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Sechstes Buch

In drei Abtheilungen.

Inhalt.
der ersten Abtheilung.

Wie der theure Held sich seiner künftigen Abenteuer halber bei der weisen Frau Sibylla erkundigen, und mit ihr eine Fahrt in die Hölle anstellen thät.

 

Der zweiten Abtheilung.

Was für seltsame Abenteuer der fromme Held auf seiner Höllenfahrt bestand und was er da alles an Augen, Nase und Ohren zu leiden hätt.

 

Der dritten Abtheilung.

Wie der theure Held nach Elysium kam, um seinen Vater heimzusuchen, und was er da für Wunderdinge sehen und hören thät.

Aeneas ließ sich Extrapost
Beim Aeolus bestellen,
Und kam nach Kuma nun getrost
Mit seinen Spießgesellen.
Die Anker bissen in den Sand,
Die Flotte drehte sich und stand,
Und wies der Stadt den Hintern.

Gleich Flöhen, hüpften an den Strand
Die trojischen Kadetchen;
Der kaufte sich ein Degenband,
Der andre suchte Mädchen,
Der ging auf eine Partie Whist:
Aeneas, als ein frommer Christ
Ging lieber in die Kirche.

Auf einem Berg erblickte man
Ein Schloß, so ungeheuer
Und prächtig, als der Vatikan,
Und auch beinah' so theuer:
Hier hatte die berühmteste
Bauchrednerin, die kumische
Alraune, ihren Tempel.

Sie trieb ein Monopolium
Im Lande mit Orakeln,
So wie noch unser Sekulum
Es treibet mit Mirakeln:
Drum ward ihr Tempel auch sehr schnell
So reich, als wie Mariazell,
Und wie Mariataferl.

Der Tempel selber ward vorher
In Kreta fabriciret,
Und dann nach Wälschland über's Meer
Von England transportiret;
Er war voll schöner Bilderchen:
Aeneas blieb vor jedem stehn,
Und machte seine Glossen.

Hier floh ein Sanct Aloysius
Vor einer Silhouette,
Da wählte sich Macarius
Ein Schnackennest zum Bette,
Und Simon Stock erweckte dort
Am Tisch mit einem einz'gen Wort
Von Todten einen Stockfisch.

Hier predigt Sanct Antonius
Den Fischen Glaubenslehren,
Die Heiden dort statt seiner muß
Ein Esel ihm bekehren;
Hier springt Sanct Ignaz in den Teich,
Dort geht mit ihrem Schmerzenreich
Sanct Genoveva schwanger.

So ließ Aeneas seinen Blick,
Sich zu desennuyiren,
Auf allen Bildern Stück für Stück
Gemach herumspazieren;
Da kam die Priesterin und schrie:
» Fi donc! Monsieur Maulaffe, Fi!
Ist denn seht Zeit zum Gaffen?«

»Such' erst mit Opfer dich mit mir
Gehörig abzufinden,
Dann will ich auf dem Dreifuß dir
Was du verlangst, verkünden.«
Aeneas that's sogleich, ging hin
Und opferte der Priesterin
Fünf schöne Kälberbraten.

Sie führte drauf ihn hin zum Thron,
Worauf sie residirte,
Und wo in eigener Person
Sie Satan inspirirte.
Ein Teufel, der aus Seefeld kam
Und hochdeutsch sprechen konnte, nahm
Jetzt Platz in ihrem Leibe.

Ihr Haar erhob sich unterm Schlei'r,
Ihr Busen unterm Mieder,
Es fuhr ihr ein elektrisch Feu'r
Zikzak durch alle Glieder;
Sie keuchte, wand und krümmte sich,
Verzog die Augen fürchterlich,
Als hätte sie die Kolik.

Doch rief sie, wie Xaverius:
»Mehr, mehr auf diesen Scheitel!«
Der Held verstand dies Amplius,
Und leerte seinen Beutel.
Drauf kniet' er vor die Priesterin
Mit aufgehobnen Händen hin,
Und fing an so zu beten:

»O du, der es gegönnet ist,
Der Zukunft, die im Leben
So spröde sich vor uns verschließt,
Das Röckchen aufzuheben,
O sei so gut, und zeige sie
Mir nur enthüllt bis über's Knie,
Ich bin damit zufrieden.«

Indessen ging's erbärmlich zu
In Frau Sibyllens Höhle,
Der Teufel ließ ihr keine Ruh',
Er beutelte die Seele
Der Armen aus dem Leibe schier,
Und drückt' und drängt' und preßt' an ihr,
Als wollt' er sie erdrosseln.

