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Dritte Ordnung.
Die Flattertiere ( Chiroptera).

Noch ehe bei uns an schönen Sommertagen die Sonne zur Rüste gegangen ist, beginnt eine der merkwürdigsten Ordnungen unserer Klasse ihr eigentümliches Leben. Aus allen Ritzen, Höhlen und Löchern hervor kriecht eine düstere, nächtige Schar, welche sich bei Tage scheu zurückgezogen hatte, als dürfte sie sich im Lichte der Sonne nicht zeigen, und rüstet sich zu ihrem nächtlichen Werke. Je mehr die Dämmerung hereinbricht, um so größer wird die Anzahl dieser dunklen Gesellen, bis mit eintretender Nacht alle munter geworden sind und nun ihr Wesen treiben. Halb Säugetier, halb Vogel, sind sie weder das eine noch das andere ganz: sie, die Fledermäuse, sind gleichsam ein Zerrbild der vollendeten Fluggestalt des Vogels, aber auch ein Zerrbild des Säugetiers. Unser Vaterland liegt an der Grenze ihres Verbreitungskreises und beherbergt bloß noch kleine, zarte, schwächliche Arten. Im Süden ist es anders.

Je mehr wir uns dem heißen Erdgürtel nähern, um so mehr nimmt die Anzahl der Flattertiere zu und mit der Anzahl auch der Wechsel und Gestaltenreichtum. Der Süden ist die eigentliche Heimat der Flattertiere. Schon in Italien, Griechenland und Spanien bemerken wir eine auffallende Anzahl von Fledermäusen. Wenn dort der Abend naht, kommen sie nicht zu Hunderten, sondern zu Tausenden aus ihren Schlupfwinkeln hervorgekrochen und erfüllen die Luft mit ihrem Gewimmel. Aus jedem Hause, aus jedem alten Gemäuer, aus jeder Felsenhöhle flattern sie heraus, als ob ein großes Heer seinen Auszug halten wollte, und schon während der Dämmerung ist der ganze Gesichtskreis buchstäblich erfüllt von ihnen. Wahrhaft überraschend erscheint die Menge der Flattertiere, die man in heißen Ländern bemerkt. Es ist äußerst anziehend und unterhaltend, einen Abend vor den Toren einer größeren Stadt des Morgenlandes zuzubringen. Die Schwärme der Fledermäuse, die der Abend dort erweckt, verdunkeln buchstäblich die Luft. Sehr bald verliert man alle Schätzung; denn allerorts sieht man Massen der dunklen Gestalten, die sich durch die Luft fortwälzen, überall lebt es und bewegt es sich, zwischen den Bäumen der Gärten, der Haine oder Wälder schwirrt es dahin, über die Felder flattert es in geringer oder bedeutender Höhe, durch die Straßen der Stadt, die Höfe und Zimmer geht der bewegliche Zug. Hunderte kommen und Hunderte verschwinden. Man ist beständig von einer schwebenden Schar umringt. Ganz ebenso ist es in Ostindien, nicht viel anders im Süden Amerikas.

Die Flattertiere oder Handflügler sind vorzugsweise durch ihre äußere Körpergestalt ausgezeichnet. Sie haben im allgemeinen einen gedrungenen Leibesbau, kurzen Hals und dicken, länglichen Kopf mit weiter Mundspalte. In der Gesamtbildung stimmen sie am meisten mit den Affen überein und haben wie diese zwei Brustzitzen. Allein in allem übrigen unterscheiden sie sich auffallend genug von den genannten Tieren. Ihre Hände sind zu Flugwerkzeugen umgewandelt und deshalb riesig vergrößert, während der Leib das geringste Maß der Größe hat. So kommt es, daß sie wohl groß erscheinen, in Wirklichkeit aber zu den kleinsten Säugetieren zählen. Die inneren Leibesteile zeigen eigentümliche Merkmale. Das Knochengerüst ist immer leicht gebaut, gleichwohl aber kräftig; die Knochen selbst enthalten niemals luftgefüllte Räume, wie bei den Vögeln. Der Schädel ist in einen zarten Hirn- und einen noch zarteren Gesichtsteil deutlich geschieden; alle einzelnen Knochen sind ohne sichtbare Nähte mit einander verwachsen; die beiden Äste des Zwischenkiefers entweder getrennt, oder im Gaumen angeheftet. Die Wirbel sind breit und kurz, die Rippen lang, breit und stark gekrümmt, die Hüftknochen schmal und gestreckt, die Schlüsselbeine und Schulterblätter dagegen dick und stark. Bezeichnend für die Flattertiere erscheint die Handbildung. Ober- und Unterarm und die Finger der Hände sind außerordentlich verlängert, namentlich die hinteren drei Finger, die den Oberarm an Länge übertreffen. Hierdurch werden die Finger zum Verbreitern der zwischen ihnen sich ausspannenden Flughaut ebenso geschickt wie zu anderen Dienstleistungen untauglich. Nur der Daumen, der an der Bildung des Flugfächers keinen Anteil nimmt, hat mit den Fingern anderer Säuger noch Ähnlichkeit: er ist, wie gewöhnlich, zweigliederig und kurz und trägt eine starke Kralle, die dem Tiere beim Klettern und Sichfesthängen die ganze Hand ersetzen muß. Die Oberschenkelknochen sind viel kürzer und schwächer als die Oberarmknochen, wie überhaupt alle Knochen des Beines auffallend hinter denen des Armes zurückstehen. Die Beine haben eine ziemlich regelmäßige Bildung: der Fuß teilt sich auch in fünf Zehen, und diese tragen Krallennägel. Allein sein Eigentümliches hat der Fuß doch; denn von der Ferse aus läuft ein nur bei den Fledermäusen vorkommender Knochen, das Sporenbein, das dazu dient, die Flughaut zwischen dem Schwänze und dem Beine zu spannen. So läßt der Bau des Gerippes die Flattertiere auch wiederum als Mittelglieder zwischen den Vögeln und den vorweltlichen Flugechsen erscheinen. Unter den Muskeln verdienen die ungewöhnlich starken Brustmuskeln Erwähnung, außerdem ein anderen Säugetieren gänzlich fehlender, der mit einem Ende am Schädel, mit dem anderen aber an der Hand angewachsen ist, und dazu dient, den Flügel spannen zu helfen. Das Gebiß ähnelt dem der Raubtiere, namentlich der kerffressenden, enthält alle Zahnarten in geschlossenen Reihen, ist aber bezüglich der Anzahl und der Form der Zähne großem Wechsel unterworfen.

Unter allen Merkmalen ist jedenfalls die Entwicklung der Haut das merkwürdigste, weil sie nicht nur die ganze Körpergestaltung, sondern namentlich auch den Gesichtsausdruck bedingt und somit die Ursache wird, daß viele Fledermausgesichter ein geradezu ungeheuerliches Aussehen haben. Die breit geöffnete Schnauze trägt allerdings auch mit dazu bei, daß der Gesichtsausdruck ein ganz eigentümlicher wird: die Hautwucherung an den Ohren und der Nase aber ist es, die dem Gesichte sein absonderliches Gepräge und – nach der Ansicht der meisten wenigstens – seine Häßlichkeit gibt.

»Keine einzige Tiergruppe«, sagt Blasius, »hat eine solche Entwicklung des Hautsystems aufzuweisen. Es zeigt sich dies in der Ausbildung der Ohren und der Nase, wie in der Flughäute. Die Ohren haben bei allen Arten eine auffallende Größe. Die Sinne der Flattertiere sind vortrefflich, aber je nach den Sippen und Arten ungleichförmig entwickelt. Einzelne Sinneswerkzeuge zeichnen sich, wie ich bereits andeutete, durch höchst sonderbare Anhängsel und eigentümliche Vergrößerungen aus. Wahrscheinlich steht der Geschmackssinn auf der tiefsten Stufe; doch ist auch er keineswegs stumpf zu nennen, wie die Beschaffenheit der Zunge, die Weichheit der Lippen und der Nervenreichtum beider schon im voraus schließen läßt. Das Auge muß man im Verhältnis zur Größe des Körpers klein nennen; doch ist der Stern einer bedeutenden Erweiterung fähig. Einige Sippen haben besonders kleine Augen und diese stehen, wie Koch hervorhebt, mitunter so in den dichten Gesichtshaaren versteckt, daß sie unmöglich dem Zwecke des Sehens entsprechen können. Diese kleinäugigen Tiere sind es auch, die man zuweilen schon bei Tage fliegend antrifft, während die eigentlichen nächtlichen Flattertiere größere und mehr freiliegende Augen haben. Der Gesichtssinn wird überhaupt durch Geruch, Gehör und Gefühl wesentlich unterstützt. Man hat mehrfach den Versuch gemacht, Fledermäuse zu blenden, indem man ihnen einfach ein Stückchen englisches Pflaster über die Augen klebte: sie flogen hierauf trotz ihrer Blindheit noch genau ebenso geschickt im Zimmer umher als sehend, und verstanden es meisterhaft, allen möglichen Hindernissen, z. B. vielen, in verschiedenen Richtungen durch das Zimmer gezogenen Fäden, auszuweichen. Der Sinn des Gefühls mag wohl größtenteils in der Flatterhaut liegen; wenigstens scheint dies aus allen Beobachtungen hervorzugehen. Weit ausgebildeter als dieser Sinn sind Geruch und Gehör. Die Nase ist bei allen echten Fledermäusen in hohem Grade vollkommen. Nicht bloß, daß sich die Nasenlöcher weit öffnen und durch eigentümliche Muskeln bald erweitern, bald verengern oder gänzlich geschlossen werden können, besitzen die Tiere auch große, blätterartig ausgedehnte Anhängsel, die jedenfalls nur dazu dienen, den Geruch zu steigern. Bei Verwundung der blattartigen Ansätze büßen sie von ihrer Flugfähigkeit ein, bei gründlicher Verletzung derselben verlieren sie ihr Flugvermögen ganz. Das in ähnlicher Weise wie die Nase vervollständigte Ohr besteht aus einer sehr großen Ohrmuschel, welche oft bis gegen den Mundwinkel ausgezogen, mit besonderen Lappen und Ausschnitten versehen ist und außerordentlich leicht bewegt werden kann. Zudem ist noch eine große, bewegliche, verschiedenartig geformte Klappe, der Ohrdeckel, vorhanden, die dazu dient, bei stärkeren Geräuschen oder Tönen, als die Fledermaus sie vertragen kann, das Ohr zu schließen und ihr somit eine Qual zu ersparen, während dasselbe Anhängsel, wenn es gilt, ein sehr leises Geräusch zu vernehmen, befähigt, auch einen schwachen Schall aufzufangen. Schneidet man die blattartigen Ansätze oder die Ohrlappen und Ohrdeckel ab, so werden alle Flattertiere in ihrem Fluge irre und stoßen überall an.

Alle Flattertiere zeichnen sich durch einen ziemlich hohen Grad von Gedächtnis aus. Daß sie nach dem Flattern stets dieselben Orte wieder aufsuchen und für den Winterschlaf sich immer äußerst zweckmäßige Orte wählen: dies allein schon beweist, daß sie nicht so dumm sind, als sie aussehen. »Von ihrem wunderbar entwickelten Ortssinne«, sagt Koch, »kann man sich bei einiger aufmerksamer Beobachtung überzeugen, indem eine Fledermaus, die von ihrem gewöhnlichen Verstecke ausfliegt, diesen ohne weiteres Umhersuchen gleich wiederfindet; dies geschieht sowohl bei ihren nächtlichen Ausflügen als auch dann, wenn sie durch zufällige oder absichtliche Störung bei Tage im hellsten Sonnenschein aufgescheucht wurde. Daß die Fledermäuse bei guter Behandlung sehr zahm und ihrem Herrn zugetan werden können, ist von vielen Gelehrten und Naturfreunden beobachtet worden. Einzelne Forscher brachten die Tiere bald dahin, ihnen Nahrung aus der Hand zu nehmen oder solche aus Gläsern sich herauszuholen, sobald sie einmal bemerkt hatten, um was es sich handelte. Mein Bruder hatte eine Ohrenfledermaus so weit gezähmt, daß sie ihm durch alle Zimmer folgte und, wenn er ihr eine Fliege hinhielt, augenblicklich auf seine Hand sich setzte, um jene zu fressen. »Mit der Gestalt der Flughäute«, sagt Blasius, »hängt die Flugfähigkeit und das Gepräge der Flugbewegung genau zusammen. Eine größere Verschiedenheit in dieser Beziehung ist kaum unter den Vögeln ausgebildet. Die Arten mit langen, schlanken Flügeln haben den raschen und gewandten Flug der Schwalben, die mit breiten, kurzen Flügeln erinnern im Fluge an die flatternde, unbeholfene Bewegung der Hühner. Die größte Gewandtheit und Schnelligkeit im Fluge hat unter den deutschen Arten entschieden die frühfliegende Fledermaus. Man sieht sie zuweilen schon vor Sonnenuntergang turmhoch und in raschen, kühnen Wendungen mit den Schwalben umherfliegen: und diese Art hat verhältnismäßig den schlanksten und längsten Flügel, über dreimal so lang als breit. Im allgemeinen ist der Flug aller Handflügler keineswegs ein dauernder, sondern nur ein zeitweiliger. Er wird durch immerwährende Bewegung der Arme hervorgebracht. Der Vogel kann schweben, die Fledermaus nur flattern. Ihr Flug ist ein immerwährendes Schlagen auf die Luft, niemals ein längeres Durchgleiten oder Durchschießen derselben ohne Flügelbewegung.

Um leichter ihre Flughaut breiten und aufflattern zu können, befestigen sich alle Handflügler während ihrer Ruhe mit den Krallen der Hinterbeine an irgend einen erhabenen Gegenstand und lassen ihren ganzen Körper nach abwärts hängen. Bevor sie ausflattern, ziehen sie den Kopf von der Brust ab, heben den Arm, breiten die Finger samt dem Mittelarmknochen auseinander, strecken den in der Ruhe angezogenen Schwanz nebst den Sporen am Fuße, lassen sich los und beginnen nun sogleich und ohne Unterbrechung schnell nacheinander mit ihren Armen die Luft zu schlagen. Mit der Schwanzhaut wird gesteuert; aber dieses Steuer ist natürlich bei weitem unvollkommener als das der Vögel. Eine solche Bewegung bedingt eine ganz eigentümliche Fluglinie, die Kolenati sehr bezeichnend eine geknitterte nennt.

Vom Boden können sich die Flattertiere nicht so leicht erheben; sie helfen sich aber dadurch, daß sie zuerst die Arme und die Flughaut ausbreiten und ihren Körper durch Unterschieben der Füße etwas aufrichten, ein oder mehrere Male in die Höhe springen und dann flatternd abfliegen. Ist ihnen dies geglückt, so geht der Flug ziemlich rasch vorwärts. Wie ermüdend derselbe ist, sieht man am besten daraus, daß die Fledermäuse oft schon nach sehr kurzem Fluge zum Ausruhen an Baumäste, Mauervorsprünge und dergleichen sich anhängen.

Übrigens dienen die Hände der Flattertiere nicht einzig und allein zum Flattern, sondern auch zum Laufen auf der Erde. Der Gang aller Arten bleibt aber ein erbärmliches Dahinhumpeln. Sie ziehen dabei die Hinterfüße unter den Leib, heben bei seiner Bewegung den Hinterkörper und stoßen dadurch den ganzen Leib vorwärts; denn die Handwurzel und namentlich die Daumenkralle dient dem Vorderende nur zur Stütze. Beim Klettern häkeln sie sich mit der scharfen Kralle des Daumens oder der Hand an und schieben mit den Hinterfüßen wechselseitig nach.

