Helene Böhlau
Die kleine Goethemutter
Helene Böhlau

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Viertes Kapitel

Das Kind im alten Garten. – Das geheime Lädchen. – Herr Schaket kommt heraufgetappt. – Herr Schaket äußert sich mächtig. – Ein Wöchner klopft

Im alten schönen Garten die freundlichen, sonnendurchwärmten Blumen. Ein Duft bis hinein in das dämmerige Haus, den die Seele in sich einzieht, bis sie ganz davon erfüllt und parfümiert ist, ja bis dieser warme süße Erdenduft ein Teil ihrer selbst wird.

In dem Garten war Beth ganz allein. Es mochte um die Mittagszeit sein, die Herbstsonne leuchtete in diamantener Klarheit, war nur Wohltat, bedrängte nicht mehr. Beth dehnte sich im Behagen wie eine Katze, der die Sonne das Fell wärmt. Der Garten erschien ihr so schön, so ganz unbegreiflich in seiner Herrlichkeit, sie schaute und schaute. – Wie alles flimmerte – wie die Blumen so frisch dufteten.

Vom großen Birnbaum tropfte eine goldene Birn – Beth hob sie auf. Die Birne war auf einem Stein aufgeschlagen, und der Saft quoll heraus, und wie sie schmeckte! Beth wurde zu Birnengeschmack, das fühlte sie so. Und da stand vor der Beth wie hingeweht ein liebes Gesicht, kam so angeschwommen mitten im Sonnenlicht – und sogleich eine Sehnsucht im Herzen. Das Katharinche, die liebe Bas, 51 und heut war die Strickstund, da ging sie zu ihr – sie allein. Das war so ausgemacht. – Froh war sie und zufrieden, so mitten darin im seligen Anfang ihrer Lebensewigkeit und fühlte sich geborgen und wohl aufgehoben.

Und nun sehen wir sie gehen, wieder durch die alten dämmerigen Gassen, da sagen die Bürgersleute, wenn sie zufällig auf sie achten: »Was e lieb Kind.« Wenn man allein geht, hat man mehr Verantwortung zu tragen als zu zweien oder gar zu dreien. Allein kommt man zu sich.

Jetzt stand sie vor dem Haus, das ganz in die Stadtmauer hineingebaut war, und sein rosenroter Giebel hatte sich aus der dämmerigen Gasse herausgereckt und blickte über den grünen Hochwall hinaus ins Freie. Heut morgen hatte sie ihn gesehen sonnenbeschienen, und die blühenden Blumen vor den Fenstern hatten ihn geschmückt wie zu einem Fest. Kein Giebel hatte so fröhlich über die Mauer geschaut wie der Base Katharinche ihrer.

Wie die Beth so vor dem Hause stand und mit dem Klopfer an die Türe schlug, daß es hallte, sah sie die Bas Katharinche zum Fenster oben im ersten Stock nachdenklich herausschauen. Beth wurde gar nicht von ihr bemerkt. Sie klopfte noch einmal.

»Ei sapperlot – wer steht denn da? Ich guckt in die Luft und machte Glossen. – Wie geht's euch denn allen in dieser Werkeltagswelt?« Und fort war die Bas vom Fenster. Und Beth hörte, wie sie auf ihren roten Pantöffelchen 52 die Treppe herunterfuhrwerkte – klipp, klapp. Was die Bas Katharinche tat, war immer gut und handfest, auch wie die Tür aufflog und sie das Kind mit beiden Armen hoch in die Höhe schwenkte. Vor lauter Kraft, Lust und Lebendigkeit. Und der Beth gefiel das offenbar. Sie waren so ganz eines Blutes, und das spürten sie.