Und sieh, der Teufel, der sie ritt,
Fing stärker an zu rütteln,
Je mehr die Arme sich bemüht,
Ihn von sich abzuschütteln.
Nach langem Kreißen endlich wird
Die Jungfrau glücklich accouchirt
Mit folgendem Orakel:

»Du wirst zwar Rom und Latien
Auf allen deinen Reisen,
So wenig, als Sanct Peter, sehn,
Und doch wird man dich preisen,
Daß du der erste einen Dom
Daselbst dir stiftetest, und Rom
Zum Sitz der Päbste machtest.«

»Auch wird Tiber den Tiberstrom
Mit Christenblute färben;
Drum wirst du drum nicht minder Rom
Vom Constantinus erben.
Kömmt gleich in seinem Testament
Kein Wörtchen von dir vor, so nennt
Dich doch das Alt' und Neue.«

»Bei meinem Eid! das Ding,« versetzt
Aeneas, »läßt sich hören;
Allein, Madam, ihr müßt anjetzt
Mir noch etwas gewähren:
Ich möchte, weil ich eben da
Die Höll' en mignature sah,
Sie auch im Großen sehen.«

»Denn um nicht so durch Berg und Thal
Auf eigne Faust zu laufen,
Will ich einst meine Reisen all'
Beschreiben und verkaufen;
Und dann wär's schlecht, hätt' ich nicht auch
Mich in der Erde weitem Bauch
Ein bischen umgesehen.«

»Es ist ja in den Tartarus
Schon Herkules gedrungen.
Und auch der Fiedler Orpheus
Hat sich hineingesungen;
Selbst Pater Kochem war sogar
Schon in der Hölle, und der war
Doch nur ein Kapuziner!«

»Darum versehet mich zuvor
Mit einem guten Passe,
Damit man mich am Höllenthor
Frei durchpassiren lasse;
Ihr lebt ja mit dem Cerberus
Auf einem sehr vertrauten Fuß,
Euch ist ja dies was Leichtes.«

»Leicht ist zur Hölle das Entrée,«
Versetzte sie betroffen,
»Und Tag und Nacht läßt Hekate
Ihr schwarzes Pförtchen offen;
Doch wer in diese Gegenden
Hinein sich wagt, der mag auch sehn,
Wie er herauskömmt wieder.«

»Doch willst du ungebraten denn
Dies Reich mit mir betreten,
So ist dazu ein Schlüsselchen
Von Gold dir höchst von Nöthen;
Denn wiss', ein goldner Schlüssel ist
Ein wahrer passe-par-tout, er schließt
Die Höll' auf, und den Himmel.«

»Allein im Augenblick, als wir
Von Höll' und Himmel sprachen,
Fuhr eben ein Kamrad von dir
Dem Teufel in den Rachen.
Er blies heut seinen letzten Baß;
Drum geh' vorher noch heim, und laß
Fein christlich ihn begraben.«

Und als Aeneas heim kam, fand
Er seinen Feldtrompeter
Ersäuft, das Glas noch in der Hand;
Er war ein großes Wetter
Im Saufen; doch ein Reichsprälat
Soff ihn für diesesmal schachmatt,
Und strafte seinen Frevel.

Sonst that er Wunder in der Schlacht,
Und hatte manchem Hasen,
Der Rechtsumkehrteuch schon gemacht,
Courage zugeblasen;
Doch bei Aeneas blies er sich,
Als dieser Troja ließ im Stich,
Die Schwindsucht an die Gurgel.

Um also nicht für undankbar
Für all dies zu passiren,
Ließ ihn der Held mit Haut und Haar
Im Feuer destilliren.
Und seine Trojer sammelten
Die Quintessenz des Seligen
In einem großen Weinfaß.

Er aber selbst studirte sich
Halbtodt indeß beiseite:
Was doch der goldne Dieterich
In Plutons Reich bedeute.
Ihn wurmte dies Geheimniß sehr
Er sann darüber hin und her,
Und konnt' es nicht ergründen.

