Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Füchse (Vulpes) unterscheiden sich von den Urhunden, Wölfen, Schakalen nebst Verwandten und den Haushunden durch den Bau ihres Gebisses zwar nicht wesentlich, wohl aber durch den langgestreckten Leib, den gestreckten, spitzschnäuzigen Kopf, den in der Regel länglichrunden, etwas schief stehenden Augenstern, die niederen Läufe, den sehr langen, dickbuschig behaarten Schwanz sowie den nur schwach gebogenen, fast wagerechten, am Vorderrande seicht vertieften Brauenfortsatz des Stirnbeines merklich genug, um sie nach Ansicht einiger Forscher in einer besonderen Gruppe zu vereinigen, möge man dieser nun den Rang einer Sippe (nach Gray's Meinung sogar einer Unterfamilie) zugestehen oder nicht. Auch in ihrem Wesen und Gebaren bekunden sie, bei aller Übereinstimmung mit den Sitten und Gewohnheiten anderer Hunde, so manche Eigentümlichkeit und verdienen besondere Beachtung.
Unter den in unserem Vaterlande wildlebenden Säugetieren steht der Fuchs (Canis vulpes) unzweifelhaft obenan. Kaum ein einziges anderes Mitglied der ersten Klasse genießt einen so hohen Ruhm und erfreut sich einer so großen Bekanntschaft wie Freund Reineke, das Sinnbild der List, Verschlagenheit, Tücke, Frevelhaftigkeit und, wie ich sagen möchte, gemeinen Ritterlichkeit Ihn rühmt das Sprichwort, ihn preist die Sage, ihn verherrlicht das Gedicht; ihn hielt einer unserer größten Meister für würdig, seinen Gesang ihm zu widmen. Es ist gar nicht anders möglich: der Gegenstand einer so allgemeinen Teilnahme muß ein ausgezeichnetes Geschöpf sein. Und das ist denn auch unser Schlaukopf und Strauchdieb in jeder Hinsicht. Wir müssen ihm seiner geistigen wie leiblichen Eigenschaften wegen unsere Achtung zollen, ihn gewissermaßen liebgewinnen. Gleichwohl erfreut sich Reineke keineswegs unserer Freundschaft. Trotz aller Anerkennung, die seine Fähigkeiten uns einflößen, wird er von uns verfolgt und befehdet, wo sich nur immer Gelegenheit dazu bietet. Es scheint fast, als bestände zwischen dem Menschen und Tiere ein Wettstreit, als bemühe sich der Mensch, ihm gegenüber zu zeigen, daß die geistigen Fähigkeiten des Erdenbeherrschers denn doch noch die des Fuchses überträfen: und Reineke seinerseits läßt es sich angelegen sein, seinem Verfolger immer wieder zu beweisen, daß man auch trotz aller Hindernisse noch zu leben verstehe.
Der Fuchs ist ein vollendetes Tier in seiner Art. »Zierlicher, als seine Verwandten in Tracht und Haltung« sagt Tschudi, »feiner, vorsichtiger, berechnender, biegsamer, von großem Gedächtnis und Ortssinn, erfinderisch, geduldig, entschlossen, gleich gewandt im Springen, Schleichen, Kriechen und Schwimmen, scheint er alle Erfordernisse des vollendeten Strauchdiebes in sich zu vereinigen und macht, wenn man seinen geistreichen Humor hinzunimmt, den angenehmen Eindruck eines abgerundeten Virtuosen in seiner Art.« Reineke ist unbedingt der allervollendetsten Spitzbuben einer. Mit seinen leiblichen Begabungen stehen seine geistigen Fähigkeiten nicht bloß im Einklang, sondern helfen ihm gewissermaßen über manche Mängel seiner leiblichen Ausrüstung, im Vergleiche zu anderen, besser begabten Raubtieren hinweg. Reineke versteht sein Handwerk zu treiben und läßt sich kaum von einem zweiten Geschöpfe übertreffen. Ihm scheint nichts unerreichbar, seiner List und Tücke kein Wild zu schnell oder zu stark, seiner Behendigkeit nichts zu rasch und zu gewandt zu sein. Gefahr würdigt er vollkommen, aber fürchtet sie nicht; denn für ihn sind alle Netze, Fallen, Schlingen und Jagdwaffen eigentlich kaum da; für ihn findet sich aus jeder Verlegenheit noch ein Ausweg, und nur die größere Menschenlist oder die durch Verbindung mit des Fuchses eigenen Familiengenossen unberechenbar vermehrte Macht des Erdenbeherrschers kostet unserm Strauchdiebe Haut und Haar.
Reineke lebt, hundertfach durch Wort und Bild gezeichnet, in jedermanns Anschauung und ist wohl bekannt. Demungeachtet verdient er den weniger mit der Natur Vertrauten besonders vorgestellt zu werden. Seine Länge beträgt bis 1,3 Meter, wovon freilich 40 Zentimeter auf den Schwanz kommen, die Höhe am Widerrist dagegen nur 35, höchstens 38 Zentimeter, das Gewicht sieben bis zehn Kilogramm. Der Kopf ist breit, die Stirn platt, die Schnauze, die sich plötzlich verschmälert, lang und dünn. Die Seher stehen schief und die Lauscher, die am Grunde sich verbreitern und nach oben zuspitzen, aufrecht. Der Leib erscheint seines ziemlich dichten Haarkleides wegen dick, ist in Wahrheit aber ungemein schlank, jedoch äußerst kräftig und der umfassendsten Bewegung fähig. Die Läufe sind dünn und kurz, die Standarte oder Lunte aber ist lang und buschig, der Balg sehr reichlich, dicht, weich, und hinsichtlich seiner Färbung ein wirklich vollendeter zu nennen. Reineke samt seiner ganzen edlen Sippschaft trägt ein Kleid, das seinem Räubertume in der allervortrefflichsten Weise entspricht. Die Färbung, ein fahles, gräuliches Rot, das sich der Bodenfärbung förmlich anschmiegt, paßt ebenso zum Laubwalde wie zum Nadelholzbestande, er sei hoch oder niedrig, oder ist für die Heide wie für das Feld und für das Stein- oder Felsengeklüfte gleich geeignet. Der vorsichtig dahinschleichende Fuchs wird kaum bemerkt, eben weil seine ganze Umgebung ihm ähnlich gefärbt ist und ihn dadurch deckt. Alle Verwandten haben mehr oder weniger dieselbe Färbung, nur daß diese je nach der Örtlichkeit sich ändert und den durch sie bedingten Abweichungen entspricht.
Jede einzelne Fuchsart weicht hinsichtlich ihrer Färbung vielfach ab und so auch unser Reineke. Der schönste Rotfuchs ist der nördliche, der jedoch ebenfalls sehr abändert. Je weiter man nun von dem Norden nach Süden herabkommt, um so kleiner, schwächer und weniger rot zeigt sich der Fuchs. In flachen, sumpfigen Gegenden ist er am schlechtesten; gibt es aber bergige Strecken dazwischen, so wird er in diesen wieder etwas besser.
In der Weidmannssprache heißt nur das Männchen Fuchs, die Füchsin » Fähe« oder » Betze«; die Augen nennt man » Seher«, die Ohren » Lauscher«, die Beine » Läufe«, die Zehen » Branten«, den Schwanz » Standarte, Stange, Lunde oder Lunte und Rute«, die Schwanzspitze » Blume«, die Afterdrüse » Viole«, das Fell » Balg«, das Grannenhaar » Haar«, das Wollhaar » Wolle«. Der Fuchs » schleicht, trabt und schnürt, wird flüchtig« er » läuft« vor den Hunden oder aufs Reizen, » bellt, kriecht zu Baue, steckt im Baue, fährt aus demselben, raubt, mauset, reißt und frißt den Raub, nimmt die Schleppe, den Brocken, Vorwurf oder Abzugsbissen«; er » ranzt« oder » rollt«, d. h. begattet sich; die Füchsin »rennt« während der » Ranz- oder Rollzeit« und » wirft« oder » wölft« ihre Jungen.
Reinecke bewohnt den größten Teil der nördlichen Hälfte unserer Halbkugel. Er geht durch ganz Europa, Nordafrika, West- und Nordasien. Man vermißt ihn nirgends gänzlich und trifft ihn in manchen Gegenden häufig an. Seine Allseitigkeit läßt ihn aller Orten passende Wohnplätze finden, wo andere Raubtiere, aus Mangel an solchen, sich nicht aufhalten können, und seine List, Schlauheit und Gewandtheit befähigen ihn, diese Wohnsitze mit einer Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit zu behaupten, die geradezu ohne Beispiel dasteht.
Seine Wohnplätze werden immer mit äußerster Vorsicht gewählt. Es sind tiefe, gewöhnlich verzweigte Höhlen im Geklüft, zwischen Wurzeln oder anderen günstigen Stellen, die am Ende in einen geräumigen Kessel münden. Wenn es nur irgend angeht, gräbt er sich diese Baue nicht selbst, sondern bezieht alte, verlassene Dachsbaue oder teilt sie mit Grimbart, trotz der Abneigung desselben, mit anderen Tieren Geselligkeit zu pflegen. Alle größeren Fuchsbaue sind ursprünglich vom Dachse angelegt worden. Falls er es haben kann, gräbt er den Bau an Berggehängen, so daß die Röhren aufwärtsführen, ohne zu flach unter den Boden zu kommen. In ganz ebenen Gegenden liegt der Kessel oft dicht unter der Oberfläche. Zur Herbst- und Winterszeit bezieht er, namentlich in ebenen Gegenden, gern zusammengefahrene Steinhaufen, und unter Umständen müssen eine alte Kopfweide und Kopfeiche als Wohnung und Wochenzimmer dienen. Bei Platzregen, Sturm, kalter Witterung und während der Paarungszeit, auch im Sommer während der größten Hitze oder solange die Füchsin kleine Junge hat, findet man unseren Buschklepper regelmäßig in seinem Baue, bei günstiger Witterung durchwandert er sein Gebiet und ruht da aus, wo sich gerade ein passendes Plätzchen findet, gewöhnlich im Dickichte, im Rohre, im Getreide, im Riedgrase usw. In waldarmen Ebenen, beispielsweise in dem Fruchtlande Unterägyptens, graben sich die Füchse nur für ihr Gewölfe wirkliche Baue, während die alten unter dem milden Himmel des Landes jahraus, jahrein im Freien leben.
Der Fuchs zieht, um zu rauben, die Nacht dem Tage vor, jagt jedoch auch recht gern angesichts der Sonne, an stillen Orten über Tages lieber noch als in der Dunkelheit. In den langen Tagen der Sommermonate zieht er an gedeckten Stellen seines Gebietes oft mehrere Stunden vor Sonnenuntergang mit seinen Jungen auf Raub aus, und bei anhaltender Kälte und tiefem Schnee scheint er nur in den Morgenstunden zu ruhen; denn schon von zehn Uhr vormittags an sich t man ihn in den Feldern umherstreichen. Wie der Hund hält er die Wärme sehr hoch. Bei schönem Wetter legt er sich auf einen alten Baumstamm oder Stein, um sich zu sonnen, und verträumt in behaglichster Gemütsruhe manches Stündchen. Da, wo er sich sicher fühlt, überläßt er sich auch an wenig oder nicht gedeckten Stellen ziemlich sorglos dem Schlafe, schnarcht laut wie ein Hund und schläft so tief, daß es bisweilen selbst dem durch einen klugen Hund aufmerksam gemachten Jäger gelingt, ihn in solcher Lage zu überraschen und zu beobachten. Mit Einbruch der Dämmerung oder schon in den Nachmittagsstunden beginnt er einen seiner Schleich- und Raubzüge. Äußerst vorsichtig strolcht er langsam dahin, äugt und windet von Zeit zu Zeit, sucht sich beständig zu decken und wählt deshalb immer die günstigsten Stellen zwischen Gestrüpp, Steinen, hohen Gräsern und dergleichen zu seinen Wegen, Pässen oder Wechseln. So lange es irgend angeht, hält er das Dickicht, und Wenn er dieses verlassen muß, geschieht es sicher nur da, wo einzelne Büsche oder ähnliche Deckungsmittel ihm nach einer anderen ebenso günstigen Stelle des Waldes gleichsam eine Brücke schlagen. Daher kennen erfahrene Jäger die Fuchspässe sehr genau und können mit ziemlicher Sicherheit im voraus bestimmen, welchen Wechsel Reinecke unter den gerade obwaltenden Umständen annehmen wird. Der Fuchs achtet auf alles und bemerkt auch das Geringste, noch ehe andere Tiere davon etwas ahnen. Seine Sinnesfähigkeiten kommen ihm dabei vortrefflich zustatten; er vernimmt, äugt und windet außerordentlich scharf und weiß mit überraschender Geistesgegenwart und Schlauheit jede gemachte Beobachtung zu benutzen. List und Verstellung sind ihm zur zweiten Natur geworden. Ein auf die Jagd gehender Fuchs sieht harmlos aus und ist doch entschieden eines der gefährlichsten Raubtiere, die wir in bewohnten Gegenden noch besitzen.
Seine Jagd gilt allem Getier, von dem jungen Reh an bis zum Käfer herab, vorzüglich aber den Mäusen, die wohl den Hauptteil seiner Mahlzeiten bilden. Er schont weder jung noch alt, verfolgt die Hasen und Kaninchen aufs eifrigste, wagt es sogar, ein Reh- oder Hirschkälbchen zu beschleichen, wenn er glaubt, daß dieses einen Augenblick lang unbewacht ist, obgleich er weiß, daß ihn die Mutter, sobald sie ihn bemerkt, abtreibt und, wenn sie ihn erreichen kann, mit den starken Vorderläufen dergestalt durchprügelt, daß er lendenlahm davonhinkt. Er plündert nicht allein die Nester aller auf dem Boden brütenden Vögel, indem er Eier und Junge verzehrt, sondern versucht auch die flugbegabten, alten Vögel zu überlisten und kommt nicht selten zum Ziele. Er schwimmt und watet durch Sumpf und Moor, um den auf dem Wasser brütenden Vögeln beizukommen: es sind Fälle bekannt, daß er brütende Schwäne erwürgt hat. Außerdem überfällt er die Herden des zahmen Geflügels und stiehlt sich zur Nachtzeit bis in die Höfe einzelnstehender Bauerngüter: wenn er ein gutes Versteck besitzt, schleicht er dem Hausgeflügel selbst bei hellem Tage nach. Wahrhaft furchtbar wird die Füchsin, die Junge hat. Diese vermag sie mit Mäusen nicht zu sättigen und füttert sie deshalb fast ausschließlich mit größerem Wilde. »Mein Jäger«, so schreibt Eugen von Homeyer, »erlegte eine alte Füchsin auf dem Wege zu ihren Jungen, die ein ganzes Bündel fast flügger Kiebitze den letzteren zutrug und in ihrem Magen nichts hatte, als eine Maus. Sie lebt, wie ich anderweitig erfuhr, auch in dieser Zeit fast ausschließlich von Mäusen, während sie ihre Sprößlinge mit größerem Wilde versorgt. So fand ich in einem Baue zwei Hasen, ein frisches, aber bereits angeschnittenes Rehkalb, eine alte Wildente und ein Entenei. Mehr als zwanzig Hasengerippe lagen in der Nähe.« So arg treibt es der Fuchs wohl nie, geht sogar mit Vorliebe allerlei Kleinwild nach und liebt nur einige Abwechslung. In großen Gärten und Weinbergen ist er sicherlich ein viel häufigerer Gast, als man gewöhnlich glaubt. In beiden fängt er Heuschrecken, Maikäfer und deren Larven, Regenwürmer usw., oder sucht süße Birnen, Pflaumen, Trauben und andere Beeren zusammen. An dem Bache lungert er umher, um eine schöne Forelle oder einen dummen Krebs zu überraschen; am Meeresstrande frißt er den Fischern die Netze aus; im Walde entleert er die Schneisen der Jäger. Kerfe aller Art: Käfer, Wespen, Bienenlarven und Fliegen und dergleichen zählen im Sommer wohl zu seinen regelmäßigen Gerichten. So kommt es, daß seine Tafel fast immer gut bestellt ist und er nur dann in Not gerät, wenn sehr tiefer Schnee ihm seine Jagd besonders erschwert. Dann ist ihm alles Genießbare recht, nicht allein Aas, das er überhaupt und zu jeder Jahreszeit angeht und, wie viele Hunde, recht gern zu fressen scheint, sondern auch ein alter vertrockneter Knochen, selbst ein Stück halb verfaultes Leder. Mit der gefangenen Beute spielt er, falls er halbwegs gesättigt ist, lange und grausam vor dem Erwürgen.