»Nu kann ich mich freuen und fröhlich sein und war soeben eine rechte Brummlerin,« sagte die Bas. »Ei, fort mit euch!« Mit einer kräftigen Armbewegung jagte sie, wie es schien, allerhand Gespensterzeug, das sie geplagt hatte, davon. »Jetzt schau ins Lädche, was ich da Köstliches hab!«

Sie öffnete eine Tür im Erdgeschoß, da quoll ein etwas dumpfes heimliches Gerüchlein heraus, wie es Räume an sich haben, in denen allerhand aufbewahrt wird, das keinen rechten Lebensodem hat, weil niemand im Kämmerchen wohnt. Die Bas Katharinche hob darin ihren Zuckervorrat, ihren Kaffee, ihr Mehlfäßchen, die eingelegten Eier und was ihr Haushalt gebrauchte auf. Eine Babelage, wie Beths Mutter zu verwalten hatte, war hier nicht nötig. Mitten im Kämmerchen stand ein länglicher Tisch, auf dem Stoffe wohlaufgeschichtet lagen, und am offenen Fensterflügel hing das Köstliche, was Beth sehen sollte. Ein grüner Kattun, mit Rosenknospen besät, die sich so natürlich und einzig ausnahmen, daß Beth der Bas in die Arme flog vor Entzücken.

53 »Da werde se gelaufe komme die Weiber,« rief Beth, »auch die Heideblutin, und wenn zehnmal sie sich Sterbeliedercher auf der Gaß von den Chorschülern vorsinge läßt.«

Auf die Heideblutin war Katharinchen nicht gut zu sprechen. Gar mancherlei Ärger hatte sie mit dem Weib, und wer weiß, ob die Heideblutin nicht wieder Schuld trug, daß Katharinche in die Luft geguckt und Glossen gemacht hatte.

Jetzt aber gab sie sich nicht mit Glossen ab und war ganz bei der Sache. Sie hatte auch noch eine Schachtel mit Flortüchlein bekommen.

»Nach dene,« meinte sie, »werde die Weiber sich alle zehn Finger ablecke.« Sie legte sich eins um den hübschen weichen Hals, beguckte sich im winzigen kleinen Spiegel.

»Hat er den Weißbinder endlich gefange?« fragte Beth.

»Bei so bewandte Umstänn, wie sie bei uns gang und gäbe, mein ich, auch ein gefangener Weißbinder wird ihm jetzt zu teuer sein, dem wilde Geizkrage, weil sie grad einen Schneider gefange haben – da guckst! Da werde wir bald so eine ruppige Haut sitzen sehen, die die ausgewetzten Hosen und den roten Rockelor ausflicke wird, mit so verdammte Diebshänd oder Mörderhänd – trotzdem ich mein, eine Schneiderseel wird sich nit grad mit Mord abgebe.«

»Du, aber ich mein, der rote Rockelor tät sich nit mehr recht lohne,« sagte Beth. «Der Vetter sah letzthin wohl 54 armselig drein. Wenn die schöne rote Farb nit gewese wär, man hätte nit geglaubt, wer er doch ist. Und mit seim alten abgelebten Haarbeutel, wie er da so im vollen Trab um die Ecke bog, hätt' eins aufschreie könne vor Schreck.«

»Ja, du, der Rockelor kommt wieder in Würd und Achtung, das ist ausgemachte Sach. Lieber den Leib verliere als den Rock. Die rote Farb hält ihn freilich soeben noch zusamme. Mich wundert nur, daß seine Patienten noch nicht rebellerisch geworde sind über ihren zerlumpten Medikus. Wenn einer so umhersteigt, mag's mit der Praxis übel stehen, werde sie bald denke.«

Dem Leser, der sich über den gefangenen Weißbinder und Schneider Gedanken macht, muß gesagt werden, daß der höchst ehrenwerte Medikus Matthias Schaket neben seiner Praxis auch noch Gefangenenarzt war, und so kam es, daß er sich so einen Burschen, den sie in der Mausefalle hatten und der was konnte, ausbitten durfte für ein Geringes, damit er am Haus oder an der Person einen Schaden reparieren konnte.

Und nicht um die Welt hätte der vortreffliche Medikus und Gatte des hübschen und fröhlichen Katharinchens sich einen unbescholtenen Handwerker irgendwelcher Art ins Haus kommen lassen. So halfen ihm sogar die Sünder zum Sparen.

Lange Zeit konnte darüber hingehen, bis so ein Spitzbub sich fand. Der Rock zerfiel, die Schuhe mußten mit einer 55 Kordel gebunden werden, die er sich färbte, die Küche wurde schwarz wie eine Räuberhöhle, durchs Dach tröpfelte es. Im Winter lag das Eis hoch vor der Tür, daß es halsbrecherisch war, daran vorüberzugehen. Das machte alles nichts, aus dem Gefangenenhaus mußte die Hilfe kommen; anders tat es der Doktor nicht.