Wie verschiedenartig und mannigfaltig die Bewegungen der so ungelenk erscheinenden Fledermäuse sind, erfährt man am besten, wenn man eine von ihnen an der Nackenhaut packt und festhält. Sie dreht sich dann förmlich um sich selbst herum, weil sie zunächst die größte Anstrengung macht, um zu beißen, benutzt dabei alle einzelnen Glieder, die vorderen wie die hinteren, um sich fest zu häkeln und vorwärts zu helfen, und bringt es, Ungeschickten gegenüber, regelmäßig dahin, sich zu befreien. Beim Gehen treten die Flattertiere mit der Sohle der Füße und dem Daumenteile der Flügel auf.

Die Stimme aller bekannten Flattertiere ähnelt sich in hohem Grade, unterscheidet sich, soweit unsere gegenwärtigen Beobachtungen reichen, überhaupt nur dadurch, daß sie schwächer oder kräftiger, höher oder tiefer klingt. Die kleinen Arten bringen ein zitterndes Gekreisch hervor, das ungefähr wie »Krikrikri« klingt; die Flughunde lassen erzürnt oder sonstwie beunruhigt ähnliche Laute vernehmen. Die Stimme fällt immer unangenehm in das Ohr, gleichviel ob sie hoch oder tief ist.

Alle Flattertiere schlafen bei Tage und schwärmen bei Nacht. Die meisten kommen erst mit Eintritt der Abenddämmerung zum Vorscheine und ziehen sich schon lange vor Sonnenaufgang wieder in ihre Schlupfwinkel zurück; einzelne Arten jedoch erscheinen schon viel früher, manche bereits nachmittags zwischen drei und fünf Uhr, und schwärmen trotz des hellsten Sonnenscheins lustig umher.

»Was die Zeit des Fluganfangs am Abend betrifft«, sagt Altum, »so stellt sich bei einem Vergleiche desselben mit der des jedesmaligen Sonnenuntergangs ein merkwürdiges Ergebnis heraus. Die meisten Beobachtungen habe ich über die Zwergfledermaus in dieser Beziehung gemacht. Im Winter und ersten Frühling fallen Fluganfang und Sonnenuntergang ungefähr zusammen. Die Fledermaus beginnt dann vier bis sechs Minuten nach, auch wohl vier Minuten vor Sonnenuntergang zu fliegen. Von Ende März bis Ende Mai fällt ihr Fluganfang schon eine Viertel- bis eine halbe Stunde nach demselben; am längsten Tage tritt sie erst eine bis anderthalb Stunden nach dem Verschwinden der Sonne auf; Ende Juli bis zum Oktober kommt sie wiederum früher, und zwar drei Viertel- bis eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang und von da an im Spätherbst etwa fast eine Viertelstunde nach demselben zum Vorschein. Trotz einzelner nicht unerheblicher Abweichungen beim Vergleichen der angegebenen Stunden und Monatstage mit dem betreffenden Sonnenuntergang läßt sich doch eine gewisse Gesetzmäßigkeit darin nicht verkennen. Die Zwergfledermaus folgt nämlich dem Untergang der Sonne um so früher, je kälter, und um so später, je wärmer die herrschende Temperatur der betreffenden Jahreszeit bei uns zu sein pflegt. Wahrscheinlich ist der durch die Witterungsverhältnisse zumeist mit bedingte Reichtum der Kerbtierwelt der tiefere Grund dieser auffallenden Erscheinung. Die Fledermäuse treten bei Nahrungsfülle erst spät, bei Nahrungsarmut schon früh ihre Jagden an. Nur bei dieser Unterstellung wird es klar, warum eine Art bei gleicher Tageslänge und gleicher Stunde des Sonnenuntergangs im kerbtierarmen ersten Frühling etwa schon mit Sonnenuntergang, im kerbtierreichen Herbst hingegen eine halbe bis eine Viertelstunde nach demselben ihre Jagden beginnt. Zu der einen Zeit genügt zur Erbeutung der notwendigen Nahrungsmenge eine kürzere Jagdfrist, zu der andern wird eine längere erheischt. Die Fledermäuse verlängern oder verkürzen aber auch, von der Zeit des Scheidens der Sonne und der Länge der Dämmerung abgesehen, ihre Jagdzeit nach den in einer Gegend regelmäßig herrschenden Witterungsverhältnissen und der dadurch bedingten Menge der abendlich umherschwärmenden Kerbtiere. Je ärmer die Jahreszeit an Kerbtieren zu sein pflegt, desto länger jagen sie, je reicher, desto kürzere Frist treiben sie sich jagend umher.«

Jede Art hat ihre eigentümlichen Jagdgebiete in Wäldern, Baumgärten, Alleen und Straßen, über langsam fließenden oder stehenden Wasserflächen usw., seltener im freien Felde, aus dem sehr einfachen Grunde, weil es dort für sie nichts zu jagen gibt. In dem reicheren Süden finden sie sich auch dort, namentlich über Mais- und Reisfeldern, weil diese stets eine Menge von Kerbtieren beherbergen, ihnen also gute Beute liefern. Gewöhnlich streichen sie nur durch ein kleines Gebiet von vielleicht tausend Schritten im Durchmesser. Die größeren mögen vielleicht über eine halbe Stunde Wegs durchstreifen; von den großen südlichen Arten, den sogenannten Flatterhunden, dagegen weiß man, daß sie mehrere Meilen weit in einem Zuge fliegen, da sie von einer Insel aus auf benachbarte, Meilen weit entfernte sich verfügen oder von ihnen aus das Festland und umgekehrt von diesem aus Nahrung versprechende Inseln besuchen. Der Flugfuchs findet sich nicht allein in Ostindien, sondern auch längs der ganzen Küste Ostafrikas und auf den benachbarten Inseln, beispielsweise auf Madagaskar, wird also unzweifelhaft die zwischen dem einen und dem andern Erdteile liegenden Meeresteile und beziehentlich die Inseln von dem Festlande trennenden Meerengen überflogen haben.

»Bei ihren Jagden«, fährt Altum fort, »pflegen die Fledermäuse ihr Gebiet planmäßig abzutreiben, indem sie so lange an derselben Stelle in derselben Weise umherflatternd verweilen, etwa eine Allee oder Straße auf- und abfliegen, einen Winkel zwischen Gebäuden kreisend absuchen, auf einem Dachboden ein- und ausfliegen oder, wie an unsichtbaren Fäden hängend, über einer Stelle des Wasserspiegels genau in derselben Weise schwirren, bis sie sich überzeugt haben, daß sich dort keine Beute mehr findet, worauf sie dann plötzlich, ebenso verfahrend, eine andere Stelle auswählen, nicht selten aber nach kurzer Zeit zum ersten Platz zurückkehren. Die Größe dieser Jagdplätze steht im allgemeinen zur Größe der Jäger im geraden Verhältnisse. Bevor sie solche gehörig abgesucht haben, lassen sie sich nicht einmal durch einen Fehlschuß in ihrem Treiben stören.« Sobald sie müde werden, hängen sie sich, wie ich schon bemerkte, eine Zeitlang auf und schwärmen weiter, nachdem sie ausgeruht haben. Verschiedene Arten scheinen sich gewissermaßen abzulösen; denn die Frühfliegenden schwärmen bloß in der Dämmerung, andere nach und vor der Morgendämmerung, wieder andere bloß in den mittleren Nachtstunden umher.

Bei Tage halten sich alle Flattertiere versteckt in den verschiedenartigsten Schlupfwinkeln. Bei uns zu Lande sind hohle Bäume, leere Häuser und seltener auch Felsenspitzen oder Höhlen ihre Schlafplätze. In den Wendekreisländern hängen sich viele Arten frei an die Baumzweige auf, sobald diese ein dichtes Dach bilden. Bei uns zu Lande geschieht dies ebenfalls, obschon seltener: Koch beobachtete namentlich in den dichten Epheuranken alter Burgen mehrfach Fledermäuse, die sich hier ihren Schlupfplatz erwählt hatten. In den Urwaldungen Afrikas fand ich mehrere Fledermausarten in dem dünnen Gelaube der Mimosen aufgehängt; in den Waldungen Südamerikas traf Bates andere unter den breiten Blättern von Helikonien und andern Pflanzen, die auf den schattigen Plätzen wachsen. Die Flughunde wählen sich nicht einmal immer Bäume, deren Laubdach ihnen Schatten gewährt, hängen vielfach oft auch an entblätterten Ästen ohne alle Rücksicht auf die Sonnenstrahlen, gegen die sie ihre Augen dadurch zu sichern suchen, daß sie den ganzen Gesichtsteil in der Flughaut verbergen. Weitaus die Mehrzahl aller Flattertiere hingegen versteckt sich, einige Arten zwischen und unter der Rinde von Bäumen oder in Baumhöhlungen, andere unter Dächern zwischen dem Schindel- und Ziegelwerk, der Hauptteil endlich in natürlichen Felshöhlen, Mauerlöchern, Gewölben verfallener oder wenig besuchter Gebäude, tiefen Brunnen, Schachten, Bergwerksstollen und ähnlichen Orten.

Unter sich halten viele, vielleicht die meisten Flattertiere gute Gemeinschaft. Einzelne Arten bilden zahlreiche Gesellschaften, die gemeinschaftlich jagen und schlafen. Ganz ohne Streit und Kampf geht es dabei freilich nicht immer ab: eine gute Beute oder eine bequeme Schlafstelle ist genügende Ursache zur Zwietracht. Ungeachtet aller Geselligkeit der Fledermäuse einer und derselben Art leben die Flattertiere doch keineswegs mit allen Mitgliedern ihrer Ordnung in Frieden. Verschiedene Arten hassen sich auch Wohl, und eine frißt die andere auf. Die blutsaugenden Blattnasen z. B. greifen, wie Kolenati beobachtete, die Ohrenfledermäuse an, um ihnen Blut auszusaugen, und diese fressen ihre Feinde dafür auf.

Die Nahrung der Flattertiere besteht in Früchten, in Kerbtieren, unter Umständen auch in Wirbeltieren und in dem Blute, das sie größeren Tieren aussaugen. Letzteres gilt namentlich für die in Amerika wohnenden Flattertiere, während die Blutsauger der alten Welt nicht so kühn sind, sich vielmehr fast nur an kleinere, wehrlose und immer bloß an freilebende Tiere wagen, an die sie von Anfang an gewöhnt sind, und bei deren Wohnstätte sie durch die Anwesenheit des Menschen nicht gestört werden. Während die Blutsauger es mit einer in den meisten Fällen unschädlichen Abzapfung von Blut bewenden lassen, fallen andere Flattertiere, wahrscheinlich mehr, als wir zurzeit noch wissen, über andere Wirbeltiere her. Ein Arzt der brasilianischen Ansiedelung Blumenau erzählte Hensel einen hierauf bezüglichen Fall. Derselbe beobachtete nämlich eines Abends, wie durch das offenstehende Fenster seines Zimmers eine große Fledermaus hereinflog und eine Schwalbe, die im Zimmer ihr Nest anlegen wollte und daher hier übernachtete, fing und tötete. Anderen, namentlich ostindischen Arten, sagt man nach, daß sie Frösche fangen und benagen sollen; kurz, Raubtiergelüste in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes sind den Flattertieren durchaus nicht abzusprechen. Die in Europa wohnenden Arten der Ordnung, bekanntlich nur echte Fledermäuse, verzehren hauptsächlich Kerbtiere, namentlich Nachtschmetterlinge, Käfer, Fliegen und Mücken, und wenn man am Morgen nach warmen Sommernächten in Baumgängen hingeht, findet man gewiß sehr häufig die Überbleibsel ihrer Mahlzeiten, namentlich abgefressene Flügel und dergleichen. Ihr Hunger ist außerordentlich; die größeren fressen bequem ein Dutzend Maikäfer, die kleinsten ein Schock Fliegen, ohne gesättigt zu sein. Größere Kerfe stemmen sie, nachdem sie dieselben gefangen haben, an die Brust und fressen sie so langsam hinter; kleinere werden ohne weiteres verschlungen. Je lebhafter ihre Bewegung ist, um so mehr Nahrung bedürfen sie, und aus diesem Grunde sind sie für uns außerordentlich nützliche Tiere, die die größtmögliche Schonung verdienen. Nicht so ist es mit den blutsaugenden Fledermäusen, die zuweilen recht schädlich werden können, oder auch mit den Fruchtfressern, die nicht selten ganze Fruchtpflanzungen, zumal Weinberge zerstören, und nach den neueren Beobachtungen keineswegs einzig und allein der ersten Familie, den Flughunden nämlich, angehören.

Alle Fledermäuse gehen fleißig nach dem Wasser und trinken sehr viel, überhaupt trifft man sie am häufigsten in der Nähe von Gewässern, freilich nicht allein, weil sie dort ihren Durst am leichtesten stillen können, sondern auch weil sich hier die meiste Beute für sie findet.

Die Verdauung aller Flattertiere ist sehr lebhaft. An ihren Schlupfwinkeln sammeln sich deshalb auch bald große Kothaufen an, und diese haben einen so durchdringenden Geruch, daß ganze Gebäude von den Tieren förmlich verpestet werden können. Sehr eigentümlich ist die Art und Weise, wie sie sich ihres Unrates entleeren. Man kann dies von vornherein annehmen, wenn man eine aufgehängte Fledermaus ansieht; doch muß man sie bei jenem Geschäfte beobachtet haben, wenn man sich eine rechte Vorstellung machen will. Jede Fledermaus, die ihren Kot von sich geben will, muß sich nämlich in eine wagerechte Lage bringen, um misten zu können. Sie läßt dabei einen ihrer Hinterfüße los und stößt mit ihm gegen die Decke, um in eine schaukelnde Bewegung zu gelangen. Nachdem sie gehörig in Schwung gekommen ist, greift sie mit der Daumenkralle des ausgestreckten Armes an die Decke oder an eine andere, ihr nahe hängende Fledermaus und klammert sich hier an. Nunmehr ist sie in der geeigneten Lage, um ihr Bedürfnis verrichten zu können. Das Harnen besorgt das Flattertier entweder in wagerechter Lage oder aber, indem es sich, wie dies beispielsweise die Flughunde regelmäßig tun, mit den Daumenkrallen allein aufhängt und den unteren Teil des Leibes freihängen läßt. »Die meisten Fledermäuse«, sagt Koch, »harnen auch im Fluge, wie man dies auf eine sehr empfindsame Weise wahrnehmen kann, wenn man einen unmittelbar über sich hängenden Klumpen aufscheucht. Das Misten kommt dabei ebenfalls vor, aber seltener. Viele von ihnen haben die Gewohnheit, wenn sie am Rücken oder Halse gefaßt werden, ihren Angreifer mit Harn zu bespritzen.«

Eine beachtenswerte Beobachtung hat Heuglin gemacht: die Fledermäuse Afrikas ziehen ihrer Nahrung wegen den Herden nach. »In den Bogosländern«, bemerkt dieser Forscher, »wird sehr starke Viehzucht getrieben, und die Herden kommen, wenn in ferneren Gegenden bessere Weide und mehr Trinkwasser sich finden, oft monatelang nicht zu den Wohnungen der Besitzer zurück. Bei unserer Ankunft in Keeren waren alle Rinderherden samt den Myriaden von Fliegen, die sie überall hin begleiteten, in den Tiefländern des Barka, und Fledermäuse hier außerordentlich selten. Gegen Ende der Regenzeit sammelten sich auf etwa einen Monat fast alle den hiesigen Bogos gehörigen Herden in der nächsten Umgebung, und gleichzeitig erschienen die kerbtierfressenden Dämmerungs- und Nachtfledermäuse in ganz unglaublicher Anzahl; mit Abzug der letzten Herde verschwanden auch sie spurlos wieder. In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober lagerten wir auf einer drei Stunden südlich von Keeren gelegenen Hochebene in der Nähe von Umzäunungen, die zur Aufnahme von Rindvieh bestimmt waren. Da sich die Herden in andern Teilen des Gebirges befanden, beobachteten wir nur ein oder zwei Fledermäuse auf der für diese Familie äußerst günstigen Örtlichkeit. Tags darauf kehrten die Herden an die besagte Stelle zurück, und schon an demselben Abend hatte die Anzahl der Fledermäuse ganz auffallend zugenommen. Es entsteht nun die Frage, ob sie wirklich ihre Standorte ändern oder von denselben aus allabendlich oft weite Jagdflüge machen, um die Fliegen aufzusuchen, die die Herden begleiten. Ich glaube an eine Veränderung der Standorte, weil an den betreffenden Stellen die Tiere abends so zeitig erschienen, daß sie unmöglich auf dem Platz sein könnten, ohne stundenlange Reisen bei Tage gemacht zu haben, und ich habe hier niemals Fledermäuse vor der Abenddämmerung fliegend entdecken können.«

