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Siebente Ordnung: Die Zahnarmen (Edentata).

Die Blütezeit der Säugetiere, die die zu schildernde Ordnung bilden, ist vorüber. In der Vorzeit lebten in Brasilien Zahnarme von der Größe eines Nashorns und darüber; heutzutage kommen die größten lebenden Mitglieder der Ordnung höchstens einem starken Wolfe an Größe gleich. Unter den ausgestorbenen Arten befanden sich Bindeglieder zwischen den noch vertretenen Familien; gegenwärtig scheinen diese durch eine weite Kluft getrennt zu sein. Und wie jenen naht auch einzelnen von den noch lebenden Arten das Verhängnis, vernichtet zu werden: ihre Tage sind gezählt.

Von der Übereinstimmung anderer Ordnungen ist bei den Zahnarmen wenig zu bemerken. Die auffallende Zahnarmut, die in größerer oder geringerer Ausdehnung bei allen hierher zu rechnenden Tieren sich geltend macht, bleibt noch das wichtigste Kennzeichen, das sie vor den übrigen Säugern auszeichnet. Man findet unter den Zahnarmen Säuger, auf die der Name in seiner vollen Bedeutung paßt, da sie auch nicht eine Spur von Zähnen zeigen, und alle übrigen, die wirklich Zähne haben, entbehren doch der Schneide- und Eckzähne: ihr ganzes Gebiß besteht demnach bloß aus einfachen Backenzähnen. Es kommen zwar Zähne vor, die wir Schneidezähne nennen möchten, weil sie im Zwischenkiefer stehen; allein sie stimmen in Gestalt und Bildung so vollkommen mit den Backenzähnen überein, daß wir den Ausdruck doch nicht in voller Gültigkeit brauchen können. Die Eckzähne, die äußerst selten vorhanden sind, unterscheiden sich ebenfalls durch nichts weiter als durch ihre bedeutende Länge von den Backenzähnen, und diese selbst haben einfache zylindrische oder prismatische Gestalt und sind durch Lücken voneinander getrennt. Sie bestehen bloß aus Zahnstoff und Zement ohne allen Schmelz, werden nur einmal erzeugt und wechseln nicht; es vereinigen sich sogar mehrere Stücke zu einem Zahne. Das untere Ende ist nicht wurzelartig geschlossen, sondern wird von einer Höhle eingenommen, in der sich eine das Nachwachsen vermittelnde Masse befindet. Die Anzahl der Zähne, falls solche überhaupt vorhanden sind, ändert nicht allein bei den Familien, sondern auch bei den verschiedenen Arten einer Hauptgruppe erheblich ab; einige haben nur zwanzig, andere gegen hundert Zähne.

Im Gegensatze zu dem Gebisse sind bei unsern Tieren die Nägel in eigentümlicher Weise entwickelt. Selten haben die Zehen vollkommene Bewegung, aber immer tragen sie Nägel, die das Ende ganz umfassen und schon aus diesem Grunde wesentlich von den Krallen der eigentlichen Nageltiere sich unterscheiden. Sie sind entweder von bedeutender Länge, stark gekrümmt und seitlich zusammengedrückt oder kürzer, breit, fast schaufelförmig, in jenem Falle geeignet zum Klettern, in diesem zum Graben und Scharren.

Alle Zahnarmen waren und sind Bewohner der Wendekreisländer der Alten und Neuen Welt, besonders aber in dieser verbreitet. Afrika und Asien beherbergen wenige Arten; Südamerika zeigt ungleich größere Mannigfaltigkeit. Dort finden sich nur zwei Sippen vertreten, hier alle Familien, einschließlich der bereits ausgestorbenen Arten, die man zum Teil in einer besonderen Familie vereinigt hat. Die jetzt lebenden wie die ausgestorbenen unterscheiden sich, entsprechend ihrem verschiedenen Leibesbau, auch in der Lebensweise sehr wesentlich. Einige leben nur auf Bäumen, die Mehrzahl dagegen auf dem Boden, in unterirdischen Bauen sich bergend und nachts ihrer Nahrung nachgehend; jene sind Kletterer, diese Gräber, jene größtenteils Blatt- und Fruchtfresser, diese hauptsächlich Kerbtierjäger im eigentlichen Sinne des Wortes. Stumpfgeistig scheinen alle zu sein und auch in dieser Beziehung die niedere Stellung zu verdienen, die man ihnen unter den Krallentieren zuerkannt hat.

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Obenan können wir die Familie der Faultiere (Bradypoda) stellen, weil die wenigen zu ihr zählenden Arten das Gepräge anderer Krallentiere noch am meisten festhalten. Verglichen mit den bisher beschriebenen und den meisten noch zu schildernden Säugetieren erscheinen die Faultiere freilich als sehr niedrigstehende, stumpfe und träge, einen wahrhaft kläglichen Eindruck auf den Menschen machende Geschöpfe, gleichsam nur als ein launenhaftes Spiel der Natur oder als Zerrbild der vollkommenen Gestalten, die sie erschuf. Als die am höchsten stehenden Arten sehe ich die Zweizehenfaultiere an. Sie kennzeichnen sich durch lange, schmächtige Gliedmaßen, die vorn mit zwei, hinten mit drei seitlich zusammengedrückten Sichelkrallen bewehrt sind, schlichtes, weiches Haar ohne Wollhaare, das Gebiß und die geringe Anzahl der Halswirbel. Der Unau oder das Zweizehenfaultier (Bradypus didactylus) aus Guyana und Surinam erreicht eine Länge von etwa 70 Zentimeter. Das lange Haar ist im Gesicht, am Kopf und im Nacken weißlich olivengrüngrau, am Leibe olivengrau, auf dem Rücken, wo es sich gegeneinander sträubt, dunkler, an der Brust, den Armen und auf den Schultern sowie an den Unterschenkeln olivenbraun. In der zweiten Sippe vereinigt man die Dreizehenfaultiere. Sie haben ziemlich kurze, kräftige Gliedmaßen, die vorn und hinten drei, seitlich sehr stark zusammengedrückte Sichelkrallen tragen. Der A i oder das Dreizehenfaultier ( Bradypus tridactylus) aus Brasilien erreicht eine Gesamtlänge von 52 Zentimeter, wovon 4 Zentimeter auf den Schwanz kommen. Aus jeder Seite des Rückens zieht von den Schultern bis in die Schwanzgegend ein mehr oder weniger deutlicher, breiter Längsstreifen von bräunlicher Farbe herab. Der übrige Pelz ist blaßrötlich aschgrau, am Bauche silbergrau gefärbt.

siehe Bildunterschrift

Zweizehenfaultier oder Unau (Bradypus didactylus)

Das Verbreitungsgebiet der Faultiere beschränkt sich auf Südamerika. Jene großen Wälder in den feuchten Niederungen, in denen die Pflanzenwelt zur höchsten Entwicklung gelangt, bilden die Wohnorte der merkwürdigen Geschöpfe. Je öder, je dunkler und schattiger der Wald, je undurchdringlicher das Dickicht, um so geeigneter scheinen solche Örtlichkeiten für das Leben der verkümmerten Wesen. Auch sie sind echte Baumtiere.

Höchstens zu einer Familie von wenigen Mitgliedern vereinigt, führen die trägen Geschöpfe ein langweiliges Stilleben und wandern langsam von Zweig zu Zweig. Im Verhältnis zu den Bewegungen auf dem Erdboden besitzen sie freilich noch eine ausnehmende Geschicklichkeit im Klettern. Ihre langen Arme erlauben ihnen, weit zu greifen, und die gewaltigen Krallen gestatten ihnen ein müheloses Festhalten an den Ästen. Sie klettern allerdings ganz anders als alle übrigen Baumtiere. Den Leib nach unten hängend, reichen sie mit ihren langen Armen nach den Ästen empor, haken sich hier mittels ihrer Krallen fest und schieben sich gemächlich weiter von Zweig zu Zweig, von Ast zu Ast. Doch erscheinen sie träger, als sie es tatsächlich sind. Als Nachttiere bringen sie freilich ganze Tage zu, ohne sich zu bewegen; schon in der Dämmerung aber werden sie munter, und nachts durchwandern sie, langsam zwar, jedoch nicht faul, je nach Bedürfnis ein größeres oder kleineres Gebiet. Sie nähren sich ausschließlich von Knospen, jungen Trieben und Früchten und finden in dem reichlichen Tau, den sie von den Blättern ablecken, hinlänglichen Ersatz für das ihnen fehlende Wasser. Solange ihnen ein Baum Nahrung gewährt, verlassen sie denselben nicht. Jener üppige Waldsaum, der sich in der Nähe der Ströme dahinzieht und ununterbrochen bis tief in das Innere des Waldes reicht, besteht zumeist aus Baumarten, deren Kronen aufs vielfältigste miteinander sich verschlingen und ihnen gestatten, ohne jemals den Boden berühren zu müssen, von einer Stelle zu einer andern sich zu begeben. Zudem bedürfen sie bloß ein kleines Weidegebiet; denn ihr geringer Verbrauch an Blättern steht mit der Erzeugungstätigkeit jener bevorzugten Länderstriche gar nicht im Verhältnis.