Doch weil Frau Venus ihren Sohn
Von je so auferzogen,
Daß ihm, bereits gebraten schon,
Ins Maul die Vögel flogen;
So warf sie einen Beutel, der
Voll Geld war, vor ihm hin, daß er
Nur drüber stolpern durfte.

Mit diesem Schlüssel in der Hand
Sucht' er nun auf der Stelle
Voll Muth herum im ganzen Land
Den Eingang in die Hölle.
Nach langem Suchen endlich roch
Er Schwefel, sieh, und fand das Loch
Für seinen goldnen Schlüssel.

Die Hölle riß sperrangelweit
Das Maul hier auf und gähnte,
Daß man ihr bis ins Eingeweid'
Hinabzusehen wähnte;
Dabei stieg Schwefeldampf und Rauch
Aus ihrem immer vollen Bauch
Empor in dicken Wolken.

Auch war so heiß ihr Athemzug,
Daß drob die Lüfte glühten,
Und sich bloß im Vorüberflug
Die Vögel alle brieten;
Sie stank dabei so jämmerlich.
Daß selbst die Stern' am Himmel sich
Die Nasen drob verhielten.

Und litt sie dann von Zeit zu Zeit
(Weil sie nichts pflegt zu käuen)
An einer Unverdaulichkeit,
So fing sie an zu speien
Als wie der Berg Vesuvius,
Und nur Sanct Januarius
Könnt' ihr das Brechen stillen.

»Du siehst,« sprach jetzt die Priesterin
Zu ihrem Kandidaten,
»Den Rauchfang hier von dem Kamin,
Wo die Verdammten braten;
Weg alle, die ihr ungeweiht,
Und nicht, wie wir, des Teufels seid,
Zurück von dieser Pforte!«

»Du aber, dem der Himmel gab,
Dies Heiligthum zu finden,
Stich einen schwarzen Bock jetzt ab
Für alle deine Sünden;
Besprenge dann vorsichtiglich
Mit Weihbrunn, und bekreuze dich,
Und dann marsch fort zum Teufel!«

 

O du, der einst vom Höllenaas
So wunderschön geschrieben,
Und bei dem Garkoch Satanas
Die Kochkunst lang getrieben,
O Pater Kochem, großer Koch!
Hilf mir die Höllenküche doch
Nach Würden jetzt beschreiben.

Auf einer engen steilen Bahn,
Die nie ein Strahl besonnte,
Durch Finsternisse, welche man
Mit Händen greifen konnte,
Kam unsre Madam Mentorin
Mit ihrem Telemach bis hin
Zur höll'schen Antischamber.

Des Pluto's Hofgesind war hier:
Der Krieg sein Oberjäger,
Das hohe Alter sein Hatschier,
Der Schmerz sein Wasserträger,
Der hagere Neid sein Vorstehhund,
Sein Postillon das Fieber, und
Sein Leiblakai die Sorge.

Auch die Intoleranz war hier
Als Pluto's Kammerheizer,
Der Geiz sein Großallmosenier,
Die Tyrannei sein Schweizer,
Die schwarze Lüge sein Friseur,
Die Schmeichelei sein Parfumeur
Und dann der Tod – sein Kuppler.

Und in des Vorhofs weitem Raum
Sahn sie ein Bäumchen stutzen,
Es war ein Pfaffenkäppchenbaum,
Denn er hing voll Kaputzen;
Aus jeder sah mit langem Ohr
Ein mönchisch Vorurtheil hervor,
Und wartete des Pflückers.

Rund um den Baum her fanden sie, –
Nicht ohne Furcht und Grauen,
Die höllische Menagerie,
Gar gräßlich anzuschauen.
Zuerst ein Thier, halb Weib, halb Hund,
Das boll und biß und schäumt' am Mund,
Genannt der Eheteufel.

Und dann ein Monstrum, blind und dumm,
Mit hundert Eselsschwänzen,
Die, stutzt man sie, sich wiederum
Im Augenblick ergänzen,
Ein Thier, so furchtsam wie ein Has',
Das nichts als Lukaszettel fraß,
Genannt der Aberglaube.