Ich meinesteils habe während meiner früheren Reisen in Afrika nicht eben sehr auf die Fledermäuse geachtet, Wohl aber auf meinem letzten Jagdausflug nach ebendenselben Gegenden, von denen Heuglin spricht, und kann ihm nur Recht geben. Deshalb erscheint es mir nun auch durchaus nicht mehr unwahrscheinlich, daß weit mehr unserer Flattertiere, als wir annehmen, wandern, obschon in beschränkterer Weise als die Vögel. Daß einige Fledermäuse bei uns manchmal von der Höhe zur Tiefe und umgekehrt ziehen, ja, daß sie gegen den Winter hin nach südlicher gelegenen Gegenden pilgern, war längst bekannt. Mitunter nämlich findet man im Sommer Fledermäuse in einer Gegend, wo sie zu andern Jahreszeiten nicht vorkommen. So verschwindet, laut Koch, die Umberfledermaus ( Meteorus Nilsonii) aus einem großen Teil des nördlichen Rußlands, wandert bis Schlesien, Mähren, Oberfranken, ja selbst bis in die Alpen und überwintert hier. Ebenso sieht man die Teichfledermaus ( Brachyotus dasycnemus) während des Sommers immer in den norddeutschen Ebenen über Flüssen und Seen hin- und herfliegen, begegnet ihr aber um dieselbe Zeit nur ausnahmsweise in den Gebirgen Mitteldeutschlands, wogegen im Winter Felsenhöhlen dieser und anderer Gebirge gerade von ihr sehr häufig zum Überwintern benutzt werden. In den Wäldern Hessens hält es äußerst schwer, im Winter eine Speckmaus ( Panugo noctula) aufzutreiben, obgleich Baumhöhlen genug vorhanden sind, die zu ihrem Aufenthalt geeignet erscheinen; im Sommer dagegen sieht man diese Fledermaus häufig genug über den Waldungen umherschwärmen, und im Taunus und im Lahntal überwintert sie regelmäßig, ohne daß im Sommer eine größere Anzahl von ihnen vorhanden sein dürfte als dort, wo sie überwintert. »Wenn die Beobachtungen über das Wandern der Fledermäuse nicht so schwierig wären und öfter darauf geachtet würde, dürfte eine größere Anzahl von geeigneten Beispielen vorliegen, als jetzt noch der Fall ist. In heißen Ländern, wo die Fledermäuse in so großer Menge auftreten, fällt das Wandern derselben mehr auf. Viele ziehen sich zur Zeit der Dürre in das Gebirge, andere suchen sogar ferne Gegenden mit der von ihnen vorher bewohnten zu vertauschen, kehren aber nach einiger Zeit wieder dahin zurück; einige scheinen in den kälteren Jahreszeiten dem Gleicher näher zu rücken, und wieder andere ziehen in den wärmeren Monaten nach kühleren Gegenden oder höher nach dem Gebirge. In manchen Fällen scheint der Grund des Ortswechsels in den klimatischen Verhältnissen zu liegen, in den meisten Fällen aber ziehen unsere Tiere den Kerbtieren nach.«

Wärme ist für alle Fledermäuse notwendige Bedingung, und zwar nicht allein deswegen, weil durch sie das Leben der Kerbtiere geweckt wird, sondern auch, weil jene an und für sich Kälte verabscheuen. Das häufige Auftreten der Flattertiere in niederen Breiten hängt gewiß mit dem dort reicheren Kerbtierleben zusammen; die Wärme jener Länder aber scheint ihrer Entwicklung ebenfalls in hohem Grade förderlich zu sein. Bei uns zu Lande setzen nur wenige Fledermäuse sich unmittelbar der Sonne aus, indem sie in den Nachmittagsstunden umherfliegen; in den Wendekreisländern geben sie sich oft geradezu den Sonnenstrahlen preis, und zwar tun dies keineswegs nur die Flughunde, die ihren Tagesschlummer sehr häufig ohne alle Rücksicht auf Schatten an den fast oder ganz entlaubten Ästen der Bäume halten, sondern auch Glatt- und Blattnasen. So erwähnt Schomburgk eines Vampirs ( Phyllostoma bidens), der in großen Gesellschaften vorzugsweise an Felsen lebt und über Tag an den Stämmen der Uferbäume, meist zwei bis drei Meter über dem Boden zum Schlafen sich aufhängt, nicht aber an der Nord-, sondern an der Südseite derselben anklebt, um von der Sonne sich bescheinen zu lassen. »In noch größeren Scharen«, sagt er, »fand ich sie an den über den Flußspiegel emporragenden Felsen. Näherten wir uns einer solchen Stelle, dann flogen sie von ihrem Ruheorte von selbst weg oder wurden durch die Indianer dazu genötigt, die sie mittels der Ruder mit Wasser bespritzten. Nun strichen sie einige Male an den Ufern auf und ab und setzten sich darauf an ihrem alten Platze wieder an.« Daß die Fledermäuse bedeutende Hitzegrade aushalten können, beweisen uns schon diejenigen unter ihnen, die auf Dachböden, unter Kirchendächern und an ähnlichen Orten den Tag verbringen, unbekümmert um die bedeutende Hitze, die hier zu herrschen pflegt, noch mehr aber die südländischen Arten. Ein Grämler ( Nyctinomus brasiliensis), die häufigste Fledermaus Südbrasiliens, lebt, laut Hensel, »oft in großer Menge unter den Schindeldächern alter Häuser und kann einen unglaublichen Hitzegrad aushalten, da namentlich im Sommer die Schindeln durch den Sonnenschein so erhitzt werden, daß man sie mit bloßen Füßen, ohne Schaden an diesen zu erleiden, nicht betreten könnte«. Auch das dichte Zusammendrängen der Fledermäuse, durch die ein bedeutender Wärmegrad entwickelt werden muß, gibt anderweitige Belege für diese Tatsachen. Die meisten Arten werden durch rauhe Witterung, Regen oder Wind in ihren Schlupfwinkeln zurückgehalten; andere fliegen zwar an kalten Abenden, immer aber nur kurze Zeit, und kehren so schnell als möglich wieder nach ihren Schlafplätzen zurück. Hierbei spricht allerdings der Umstand mit, daß an rauhen Abenden ihr Umherfliegen mehr oder weniger nutzlos ist, weil dann auch die Kerbtiere sich verborgen halten und ebenso der einigermaßen heftige Wind ihren Flug ungemein erschwert, da bekanntlich bloß die schmalflügeligen Arten einem einigermaßen heftigen Luftzuge Trotz bieten können.

Mit Eintritt der Kälte fallen alle Fledermäuse, die in höheren Breiten leben, in einen mehr oder weniger tiefen Winterschlaf von längerer oder kürzerer Dauer, entsprechend dem strengeren oder milderen Klima ihrer Heimat. Mit Beginn der rauhen Jahreszeit sucht jede Art einen vor den Einflüssen der Witterung möglichst geschützten Schlupfwinkel auf: Höhlen, Kellergewölbe, warme Dächer, Dachsparren in der Nähe von Essen und dergleichen. Diejenigen Arten, die noch am wenigsten empfindlich gegen Kälte sind, unterbrechen den Winterschlaf bisweilen, erwachen und fliegen in ihren geschützten Schlupfwinkeln hin und her, anscheinend weniger um Beute als um sich Bewegung zu machen. Einzelne kommen Wohl auch ins Freie und flattern eine Zeitlang über der schneebedeckten Erde umher; die Mehrzahl aber schläft ununterbrochen. »Die Orte«, sagt Koch, »die die Fledermäuse zu ihrem Winterschlafe wählen, sind nach den Arten verschieden und stimmen zwar manchmal, doch bei weitem nicht immer mit denen überein, an denen sie sich zur täglichen Ruhe im Sommer niederlassen. So sind z.B. die Blattnasen an Sommertagen in denselben Höhlen anzutreffen, in denen sie auch ihren Winterschlaf halten, so rasten die Buschsegler (Nanugo) gewöhnlich in Ritzen derselben Gebäude, in denen sie im Winter sich tief zurückziehen, und dergleichen Beispiele mehr; während die Mäuseohren oder Nachtschwirrer (Myotus murinus), die im Sommer in zahlreichen Gesellschaften auf Kirchenspeichern hausen, ihren Winterschlaf vereinzelt in Höhlen und Gruben halten, oder die Gleichohren (Isotus), die während des Sommers in Bäumen rasten, im Winter in Gruben und Höhlen teils frei hängen, teils in Ritzen sich einklemmen. Dasselbe ist bei vielen anderen einheimischen Arten der Fall. Aber auch bei den Fledermäusen südlicher Breiten finden wir, daß der Aufenthalt während ihrer Zurückgezogenheit in der Regenzeit oder dem kurzen gelinden Winter vielfach anders gewählt wird als während der trockenen Zeit: so bewohnt keine Fledermaus das Blätterdach der Bäume während der Regenzeit; so ziehen sich die Blutsauger von den offenen Viehställen in geschlossene Gebäude und Höhlen zurück; so wandern die Grämler nach unterirdischen Bauten und Höhlungen, wie die Stummelschwänze sich in Baumlöcher verkriechen. Entschieden die meisten Fledermäuse bewohnen während des Winterschlafes Höhlen und alte unterirdische Räume, diejenigen Arten, die auch im Sommer an diesen Aufenthaltsorten sich befinden, beziehen aber, für den Winter wenigstens, andere Stellen oder, wo sie die Auswahl haben, sogar andere Höhlen und Gruben. Im Sommer halten sie sich mehr in kleinen Räumen in der Nähe der Eingänge auf, hier in Spalten, Ritzen und engen Domen sich versteckend, gerade wie da, wo sie in offenen Felsspalten sitzen; im Winter dagegen findet man sie mehr in größeren und tieferen Räumen, worin sie sich in die hinteren Teile, in die der Frost nicht eindringen kann, zurückziehen. Nur wenige Arten sitzen auch während des Winterschlafes in ihren gewohnten Ritzen.

Die Stellung, in der die Fledermäuse ihren Winterschlaf halten, ist eine sehr verschiedene und für einzelne Gruppen und Sippen bezeichnende; die einfachste und regelmäßigste Haltung während des Winterschlafes ist die, daß sie sich an den Krallen der Hinterfüße aufhängen und die Flügel seitlich andrücken. Viele hängen dabei freischwebend unter einer Decke oder einem Gewölbe, die meisten in ähnlicher Weise an den Wänden, ein anderer Teil benutzt auch die Vorderglieder mit als Stütze, und so lassen sich noch eine Reihe Veränderungen in der Stellung und Lage aufführen. Unter den die wärmeren Länder bewohnenden Fledermäusen gibt es einige Arten, die in dem Zustande der Zurückgezogenheit, wie auch bei ihrer gewöhnlichen Tagesruhe, die Flügel mehr oder weniger ausbreiten und mit ihnen sich gleichsam einen Halt verschaffen. Ein großer Teil der Blattnasen nimmt eine so merkwürdige Stellung ein, daß man sie im Vorübergehen eher für Pilze als für Tiere halten möchte. Sie sind ganz in ihre Flughäute eingeschlagen, hängen frei an den beiden Hinterfüßen, die Schenkelflughaut ist nach dem Rücken hin umgeschlagen, die Vorderarme bilden einen Rückenteil und liegen dicht ineinander, Flanken- und Fingerflughäute umschließen den Leib in der Weise, daß die Fingerspitzen nach oben stehen, der Daumen dient mit zum Verschlusse, und nur die Nase tritt hervor, wird aber während des festen Winterschlafes auch zurückgezogen. Fast ebenso verschiedenartig ist die Lage der Ohrenhäute. Viele Fledermäuse strecken die Ohren möglichst aus und heben den Deckel dabei, gleichsam als ob sie bei der geringeren Nerventätigkeit während des Winterschlafes jene Organe empfindlicher machen wollen; andere krümmen die Ohren mehr oder weniger ein; wieder andere drücken den Deckel fest auf die innere Öffnung des Ohres; die Ohrenfledermaus legt die langen Ohren unter die seitlich angedrückten Flügel usw.«

Was von der Geselligkeit der Fledermäuse gesagt wurde, gilt auch im allgemeinen während ihres Winterschlafes. Es gibt Gattungen, die ausnahmslos gesellig überwintern und nicht nur nebeneinander, sondern auch in mehreren Lagen dicht aufeinander hängen, mitunter in Gruppen von verschiedenen Formen, zusammen zu mehreren Hunderten von Stücken. Andere gesellig überwinternde Gattungen bedecken ganze Wände und Flächen im Inneren hohler Bäume, wo sie getrennt nebeneinander hängen; andere überwintern vereinzelt und finden sich niemals in Gesellschaft; wiederum andere werden ebenso wohl einzeln als gesellig angetroffen.

Schon wenige Wochen nach dem Ausfliegen macht die Liebe sich geltend. Nach neueren Beobachtungen findet die Begattung bereits im Herbst vor dem Winterschlaf statt. Die Eier reifen aber erst im Frühjahr heran und gelangen dann in den Eileiter, wo sie von dem lebensfähig gebliebenen Samen befruchtet werden. Nachdem die Fledermäuse ihren Winteraufenthalt verlassen haben, locken die verschiedenen Geschlechter, laut Koch, sich durch einen eigentümlichen Ruf, der von dem ärgerlichen Bellen, Angriffen gegenüber, wesentlich verschieden ist. In warmen Ländern sollen die großen Arten so laut werden, daß sie lästig fallen können. Bei der Liebeswerbung jagen und necken die Männchen die Weibchen, stürzen sich mit ihnen aus der Luft herab und treiben allerlei Kurzweil; doch geht dieses Schwärmen und Paaren nicht bei allen Arten der Fledermäuse der Begattung voraus – letztere erfolgt vielmehr bei einzelnen auffallend frühzeitig im Jahre. Pagenstecher hat eine weibliche Zwergfledermaus untersucht, die schon am 23. Januar begattet worden war; Koch fand, daß bei den Buschseglern die Begattung im Januar und Februar vor sich geht. »Obgleich die Fledermäuse«, bemerkt dieser treffliche Beobachter, »fast sämtlich sehr bissige, unverträgliche Tiere sind, die sich vielfach anfeinden, necken und beißen, so daß die zarteren Teile oft lebenslänglich die Spuren ihrer Kämpfe tragen, scheint doch die Eifersucht nicht immer in ihrer Natur zu liegen, und namentlich bei einigen Arten kommen merkwürdige Fälle von Verträglichkeit gerade in der Zeit vor, in der die meisten anderen Tiere jeden Funken einer angeborenen Gutmütigkeit verlieren.« So habe ich gesehen, daß mehrere Männchen der Zwergfledermaus es ruhig geschehen ließen, während ein Männchen zur Begattung sich vorbereitet hatte, ohne im geringsten eifersüchtig zu werden und in feindselige Gesinnungen auszubrechen, und Pagenstecher beobachtete, daß mehrere Männchen ein und dasselbe Weibchen ruhig nacheinander begatteten. Die Paarung verrichten die Fledermäuse, indem sie mit den Vordergliedern sich umklammern und teilweise in die Flughaut sich einhüllen. Bald nach ihr trennen sich beide Geschlechter, und die Weibchen bewohnen nun gemeinschaftliche Schlupfwinkel, während die Männchen mehr einzeln, oft in ganz anderen Gegenden umherstreifen. Mein Vater beobachtete, daß letztere nach der Begattung ganz für sich und stets einzeln leben, während die Weibchen sich zusammenrotten und gemeinschaftlich in den Höhlungen der Bäume oder in anderen Schlupfwinkeln wohnen; er hält es für sehr wahrscheinlich, daß keine männliche Fledermaus in die Frauengemächer eindringen darf. Unter Dutzenden von Fledermäusen, die zusammen gefunden wurden, fand er und später Kaup niemals ein Männchen, sondern immer nur trächtige Weibchen.