Auf dem Boden sind die armseligen Baumsklaven fremd. Ihr Gang ist ein mühseliges Fortschleppen des Leibes. Mit weit von sich gestreckten Gliedern, auf die Ellenbogen gestützt, die einzelnen Beine langsam im Kreise weiterbewegend, schieben sie sich höchst allmählich vorwärts; der Bauch schleppt dabei fast auf der Erde, und Kopf und Hals bewegen sich fortwährend langsam von einer Seite zur andern, als müßten sie das Gleichgewicht des so überaus unbeholfenen Geschöpfes vermitteln. Die Zehen der Füße werden während des Ganges in die Höhe gezogen und die Krallen nach innen geschlagen: der Fuß berührt also mit dem Außenrande und fast nur mit dem Handballen den Boden. Es leuchtet ein, daß solche Bewegung mit unglaublicher Langsamkeit vor sich gehen muß. Man sollte nicht meinen, daß dieses Geschöpf fähig wäre, sich aus dem Wasser zu retten, wenn es durch irgendein Mißgeschick in dasselbe gerät. Aber das Faultier schwimmt leidlich gut, indem es sich rascher als beim Klettern selbst bewegt, den Kopf hoch über den Wasserspiegel emporhält, die Wellen ziemlich leicht durchschneidet und wirklich das feste Land wiedergewinnt; Bates und Wallace sahen ein Faultier über einen Fluß schwimmen, und zwar an einer Stelle, wo derselbe über 300 Yards breit war. Hieraus geht hervor, daß der Name Faultier, so richtig er im Grunde auch ist, sich doch eigentlich bloß auf die Gehbewegungen unseres Tieres bezieht; denn auf den Bäumen erscheint seine Trägheit, wie bemerkt, keineswegs so groß, als man früher annehmen zu müssen glaubte, irregeleitet durch die übertriebenen Schilderungen der ersten Beobachter. Bemerkenswert ist die staunenswerte Sicherheit, mit der alle Kletterbewegungen ausgeführt werden. Das Faultier ist imstande, mit einem Fuße an einem höheren Aste sich festzuhaken und dann ganz sicher daran frei zu hängen, indem es nicht nur die volle Last des Leibes an einem Gliede tragen, sondern auch bis zum Anhaltepunkt emporziehen kann. Gleichwohl strebt es immer danach, für alle seine Glieder sichere Stützpunkte zu finden, und scheut sich fast, mit einem Fuße loszulassen, bevor es für ihn wieder einen verläßlichen Punkt zum Anhalten gefunden hat.

Außerordentlich schwer hält es, ein Faultier, das sich fest an einen Ast geklammert hat, von demselben loszumachen. Ein Indianer, der Schomburgk begleitete, bemerkte ein dreizehiges Faultier auf den hervorragenden Wurzelästen einer Rhizophora, das dort ausruhte. Aber die Ergreifung war leichter als die wirkliche Gefangennahme. Es schien unmöglich, das Tier von den Wurzelästen zu trennen, an denen es sich mit einer Kralle festgeklammert hatte. Erst nachdem man die beiden Vorderfüße, seine einzige, aber wegen der scharf hervorstehenden Klauen nicht ungefährliche Verteidigungswaffe, gebunden hatte, gelang es drei Indianern unter Aufbietung aller Kräfte, es von dem Baume loszureißen.

Beim Schlafen und Ruhen nimmt das Faultier eine ähnliche Stellung ein wie gewöhnlich. Es stellt die vier Beine dicht aneinander, beugt den Leib fast kugelförmig zusammen und senkt den Kopf gegen die Brust, ohne ihn jedoch auf derselben ruhen zu lassen oder ihn darauf zu stützen. Nur ausnahmsweise sucht es mit den Vorderarmen einen höheren Zweig zu fassen, hebt den Körper dadurch vorn empor und stützt vielleicht seinen Rücken auf einem andern Ast.

So unempfindlich das Tier gegen Hunger und Durst zu sein scheint, so empfindlich zeigt es sich gegen die Nässe und die damit verbundene Kühle. Bei dem schwächsten Regen sucht es sich so eilig wie möglich unter die dichteste Bedachung der Blätter zu flüchten. In der Regenzeit hängt es oft tagelang traurig und kläglich an einer und derselben Stelle, sicherlich im höchsten Grade durch das herabstürzende Wasser belästigt.

Nur höchst selten, gewöhnlich bloß des Abends oder bei anbrechendem Morgen, oder auch wenn sich das Faultier beunruhigt fühlt, vernimmt man seine Stimme. Sie ist nicht laut und besteht aus einem kläglichen, geradeaus gehaltenen, feinen, kurzen und schneidenden Tone, der von einigen mit einer oftmaligen Wiederholung des Lautes I wiedergegeben wird. Bei Tage hört man von dem Faultiere höchstens tiefe Seufzer. Beim Gehen oder Humpeln auf der Erde schreit es nicht, selbst wenn es auf das äußerste gereizt wird.

Aus dem bereits Mitgeteilten geht hervor, daß die höheren Fähigkeiten der Faultiere nicht hoch entwickelt sein können. Die Sinne scheinen gleichmäßig stumpf zu sein. Das Auge ist blöde und ausdruckslos wie kein zweites Säugetierauge; daß das Gehör nicht ausgezeichnet ist, ergibt sich schon aus der geringen Größe und versteckten Lage der Ohrmuscheln; von der Stumpfheit des Gefühls hat man sich mehr als einmal überzeugen können; über den Geruch haben wir kein Urteil, und nur der Geschmack dürfte als einigermaßen entwickelt gelten. Sehr tief stehen die geistigen Fähigkeiten der Faultiere. Man nennt sie harmlos, will damit aber ausdrücken, daß sie überhaupt geistiger Regungen nicht fähig sind. So tief indessen, wie die meisten Beobachter glauben machen wollen, stehen die Tiere nicht. Man pflegt zu vergessen, daß man in ihnen Nachttiere vor sich hat, über deren Fähigkeiten Beobachtung in den Tagesstunden kein Urteil gewähren kann. Das schlafende Faultier ist es, dem sein Name gebührt; das wach und rege gewordene bewegt sich in einem engen Kreise, beherrscht diesen aber genügend. Sein wenig entwickeltes Hirn bietet einem umfassenden Verstande oder weitgehenden Gedanken und Gefühlen keine Unterlage; daß ihm aber Verständnis für seine Umgebung und die herrschenden Verhältnisse abgehe, daß es weder Liebe noch Haß bekunde, weder Freundschaft gegen seinesgleichen noch Feindschaft gegen andere Tiere zeigt, daß es unfähig wäre, in veränderte Umstände sich zu fügen, wie man behauptet hat, ist falsch.

Es läßt sich von vornherein erwarten, daß die Faultiere nur ein einziges Junges werfen. Vollkommen behaart, ja sogar mit bereits ziemlich entwickelten Krallen und Zehen, kommt dieses zur Welt und klammert sich sofort nach seiner Geburt mit diesen Krallen an den langen Haaren der Mutter fest, mit den Armen ihren Hals umschlingend. Nun schleppt es die Alte immer in derselben Weise überall mit sich herum. Anfangs scheint es, als betrachte sie ihr Kind mit großer Zärtlichkeit; doch die Mutterliebe erkaltet bald, und die stumpfsinnige Alte gibt sich kaum die Mühe, ihr Kind zu füttern und zu reinigen oder ihm andere Ammendienste zu leisten.