An dieses Thieres Brüsten sog
Ein Ungeheuer lange,
Wie Löwe grausam, geil wie Bock,
Und giftig wie die Schlange;
Das Thier, das oft die Kette riß,
Spie Feu'r, trank Menschenblut, und hieß
Der mönch'sche Fanatismus.

Hier war auch König Gerjon, der
Sein Vieh mit Menschen speiste,
Dreifaltig an Person und sehr
Einfältig doch am Geiste.
Was ihn am meisten stets gefreut,
War dies, daß er zu gleicher Zeit
Drei Weiber küssen konnte.

Und dann der Riese, der den Rath
Der Götter einst verscheuchte,
Und dem der Riese Goliath
Kaum an die Waden reichte,
Er war sehr stark, und gab daher
Auf einmal einst dem Jupiter
Zweihundert Nasenstüber.

Auch die Harpyen fand der Held
Hier mit erstauntem Blicke,
Sie kamen von der Oberwelt
Jetzt schaarenweis zurücke,
Und flogen hin nach Spanien
Und andern wärmern Gegenden
Um Futter da zu suchen.

Nun ließ der fromme Reisende
Von da sich weiter führen,
Sie hatten jetzt die höllische
Kloake zu passiren.
Neunarmig floß allhier einher
Der Höllenkoth, und stank so sehr,
Wie zu Berlin die Sprea.

Hier kam ein alter Murrkopf hart
An's Land heran gerudert,
Das Alter hatte seinen Bart
Ihm schneeweiß eingepudert;
Doch ließ er ihn zerrauft und dicht,
Und kämmt' und pflog und putzt' ihn nicht
Wie unsre Kapuziner.

Ein Sack, so alt und grob, als er,
Bedeckte seine Blöße,
Sein Ruder war ein knotiger
Portierstock, seltner Größe;
Er war hier Bootsknecht und Portier,
Und drum ein größrer Flegel schier,
Als selbst ein Klosterpförtner.

Unzählbar, gleich den Häringen,
Die in gedrängten Schaaren
In's Fischnetz der holländischen
Großhäringskrämer fahren,
So drängten sich hier haufenweis
Die armen Seelen um den Greis
Und schrieen: Ueberfahren!

Da sprach der Held zur Priesterin:
»Was soll dies Lamentiren?
Ich glaube gar, sie bitten ihn,
Sie über'n Dreck zu führen?
Und wie's hier stinkt, als häufte da
Sich all die Assa foetida
Der Höll- und Himmelsgötter.«

»Hier ist,« erwiderte Madam,
»Aus allen Höllenflüssen
Der schrecklichste, bei dessen Schlamm
Die Götter schwören müssen;
Sie kennen keinen andern Schwur;
Denn wahre Götter schwören nur
Bei ihren Excrementen.«

»Doch hier der Schlagbaum, der den Strom
Mit einem Zoll beleget,
Den hat die Datarie zu Rom
Hierorts sich angeleget,
Weil man bekanntlich ohne Geld
Mit Ehren weder in die Welt,
Noch aus der Welt kann reisen.«

»Da zahlt nun jeder Passagier,
Will er hier anders weiter,
Zwei Pfennige zur Mauthgebühr
Dem Seelenüberreiter,
Der da ihn visitiren muß,
Und darum auch diabolus
Romanae rotae
heißet.«

Doch der Zurückgelassenen
Unzähliges Gewimmel
Schwebt lange, gleich Amphibien,
Hier zwischen Höll' und Himmel,
Und singet: Miseremini!
Bis sich wer findet, der für sie
Ein paar Siebzehner zahlet.« –

Es fand auch Palinur sich hier,
Der kam und sprach: »O lieber
Aeneas, schwärze mich mit dir
Den Höllenfluß hinüber!
Ich bin sehr klein jetzt, schnupfe mich
Als Schnupftabak, und schneuze dich
Am andern Ufer wieder.«

Allein die Alte sprach: »Laß ab,
So was von uns zu flehen,
Und warte, bis an deinem Grab
Drei Wunder sind geschehen,
Und man dich förmlich einst plombirt,
So wird dein Leib, schön ausstaffirt,
Auf einem Altar prangen.«