Wenige Wochen nach der Befruchtung – also nicht Begattung – werden die Jungen geboren. Das kreisende Weibchen hängt sich, laut Blasius und Kolenati, gegen seine Gewohnheit mit der scharfen Kralle beider Daumen der Hände auf, krümmt den Schwanz mit seiner Flatterhaut gegen den Bauch und bildet somit einen Sack oder ein Becken, in das das zu Tage kommende Junge fällt. Sogleich nach der Geburt beißt die Alte den Nabelstrang durch, und das Junge häkelt sich, nachdem es von der Mutter abgeleckt worden ist, an der Brust fest und saugt. Die blattnasigen Fledermausweibchen haben in der Nähe der Schamteile zwei kurze, zitzenartige Anhängsel von drüsiger Beschaffenheit, an die sich die Jungen während der Geburt sofort ansaugen, um nicht auf die Erde zu fallen, weil diese Fledermäuse während des Gebärens ihren Schwanz zwischen den beiden eng aneinander gehaltenen Beinen zurück auf den Rücken schlagen und keine Tasche für das an das Licht tretende Junge bilden. Später kriechen auch diese Jungen zu den Brustzitzen hinauf und saugen sich dort fest.

Alle Flattertiere tragen ihre Jungen während ihres Fliegens mit sich umher und zwar ziemlich lange Zeit, selbst dann noch, wenn die kleinen Tiere bereits selbst recht hübsch flattern können und zeitweilig die Brust der Alten verlassen: daß letzteres geschieht, habe ich an Fledermäusen beobachtet, die ich in den Urwäldern Afrikas an Bäumen aufgehängt fand. In etwa sechs bis acht Wochen haben die Jungen ihre volle Größe erreicht, lassen sich aber bis gegen den Herbst und Winter hin an dem plumperen Kopfe, den kürzeren Gliedmaßen und der dunkleren Färbung ihres Pelzes als Junge erkennen und somit von den Alten unterscheiden.

Eine noch ungeborene Fledermaus hat ein sehr merkwürdiges Ansehen. Wenn sie so weit ausgebildet ist, daß man ihre Glieder erkennen, die Flughaut aber noch nicht wahrnehmen kann, hat sie mit einem ungeborenen Menschenkinde eine gewisse Ähnlichkeit. Die Hinterfüße sind noch viel kleiner als die vorderen, und die vortretende Schnauze zeigt das Tierische; aber der Bau des Leibes, der kurze, auf dem Brustkorbe sitzende Hals, die breite Brust, die ganze Gestalt der Schulterblätter und besonders die Beschaffenheit der Vorderfüße, die mit ihren noch kurzen Fingern halbe Hände bilden, erinnert lebhaft an den menschlichen Keimling im ersten Zustande seiner Entwickelung.

»Der vorurteilsvolle Mensch«, sagt Koch, »hat diesen harmlosen Tierchen mancherlei Verleumdungen zuteil werden lassen, und die große Menge ist mit Abneigung gegen sie erfüllt, anstatt sie im eigenen Nutzen zu hegen und zu schützen. Unrichtig schon ist die Behauptung, daß die Fledermäuse Speck in den Vorratskammern benagen; denn keine einzige von ihnen frißt Speck, und der in der Volkssprache allgemeine Gebrauchsname »Speckmaus«, der auch in die Wissenschaft übergegangen ist, scheint daher zu kommen, daß die Fledermäuse zum Zweck ihrer Erhaltung während des langen Winterschlafes unter der Haut sehr beträchtliche Speckmassen ablagern und diese zum Vorschein kommen, wenn man ein Tier gewaltsam tötet und dabei die zarte Haut zerreißt. Später hat man aus dem Namen die angedichtete Sünde abgeleitet, welche Ansicht noch eine wesentliche Unterstützung fand, daß sich die sogenannten Speckmäuse gern in dunklen Räumen verbergen und daher auch vielfach in Speck- und Räucherkammern angetroffen werden. Ein allgemein verbreiteter Aberglaube, daß sich die Fledermäuse in die Haare verwickeln und nicht mehr daraus zu entfernen seien, entbehrt ebenfalls aller Begründung. Eine Fledermaus geht niemals aus freiem Antriebe in das Kopfhaar eines Menschen; wenn aber ein unglückliches Mitglied dieser Ordnung sich in ein Gesellschaftszimmer verfliegt, wird von den Anwesenden in der Regel Jagd darauf gemacht, mit Taschentüchern darnach geschlagen usw., und wenn dann das Tierchen, getroffen, fluglahm herabfällt, krallt es sich an jedem beliebigen Gegenstande an, und kann der Zufall es fügen, daß es gerade auf den Kopf einer Dame fällt. Die großen Arten verstehen keinen Spaß; wenn sie gefangen werden, beißen sie kräftig zu, und ihr Gebiß wie ihre Krallen sind scharf, und einige von ihnen können tiefe Wunden beibringen. Aus freien Stücken greifen sie aber niemals an und zeigen sich in ihrem ganzen Wesen als äußerst harmlose Geschöpfe.

Der Aufenthalt der Fledermäuse im Dunkeln, das Mäuseartige des Körpers, die wunderlich gestalteten dunkelhäutigen Flughände sowie der mitunter abschreckende Gesichtsausdruck und die unangenehm kreischende Stimme der Fledermaus geben der ganzen Erscheinung etwas Unheimliches, was schon die Alten gefühlt haben mögen. Während die guten Geister mit Flügeln der Taube erschienen, entwarf man das Bild der bösen Dämonen mit den Flügeln der Fledermaus. Lindwurm und Drache, jene schrecklichen Phantasiegebilde, hatten ihre Flügel von der Fledermaus entliehen, wie noch heute das Zerrbild des Teufels mit Fledermausflügeln oder das Heer der bösen Geister, das der heilige Ivan austreibt, in Gestalt von Fledermäusen erscheinen. Solche Bilder wirken schon auf das kindliche Gemüt der Jugend wie auf den für Aberglauben empfänglichen Sinn des ungebildeten Volkes und erregen Abscheu und Haß gegen die Tiere, die Ansprüche auf Schonung und Hegung haben. Daher sei es die Aufgabe des besser Unterrichteten, seine Stimme für die verleumdeten Wohltäter zu erheben. Bei Erwägung ihres großen Nutzens verlieren diese Tiere schon vieles von ihrer angeborenen Häßlichkeit, und wenn man die schönen warmen Sommerabende im Freien verbringt, erscheinen die Fledermäuse in ihren geschickten Flugwindungen als eine freundliche, belebende Erscheinung der stillen Landschaft.

Der Nutzen, den die meisten Mitglieder der sehr zahlreichen Ordnung dem Menschen leisten, übertrifft den Schaden, den sie ihm unmittelbar zufügen, bei weitem. Gerade während der Nachtzeit fliegen sehr viele von den schädlichsten Kerbtieren und zeigen sich somit den Augen ihrer Feinde. Außer Ziegenmelkern, Kröten, Zieseln und Spitzmäusen stellen um diese Zeit nur noch die Fledermäuse dem ewig kriegsbereiten, verderblichen Heere nach, und die auffallende Gefräßigkeit, die allen Flattertieren eigen ist, vermag in der Vertilgung der Kerfe wirklich Großes zu leisten. Hiervon kann man sich einen oberflächlichen Begriff verschaffen, wenn man die Schlupfwinkel der Fledermäuse untersucht. »Fußhoch«, sagt Koch, »liegt hier der Kot aufgeschichtet, und die nähere Untersuchung ergibt, daß die einzelnen Klümpchen aus Teilen sehr vieler und verschiedenartiger Kerbtiere bestehen. In einem Kubikzentimeter Fledermauskot fanden wir einundvierzig Schienbeine verschiedener größerer und kleinerer Kerfe, und da nun in alten Ruinen, auf Kirchböden usw. sicherlich zuweilen mehr als ein Kubikmeter Fledermauskot aufgeschichtet liegt, würden in solchen Haufen gegen anderthalb Millionen Kerbtierleichen enthalten sein. Freilich rühren die großartigen Anhäufungen nicht aus einem Sommer her, und sind an ihnen viele Fledermäuse beteiligt; dagegen ist aber auch in Betracht zu ziehen, das gewiß nur der kleinste Teil des Kotes von der Fledermaus an der Stelle der Tagesruhe abgelegt wird, sondern daß die Darmentleerungen gewöhnlich während des Fluges im Freien vor sich gehen.« Alle bei uns zu Lande vorkommenden Fledermäuse bringen uns nur Nutzen, und die wenigen, die schädlich werden können, indem sie Früchte fressen, gehen uns zunächst nichts an, wie auch die Blutsauger keineswegs so schädlich sind, als man gewöhnlich gesagt hat. Nach den neueren und zuverlässigsten Berichten töten die blutsaugenden Fledermäuse niemals größere Tiere oder Menschen, selbst wenn sie mehrere Nächte nacheinander ihre Nahrung aus deren Leibern schöpfen sollten, und die fruchtfressenden Flattertiere leben in Ländern, wo die Natur ihre Nahrung so reichlich erzeugt, daß der Verbrauch derselben durch sie eben nur da bemerklich wird, wo der Mensch mit besonderer Sorgfalt gewisse Früchte sich erzeugt, z. B. in Gärten; Früchte aber kann man durch Netze und dergleichen vor ihnen schützen. Somit dürfen wir die ganze Ordnung als ein höchst nützliches Glied in der Kette der Wesen betrachten.

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Die erste Unterabteilung und Familie wird gebildet durch die Flughunde oder fruchtfressenden Fledermäuse ( Pteropina).

Alle zu dieser Gruppe gehörigen Flattertiere bewohnen ausschließlich die wärmeren Gegenden der alten Welt, namentlich Südasien und seine Inseln, Mittel- und Südafrika, Australien und Ozeanien. Ihrer Größe wegen sind sie seit den ältesten Zeiten als wahre Ungeheuer verschrien worden. Sie, die harmlosen und gemütlichen Tiere, hat man als scheußliche Harpyien und furchtbare Vampire angesehen; unter ihnen suchte man die greulichen Wesen der Einbildung, die sich auf schlafende Menschen setzen und ihnen das Herzblut aussaugen sollten; in ihnen sah man die zur ewigen Verdammnis verurteilten Geister Verworfener, die durch ihren Biß unschuldige Lebende ebenfalls wieder zu Verworfenen verwandeln könnten. Kurz, der blühendste Aberglaube beschäftigte sich mit wahrem Behagen mit diesen Säugetieren, die weiter nichts verschuldet haben, als etwas eigentümlich gebildet zu sein, und in ihrer Ordnung einige kleine und eben wegen ihrer geringen Größe ziemlich unschädliche Mitglieder zu besitzen, die sich des Frevels der Blutaussaugung allerdings schuldig machen.

Die Naturwissenschaft kann die abergläubischen Leute besser über die fruchtfressenden Fledermäuse oder Flughunde belehren. Sie haben so ziemlich die Fledermausgestalt, aber eine viel bedeutendere Größe und einen gemütlichen Hunde- oder Fuchskopf, der ihnen den Namen Flughunde oder fliegende Füchse verschafft hat. Die Flughunde bewohnen am liebsten dunkle Waldungen und bedecken bei Tage oft in unzählbarer Menge die Bäume, an deren Ästen sie, Kopf und Leib mit den Flügeln umhüllt, reihenweise sich anhängen. In hohlen Bäumen findet man sie Wohl auch, und zwar zuweilen in einer Anzahl von mehren hundert Stück. In düsteren Urwäldern fliegen sie manchmal auch bei Tage umher; ihr eigentliches Leben beginnt aber, wie das aller Flattertiere, erst mit der Dämmerung. Ihr scharfes Gesicht und ihre vortreffliche Spürnase lassen sie die Bäume ausfindig machen, die gerade saftige und reife Früchte besitzen; zu diesen kommen sie einzeln, sammeln sich bald in großen Scharen und sind imstande, einen solchen Baum vollkommen kahl zu fressen. In Weinbergen erscheinen sie ebenfalls nicht selten in bedeutender Anzahl und richten dann großen Schaden an; denn sie nehmen bloß die reifen und süßen Früchte: die anderen überlassen sie den übrigen Fruchtfressern. Zuweilen unternehmen sie weitere Wanderungen und fliegen dabei von einer Insel auf die andere, manchmal über ziemlich breite Meeresarme weg. Die Früchte saugen sie mehr aus, als sie dieselben fressen; den Faserstoff speien sie aus. Süße und duftige Früchte werden anderen entschieden vorgezogen, und deshalb bilden Bananen, Feigen und dergleichen, ebenso auch wohlschmeckende Beeren, zumal Trauben, ihre Lieblingsnahrung. Wenn sie einmal in einen Fruchtgarten eingefallen sind, fressen sie die ganze Nacht hindurch und verursachen dabei ein Geräusch, daß man sie schon aus weiter Entfernung vernehmen kann. Durch Schüsse und dergleichen lassen sie sich nicht vertreiben; denn so geschreckt fliegen sie höchstens von einem Baume auf den anderen und setzen dort ihre Mahlzeit fort.

Bei Tage sind sie sehr furchtsam und ergreifen die Flucht, sobald sie etwas Verdächtiges bemerken. Ein Raubvogel bringt sie in Aufregung, ein heftiger Donnerschlag geradezu in Verzweiflung. Sie stürzen ohne weiteres von oben zur Erde herab, rennen hier im tollsten Eifer auseinander, klettern an allen erhabenen Gegenständen, selbst an Pferden und Menschen, gewandt in die Höhe, ohne sich beirren zu lassen, hängen sich fest, breiten die Flügel, tun einige Schläge und fliegen dahin, um sich ein anderweitiges Versteck zu suchen. Ihr Flug ist rasch und lebhaft, aber nicht eben hoch; doch treibt sie ihre Furchtsamkeit bei Tage ausnahmsweise in eine Höhe von über hundert Meter empor. Sie können nur von erhabenen Gegenständen, nicht aber von der Erde abfliegen, sind jedoch ganz geschickt auf dieser und laufen wie die Ratten umher, klettern auch vorzüglich an Baumstämmen und Ästen bis in die höchsten Wipfel hinauf. Sie schreien viel, auch wenn sie ruhig an Bäumen hängen, und zwar eigentümlich knarrend und kreischend, lassen zuweilen auch ein Zischen vernehmen wie Gänse.

Das Weibchen bringt einmal im Jahre ein oder zwei Junge zur Welt, die sich an der Brust festhalten und von der Mutter längere Zeit umhergetragen, sehr geliebt und sorgfältig rein gehalten werden.