Es würde selbst den Raum unseres Buches überschreiten, wollte ich alle die Listen und Verstellungskünste hier wiedererzählen, die man ihm bei Beobachtung seiner Jagdausflüge nach und nach abgesehen hat; von denen, die er überhaupt zur Anwendung bringt, gar nicht zu reden. Nicht allein die Tierfabel, sondern auch die Tiergeschichte führen deren eine Menge auf, und manche von ihnen haben bis zum heutigen Tage noch nicht allen Glauben verloren, so wenig wahrscheinlich sie auch sind. »Ist ein listig, boszhafftig und fürwitzig thier«, sagt der alte Geßner, »den ygel kehrt er sattlich umb und beseicht im den kopff, von welchem er dann erstickt; den Hasen betriegt er mit schimpff mit jm ze gopen; die Vögel indem dz er sich besudelt und als ob er todt seye, sich auf den Wasen streckt, die vögel also als zu einem schelmen lockt und erfasset; die fischly facht er mit seinem schwantz, den er in das Wasser streckt, und so sich die fischlein daryn geschwummen zeucht er sy herauß, erschütt den schwantz und läbt wol umb eine kleine unten. Ich geschwyg deß lists den er mit den bynen vnd wäspen braucht, damit er das Honig und Waben unverletzt frässe usw.« Solche und ähnliche Geschichten werden noch heutigen Tages erzählt und von nicht wenigen als bare Münze genommen. Ein Körnlein Wahrheit ist auch in ihnen zu finden: die Tatsache, daß der Fuchs bei seinen Jagden allerdings mit Überlegung, Umsicht und Schlauheit zu Werke geht und deshalb Tiere, die ihm leicht zu entrinnen vermögen, ebensogut zu erlisten weiß als langsames und täppisches Wild. »Daß unser Raubritter«, schreibt E. von Lomeyer ferner, »alte Vögel greift, ist unzweifelhaft; es erscheint mir jedoch auch wahrscheinlich, daß die alten Schilderungen der Art und Weise, wie er es anstellt, solche zu überlisten, teilweise richtig sind. Wenn der Fuchs, um sich zu sonnen, auf einer Waldblöße liegt, versammeln sich Krähen in immer wachsender Anzahl unter stetem Lärm und rücken dem Fuchse, der regungslos daliegt, allmählich näher, bis ein sicherer Sprung des Totgeglaubten einen der Schreier zum Opfer fordert. Mein Vater hörte einmal im Mai, ehe es noch junge Krähen gab, von fern anhaltendes Schreien der Krähen eines Waldes, und vermutete, daß dasselbe einem Raubvogel gelte. Schon in die Nähe gekommen, vernahm er einen furchtbaren Lärm, der sich auf ihn zu bewegte, und bald sprang ein Fuchs mit einer Krähe im Maule vorüber, gefolgt von einem großen Schwarme schreiender Genossen des Opfers. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß das plötzliche Aufschreien aller Krähen den Augenblick bezeichnete, an dem der Fuchs eine derselben ergriff.«
Bei seinen Jagdzügen gilt ihm die eigene Sicherheit als erstes Gesetz; ihr ordnet er alle Lüste und Begierden unter, und eben deshalb entgeht er so vielfachen Nachstellungen. Niemals wagt er sich auf einen von scharfen Hunden geschützten Hof oder in ein Gehege, das mit Scheuchen umstellt. Alles ihm nicht Bekannte erregt seinen Verdacht, und wenn er erst mißtrauisch geworden ist, bekundet er erstaunliche Selbstbeherrschung. Verdächtige Beute untersucht er vorher genau und läßt sie weit lieber im Stiche, als daß er sich der Gefahr aussetzt: deshalb schleppt er nur sehr ausnahmsweise tote Körper weg oder besinnt sich lange, Köder anzunehmen, die man ihm stellt, um ihn zu berücken. Erst nachdem er alles sorgfältig geprüft hat, wendet er sich rascher, doch auch jetzt noch auf Umwegen, seinem Ziele zu.
Ganz anders benimmt er sich, wenn er sich vollkommen sicher weiß. Dann verwandelt sich seine Vorsicht in eine wirklich unverschämte Frechheit. Er erscheint bei hellem Tage in dem Hofe, holt sich angesichts der Bewohner ein Huhn, eine Gans, macht sich mit seiner Beute offen davon und trägt sie ruhig seines Weges, selbst wenn ihm die Hunde auf den Balg kommen. Nur im äußersten Notfalle läßt er so schwer Errungenes im Stiche, und regelmäßig kehrt er dann zurück, um zu sehen, ob er es nicht noch wegbringen könne. Dieselbe Dreistigkeit zeigt er zuweilen unter Umständen, die schleunigste Flucht zur Notwendigkeit machen. So packte ein Fuchs, der in einem Treiben von Hunden gejagt wurde und schon zweimal Schrote hatte pfeifen hören, in vollster Flucht einen kranken Hasen und trug ihn eine Strecke weit fort. Ein anderer hob sich bei einem Kesseltreiben aus dem von den Jägern umstellten Felde, raubte einen verwundeten Hasen, erwürgte ihn vor den Augen der Jagdgesellschaft, verscharrte ihn rasch noch im Schnee und entfloh dann mitten durch die Linie der Treiber und Schützen. Ein dritter erschien, wie Krückeberg mitteilt, während eines Treibens vor der Dickung an einer Stelle, auf der ein stark angeschossener, bald darauf verendeter Fuchs stark geschweißt hatte, nahm, der blutigen Spur folgend, sofort die Fährte desselben auf, würgte seinen Kameraden trotz des Lärmens der Treiber und des lauten Jagens eines Dächsels in der Dickung und wiederholte seine Angriffe so oft, daß einer der Schützen herbeischleichen und ihn mit wohlgezieltem Schusse auf dem Leichnam niederstrecken konnte. »Auf dem Anstande«, erzählt E. von Homeyer, »hörte ich einmal einen kurz vorher gesehenen Hasen klagen, eilte leisen Schrittes hinzu und bemerkte einen Fuchs, der den armen Schelm würgte. Seine Mordlust war so groß, daß ich ihn erlegen konnte, bevor er mich wahrgenommen hatte.« In allen diesen Fällen machte, so darf man glauben, die einmal erwachte, nicht mehr zu bändigende Raub- und Mordlust den Fuchs taub und blind gegen alle Gefahren; denn daß er diese gar nicht zu würdigen gewußt hätte, läßt sich kaum annehmen, weil andere Beispiele dagegen sprechen. Ein Fuchs, der in einer Scheune gefangen worden war und mit Knütteln und Heugabeln erschlagen werden sollte, entwischte dem drohenden Schicksale glücklich, rannte lustig davon, bemerkte auf der nächsten Wiese Gänse, würgte schnell zwei von ihnen und nahm eine mit sich hinweg, gleichsam denen zum Hohne, die ihm den Hals brechen wollten. Solche Züge aus dem Leben des Tieres, solche Beweise von Geistesgegenwart können dem Unbeteiligten nur Vergnügen gewähren und eine gewisse Hochachtung für den schlauen Burschen abnötigen. Daß der vortrefflichste aller Raubritter bei seinen Zügen mehr umbringt, als er wirklich auffressen kann, und, wenn er es vermag, ein entsetzliches Blutbad unter der gefiederten Herde anrichtet, tut dieser Achtung in meinen Augen keinen Abbruch: dafür ist er eben ein Raubtier, das von mein und dein nach menschlichen Begriffen keine Vorstellung hat und den »Kampf ums Dasein« ebensogut bestehen muß wie der Mensch oder jedes andere Geschöpf. Ob es gedachter Kampf erfordert, auch Füchse zu fressen, will ich freilich nicht behaupten; ich enthalte mich hierüber des Urteils. Ein Bekannter Winckells traf jedenfalls einen Fuchs darüber an, einen anderen, der sich über Nacht im Schwanenhalse gefangen hatte, zu verzehren, und zwar tat er das mit so vieler Lüsternheit, daß der Jäger im Freien herangehen und sich durch Erlegung des Räubers für den zerrissenen Balg des gefangenen bezahlt machen konnte. Förster Müller sah mit an, wie sechs junge Füchse miteinander spielten, dann zankten und dabei den einen blutig bissen. Der Verwundete suchte zu entkommen, wurde aber augenblicklich von der ganzen Schar mörderisch angefallen, umgebracht und aufgefressen.
Der Lauf des Fuchses ist schnell, ausdauernd, behend und im höchsten Grade gewandt. Er versteht zu schleichen, unhörbar auf dem Boden dahinzugleiten, aber auch zu laufen, zu rennen und außerordentlich weite Sätze auszuführen. Selbst gute Jagdhunde sind selten imstande, ihn einzuholen. Bei rascherem Laufe trägt er die Lunte gerade nach rückwärts gestreckt, während er sie beim Gehen fast auf dem Boden schleppt. Wenn er lauert, liegt er fest auf dem Bauche, wenn er ruht, legt er sich nicht selten, wie der Hund, zusammengerollt auf die Seite oder auch selbst auf den Rücken; sehr häufig sitzt er auch ganz nach Hundeart auf den Keulen und schlägt dabei die buschige Standarte zierlich um seine Vorderläufe. Vor dem Wasser scheut er sich nicht im geringsten, schwimmt vielmehr leicht und rasch über Flüsse von der Größe der Elbe; auch im Klettern zeigt er sich nicht ungeschickt, da man ihn zuweilen auf Bäumen bis fünf Meter über dem Boden antrifft. Mir sind viele Beispiele bekannt, schaltet E. von Homeyer hier ein, daß der Fuchs ebensowohl aus freiem Antrieb wie verfolgt auf Bäume steigt. In der Regel wählt er hierzu solche, die vom Winde umgebogen wurden und unter einem Winkel von 45 bis 50 Grad einen Stützpunkt gefunden haben. Aber er steigt auch in der Dickung drei bis vier Meter hoch auf die Bäumchen, um junge Vögel aus dem Nest zu nehmen. Daß er hohle Bäume zu seinem Wochenbett benutzt, werden wir weiter unten sehen. Die Stimme des Fuchses ist ein kurzes Gekläff, das mit einem stärkeren und höheren Kreischen endet. Erwachsene Füchse »bellen« bloß vor stürmischem Wetter, bei Gewittern, bei großer Kälte und zur Zeit der Paarung; die Jungen dagegen schreien und kläffen, sobald sie hungrig sind oder sich langweilen. Im Zorne oder bei großer Gefahr knurrt oder heult der Fuchs; einen Schmerzenslaut vernimmt man von ihm nur dann, wenn er von einer Kugel getroffen oder ihm durch einen Schrotschuß ein Knochen zertrümmert worden ist: bei jeder anderen Verwundung schweigt er hartnäckig still. Im Winter, namentlich bei Schnee und Frost, schreit er laut und klagend; am meisten aber hört man ihn zur Zeit der Paarung.
Reineke zählt nicht zu den geselligen Tieren und unterscheidet sich auch dadurch von Urhunden, Wölfen und Schakalen. Zwar trifft man nicht selten mehrere Füchse in einem Dickicht und selbst in einem und demselben Bau an; sie aber vereinigte, in den meisten Fällen wohl gewohnheitsmäßig, die Örtlichkeit, nicht der Wunsch mit andern ihresgleichen gemeinsam zu leben und zu wirken. Unter Umständen, namentlich in Zeiten der Not, geschieht es wohl, daß Füchse gesellschaftlich jagen; ob jedoch hierbei gemeinschaftlich gehandelt wird, dürfte fraglich sein. In der Regel geht jeder Fuchs seinen eigenen Weg und kümmert sich um andere seiner Art nur insoweit, als es sein Vorteil angemessen erscheinen läßt. Selbst die verliebten Füchse halten nur solange zusammen, als ihre Liebe währt, und trennen sich sofort nach der Ranzzeit wieder. Freundschaft gegen andere Tiere kennt der Fuchs ebensowenig wie Geselligkeit. Man hat allerdings wiederholt beobachtet, daß er sogar mit seinem Todfeind, dem Hund, freundlich verkehrte: dies aber geschah jedenfalls nur in seltenen Ausnahmefällen. Auch das Verhältnis zu Vetter Grimbart darf nicht als ein freundschaftliches aufgefaßt werden, da es Reineken keineswegs um den Dachs, sondern nur um dessen Wohnung zu tun ist. Er nimmt diese mit der ihm eigenen Dreistigkeit wenigstens teilweise in Besitz, ohne viel nach Grimbart zu fragen. Besondere Kniffe und Listen, um den Dachs zu vertreiben, wendet er nicht an; denn die uralte Erzählung: »So der Tachs hinauß gefaren ist, so befleckt er jm den eyngang mit seinem kaat, welcher so er widerkommen, von großem abschühen das er ab fölichem gestanck hat, verlaßt er sein eigen loch und näst, welches dann dem Fuchs eynzewonen gantz bequemlich ist«, muß nach Adolf Müllers Erfahrungen unerbittlich in das Bereich der Fabel verwiesen werden. Er zieht ohne weiteres ein, wählt sich die vom Dachs nicht in Besitz genommenen Teile des Baues zu seinen Wohnräumen und haust dann, falls es Grimbart nicht vorzieht, auszuwandern, gemeinschaftlich mit diesem in einem und demselben Bau. Von einem freundschaftlichen Zusammenleben der so verschiedenen Gesellen bemerkt man nichts, eher das Gegenteil. Ein Fuchs, berichtet Oberförster Hoffmann, flüchtete beim Treiben in einen Dachsbau und sollte nun gegraben werden. Der Bau wurde, weil die Nacht hereinbrach, verfeuert und das Graben am andern Tage fortgesetzt. Nachdem man mehrere Einschläge gemacht hatte, fand man endlich nicht den Fuchs, sondern nur dessen Kopf, eine Menge zerzauster Wolle und frischen mit Sand vermischten Schweiß. Die Bewohner des Baues hatten aus Arger wegen der gestörten Winterruhe auf etwas barbarische Weise von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und Reineke, der keinen Ausweg fand, verzehrt.