Doch Charon, der die Reisenden
Jetzt sah, fing an zu fluchen,
Und rief: »Was habt, ihr Laffen, denn
In unserm Reich zu suchen?
Meint ihr, die höll'sche Camera
Obscura
sei für euch nur da,
Um d'rin herum zu schniffeln?«

»Da kömmt nun alle Augenblick
Ein Schnapphahn voller Quinten
Zu uns herab, sucht hier sein Glück,
Begafft uns vorn und hinten,
Zieht dann nach seiner Oberwelt,
Und läßt von uns für theures Geld
Infame Lügen drucken.«

»Der Eine malt uns Teufel weiß,
Der Andre schwarz, wie Mohren,
Der findet unsre Hölle heiß,
Der Andere gefroren;
Der bringt aus Furcht uns Opfer dar,
Und Jener nennt uns offenbar
Popanze für die Kinder.«

»Der sagt, wir wären wasserscheu
Als wie die tollen Hunde,
Und der wirft Seelenmäklerei
Uns vor mit frechem Munde;
Der gibt uns Schwänz' und Pferdehaar
Und Jener sagt, wir sähen gar
So aus, wie eure Hahnrei.«

So schnurrte sie der Alte an,
Allein sein Zorn war eitel!
Denn flugs griff unser frommer Mann
In seinen seidnen Beutel,
Und sprach: »Ihr werdet durstig sein,
Da habt ihr auf ein Paar Maas Wein,
Geht, Alter, führt uns über!«

Wer schmiert, der fährt zu Land und See;
Denn sieh! der graue Schimmel
Nahm willig jetzt die alte Fee
Und unsern großen Lümmel
In seinen Kahn, ein kleines Ding
Das leck schon war und Wasser fing,
Als wie ein alter Stiefel.

Das Wasser kam jetzt in den Kahn
Durch manche große Lücke:
Da frug der Held voll Angst, ob man
Das alte Zeug nicht flicke? –
Doch Charon sprach: »Seit, wie ihr wißt,
Die Ueberfahrt verpachtet ist,
Wird nichts mehr repariret.«

Sie kamen dennoch endlich wohl-
Behalten über'n Strudel;
Allein am andern Ufer boll
Ein großer schwarzer Pudel;
Der hält hier Wache auf der Streu,
Und zwickt die Seelen, die vorbei
Passiren, in die Waden.

Schon wollt' Aeneas zitternd sich
Vor diesem Hund verstecken;
Allein Madam rief: »Kusche dich!«
Und warf ihm ohne Schrecken
Ein frisches Agnus Dei vor;
Und sieh! der Pudel hing das Ohr
Und kroch in seine Höhle.

Die Vorhöll war der erste Ort,
Den sie besahn in Eile:
Die kleinen Kinder hatten dort
Erbärmlich Langeweile,
Und weinten drum, hieher gebannt,
Im hohen kläglichen Discant
Ein unaufhörlich Tutti.

Sie hielten sich nicht lang hier auf,
Verließen das Gewimmer
Von Kindern, und erblickten drauf
In einem schwarzen Zimmer
Das hochnothpeinliche Gericht,
Wo man den Seelen 's Stäbchen bricht,
Und sie justificiret.

Sie mischten da sich in die Schaar,
Und sahn und hörten manches:
Als Richter saß hier Eskobar,
Und Busenbaum und Sanches.
Dabei befand, als Auscultant,
Mit taubem Ohr und offner Hand
Sich ein Auditor rotae.

Hier schrieb auf eine Eselhaut
Ein Teufel alle Sünden,
Und dorten mußt' ein andrer laut
Die Sündentax verkünden:
Wie theuer nämlich Hurerei,
Und Meuchelmord, und Blutschand sei,
Um absolvirt zu werden.

Klement, der Königsmörder ward
So eben vorgeführet,
Er ward in ihrer Gegenwart
Summarisch inquiriret:
Und sieh! man absolvirt den Wicht,
Und zweifelt noch, ob man ihn nicht
Auch heilig sprechen sollte.

Drauf wurde dem Triumvirat
Herr Werther vorgeführet
Und von dem höllischen Senat
Sehr scharf examiniret;
Die Herr'n votirten drauf und da
Ward er per unanimia
Dem Teufel übergeben.