In der Gefangenschaft werden sie nach geraumer Zeit zahm, gewöhnen sich auch einigermaßen an die Personen, die sie pflegen, zeigen sogar eine gewisse Anhänglichkeit an solche. Sie nehmen ihnen bald das Futter aus der Hand und versuchen weder zu beißen noch zu kratzen. Anders ist es, wenn man sie flügellahm geschossen hat oder sie plötzlich fängt: dann wehren sie sich heftig und beißen ziemlich derb. Man nährt sie in der Gefangenschaft mit gekochtem Reis, allerlei frischen oder getrockneten Früchten, dem Marke des Zuckerrohrs und dergleichen; auch fressen sie dann und wann Kerbtiere. Bei Tage sind sie ruhig, obgleich sie zum Fressen sich herbeilassen; abends aber geht ihr Leben an.

 

Die größte aller bekannten Arten, der Kalong, fliegende Hund oder fliegende Fuchs ( Pterobusedulis), klaftert bei 40 Zentimeter Leibeslänge bis 1,S Meter. Die Färbung des Rückens ist tief braunschwarz, des Bauches rostigschwarz, des Halses und Kopfes rostiggelbrot, der Flatterhaut braunschwarz.

Siehe Bildunterschrift

Indischer Flughund oder Kalong ( Pteropus edulis)

Der Kalong lebt auf den indischen Inseln, namentlich auf Java, Sumatra, Banda und Timor, wie alle seine Familienglieder entweder in größeren Wäldern oder in Hainen von Fruchtbäumen, die alle Dörfer Javas umgeben, hier mit Vorliebe die wagerechten Äste des Kapok ( Eriadendron) und des Durian ( Durio zibethinus) zu seinem Ruhesitze sich erwählend. Einzelne Bäume sind buchstäblich mit Hunderten und Tausenden behangen, die hier, so lange sie ungestört sind, ihren Tagesschlaf halten, gestört aber scharenweise in der Luft umherschwärmen. Gegen Abend setzt die Masse sich in Bewegung, und einer fliegt in einem gewissen Abstande hinter dem andern her; doch kommt es auch vor, daß die Schwärme in dichterem Gedränge gemeinschaftlich einem Orte zufliegen. Unter Bäumen, die sie eine Zeitlang als Schlafplätze benutzt haben, sammelt sich ihr Kot in Massen an, und sie verbreiten dann einen so heftigen Geruch, daß man sie oft eher mittels der Nase als durch das Auge wahrnimmt. Ihre Nahrung besteht aus den verschiedensten Früchten, insbesondere mehreren Feigenarten und der Mango, denen zuliebe sie massenhaft in die Fruchtgärten auf Java einfallen, hier oft erheblichen Schaden anrichtend. Doch begnügen sie sich keineswegs einzig und allein mit pflanzlicher Nahrung, stellen im Gegenteile auch verschiedenen Kerfen und selbst kleinen Wirbeltieren nach.

Hier und da werden Kalongs verfolgt, weniger des von ihnen verursachten Schadens halber, als um sie für die Küche zu verwenden. Der Malaie bedient sich zu ihrer Jagd in der Regel des Blasrohres, zielt auf ihre Fittige, den empfindlichsten Teil des Leibes, betäubt sie und bringt sie so in seine Gewalt; der Europäer wendet erfolgreicher das Feuergewehr an. Während des Fluges sind sie ungewöhnlich leicht zu schießen, denn ihre Flügel verlieren augenblicklich das Gleichgewicht, wenn auch nur ein einziger Fingerknochen durch ein Schrotkorn zerschmettert worden ist. Schießt man aber bei Tage auf sie, während sie schlafend an den Ästen hängen, so geraten sie, wenn sie flüchten wollen, in eine solche Unordnung, daß einer von den anderen beirrt und die Getroffenen, die ihre Flügel dann nicht entfalten können, gewöhnlich so fest an die Zweige sich klammern, daß sie auch, nachdem sie verendet sind, nicht herabfallen. »Ich sah«, bemerkt Haßkarl noch, »daß Liebhaber vom Schießen in eine Masse dicht aufeinander und nebeneinander hängender Kalongs feuerten. Es fielen jedoch nur einige herunter, die übrigen flogen, obgleich sie sehr beunruhigt schienen, nicht weg, sondern krochen nur dichter auf- und übereinander, mit ihren langen Flügeln sich festhaltend.« Jagor dagegen erzählt, daß eine durch Schüsse gestörte Gesellschaft von Kalongs nur zum Teile auf den Ästen hängen blieb, während andere Scharen in der Luft umherschirrten. Das Fleisch wird übrigens keineswegs allerorten und am wenigsten von Europäern gegessen. Wallace hebt als für die Bewohner von Batschian bemerkenswert hervor, daß sie fast die einzigen Menschen im Archipel seien, die fliegende Hunde essen. Gefangene fügen sich rasch in den Verlust ihrer Freiheit, werden auffallend bald zahm und lassen sich auch sehr leicht erhalten. So wählerisch sie in der Freiheit sind, wo sie sich nur die saftigsten Früchte auslesen, so anspruchslos zeigen sie sich in der Gefangenschaft. Hier fressen sie jede Frucht, die man ihnen bietet, besonders gern aber auch Fleisch. Roch brachte einen männlichen Kalong lebend nach Frankreich. Er hatte ihn 109 Tage am Bord des Schiffes ernährt, anfangs mit Bananen, später mit eingemachten Früchten, dann mit Reis und schließlich mit frischem Fleisch. Einen toten Papagei fraß er mit großer Gier, und als man ihm Rattennester aufsuchte und ihm die Jungen brachte, schien er sehr befriedigt zu sein. Schließlich begnügte er sich mit Reis, Wasser und Zuckerbrot. Er gewöhnte sich bald an die Leute, die ihn pflegten; namentlich seinen Besitzer kannte er vor allen, ließ sich von ihm berühren und das Fell krauen, ohne zu beißen. Ebenso hatte er sich gegen eine Negerin betragen, die auf der Insel Moritz seine Pflegerin gewesen war. Ein anderer, jung eingefangener Kalong wurde bald gewöhnt, jedermann zu liebkosen, leckte die Hand wie ein Hund und war auch ebenso zutraulich.

Ein Flughund, den ich durch eigene Beobachtung wenn auch nur in Gefangenschaft kennengelernt habe, der Flugfuchs, wie wir ihn nennen wollen ( Pteropus medius), erreicht eine Länge von 28 bis 32 Zentimeter und klaftert zwischen 1,1 bis 1,25 Meter. Sein spärlich behaartes Gesicht und die nackten Ohren sind schwarz, der Kopf und die Oberseite vom Mittelrücken an dunkelbraun, ein längs der Kehlmitte verlaufender Streifen, Brust und Bauch rötlichbraun; ein breites Nackenband, das sich bis zur Rückenmitte herab verschmälert um die Halsseiten herumzieht, ist gelblichfahlgrau, hinten, oben und unten, d. h. gegen den Kopf und Rücken hin, in Hellbraun übergehend, die Iris dunkelbraun, die Flughaut, wie bei den meisten Arten, schwarzbraun. Der Flugfuchs verbreitet sich von Ostindien an bis nach Madagaskar. Hier wie dort bewohnt er Waldungen, Haine und Gärten oft in zahlloser Menge.

Wie seine Verwandten hält der Flugfuchs unter allen Umständen in Gesellschaften sich zusammen, und wenn irgend möglich, wählt er alte Bäume zu seiner Tagesruhe. Ein Lieblingsplatz von ihm waren eine Zeitlang die großen Silberwoll- und indischen Raspelbäume des Pflanzengartens von Paradenia in der Nähe von Kandy auf Ceylon, woselbst Tennent sie tagtäglich beobachten konnte. Einige Jahre früher hatten sie hier sich zusammengefunden und waren namentlich im Herbst tagtäglich zu sehen, während sie später, nachdem sie die Früchte der elastischen Feige aufgezehrt hatten, eine Wanderung antraten. Auf gedachten Bäumen hingen sie in so erstaunlicher Menge, daß starke Äste durch ihr Gewicht abgebrochen wurden. Jeden Morgen zwischen neun und elf Uhr flogen sie umher, anscheinend zur Übung, möglicherweise um Fell und Fittige zu sonnen und von dem Morgentau zu trocknen. Bei dieser Gelegenheit bildeten sie Schwärme, die ihrer Dichtigkeit wegen nur mit Mücken oder Bienen zu vergleichen waren. Nach solchem Ausfluge kehrten sie zu den Lieblingsbäumen zurück, hier wie eine Affenherde lärmend und kreischend und stets untereinander hadernd und streitend, weil jeder den schattigsten Platz für sich auszusuchen strebte. Alle Zweige, auf denen sie sich niederlassen, entblättern binnen kurzem infolge ihrer unruhigen Hast, da sie ihre Krallen in rücksichtslosester Weise gebrauchen. Gegen Sonnenuntergang treten sie ihre Raubzüge an und durchfliegen dann wahrscheinlich weite Strecken, weil sie ihrer bedeutenden Anzahl und Gefräßigkeit halber sich notwendigerweise über ausgedehnte Räume verbreiten müssen. Gegen Abend sieht man sie nach Art der Fledermäuse längs der Waldungen auf- und abstreichen, besonders gern in der Nähe von solchen, die die Küste oder Flußufer besäumen. Auf Mayotte sah sie Pollen nach Art der Schwalben und kleinen Fledermäuse hart über der Oberfläche des Wassers dahinfliegen, die Wellen fast mit ihren Fittigen berührend; wahrscheinlich geschah dies des Fischens halber. Auf Madagaskar nähren sie sich hauptsächlich von wilden Datteln, auf Ceylon fressen sie die Früchte der Guava, der Bananen und mehrerer Feigenarten, zeitweilig auch die Blütenknospen verschiedener Bäume. Auch sie fressen aber unzweifelhaft neben pflanzlichen tierische Stoffe, Kerbtiere verschiedener Art, Eier und Junge von kleinen Vögeln, Fische und, nach Versicherung der Singalesen, auch Kriechtiere, da sie die Baumschlange angreifen sollen. Ungeachtet ihrer Geselligkeit wird jeder Flugfuchs, laut Tennent, von den übrigen beim Fressen arg behelligt und hat seine liebe Not, die glücklich erlangte Beute vor der Zudringlichkeit seiner Genossen zu sichern. Unter allen bekannten Flughunden gelangt diese Art am häufigsten lebend nach Europa, bleibt bei geeigneter Pflege in unsern Käfigen auch geraume Zeit am Leben.

Man kann ihnen alles ersetzen, nur die ihnen so notwendige Flugbewegung nicht. Infolgedessen bekommen sie früher oder später Geschwüre an verschiedenen Stellen ihrer Fittige und gehen an diesen schließlich zugrunde. Gleichwohl sollen einzelne Stücke im Londoner Tiergarten mehrere Jahre gelebt und sich fortgepflanzt haben. Auch meine Gefangenen leben nunmehr seit länger als zwei Jahren in Käfigen. Ihre Geschwüre an den Flügeln haben wir durch Ätzen mit Höllenstein geheilt; seitdem scheinen sie sich sehr wohl zu befinden.

 

Die Sippe der Nachthunde ( Cynonycteris) unterscheidet sich von den eigentlichen Flughunden dadurch, daß ihre Mitglieder einen kurzen Schwanz sowie einen von der Flughaut umhüllten Daumen haben und die Zitzen auf der Brust stehen. Die Sippe verbreitet sich hauptsächlich über Afrika.

Eine längs des Weißen und Blauen Flusses ausschließlich auf Dulebpalmen hausende Art derselben ist der Palmenflughund ( Cynoncyceteris stramineus), ein stattliches Tier von 22 bis 25 Zentimeter Leibeslänge und gegen einen Meter Flugweite. »Der massige Kopf«, sagt Heuglin, »mit bulldoggenartig gefalteten Lippen und großen Augen gleicht noch dem eines Hundes; der straffe Pelz ist am Vorderhalse glänzend orangegelb, oben gelblich- oder graulichweiß, unten rußschwarz.«

Zu derselben Sippe gehört auch die einzige Art der Familie, die ich kennengelernt habe, der Nilflughund ( Cynonycteris aegyptiacus), der sich über ganz Ägypten und Nubien verbreitet, und in der Nähe von größeren Sykomorenbeständen regelmäßig vorkommt. Alte ausgewachsene Flughunde dieser Art erreichen etwa 16 Zentimeter Körperlänge und eine Flugweite von 90 bis 95 Zentimeter. Der kurze, weiche Pelz ist oben lichtgraubraun, unten heller, an den Seiten und Armen blaßgelblich; die Flughäute haben graubraune Färbung.

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Alle zu den Glattnasen ( Gymnorhina) gehörigen Flattertiere stimmen in folgenden Merkmalen überein: die Nase ist einfach, ohne blätterigen Anhang, das Ohr stets mit einem Deckel versehen; die spitzhöckerigen Backenzähne tragen Leisten, die nach Art eines W verlaufen. Im übrigen ist das Gebiß sehr verschieden und darauf die Einteilung der Sippen begründet worden. Das Sporenbein erreicht innerhalb dieser Gruppe seine größte Entwicklung und trägt bisweilen einen seitlichen Hautlappen, dessen Fehlen oder Vorhandensein als Merkmal für die Unterscheidung verschiedener Sippen gilt. Die Größe der Glattnasen schwankt erheblich: es gibt Arten unter ihnen, die bei ungefähr 13 Zentimeter Leibeslänge bis 60 Zentimeter klaftern, und solche, deren Leibeslänge kaum 3 und deren Flugweite höchstens 18 Zentimeter beträgt. Soviel bis jetzt bekannt, treten die Glattnasen in größter Anzahl in Amerika auf; nächstdem hat man die meisten in Europa gefunden; es unterliegt aber wohl kaum einem Zweifel, daß Asien und Afrika reicher an ihnen sind als unser heimatlicher Erdteil. Mit Ausnahme der kalten Gürtel verbreiten sie sich über die ganze Erde, steigen auch im Gebirge bis zu beträchtlicher Höhe empor. Die Nahrung besteht fast ausschließlich in Kerbtieren, dann und wann auch in kleinen Wirbeltieren. Im allgemeinen darf man wohl sagen, daß gerade die Mitglieder dieser Familie zu den allernützlichsten Säugetieren gehören, und daß an ihnen auch nicht der geringste Makel haftet. Ihr gewandter Flug zeichnet sich durch jähe und plötzliche Wendungen aus, so daß es Raubvögeln fast unmöglich wird, sie während desselben zu fangen. Laufend und kletternd bewegen sie sich mit viel Geschick. Unter ihren Sinnen steht das Gehör obenan.

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Langohrige Fledermaus ( Plecotus auritus)

Die Ohrenfledermaus, langohrige Fledermaus, das Groß- oder Langohr ( Plecotus auritus), erreicht bei einer Flugweite von 24 Zentimeter eine Länge von nur 8,4 Zentimeter, wovon über 4 Zentimeter auf den Schwanz gerechnet werden müssen; das Ohr, das außer allem Verhältnis zur Leibeslänge steht, mißt 3,3 Zentimeter. Lange Haare besetzen das Gesicht bis an den Hinterrand der Nasenlöcher und rings um die Augen; weißliche Barthaare hängen an den Seiten bis über den oberen Lippenrand abwärts; der übrige Pelz ist ziemlich lang, in der Färbung veränderlich, oberseits graubraun, auf der Unterseite etwas heller, bei jungen Tieren dunkler als bei alten. Die einzelnen Haare sind in der Wurzelhälfte schwärzlich, in der Endhälfte heller gefärbt. Alle Flughäute sind dünn und zart, glatt und nur in der nächsten Umgebung des Körpers spärlich und äußerst sein behaart und von lichtgraubrauner Färbung.