Es ist eine bekannte Erfahrung, daß die niedrigsten Tiere verhältnismäßig die größten Mißhandlungen, Verletzungen und Schmerzen erleiden können; bei den Faultieren nun scheint diese allgemeine Tatsache ebenfalls sich zu bestätigen. Oft verändern sie nach einem tüchtigen Schrotschusse, den man ihnen in den Leib jagt, nicht einmal die Stellung. Nach Schomburgk widerstehen sie auch dem furchtbaren Urarigift der Indianer am längsten. »Ich ätzte«, so erzählt er, »ein Faultier in der Oberlippe und rieb ein wenig des Giftes in die Wunde. Als ich es darauf in die Nähe eines Baumes brachte, begann es diesen zu erklettern. Nachdem es aber drei bis vier Meter an dem Stamme emporgeklettert war, blieb es plötzlich am Baum haften, wandte den Kopf nach dieser und jener Seite und suchte den Gang fortzusetzen, ohne dies zu vermögen. Erst ließ es einen der Vorderfüße los, dann den andern, blieb aber noch mit den Hinterfüßen am Baumstamme haften, bis auch diese kraftlos wurden und es zur Erde fiel, wo es ohne alle krampfhaften Zuckungen und ohne jenes im allgemeinen immer eintretende schwere Atemholen liegen blieb, bis in der dreizehnten Minute sein Leben entfloh.« Wenn man bedenkt, daß die vergiftete schwache Dornspitze dem Jaguar, dem sie der Indianer auf den Pelz blies, kaum die Haut ritzt und ihn doch in wenigen Minuten zu einem Opfer des Todes macht, bekommt man erst einen Maßstab zur Beurteilung der Lebenszähigkeit der Faultiere.

Man kann nicht sagen, daß die hilflosen Geschöpfe viele Feinde haben. Durch ihr Baumleben entgehen sie den gefährlichsten, die sie bedrohen, den Säugetieren nämlich, und höchstens die großen Baumschlangen mögen ihnen zuweilen nachstellen. Dazu kommt, daß ihr Pelz im allgemeinen ganz die Färbung der stärkeren Äste zeigt, an denen sie unbeweglich, wie die Frucht an einem Baume, hängen, so daß schon das geübte Falkenauge der Indianer dazu gehört, um ein schlafendes Faultier aufzufinden, übrigens sind die Tiere doch nicht ganz so wehrlos, als es auf den ersten Blick hin scheinen mag. Auf dem Baume ist ihnen natürlich schwer beizukommen, und wenn sie auf dem Boden überrascht und angegriffen werden, werfen sie sich schnell genug noch auf den Rücken und fassen ihren Angreifer mit den Krallen. Man erzählt ein Beispiel, daß ein gefangenes und an einer wagerecht stehenden Stange aufgehängtes Faultier den Hund, den man auf dasselbe gehetzt hatte, plötzlich mit seinen Armen umklammerte und ihn vier Tage lang festhielt, bis er starb, ohne daß es möglich gewesen wäre, ihm das Opfer zu entreißen. Soviel steht fest, daß die Kraft der Arme des Faultieres eine sehr beträchtliche ist.

Der Nutzen, den die Faultiere den menschlichen Bewohnern ihrer Heimat gewähren, ist außerordentlich gering. In manchen Gegenden essen Indianer und Neger das Fleisch, dessen unangenehmer Geruch und Geschmack den Europäer anekeln, und hier und da bereitet man aus dem sehr zähen, starken und dauerhaften Leder Überzüge und Taschen. Schaden können die Tiere nicht verursachen, da sie in demselben Maße verschwinden, als der Mensch sich ausbreitet. Jeder Ansiedler im Urwalde aber verdrängt schon durch sein Erscheinen, durch das Fällen der Bäume die Faultiere, die sonst dort gehaust haben, und der frevelnde Mutwille des Jägers trägt redlich dazu bei, sie auszurotten.

 

Die Gürteltiere (Dasypodina) sind, wie die Faultiere, eine verkommene Familie. Im Vergleich zu dem, was sie in der Vorzeit waren, kann man sie höchstens Zwerge nennen. Das Glyptodon oder Riesengürteltier erreichte die Größe des Nashorns, dieser und jener Vertreter anderer Sippen wenigstens den Umfang des Ochsen, während in der Jetztzeit die Gürteltiere im ganzen höchstens 1½ Meter, ohne Schwanz aber nur 1 Meter lang werden. Alle Gürteltiere sind plumpe Geschöpfe mit gestrecktem, langschnäuzigem Kopfe, großen Schweinsohren, langem, starkem Schwanze und kurzen Füßen, die sehr starke Grabklauen tragen. Ihren Namen haben sie von der eigentümlichen Beschaffenheit ihres Panzers; derselbe ist nämlich durch die mitten auf dem Rücken aufliegenden Gürtelreihen besonders ausgezeichnet und unterscheidet sich gerade durch die Reihenordnung der Schilder von dem Schuppenkleide anderer Säugetiere. Die mittelsten Gürtel, die zur Unterscheidung der Arten dienen, obgleich sie auch bei einer und derselben Art nicht immer in gleicher Anzahl vorkommen, bestehen aus länglich viereckigen Tafeln, während das Schulter- und Kreuzschild aus Querreihen vier- oder sechseckiger Platten gebildet wird, zwischen denen sich kleine unregelmäßige Platten einschieben. Auch der Scheitelpanzer ist aus meist fünf- oder sechseckigen Schildchen zusammengesetzt. Unsere Tiere tragen übrigens nur auf ihrer Oberseite einen Panzer; die Unterseite ihres Leibes wird von gröberen oder feineren borstenartigen Haaren bedeckt, und solche Borsten treten auch überall zwischen den Schildern hervor. Bei keiner einzigen Familie schwankt die Anzahl der Zähne so außerordentlich wie bei den Gürteltieren. Einige Arten haben so viele Zähne, daß der Name Zahnarme für sie nur dann nicht unverständlich wird, wenn man festhält, daß der Zwischenkiefer immer zahnlos ist, oder wenn man die Bedeutungslosigkeit der Zähne erwägt.

Alle Gürteltiere sind Bewohner Amerikas, namentlich des Südens. Sie leben in freien und sandigen Ebenen, auf Feldern und dergleichen, und kommen bloß am Saume der Wälder vor, ohne in dieselben einzudringen. Nur während der Paarung finden sich mehrere der gleichen Art zusammen; während der übrigen Jahreszeit lebt jedes Gürteltier für sich, ohne um die übrigen Geschöpfe, mit Ausnahme derer, die zu seiner Nahrung dienen sollen, sich viel zu kümmern. Alle Arten verbergen sich bei Tage soviel als möglich und wühlen sich deshalb Gänge, die meisten nicht eben solche von großer Ausdehnung; eine Art aber lebt wie der Maulwurf unterirdisch. Die übrigen graben sich ihre Baue am allerliebsten am Fuße großer Ameisen- und Termitenhaufen, und dies aus dem sehr leicht einleuchtenden Grunde, weil ihre Nahrung vorzugsweise in Kerbtieren und deren Larven, namentlich auch in Ameisen, besteht. Würmer und Schnecken werden gelegentlich mit aufgenommen; in Fäulnis übergegangenes Aas wird ebensowenig verschmäht; bloß die allergrößte Not aber treibt sie, Wurzeln und Samen zu genießen. Der flache Boden ist ihr eigentliches Element; hier sind sie zu Hause wie wenig andere Tiere. So langsam und träge sie scheinen, wenn sie gehen oder sich sonst bewegen, so schnell und behend sind sie, wenn es gilt, sich in die Erde zu graben. Und sie verstehen das Graben wirklich so meisterhaft, daß sie buchstäblich vor sichtlichen Augen sich versenken können. Ihre außerordentliche Wehrlosigkeit würde sie ihren Feinden schutzlos überliefern, wenn sie nicht diese Art der Flucht auszuführen verständen. Eine Art besitzt das Vermögen, sich in eine Kugel zusammenzurollen wie unser Igel, tut dies jedoch bloß im alleräußersten Notfalle und beginnt wieder, sobald als möglich, sich in die Erde zu vergraben und zu verstecken. Im Wasser wissen die anscheinend so ungefügen Tiere übrigens ebenfalls sich zu behelfen; Hensel sagt, daß sie sogar recht gut schwimmen, und zwar mit schnellem Rudern nach Art eines Maulwurfs.