Madam Schaket mit den Feueraugen und der feinen Adlernase aber sah zu jeder Zeit appetitlich aus, flatterte in titulierten Kleidern, Reifrock und Paniers, Andring und Fontange und machte sich recht ein Geschäft daraus, bei hohen Festtagen ihren Medikus würdig zu vertreten. Werkeltags ging sie schlicht, aber adrett und immer wie es sich gehört.

Aber sie kannte das Lied: »Es rauscht das Kleid im Schranke« und sang es daheim, wenn ihr Medikus brummte und griesgrämig war. Da ging es wie Feuer durch die Adern, und sie mußte zum Schrank laufen, in dem sie ihre Herrlichkeiten hängen hatte, und drückte das schöne Gesicht in einen seidenen Kleiderbausch.

Sie ließ die Küche weißen, daß sie nur so strahlte, und tat gar manches für das Haus. Ihr geheimes Lädchen war so eine Art Mausefalle für die putzsüchtigen Nachbarinnen, brachte immerhin so manchen Pfennig. Nur wenn der Medikus nicht daheim war, wehte die geblümte Fahne ein Stündchen zum Fenster hinaus und verkündete Wunder und Zeichen den leichtsinnigen Weibern und Madamen. 56 Die kamen dann so angehuscht zu einem Stelldichein mit einer Fontange, einem künftigen Andring oder zum Stoff für weltherausfordernde Paniers.

Auch ihr Amt als Substitut der Stadthebamm brachte ihr manches Stück Geld ein, so selten es sich traf, daß diese würdige Frau ihre geburtstüchtigen Weiber nicht bewältigen konnte.

Gern rief sie zwar nicht ihre Helferin, denn sie fürchtete die muntere Madam Schaket, die den Madamen ihre schwere Stunde auf eine gar wunderliche Weise zu erleichtern verstand. So behend, so hilfreich war die Schaket, so voll Leben und Geist, und hielt ihren Weibern vor, daß es ein gar heiliges und wundersames Geheimnis und Geschehnis sei, wenn unter Schmerzen und Qualen so ein neues ewiges Wesen ans Licht drängte. Ermahnte sie deshalb zur Geduld, Standhaftigkeit und Frommheit mitten in ihren Schmerzen.

Die Madamen und Weiber erzählten sich Wunderdinge, daß sie die Schmerzen zu bannen wisse, daß sie allweil was Neues vorbringen tät, daß es eine Art und Schick habe, und daß sie so Dinge sagen tät: »Mögest du einen tapferen Menschen gebären, der den freien Geist und die Unsterblichkeit nit fürchtet – und also lebt –. Nu halt aus und sei brav, es geht um kei Pappestil. Ei, die Natur gibt nicht alles von selbst her.« Und die Weiber sagten, daß eim da ganz wunderlich zumute würde bei ihren Worten, 57 denn sein Lebtag hört eins nit viel Gescheites auf dieser runden Welt.

Als die Bas Katharinche und die Beth genugsam den geblümten Kattun bewundert und die Flortüchlein beschaut und befühlt hatten, schloß die Bas das Kämmerchen wieder ab und sagte: »Beileibe soll er da keinen Guck hineintue – das ist mei Sach allein. Er tät mir da ein schön Gebrummel mache, als hätte wir's mit dem Jüngste Tag zu tun.

Blieb nit ungern bei der Wahrheit mit dem Mannsbild, wenn's die Möglichkeit wär. Ließ mich auch ausfilze, warum nit. Aber wenn eins mannsdumm ist und dabei auch nit sehe und höre will, – du mein lieber Adamssohn, da heißt's in Gotts Name die Wahrheit untern Schürzezipfel stecke.

Ei hör, jetzt hätte wir vergesse, die Fahn einzuziehn. Das wär so was!«

Damit schloß sie die Kammer wieder auf, zog den geblümten Kattun wieder ein und schloß das Fenster. Und nun ging es hinauf in die Stube, deren Fenster in die Weite blickten.

Schon vor der Türe flötete und schalmeite es, denn eine Amsel sang dem Abend entgegen, so weich und sehnsüchtig, wie sie eigentlich nur nach langer Winternacht und Pein den kommenden Frühling ansingen. In der Gefangenschaft aber ist's immer Sehnsucht, war's doch, als hätte die Bas Katharinche ein singendes Herz in der Stube.