Die Ohrenfledermaus findet sich in ganz Europa, mit Ausnahme derjenigen Länder, die über den 60. Grad nördlicher Breite hinausliegen. Sie ist nirgends selten, im nördlichen und im mittleren Deutschland sogar eine der gewöhnlichen Arten, lebt aber stets einzeln, nicht in großen Gesellschaften beisammen, überall hält sie sich in nicht allzu großer Entfernung von menschlichen Wohnungen auf, schläft im Sommer auch ebenso oft hinter Fensterläden wie in hohlen Bäumen und kommt im Winter ebensogern in Keller und andere Gewölbe wie in Kalkhöhlen und Stollen. In der Stadt will sie, laut Altum, stets freie, mit Baumwuchs und Gesträuch bestandene Plätze haben und erscheint dementsprechend fast ausschließlich in Zimmern, die an Gärten stoßen. In den Berggegenden, am Harz und in den Alpen z. B., geht sie nicht über den Waldgürtel hinauf. Im Sommer sieht man sie an lichten Stellen im Walde, über Waldwege, Baumgärten und Alleen am häufigsten fliegen. Selten erhebt sie sich in eine Höhe von fünfzehn Meter, in der Regel fliegt sie weit niedriger, meist mit etwas flatterndem und nicht eben schnellem Flügelschlage, obgleich sie einiger Mannigfaltigkeit in der Bewegung fähig ist. »Sie flattert«, sagt Altum, »gern um Obstbäume, ähnlich wie nach Nahrung suchende Schwärmer um blütenreiche Stauden, indem sie oftmals, um Spinnen und kleine Motten zu erhaschen, einen Augenblick, wie um sich zu setzen, im Flatterfluge anhält, um gleich darauf ein ähnliches Spiel zu wiederholen.« Im Fluge krümmt sie gewöhnlich das riesenmäßige, wegen seiner zahlreichen Querfalten leicht bewegliche weiche Ohr nach außen und bogig abwärts, so daß dann bloß die spitzen, langen Ohrdeckel vorwärts in die Höhe stehen. Wenn sie hängt, schlägt sie meist die Ohren unter die Arme zurück. Bei ihrem Winterschlafe hängt sie, laut Koch, meist frei, seltener in Ritzen eingeklemmt, in der Regel nahe dem Eingange ihrer Herberge sich an, da sie ziemlich viel Kälte zu vertragen scheint. Koch hat sie auf dem Dillenburger Schlosse selbst in Gemäuern gefunden, die in der Nähe ihrer Anhaftstellen bereits seit Wochen mit dicken Eiszapfen bekleidet waren. Trotzdem zieht sie sich schon sehr früh, meist bereits im Oktober, in ihre Schlupfwinkel zurück und dehnt ihren Winterschlaf bis gegen den März aus. Ende Juni oder Anfang Juli bringt sie ihre Jungen zur Welt. Die Nahrung besteht wohl nur aus Kerbtieren, die sie im Fluge fängt.

Wie die meisten übrigen Fledermäuse wird sie von Schmarotzern verschiedener Art arg geplagt, außerdem vom Marder und Iltis, einzelnen Tagraubvögeln und den Eulen, dann und wann auch von Katzen bedroht. Den schleichenden Raubsäugetieren fällt sie namentlich während des Tages, den Eulen nachts bei ihren Ausflügen zum Opfer, da sie von den kleineren gewandten Nachtraubvögeln ohne besondere Mühe im Fluge ergriffen wird.

Die Ohrenfledermaus hält die Gefangenschaft länger als die meisten ihrer Verwandten aus, kann in ihr sogar, obgleich nur bei sorgsamster Pflege, mehrere Monate oder Jahre ausdauern. Wegen dieser Eigenschaft wählt man sie gewöhnlich, wenn man Beobachtungen an gefangenen Fledermäusen überhaupt anstellen will. Man kann sie in gewissem Grade zähmen; denn sie lernt ihren Herrn, wenn auch in beschränktem Maßstabe, kennen.

 

Zu der Gruppe der Nachtschwirrer ( Vespertilio) und der Untersippe der Mausohren ( Myotus) gehört das ganz Mitteleuropa, den Süden unseres Erdteils, das nördliche Afrika und den größten Teil Asiens bis zum Himalaja bewohnende Mäuseohr, die gemeine Fledermaus oder der große Nachtschwirrer ( Vespertilio murinus), die größte unserer einheimischen Fledermäuse, 12 bis 13 Zentimeter lang, wovon 6,3 Zentimeter auf den Schwanz zu rechnen und 37 Zentimeter Klafterweite, oberseits lichtrauchbraun mit roströtlichem Anfluge, unterseits schmutzigweißlich, die einzelnen Haare zweifarbig, an der Wurzel bräunlichschwarz, an der Spitze heller, die verhältnismäßig dünnhäutigen, durchscheinenden Ohren und Flughäute lichtgraubraun, junge Tiere mehr aschgrau gefärbt.

Vorn Anfange des März bis in den Oktober wird man das Mäuseohr an geeigneten Orten kaum vermissen und an seinem unbeholfenen, flatternden, meist geradeaus gehenden oder doch nicht in raschen Zickzacklinien sich bewegendem Fluge auch leicht erkennen. Es bewohnt ebensowohl das Gebirge, in dem es bis zu 1290 Meter über dem Meere emporsteigt, hält sich tagsüber gern unter den Dächern alter, großer oder stiller Gebäude, in Schlössern, Kirchen, Rathäusern, bisweilen auch in altem Mauerwerke oder in ausgedehnten Gewölben, seltener in Gruben und Höhlen auf, hier in zahlreichen Gesellschaften nebeneinander hängend, andere Fledermausarten dagegen nicht neben sich duldend. Auf dem Speicher der Spitalkirche in Wetzlar sind diese Tiere, laut Koch, im Sommer so massenhaft beisammen, daß der Kot fußhoch sich anhäuft, ja daß dieser schon in Wagenladungen als Dünger abgefahren werden konnte. Im Herbst findet man sie nicht mehr vor, und sie kehren erst, nachdem die Jungen mit den Alten fliegen, dahin zurück. Im Winter suchen die Mäuseohren Gewölbe, Höhlen und Bergwerke zu ihrem Aufenthalte auf. Wo es viele Bergwerke gibt, wie in Westfalen usw., trifft man sie im Winter über das ganze Gebiet verbreitet und daher vereinzelt an.

Gegen Ende des Frühjahres wirft das Weibchen in der Regel ein einziges Junges, in seltenen Fällen deren zwei, schleppt dasselbe anfangs mit großer Zärtlichkeit umher, macht sich aber bald von ihm frei, um so mehr, als die Entwicklung des Jungen außerordentlich rasch vor sich geht und es schon vor Beginn des Winterschlafes nicht mehr von den Alten unterschieden werden kann. Bei anhaltend mildem Wetter erwachen auch die winterschlafenden Mäuseohren und rühren sich, wagen sich jedoch niemals ins Freie, ebensowenig als man sie im Sommer bei kaltem, unfreundlichem Wetter fliegen sieht. Selbst bei günstiger Witterung erscheinen sie erst nach eingetretener Dämmerung im Freien.

»Der Breite der Flügelfittiche entsprechend«, sagt Altum, »ist ihr Flug gemächlich, man kann fast sagen matt, unbeholfen, krähenartig. Mit weitausholendem Schlage rudert sie in gerader Richtung, ohne auffallend geschickte scharfwinklige Wendungen zu machen, über breite, beiderseits von starken Wallhecken begrenzte Fahrwege, in nicht zu schmalen Alleen, auf freien Plätzen in der Stadt, über breite Straßen auf und ab, fünf, sechs bis acht Meter über dem Boden. Sie scheint nie Eile zu haben, während andere ihres Geschlechtes sich vor geschäftiger Hast kaum zu lassen wissen. Das Jagdgebiet, das sie so abstreicht, scheint etwa fünf Minuten lang zu sein. Draußen habe ich sie nie anders als in der Nähe der Stadt oder unweit ausgedehnter Hofgebäude großer Güter angetroffen. Sie scheint von allen das zarteste Gefühl beziehentlich Gehör zu haben und deshalb im Stande zu sein, schon in einer bedeutenderen Entfernung auf ihre Beute geraden Weges loszusteuern. Ich habe gesehen, wie sie auf wenigstens drei Meter Entfernung fast unvermerkt nach einem Maikäfer sanft zur Seite abbog; es würde auch sonst unerklärlich sein, wie sie imstande wäre, eine Menge viel schneller als Maikäfer fliegende Kerbtiere, namentlich Nachtschmetterlinge, die sie erwiesenermaßen häufig verzehrt, bei ihrem eintönigen Fluge zu erbeuten.«

 

Die mit Querlinien versehenen kürzeren Ohren unterscheiden die Wasserfledermäuse ( Brachyotes) von den Mäuseohren, denen sie sonst, namentlich in der Zusammensetzung des Gebisses, ähneln.

Eine der gemeinsten Arten dieser Gruppe, die Wasserfledermaus oder das Rotkurzohr ( Leuconoё Daubentonii), klaftert bei 8,5 Zentimeter Gesamt- oder 4,7 Leibes- und 3,8 Zentimeter Schwanzlänge, 23 bis 24 Zentimeter, ist an ihren kurzen Ohren mit länglich schmalem Deckel und dem Fehlen des Sporenlappens leicht von anderen Fledermäusen ähnlicher Größe zu unterscheiden und sieht auf der Oberseite rötlichgraubraun, unten trübweiß aus. Die dünnhäutigen Flughäute und die Ohren sind graubraun, letztere an der Wurzel etwas heller. Das zweifarbige Haar hat an der Wurzel schwarze, an der Spitze lichtgraubraune, unten weiße Färbung.

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Wasserfledermaus ( Leuconoë Daubentonii)

Wie es scheint, bewohnt die Wasserfledermaus fast ganz Europa und einen Teil Asiens. Man trifft sie in Deutschland, Schweden, Finnland, dem ganzen östlichen Frankreich, Ungarn, Sizilien, Sardinien, dem mittleren Rußland und im Ural an. In Gebirgsgegenden steigt sie ziemlich hoch empor, am Harz etwa 600, in den Alpen bis gegen 1200 Meter über Meer. In wasserreichen Gegenden fehlt sie nirgends, und hier und da tritt sie außerordentlich häufig auf. Sie erscheint im Frühjahr schon im Anfang des März und treibt sich bis Ende Oktober außerhalb ihrer Winterherberge umher. Zu letzterer wählt sie ebensowohl hohle Bäume wie Gewölbe, Gruben, Felsenhöhlen und zerfallende Gebäude über der Erde, sucht sich aber in Kalkhöhlen und alten Stollen mit Vorliebe die hintersten Stellen aus und hängt hier entweder frei oder verkriecht sich in Gesteinwinkeln und Ritzen, überall, wo sie häufig vorkommt, lebt sie gesellig, und nur in wasserarmen Gebirgsgegenden begegnet man ihr einzeln. Bei ihren Jagden kommt sie mit dem ersten Beginnen der Abenddämmerung zum Vorscheine, eilt ihrem vom Schlafplatze manchmal eine Viertelstunde weit entfernten Jagdgebiete, irgendeinem Gewässer, zu und treibt sich nun raschen Flugs über demselben umher. »Große Hausteiche«, sagt Altum, »mit angrenzendem alten, zerfallenen Mauerwerke oder noch besser mit daranstoßenden Baumgärten scheinen ihre Lieblingsreviere zu bilden. Ihr Flug ist keineswegs unbeholfen, vielmehr sehr rasch und gewandt. Flattert sie bei schon vorgerückter Dämmerung über solche Stellen, die durch das Spiegelbild der angrenzenden, im Schatten stehenden größeren Gegenstände, als Mauerflächen, Baumgruppen, ganz dunkel erscheinen, so hebt sie sich als weißlich graue wirre Schattengestalt von der dunklen Wasserfläche ab. Sie jagt nach Kerbtieren stets so niedrig über dem Wasser, daß ihr Spiegelbild kaum handbreit von ihr entfernt ist. Befinden sich Brücken über dem Wasser, so überfliegt sie dieselben, um mit ihren Revierteilen zu wechseln, nur äußerst selten; fast ohne Ausnahme schwirrt sie unten durch die Bögen der Brücken, selbst dann, wenn dort mit Menschen angefüllte Kähne sich befinden. Sie ähnelt in dieser Hinsicht der Zwergfledermaus, die auch gern unten durch Torwege und offene Hallen fliegt, sucht kleinere Stellen, etwa die Winkel zusammenstoßender Gebäude auf der Wasserfläche ebenso emsig ab wie jene den Hofraum, begibt sich nach fünf Minuten zu einer anderen Stelle und kehrt nach einiger Zeit zur ersten zurück.« Von ihrem Jagdfluge ermüdet, hängt sie sich zur vorübergehenden Ruhe gern an die Zweige der im Wasser stehenden Bäume und vorspringende Mauerwerke, wo man sie oft reihenweise sitzen sehen kann; sie betätigt ihre Geselligkeit also auch in dieser Hinsicht.

 

Das teilnahmswerteste Mitglied der Sippe der Bergflatterer ( Meteorus), die sich durch 32 Zähne und den oben etwas verbreiterten, mit der Spitze nach vorn gerichteten Ohrdeckel kennzeichnet, ist die Umber- oder Wanderfledermaus ( Meteorus Nilssonii), eine mittelgroße Art von 10 Zentimeter Leibes-, bei 4,5 Zentimeter Schwanzlänge und 26 Zentimeter Flugweite, oberseits dunkelschwarzbraun, unterseits etwas heller, in der Jugend dunkler und unreiner als im Alter gefärbt. »Die lichten Haarspitzen der Oberseite«, sagt Blasius, »liegen wie ein lichter Goldreif auf dem schwarzbraunen Grunde und geben dem Pelze ein eigentümliches Ansehen.« Diese Art hat eine eigentümliche Verbreitung. Nilsson erhielt sie von den Höhen der skandinavischen Halbinsel und vermutet, daß sie bis in die Nähe des Polarkreises hinauf vorkomme. Ihre nordische Natur bewahrt sie auch darin, daß sie nur die Höhen, nirgends die Ebenen am Fuße der Gebirge bewohnt.

 

Das kleinste Mitglied der Gruppe der Buschsegler oder Zwergfledermäuse ( Nannugo), das kleinste europäische Flattertier überhaupt, ist die Zwergfledermaus ( Vespertilio pipistrellus). Ihre Gesamtlänge beträgt nur 6,7 Zentimeter, wovon der Schwanz 3,1 Zentimeter wegnimmt; die Fittiche klaftern 16 bis 18 Zentimeter. Der in der Färbung wechselnde Pelz ist oben gelblichrostbraun, auf der Unterseite mehr gelblichbraun, das zweifarbige Haar an der Wurzel dunkler, an der Spitze fahlbräunlich. Die dickhäutigen Ohr- und Flughäute haben dunkelbraune Färbung.

Die Zwergfledermaus bewohnt fast ganz Europa und den größten Teil von Nord- und Mittelasien. In England, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Spanien, Sizilien und Griechenland scheint sie nirgends zu fehlen, am häufigsten aber doch in Mitteleuropa, insbesondere in Deutschland aufzutreten, da sie hier als die gemeinste Art betrachtet wird. In Berggegenden steigt sie bis zur oberen Grenze des Waldgürtels. In Deutschland gibt es keine Stadt, kein Dorf, ja fast kein Hofgut, auf dem man sie nicht anträfe, falls man einmal ihre meist sehr verborgenen Aufenthaltsorte kennengelernt hat. Während der Tagesruhe findet man sie in verschiedenen Schlupfwinkeln unter Dächern, in Mauer- und Balkenritzen, Gewölben, in Baumlöchern, unter der Rinde alter Bäume oder unter Holzgetäfel, Bildern usw., selbst in den Ästen dichtbelaubter Bäume, Efeuranken und an ähnlichen Orten. In alten Eichen kriecht sie zuweilen in die Bohrlöcher der Hirschkäfer, Larven und großen Bockkäfer: kurz jede ihr irgendwie zufluchtgewährende Stelle wird von ihr ausgenutzt. Für den Winter wie zur sommerlichen Ruhe sucht sie sich ähnliche Örtlichkeiten, zeigt sich auch hierbei nicht gerade wählerisch, da sie besser als alle übrigen Verwandten der Unbill der Witterung widersteht. Später als sämtliche deutschen Fledermäuse zieht sie sich in ihre Schlupfwinkel zurück, und früher als jede verwandte Art erscheint sie wieder im Freien, verläßt ihre Schlafstätten sogar sehr oft im Winter und treibt sich jagend nicht allein in geschützten Räumen, sondern auch im Freien umher. Unter allen Umständen gesellig, schart sie sich während des Winterschlafes oft zu mehreren Hunderten bis Tausenden, die große Klumpen bilden, vereinigt sich auch Wohl mit Verwandten, gleichviel ob diese ebenso stark oder stärker als sie sind.

