mit den Eckzähnen tüchtige Wunden, die er nicht nach Art des Wildschweins durch Stoßen, sondern durch eigentliches Beißen beibringt.«
Nach Europa kommen lebende Pekaris in erheblicher, lebende Bisamschweine in geringerer Anzahl. Beide ertragen unser Klima verhältnismäßig gut, haben sich auch wiederholt bei uns fortgepflanzt. Man erhält sie bei gewöhnlichem Schweinefutter mehrere Jahre. Von ihrer Freundschaft zu dem Menschen habe ich bisher noch nichts bemerken können. Alle Gefangenen, die ich sah oder pflegte, waren bissige, jähzornige Geschöpfe, die sich auch dem Wärter gegenüber sehr rauflustig zeigten.
Das Fell der Nabelschweine wird hauptsächlich zu Säcken und Riemen benutzt, das Fleisch hingegen von dem ärmeren Volke gegessen. Es hat einen angenehmen Geschmack, der aber mit dem des Schweinefleisches keine Ähnlichkeit hat. Auch findet sich anstatt des Speckes nur eine dünne Lage von Fett. Ist das Bisamschwein vor seinem Tode lange gehetzt worden, so nimmt das Fleisch den Geruch der Rückendrüse an, falls man diese nicht bald herausschneidet; sonst aber kann man, außer der Brunftzeit wenigstens, das getötete Tier in seiner Haut erkalten lassen, ohne daß sich dieser Geruch im Fleische wahrnehmen läßt.
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Afrika beherbergt außer den Höckerschweinen noch wahre Ungeheuer derselben Familie, die Warzenschweine ( Phacochoerus). Sie sind die plumpesten und häßlichsten aller bekannten Borstentiere, gedrungen gebaut und niedrig gestellt, ausgezeichnet vor allem durch den unschönen Kopf und das eigentümliche Gebiß. Ihr Leib ist walzig, in der Rückenmitte eingesenkt, der Hals kurz, der Kopf massig, auf der breiten Stirn niedrig, im Rüsselteile überall merklich, vorn an der Oberlippe unverhältnismäßig verbreitert, an den Seiten verunziert durch drei warzige Auswüchse, von denen je ein mehrere Zentimeter hoher, zugespitzter, beweglicher, bald nach oben gerichteter, bald hängender unter dem Auge, ein anderer kleinerer, aufgerichteter seitlich vorn auf dem Vorderkiefer stehen und der dritte, an der Wurzel sehr lange, vom Unterkiefer an beginnend, längs desselben bis gegen die Mundspalte hin sich erstreckt. Die kleinen Augen treten wie beim Nilpferde vor und werden unten von einer großen, halbmondförmigen Falte umgeben, die sich mit Tränengruben vergleichen läßt; die Rüsselscheibe verbreitert sich und bildet ein von oben nach unten zusammengedrücktes Eirund. Die niederen, verhältnismäßig zierlichen Beine haben vorn und hinten vier Hufe und vorn auf dem Fesselgelenke eine breite Schwiele. Das Gebiß besitzt riesige, sehr starke, mehr oder weniger ausgeschweifte, am Ende abgestumpfte, vorn und hinten der Länge nach gefurchte Hauer, die sich wie bei den Schweinen nur nach oben kehren. Das Warzenschwein ( Phacochoerus africanus) erreicht einschließlich des 45 Zentimeter langen Schwanzes 1,9 Meter Gesamtlänge bei 70 Zentimeter Schulterhöhe. Die Behaarung der Seiten und der Unterteile des Leibes ist selbst in der kalten Jahreszeit kurz und dünn, in den warmen Monaten, und zumal nach der Härung so spärlich, daß dann eigentlich nur die graulich-schieferfarbene Haut zur Geltung kommt, und die weichen, dünnen Borstenhaare, die dieselbe bedecken, ihr höchstens einen lichteren Schimmer verleihen. Dagegen erreicht eine auf der Stirn beginnende, bis zum Kreuze fortlaufende, auf dem Rücken sich verbreiternde, aus dicken, wenig biegsamen, schwarzen, braunspitzigen Haaren gebildete Mähne eine so bedeutende Länge, daß sie seitlich bis zum Bauche herabfällt. Starke Borsten umgeben auch das dicht bewimperte Auge, und ähnliche am Unterkiefer bilden einen sehr bemerklichen Backenbart. Die Schwanzquaste endlich besteht aus einem ziemlich langen Busche. Der Verbreitungskreis des Warzenschweins erstreckt sich über ganz Mittelafrika, von den Küstenländern des Roten und Indischen Meeres an bis zum Grünen Vorgebirge.