Hierauf kam eine Frau, die so
In ihren Sohn entbrannte,
Daß sie, weil dieser vor ihr floh,
Den Dolch ins Herz ihm rannte:
Doch weil sie fromm gestorben war,
So durfte sie nur auf ein Jahr
Den Höllenschornstein fegen.

Dann eine andre, die ihr Mann
Durch Geld zum Fall einst brachte,
Der als verkleideter Galan
Sich selbst zum Hahnrei machte;
Die kriegte, weil der Wille zwar
Sehr schlecht, doch ächt der Partus war,
Nur sieben Vaterunser.

Hierauf Madam Eryphile,
Die nicht viel besser dachte,
Und eine zweite Bethsabee
An ihrem Ehmann machte;
Die wurde, weil ihr Herr Galan
Ein König war, dem Urian
Auf ewig überliefert.

Drauf kam Evadne, die sich kühn
Das Leben einst verkürzte,
Und sich zu ihrem Ehmann in
Den Scheiterhaufen stürzte;
Auch dieser ward mit scharfem Ton,
Daß sie der Inquisition
Ins Handwerk griff, verwiesen.

Und dann Laodamia, die
Mit ihres Mannes Schatten
Sich noch aus lauter Sympathie
Versuchte zu begatten;
Doch weil sie um Vergebung bat,
So sprach Herr Sanches, » Transeat
Sie war in der Verzückung.«

Aeneas schlich sich fort, noch eh
Die Herrn ihn observirten,
Und kam jetzt in die Seufzallee,
Wo die Verliebten girrten.
Es wehten hier nur Seufzerchen,
Und auf den Blumen zitterten,
Anstatt des Thaues, Thränen.

Hier mußt' ein armer Seladon
Die Hosen durch sich knieen,
Da war ein Donquischottchen schon
Bereit sie auszuziehen;
Dort stand Petrark, der arme Narr,
Und sah, wie Laura sich ihr Haar
In seine Lieder wickelt.

Auch die verlassne Dido fand
Aeneas hier in Thränen.
Er küßte zärtlich ihr die Hand,
Und wollte sie versöhnen:
Doch die erzürnte Schöne griff
Nach einer Nadel, und da lief
Der Held, so weit er konnte.

Und nun begegnet ihm voll Schmerz
Sichäus, Dido's Gatte,
Mit welchem er einst Dido's Herz
Und Bett halbiret hatte.
Der Held erkannte ihn mit Müh':
Denn ach, er sah euch aus, als wie
Der Mond im ersten Viertel.

Nun kam er endlich zur Partei
Der Helden, die im trüben
Und langen Kampf mit Tyrannei
Und Aberglauben blieben.
Und welche der Verfolgung Hand
In diese Gegend hergebannt,
Um da nun auszuschnaufen.

Viel ruhiger als in Paris
Schlief hier bei seinem Bruder
Der Hugenott, und Luther hieß
Hier nicht umsonst ein Luder:
Und, frei von blutigem Complot,
Aß ruhig hier sein Vesperbrod
Der Franzmann mit dem Wälschen.

Und hier ereiferte gewiß
Sich kein zelot'scher Schreier
Domingo's für den Glauben bis
Zum Scheiterhaufenfeuer:
Im Kühlen gingen hier einher
Die frischgebratnen Märtyrer
Aus Lissabon und Goa.

Kein Synodus ließ hier dem Huß
Die Finger mehr verbrennen.
Hier durfte sich Frebonius
Bei seinem Namen nennen;
Und auch der ehrliche Jean Jacques
Sucht' hier, ohn allen Schabernack,
Nach Wahrheit und nach Kräutern. –

Indeß stach schon die Sonn' erhitzt
Die Menschen auf die Köpfe,
Und guckte durch den Schornstein itzt
In ihre vollen Töpfe.
Da sprach Sibylle: »Schon zwölf Uhr
Vorbei, und wir sind immer nur
Noch in der höll'schen Vorstadt!«

»Du siehst hier, fuhr sie fort, vor dir
zween wohlbetretne Pfade;
Der gehet nach Elysium hier,
Und jener führt gerade
Zur großen Tartarei uns hin,
Wo Luzifer von Anbeginn
Als Tartarchan regieret.«

Der Held sprach: »Zeigt mir vor der Hand
Die höllischen Kalmucken!
Das himmlische Schlaraffenland
Will ich hernach begucken.«
Da führte nun die Priesterin
Zur Teufelsburg den Helden hin,
Die sieben Thore hatte.