Der Flug der Zwergfledermaus zeichnet sich durch große Gewandtheit aus, erscheint jedoch der geringen Größe des Tieres entsprechend, wie Altum passend sich ausdrückt, kleinlich behend. Die Höhe ihres Fluges ist nach der Angabe dieses Beobachters sehr verschieden. Sie jagt vorübergehend niedrig über dem Wasserspiegel kleiner Teiche umher, huscht häufiger zwischen den Stämmen von Baumgruppen hindurch und flattert, namentlich an heiteren Abenden, in einer Höhe von 15 bis 20 Meter. In der Stadt, wo sie sehr zahlreich auftritt, hält sie weit die Höhe des zweiten Stockwerkes inne. Auf den Straßen fliegt sie nicht eine größere Strecke in der Mitte derselben, sondern vorzugsweise nahe bei den Gebäuden auf und nieder, schwirrt aber nicht über die höheren Dächer hinweg. Auf dem Lande ist sie bei jedem Gehöfte oder doch nicht weit von demselben entfernt anzutreffen. Gern auch fliegt sie in offene, erleuchtete Zimmer, und unter Umständen können binnen wenigen Minuten hier zwanzig bis dreißig Stück sich sammeln. Niemals aber begibt sie sich in niedrige und kleine Stuben, sondern stets nur in größere Säle und dergleichen. Dagegen vermeidet sie baumlose; freie Plätze oder zieht doch nur vorübergehend über diese weg.

Im Mai bringen sie zwei, seltener nur ein einziges Junges zur Welt; Ende Juni oder im Juli sieht man die schon Wohl entwickelten Kinderchen vereint mit ihren Müttern fliegen und kann sie, auch abgesehen von der Größe, noch sehr Wohl von den Alten unterscheiden. Während diese sich in den mannigfaltigsten, gewandtesten Wendungen regen, flattern die Jungen, laut Altum, mit schnurrendem, rauschendem, aber wenig förderndem Flügelschlage in mehr oder weniger gerader Richtung fort, so daß ihr Flug eine auffallende Ähnlichkeit mit dem eines Tagschmetterlings erhält.

Zwergfledermäuse lassen sich bis zu einem gewissen Grade zähmen, halten wenigstens in der Gefangenschaft ziemlich gut aus, nehmen Milch an, fangen die ihnen vorgeworfenen lebenden Kerbtiere und finden sich nach und nach darin, auch getötete, und selbst rohes und gekochtes Fleisch zu genießen.

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Zwergfledermaus ( Vespertilio pipistrellus)

Mehr als andere Flattertiere wird die Zwergfledermaus von allerlei Feinden bedroht. Man findet ihre Schädelreste in den Gewöllen verschiedener Tag- und Raubvögel, und nach Koch ist es namentlich der Turmfalke, der ihr nachstellt und sie jeder andern Nahrung vorzuziehen scheint. Der »schrecklichste der Schrecken« für das in hohem Grade nützliche Tier, das in unmittelbarer Nähe unserer Wohnungen unter den so schädlichen Motten, den Stechfliegen und andern lästigen Kerfen aufräumt, ist leider »der Mensch in seinem Wahn«, der ungebildete, rohe, teilnahmlose Nichtkenner seiner besten Freunde, der aus Unverstand und Mutwillen die niedlichen, harmlosen und wohltätigen Geschöpfe oft zu Hunderten freventlich umbringt.

 

Als Vertreter der Sippe der Waldfledermäuse ( Panugo) gilt der Abendsegler oder die früh fliegende Fledermaus ( Vesperugo noctula), eine der größten europäischen Arten von 11 Zentimeter Leibeslänge, wovon fast 4 Zentimeter auf den Schwanz zu rechnen sind, und 37 Zentimeter Flugweite, oben und unten mit einfarbigen, gleichmäßig rötlich braunen, in der Jugend trüben Haaren bekleidet, auf den dickhäutigen Ohren und Flughäuten dunkelschwärzlichbraun gefärbt.

Der Abendsegler kommt in ganz Europa vor, findet sich selbst im nordöstlichen, ja sogar im südlichen Asien, verbreitet sich also über einen großen Teil der alten Welt, liebt aber mehr das Flachland und weite Täler als bergige, hochgelegene Gegenden und tritt deshalb innerhalb seines Verbreitungsgebietes nur stellenweise in größerer Häufigkeit auf. Zur vorübergehenden Tagesruhe verbirgt er sich, laut Koch, am liebsten in Baumritzen, Spechtlöchern, Ställen, nicht betretenen Waldhäuschen und kleinen Schlupfwinkeln, die man, wenn sie im Innern hohler Bäume liegen, daran erkennt, daß der Eingang glatt und fettig ist und einen eigentümlich unangenehmen Geruch bemerkbar werden läßt. Ähnliche Aufenthaltsorte wählen unsere Fledermäuse auch zu ihrem Winterschlafe, ziehen sich jedoch zu dieser Zeit ebenso nach Gebäuden, namentlich Kirchenböden, alten, unbewohnten Schlössern und dergleichen Orten zurück, wo sie dann, oft zu Hunderten in dicken Klumpen, dachziegelartig aufeinander hängen, falls sie nicht eine wirkliche Wanderschaft antreten. Kolenati beobachtete, daß die Abendsegler an der Donau zu Tausenden westwärts zogen, und Koch fügt dem hinzu, daß in den gebirgigen Teilen Süddeutschlands sie im Herbste zu verschwinden und erst gegen die Mitte des Sommers dahin zurückzukommen Pflegen. An andern Orten Deutschlands und selbst im Norden hat man sie während des Winters gefunden. Sie schart sich um diese Zeit mehr oder weniger massenhaft zusammen, vereinigt sich auch mit verwandten Arten, obwohl gerade sie keineswegs verträglich ist. Der Winterschlaf beginnt ziemlich früh und dauert ununterbrochen fort bis spät in das Frühjahr.

Unter allen einheimischen Fledermäusen ist die Abendfledermaus die kräftigste; sie fliegt am höchsten und kommt abends am ersten zum Vorschein. Nicht selten sieht man sie schon einige Stunden vor Sonnenuntergang und, falls man so sagen darf, oft genug im Kampf mit Raubvögeln. Durch ihre schnellen Wendungen weiß sie aber fast allen Angriffen sehr geschickt zu entgehen; nicht einmal der behende Baumfalke, der doch sogar die Schwalben fängt, vermag ihr beizukommen. Man darf unter allen Fledermäusen sie die gewandteste nennen. »Mit raschen, fast zitternden Flügelschlägen«, sagt Altum, »umschwirrt sie fast unheimlich schnell die höchsten Baumwipfel, bald hierhin, bald dorthin sich schwenkend, bald in größeren Zickzacklinien ein Kerbtier verfolgend, bald ohne Flügelschlag mehrere Fuß weit fortschießend, bald wie im Gaukelspiel gleichfalls um einige Fuß herabstürzend, um sofort wieder mit dem augenblicklich unterbrochenen Fluge fortzufahren.« Ihre Nahrung besteht in den verschiedensten Kerbtieren aller Art, und auch sie zählt zu den nützlichsten unserer Säugetiere. Von Feinden wird sie weniger heimgesucht als ihre Verwandten; doch fand man im Gewölle der Schleiereule auch ihren Schädel vor. Verderblicher als lebendes Getier wird ihr der Winter: Altum versichert, daß er sie häufiger als alle andern Arten erfroren gefunden habe.

Gewissermaßen ein Übergangsglied von den Glatt- zu den Blattnasen bilden die Breitohren ( Synotus), kaum weniger absonderlich aussehende Geschöpfe, als die Blattnasen es sind. Die Mopsfledermaus ( Bardstellus communis) ist 9 Zentimeter, ihr Schwanz 5 Zentimeter lang und sie klaftert 26 Zentimeter. Die Oberseite des Pelzes hat dunkelschwarzbraune, die Unterseite etwas heller graubraune, das einzelne Haar an der Wurzel schwarze, an der Spitze fahlbraune Färbung, die dickhäutigen Flughäute und Ohren sehen schwarzbraun aus.

Man kennt die Mopsfledermaus, laut Blasius, aus England, Frankreich, Italien, Deutschland, Schweden und der Krim. Auch habe ich sie, sagt unser Gewährsmann, in Ungarn und im mittleren Rußland beobachtet und an den Alpen an verschiedenen Punkten bis zu den letzten Sennhütten hinauf angetroffen. Nach Koch liebt sie besonders Gebirgsgegenden und sehr waldreiche Orte, tritt aber niemals gesellig auf und hängt sich auch während des Winterschlafs nur ausnahmsweise zu zweien oder dreien zusammen, obgleich sie sehr verträglich ist und weder mit ihresgleichen hadert, noch andere Fledermausarten stört oder durch diese sich stören läßt. Zur vorübergehenden Tagesruhe verbirgt sie sich am liebsten in Mauerritzen, seltener hängt sie sich frei an dunklen Stellen von Felswänden oder in Gewölben und dergleichen Orten an. Nach Kolenati ist es wahrscheinlich, daß auch sie wandert, da sie in einzelnen Wintern an Orten, die sie während des Sommers in ziemlicher Anzahl bewohnt, nur selten gefunden wird. Der Winterschlaf der Mopsfledermaus beginnt, laut Koch, erst bei vorgerückter, winterlicher Jahreszeit, mitunter tief im November, ist ein sehr leichter und unterbrochener und endet schon sehr früh, bei Beginn der ersten warmen Tage im Monat März oder schon Ende Februar. Bei anhaltendem Frost hält sie sich allerdings länger in ihrem Versteck, ohne aber in der eigentlichen Bewußtlosigkeit des Winterschlafs zu verharren. Am liebsten bezieht sie alte Gewölbe, Keller, Kasematten, Burgverließe, Bergwerke und Felsenhöhlen, wogegen sie zu Kalkhöhlen keine besondere Neigung zu haben scheint und diese nur aufsucht, wenn keine andere, bessere Gelegenheit in der Nähe ist. Während des Winterschlafs hängen sie meist an den Hinterbeinen mit dem Kopfe nach unten; jedoch mehr an den Seitenwänden als an der Decke, dort mit den Vorderbeinen eine Stütze bildend, die Männchen meist ganz frei, die Weibchen zurückgezogen in Spalten. Weder in Gewölben noch in Bergwerken oder Höhlen geht die Mopsfledermaus weit in die Tiefe, wird vielmehr gewöhnlich gleich am Eingang, mitunter so nahe zu Tage gefunden, daß sie sowohl der Frost wie das Tageslicht erreicht. Bei gelindem Wetter unternimmt sie in ihren Herbergen kürzere Ausflüge und jagt dann namentlich auf Schmetterlinge, die hier ebenfalls überwintern.

Im Sommer stellt sich die Mopsfledermaus im Freien ein, wenn kaum die Dämmerung begonnen hat, bei guter Witterung ebensowohl wie bei Sturm und Regen, fliegt dann meist an Waldrändern und in Baumgärten, seltener zwischen den Gebäuden der Dörfer umher und richtet ihre Jagd hauptsächlich auf kleine Schmetterlinge.

Unter unsern einheimischen Arten ist die Mopsfledermaus am wenigsten zornig und bissig, fügt sich am leichtesten in die Gefangenschaft und hält in ihr, falls man es an einer genügenden Menge lebender Kerbtiere nicht fehlen läßt, recht leidlich aus. Selbst alt eingefangene gewöhnen sich rasch an den Pfleger, verlieren binnen wenig Tagen alle Scheu und werden bis zu einem gewissen Grade zahm.

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Alle zu den Blattnasen oder Blutsaugern ( Istiophora) gehörigen Flattertiere unterscheiden sich von den übrigen durch häutige Nasenaufsätze, deren Form mannigfachem Wechsel unterworfen ist, im wesentlichen aber aus einem mehr oder minder entwickelten Hautblatt auf der Nase besteht. Wenn dasselbe vollständig ist, wird es zusammengesetzt durch das Hufeisen, den Längskamm und die Lanzette, während es in seiner einfachsten Form als eine quer über die Nasenspitze verlaufende Hautfalte sich zeigt. Ferner hat das Weibchen dieser Tiere außer den beiden jedem Handflügler zukommenden Brustwarzen noch zwei durchbohrte zitzenförmige Anhängsel unmittelbar über den Geschlechtsteilen, die eine Lymphe absondern und nach den Beobachtungen Jäckels zum Ansaugen der Jungen dienen. Mögen diese Organe einen Zweck haben, welchen sie wollen, jedenfalls müssen sie als verkümmerte Bauchzitzen betrachtet werden, und es zeigt durch sie die letzte Familie der Handtiere schon eine Annäherung an die folgende Ordnung der Säugetiere, bei denen die Bauchzitzen Regel find. Die Blattnasen sind zahlreich über alle Erdteile verbreitet, kommen aber nur in heißen und gemäßigten Ländern derselben vor. Ihre Nahrung besteht hauptsächlich aus Kerbtieren, zumal Abend- und Nachtschmetterlingen, Käfern, Haften, Mücken, Eintagsfliegen; wohl die meisten von ihnen aber sind Blutsauger und überfallen Vögel und Säugetiere, auch selbst den Menschen während des Schlafes. Obgleich gegenwärtig vielfache Beobachtungen über das Blutsaugen vorliegen, schwebt doch noch ein eigentümliches Dunkel, so recht im Sinne der Vampirsage, über dieser auffallenden Tätigkeit unserer Flattertiere. »Folgt auf die brennende Hitze des Tages die Kühlung der hier immer gleich langen Nacht«, schildert Humboldt, »so können die Rinder und Pferde selbst dann nicht der Ruhe sich erfreuen. Ungeheure Fledermäuse saugen ihnen während des Schlafes vampirartig das Blut aus oder hängen sich am Rücken fest, wo sie eiternde Wunden erregen, in denen Mücken, Dasselfliegen und eine Schar stechender Kerfe sich ansiedelt.« In seiner Reisebeschreibung gedenkt derselbe Forscher nur einige Male der von ihm selbst beobachteten Blutsauger. »Ungeheure Fledermäuse, wahrscheinlich der Sippe der Blattnasen angehörig, flatterten wie gewöhnlich einen guten Teil der Nacht über unsern Hängematten; man meint jeden Augenblick, sie wollen sich einem ins Gesicht einkrallen.« An einer andern Stelle heißt es: »Bald darauf wurde unsere große Dogge von ungeheuren Fledermäusen, die um unsere Hängematten flatterten, vorn an der Schnauze gebissen oder, wie die Eingeborenen sagen, gestochen. Sie hatten lange Schwänze wie die Molossen; ich glaube aber, daß es Blattnasen waren, deren mit Warzen besetzte Zunge ein Saugwerkzeug ist, das sie bedeutend verengern können. Die Wunde war klein und rund; der Hund heulte kläglich, nicht aber aus Schmerz, sondern weil er über die Fledermäuse, als sie unter unsern Hängematten hervorkamen, erschrak. Dergleichen Fälle ereignen sich weit seltener, als man im Lande selbst glaubt. Obgleich wir in den Ländern, wo die vampirähnlichen Fledermausarten häufig sind, so manche Nacht unter freiem Himmel geschlafen haben, sind wir doch nie von ihnen gebissen worden. Überdem ist der Stich keineswegs gefährlich und der Schmerz meist so unbedeutend, daß man erst aufwacht, wenn die Fledermaus sich bereits davongemacht hat.«

Ein nicht näher bezeichneter Reisender ließ sich, wie Cassell mitteilt, von einem Vampir Blut aussaugen, um ihn dabei beobachten zu können. Der Mann hatte sich in dem großen Zimmer eines Hauses zur Ruhe niedergelegt, die Mückennetze um sein Bett aber, weil die Nacht heiß war, nicht niedergelassen. Vollkommen wach, schaute er auf die Mondstrahlen, die durch die offenen Fenster in den Raum fielen. Da erschien ein großer Vampir in dem Zimmer. Unser Beobachter blieb vollkommen ruhig, um zu sehen, was die Fledermaus tun würde. Zuerst segelte sie geräuschlosen Fluges von einem Ende des Zimmers zum andern; nachdem sie aber verschiedene Male den gleichen Weg gemacht hatte, flatterte sie zwischen dem Betthimmel und dem Ruhenden hin und her. Nach und nach verkürzte sie ihre Windungen, senkte sich mehr und mehr hernieder, kam dicht über ihn und bewegte ihre Schwingen außerordentlich schnell, jedoch ohne jedes Geräusch. Sie fächelte ihrem Opfer eine höchst angenehme Kühlung zu. Dann senkte sie sich vollends hernieder. Der Erzähler versichert, daß er den Augenblick, in dem der Vampir in seine entblößte Brust biß, nicht bestimmen konnte, so schmerzlos war der Biß und so angenehm das Fächeln mit den Schwingen. Nach und nach fühlte er aber doch ein leises Schmerzgefühl, das an das von dem Biß eines Blutegels herrührende erinnerte, griff zu und erwürgte den Blutsauger.