Die Ranzzeit fällt in die Mitte des Februar und dauert einige Wochen. Um diese Zeit gesellen sich gewöhnlich mehrere Rüden zu einer Fähe, folgen ihr auf Schritt und Tritt und machen ihr nach Hundeart den Hof. Jetzt vernimmt man ihr Gekläff öfter als je; auch werden unter den verschiedenen Mitbewerbern lebhafte Händel ausgekämpft. Zwei Füchse beißen sich oft mit größter Wut einer Füchsin wegen. In Ägypten, wo sie bei weitem nicht so vorsichtig sind als bei uns, treiben sie die Paarung offen im Felde und vergessen in der Liebesaufregung sich nicht selten so weit, daß sie den Menschen nahe herankommen lassen. Ich selbst habe einmal den Fuchs eines sich gerade begattenden Paares mit der Kugel erlegt und dasselbe von einem meiner dortigen Jagdgefährten gesehen. Auch bei uns zu Lande geschieht die Paarung zuweilen im freien Felde, »auf offener Wüstung«, wie Adolf Müller, der sie mit angesehen hat, sich ausdrückt, in der Regel aber wohl im Innern des Baues. Wenigstens versichert von Bischofshausen, dies durch eigne Beobachtung in Erfahrung gebracht zu haben. Es findet, wie man von außen recht gut vernehmen kann, ein fortwährendes Hin- und Herjagen im Bau statt, wobei gepoltert, geknurrt und »gegäckert« wird, als ob ein Dachshund den Fuchs im Bau umherhetze. Beide Baue, die Bischofshausen aufgraben ließ, und in denen Fuchs und Füchsin gefunden wurden, waren Nebenbaue mit zwei hufeisenförmig verlaufenden Röhren. Wenn die Fähe sich trächtig fühlt, verläßt sie, wahrscheinlich um den Nachstellungen noch verliebter Füchse besser entgehen und ihre ungestümen Zumutungen leichter abweisen zu können, das Hochzeitsgemach wieder und hält sich in schützenden Dickichten auf, die in der Nähe der von ihr zur Wochenstube ersehenen Baue liegen. Während der Trächtigkeitsdauer besucht und erweitert sie, laut Beckmann, verschiedene Baue ihres Wohngebietes und bezieht zuletzt in aller Stille denjenigen, dessen Umgebung in der letzten Zeit am seltensten von Menschen und Hunden betreten wurde. Ob dieser Bau versteckt oder frei liegt, kommt wenig in Betracht. In Ermangelung eines ihr passenden Baues gräbt sie eine Notröhre oder erwählt sich einen hohlen Baum, einen Reisighaufen oder endlich ein in dichtem Gebüsche wohl verstecktes Lager, das besonders sorgfältig hergerichtet und mit Haaren ausgekleidet wird, zum Wochenbett. »Mir sind«, so teilt Oberjägermeister von Meyerinck mir mit, »zwei Fälle bekannt geworden, daß eine Füchsin in hohlen Eichen gewölft hatte. In der Oberförsterei Harte bei Nauendorf hat ein Förster sieben junge Füchse mit der alten Fähe aus einer solchen Eiche herausgeholt. Die Eiche war von oben eingefault und das Loch nur etwas über einen Meter eingetieft. Ich selbst sah an einem Maimorgen, vom Pürschgange zurückkehrend, auf einer mit einzelnen Kopfeichen bestandenen Hütung etwa dreihundert Schritte von mir einen weißen Gegenstand langsam und ruhig fortziehen, lief schnell darauf zu und erkannte einen Fuchs, der eine zahme Gans schleppte und sich eben anschickte, mit derselben eine etwa fünf Meter hohe Eiche zu erklimmen, wobei er einen Maserauswuchs in ungefähr einundeinhalb Meter Höhe zum Aufsprunge benutzte. Mittlerweile war ich bis auf siebenzig Schritte herangekommen und wollte schießen, als der Fuchs die Gans fallen ließ, mit einigen gewandten Sätzen von Auswuchs zu Auswuchs die Eiche erstieg und auf derselben verschwand. Nachdem ich die Eiche ringsum mit Papierschnitzeln und Schießpulver verwittert hatte, begab ich mich, die am Halse verletzte Gans mit mir nehmend, nach Hause, um Hilfe zu holen. Zwei Stunden später war ich in Begleitung einiger Jäger mit Äxten und Leitern wieder zur Stelle, ließ tüchtig klopfen und erlegte den endlich erscheinenden Fuchs, oder richtiger, eine Füchsin, deren Gesäuge auf Junge deutete. Nunmehr wurde die Eiche erstiegen und das eingefaulte über einundeinhalb Meter in die Tiefe herabreichende Loch mit einem Stock untersucht. Sofort meldeten sich die jungen Füchschen; es wurde darauf an passender Stelle ein Loch eingehauen und das ganze Gehecke von vier Stück etwa einen Monat alten Füchschen herausgezogen.«
Schon während der Tragzeit rupft sich die Füchsin, wie Bischofshausen feststellte, ihre Bauchhaare aus, in der Nabelgegend beginnend und bis zum Halse damit fortfahrend, hauptsächlich wohl, um das Gesäuge für die erwarteten Jungen freizulegen und gleichzeitig diesen ein weiches und warmes Lager bereiten zu können. Sechzig bis dreiundsechzig Tage oder neun Wochen nach der Begattung, Ende April oder Anfang Mai, wölft die Füchsin. Die Anzahl ihrer Jungen schwankt zwischen drei und zwölf; am häufigsten dürften ihrer vier bis sieben in einem Nest gefunden werden. Sie kommen nach Pagenstechers Untersuchungen mit verklebten Augen und Ohren zur Welt, haben ein durchaus glattes, kurzes, braunes mit gelblichen und graulichen Spitzen gemischtes Haar, eine fahle, ziemlich scharf abgesetzte Stirnbinde, eine weiße Schwanzspitze und einen kleinen, weißen, undeutlichen Fleck auf der Brust, sehen äußerst plump aus, erscheinen höchst unbeholfen und entwickeln sich anfänglich sehr langsam. Frühestens am vierzehnten Tage öffnen sie die Augen; schon um diese Zeit aber sind bereits alle Zähnchen durchgebrochen. Die Mutter behandelt sie mit großer Zärtlichkeit, verläßt sie in den ersten Tages ihres Lebens gar nicht, später nur auf kurze Zeit in tiefer Dämmerung, und scheint ängstlich bestrebt zu sein, ihren Aufenthalt zu verheimlichen. Ein oder eineinhalb Monat nach ihrer Geburt wagen sich die netten, mit rötlichgrauer Wolle bedeckten Raubjunker in stiller Stunde heraus vor den Bau, um sich zu sonnen und untereinander oder mit der gefälligen Alten zu spielen. Diese trägt ihnen Nahrung in Überfluß zu, von allem Anfang an auch lebendiges Wildbret: Mäuse, Vögelchen, Frösche und Käfer, und lehrt die hoffnungsvollen Sprößlinge, gedachte Tiere zu fangen, zu quälen und zu verzehren. Sie ist jetzt vorsichtiger als je, sieht in dem unschuldigsten Dinge schon Gefahr für ihr Gewölfe und führt es bei dem geringsten Geräusch in den Bau zurück, schleppt es auch, sobald sie irgendeine Nachstellung merkt, im Maule nach einem andern Bau, ergreift selbst hartbedrängt noch ein Junges, um es in Sicherheit zu bringen. Selten nur gelingt es dem Beobachter, die spielende Familie zu bemerken. Wenn die Kleinen eine gewisse Größe erlangt haben, liegen sie bei gutem Wetter morgens und abends gern vor der Eingangsröhre und erwarten die Heimkunft der Alten: währt ihnen diese zu lange, so bellen sie und verraten sich hierdurch zuweilen selbst. Schon im Juli begleitet das Gewölfe die jagende Alte oder geht allein auf die Jagd, sucht bei Tage oder in der Dämmerung ein Häschen, Mäuschen, Vögelchen oder ein anderes Tierchen zu überraschen, und wäre es auch nur ein Käfer. Sie haben, sagt Tschudi, schon ganz die Art der Alten. Die längliche, spitze Schnauze folgt emsig am Boden der Fährte, die feinen Öhrchen stehen gerade aufgerichtet, die kleinen, graugrünen, schief blitzenden Äuglein visieren scharf das Revier, die reichwollige Standarte folgt leise dem leisen Auftritt der Sohlen. Bald steht der junge Jäger mit den Vorderfüßen auf einem Stein und spürt umher, bald duckt er sich in den Busch, um die Ankunft der Nestvögel zu erwarten, bald steht er heuchlerisch harmlos am Bergstall, um den nächtlicherweile das muntere Volk der Mäuse das Heugesäme durchsucht. Ende Juli verlassen die jungen Füchslein den Bau gänzlich, und beziehen mit ihrer Mutter die Getreidefelder, die ihnen reichen Fang versprechen und vollkommene Sicherheit gewähren. Nach der Ernte suchen sie dichte Gebüsche, Heiden und Röhricht auf, bilden sich inzwischen zu vollkommen gerechten Jägern und schlauen Strauchdieben aus, und trennen sich endlich im Spätherbst gänzlich von der Mutter, um auf eigne Faust ihr Heil zu versuchen.
Eckström, ein schwedischer Naturforscher, gibt einen Beleg für die Mutterliebe der Füchsin. In der Nähe eines Gutes hatte ein Fuchspaar seinen Bau und Junge darin. Der Verwalter stellte eine Jagd auf die alten Füchse an, erlangte sie aber nicht. Man bot Tagelöhner auf, um den Bau zu graben. Zwei Junge wurden getötet, das dritte nahm der Verwalter mit sich auf den Hof, legte ihm ein Hundehalsband an und band es dicht vor seinem Kammerfenster an einen Baum. Dies war am Abend des nämlichen Tages bewerkstelligt worden. Am Morgen, als die Leute im Gehöft erwachten, wurde ein Mann hinausgeschickt, um nachzusehen, wie es mit dem jungen Fuchse stände. Er stand sehr trübselig an derselben Stelle, hatte aber einen fetten Truthahn mit abgebissenem Kopfe vor sich. Nun wurde die Magd herbeigerufen, die die Aufsicht über das Hühnerhaus hatte, und mit Tränen im Auge mußte sie gestehen, daß sie vergessen hatte, die Truthühner einzutreiben. Infolge angestellter Untersuchung fand sich, daß die alte Füchsin während der Nacht vierzehn Truthühner geschlachtet hatte, deren zerstückte Körper hier und da im Wohn- und Viehhof herumlagen; eins Halle sie, wie schon gesagt, vor ihr angefesseltes Junge gelegt.
Der Fuchs bekümmert sich, solange die Füchsin am Leben ist, nicht im geringsten um seine Nachkommen, deren Vaterschaft er, entsprechend der Vielehigkeit, die unter seinem Geschlecht gilt, auch freilich kaum für sich allein beanspruchen kann. Während die Fähe sich redlich abmüht, ihre zahlreichen Sprößlinge standesgemäß zu ernähren, bei ihrer Jagd geradezu tolldreist verfährt, und angesichts des in gerechten Zorn geratenden Besitzers am hellen Tage die Ente aus dem Bache, vor den Augen des Hundes das Huhn aus dem Garten, vor dem Rohre des Jägers den Hasen, in Gegenwart der Ricke das Rehkälbchen überfällt, abwürgt und fortschleppt, in und vor dem Bau eine wahre Schlachtbank anlegend, bummelt er gemächlich durch Wald und Feld und erscheint, laut Adolf Müller, höchstens dann vor dem Bau, wenn ihm einige leckere Reste besagter Schlachtbank allzu verführerisch in die Nase duften, um solche Reste zu stehlen. Dagegen scheint übereinstimmenden Angaben verschiedener Beobachter zufolge, wirklich festzustehen, daß er ebensogut wie eine ledige Füchsin sich verwaister Jungen annimmt und, durch das klägliche Bellen der Tierchen gerührt, ihnen Nahrung zuschleppt. In der Freundlichkeit, mit der alte Füchse beiderlei Geschlechts junge, hilflose und, was wohl zu beachten, gesunde Füchschen behandeln, offenbart sich ein edler Zug des Wesens dieses nicht mit Unrecht als im höchsten Grade selbstsüchtig bezeichneten Raubtieres. Einem meiner Freunde entwischte ein eben eingefangenes ganz junges Füchschen und blieb fast acht Tage lang spurlos verschwunden. In der entferntesten Ecke des ziemlich großen Gartens lag ein zahmer männlicher Fuchs an der Kette: eines Abends wurde er im Spiele mit dem Jungen überrascht. Das junge, menschenscheue Füchschen flüchtete sofort in die Hütte; der Alte nahm vor dem Eingang Stellung und litt nicht, daß man seinem Pflegling zu nahe kam. Dies hübsche Verhältnis währte nach der Entdeckung noch fast vierzehn Tage lang, bis der junge Fuchs plötzlich verschwand und nicht wieder gesehen wurde.
Jung eingefangene Füchschen können leicht aufgezogen werden, weil sie mit der gewöhnlichen Kost junger Hunde fürliebnehmen, sich auch gern von einer gutmütigen Hündin, die sie am Gesäuge duldet, bemuttern lassen. Sie werden, wenn man sich viel mit ihnen abgibt, bald zahm und erfreuen durch ihre Munterkeit und Beweglichkeit. Von mehreren Füchsen, die ich aufgefüttert habe, erzählt Lenz, war der letzte ein Weibchen, der zahmste, weil ich ihn am kleinsten bekam. Er fing eben an, selbst zu fressen, war aber doch schon so boshaft und bissig, das er, wenn er eine Lieblingsspeise vor sich hatte, dabei immer knurrte und, wenn ihn auch niemand störte, doch rings um sich in Stroh und Holz biß. Durch freundliche Behandlung ward er bald so zahm, daß er sich's gern gefallen ließ, wenn ich ihm ein eben gemordetes Kaninchen aus dem blutigen Rachen nahm und statt dessen den Finger hineinlegte. Überhaupt spielte er, selbst als er erwachsen war, außerordentlich gern mit mir, war außer sich vor Freude, wenn ich ihn besuchte, wedelte wie ein Hund und sprang winselnd um mich herum. Ebenso freundlich war er gegen jeden Fremden; ja, er unterschied Fremde schon auf fünfzig Schritte weit, wenn sie um die Hausecke kamen, sogleich von mir und lud sie mit lautem Gewinsel ein, zu ihm zu kommen, eine Ehre, die er mir und meinem Bruder, die wir ihn für gewöhnlich fütterten, in der Regel nicht erwies, wahrscheinlich, weil er wußte, daß wir doch kämen. Kam ein Hund, so sprang er, jener mochte groß oder klein sein, ihm mit feuersprühenden Augen und grinsenden Zähnen entgegen. Er war am Tage ebenso munter wie bei Nacht. Sein liebstes war, wenn er an mit Fett geschmierten Schuhen nagen oder sich darauf wälzen konnte. Anfangs befand er sich frei in einem eigens für ihn gebauten Stall. Gab ich ihm da z. B. einen recht großen, beißigen Hamster, so kam er gleich mit funkelnden Augen leise geschlichen und legte sich lauernd nieder. Der Hamster faucht, fletscht die Zähne und fährt grimmig auf ihn los. Er weicht aus, springt mit den geschmeidigsten Wendungen rings um den Hamster herum oder hoch über ihn weg und zwickt ihn bald mit den Pfoten, bald mit den Zähnen. Der Hamster muß sich unaufhörlich nach ihm wenden und drehen und wirft sich endlich, wie er das satt kriegt, auf den Rücken und sucht mit Krallen und Zähnen zugleich zu fechten. Nun weiß aber der Fuchs, daß sich der Hamster aus dem Rücken nicht drehen kann; er geht daher im engen Kreise um ihn herum, zwingt ihn dadurch aufzustehen, packt ihn, während er sich wendet, beim Kragen und beißt ihn tot. Hat sich ein Hamster in einer Ecke festgesetzt, so ist es dem Fuchs unmöglich, ihm beizukommen; er weiß ihn aber doch zu kriegen, denn er neckt ihn so lange, bis er vor Bosheit einen Sprung tut, und packt ihn im Augenblick, wo er vom Sprunge niederfällt. Einstmals fand er Gelegenheit, bei Nacht und Nebel seinen Stall zu verlassen, ging in den Wald spazieren, gelangte am folgenden Tage nach Reinhardsbrunn, ließ sich aber dort ganz gemütlich von Leuten anlocken, aufnehmen und zu mir zurückbringen. Das zweitemal, als er ohne Erlaubnis spazierengegangen, traf er mich zufällig im Walde wieder und sprang voller Seligkeit an mir empor, so daß ich ihn aufnehmen konnte. Als ich ihm zum ersten Male ein Halsband umtat, machte er vor Ärger drei Ellen hohe Sprünge, und als ich ihn nun gar anlegte, wimmerte, wand und krümmte er sich ganz verzweiflungsvoll, als wenn er das schrecklichste Bauchweh hätte, und wollte tagelang weder essen noch trinken. Als ich einmal einen recht großen Kater in seinen Stall warf, war er wie rasend, fauchte, grunzte, sträubte alle Haare, machte ungeheure Sprünge und zeigte sich feig. Gegen mich aber bewies er sich desto tapferer; denn als ich einmal seine Geduld erschöpft hatte, gab er mir einen Biß in die Hand, ich ihm eine Ohrfeige, er mir wieder einen Biß und ich ihm wieder eine Ohrfeige; beim dritten Biß packte ich ihn am Halsband und hieb ihn jämmerlich mit einem Stöckchen durch; er wurde aber desto rasender, war ganz außer sich vor Wut und wollte immer auf mich losbeißen. Das ist das einzigemal gewesen, wo er mich oder sonst jemand absichtlich gebissen hat, obgleich jahrelang täglich mit ihm Leute spielten und manche ihn neckten.
Eine allerliebste Fuchsgeschichte erzählt Jäger, der frühere Vorsteher des leider eingegangenen Wiener Tiergartens. »Reineke Fuchs, der Held der mittelalterlichen Tierfabel und der gefürchtete Feind von allem was fleucht und kreucht, spielt im Tiergarten eigentlich eine klägliche Rolle. Da dieser Landstreicher einer anständigen Erziehung schwer zugänglich ist, und seine Enthaltsamkeit im Tiergarten wirklich auf eine harte Probe gestellt würde, wenn man es versuchen wollte, ihm freieren Spielraum zu gewähren, wird er gewöhnlich zu geisttötender Einzelhaft in einem beliebigen Käfig verurteilt, und die Folgen sind bei ihm dieselben wie bei einem menschlichen Verbrecher, den man in die Einzelstelle steckt. Nach einigen vergeblichen Versuchen, seine Freiheit zu erlangen, ergibt er sich mit Gleichmut in sein Schicksal. Seine Geisteskräfte verlieren ihre Schmiegsamkeit; er sitzt den ganzen Tag in stillem Brüten versunken, betrachtet teilnahmlos seine Begaffer und führt sein Gefangenleben mit einer musterhaften Ergebung wie ein vollendeter Weltweiser. Er, dieses schlaueste, erfindungsreichste, in seinem Erfindungsreichtum sogar witzige Geschöpf, bietet das vollendetste Bild eines zur Einzelzelle verurteilten politischen Verbrechers, der zu stolz ist, sein inneres Leid zur Schadenfreude seiner Peiniger zu enthüllen. Aus diesen Gründen ist es für mich immer ein unangenehmes Ereignis, wenn ein Gönner des Tiergartens einen dieser Freigeister mir mit der Bitte übergibt, ihn in getreue Obhut zu nehmen. Ich erscheine mir wie ein Kerkermeister und ziehe es in vielen Fällen vor, den armen Teufel zu Pulver und Blei zu begnadigen, als täglich aus seinem Blicke den Vorwurf zu lesen, daß ich ein zur Freiheit geborenes Wesen in geisttötender Gefangenschaft halte.