58 Beide standen und lauschten. Im Haus war es schon dämmerig. Der Vogelsang drang hell und süß zu ihnen.

»Horch, da kommt er heraufgetappt.«

Es waren hastende, springende Schritte zu hören.

»Zwei Stufen auf einmal, no, als ob die Welt in Brand steht, angeschossen wie eine Bomb! – So 'n Mann!«

Damit waren sie in die Stube geschlüpft. Die Amsel schwieg, die Blumen vor dem offenen Fenster dufteten nach Kräften, und im Zimmer lag süßer Friede und eine Traulichkeit, als wohnte eine glückselige Seele in diesem Raum.

Da trat der Hausherr ein, schlank, feinknochig, ein schönes, straffes Gesicht, und nicht im roten Rockelor, der wohl im Schrank auf seine Auferstehung wartete. Er trug ein graues Habit, schwarze Strümpfe und Kniehosen, und wirklich – die Schuhe waren mit einer gefärbten Kordel zugebunden, auch sah alles, was er trug, reichlich mitgenommen aus.

»Herr, du mein Gott, ist er mir wahrlich mit der Kordel durchgegange. Und hab' ihm die Schnallenschuh sauber hingestellt. Nur hinlange hätt's gebraucht!«

»Adam, du glückseliger Mann!« schnauzte der trotz seiner Nachlässigkeit im ganzen Auftreten angenehm anzusehende Mann.

»Die Seine, die Eva war doch Fleisch von seinem Fleisch, Bein von seinem Bein – mit einem Wort: seinesgleichen. Das waren noch Zeiten damals!

59 Jetzt aber, setz ich den Fall, Adam gehörte zu der Spezies Ferkel – ist sie gewiß ein Schwan! Ist er ein Tiger – sie gewiß ein Lamm! Und was er auch sei, Esel, Auerochs, Bär: zumeist ist sie – die Gans dazu.

Da gebe Gott dem Müden Kraft und Stärke genug dem Ohnvermögenden!

Hält er seine sieben Zwetschgen beisammen, wie sich's gehört, ist sie ein Sieb, das nichts halten kann, streut und streut!«

Damit schritt der schöne, stattliche und schlanke Mann an ein Tischlein, das am Fenster stand, schloß das Fenster mit einer Bewegung, die besagte: Diese alberne ewige Fensteroffensteherei! Dann öffnete er den Kasten, entnahm ihm einen Haufen langer schwarzer Strümpfe, wühlte in einem großen Durcheinander, das dem Kasten entquoll, fand Nadel, Fingerhut, zog sich einen langen Strumpf über den Arm und begann angelegentlichst zu stopfen.

Gleichmütig saß die Bas Katharinche neben Beth am Fenster und betrachtete Beths Strickstrumpf.

»Summa Summarum,« sagte sie, »so halbwegs klappt's, Aber, aber – unregelmäßig.«

»Unregelmäßig?« fuhr der stopfende Mann auf, »so halbwegs klappt's! Ja ja, so halbwegs – selbstverständlich!«

»Sei nit so krittlich wie ein Kind, das zahnt,« sagte die Eheliebste freundlich.

60 »Was haben sie heunt mir wieder unter den Mantel gesteckt,« murrte er laut.

»Ob du nit gallensüchtig bist, mein Lieber?«

»Lieber?« brummte er. »Lieber will ich mich unter die Bauern melieren und encanaillieren, als unter Menschen nobler Klasse ihr Narr sein! – und das ist ein Medikus heunt!

Ich stehe alle Morgen sommers und winters um fünf Uhr auf.«

»Gott sei's geklagt,« unterbrach Katharinche.

»Arrangier meine Arbeiten, gehe fröhlich dran, seh die Welt für das an, was sie ist, hole morgens meine Sorgen wieder unter dem Kissen vor – und nun geht's los – die Madamen, die unsinnigen, und die ganzen Eselsseminare der Hochedeln – da tät's not, Nasenstüberpillen zu verordnen, Eselsblut, Schlangengift, herba patientia – Pfauendreck gegen den Stolz – Dreiteufelsfeuer gegen den dreiköpfigen Zerberus Ehrgeiz, Habgier und Wollust. Schlagbalsam und Donnerrebe will ich nicht verordnen, möchte zu stark sein für die ganze schwachsinnige Brut!