Zu den Blattnasen mit verkümmertem Nasenaufsatz gehört die Sippe der Schneidflatterer ( Desmodus) mit V-förmig ausgeschnittenem Nasenblatt, großen, weit voneinander getrennten Ohren, und langem, spitzem, außen gezacktem Deckel, ausgezeichnet noch außerdem dadurch, daß der Schwanz fehlt und die Schenkelflughaut nur aus einem Saum besteht. Der Bündelzähnler, wie Prinz Max von Wied, sein Entdecker, den bereits mehrfach erwähnten Vertreter dieser Sippe genannt hat ( Desmodusrufus), sieht oben nußbraun aus, weil die am Grunde und an der äußersten Spitze weißlichen Haare gegen das Ende hin diese Färbung zeigen, während die Haare der Unterseite viel Heller glänzend silbergrau sind. Alle äußerlichen Körperteile, Nasenblatt, Ohrmuschel, Arme und Beine scheinen fleischrot durch und werden von dem spärlichen Haarkleide nur leicht bedeckt. Die Flughaut hat fast dieselbe Färbung wie der Rücken. Die Leibeslänge beträgt 6,5, die Flugweite 37 Zentimeter. Man findet den Bündelzähnler, laut Burmeister, häufig in den Höhlen von Minas Geraes. Er sitzt am Tage in kleinen Trupps an der Decke und wird durch die Lichter bald aufgeschreckt und beunruhigt. Gleich den Blattnasen im engsten Sinne soll er Blut saugen, und die Form seiner Backen- und Schneidezähne rechtfertigt diese Angabe.

Die Klappnasen ( Rhinopoma) kennzeichnen sich durch langen, freien Schwanz und schmale Schenkelflughaut sowie durch ein eigentümliches Gebiß. Die bekannteste Art der Sippe ist die ägyptische Klappnase ( Rhinopoma microphyllum), ein kleines, langhaariges, lichtgrau gefärbtes Tier von 5,5 Zentimeter Körperlänge, fast ebensoviel Schwanzlänge und 20 Zentimeter Flugweite, an dem der sehr lange und dünne, aus 11 Wirbeln bestehende, weit die Schenkelflughaut überragende Schwanz am meisten auffällt. Die Klappnase lebt in außerordentlicher Anzahl in Ägypten, namentlich in alten, verlassenen Denkmälern, in künstlichen und natürlichen Höhlen. In einem größeren Gewölbe hing sie in solchen Massen, daß die eigentlich schwarze Decke graulich erschien. Unten auf dem Boden lag der Kot zollhoch aufgeschichtet, und der Gestank desselben hatte die ganze, lange Höhle verpestet. Als wir mit Licht in dieses Schlafzimmer traten, erfüllte ein wirklich ohrenbetäubendes Geräusch die Luft, und plötzlich sahen wir uns von einem dichten Gewirr der aufgescheuchten Tiere umringt, die hastig einen andern Ruheort zu erlangen strebten. Das Geräusch ihres Flatterns pflanzte sich weit durch die Höhle fort und klang uns wie ferner Donner in die Ohren. Bei jedem Streiche, den wir mit den Stöcken führten, schlugen wir wenigstens eine, gewöhnlich aber zwei oder drei zu Boden, und nunmehr wimmelten auch noch am Fußboden die flügellahmen Tiere, so behend als möglich dahinkrabbelnd. Die Gefangenen bissen wehrhaft und ziemlich empfindlich um sich.

 

Bei den Vampiren im engsten Sinne ( Phyllostoma), die zu den Arten mit doppeltem Nasenblatt zählen, zeigt der Nasenbesatz meist noch die aufrechtstehende Lanzette. Die Ohren sind fast stets getrennt und die Ohrklappen vorhanden. Unter den zahlreichen Arten dieser Gruppe verdient der größte aller südamerikanischen Blutsauger, der Vampir ( Phyllostoma spectrum), besondere Erwähnung. Seine Länge beträgt reichlich 16, die Breite nach Bates 70 Zentimeter. Der Vampir bewohnt das nördliche Brasilien und Guiana und hier ebensowohl die Urwaldungen wie die Gebäude. Er ist aber eine der harmlosesten Fledermäuse und seine Unschädlichkeit bei allen Uferbewohnern des Amazonenstroms wohlbekannt. Nach älteren und neueren Berichten glaubwürdiger Naturforscher gehört die so arg verschriene Fledermaus wohl zu den Blattnasen, erweislich aber nicht zu den Blutsaugern, jagt vielmehr des Nachts den Kerbtieren eifrig nach und frißt nebenbei Früchte.

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Kleine Hufeisennase ( Rhinolophus hipposiderus)

In Europa wird die Familie vertreten durch die Hufeisennasen ( Rhinolophus). Sie haben breite, verhältnismäßig kurze Flughäute; ihr Flügelschlag ist daher flatternd und der Flug weniger gewandt. Eine der gemeinsten Arten ist die Zwerghufeisennase ( Rhinolophus Hipposideros), eine der kleinsten unserer Fledermäuse. Ihre ganze Länge beträgt nur 6 Zentimeter, ihre Flugbreite 22 Zentimeter. Der Pelz ist hellfarbig, grauweißlich, oben ein wenig dunkler als unten. Unter allen Blattnasen dringt die kleine Hufeisennase am weitesten nach Norden vor. Sie findet sich, laut Koch, in Europa von den Ufern der Nord- und Ostsee bis an die Küste des Mittelmeeres, von der Westküste Europas bis in den Kaukasus, fehlt aber hier und da in Deutschland gänzlich, während sie an anderen Orten in großer Anzahl auftritt. Am Rhein, am Taunus und an der Lahn gibt es kaum eine alte Ruine mit unterirdischen Gewölben, wo sie nicht gefunden würde; ebenso ist sie in alten Kalksteinhöhlen und alten Bergwerken bis hoch in die Gebirge hinauf eine regelmäßige Erscheinung.

Gegen Klima und Witterung weniger empfindlich als ihre Sippschaftsverwandten, fliegt die Zwerg- oder kleine Hufeisennase ungezwungen, doch nicht bei rauhem und nassem Wetter, sucht zu ihrem Aufenthalte immer ganz geschützte Stellen auf und geht dabei in Gruben und Höhlen mitunter in beträchtliche Tiefe hinab. Ihr Winterschlaf währt ziemlich lange; doch scheint die Dauer je nach den Umständen eine verschiedene zu sein. Man sieht mit den ersten Fledermäusen, die ihre Winterherberge beziehen, auch solche Hufeisennasen im Winterschlafe und ebenso mit den letzten, die ihre Schlupfwinkel verlassen. Dagegen gibt es aber viele, die erst später die Winterherberge beziehen und früher munter werden. Diese Verschiedenheit in der Zeit des Anfangs und des Endes vom Winterschlafe scheint durch das Alter nicht, eher durch das Geschlecht beeinflußt zu werden, da Koch im Herbste meistens Männchen sehr früh und im Frühjahr meist Weibchen noch sehr spät im Winterschlafe getroffen hat. Ebenso unterbrechen einzelne Hufeisennasen den Winterschlaf, andere nicht.

Während des Sommers hält sich die kleine Hufeisennase mit Vorliebe in unterirdischen Gewölben, alten, wenig betretenen Kellern, in Felsenhöhlen, alten Bergwerken, ebenso auch in unbewohnten Häusern auf. Sie lebt um diese Zeit ebenso gesellig wie im Winter, schart sich jedoch niemals so massenhaft zusammen wie andere Fledermäuse dies tun, hängt auch nicht in Klumpen, sondern einzeln nebeneinander, so daß eine die andere nicht berührt. Im Zustande der Ruhe hängt sie sich stets frei an die Hinterfüße und schlägt die Flughäute teilweise oder ganz um den Körper. Während des Winterschlafes hüllt sie sich so fest ein, daß man sie eher für einen Pilz als für eine Fledermaus hält. Im Sommer erwacht sie ungemein leicht, so daß man sie auch am hellen Tage, wenn sie ganz ruhig zu schlafen scheint, ohne Netz nicht leicht fangen kann, weil sie bei Annäherung eines Menschen sofort munter wird und wegfliegt. Wenn sie nicht schläft, bewegt sie den Kopf außerordentlich rasch hin und her, um zu wittern, leckt und putzt sich dabei, macht Jagd auf die zahlreichen Schmarotzer, die ihren Pelz bewohnen, gehört überhaupt zu den muntersten, niedlichsten und anziehendsten unserer einheimischen Fledermäuse, obgleich ihr Flug nur unbeholfen und langsam ist, und sie in der Regel nicht hoch über den Boden sich erhebt. Die Gefangenschaft hält sie leider nicht aus.

Die Hauptnahrung der Hufeisennasen besteht in Kerbtieren, die keine harten Teile haben, namentlich kleinen Nachtschmetterlingen, Fliegen usw. Sie ist aber auch ein echter Blutsauger, wie aus Beobachtungen, die Kolenati gemacht hat, deutlich hervorgeht. Dieser Forscher fand im Winter in einer Kalkhöhle in Mähren fünfundvierzig Stück schlafende Fledermäuse, und zwar größtenteils Ohrenfledermäuse und kleine Hufeisennasen, nahm sie mit sich nach Brünn und ließ alle zusammen in einem großen Zimmer, in dem seine Sammlung aufgestellt war, herumfliegen und sich selbst eine Ruhestätte suchen. Er übernachtete in Gesellschaft der Fledermäuse, um sie genauer beobachten zu können. Von sieben bis zwölf Uhr abends flatterte die Ohrenfledermaus, dann hing sie, um zu ruhen, irgendwo sich fest; von ein bis drei Uhr in der Nacht flatterte die Hufeisennase, und hierauf begab sie sich zur Ruhe; von drei bis fünf Uhr morgens flatterten dann wieder einige Ohrenfledermäuse. Diese hielten sich, selbst wenn der Beobachter ruhig stand, in einer Entfernung von drei bis fünf Fuß von ihm, während die Hufeisennasen seinem Gesichte bis auf zwei Zoll Entfernung sich näherten, einige Augenblicke an einer Stelle flatternd hielten, aber auch oft zu seinen Füßen herabflogen und dort in ähnlicher Entfernung flatternd blieben. Als wenige Tage später unser Naturforscher einem seiner Freunde die Fledermäuse vorführen wollte, fand er zu seinem nicht geringen Erstaunen sechs Hufeisennasen bis aus die Flügelspitzen und Krallen aufgefressen, und eine, deren Kopf auf das furchtbarste verstümmelt war. Zahlreiche Blutspuren, blutige Schnauzen und die angeschwollenen Bäuche sowie die vielen Kotklümpchen verdächtigten die noch vollzählig versammelten Ohrenfledermäuse als Mörder der Verschwundenen, und Untersuchung des Magens einer Getöteten beseitigte jeden etwa noch bestehenden Zweifel. Dagegen bemerkte man aber auf den Flatterhäuten der Ohrenfledermäuse in der Nähe des Körpers frische Wunden, deren Ränder schwammig aufgetrieben erschienen; auch hatten diese Tiere sich dachziegelförmig aneinander gehängt und in einen Klumpen zusammengedrückt, während die Hufeisennasen immer vereinzelt die verborgensten Schlupfwinkel zu ihrer Ruhe benutzten. Die Schlußfolgerung dieser Beobachtung war sehr einfach. Die nicht freundlich gegeneinander gesinnten Verwandten hatten sich in der Nacht eine Schlacht geliefert. Während der ersten Ruhe der Ohrenfledermäuse waren die Hufeisennasen gekommen, hatten jene verwundet und ihnen Blut ausgesogen, die Ohrenfledermäuse aber für diese Schändlichkeit während ihrer zweiten Flatterzeit sich gerächt und die Übeltäter kurzweg aufgefressen! So haben wir also auch in Europa wirkliche Vampire, obgleich sie freilich im ganzen außerordentlich harmlos sind und wenigstens keine Veranlassung zu Furcht oder Entsetzen geben können.

Noch häufiger als die geschilderte Art ist die Hufeisennase ( Rhinolophus ferrumequinum). Ihre Leibeslänge beträgt 5,5, die des Schwanzes außerdem 3,5, die Flugweite 33 Zentimeter. Die Nasenplatte ist sehr groß, das Ohr ziemlich groß, die Behaarung reichlich und lang, die Färbung bei dem Männchen oben aschgrau mit weißlichen Haarwurzeln, auf der Unterseite hellgrau, bei dem Weibchen oben licht rötlichbraun und unten rötlichgrau.

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Große Hufeisennase ( Rhinolophus ferrumequinum)

Die Hufeisennase kommt in dem größten Teile des gemäßigten und im südlichen Europa vor, auch fand man sie in Asien, am Libanon. In den Gebirgen geht sie im Sommer bis 2000 Meter in die Höhe. Sie lebt gern gesellig; doch gibt es andere Arten ihrer Familie, die in weit größerer Anzahl als sie zusammen vorkommen. Bisweilen findet man sie auch mit andern Arten vereinigt. Ihre Schlafplätze und Winterherbergen sind die gewöhnlichen. Im Frühjahr erscheint sie bald, im Winter nur selten des Abends erst ziemlich spät. Ihre Fluggewandtheit ist, entsprechend den breiten Fittichen, nicht eben bedeutend, und sie erhebt sich keineswegs besonders hoch. Kolenati glaubt, daß auch sie andern Tieren Blut abzapft. Sie flattert des Nachts in den Schluchten umher, um Rehe und Gemsen anzusaugen, umschwärmt die Lager der Eichhörnchen und macht sich, obgleich ihr Vampirtum noch nicht erwiesen, desselben mindestens in hohem Grade verdächtig.


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