Eine Anwandlung von solchen höchst unstaatsmännischen Gefühlen brachte mich einstmals auf den Gedanken, Meister Reineke in den Bärenzwinger zu werfen. Ich konnte den mir wie Vorwurf klingenden teilnahmlosen Blick nicht länger ertragen. Aus seiner Lage mußte er unter allen Umständen befreit werden, sei es tot oder lebendig. War er wirklich der, als der er gilt, der Erfindungsreiche, nie in Verlegenheit zu setzende, in alle Verhältnisse sich fügende, nun so mußte er sich wohl in einer so ungeschlachteren Gesellschaft, wie der Bärenzwinger sie ihm bot, zurechtfinden; wenn nicht, so blieb es für ihn gleichgültig, ob ein Bär ihn verspeiste oder eine Pistolenkugel seinem Leben ein Ziel setzte. Kurz, eines schönen Tages sah sich Freund Reineke nach mehrmonatlicher Einzelhaft plötzlich auf ein, seinem Verständnis zu leben, würdiges Feld gebracht. Im ersten Augenblick mochte es ihm vielleicht ebenso sonderbar vorkommen, wie wenn ein großstädtischer Stutzer mitten unter die Gäste einer Bauernhochzeit versetzt wird. Aber offenbar mußte ihm sogleich das Sprichwort »Bange machen gilt nicht« eingefallen sein. Mit einer Gleichgültigkeit, wie der Stutzer seine Halsbinde zurechtlegt, schüttelte er seinen Pelz und betrachtete sich die vier ungeschlachten Lümmel in Ermangelung eines Sehglases mit seinen eigenen Augen. Wie die Weiber stets die größte Neugierde entwickeln und die häßlichen auf einem Ball einen neu ankommenden Tänzer am aufmerksamsten mustern, so war auch die hinkende Bärenjungfer unseres Zwingers zuerst bei der Hand, um den schmucken Gesellen zu begucken und zu beschnüffeln. Reineke bestand diese Musterung mit bewundernswerter Ruhe. Als jedoch die Bärin seinem Antlitz in etwas zu bedenklicher Weise nahe kam, fuhr er ihr mit den Zähnen über das Gesicht und belehrte sie auf nachdrückliche Weise, daß er nicht Liebe um jeden Preis suche. Sie wischte sich etwas verdutzt die Schnauze und blieb in achtungsvoller Entfernung stehen. Mittlerweile untersuchte das Füchslein, ohne sich von der Stelle zu bewegen, aufmerksam die Örtlichkeit, entdeckte an der vorspringenden Ecke des Turmes einen vortrefflich gelegenen Punkt und gewann diesen mit zierlichen Sprüngen. Nicht lange dauerte es, so machte ihm die ganze Gesellschaft des Bärenzwingers ihre Aufwartung. Es sah unendlich komisch aus, wie die vier zottigen Bestien mit keineswegs Gutes verheißenden Blicken im geschlossenen Halbkreise den in die Ecke gedrückten, schmächtigen Ankömmling beguckten und ihm immer näher aus den Leib rückten. Beim Fuchs war keine besondere innere Erregung sichtbar. Er schaute seinen Gegnern ruhig ins Gesicht, und als endlich einer derselben seine Schnauze etwas weiter vorwagte als die andern, hatte er auch schon eine blutige Nase gekriegt. Da zeigte sich nun recht, wie nur der Schaden die Mutter der Weisheit ist. Jeder der vier Bären brauchte eine blutige Nase, um zur Erkenntnis zu gelangen, daß Reineke Lebensart genug besitze, auch mit Bären umzugehen. Immerhin aber gereichte es ihrem Verstände zur Ehre, daß diese Überzeugung bei ihnen sehr schnell zum Durchbruch kam. Einer um den andern zog brummend ab, und der Fuchs genoß wieder seine freie Aussicht. Er machte sich nun unbesorgt auf den Weg, untersuchte seinen neuen Wohnort mit bewunderungswerter Gemütsruhe und erkor sich ein Plätzchen zwischen ein Paar größeren Steinen für seinen Tagesschlummer. Die Bären, durch das erste Zusammentreffen belehrt, ließen ihren Gast ungeschoren und gingen andern Unterhaltungen nach, während Reineke sein Fell ordnete. Nach wenigen Tagen war er in dem Bärenzwinger vollkommen zuhause. Er hielt es unter seiner Würde, mit den Bären in nähere Unterhaltung zu treten, während die letzteren es für besser erachteten, den sonderbaren Kauz seinen eignen Betrachtungen zu überlassen, anstatt sich wieder blutige Nasen zu holen. Wie wenig dieser sich um sie kümmerte, geht daraus hervor, daß er seine Lebensweise nicht im mindesten veränderte. Während die Bären Tags über sich viel mit den Beschauern zu schaffen machten, blieb er in stolzer Ruhe auf seinem Plätzchen sitzen; nachts dagegen, wenn seine Mitbewohner im tiefsten Schlummer lagen, machte er seinen Rundgang. Kurz, er schloß sich an niemand an und lebte wie ein Vornehmer unter Bauern. Wie er sich alle Verhältnisse nutzbringend zu machen wußte, so hatte er auch den Steigbaum zu seinem Ruheplätzchen erkoren, wußte, trotzdem er für den ebenen Boden geschaffen ist, mit einem gewandten Sprung die erste Gabel zu gewinnen und schlief dort mit einer Sorglosigkeit, als wenn er allein Herr des Zwingers wäre. Kam zufällig einmal ein Bär auf den Gedanken, den Baum zu besteigen, so wich er auf die höhere Gabel aus, und wenn der Bär die erste Gabel erreicht hatte, sprang er demselben mit mustergültigem Gleichmut auf den Rücken und von dort auf den ebenen Boden herab. Als die Kälte des Winters auch dem dicken Fuchspelz zu nahe auf den Leib rückte, legte er den glänzendsten Beweis von der Gabe ab, sich in die Verhältnisse zu schicken. Da die Bären zur Befriedung seiner geistigen Bedürfnisse gar nichts beitrugen, machte er sich ungesäumt daran, wenigstens leiblichen Nutzen von seinen zottigen Hausherrn zu ziehen. Er ging also des Nachts in den Bärenstall und legte sich mit derselben Gemütsruhe zwischen die schnarchenden Bären, kroch sogar zwischen ihre Pranken hinein, als wenn er es mit zwei Wollsäcken zu tun hätte. Offenbar waren die Gebrüder Petz durch diese Unverschämtheit so verblüfft, daß sie sich in das unvermeidliche Schicksal, Kopfpolster und Matratze für Freund Reineke abzugeben, ruhig fügten. Das Köstlichste dabei war, daß aus diesem rein nützlichen Verhältnis durchaus kein eigentliches Freundschaftsbündnis wurde. War der Zweck der gegenseitigen Warmhaltung erfüllt, so kümmerte sich der Fuchs nicht im geringsten mehr um seine lebendigen Wärmflaschen, zog sich ruhig aus seinen Standort zurück und verbrachte den Tag als vollendeter Einsiedler.
Man muß gestehen, die Probe, auf die Reineke gestellt wurde, war keine leichte gewesen: er hatte sie aber mit vollendeter Meisterschaft gelöst. Nicht nur, daß er sich so schnell in die Verhältnisse schickte, er hat auch verstanden, den möglichsten Nutzen aus ihnen zu ziehen und jedem Besucher des Tiergartens die Lehre gegeben, daß ein gebildeter Mensch selbst mit den gröbsten Schlingeln sich vertragen kann, wenn er dem Grundsatz huldigt: »Bange machen gilt nicht«
Reineke ist der Jägerei ungemein verhaßt, steckt deshalb jahraus, jahrein im Waldbanne und ist vogelfrei: für ihn gibt es keine Zeit der Hegung, keine Schonung. Man schießt, fängt, vergiftet ihn, gräbt ihn aus seinem sichern Bau und schlägt ihn mit dem gemeinen Knüppel nieder, hetzt ihn zu Tode, holt ihn mit Schraubenziehern aus der Erde heraus, kurz, sucht ihn zu vernichten, wo immer mir möglich und zu jeder Zeit. Wäre er nicht so gescheit und schlau: der Mensch hätte ihn längst vollkommen ausgerottet. Bei allen Jägern gilt es als Evangelium, an dem zu rütteln unverantwortliche Ketzerei ist, daß der Fuchs eines der schädlichsten Tiere des Erdenrunds sei und deshalb mit Haut und Haar, Kind und Kindeskind vertilgt werden müsse. Das sonst offene Weidmannsgemüt schreckt vor keinem Mittel zurück, nicht einmal vor dem gemeinsten und abscheulichsten, wenn es sich darum handelt, den Fuchs zu vernichten. Vom Standpunkt eines Jägers aus, in dessen Augen Wald und Fluren einzig und allein des Wildes wegen da zu sein scheinen, mag eine so unerbittliche, fast unmenschliche Verfolgung berechtigt erscheinen, von jedem andern Gesichtspunkt aus ist sie es nicht. Denn Wald und Flur werden nicht der Rehe, Hasen, Auer-, Birk- Hasel-, Rebhühner und Fasanen halber bestellt und gepflegt, sondern dienen ungleich wichtigeren Zwecken. Demgemäß ist es die Pflicht des Forst- und Landwirts, von beiden Gebieten nach Kräften alles fernzuhalten, was ihren Ertrag schmälern oder sie sonstwie schädigen kann. Nun wird niemand im Ernst behaupten wollen, daß irgendeine der genannten Wildarten unsern Fluren und Forsten Nutzen bringen könnte: alle ohne Ausnahme zählen im Gegenteil zu den schädlichen Tieren. Man kann den von ihnen verursachten Schaden übersehen und verzeihen, nicht aber in Abrede stellen. Aller Gewinn, den man aus dem Wildstand ziehen kann, wiegt den Wildschaden nicht auf: jedes Reh, jeder Hase verzehrt an sonstwie zu verwertenden Pflanzenstoffen mehr als sie einbringen. Schon daraus geht hervor, daß ein Raubtier, das den Wildstand vermindert, streng genommen nicht zu den schädlichen, sondern zu den nützlichen Tieren gezählt werden muß. Beeinträchtigung des Wildstandes ist aber die geringste Leistung Reinekes: unverhältnismäßig mehr macht er sich verdient durch Vertilgung von Mäusen. Sie, die überaus schädlichen Nager, bilden, wie bereits bemerkt, seine Hauptspeise: er fängt nicht bloß so viele, als er zu seiner Nahrung braucht, zwanzig bis dreißig Stück aus die Mahlzeit, sondern fährt, auch wenn er vollkommen gesättigt ist, zu seinem Vergnügen mit der Mäusejagd fort, beißt die erlangten Wald- und Feldfeinde tot und läßt sie liegen. Hierdurch macht er sich in so hohem Grade nützlich, daß seine Tätigkeit allgemeine Beachtung, nicht aber nur Mißachtung verdient. Ich bin weit entfernt ihn von den Sünden, die er sich zuschulden kommen läßt, freisprechen zu wollen; denn ich weiß sehr wohl, daß er kein schwächeres Geschöpf verschont, viele nützliche Vögel frißt und deren Nester Plündert, in Geflügelställen wie ein Marder würgt und andere Schandtaten begeht: dies alles aber wird durch den von ihm gestifteten Nutzen sicherlich aufgewogen. Im Jagdgehege wird er empfindlich schädlich, im Forst und auf Flur und Feld bringt er mehr Nutzen als Schaden. Daß ihn der Jäger haßt und verfolgt, finde ich begreiflich: daß der liederliche Bauer, der seinen Hof nicht in Ordnung hielt, den Hühnerstall des Nachts offenstehen ließ und von Rechts wegen dafür bestraft würde, alles Unheil auf sein Haupt herabwünscht, ebenfalls: daß aber ein Naturforscher in das rückhaltlose Verdammungsurteil des Jägers und Bauern einstimmen kann, wie Giebel es getan, ist mir unbegreiflich.
übrigens verlange ich nur Aufgeben der gegenwärtig noch üblichen unweidmännischen Vertilgungsarten, keineswegs aber Schonung des Fuchses. Gerade die Jagd dieses schlauesten unserer wildlebenden Tiere gewährt außerordentliches Vergnügen, belohnt sich verhältnismäßig auch so gut wie jede andere. Gewöhnlich erlegt man den Fuchs bei der Treibjagd, hat dabei jedoch alle Vorsichtsmaßregeln zu gebrauchen, weil Reineke, selbst wenn scharfe Hunde hinter ihm her sind, niemals blind ins Blaue tappt, sondern Weg und Steg mit Überlegung wählt, sorgfältig auf jedes Geräusch, jede Bewegung des Schützen achtet, bald hier, bald dort die Nase aus dem Dickicht steckt und sich seine Leute ansieht, bevor er blitzschnell über die Schneise springt. Wenn man sehr vorsichtig ist, schießt man ihn auch wohl auf dem Anstand, indem man ihn durch Nachahmung des Lautes eines jungen Hasen oder einer Maus herbeilockt, oder erlegt ihn bei hellem Mondschein vor der Schießhütte, einem in die Erde gegrabenen, von dichtem Gebüsch verdeckten und oben mit Erde und Moos bedachten Gemach, vor dem ein freier, womöglich von Gebüsch umgebener Platz sich befindet, auf dem der Fuchs geludert, d.h. durch Aas geködert wird. Bewunderungswürdig ist die Selbstbeherrschung des durch den Schuß verwundeten Fuchses. Selten vernimmt man einen Klagelaut von ihm, öfter sieht man ihn Taten verrichten, die Heldenmut erfordern. Winckell hatte mit der Kugel einem Fuchs den Vorderlauf dicht unterm Blatt entzweigeschossen. Beim Ausreißen schlug ihm dieser immer um den Kopf; darüber ärgerlich, fuhr er mit der Schnauze herum, biß den Lauf schnell ab und war nun eben so tüchtig, als fehle ihm nichts. Überhaupt besitzt der Fuchs eine überraschende Lebenszähigkeit.
Lebendig fängt man den Fuchs in Fallen aller Art, am häufigsten aber doch im Schwanenhalse und Tellereisen oder auch in dem sogenannten Kunstbau. Dieser wird in der Nähe des eigentlichen Fuchsbaues angelegt und besteht aus einer Röhre, die in einem Bogen hufeisenförmig umläuft und für beide Enden nur einen einzigen Eingang hat. Der hinterste Teil dieser Röhre wird etwas erweitert und höher angelegt als der Eingang, damit sich kein Wasser dort ansammle, die Röhre selbst mit Steinplatten allseitig ausgekleidet, über dem Kessel liegt dicht unter dem Boden eine größere Platte, die man mit leichter Mühe abheben kann. Wenn nun der Fuchs nachts auf seine Jagd ausgegangen ist, schleicht man leise zu dem von ihm befahrenen Bau und verstopft alle Röhren desselben. Der Heimkehrende versucht vergeblich, in das Innere seiner Wohnung einzudringen und flüchtet sich, weil ihm der Tag über den Hals kommt, in den nebenanstehenden Kunstbau, aus dem er dann mit geringer Mühe ausgehoben wird.
Unglaublich ist's, sagt Winckell, wie vorsichtig der Fuchs auf für ihn eingerichteten Fangplätzen zu Werke geht. Ich hatte einst die Freude, Augenzeuge zu sein, als im harten Winter nach einem fest angekirrten Fuchs das Eisen angelegt worden war. Es fing eben an zu dämmern, als Reineke, durch Hunger getrieben, herangetrabt kam. Emsig und ohne Arg nahm er die entferntesten Vorwurfsbrocken an, setzte, so oft er einen verzehrte, sich gemächlich nieder und wedelte mit der Standarte. Je näher er dem Orte kam, wo das Eisen lag, desto behutsamer wurde er, desto länger besann er sich, ehe er etwas nahm, desto öfter kreiste er den Platz. Gewiß zehn Minuten blieb er unbeweglich vor dem Abzugsbissen sitzen, sah ihn mit unbeschreiblicher Lüsternheit an, wagte es aber dennoch nicht zuzugreifen, bis er wieder drei- oder viermal das Ganze umkreist hatte. Endlich, als er ganz sicher zu sein glaubte, ging er wieder vor das Eisen, streckte den einen Vorderlauf nach dem Brocken aus, konnte ihn aber nicht erreichen. Wieder eine Pause, während der er wie vorher unverwandt den Abzugsbissen anstarrte. Endlich, wie in Verzweiflung, fuhr er rasch darauf los, und in dem Augenblick war er mit der Halskrause geziert.
Zu den vielen seit alter Zeit üblichen Vertilgungsmitteln ist neuerdings Gift gekommen. Mit ihm bestreut man in strengen Wintern ausgeworfenes Aas oder Fleischbrocken, die man aus die Wechsel wirft, und ist in den meisten Fällen des Erfolges sicher. Der arme Schelm nimmt, nicht ohne Bedenken, aber vom Hunger getrieben, den Brocken auf und ist wenige Augenblicke später eine Leiche. Weiter als dreißig bis achtzig Meter entfernt sich kein Fuchs von der Stelle, auf der das Gift lag: keiner bleibt aber auch am Platze; die meisten gehen acht bis zehn Meier weit und fallen.
»Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg«: dieses Jägersprichwort hat noch heutigen Tages seine volle Bedeutung. Fuchspelze werden zwar bei uns zu Lande nicht besonders gesucht, wohl aber in Polen, Rußland, der Türkei und in ganz Sibirien. Bei den Mongolen gelten, laut Radde, Rotfüchse mehr als andere, werden auch viel höher bezahlt als in Deutschland. In Raddes Gegenwart wurden mehrere Male Fuchsbälge gegen zwei bis drei Zobelfelle eingetauscht. Die besten Felle kommen, nach Lomer, aus Norwegen, Schweden und dem inneren Rußland: auf sie folgen, der Reihe nach sich verschlechternd, die aus Sibirien, Dänemark, der Schweiz, Bayern, Steiermark, Norddeutschland, den Rheinländern, Frankreich, Italien und Spanien.
Während wir einzig und allein den Balg des Fuchses verwerten, wähnten unsere Vorfahren das ganze Tier, alle einzelnen Teile in besonderer Weise zu Arzneizwecken ausnutzen zu können. Ein im Sinne der Quacksalber des siebzehnten Jahrhunderts verwendeter Fuchsleichnam konnte so ziemlich alle heutigen Tages gebräuchlichen Arzneistoffe ersetzen. Sollte ein Quacksalber der Gegenwart Genaueres erfahren wollen, so möge er des alten Geßners Werke aufschlagen: er findet dort die verschiedenen Heilmittel und deren Verwendung ausführlich beschrieben und selbst unter den »Gebildeten« unserer Zeit noch eine für das Gelingen eines etwa beabsichtigten Heilmittelschwindels vollkommen genügende Anzahl von Gläubigen.