Die Gürteltiere sind harmlose, friedliche Geschöpfe von stumpfen Sinnen, ohne irgendwelche hervorragende geistige Fähigkeiten, also durchaus nicht geeignet, mit den Menschen zu verkehren. Entweder liegen sie stumpf auf einer und derselben Stelle, oder sie kratzen und scharren, um sich bald eine Höhle in die Erde zu graben. Ihre Stimme besteht in knurrenden Lauten, ohne Klang und Ausdruck.

Auch die Gürteltiere gehen ihrer gänzlichen Ausrottung entgegen. Ihre Vermehrung ist gering. Einige Arten werfen zwar bis neun Junge; allein das Wachstum derselben geht so außerordentlich langsam vor sich, und die Tiere sind den vielen Feinden, die sie haben, so wenig gewachsen, daß an ein Häufigwerden der Arten nicht gedacht werden kann.

Das Sechsbindengürteltier oder Tatu ( Dasypus sexcinctus) ist einschließlich des 20 Zentimeter langen Schwanzes 50 bis 60 Zentimeter lang, trägt hinter und zwischen den Ohren ein aus acht Stücken bestehendes Schilderband, hat zwischen dem Schulter- und Rückenpanzer sechs breite Gürtel und bräunlichgelbe, oberseits dunklere Panzer- und blaßbräunlichgelbe Hautfärbung.

Gürteltiere leben nicht in einem bestimmten Gebiete, sondern ändern öfters ihr Lager. Dieses besteht in einer gangförmigen, ein bis zwei Meter langen Höhle, die von ihnen selbst gegraben wird. An der Mündung ist die Höhle kreisförmig und hat nach der Größe des Tieres einen Durchmesser von 20 bis 60 Zentimeter; gegen das blinde Ende zu wird der Gang weiter und zuletzt kesselartig, so daß das Tier im Grunde bequem sich umdrehen kann. Die Richtung des Ganges ist verschieden. Anfangs geht derselbe schief, meist unter einem Winkel von etwa vierzig bis fünfundvierzig Grad in die Tiefe hinab, dann wendet er sich bald gerade, d. h. wagerecht fort, bald biegt er sich nach dieser oder jener Seite hin. In solchen Höhlen bringen die Gürteltiere alle Zeit zu, die sie nicht zum Aufsuchen ihrer Beute verbrauchen. In den Wildnissen gehen sie, wenn der Himmel bewölkt und das grelle Sonnenlicht ihnen nicht beschwerlich fällt, auch bei Tage aus, in bewohnten Gegenden verlassen sie die Baue nicht vor einbrechender Dämmerung, streifen dann aber während der ganzen Nacht umher. Es scheint ihnen ziemlich gleichgültig zu sein, ob sie zu ihrer Höhle sich zurückfinden oder nicht; denn sie graben sich, falls sie den Weg verfehlt haben sollten, ohne weitere Umstände eine neue. Hiermit verbinden sie zugleich einen doppelten Zweck. Azara beobachtete, und andere Naturforscher bestätigen dies, daß die Gürteltiere ihre Baue hauptsächlich unter Ameisen- oder Termitenhaufen anlegen, weil sie hierdurch in den Stand gesetzt werden, ihre hauptsächlichste Nahrung mit größter Bequemlichkeit auch bei Tage einzusammeln. Sie unterwühlen solche Haufen und bringen es schließlich dahin, daß der Bau, für eine gewisse Zeit wenigstens, ausgenutzt wird. Dann kann ihnen nichts mehr an der alten Höhle liegen, und sie sind gewissermaßen gezwungen, sich eine neue zu graben, um einen erschöpften Boden mit einem frischen zu vertauschen. Nächst den Ameisen oder Termiten besteht ihre Nahrung vorzüglich aus Käfern und deren Larven, aus Raupen, Heuschrecken und Erdwürmern. Rengger bemerkte, daß ein Tatu Mistkäfer, die sich in die Erde eingegraben, herausscharrte und hervorkommende Regenwürmer begierig aufsuchte und verzehrte. Er glaubt auch, daß das Aas von ihnen bloß zu dem Zwecke aufgesucht werde, um die dort sich findenden Kerbtiere aufzufressen. Unzweifelhaft fest dagegen steht, daß Gürteltiere Pflanzennahrung zu sich nehmen: Rengger hat solche in dem Magen der von ihm getöteten Tiere gefunden.

Ein ausgewachsener Tatu, der einen Feind in der Nähe wittert, braucht nur drei Minuten, um einen Gang zu graben, dessen Länge die seines Körpers schon um ein beträchtliches übertrifft. Beim Graben kratzen die Gürteltiere mit den Nägeln der Vorderfüße die Erde auf und scharren mit den Hinterfüßen den aufgelockerten Teil derselben hinter sich. Sobald sie sich über Körperlänge eingegraben haben, ist selbst der stärkste Mann nicht mehr imstande, sie, am Schwanze sie packend, rückwärts aus dem Gange herauszuziehen. Da ihre Höhlen niemals größer sind, als zum Einschlüpfen eben erforderlich, brauchen sie nur ihren Rücken etwas zu krümmen, dann leisten die Ränder der Binden nach oben und die scharfen Klauen nach unten hin so starken Widerstand, daß alle Manneskraft vergeblich ist, ihn zu bewältigen. Je nach dem Zeitpunkte der Begattung wirft das Weibchen im Winter oder im Frühjahr, trotz seiner geringen Zitzenzahl, vier bis sechs Junge und hält sie während einiger Wochen sorgsam in seiner Höhle versteckt. Wahrscheinlich dauert die Säugezeit nicht lange; denn man sieht die Jungen bald im Felde umherlaufen. Sobald sie einigermaßen erwachsen sind, geht jedes seinen eigenen Weg, und die Alte bekümmert sich nicht im geringsten mehr um ihre Sprößlinge.

Man jagt den Tatu gewöhnlich bei Mondschein. Der Jäger bewaffnet sich mit einem dicken Stocke von hartem Holze, der am Ende spitz oder keulenförmig zuläuft, und sucht mit einigen Hunden das Wild auf. Bemerkt der Tatu die Hunde noch rechtzeitig, so flieht er augenblicklich nach seiner eigenen Höhle oder gräbt sich so schnell als möglich eine neue. Kommen ihm die Hunde aber auf den Leib, ehe er die Höhle gewinnt, so ist er verloren. Da sie ihn mit den Zähnen nicht anpacken können, halten sie ihn mit der Schnauze und den Pfoten fest, bis der Jäger hinzukommt und ihn durch einen Schlag auf den Kopf erlegt. Ein Tatu im Bau entgeht den Hunden immer, weil ein Nachgraben von ihrer Seite stets erfolglos bleibt, auch wenn der Bau nicht tief ist; denn das Gürteltier gräbt schneller weiter, als die größeren Hunde folgen können. Hat man Wasser in der Nähe, so füllt man oft erfolgreich die Röhre mit diesem an und nötigt das Tier dadurch, den Bau zu verlassen; oder richtet an der Mündung derselben eine Falle her, die es beim Heraustreten erschlägt. Alle Gürteltiere sind den Südamerikanern verhaßte Geschöpfe, weil sie vielfache Unglücksfälle verschulden. Die kühnen Reiter der Steppen, die den größten Teil des Lebens auf dem Pferde zubringen, werden durch die Arbeit der Gürteltiere hier und da arg belästigt. Das Pferd, das in gestrecktem Galopp dahinjagt, tritt plötzlich in eine Höhle und wirft den Reiter ab, daß er in weitem Bogen dahinschießt, bricht auch wohl ein Bein bei solchen Gelegenheiten. Deshalb verfolgen die Eigentümer aller Meiereien die armen Panzerträger auf das erbittertste und grausamste. Außer den Menschen stellen ihnen die größeren Katzenarten, der brasilianische Wolf und der Schakalfuchs nach; doch scheinen ihnen alle diese Feinde nicht eben viel Schaden zu tun, da sie an den Orten, wo der Mensch sie in Ruhe läßt, immer in großer Anzahl vorkommen.

Selten werden in Paraguay Tatus aufgezogen. Sie sind zu langweilige und ihres Grabens wegen auch zu schädliche Hausgenossen, als daß der Mensch sich besonders mit ihnen befreunden könnte. Unter ihren Sinnen steht der Geruch obenan, das Gehör ist schwächer, und die Augen werden vom hellen Sonnenschein vollständig geblendet, sind auch in der Dämmerung nur zum Beschauen ganz naheliegender Gegenstände befähigt.