Bis jetzt sind uns nur ziemlich dürftige Nachrichten über Betragen und Lebensweise der Warzenschweine zugekommen. In Habesch trifft man schon wenige Meilen von der Küste sehr häufig auf die unverkennbaren Spuren dieses Tieres; doch habe ich nur ein einziges und auch dieses bloß flüchtig gesehen, eigene Beobachtungen also nicht sammeln können. Nach Heuglin schlägt sich das Warzenschwein wie die meisten übrigen Arten seiner Familie in Rudel von wechselnder Stärke, die vom Abend bis zum Morgen nach Äsung umherziehen; den Tag verbringt es im Lager, am liebsten da, wo es sich in den Sumpf oder selbst in das Wasser einbetten kann. Die Äsung besteht, nach Rüppell, aus Wurzeln, und die Bedeutung seiner riesenmäßigen Gewehre wird hierdurch klar. Um Äsung zu nehmen, fällt das Tier auf seine Handbeugen, rutscht, mit den Hinterläufen nachstemmend, auf den dicken Schwielen, die jene bedecken, vorwärts und wühlt nun, mehr die Gewehre als die Rüsselscheibe benutzend, tiefe Furchen aus, um zu seiner Lieblingsnahrung, Pflanzenwurzeln und Knollen, zu gelangen. Nebenbei äst es, ebenso wie andere Wildschweine, allerdings auch von tierischen Stoffen aller Art, insbesondere von Larven, Puppen, Käsern, Würmern und dergleichen, verzehrt Kriechtiere, vielleicht auch Lurche, und geht selbst Aas an.
Im Jahre 1775 kam das erste lebende Warzenschwein nach Europa, und zwar vom Kap aus. Man hielt es geraume Zeit im Tiergarten von Haag und glaubte, in ihm ein sehr gutmütiges Tier zu besitzen: eines Tages jedoch brach seine Wildheit aus: es stürzte sich grimmig auf seinen Wärter und brachte diesem mit seinen furchtbaren Hauern eine tödliche Wunde bei. Einer Bache des Hausschweines, das ihm in der Hoffnung beigegeben worden war, daß es sich mit derselben paaren werde, riß es den Bauch aus. Hinsichtlich seiner Nahrung unterschied es sich nicht von andern Schweinen. Es fraß Getreide aller Art, Mais, Buchweizen, Rüben, grüne Wurzeln und sehr gern Brot. In der Neuzeit sind beide Arten in verschiedene Tiergärten gelangt; ich habe die eine oder die andere im Regentspark, in Antwerpen, Amsterdam und Berlin gesehen, einzelne auch längere Zeit beobachten können. Beide stimmen hinsichtlich ihres Betragens vollständig überein. Sie unterscheiden sich in ihrem Gebaren, nicht aber in ihrem Wesen von andern Schweinen. Entsprechend ihrem Höhlenleben suchen sie sich auch in der Gefangenschaft zu verbergen, ziehen sich gern in den dunkelsten Winkel ihrer Koben zurück und vergraben sich so tief in ihrem Strohlager, daß sie manchmal gänzlich bedeckt werden. Beim Fressen und Wühlen fallen sie regelmäßig auf die Handgelenke und rutschen in der von Rüppell beschriebenen Weise so leicht und so ausdauernd auf dem Boden fort, daß man diese absonderliche Bewegung als eine ihnen durchaus natürliche erkennen muß. Ich will nicht in Abrede stellen, daß sie sich zähmen lassen; ein wirkliches Freundschaftsverhältnis aber gehen sie mit ihren Pflegern nicht ein. Sie nehmen ihnen erwiesene Wohltaten gleichgültig, mindestens danklos entgegen, bekunden in keiner Weise Anhänglichkeit gegen den Wärter, sehen in diesem höchstens ein Wesen, das das ersehnte Futter bringt und deshalb unter Umständen willkommen ist. Wagt es der letztere, die Oberherrlichkeit des Menschen ihnen gegenüber geltend zu machen, so reizt er ihren leicht entzündbaren Zorn, erregt sie aufs höchste und erweckt trotzigen Widerstand. Unter solchen Umständen flößt ihnen die empfindlich gehandhabte Peitsche oder der Knüppel heilsame Furcht ein, bringt sie jedoch keineswegs zum Nachdenken und zur Erkenntnis, sondern bändigt sie höchstens für den Augenblick. Am nächsten Tage treiben sie es genau ebenso wie früher. Die Bachen sind milderer Art als die Keiler, die namentlich während der Brunstzeit geradezu gefährlich werden können, aber ebensowenig verläßlich und demnach zu freundschaftlichem Verkehre ebensowenig geeignet wie diese. Über Fortpflanzung gefangener Warzenschweine habe ich bis jetzt noch nichts vernommen, wüßte indes keinen Grund anzugeben, weshalb die Tiere nicht auch hierzulande sich Paaren und Junge erzeugen sollten.