Außer dem Menschen hat der Fuchs immer noch eine Anzahl von Feinden. Nicht allein der Wolf fängt und verspeist ihn, sondern auch die Hunde haben so großen Groll auf ihn, daß sie ihn wenigstens zerreißen. Merkwürdig ist es, daß trächtige oder säugende Füchsinnen häufig von den männlichen Hunden geschont und gar nicht verfolgt werden. Die übrigen Säugetiere können Reineke nichts anhaben: unter den Vögeln hat er aber mehrere sehr gefährliche Feinde. Der Habicht nimmt junge Füchse ohne Zögern weg, der Steinadler sogar erwachsene, obgleich ihm dies zuweilen schlecht bekommt. Tschudi berichtet einen solchen Fall. »Ein Fuchs lief über den Gletscher und wurde blitzschnell von einem Steinadler gepackt und hoch in die Lüfte geführt. Der Räuber fing bald an, sonderbar mit den Flügeln zu schlagen und verlor sich hinter einem Grat. Der Beobachter stieg zu diesem heran, da lief zu seinem Erstaunen der Fuchs pfeilschnell an ihm vorbei: auf der andern Seite fand er den sterbenden Adler mit aufgebissener Brust. Dem Fuchs war es gelungen, den Hals zu strecken, seinen Räuber bei der Kehle zu packen und diese durchzubeißen. Wohlgemut hinkte er nun davon, mochte aber wohl sein Leben lang die sausende Luftfahrt nicht vergessen.« In den übrigen Tierklassen hat der Fuchs keine Feinde, die ihm gefährlich werden könnten, wohl aber solche, die ihn belästigen, so namentlich viel Flöhe. Daß er diese durch ein sorgfältig genommenes Bad in ein im Maule getragenes Bündel Moos treibe und dann durch Wegwerfen dieses Bündels sich jene unangenehmen Gäste vom Halse schaffe, ist eine Fabel.
Es ist erwiesen, daß der Fuchs fast alle Krankheiten des Hundes teilt und auch von der fürchterlichen Tollwut befallen wird. Ja, man kennt sogar Beispiele, daß er, von dieser entsetzlichen Seuche getrieben, bei hellem Tage in das Innere der Dörfer kam und hier alles biß, was ihm in den Weg lief.
Als treues Spiegelbild Reinekes darf der Grau- oder Silberfuchs ( Canis cinereoargentus) angesehen werden, obgleich nicht er, sondern eine zweite Art Nordamerikas sein westlicher Vertreter zu sein scheint. Der Graufuchs unterscheidet sich von unserem Fuchs durch etwas höhere Läufe und verhältnismäßig kürzeren Schwanz, erreicht auch kaum die Größe des Verwandten. Seine Länge beträgt 1,05 bis 1,1 Meter, wovon ungefähr 40 Zentimeter auf den Schwanz gerechnet werden müssen, die Höhe am Widerrist etwa 30 Zentimeter. Ein eigentümlich gesprenkeltes Grau, das Stirn, Scheitel, Hinterbacken, Nacken und die ganze Oberseite deckt und aus Schwarz und Silbergrau zusammengesetzt wird, bildet die vorherrschende Färbung. Die einzelnen Haare sind an der Wurzel weiß, übrigens schwarz, vor der Spitze breit weiß geringelt. Wangen und Kehle haben gelblichweiße, Ohren und Halsseiten graugelbliche, Unter- und Innenseite hellrostgelbe oder gelblichweiße Färbung; ein Brustband ist dunkler; ein schwarzer Streif zeichnet die Vorderläufe: der Schwanz endlich ist oberseits schwarz, unterseits rostrot, an der Spitze grau.
Nach Audubon sind es mehr die südlichen als die nördlichen Staaten Nordamerikas, die den Graufuchs beherbergen; nördlich von Maine scheint er nicht mehr vorzukommen. In Neuengland und Kanada ist er selten, in Pennsylvanien und Neujersey ungefähr ebenso häufig wie der Rotfuchs, in den südlichen Staaten dagegen, die Gebirge von Virginien ausgenommen, die einzige dort vorkommende Art und zumal in Florida, Mississippi und Louisiana ungemein häufig. Nach Westen hin verbreitet er sich bis Kalifornien.
Es läßt sich schwer sagen, in welcher Hinsicht der Graufuchs von Reineke und seiner Sippschaft im engsten Sinne des Wortes sich unterscheidet. Die mir bekannten Schilderungen, unter denen die ausführliche Darstellung Audubons obenan steht, gleichen einer Lebensbeschreibung unseres Fuchses wie ein Ei dem andern. Ungeachtet seiner höheren Beine soll der Graufuchs nicht so schnell und ausdauernd laufen können wie der letztgenannte oder der amerikanische Rot- und zumal der Schnellfuchs; im übrigen aber dürfte er sich in seinem Auftreten von dem Verwandten kaum wesentlich unterscheiden. Schwer zu begehende oder großen Raubtieren undurchdringliche Dickichte und Felsgeklüft mit Höhlungen und Spalten bilden seine Wohnsitze, die Umgebung seiner Aufenthaltsorte vom Meeresstrande an bis zu dem Gehöft des Bauern ist sein Jagdgebiet. Ob er mit größerer Vorliebe als Reineke und der Rotfuchs dem Sumpfgeflügel nachstellt und seltener als diese in Hühnerställe einbricht, lasse ich dahingestellt sein. Audubon versichert, daß er zwar weit furchtsamer und scheuer wäre als der Rotfuchs und nicht allein durch das Anschlagen eines Hundes, sondern schon durch das Knacken eines Zweiges in eilige Flucht geschreckt würde, daß man auch von räuberischen Überfällen geschützter Geflügelgehege oder gar der Schafherden wenig oder nichts vernehme, bemerkt aber ausdrücklich, daß unser Tier im Süden ebenso gehaßt und verfolgt werde wie der Rotfuchs im Norden. Der letztere, meint unser Gewährsmann, läßt sich mit einem listigen und kühnen Räuber, der erstere mit einem stehlenden Diebe vergleichen; doch sind die Weibchen beider Arten, wenn sie Junge haben, von derselben Dreistigkeit beseelt. Wie Reineke, stellt auch der Graufuchs mit Vorliebe Mäusen und Ratten, insbesondere der Wiesenmaus und der Baumwollratte nach, ohne irgendetwas anderes Genießbares zu verschmähen. Audubon schildert in sehr anschaulicher Weise, wie das Tier, einem trefflichen Spürhunde vergleichbar, mit sorgfältigster Benutzung des Windes an eine Kette von Baumwachteln sich anschleicht und glücklich einen der Vögel davonträgt. An einem kalten, regnerischen Reisetage, so erzählt er, bemerkten wir einen Graufuchs, der in der Art und Weise eines Vorstehhundes ausging. Gegen den Wind, durch das hohe Gras schleichend, stand er plötzlich still und ließ sich auf seine Keulen nieder. Einen Augenblick später erhob er sich wieder und schlich mit langsamen und vorsichtigen Schritten vorwärts, seine Nase dann und wann hoch in die Lust erhebend und von einer Seite zur andern bewegend. Zuletzt schien er sich seiner Beute versichert zu haben und bewegte sich in gerader Richtung, jedoch noch immer sehr behutsam, zeitweilig auf der Erde kriechend, vorwärts, kam uns dabei auch dann und wann aus den Augen, bis wir ihn endlich wieder bemerkten, als er den letzten Halt machte. Von einem Bewegen der Lunte, wie man es bei der Hauskatze beobachtet, bemerkten wir nichts; die Ohren waren niedergebeugt, der Kopf wurde nur wenige Zoll über den Boden erhoben: so verblieb er ungefähr eine halbe Minute, und nun erst sprang er mit einem gewaltigen Satz auf seine Beute. Das Schwirren einer aufstehenden Kette von Baumwachteln und zwei oder drei scharfe, kreischende Laute wurden vernommen, und der vom Erfolge begünstigte Räuber zeigte sich kurz darauf mit einer Baumwachtel im Maule. Wir hatten ein Gewehr bei uns und wären wohl imstande gewesen, ihn zu erlegen, aber wozu? Er hatte uns gezeigt, daß er nicht allein zu dem Hunde gehört, sondern es auch einem trefflichen Vorstehhunde gleichtun kann, hatte sich außerdem in einer rechtlichen Weise ernährt: warum ihn also töten?« Etwas weniger mild gestimmt wird man, wenn man die von ihm geplünderten Nester des Truthahns und anderer nützlicher Vögel auffindet, und man begreift dann, daß er ebenso verfolgt wird, wie seine Verwandten. Ebenso verzehrt er Pflanzenstoffe verschiedenster Art. Audubon wurde von einem Landwirt im Staate Neuyork auf ein Maisfeld aufmerksam gemacht, in dem einige unbekannte Tiere dadurch, daß sie sich von einem reifenden Kolben genährt, nicht unbeträchtlichen Schaden verursacht hatten. Die Fährte des Tieres lehrte uns den Silberfuchs als Täter kennen, und die vorläufige Feststellung der Diebe wurde durch den Fang von drei derselben vollkommen bestätigt.
In Karolina wölft der Graufuchs in den letzten Tagen des März oder in den ersten des April, in den nördlichen Staaten etwas später. Die Jungen bleiben ungefähr drei Monate lang unter der Obhut ihrer Mutter und zerstreuen sich dann, sowie sie selbständig geworden und das einsame Leben der Alten zu führen imstande sind. Auch wenn sie bereits volle Größe erhalten haben, erkennt man sie noch leicht an ihrer verhältnismäßig geringen Vorsicht und namentlich bei der Jagd mit Hunden daran, daß sie nur im Notfalle in längerer Flucht ihr Heil, vielmehr im Besteigen passender Bäume ihre Rettung zu suchen Pflegen, während die gewitzigten Alten durch allerlei Künste und Kniffe sich ihren Todfeinden öfter mit Erfolg zu entziehen wissen. Hinsichtlich der Jagd und anderer Vertilgungsarten des Graufuchses gilt mit wenig Abänderungen dasselbe, was man von unserm Fuchs sagen kann.
Gefangene Graufüchse betragen sich im wesentlichen wie ihr europäischer Verwandter, sollen aber niemals ganz zahm werden und immer den unbesieglichen Hang nach Befreiung bewahren.
Von den übrigen Fuchsarten darf ich hier bloß noch diejenigen erwähnen, die sich durch besondere Eigentümlichkeiten in der Lebensweise oder durch auffallende Färbung wesentlich unterscheiden. Zu den kleineren Arten der Sippe gehört der Nachbar unseres Reineke in Asien, der Korsak, wie die Russen ihn nennen, die Kirsa oder »Kirassu« der Mongolen, »Korrsuk« und »Stepnaja Lisiza« oder Steppenfuchs der Kosaken ( Canis Corsac). In der Größe steht das Tier unserm Reineke merklich nach, da er höchstens 90 Zentimeter Gesamt- oder 55 bis 60 Zentimeter Schwanzlänge hat; in Gestalt und Wesen ähnelt er dem Verwandten sehr, ist jedoch verhältnismäßig etwas höhergestellt und kurzschwänziger, hat auch einen mehr rundlichen Augenstern. Die Färbung des dichten Pelzes ändert weniger ab als bei Wolf und Fuchs, unterscheidet sich jedoch nach der Jahreszeit. Das frischgewachsene Sommerhaar hat rötliche Färbung, das allmählich nachwachsende, dieses und das Wollhaar später überwuchernde sogenannte Winterhaar einen breiten silberweißen Ring vor der dunkleren Spitze, wodurch eine bald mehr rötliche, bald mehr fahlweiße Gesamtfärbung entsteht.
Das Verbreitungsgebiet des Korsak erstreckt sich von den Steppen um das Kaspische Meer an bis in die Mongolei; jedoch findet sich das Tier ausschließlich in Gegenden mit Steppen- oder Wüstengepräge, niemals in Waldungen und demgemäß ebensowenig in Gebirgen. In die nördlichen Teile seines Verbreitungsgebiets wandert er alljährlich in namhafter Anzahl ein und mit beginnendem Frühjahr wieder zurück. Einen festen Wohnsitz hat er überhaupt nicht, da er sich ebensowenig wie Wolf und Fuchs eigne Baue gräbt, vielmehr unstet umherschweift und schlechtweg unter freiem Himmel sich zur Ruhe legt oder höchstens zufällig gefundene Bobakbaue benutzt, vielleicht nachdem er sie ein wenig erweitert hat. In solchen Murmeltierhöhlen sollen häufig mehrere, mindestens zwei Korsaks zusammengefunden werden, was auf größere Geselligkeit, als Reineke sie liebt, hindeuten würde. Alpenhasen und verschiedene Wühlmäuse bilden wahrscheinlich seine Hauptnahrung; außerdem jagt er auf Vögel, Eidechsen und Frösche, wahrscheinlich auch auf größere Kerbtiere, zumal Heuschrecken. Seine Fortpflanzungsgeschichte scheint noch wenig erforscht zu sein; mir wenigstens sind eingehende Berichte über diesen Lebensabschnitt des Tieres nicht bekannt geworden.
Seines weichen, dichten, warmen und gut aussehenden Winterbalges wegen wird er eifrig gejagt, besonders von den Kirgisen, Karakalpaken, Truchmenen und andern diesseits des Urals wohnenden Nomadenstämmen. Man wendet alle nur denkbaren Mittel an, um sich seiner zu bemächtigen. Außer den Fallen und Schlingen, die man vor einen Ausgang seiner Höhlen stellt, jagt man ihn auch mit Hunden, die man vor die Röhren seines Baues bringt, während man ihn ausräuchert. Sucht er sein Heil in der Flucht, so ist er regelmäßig verloren. Neben den Hunden haben die Tataren noch andere und viel gefährlichere Jagdtiere auf ihn abgerichtet. Sie bedienen sich nämlich gezähmter Steinadler, wohl auch Jagdedelfalken, zu seinem Fange, und solchen geflügelten Räubern kann der arme Schelm natürlich nicht entgehen. Die gedachten Stämme allein bringen jährlich bis fünfzigtausend Felle in den Handel, ungerechnet diejenigen, die sie selbst verbrauchen.
Auch im Tierreich gibt es ausgeartete Mitglieder guter Familien; auch hier finden sich Verwandte, die sich leiblich außerordentlich nahestehen und geistig doch in jeder Hinsicht unterscheiden. Ein solcher, aus der Art geschlagener Gesell ist der Eisfuchs, ein nahestehender und gleichwohl in Sitten und Lebensweise auffallend sich unterscheidender Verwandter unseres Reineke, eines der einfältigsten und zugleich zudringlichsten, der dümmsten und doch auch schlauesten Glieder der Fuchsfamilie. Ich selbst bin auf meinen vieljährigen Reisen von keinem Tier mehr überrascht oder in Erstaunen versetzt worden, als gerade vom Eisfuchs. Kein anderes mir bekanntes Säugetier, kein Vogel, ja kein Wirbeltier überhaupt, scheint in gleich störrischer Weise an dem einmal Gewohnten festzuhalten und alle Erfahrungen so hartnäckig in den Wind zu schlagen wie dieser nordische Fuchs, der Vetter des unserigen, der sich bekanntlich mit überraschender Fähigkeit in jede Ortsgelegenheit zu schicken und alle Erfahrungen auf das beste zu benutzen weiß.
Der Eis-, Polar- oder Steinfuchs ( Canis lagopus), wegen seiner stumpfen und dicken Schnauze, der kurzen, rundlichen Ohren, der niederen Beine, der wie der übrige Leib dicht mit Fell bekleideten Fußballen, des sehr buschigen, vollen Schwanzes sowie endlich der absonderlichen Färbung von Gray um Vertreter der Untersippe Leucocyon erhoben, ist merklich kleiner als unser Fuchs, ungefähr 95 Zentimeter lang, wovon ein reichliches Dritteil auf den Schwanz kommt, und trägt im Sommer ein erd- oder felsenfarbiges, im Winter dagegen entweder ein schneefarbiges oder ebenfalls dunkles Kleid. Bald nach der Härung, die je nach der Heimat und Örtlichkeit früher oder später im Sommer, gewöhnlich aber im Juni eintritt, sprossen auf der Ober- und Außenseite erdbräunliche, mehr oder weniger ins Graue, Schieferfarbene und Bläuliche spielende, im Gesicht und auf der Unterseite dagegen weiße Haare hervor und bilden mit den allmählich nachwachsenden Wollhaaren von gleicher Färbung den Sommerpelz. Im Verlaufe der Zeit verlängert und verdichtet sich dieser, entsprechend dem fortschreitenden Wachstum der Haare, mehr und mehr, und ist mit Beginn des Herbstes schon sehr reich geworden. Nunmehr beginnt langsam die Umfärbung desselben Haares. Einzelne Spitzen verbleichen und werden weiß, sind jedoch noch nicht zahlreich genug, um den dunklen Untergrund zu decken, und es entsteht somit eine graulich gesprenkelte Färbung. Mehr und mehr schreitet die Verbleichung und Umfärbung fort; es bilden sich weiße Farbenfelder und endlich eine weiße Decke, unter der das dunkle Wollhaar noch hindurchschimmert. Nach und nach verbleicht auch dieses samt den Wurzeln der Grannenhaare, und mit Beginn des Winters hat der ganze Pelz eine reinweiße Färbung erhalten. Wachstum und Verbleichung der Haare werden, wie bei allen mir bekannten Wildhunden und Raubtieren überhaupt, durch frühzeitig eintretende rauhe Witterung sehr beschleunigt; eine doppelte Härung jedoch, d.h. ein zweimaliges Abwerfen und Neuwachsen des Haares, findet nach meinen, an gefangenen Eisfüchsen sehr sorgfältig durchgeführten Beobachtungen bestimmt nicht statt. Nun aber gibt es auch Eisfüchse, die im Winter nicht ein weißes, sondern ein bräunlich schieferfarbenes, bräunlich blaues oder braunes Kleid erhalten. Man hat geglaubt, sie als eigne Art ansehen zu dürfen; die grönländischen Eskimos versicherten jedoch Brown, daß man zuweilen weiße Mütter mit blauen Jungen finde und umgekehrt, und es sind somit die sogenannten Blaufüchse, die nach unsern an gefangenen angestellten Beobachtungen auch im Alter ihre Färbung nicht verändern, ebensogut wie buntgescheckte Eisfüchse nur als Spielarten des am häufigsten auftretenden Weißfuchses zu betrachten. Laut Newton soll es auf Island ausschließlich Blaufüchse geben, vielleicht infolge des verhältnismäßig milden Klimas der Insel; auf Spitzbergen dagegen kommen, so viel man bis jetzt erkundet, nur Weißfüchse vor. Bemerkt zu werden verdient, daß ein in St. Petersburg gefangen gehaltener und in einem warmen Zimmer eingesperrter Eisfuchs seinen weißen Winterpelz genau zu derselben Zeit wie in der Freiheit erhielt. Wie der Name sagt, bewohnt der Eisfuchs die Polargegenden oder die Länder, in denen es viel Eis gibt, und zwar die der Alten Welt ebensogut wie der Neuen, die Inseln nicht seltener als das Festland. Es ist anzunehmen, daß er sich mit den Eisbergen über die ganze nördliche Erde verbreitet hat; wenigstens sah man oft Eisfüchse auf solchen natürlichen Fähren im Meere schwimmen oder fand sie, als einziges Landsäugetier, auf Eilanden, die weit von andern entfernt sind, in überraschender Menge vor, konnte also nur annehmen, daß er hier einmal eingewandert sei. Aus freiem Antriebe geht er nicht leicht über den 60. Grad nördlicher Breite nach dem Süden hinab; ausnahmsweise kommt er nur in Sibirien in niederen Breiten vor. An allen Orten, die ihn beherbergen, ist er häufig, am häufigsten aber doch aus Inseln, von denen er nicht so leicht wieder auswandern kann. Daher kennen ihn alle hochnordischen Völker sehr wohl.