Der Nutzen der Gürteltiere ist nicht unbedeutend. Bei reichlicher Weide werden die Tiere so feist, daß der ganze Leib gleichsam in Fett eingewickelt scheint. Die Indianer essen deshalb das Fleisch aller Arten leidenschaftlich gern, die Europäer dagegen bloß das von zwei derselben. Rengger versichert, daß gebratenes und mit spanischem Pfeffer und Zitronensaft versetztes Gürteltierfleisch eines der angenehmsten Gerichte sei. Alle übrigen Reisenden stimmen hiermit überein. »Das Fleisch des Tatu«, sagt Hensel, »ein Leckerbissen, ist zart und weiß wie das der Hühner, und das reichliche Fett gleicht im Geschmack vollständig dem von den Nieren des Kalbes.« Seine Zubereitung geschieht, laut Tschudi, in höchst einfacher Weise. Man schneidet den Bauch des Tieres auf, nimmt die Eingeweide sorgfältig heraus, reibt Salz, Pfeffer und andere Gewürze ein und brät den Tatu über Kohlen in seinem Panzer, bis dieser ziemlich versengt ist; dann löst sich der Panzer leicht von dem garen Fleische ab.

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Der Amerikaner Harlan entdeckte im Jahre 1824 unweit Mendoza in Argentinien zu dem höchsten Erstaunen der Landeseinwohner ein höchst merkwürdiges Mitglied der Familie, die Gürtelmaus oder den Schildwurf ( Chlamydophorus truncatus). Lange Zeit kannte man bloß zwei Stücke, die in den Sammlungen von Philadelphia und London aufbewahrt wurden, glücklicherweise aber aufs genaueste untersucht werden konnten. Später erhielt Hyrtl noch einige, und somit konnte der innere Leibesbau und die äußere Beschreibung des Tieres vollständig gegeben werden. Die Gürtelmaus wird mit Recht als Vertreterin einer eigenen Sippe angesehen, denn sie unterscheidet sich himmelweit von den übrigen Gürteltieren.

In den Werken über Tierkunde findet sich über die Lebensweise des Schildwurfs bloß folgendes: Das Tierchen bewohnt sandige, trockene, steinige Gegenden, hauptsächlich solche, die mit dornigem Gestrüpp und Kaktus bewachsen sind. Den Tag über hält es sich stets im Innern der Erde versteckt; nachts aber erscheint es auch auf der Oberfläche, und namentlich bei Mondschein läuft es außen umher, am liebsten unter Gebüschen. Nach allen sichern Angaben verweilt es niemals lange vor seinem Bau und entfernt sich auch immer nur auf wenige Schritte von der Mündung der Höhle. Die Fährte, die es zurückläßt, ist so eigentümlich, daß man unsern »Spitzenhans« augenblicklich daran erkennen kann. Der Gang ist nämlich nur ein Fortschieben der Beine; das Tier vermag es nicht, die schwerbewaffneten Füße hoch genug zu erheben, und schleift sie bloß auf dem Boden dahin. So bilden sich zwei nebeneinander fortlaufende Streifen im Sande, die noch besonders dadurch sich auszeichnen, daß sie immer in den mannigfaltigst verschlungenen Windungen sich dahinziehen. Die Mündungen des Baues sind auch noch an einem kenntlich: der Schildwurf schleudert beim Herausgehen, wahrscheinlich mit den nach außen gedrehten Vorderpfoten, wohl nach Art des Maulwurfes, die Erde weg, die ihn hindert, und diese fällt in zwei kleinen Häufchen zu beiden Seiten hin, so daß in der Mitte gewissermaßen ein Gang bleibt. Kein anderer Höhlenbauer Südamerikas verfährt in dieser Weise.

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Die Familie der Ameisenfresser ( Entomophaga) ist noch artenarmer als die vorhergehende. Der langgestreckte, mit Haaren, Borsten oder Schuppen bedeckte Leib dieser Tiere ruht auf niedrigen, starken Beinen. Der Hals ist kurz, dick und wenig beweglich, der Kopf lang, die Schnauze walzenförmig. Bei den Ameisenbären und Schuppentieren sucht man vergeblich nach Zähnen. Der Mund ist so klein, daß er eigentlich nur ein Loch vorn an der Schnauze bildet, durch das die Zunge eben heraus- und hereingeschoben werden kann. Diese hat unsern Tieren mit Fug und Recht den Namen » Wurmzüngler« verschafft; denn sie ähnelt wirklich einem langen Wurm und kann durch eigentümliche Muskeln auffallend weit aus dem Maule gestoßen werden.

Die Ameisenfresser bewohnen die Steppen Süd- und Mittelafrikas, Südasiens und einen großen Teil von Südamerika. Trockene Ebenen, Felder, Steppen oder auch Wälder, in denen es zahlreiche Ameisen- und Termitenhaufen gibt, sind ihre Wohnplätze. Je öder und einsamer die Gegend ist, um so mehr geeignet erscheint sie den Ameisenfressern; denn um so ungestörter können sie ihrem Vernichtungskrieg gegen die pflanzenverwüstenden Termiten obliegen. Die meisten Arten leben in selbstgegrabenen, großen, unterirdischen Höhlen oder tiefen Gängen und verstehen das Graben so meisterhaft, daß sie in kürzester Frist einen neuen Gang sich ausscharren, ebensowohl, um einen Raubzug gegen das Heer der Ameisen zu unternehmen, als um sich vor Verfolgungen zu schützen; andere Arten leben teils in Löchern zwischen den Baumwurzeln, teils auf den Bäumen. Kein einziger Ameisenfresser hat einen bestimmten Aufenthalt, alle Arten schweifen umher und bleiben da, wo es ihnen gefällt. Mit Tagesanbruch wird ein Gang gegraben, und in ihm verhält sich der Ameisenfresser bis zum Abend, dann kommt er heraus und trollt weiter. Nur die auf den Bäumen lebenden sind wirkliche Tagtiere, alle übrigen abgesagte Feinde des Lichtes. Der Geselligkeit feind oder nicht zugetan, lebt jeder einzelne für sich und höchstens zur Zeit der Paarung, aber immer nur kurze Zeit, mit seinem Gatten zusammen. Alle sind mehr oder weniger träge und schläfrige Gesellen, schwerfällig, langsam, unbeholfen in ihren Bewegungen, stumpfsinnig und ungeschickt. Bei manchen ist der Gang ein höchst sonderbares Fortholpern, da sie gleichsam auf den Nägeln gehen und sich auch keineswegs beeilen, vorwärtszukommen. Der Schwanz muß noch helfen, das Gleichgewicht zu vermitteln.

Alle nehmen ihre Nahrung auf höchst sonderbare Weise zu sich. Sie öffnen mit ihren furchtbaren Krallen einen Termitenbau oder einen Ameisenhaufen, strecken ihre lange, klebrige Zunge hinein, lassen die erbosten Kerfe sich wütend darauf festbeißen und ziehen sie plötzlich, wenn das bewegte Heer in wimmelndem Gedränge auf dem klebrigen Faden herumtanzt, in den Mund zurück, samt allen Kerfen, die sich gerade darauf befinden. Einige Ameisenfresser können auch kleine Würmer, Käfer, Heuschrecken und andere Kerfe mit den Lippen aufnehmen und verschlucken, und die kletternden Arten sind imstande, mit ihrer langen Zunge verborgene Kerfe und Würmer aus Ritzen und Höhlen nach Spechtart hervorzuziehen.

Unter den Sinnen dürften Geruch und Gehör am meisten ausgebildet sein; Gefühl offenbart sich auf der Zunge; die übrigen Sinne scheinen ungemein stumpf zu sein. Ihre geistigen Fähigkeiten sind höchst gering. Sie sind ängstlich, vorsichtig, harmlos, kurz schwachgeistig, und nur wenige machen von ihren furchtbaren Waffen Gebrauch, umfassen ihre Feinde mit den langen Armen und Krallen und zerfleischen sie auf gefährliche Art. Die Stimme besteht in einer Art von Brummen, Murren oder Schnauben. Das Weibchen bringt nur ein Junges zur Welt, schützt und verteidigt es mit großer Liebe und schleppt es unter Umständen lange auf dem Rücken umher.