Am ersten Thore fing man schon
Die Trommel an zu rühren,
Und eine ganze Legion
Von höll'schen Grenadieren
Macht' unsern beiden Fremdlingen
Parade mit hellglühenden
Kanonen auf der Schulter.

Sie waren equipirt, als wie
Gewöhnliche Soldaten,
Nur mit dem Unterschied, daß sie
Die Zöpf' am Hintern hatten!
Sie waren roth und schwarz dazu
Montirt, ganz à la Marlborough
Wie unlängst unsre Damen.

Sie präsentirten das Gewehr
Vor unserm frommen Helden,
Und dieser ließ bei Luzifer
Als Reisender sich melden:
Der war so gnädig und befahl,
In seinem Zuchthaus überall
Ihn frei herum zu führen.

Die große Höllenküche sah
Der Held nicht ohne Regung,
Viel tausend Hände waren da
So eben in Bewegung,
Um für des Satans leckere
Gefräßigkeit ein groß Soupé
Auf heute zu bereiten.

Als Oberküchenmeister stand
Mit einem Herz von Eisen
Hier Pater Kochem, und erfand
Und ordnete die Speisen.
Er ging beständig hin und her
Und commandirt als Oberer
Das Küchenpersonale.

Hier sott man Wucherseelen weich
Dort wurden Advokaten
Gespickt, da sah man Domherrnbäuch'
In großen Pfannen braten;
Und dort stieß man zu köstlichen
Kraftsuppen die berühmtesten
Genies in einem Mörser.

Hier pökelt man Prälaten ein,
Dort frikassirt man Fürsten;
Da hackt man große Geister klein
Zu Cervellate-Würsten,
Da hängt man Schmeichler in den Rauch
Und räuchert sie, dort macht man auch
Aus Kutscherseelen Rostbeef.

Hier steckt ein Aristoteles
Im Kohl bis an die Füße,
Und dort dreht sich Origines
Als ein Kapaun am Spieße:
Daneben kräht ein Recensent:
Und aus den süßen Herrchen brennt
Man dorten Zuckerkandel.

Der richtet feige Memmen zu,
Und brät sie wie die Hasen,
Der kocht ein köstliches Ragout
Aus lauter Schurkennasen:
Der gibt ein Paar Tyrannen hier
Mit Menschenblute ein Klystier,
Und macht aus ihnen Plunzen.

Hier bäckt man feines Butterbrod
Aus weichen Menschenseelen,
Statt Krebsen siedet dort sich roth
Ein Schock von Kardinälen;
Der macht Gelée aus Witzlingen,
Und dort hofirt ein Teufelchen
Als Bock Diabolini.

Zu diesem Mahl ließ Lucifer
Den frommen Helden laden,
Allein Aeneas dankte sehr
Für alle diese Gnaden,
Und excusirte sich damit:
Er habe seinen Appetit
Auf lange Zeit verloren.

Ohn' also hier auf Appetit
Nach Höllenfleisch zu warten,
Ging er, um Luft zu schöpfen, mit
Madam in Satans Garten.
Sie fanden ihn abscheulich schön,
So gut war mit dem Gräßlichen
Das Schöne hier vereinigt.

Der Hölle siebenfache Nacht
Die nie ein Thau befeuchtet,
War hier in fürchterlicher Pracht
Mit Bonzenfett erleuchtet.
Ein Stück Illumination,
Das manche schwere Million
Den Christen schon gekostet.

Die wunderschönsten Blumen sah
Man in den Blumenbeeten;
Als Teufelsaugen glühten da
Leichtfertige Koketten,
Und dort saß, ohne Zopf und Schopf,
Ein Stutzerchen als Todtenkopf
Auf einem Teufelsabbiß.

Die Damen, die dereinst die Scham
In Büchschen bei sich führten,
Und sie, wenn sie die Lust ankam,
Sich auf die Wangen schmierten,
Sah man als Feuerrosen hier,
Und ach: sie überglühten schier
Das Abendroth der Hölle.