Nur bei bevorstehendem Unwetter oder an Orten, an denen er sich nicht recht sicher fühlt, zieht er sich in Höhlen im Geklüfte oder auch in selbstgegrabene Röhren zurück und wagt sich dann bloß des Nachts heraus, um auf Raub auszugehen; an allen Orten jedoch, wo er auch bei Tage nicht nötig hat, sich vor dem Menschen zu verbergen, nimmt er sich nicht die Mühe, selbst Gruben und Höhlen zu scharren, sondern lauert unter Steinen, Büschen, in abgeworfenen Argalihörnern und ähnlichen Verstecken auf Beute. Er ist kein Kostverächter und nimmt mit aller tierischen Nahrung fürlieb. Unter den Säugetieren fällt ihm zur Beute, was er bewältigen kann: am liebsten jagt er auf Mäuse. Die Züge der Lemminge verfolgt er meilenweit und setzt ihnen auch über die Flüsse und Meere nach, so daß, wie man versichert, oft der vierte Teil des Zuges solcher Wühlmäuse ihm zum Fraße wird. Aus der Klasse der Vögel raubt er Schneehühner, Regenpfeifer, Strand- und Seevögel, sobald er diese erwischen kann, und namentlich den Bruten wird er überaus verderblich. Außerdem beansprucht er alles, was das Meer von Tieren auswirft, diese mögen einer Klasse angehören, der sie wollen. Im Notfalle frißt er selbst tierischen Auswurf und dergleichen, oder er dringt in das Innere der Häuser ein und stiehlt hier weg, was sich forttragen läßt, selbst ganz unnütze Dinge. Wenn er viele Nahrung hat, vergräbt er einen Teil derselben und sucht ihn zu gelegener Zeit wieder auf. Dasselbe tut er auch, wenn er fürchtet, von dem Menschen gestört zu werden. Diese Vorratskammern scharrt er, nachdem sie gefüllt sind, wieder zu und ebnet sie mittels der Schnauze so glatt, daß man sie nicht im geringsten bemerken kann. Auf Spitzbergen lebt er, laut Newton, in großer Anzahl. »Wir sahen ihn«, sagt genannter Beobachter, »nicht allein wiederholt in der Nachbarschaft der Klippen, auf denen Alken brüten, sondern vernahmen auch fortwährend sein kläffendes Bellen. Er ist in der Tat der gefährlichste Feind aller Vögel der Eilande, und die Furcht vor ihm scheint von wesentlichem Einflusse auf die Anlage der Brutplätze zu sein. Was ihm zur Beute sich bietet, wenn die Seevögel Spitzbergen verlassen haben und nur das Schneehuhn zurückbleibt, dünkt mich eine der am schwierigsten zu beantwortenden Fragen zu sein. Die größere Anzahl von Eisfüchsen soll im Lande verbleiben und im Winter ebenso rege sein wie im Sommer; es gibt auf Spitzbergen aber keine Beeren, die ihm das Leben fristen könnten, und an offenes Wasser kann er auch nicht gelangen. So bleibt nur übrig anzunehmen, daß er sich Vorräte anlegt. Möglicherweise diente eine große Menge von Muscheln, die ich auf der Moräne eines Gletschers im Sicherheitshafen fand, zu solchem Zwecke.«
Man trifft den Eisfuchs häufig in Gesellschaften; gleichwohl herrscht keine große Eintracht unter diesen: es finden vielmehr blutige Kämpfe statt, die für den Zuschauer sehr viel Ergötzliches haben. Einer faßt dabei den andern, wirft ihn zur Erde, tritt mit den Füßen auf ihm herum und hält ihn so lange fest, bis er ihn hinreichend gebissen zu haben glaubt. Dabei schreien die Kämpen wie die Katzen, während sie, wenn sie ungeduldig werden, mit heller Stimme heulen.
Die geistigen Fähigkeiten des Tieres sind keineswegs gering; demungeachtet zeigen sich gerade bei der Beobachtung des Wesens die sonderbarsten Widersprüche, und man gerät oft in Zweifel, wie man diese oder jene Handlung zu beurteilen habe. List, Verschlagenheit, Kunstfertigkeit, kurz, Verstand zeigten alle, die beobachtet wurden; dabei aber bemerkte man eine Dummdreistigkeit wie bei kaum einem andern Tiere. Hiervon habe ich mich selbst überzeugen können. Wir, mein norwegischer Jäger und ich, begegneten nach Sonnenuntergang einem dieser Füchse auf dem Doverfjeld in Norwegen und schossen mit der Büchse siebenmal nach ihm, ohne ihn bei der herrschenden Dämmerung genau aus das Korn nehmen und somit auch erlegen zu können. Anstatt nun die Flucht zu ergreifen, folgte uns dieser Fuchs wohl zwanzig Minuten lang, wie ein gutgezogener Hund seinem Herrn, und erst da, wo das felsige Gebiet endete, hielt er es für geraten, umzukehren. Er ließ sich durch gutgezielte Steinwürfe ebensowenig vertreiben, als er sich von den hart vorüberpfeifenden Kugeln hatte in die Flucht schlagen lassen. Mein Jäger erzählte mir, daß er das Tier mehrmals mit den Händen gefangen hätte, weil es ohne Umstände auf ihn zugekommen und sich neugierig fragend vor ihm hingesetzt habe. Einmal fraßen ihm Eisfüchse sogar die Renntierdecke an, unter die er sich gelegt hatte. Seine einsam im Gebirge stehende Hütte wurde des Winters regelmäßig von ihnen geplündert, und er mußte förmliche Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, um diese zudringlichen Tiere loszuwerden.
Die ausführlichste und zugleich anziehendste Schilderung dieses Tieres hat schon im vorigen Jahrhundert der berühmte Seefahrer Steller gegeben; und wenn dieselbe auch vielfach im Auszuge nacherzählt worden ist, halte ich es doch für angemessen, sie hier vollständig folgen zu lassen.
»Von vierfüßigen Landtieren gibt es auf Behringseiland nur die Stein- oder Eisfüchse, die ohne Zweifel mit dem Treibeise dahingebracht worden und, durch den Seeauswurf genährt, sich unbeschreiblich vermehrt haben. Ich habe die Natur dieser an Frechheit, Verschlagenheit und Schalkhaftigkeit den gemeinen Fuchs weit übertreffenden Tiere nur mehr als zu genau während unseres Aufenthalts auf diesem Eilande kennenzulernen Gelegenheit gehabt. Sie drängten sich in unsere Wohnungen sowohl bei Tage als bei Nacht ein, und stahlen alles, was sie nur fortbringen konnten, auch Dinge, die ihnen gar nichts nutzten, als Messer, Stöcke, Säcke, Schuhe, Strümpfe, Mützen usw. Sie wußten so unbegreiflich künstlich eine Last von etlichen Pud von unsern Vorratsfässern herabzuwälzen und das Fleisch daraus zu stehlen, daß wir es anfangs kaum ihnen zuschreiben konnten. Wenn wir einem Tiere das Fell abzogen, so geschah es oft, daß wir zwei bis drei Stück Füchse dabei mit Messern erstachen, weil sie uns das Fleisch aus den Händen reißen wollten. Vergruben wir etwas noch so gut und beschwerten es mit Steinen, so fanden sie es nicht allein, sondern schoben, wie Menschen, mit den Schultern die Steine weg und halfen, unter denselben liegend, einer dem andern aus allen Kräften. Verwahrten wir etwas auf einer Säule in der Luft, so untergruben sie dieselbe, daß sie umfallen mußte, oder einer von ihnen kletterte wie ein Affe oder eine Katze hinauf und warf das darauf Verwahrte mit unglaublicher Geschicklichkeit und List herunter. Sie beobachteten all unser Tun und begleiteten uns, wir mochten vornehmen, was wir wollten. Warf die See ein Tier aus, so verzehrten sie es, ehe noch ein Mensch dazu kam, zu unserm größten Nachteil; und konnten sie nicht alles gleich auffressen, so schleppten sie es stückweise auf die Berge, vergruben es vor uns unter Steinen and liefen ab und zu, solange noch was zu schleppen war. Dabei standen andere auf Posten und beobachteten der Menschen Ankunft. Sahen sie von fern jemand kommen, so vereinigte sich der ganze Haufe und grub gemeinschaftlich in den Sand, bis sie einen Biber oder Seebären so schön unter der Erde hatten, daß man keine Spur davon erkennen konnte. Zur Nachtzeit, wenn wir auf dem Felde schliefen, zogen sie uns die Schlafmützen und Handschuhe von und unter den Köpfen und die Biberdecken und Häute unter dem Leibe weg. Wenn wir uns auf die frisch geschlagenen Biber legten, damit sie nicht von ihnen gestohlen würden, so fraßen sie unter dem Menschen ihnen das Fleisch und Eingeweide aus dem Leibe. Wir schliefen daher allezeit mit Knütteln in den Händen, damit wir sie, wenn sie uns weckten, damit abtreiben und schlagen konnten.
Wo wir uns aus dem Wege niedersetzten, da warteten sie auf uns, und trieben in unserer Gegenwart hunderterlei Possen, wurden immer frecher, und wenn wir still saßen, kamen sie so nahe, daß sie die Riemen von unsern neumodischen, selbstgefertigten Schuhen, ja die Schuhe selbst, auffraßen. Legten wir uns, als ob wir schliefen, so berochen sie uns bei der Nase, ob wir tot oder lebendig seien; hielt man den Atem an sich, so zupften sie wohl gar an der Nase und wollten schon anbeißen. Bei unserer ersten Ankunft fraßen sie unsern Toten, während Gruben für sie gemacht wurden, die Nase und Finger an Händen und Füßen ab, machten sich auch wohl gar über die Schwachen und Kranken her, daß man sie kaum abhalten konnte. Niemand konnte, ohne einen Stock in der Hand, seine Notdurft verrichten. Jeden Morgen sah man diese unverschämten Tiere unter den am Strande liegenden Seelöwen und Seebären herumlaufen und die schlafenden beriechen, ob nichts totes darunter sei: fanden sie solches, so ging es gleich an ein Zerfleischen, und man sah sie alle mit Schleppen bemüht.
Weil sie uns nun weder Tag noch Nacht ruhen ließen, so wurden wir in der Tat dergestalt auf sie erbittert, daß wir jung und alt totschlugen, ihnen alles Herzeleid antaten und, wo wir nur konnten, sie auf die grausamste Art marterten. Wenn wir des Morgens vom Schlafe erwachten, lagen immer zwei oder drei Erschlagene vor unsern Füßen, und ich kann wohl während meines Aufenthalts auf der Insel auf mich allein zweihundert ermordete Tiere rechnen. Den dritten Tag nach meiner Ankunft erschlug ich binnen drei Stunden über siebzig mit einem Beile, aus deren Fellen das Dach über unserer Hütte verfertigt ward. Aufs Fressen sind sie so begierig, daß man ihnen mit der einen Hand ein Stück Fleisch vorhalten und mit der andern die Axt oder den Stock führen konnte, um sie zu erschlagen. Wir legten einen Seehund hin, standen mit einem Stocke nur zwei Schritte davon und machten die Augen zu, als ob wir sie nicht sähen: bald kamen sie angestiegen, fingen an zu fressen und wurden erschlagen, ohne daß sich daran die andern hätten spiegeln und entlaufen sollen. Wir gruben ein Loch oder Grab und warfen Fleisch oder ihre toten Kameraden hinein; ehe man sich's versah, war die ganze Grube voll, da wir denn mit Knütteln alles erschlugen. Obgleich wir ihre schönen Felle, deren es hier wohl über ein Dritteil der bläulichen Art gibt, nicht achteten, auch nicht einmal abzogen, lagen wir doch beständig gegen sie als unsere geschworenen Feinde zu Felde.«
Die Ranzzeit des Eisfuchses fällt, seinen heimatlichen Verhältnissen entsprechend, etwas später als die des Rotfuchses, nämlich in die Monate April und Mai. Ihre Begattung verrichten die Eisfüchse, wie die Katzen, mit vielem Geschrei. Sie rollen Tag und Nacht und beißen sich wie die Hunde aus Eifersucht grausam. Mitte oder Ende Juni wölft das Weibchen in Höhlen und Felsenritzen neun bis zehn, ja selbst zwölf Junge. Den Bau pflegen die Füchsinnen am liebsten oben auf den Bergen oder am Rande derselben anzulegen. Sie lieben ihre Jungen außerordentlich, fast zu sehr; denn sie verraten dieselben, in der Absicht, sie vor Gefahren zu schützen. Sobald sie nämlich einen Menschen auch nur von fern erblicken, beginnen sie zu bellen wie die Hunde, wahrscheinlich, um die Leute von ihrem Bau abzuhalten. Bemerken sie, daß man ihren Bau entdeckt hat, so tragen sie die Jungen im Maule nach einem verborgenen Orte; tötet man aber die letzteren, so verfolgen einen die Mütter mit großer Begier Tag und Nacht durch viele Meilen und lassen, wie Steller sagt, nicht eher ab, bis sie ihrem Feinde einen Possen gespielt haben oder selbst erschlagen worden sind.
Man jagt die Eisfüchse teils um sie auszurotten, teils um ihren Balg zu verwerten, obgleich dieser nicht eben sehr geschätzt wird. Darin ist heute bekanntlich ebenso wie bei dem »Grau- oder Silberfuchs« eine gewaltige Änderung eingetreten. Je dunkelblauer die Felle sind, um so größeren Wert haben sie im Handel, und man unterscheidet ungefähr zwischen den dunklen und hellen fünf Abstufungen. Der Fang ist eigentümlich. Bei hohem Schnee graben sich die Füchse in diesen eine Röhre und wohnen in der Tiefe derselben. Das ist die Zeit, in der ihnen die Ostjaken und Samojeden am meisten nachstellen. Wo man sie erlangen kann, graben sie die Leute mit einem breiten Spaten aus Renntierhorn heraus, fassen sie ohne weiteres beim Schwänze und schleudern sie mit dem Kopfe gegen den Boden, um sie hierdurch zu töten. Der Jäger erfährt sehr bald, ob sich ein Fuchs in einer solchen Röhre befindet oder nicht. Er legt das Ohr an die Mündung, und wenn sich das Tier darin rührt, scharrt er mit dem Spaten den Schnee weg; hierdurch wird der schlafende Fuchs aufgeweckt und verrät durch Gähnen und Niesen seine Gegenwart. Vor Erdröhren stellt man wohl auch Netze und Schlingen. Außer dem Menschen haben die Eisfüchse in den Seeadlern gefährliche Feinde. Steller beobachtete, daß ein Seeadler einen Eisfuchs mit den Klauen erfaßte, ihn emporhob und dann fallen ließ, um ihn auf dem Boden zu zerschmettern.
Jung eingefangene Eisfüchse werden ziemlich zahm und können dahin gebracht werden, ihrem Herrn wie ein Hund nachzufolgen. Mit andern ihrer Art vertragen sie sich nicht gut in einem Käfige. Zwei Eisfüchse, die ich pflegte, fielen über den dritten her und bissen ihn tot, wobei der Bruder des Ermordeten eifrig mithalf.
Allerliebste Füchschen bewohnen Afrika und die angrenzenden Teile Asiens. Zwerge der gesamten Hundefamilie und der Fuchssippschaft insbesondere, ungemein zierlich gebaut und mit fahlgelbem Fell bekleidet, unterscheiden sie sich von den Verwandten namentlich durch die großen Ohren, die bei zwei von ihnen alles gewohnte Maß weit überschreiten, aber auch bei den übrigen Arten der Gruppe die Lauscher anderer Füchse merklich übertreffen. Man hat sie in einer besonderen Sippe vereinigt und Großohrfüchse oder Feneks genannt, obschon ihr Gebiß dem anderer Füchse gleichartig ist und demgemäß ihre Trennung von diesen angefochten werden kann. Eine wohlbegrenzte, leicht kenntliche Untersippe bilden sie jedenfalls.