Dem Menschen werden bloß diejenigen Arten schädlich, die in der Nähe der Wohnungen ihrem Ameisenfange nachgehen und zu diesem Zwecke den Boden auf weite Strecken hin unterwühlen. Dagegen nützt man die erlegten Ameisenfresser, indem man Fleisch, Fell und Fett, auch wohl die Krallen verwertet.

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Yurumi (Myrmecophaga jubata)

Die Ameisenbären ( Myrmecophaga) haben einen sehr gestreckten Körper, Kopf und Schnauze sind sehr verlängert; der Schwanz erreicht fast die Hälfte der Körperlänge. Ein dichter, struppiger, eigentümlicher Pelz deckt den Leib, zumal die Oberseite. Die hinteren Gliedmaßen sind schlank und schwächer als die vorderen. Beide Füße zeigen im Geripp fünf Zehen, die jedoch nicht sämtlich mit Krallen bewaffnet sind. Die Mundspalte ist sehr eng, die Zunge aber lang, dünn und gerundet, an einen Wurm erinnernd. Die Ohren und Augen sind sehr klein. Die größte und bekannteste Art Eine andere Art vertritt der sich neuerdings häufiger in unsern Tiergärten findende »Mittlere Ameisenbär« ( Myrmecophaga tetradactyla). Vgl. unsere Abbildung. Herausgeber. ( Myrmecophaga jubata) wird in Paraguay Yurumi, was soviel wie »kleiner Mund« bedeutet, in Brasilien dagegen Tamandu genannt. Der Pelz dieses sehr großen und auffallenden Tiers besteht aus dichten, steifen, rauh anzufühlenden Borstenhaaren. Kurz am Kopfe verlängern sich diese längs des Nackens und Rückgrates, wo sie eine Mähne bilden, bis auf 24 Zentimeter, und am Schwanze von 26 bis 40 Zentimeter Länge, während sie am übrigen Körper, um und an den Beinen, bloß 8 bis 11 Zentimeter lang sind. Diese Haare liegen entweder mit rückwärts gedrehter Spitze am Körper oder hängen an der Seite herunter; nur am Kopfe stehen sie senkrecht empor. Diejenigen, die die Schwanzquaste bilden, sind seitwärts zusammengedrückt und erscheinen lanzettartig. Nackt sind bloß die Schnauzenspitze, die Lippen, die Augenlider und die Fußsohlen. Die Farbe des Pelzes ist sehr verschieden. Am Kopfe erscheint als Gesamtfarbe Aschgrau mit Schwarz gemischt, weil hier die Haare abwechselnd schwarz und aschgrau geringelt sind. Fast die nämliche Färbung haben der Nacken, der Rücken und zum Teil auch die Seiten des Rumpfes, die vorderen Beine und der Schwanz. Die Kehle, der Hals, die Brust, der Bauch, die Hinterfüße und die untere Seite des Schwanzes sind schwarzbraun. Ein schwarzer, anfangs 13 bis 15 Zentimeter breiter, nach hinten spitz zulaufender Streifen erstreckt sich vom Kopf und der Brust über den Rücken in schiefer Richtung bis zum Kreuze und wird eingefaßt von zwei schmalen, blaßgrauen Streifen, die mit ihm gleichlaufen. Eine schwarze Binde bedeckt das Ende des Vorderarmes, und auch die Zehen der Vorderfüße sowie die nackten Teile des Körpers sind schwarz. Die Länge des erwachsenen Yurumi beträgt 1,3 Meter, die Länge des Schwanzes ohne Haare 68 Zentimeter, mit den Haaren aber wenigstens 95 Zentimeter, oft etwas darüber. Somit erreicht das Tier eine Gesamtlänge von 2,3 Meter; aber man findet zuweilen alte Männchen, die noch größer sind.

»Das Aussehen des Yurumi«, sagt Rengger, »ist äußerst häßlich. Sein Kopf hat die Gestalt eines langen, schmächtigen, etwas nach unten gebogenen Kegels und endet mit einer kleinen, stumpfen Schnauze. Die Zunge, deren Dicke nicht mehr als 9 Millimeter beträgt, hat die Gestalt eines langen, allmählich sich zuspitzenden Kegels und besteht aus zwei Muskeln und zwei drüsenartigen Körpern, die auf ihrer Grundlage sitzen. Sie ist der Länge nach sehr ausdehnbar, indem das Tier sie beinahe 50 Zentimeter weit zum Maule herausstrecken kann. Der lange, zottige Schwanz ist hoch und schmal und bildet eine wahre Fahne.

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Mittlerer Ameisenbär (Myrmecophaga tetradactyla)

Der Yurumi kommt nicht häufig in Paraguay vor und bewohnt die menschenleeren oder doch wenig besuchten Felder im Norden des Landes. Er hat weder ein bestimmtes Lager noch sonst einen festen Aufenthaltsort, sondern schweift bei Tage auf den Ebenen umher und schläft, wo ihn die Nacht überfällt; jedoch sucht er zu letzterem Zwecke eine Stelle zu gewinnen, wo das Gras sehr hoch ist oder wo sich einige Büsche vorfinden. Man trifft ihn gewöhnlich allein an, es sei denn, daß ein Weibchen sein Junges mit sich führe. Sein Gang ist ein langsamer Schritt oder zuweilen, wenn er verfolgt wird, ein schwerfälliger Galopp, mit welchem er aber so wenig vorrückt, daß ihn ein Mensch im Schritte einholen kann. Seine Nahrung besteht einzig und allein aus Termiten, Ameisen und den Larven von beiden. Um sich diese zu verschaffen, kratzt und reißt er mit den Nägeln seiner Vorderfüße die Erdhügel und die Erdhaufen, die denselben zur Wohnung dienen, auf, streckt dann seine lange Zunge unter die von allen Seiten herzuströmenden Kerbtiere und zieht sie, von denselben überzogen, wieder in den Mund zurück. Dieses wiederholt er so lange, bis er gesättigt ist oder bis keine Ameisen oder Termiten mehr zum Vorschein kommen.

Das Weibchen wirft im Frühjahr ein einziges Junges und trägt dasselbe einige Zeit lang mit sich auf dem Rücken umher. Das Junge scheint mehrere Monate zu saugen und soll, wenn es auch schon von Kerfen sich nähren kann, seine Mutter nicht verlassen, bis sie wieder trächtig ist. Wahrscheinlich gebraucht es, da ihm die Kraft zum Aufreißen der Termitenhügel noch mangelt, während dieser Zeit die Hilfe der Mutter, um leichter zu seiner Nahrung zu gelangen.

Der vorzüglichste unter den Sinnen des Yurumi ist der Geruch, dessen Organe sehr ausgebildet sind; auf diesen folgt das Gehör; das Gesicht scheint nur schwach zu sein. Der einzige Laut, den er von sich gibt, und nur wenn er in Zorn gerät, ist eine Art von Brummen. »Es ist ein stilles, friedliches Tier, das weder dem Menschen noch den andern Säugetieren den geringsten Schaden zuzufügen sucht, es sei denn, daß es heftig gereizt werde. Man kann den Yurumi auf offenem Felde weite Strecken vor sich hertreiben, ohne daß er widersteht. Wird er aber mißhandelt, so setzt er sich auf die Hinterfüße und breitet die Arme gegen seinen Feind aus, um ihn mit seinen Nägeln zu fassen.

Ich habe lange Zeit einen Yurumi besessen, der noch kein Jahr alt war, als ich ihn erhielt. Die Hälfte des Tages und die ganze Nacht brachte er schlafend zu, ohne sich dafür einen eigenen Platz zu wählen. Er schlief, auf der Seite liegend und etwas zusammengerollt, indem er den Kopf zwischen die Vorderbeine steckte, die Glieder einzog, so daß sie sich berührten, und sich mit dem Schwanze bedeckte. War er wach, so ging er im Hofe umher und suchte Ameisen. Da er anfangs nicht nur seine Zunge, sondern auch die Schnauze in die aufgescharrten Haufen steckte, so liefen ihm zuweilen die Kerfe über die Nase hinauf, wo er sie dann mit den Vorderfüßen recht gut wieder abzustreifen wußte. Er besaß, so jung er auch war, große Kraft. Ich vermochte nicht, mit meinen Händen seine zwei größeren Nägel an dem Vorderfuße zu öffnen, wenn er sie gegen die Fußsohle angedrückt hatte.