Und komme ich in die Misere: Diebe – Faule – Bettler – feile Dirnen – Exkremente des Gemeinwesens!

Zerrissene Strümpfe sind mir lieber als zerrissenes Nervenpack – als zerlöchertes Schweinefleisch in Menschengestalt!«

»Erbos dich doch nit so,« sagte Katharinche.

61 »Hab viel sakrifiziert in der Welt, hab wollen Freiheit und Ruh im Gemüt behalten, und wollt mich nit festfahren und an des Teufels Bratspieß stecke lasse, das böse aufgeblasene Patienten- und Weibervolk, die einen hupfen lassen, den Braten wenden und mit Pech und Schwefel träufen. Die meisten Menschen krepieren vor heimlichem Verdruß – garstige Menschenwelt!

Der Kranke soll gelassen sein und seine Krankheit liebhaben, soll sich nit arg sträuben wie ein Schwein. Geduldig sein – dann find er an mir den Medikus, der für ihn durchs Feuer geht! Aber – aber – da fehlt's.«

»Ja, was habe sie denn wieder angestellt?«

Jetzt schwieg er, die Bas Katharinche und Beth strickten aus Leibeskräften.

»Komm her,« rief er, »du kleine Rotznäs, und sieh dir das Loch im Strumpf an, das ich gestopft hab!«

Beth kam zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter, denn sie hatte ihn lieb, nicht so, wie sie die Bas liebte, nicht so mit der ganzen Süßigkeit und Fröhlichkeit ihres Herzens, aber doch rechtschaffen lieb.

Es war da eine große überschäumende Kraft, die Beth gefiel. Die Beth hatte auch die Hochgewitter gewaltig gern. Das hatte sie von der Mutter geerbt, die bei Donner und Blitz hinaus in den Garten ging oder gar vor die Tore auf den Wall. Da hatten sie einander einmal begegnet mitten im Sturm und Regen, Donnergebrüll und Blitzesleuchten 62 und waren sich vor Freud' und Lust naß und tropfend in die Arme gefallen und hatten gefühlt, daß sie eines Lebens waren, und daß sie aus Urgewalten aufgestiegen, hatten nie darüber geredet; aber es nicht vergessen.

»Nu guck,« sagte der Medikus, »siehst du das Loch? Gewiß nit? – Um die Welt nit!« –

»Nein,« sagte das Kind, »aber auch gar nit.«

Der Medikus war auch so eine Art Gewitter mit Blitz und Donner und plötzlichen hellen Sonnenblicken mitten im Durmel.

»Ein gestopftes Loch soll eins auch nit sehen!« – meinte Katharinche; »aber zeig her. Die Henn gackert nit halb soviel wie der Hahn, wenn das Ei gelegt ist.«

»Wer aber bringt 's Leben ins Ei, die Henne oder der Hahn? He? Da darf er wohl gackern.« Er streifte wieder einen langen Strumpf über den Arm.

»Dumm Zeug,« lachte die Bas, »das geht in mein Metier – wer bringt das Kindel ans Licht, die Henn oder der Hahn?«

»Papperle.«

Da klöpfelte es mächtig an der Haustür.

»Ein Wöchner!« rief die Beth. »So klopfen die Wöchner.«

»Könnt sein.«

Beth lief hinunter, um zu öffnen, und kam bald darauf wieder.

63 »No, was bringste gelaufen?«

Beth sprudelte heraus: »Die Madam Stadthebamm läßt sage, die Madam Schaket möcht beispringe, die Madam Söhnlein läge in den Wehen. Die Madam Stadthebamm wär als sonst schon wo. Der Wöchner kömmt gleich hinter mir drein.«

Ja, und da stand er schon, ein schmächtiges Männlein, ganz betreten. – »Du mein Gott – du mein Gott, Madam Schaket, nur rasch, nur gleich!«

»Die Eil ist nit so groß, nur gemach, ich komm schon! – Nur Ruh, mei Lieber, der Mensch hat's nit so eilig, in die Welt zu komme.« Sie frug noch einiges, ließ ihn beruhigter gehen und machte sich gelassen fertig, stellte in der Küche das Abendessen für den Mann zurecht, wobei ihr Beth getreulich half, und machte sich auf den Weg. 64

 


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