Alle Großohrfüchse geben sich als treue Kinder ihrer Heimat kund. Wer auch nur oberflächlich mit den Erzeugnissen des Landes bekannt ist, das sie beherbergt, muß sie augenblicklich als Wüsten- oder Steppentiere erkennen und wird sogar imstande sein, ohne von ihrem Aufenthalte etwas zu wissen, sie sofort unter die übrigen Wüsten- oder Steppentiere einzureihen. Die große Allmutter gibt den Geschöpfen, die sie in ihrem Schöße hegt, das entsprechendste Gewand: alle Wüstentiere zeichnen sich vor den übrigen nicht bloß durch das Kleid, sondern noch mehr durch den leichten und schönen Leibesbau aus. Das Kleid hat unter allen Umständen mehr oder weniger die Färbung des Sandes; denn alle Abweichungen von dem Sandgelb, die vorkommen, sind unwesentlich. Der Leib ist verhältnismäßig klein, dabei aber äußerst zierlich und leicht gebaut, und gleichwohl zu den schnellsten Bewegungen und zu überraschender Ausdauer befähigt. Dazu besitzen sämtliche Wüstentiere eine Schärfe der Sinne, wie sie in solcher Einhelligkeit nur bei wenig anderen Geschöpfen gefunden wird; und allen endlich wohnt ein frischer, fröhlicher Geist inne, eine Liebe zur Freiheit, ein Hang zur Unabhängigkeit und ein Selbstbewußtsein ohnegleichen. Nicht bloß der gelbbraune Beduine ist frei, leiblich wie geistig, auch die höheren Tiere seiner Heimat sind es; auch sie leben und atmen bloß, wenn sie ihre Wüste um sich haben. In der Färbung kommen Abweichungen, Veränderungen vor: in dem geistigen Wesen gleichen oder ähneln sich alle Wüstentiere.
Die Wüste ist zu arm an Nahrung, als daß sie große Tiere ernähren könnte; es finden sich deshalb in ihr nur verhältnismäßig kleine, zierliche Geschöpfe, deren geringe Körpergröße wenig Nahrung bedarf. Und auch diese spärliche Nahrung kann nicht ohne Beschwerde errungen werden: deshalb verlieh die Wüste ihren Kindern die nötige Behendigkeit und Ausdauer, schärfte sie ihnen die Sinne, um auch das wenige wahrzunehmen, was sie ihnen bieten konnte. Große Lauscher setzen unsere Füchse oder alle Wüstentiere überhaupt in den Stand, auch das geringste Geräusch zu vernehmen, scharfe Seher gestatten ihnen einen weiten Überblick, die feine Nase bringt jeden Geruch zum Bewußtsein. Ihr dem Erdboden gleichgefärbter Balg verbirgt sie selbst auf ganz kahlen Stellen den Blicken in überraschender Weise. So erscheinen sie alle wohlbefähigt, in ihrer Heimat zu leben. Auch unsere kleinen Räuber sind ganz vortrefflich ausgerüstet, in diesem Gebiete als Jäger aufzutreten. Sie machen immer noch genug Beute, um sich ohne große Sorge ernähren zu können.
Der zierlichste und schmuckste unter diesen Wüstenräubern ist der Fenek oder Wüstenfuchs ( Canis Zerdo), ein Tier, das noch besser als die Gazelle selbst die Wüste kennzeichnet. Man denke sich ein Fuchsgesicht, zart und sein, pfiffig und schlau im Ausdruck wie das unseres Reineke; aus diesem Gesichte aber treten ein Paar ungewöhnlich große Augen hervor, und zu beiden Seiten dieses Gesichtes strecken sich gewaltige Lauscher, so großartige Ohren heraus, wie sie nicht nur in der ganzen Fuchssippe, ja kaum in der gesamten Hundefamilie wiederzufinden sind. Auf ungemein zarten, zierlichen Füßchen ruht der schlanke Leib, und eine dicke, lange und buschige Lunte endet ihn. Das ganze Tier zeigt augenblicklich an, daß es ebenso gewandt als behend sein muß, und gibt schon äußerlich die vorzügliche Schärfe seiner Sinne kund.
Mit der Dämmerung hört man zuweilen ein leises Kreischen, das nicht wohl beschrieben werden kann, und steht, wenn man glücklich ist, zwischen den Sandhügeln, zwischen dem Geklüfte oder in den Niederungen zwischen dem Grase unseren Fenek dahinschleichen, äußerst bedachtsam, äußerst vorsichtig, lauernd, äugend, witternd, lauschend nach allen Seiten hin. Da ist nichts, was der Aufmerksamkeit dieses durchgebildeten Raubgesellen entginge. Die Heuschrecke dort, die den letzten Abendsprung macht, hat so viel Geräusch hervorgebracht, daß es die großen Lauscher des Fenek wohl vernommen haben, und mehr neugierig als eßlustig schleicht die zierliche Gestalt herbei, um ihr den Garaus zu machen; oder die gewandte Eidechse hat sich geregt, und im Nu ist der Fenek bei der Hand, um zu sehen, was es gebe. Doch seine Hauptnahrung besteht in anderen Tieren, namentlich in Vögeln. Wehe der Wüstenlerche, die zufällig nahe des Weges sitzt, den der Fenek wandelt! Sie ist verloren, wenn sie nur einmal den Flügel regt, ein Kind des Todes, wenn sie einen einzigen Ton vernehmen läßt! Wehe auch dem Flughuhn, gerade ihm strebt der Fuchs am eifrigsten nach! Er braucht nicht viel zu fangen: ein einziges gibt einen leckeren Braten, hinreichend für ihn und vielleicht auch für seine hungrige Sippschaft. Da muß man sein Schleichen sehen, wenn in die feine Nase des feinen Stromers eine Witterung gekommen ist von einer Flughuhnkette! Vielleicht hat bloß eines oder das andere den Pfad gekreuzt, auf dem der Gaudieb dahinstrolcht, aber das genügt. Sorgfältig wird die Fährte aufgenommen, mit tiefgesenkter Nase geht es weiter, lautlos, unhörbar und unsichtbar. Der Fenek kennt die Flughühner wohl, und sein Auge ist schärfer als das der meisten Reisenden. Er läßt sich nicht täuschen von ähnlich gefärbten Steinen oder Erdhaufen; denn seine Nase und sein herrliches Gehör sprechen ein Wörtchen mit beim Aufspüren. So gering auch das Geräusch ist, das ein Flughuhn hervorbringt, wenn es in seinem Federwamse nestelt, so wenig sichtbar die Bewegung scheint, die ein sorgenvolles Männchen macht, auch im halben Schlafe noch, um zu sichern, und so unbedeutend, für uns unbegreiflich, der Geruch ist, den die Fährte eines Huhnes zurückließ: dem Fenek entgeht es nicht. Sieh da! er hat die volle Überzeugung gewonnen und schleicht jetzt heran, fast auf dem Bauche kriechend, unwahrnehmbar für Auge wie für Ohr. Dort, hinter dem letzten Busche macht er Halt. Wie glühen die Augen, wie sind die Lauscher gebreitet und vorgespannt, wie gierig spürt er nach den sich sicher träumenden, schlummermüden Vögeln hin. Die ganze Gestalt ist lebendig, und doch sieht man keine Bewegung; die ganze Seele des Fuchses liegt in seinem Gesichte, und doch erscheint dieses so starr und ruhig wie er selbst, der aus Wüstensand geformt zu sein scheint. Da, ein einziger Sprung, ein kurzes Flattern: das Flughuhn hat geendet. Schnell stürmen die anderen empor, schallend klatschen die Flügelschläge. Sie irren unsicher in der Nacht umher und fallen nach kurzer Zeit wieder ein im Riedgrase, vielleicht kaum wissend, was für ein nächtlicher Besucher sie aufgescheucht.
Der Fenek ist der kleinste aller Füchse. Samt seiner Standarte, deren Länge etwa 20 Zentimeter beträgt, mißt er höchstens 65 Zentimeter und wird am Widerrist kaum 20 Zentimeter hoch. Der ganze Leibesbau ist ungemein fein, der Kopf sehr zugespitzt, die großen Augen haben rundliche Augensterne, die von einer braunen Regenbogenhaut eingefaßt werden. Als das ausgezeichnetste am ganzen Tiere erscheinen aber unzweifelhaft die Lauscher. Sie haben fast Kopfeslänge und sind etwas mehr als halb so breit. Das Tier gewinnt durch sie ein wahrhaft abenteuerliches Ansehen, sie machen den Fenek gewissermaßen den Fledermäusen ähnlich. Ihre Innenränder sind weiß behaart und zwar derartig, daß von der Ohröffnung zwei Haarbüschel aufsteigen, die sich, sozusagen, in einem Barte nach der oberen Spitze hin fortsetzen, dort aber kürzer und dünner werden. Die kleine Schnauze zieren lange, borstenartige Schnurren, die ebenfalls wesentlich zu dem äußeren Gepräge des Tieres gehören. Der Balg ist seidenweich und verstärkt sich zur Winterzeit durch ein sehr dichtes Wollhaar, das sich während der Raue durch Anstreichen des Körpers an Ästen usw. flockenartig löst. Man sollte eigentlich nicht glauben, daß der Fenek in seiner warmen Heimat einen dichten Balg nötig hätte; allein der kleine Gesell scheint gegen die Kälte äußerst empfindlich zu sein und genügenden Schutzes zu bedürfen. Er bewohnt den ganzen Norden Afrikas, findet sich aber bloß in den echten Wüsten, und zwar in den Niederungen, die reich an Wasser sind und mehr das Gepräge der Steppen tragen, obwohl sie nicht den Reichtum dieser letzteren nachweisen können. An geeigneten Orten nicht gerade selten, wird der Fenek, weil er sehr vorsichtig und flüchtig ist, gar nicht häufig gefangen.
Wie der Fuchs legt auch der Fenek einen Bau unter der Erde an, am liebsten in der Nähe des schachtelhalmartigen Pfriemenkrautes, das den spärlichen Pflanzenwuchs der Wüstengegend Algeriens bezeichnet, wahrscheinlich, weil in der Nähe desselben der Boden immer etwas fester ist und den vielen Röhren, die zu dem Kessel führen, einige Haltbarkeit gewährt. Gewöhnlich sind diese Röhren nur flach, und auch der Kessel liegt nicht tief unter der Oberfläche der Erde. Er ist unten mit Palmenfasern, Federn und Haaren ausgefüttert und besonders ausgezeichnet durch seine große Reinlichkeit. Das Graben versteht der Fenek meisterhaft. Seine Vorderläufe arbeiten dabei so schnell, daß man den Bewegungen derselben mit den Augen nicht folgen kann. Dieser Gewandtheit verdankt er zuweilen die Rettung seines Lebens; denn bei Verfolgung scharrt er sich wie ein Gürtel- oder Schuppentier geradezu in die Erde ein. In Begleitung eines Haufens berittener Araber verfolgte ich einstmals einen Wüstenfuchs, der in geringer Entfernung vor uns hertrabte, und sah mit Verwunderung, daß er plötzlich vor unsern Augen verschwunden war. Aber ich kannte seine Kniffe, und sein Kunststückchen sollte ihm diesmal schlecht bekommen. Ich stieg vom Pferde, grub ihm nach und zog nun das überraschte Tier unter dem Jubel meiner Begleiter lebendig aus seinem Schlupfwinkel hervor.
Bei Tage schläft der Fenek in seinem Bau. Dabei rollt er sich zusammen und verbirgt seinen Kopf fast ganz unter der buschigen Standarte, nur die Lauscher bleiben frei. Das geringste Geräusch schreckt den schlafenden Wüstenfuchs augenblicklich auf. Wird er überrascht, so wimmert er wie ein kleines Kind und bezeugt dadurch gewissermaßen einen unangenehmen Eindruck der gestörten Ruhe. Mit sinkender Sonne verläßt er den Bau und wendet sich zunächst den Tränkplätzen zu. Dabei hat man bemerkt, daß er niemals geradenwegs über die Sanddüne geht, sondern immer die Tiefen derselben aufsucht und sich somit möglichst gedeckt fortschleicht. Die Brunnen der Niederungen bestehen zumeist aus einfachen trichterartigen Löchern, weil der sandige, von Tonerde durchsetzte Boden senkrecht eingeteufte Schachte unmöglich macht. Um diese Löcher herum ist die Erde meistens etwas feucht, und hier prägt sich die Fährte des Fenek gewöhnlich so klar aus, daß man den eigentümlichen Bau der eng zusammenstehenden Pranken mit den überragenden, namentlich an den Hinterläufen stark hervortretenden Krallen deutlich wahrnehmen kann.
In der Gefangenschaft ist der Fenek, vorzüglich, wenn er jung in die Gewalt des Menschen kam, ein äußerst lebendiger, höchst vergnüglicher Gesellschafter. Er wird sehr bald zahm und mit seinem neuen Herrn vertraut. Manche werden so anhänglich, daß sie dem Menschen folgen, aus- und eingehen und abends in ihren Käfig zurückkehren. Meine Gefangenen liebten die Wärme über alles, und oftmals ist es vorgekommen, daß sie sich in noch glühender Kaminasche Pelz und Pfoten verbrannten, ohne den Platz zu verlassen. Bei zweckmäßiger Behandlung und guter Pflege kann der Fenek lange in der Gefangenschaft aushalten. Vor Erkältung muß man diese echten Söhne der glühenden Sahara besonders in acht nehmen, weil sie infolge einer solchen von einer Augenkrankheit befallen werden, die fast immer mit dem Tode endet. Alles in allem: der Fenek ist der liebenswürdigste Fuchs der Erde.
Die noch zu schildernden Arten der Familie unterscheiden sich nicht allein durch äußere Merkmale, sondern auch durch den Zahnbau von den bisher erwähnten Füchsen und verdienen daher unsere besondere Beachtung. So kennzeichnen den Löffelhund ( Otocyon caffer) äußerlich der schlanke Bau, die hohen Läufe, der etwa der Hälfte der Leibeslänge gleichkommende Schwanz, der kurze spitzschnautzige Kopf und die sehr großen, von vorn gesehen eiförmigen Ohren, mehr aber noch der Zahnreichtum, da das Gebiß aus 48 Zähnen besteht und abweichend von allen Raubtieren vier Backenzähne in jedem Kiefer, oben also zwei Zähne, unten einen Zahn mehr als das Gebiß des Hundes aufweist. Es kommt diese Anzahl von Zähnen jedoch nicht gleichmäßig bei allen Stücken vor. Die Gesamtlänge eines anscheinend ausgewachsenen Löffelhundes beträgt 85 bis 90 Zentimeter, wovon genau ein Drittel auf den Schwanz gerechnet werden muß, die Höhe am Widerrist 35 Zentimeter. Ein düsteres, ins Grünliche spielendes Graufahlgelb ist der allgemeine Farbenton des Pelzes; die einzelnen Haare sehen an der Wurzel bräunlich, in der Mitte fahlgelb, an der Spitze hellgelb oder dunkelbraun aus, wodurch eine Sprenkelung entsteht, deren Gesamteindruck dem Felle jene Färbung verleiht.
Ich habe mich vergeblich bemüht, in den mir bekannten Naturgeschichten und Reisebeschreibungen Stoff zu einer einigermaßen genügenden Lebensschilderung des Löffelhundes zu finden. Um so dankbarer bin ich meinem verehrten Freunde Fritsch, das »Tierleben« durch nachstehende Schilderung des Tieres bereichert zu haben: Der Löffelhund wird von den Ansiedlern am Vorgebirge der guten Hoffnung wegen seines weinerlichen, abgesetzten Gebelles Gna-Schakal genannt; im Se-chuana heißt er »Motlosi«, richtiger »Mo-tlosi«. Sein Lieblingsaufenthalt sind die bebuschten Hochsteppen des Innern, nördlich vom Oranjeflusse; in die Ansiedlung und das obere Natal mag er wohl zuweilen herunterkommen, ist in den vorgedachten Gegenden jedoch viel häufiger als hier. Bei Tage lagert er wie andere seiner Verwandtschaft wohlverborgen in dichtem Gestrüpp oder in den vom Erdferkel ausgehöhlten Termitenhaufen, des Nachts schweift er umher, kommt auch unter wahrhaft erbärmlichen Klagetönen zuweilen in die Nähe der Lagerfeuer. Seine Nahrung besteht aus kleinen Tieren und Abfällen tierischer Natur, besonders aber in Wanderheuschrecken, deren Zügen er in Gemeinschaft des großen Trappen, der Krähen und kleinen Falken als treuer Begleiter folgt. Sein Fleisch, das ganz appetitlich aussieht, erinnert im Geschmacke an das widerlich Fade der Heuschrecken; auch behält man davon einen ranzigen Nachgeschmack im Munde.