Er zeigte mehr Verstand, als man bei den andern zahnlosen Säugetieren antrifft. Ohne die Menschen voneinander zu unterscheiden, war er doch gern um sie, suchte sie auf, gab sich ihren Liebkosungen mit Vergnügen hin, spielte mit ihnen und kletterte ihnen besonders gern in den Schoß. Folgsam war er übrigens nicht und gehorchte nur selten dem Rufe, obschon man an den Bewegungen seines Kopfes wohl sah, daß er denselben verstanden hatte. Er vertrug sich mit allen Haustieren und ließ sich von einigen Vögeln, wie von den Helm- und Höckerhühnern, die ich gezähmt hatte, manchen kleinen Angriff gefallen, ohne sich zu erzürnen. Wurde er aber mißhandelt, so fing er an zu murren und suchte sich mit den Klauen seiner Vorderfüße zu verteidigen.

Fleisch und Fell des Yurumi werden bloß von den wilden Indianern benutzt. Selten macht jemand auf diesen Ameisenfresser Jagd. Diese Tiere sollten übrigens vom Menschen auch eher beschützt als verfolgt werden; statt schädlich zu sein, gewähren sie im Gegenteil großen Nutzen, indem sie die Termiten und die Ameisen vermindern, die in einigen Gegenden von Paraguay so überhandgenommen haben, daß dort keine Pflanzungen gedeihen können. Der Jaguar und der Kuguar sind wohl die einzigen Feinde des Yurumi.«

Von andern Naturforschern erfahren wir, daß der Ameisenfresser außer in Paraguay fast den ganzen übrigen Osten von Südamerika bewohnt und sich daher vom La-Plata-Strome bis zum Karaibischen Meere verbreitet. Einige bemerkenswerte Mitteilungen über den Yurumi gibt Bates. »In den ersten Tagen meines Aufenthalts in Caripé«, erzählt er, »litt ich an frischem Fleische Mangel. Das Volk der Nachbarschaft hatte mir alle Hühner verkauft, und ich hatte damals noch nicht gelernt, die Hauptnahrung desselben, gesalzenen Fisch, zu essen. Eines Tages fragte mich meine Wirtin, ob ich wohl das Fleisch des Ameisenbären essen könne, und als ich darauf erwiderte, daß ich mit jeder Sorte von Fleisch zufrieden sein würde, machte sie sich in Gesellschaft eines alten Negers mit Hunden auf und kehrte abends mit einem Yurumi zurück. Das absonderliche Wildbret wurde gebraten und erwies sich als vortrefflich, dem Fleische der Gans einigermaßen ähnlich. Während der nächsten drei oder vier Wochen wurde die Jagd, wenn an Fleisch Mangel war, stets wiederholt, und der Neger brachte auch regelmäßig Beute heim. Eines schönen Tages aber kehrte er in größter Betrübnis zurück und teilte mir mit, daß sein Lieblingshund von einem Ameisenbären gepackt und getötet worden wäre. Wir begaben uns nach dem Kampfplatz und fanden den Hund zwar noch nicht tot, aber furchtbar von den Krallen seines Gegners zerrissen, der selbst im Verscheiden war.« Auch aus dieser Angabe geht hervor, daß die Mitteilungen älterer Berichterstatter über die Verteidigungsfähigkeit des Ameisenbären keineswegs aus der Luft gegriffen sind.

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Die Schuppentiere ( Manis) sind geharnischte Ameisenbären. Der Leib aller in diese Gruppe gehörigen Tiere ist auf der Oberseite mit großen plattenartigen Hornschuppen bedeckt, die dachziegelartig oder besser wie die Schilder eines Tannenzapfens übereinanderliegen. Diese Bedeckung ist einzig in ihrer Art; denn die Schilder der Gürteltiere und Gürtelmäuse erinnern nur entfernt an jene eigentümlichen Horngebilde, die eher mit den Schuppen eines Fisches oder eines Lurches verglichen werden mögen als mit irgendeinem andern Erzeugnis der Oberhaut eines Säugetieres.

Zur genaueren Kennzeichnung der Schuppentiere mag folgendes dienen. Der Leib ist gestreckt, der Schwanz lang, der Kopf klein, die Schnauze kegelförmig zugespitzt, Vorder- und Hinterbeine sind kurz, ihre Füße fünfzehig und mit sehr starken Grabkrallen bewehrt. Nur an der Kehle, der Unterseite des Leibes und an der Innenseite der Beine fehlen die Schuppen, während der ganze übrige Teil des Leibes in den Harnisch eingehüllt wird. Alle Schuppen, die mit der einen Spitze in der Körperhaut haften, sind von rautenförmiger Gestalt, an den Rändern sehr scharf und dabei ungemein hart und fest. Diese Anordnung ermöglicht eine ziemlich große Beweglichkeit nach allen Seiten hin; die einzelnen Schuppen können sich ebensowohl seitlich hin- und herschieben, wie der Länge nach aufrichten und niederlegen. Zwischen den einzelnen Schuppen und an den freien Stellen des Körpers stehen dünne Haare, die sich jedoch zuweilen am Bauche gänzlich abreiben. Die Schnauze ist schuppenlos, aber mit einer festen, hornartigen Haut überdeckt. Der innere Leibesbau erinnert lebhaft an den der Ameisenfresser. Der Kiefer ist vollkommen zahnlos. Ein eigener breiter Muskel, der wie bei dem Igel unter der Haut liegt und sich zu beiden Seiten der Wirbelsäule hinabzieht, vermittelt die Zusammenrollung oder Kugelung des Körpers. Die Zunge ist noch ziemlich lang und ausstreckbar; außerordentlich große Speicheldrüsen, die fast bis zum Brustbein herabreichen, liefern ihr den nötigen Schleim zur Anleimung der Nahrung.

Wir können die Lebensweise aller Schuppentiere in einem schildern, weil wir über das Treiben und Wesen derselben noch so wenig wissen, daß uns die Eigentümlichkeiten des Lebens der einen und der andern Art kaum auffallen. Mittelafrika und ganz Südasien sowie einige Inseln des Indischen Archipels sind die Heimat dieser sonderbaren Tiere; Steppen und Waldgegenden in Gebirgen wie in Ebenen bilden ihre Aufenthaltsorte. Wahrscheinlich wohnen alle in selbstgegrabenen Höhlen, einsam und ungesellig wie ihre Verwandten, bei Tage verborgen, bei Nacht umherschweifend. In Kordofân fand ich die Baue des Abu-Khirfa der Araber in großer Anzahl; doch nur einmal gelang es uns, ein Schuppentier zu erhalten. Bei weitem die meisten Höhlen waren unbewohnt, woraus hervorgehen dürfte, daß auch die Schuppentiere wie die Ameisenfresser oder Gürteltiere mit Anbruch des Tages eine neue Höhle sich graben, wenn es ihnen zu weit und unbequem ist, in die alte zurückzukehren. Wie man an Gefangenen beobachtet, schlafen sie bei Tage in zusammengerollter Stellung, den Kopf unter dem Schwanze verborgen. Mit Anbruch der Dämmerung erwachen sie und streifen nun nach Nahrung umher. Der Gang ist langsam und höchst eigentümlich. Das Schuppentier geht nicht auf allen Vieren, sondern bloß auf den beiden Hinterfüßen, streckt den stark gekrümmten Körper fast wagerecht nach vorwärts, senkt den Kopf zur Erde nieder, läßt die Vorderbeine hängen, daß die Krallen fast die Erde berühren, und stützt sich hinten mit dem Schwanze auf. Oft wird letzterer nicht einmal benutzt, sondern gerade ausgestreckt oder selbst mit der Spitze nach oben gekrümmt getragen; aber dennoch bleibt das Tier immer im Gleichgewichte. Bisweilen richtet es beim Gehen den Körper senkrecht in die Höhe, um sich weiter umzuschauen. Alle Bewegungen sind langsam und werden bloß manchmal durch einige schnelle, aber ungeschickte Sprünge unterbrochen; gleichwohl sind diese trägen Tiere imstande zu klettern, wenigstens beobachtete dies Tennent an dem Pangolin der Malaien. »Ich hatte«, sagt er, »immer geglaubt, daß der Pangolin ganz unfähig wäre, Bäume zu besteigen, wurde aber von meinem zahmen eines bessern belehrt. Auf seiner Ameisenjagd bestieg er häufig die Bäume in meinem Garten und kletterte ganz geschickt mit Hilfe der kralligen Füße und des Schwanzes, vermittels dessen er den Baum in schiefer Richtung faßte.« Auch ein Schuppentier, das Burt beobachtete, wollte immer an den Wänden emporklettern. Von andern Forschern erfahren wir, daß das Tier geradezu die etwas gesträubten Schuppen des Schwanzes benutzt, um sich an die Rinde der Bäume anzustemmen. »Um die Lebensweise zu beobachten«, schreibt mir Haßkarl, »habe ich mir auf Java mehrmals Schuppentiere gekauft, sie aber niemals lange besessen, weil mir kein passender Raum zu ihrer Unterbringung zur Verfügung stand und ich sie, nach Art der Eingeborenen, mittels einer Schnur an einer ihrer Schuppen befestigen und an einem Baume anbinden mußte. Auf letzteren kletterten sie sehr schnell und geschickt; sie müssen aber auch auf dem Boden gut fortkommen können, weil ich diejenigen, die mit Verlust ihrer durchbohrten Schuppen entflohen, niemals wiederzuerlangen vermochte.«

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Pangolin (Manis pentadactyla)

Eine Stimme hat man von Schuppentieren noch nicht gehört; der einzige Laut, den man vernommen, bestand in einem Schnarren. Gesicht und Gehör scheinen sehr schwach entwickelt zu sein, und der Geruch ist wohl auch nicht besonders, wenn auch dieser Sinn das Tier bei seiner Jagd leitet. Über die Fortpflanzung weiß man nur so viel, daß das Weibchen ein einziges Junges in seiner Höhle wirft, das etwa 30 Zentimeter lang und gleich bei der Geburt beschuppt ist; doch sind die Schuppen weich und namentlich gegen die Schnauzenspitze hin nur wenig entwickelt. Swinhoe erhielt eine Familie, die aus beiden Alten und drei Jungen bestand; es geht also hieraus hervor, wie geringes Gewicht auf die älteren Angaben gelegt werden darf, und wie wenig die Fortpflanzungsgeschichte der merkwürdigen Tiere noch beobachtet worden ist.

Die Gefangenschaft können die Schuppentiere längere Zeit bei geeigneter Pflege ertragen. Sie gewöhnen sich auch so ziemlich leicht an Milch, Brot, ja selbst an Getreidekörner, wenn auch Kerbtiere immer ihre Lieblingsnahrung bleiben. Das Fleisch wird von den Eingebornen gegessen und als wohlschmeckend gerühmt, der Panzer von diesem und jenem Volksstamme zum Schmucke verschiedener Gerätschaften verwendet; die Schuppen gelten bei verschiedenen innerafrikanischen Völkerschaften als Zaubermittel oder Talismane und dienen den Chinesen in der Heilkunde zu allerlei Quacksalbereien. Hier und da klagt man über den Schaden, den Gürteltiere durch Unterwühlen von Nutzpflanzen verursachen; im allgemeinen aber machen sich die harmlosen Geschöpfe durch Aufzehren von Ameisen und Termiten nur verdient um das Besitztum des Menschen.

 

Der Pangolin der Malaien ( Manis pentadactyla) bewohnt Ostindien, zumal Bengalen, Pondischery und Assam, auch Ceylon. Schon Aelian erwähnt, daß es in Indien ein Tier gebe, das wie ein Erdkrokodil aussähe. Es habe etwa die Größe eines Malteser Hundes, seine Haut sei mit einer so rauhen und dichten Rinde bewaffnet, daß sie abgezogen als Feile diene und selbst Erz und Eisen angreife. Die Indier hätten ihm den Namen Phatagen gegeben. Diesen Namen trägt das Tier heute noch, und somit unterliegt es keinem Zweifel, daß der alte Naturforscher unser Schuppentier meinte. Von den übrigen Schuppentieren unterscheidet sich der Pangolin durch seine Größe, auch ist der Schwanz am Grunde ebenso dick wie der Leib, d. h. von diesem gar nicht abgesetzt. Ein ausgewachsenes Männchen kann bis 1,3 Meter an Gesamtlänge erreichen; hiervon kommt gegen die Hälfte auf den Leib. Die Schuppen des Leibes sind am freien Ende ungefähr doppelt so breit als lang, dreieckig und gegen die Spitze hin etwas ausgebogen, gewöhnlich in elf, zuweilen aber auch in dreizehn Längsreihen geordnet. Die Mittelreihe zählt auf dem Kopfe elf, auf dem Rücken und dem Schwanze je sechzehn Schuppen.

Über die Lebensweise dieses Schuppentieres wissen wir ebenfalls noch sehr wenig. Burt erzählt, daß der Pangolin nichts als Ameisen frißt und sehr viele davon vertilgt, aber auch zwei Monate lang hungern kann, daß er nachts umherstreift und in der Gefangenschaft sehr unruhig ist, sich ziemlich schnell zu bewegen vermag und, wenn man ihn angreift, sich ruhig am Schwanze aufnehmen läßt, ohne den geringsten Versuch zu machen, sich gegen seinen Feind zu wehren usw. Die Chinesen verfertigen Panzer aus der Haut und nageln sie auch auf den Schild. Adams, der zwei dieser oder doch sehr nahe verwandte Gürteltiere gefangen hielt und beobachtete, entwirft eine Schilderung von ihnen, die den bereits gegebenen allgemeinen Mitteilungen entspricht. Als vollendetes Nachttier rollt sich der Pangolin über Tag so fest zusammen und erscheint dann so wenig bewegungsfähig, daß Adams zu dem Glauben verlockt wurde, ihn in einem Fischernetze aufbewahren zu können. Erst das wütende Gebell seines Hundes, der das freigewordene und flüchtende Tier entdeckt und gestellt hatte, belehrte ihn, daß »Schüppchen« auch laufen, klimmen und sonstwie sich bewegen, überhaupt Stellungen der verschiedensten Art einnehmen können. Furchtsam im höchsten Grade, rollten sich die von Adams gepflegten Gürteltiere sogleich zur Kugel zusammen, wenn ein Geräusch ihr Ohr traf. Bei einem Mischfutter von geschabtem Fleische und rohen Eiern hielten sie sich gut, verunglückten jedoch durch Zufall.

 

Das Steppenschuppentier ( Manis Temminckii) wurde von dem Reisenden Smuts zuerst in der Nähe von Lattaku, dem nördlichsten Sitze der englischen Missionare am Kap, aufgefunden und von Smith mit großer Genauigkeit in seinen Beiträgen zur südafrikanischen Tierkunde beschrieben. In der Größe und Gestalt ähnelt es am meisten dem indischen Verwandten. Der Schwanz, der fast die Länge des Körpers erreicht, nimmt erst gegen das Ende zu ab, wo er sich plötzlich abrundet und abstutzt. Der Rumpf ist breit und der Kopf kurz und dick. Eiförmige Schuppen bedecken den Kopf, sehr große, an der Wurzel fein längsgefurchte, an der Spitze glatte ordnen sich am Rücken in elf bis dreizehn, am Schwanze in fünf und hinten in vier Reihen. Erwachsene Männchen erreichen eine Gesamtlänge von ungefähr 80 Zentimeter, wovon der Schwanz etwa 30 Zentimeter wegnimmt.

Der Abu-Khirfa oder »Rindenvater«, wie die Nomaden Kordofâns das Steppenschuppentier nennen, findet in den termitenreichen Steppen Afrikas hinlängliche Nahrung und erwünschte Einsamkeit. Nach Heuglins Angaben bewohnt das Steppenschuppentier eine selbstgegrabene Höhle. Hier schläft es über Tag in zusammengerollter Stellung, wobei es den Kopf unter dem Schwanze verbirgt. Gewöhnlich geht es nur auf den Hinterfüßen, ohne mit dem sehr beweglichen Schwanze den Boden zu berühren, ist auch imstande, den Oberkörper fast senkrecht in die Höhe zu richten. Weder rasch noch behend, vermag es seinen Feinden durch die Flucht nicht zu entkommen, und wehrlos, wie es ist, bleibt ihm nur das eine Mittel übrig, angegriffen sich zu einem festen Knäuel zusammenzurollen und sich so dem Gegner preiszugeben, in der Hoffnung, daß es sein fester Panzer genügend vor Zahn und Klaue schützen werde. Seine Nahrung besteht aus verschiedenen Ameisenarten, Käfern und Heuschrecken; nach Aussage der Eingeborenen soll es jedoch auch Durrah oder Kafferhirse fressen.


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