Mehr noch als die Löffelhunde unterscheiden sich die Schleichkatzenhunde von ihrer Verwandtschaft, obgleich ihr Gebiß im wesentlichen mit dem Zahnbau anderer Hunde übereinstimmt. Es sind 42 Zähne vorhanden, die Höckerzähne aber verhältnismäßig stärker entwickelt. Außerdem weichen die Verhältniszahlen der Wirbel ab, finden sich namentlich mehr Brustwirbel als bei den übrigen Hunden, mit Ausnahme des Löffelhundes, dagegen aber weniger Schwanzwirbel, und lassen sich sonst noch Eigentümlichkeiten des Gerippes nachweisen; alle diese Abweichungen erscheinen jedoch nicht so erheblich wie die allgemeinen Merkmale der Sippe.
Der Marderhund ( Nyctereutes procyonoides) erinnert in seinem Gesamtgepräge mehr an Marder als an Hunde. Der gestreckte, hinten verdickte Leib ruht auf niederen schwächlichen Beinen, der Kopf ist kurz, schmal und spitz, der Schwanz sehr kurz, beinahe stummelhaft und buschig, das Ohr kurz, breit, abgerundet und fast ganz in dem sehr reichen Pelz versteckt, die Färbung marder-, nicht aber hundepelzartig, mit Ausnahme eines ziemlich breiten über die Schultern nach den Vorderläufen ziehenden, dunkelbraunen Bandes und der ebenso aussehenden Läufe auch sehr veränderlich, bald heller, bald dunkler. Im Sommer ist die Färbung merklich dunkler, weil die nach der Härung allmählich auswachsenden Grannenhaare an der Spitze noch nicht ausgebleicht sind. Die Länge des Tieres, einschließlich des 10 Zentimeter langen Schwanzes, beträgt 75 bis 80 Zentimeter, die Höhe am Widerrist nur 20 Zentimeter.
Gegenwärtig wissen wir, daß unser Hund nicht allein in Japan und China, von Kanton bis zum Amurflusse vorkommt, sondern wahrscheinlich im ganzen gemäßigten Ostasien auftritt und im Nordosten seines Verbreitungsgebietes auch wohl bis zum 51. Breitengrade hinaufgeht. Im Stromgebiete des oberen Amur und seiner Zuflüsse scheint er besonders häufig zu sein, Gegenden mit fischreichen Gewässern überhaupt andern vorzuziehen und sich daher so viel wie möglich an die Flußtäler zu halten. Nach den von Radde an freilebenden und gefangenen Marderhunden gesammelten Beobachtungen ist die Lebensweise ungefähr folgende: Wie Wolf, Schakal und Korsak nicht eigentlich an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden, durchschweift der Marderhund ein ziemlich weites Gebiet, im Sommer vielleicht ohne Wahl, im Winter in Fluß- und Bachtälern sich festsetzend. Am Tage schläft er, in sich zusammengeknäuelt, Kopf und Pfoten von seinen langen Haaren fast gänzlich bedeckt, hinter hohen Binsenhumpen, die den unteren Teil seiner Lieblingstäler in weiter Ausdehnung unwegsam machen, vielleicht auch in verlassenen Fuchs- und andern Tierbauten, des Nachts zieht er zur Jagd aus. Er läuft nicht rasch, hat in seinen Bewegungen etwas schleichkatzenartiges, beugt den Rücken oft zum gekrümmten Buckel und macht plötzlich Seitensprünge. Wie der Fuchs geht er nachts gern auf dem Eise, nimmt womöglich die alte Spur auf, macht kleinere Sätze als Reineke, stellt selten alle vier Füße in eine gerade Linie und springt öfter, als er trabt. Seine Stimme ist ein leises Miauen, im Zorne ein eigentümliches Knurren, auf das ein sehr langgezogenes klägliches Winseln zu folgen pflegt. Bei Tage scheu und furchtsam, hält er des Nachts selbst den ihm überlegenen Hunden mutig Stand; wenig vorsichtig und äußerst gefräßig, fällt er leicht Fallen und Gift zum Opfer. Seine Jagd gilt vor allem Mäusen und Fischen. Erstere verfolgt er im Sommer gemeinschaftlich mit andern seiner Art oder seinen Familiengliedern und begibt sich zu diesem Zwecke in die Ebenen und Verflachungen des Gebirges; die Gesellschaft zerstreut sich, von einem Punkte in Bogenlinien auslaufend, an einem zweiten sich wieder begegnend und in gleicher Weise die Jagd weiter betreibend. Den Fischen stellt er wie der Fuchs eifrig nach, lungert und lauert daher an allen Bächen und Flüssen, frißt die geschuppten Wasserbewohner überhaupt so gern, daß er, solange er genug von ihnen hat, Fleisch von höheren Wirbeltieren liegen läßt. Acht bis zehn spannenlange Fische verzehrt er auf einmal, ohne befriedigt zu werden, scheint im Gegenteil, wenn er seine Lieblingskost vor sich hat, geradezu unersättlich zu sein. Frisch gefangene oder ihm neu zugeworfene Fische beißt er rasch einige Male in den Kopf, um sich ihrer gewiß zu versichern. Außerdem sind ihm Pflanzenstoffe der verschiedensten Art, beispielsweise Beeren, Holzäpfel, nach Versicherung der Birar-Tungusen auch Eicheln, sehr willkommen: er ist mehr Allesfresser als irgendein anderer Hund. Den Winter verbringt er übrigens nur dann im Freien, wenn er nicht Gelegenheit fand, sich zu mästen; andernfalls legt er sich, nachdem er schließlich noch wie Bär und Dachs die abgefallenen Holzäpfel aufgelesen hat, im November in verlassenen Fuchsbauten oder tiefergehenden Erdlöchern zu einem nicht allzulangen Winterschlafe nieder, erinnert also auch in dieser Hinsicht mehr an gewisse Marder als an Hunde. Radde traf ihn während der Wintermonate im Gebirge nur äußerst selten an und erfuhr jene ihn mit Recht überraschende Tatsache von den, wie alle von der Jagd lebenden Völkerschaften, sehr genau beobachtenden Tungusen, die noch mitteilten, daß unser Hund nur in frostfreien Höhlen überwintert.
Als Übergangsglied von den Hunden zu den verwandten Hyänen betrachtet man eine der merkwürdigsten und zugleich am schönsten gezeichneten Arten der Hundefamilie: den Hyänenhund. Man hat auch ihn zum Vertreter einer eigenen Sippe erhoben, obgleich sein Gebiß von dem anderer Hunde nicht sicher unterschieden werden kann und auch der Schädel dem Hundeschädel im wesentlichen gleicht. Nach Pagenstechers Untersuchungen weicht das Gebiß von dem des Wolfes nur dadurch ab, daß der letzte obere Mahlzahn dort dreieckig und klein, hier viereckig und groß ist, die bei anderen Hunden kleinen Lückzähne bei dem Hyänenhund groß sind und die hinteren an ihrem Hinterrand zwei starke Sägezacker zeigen. Der Schädel vergleicht sich einem verhältnismäßig kleinen, etwas kurzen, stumpfen, breitgesichtigen Hundeschädel.
Der Hyänenhund ( Lycaon pictus) erreicht eine Länge von 1,35 bis 1,50 Meter, wovon 35 bis 40 Zentimeter auf den Schwanz kommen, 70 bis 75 Zentimeter Höhe am Widerrist und ein Gewicht von 30 bis 35 Kilogramm, hat also ungefähr die Größe eines schmächtigen Wolfes oder mittelgroßen Fleischerhundes, in seiner Gestalt aber größere Ähnlichkeit mit letzterem. Bei aller Schlankheit und Leichtigkeit des Baues macht er den Eindruck eines kräftigen und starken Tieres. Es gibt kaum zwei von diesen Hunden, die vollkommen gleich gezeichnet wären: nur am Kopf und am Nacken hat die Zeichnung eine gewisse Beständigkeit. Weiß, Schwarz und Ockergelb bilden die Hauptfarben. Bei dem einen ist die weiße, bei dem andern die schwarze Farbe vorherrschend und so gleichsam Grundfärbung, von der die lichteren oder dunkleren Flecken ziemlich grell abstechen.
Wie die neueren Forschungen lehren, verbreitet sich der Hyänenhund über einen großen Teil Afrikas. Er ist ein echtes Steppentier, bunt am Leibe und lebendig vom Geiste. Das Hündische spricht sich in seinem Wesen vorwiegend aus. Er ist Tag- und Nachttier und liebt zahlreiche Gesellschaften; deshalb findet man ihn stets in Meuten oder Rudeln von dreißig bis vierzig Stück vereinigt. In früheren Zeiten war er am Kap eine häufige Erscheinung, und vielfache Berichte erwähnen seiner.
Gordon Cumming, ein sehr eifriger Jäger und guter Beobachter, lernte die Steppenhunde im Norden der Kapansiedlung genau kennen. Als er einstmals in einem Versteck bei einer Quelle auf Wild lauerte, sah er ein von vier gemalten Hunden verfolgtes, von Blut triefendes Gnu heranspringen und sich in das Wasser stürzen. Hier machte es Halt, und bot den Hunden die Stirn. Alle vier waren an Kopf und Schultern mit Blut bedeckt, ihre Augen glänzten in gieriger Mordlust, und sie wollten eben ihre Beute packen, als Cumming mit dem einen Lauf seiner Doppelbüchse das Gnu, mit dem anderen einen Hund niederschoß. Die drei noch übriggebliebenen Steppenhunde begriffen nicht, woher das Unheil gekommen, und umkreuzten äugend und sichernd den Ort; da schoß Cumming einen zweiten an, und alle drei eilten davon. Diese Hunde, erzählt er, jagen im Innern der Ansiedlung in Meuten, deren Zahl bis auf sechzig steigt, mit einer ungeheuren Ausdauer, so daß sie selbst die größte und stärkste Antilope ermatten und überwältigen. An die Büffel wagen sie sich, soviel ich weiß, nicht. Sie verfolgen das Wild, bis es nicht weiter kann, reißen es dann augenblicklich zu Boden und verzehren es in wenigen Minuten. Vor dem Menschen fürchten sie sich weniger als irgendein reißendes Tier. Die Weibchen erziehen ihre Jungen in großen Höhlen, die sie in den öden Ebenen graben. Nähert sich der Mensch den Höhlen, so laufen die Hunde weg, ohne ihre Brut zu verteidigen. Die Verheerung, die sie unter den Herden der Boers anrichten, sind unglaublich; denn sie töten und verstümmeln viel mehr Schafe als sie verzehren können. Ihre Stimme ist dreifach verschieden: sehen sie plötzlich einen gefährlich scheinenden Gegenstand, so bellen sie laut; des Nachts, wenn sie in Menge beisammen und durch irgend etwas aufgeregt sind, geben sie Töne von sich, die klingen, als ob Menschen sprächen, denen dabei die Zähne vor Frost klappern; wenn sie sich sammeln, stoßen sie einen wohlklingenden Laut aus, der etwa so klingt, wie die zweite Silbe des Kukukrufes. Sie behandeln alle zahmen Hunde mit der äußersten Verachtung, warten ihren Angriff ab, kämpfen aber dann mit vereinten Kräften und zerreißen die Feinde gewöhnlich. Die Haushunde erwidern die Feindseligkeit mit Ingrimm und bellen stundenlang, wenn sie die Stimme der wilden auch nur von fern hören.
Einst hatte sich Cumming in der Nähe eines Wasserbehälters in mondheller Nacht versteckt, ein Wildebeest niedergestreckt, auch eine Hyäne angeschossen und war eingeschlafen, bevor er wieder geladen. Nach einiger Zeit ward er durch sonderbare Töne geweckt, träumte, daß Löwen ihn umlagerten, erwachte mit einem lauten Schrei und sah sich rings von einer Masse knurrender und zähnefletschender, wilder Hunde umgeben. Sie spitzten die Ohren, streckten die Hälse nach ihm aus, während ein Trupp von ungefähr vierzig in etwas größerer Entfernung hin- und hersprang, ein anderer unter Zank und Streit vom Wildebeest fraß. Cumming erwartete, ebenfalls zerrissen zu werden, sprang aber schnell auf, schwenkte seine Decke und redete die wilde Versammlung mit lauter Stimme an. Dies wirkte. Die Tiere zogen sich weiter zurück und bellten aus Leibeskräften. Er begann zu laden: aber der ganze Schwarm war verschwunden, ehe er Feuer geben konnte ... Noch in derselben Nacht kamen fünfzehn Hyänen, machten sich an das Wildebeest, und am anderen Morgen waren von diesem nur noch die größten Knochen übrig. Im Lande der Bakalaharis lief eine Meute wilder Hunde, ein Kudu verfolgend, an Cummings Wagen vorbei und rissen die Antilope ganz nahe bei den Zugochsen, die eben an der Quelle getränkt wurden, nieder. Ein geschickter und tüchtiger englischer Jäger versichert, daß die Vortrefflichkeit der Nase und die Jagdfähigkeit der Tiere wahrhaft bewunderungswürdig sei. Eine Meute dieser wilden Hunde übertrifft sogar die bestgeschulten Fuchshunde. Sehr häufig entkommt diesen der Verfolgte, bei den wilden Hunden ist dies nur äußerst selten oder niemals der Fall. Unser Jäger glaubt die Krone der Jagdfähigkeit den wilden Hunden erteilen zu können und spricht sich dahin aus, daß ihre Befähigung zur Jagd eine wirklich außerordentliche ist. Immer sind die Tiere äußerst vorsichtig, wenn sie sich einem wilden Ochsen, Zebra oder einem anderen kräftigen Tier nähern; um so dreister und kühner aber fallen sie über eine Herde von wehrlosen Wiederkäuern her. Sie scheinen besonderes Vergnügen daran zu finden, den Ochsen die Schwänze abzubeißen, und bringen den Tieren hiermit nicht bloß eine schmerzliche Verletzung bei, sondern verursachen ihnen auch eine große Unbequemlichkeit für spätere Zeiten. Und die Hyänenhunde sind nicht eben vorsichtig im Gebrauch ihrer Zähne, sondern beißen manchmal noch mehr ab als den Schwanz.
Die Betrachtung des lebenden Steppenhundes läßt sogleich jede Ähnlichkeit zwischen ihm und der Hyäne verschwinden. Schon das kluge, geweckte, muntere und listige, ja übermütige Gesicht des behenden Gesellen zeigt einen ganz anderen Ausdruck als das dumme, störrische und geistlose der Hyäne. Noch auffallender aber wird der Unterschied zwischen beiden, wenn man die leichten und zierlichen Bewegungen des Hundes mit denen der Hyäne vergleicht. Der Hund erscheint auch dem Uneingeweihten gleichsam als ein vollendetes Erzeugnis des freundlichen, hellen Tages, während die Hyäne als ein echtes Kind der Nacht sich kundgibt.
Später habe ich mehrere der trefflichen Tiere gesehen und einige auch gefangen gehalten. Ein ungestümer Mutwillen, ein, wie es scheinen will, unbezähmbarer Drang zum Beißen, vielleicht ohne Absicht dadurch wehe zu tun, sondern eher das Bestreben, die quecksilberne Lebendigkeit des regen Geistes zu betätigen: dies scheint mir das eigentliche Wesen dieses Tieres zu sein. Jede Fieber zuckt und bewegt sich, sobald der Hyänenhund irgendwie in Aufregung gerät. Seine unglaubliche Regsamkeit nimmt das Gepräge der übertriebenen Lustigkeit an und erscheint einen Augenblick später als Wildheit, Bissigkeit, Raublust. »Bellen hilft hier nichts«, läßt Grandville seinen Wolf sagen, »es muß gebissen werden«: hätte er den Steppenhund gekannt, er würde ihm dieses Wort in das Maul gelegt haben. Die meisten beißen wirklich ohne alle Ursache, zu ihrem Vergnügen, zu ihrer Belustigung, auch ohne jegliche Bosheit. Sie beißen den Pfleger, nachdem sie ihm einen Augenblick früher eine Erquickung aus der Hand nahmen; ihre Liebkosungen geschehen ebenso stürmisch wie ihre Angriffe auf Beute.
Jung aufgezogene Hyänenhunde gewöhnen sich bald an eine bestimmte Person, an ihren Wärter, an regelmäßige Besucher ihres Aufenthaltes, und legen beim Erscheinen eines Freundes ihre Freude in einer Weise an den Tag wie kein anderes mir bekanntes Raubtier. Angerufen, erheben sie sich von ihrem Lager, springen wie unsinnig in dem Käfig und an dessen Wänden umher, fangen unter sich aus reinem Vergnügen Streit oder auch wohl ein Kampfspiel an, verbeißen sich ineinander, rollen sich auf dem Boden hin und her, lassen plötzlich von einander, durchmessen laufend, hüpfend, springend den Käfig von neuem und stoßen dabei ununterbrochen Laute aus, für die man keine Bezeichnung findet, da man sie jedoch nicht, wie man gern tun möchte, ein Gezwitscher nennen darf. Es mag nicht unmöglich, muß aber gewiß sehr schwer sein, sie zu zähmen: gelänge es, so würde man an ihnen höchst nutzbare Jagdgehilfen gewinnen. Zu Haus- und Stubentieren eignen sie sich nicht; denn außer ihrer Bissigkeit haben sie noch einen Fehler: sie verbreiten, wie Heuglin sehr richtig sagt, einen unerträglichen Geruch, einen noch schlimmeren fast als die Hyänen.
Bemerken will ich schließlich noch, daß gefangene Hyänenhunde sich ohne sonderliche Umstände fortpflanzen und bis zehn Junge wölfen. Leider erliegen sie auch bei sorgfältigster Pflege früher oder später der Lungenschwindsucht, dem gewöhnlich unheilbaren Leiden, das unter den Beständen unserer Tiergärten ebenso viele Opfer fordert wie unter den Menschen.