Hier winkten alte Jüngferchen
Umsonst als Herbstzeitlosen,
Da wiegten sich Mistkäferchen
Auf feilen Skabiosen,
Dort paradirten Könige,
Mätressen, Grafen, Herzoge
Als Amsterdamer Tulpen.

Hier auf den Bäumen zitterten
Statt Espenlaub Soldaten,
Die einst sich aus dem feindlichen
Gedräng geflüchtet hatten:
Und statt der Nachtigallen plärrt
Im tausendstimmigen Conzert
Ein Mönchschwarm dort die Mette.

Allein nichts glich den Statuen,
Die hier sich ließen sehen:
Man sah hier die lebendigen
Originale stehen.
Von Leuten, die die Oberwelt
in Copia für theures Geld
Auf Postamenten ehret.

Die Männer, die ins schwarze Buch
Der Menschheit sich durch Thaten,
Belastet mit der Erde Fluch,
Einst eingeschrieben hatten,
Die sah man hier auf feurigen
Piedestalen glühend stehn,
Sich selbst zum ew'gen Denkmal.

In großer Glorie stand da
Mit seiner frommen Schwester
Pachomius, der Urpapa
Der Mönch- und Nonnenklöster,
Und trug, zur Erde tief gebückt,
Und wie vom schwersten Stein gebückt,
Den Fluch von Millionen.

Dann auch die bösen Päbste, die
Um Blut nicht zu vergießen,
Am Feuer der Orthodoxie
Die Ketzer braten ließen:
Als ewiges Auto-da-fe
Stand drum hier auch der spanische
Mordbrenner, Sennor Brandthurm.

Der erste Menschenjäger, der
Gleich Thieren Menschen jagte,
Der erste weiße Teufel, der
Die armen Neger packte,
Die standen beide glühend hier
Und riefen laut: »Ihr Schinder, ihr!
Lernt doch das Jus naturae

Herr Höllenbrand, der einst die Herrn
Im schwarzen Rock so plagte,
Und selbst der Liebe Predigern
Das Lieben untersagte:
Der lag auf einem Felsen hier,
Und ach, der Geier der Begier
Frißt ewig ihm am Herzen.

Und als ein zweiter Jupiter,
Mit nachgemachten Blitzen,
Mußt hier auf seinem Throne sehr
Ein Franziskaner schwitzen,
Für das erfundne Pülverchen,
Das Menschen frißt zu tausenden,
Und schwarz ist, wie sein Name.

Auch Tonti, der die Sterblichen
Das Lottospielen lehrte,
Und durch getäuschte Hoffnungen
Der Menschen Elend mehrte,
Den lehrte hier Tisiphone
Mit einer Ruthe bessere
Aequationen machen.

Und der zum feindlichen Duell
Der Zeit, die lang ihm worden,
Die erste Karte als Kartel
Geschickt, um sie zu morden,
Der spielte mit der Ewigkeit
Hier um den letzten Stich schon seit
Mehr als vierhundert Jahren.

Madam Sorel, die einst im Haar
Den ersten Schmuck getragen,
Und auch Kleopatra, die gar
Einst Perlen trug im Magen;
Die büßten ihre theure Lust,
Und trugen hier um Hals und Brust
Die schönsten Feuersteine.

Doch als sie weiter einen Mann
An Ohren, Nas' und Armen
Verstümmelt und zerrissen sah'n
So frug ihn voll Erbarmen
Der Held: »Du armer Narr, was hast
Denn Du gethan? Du bist ja fast
Wie Marsyas geschunden!«

»Ich bin ein Jesuit, sprach er,
Der Klassiker edirte,
Doch jeden dieser Herr'n vorher
Mit frommer Hand kastrirte:
Und wie ich den Ovidius
Der Welt gab, so verstümmelt muß
Ich hier mich produciren.«

Allein nichts fand er gräßlicher
Im ganzen Höllengrunde,
Als eine Koppel wüthiger
Ergrimmter Fleischerhunde,
Die mit heißhungriger Begier
Aus einem Menschenschädel hier
Das Hirn, ganz warm noch, fraßen.

»Wer sind denn diese Bestien,«
Begann der Held zu fragen:
»Die hier zu ganzen Dutzenden
An einem Schädel nagen?
Und ach! wer ist der arme Tropf,
Der den Kanaljen seinen Kopf
Zum Futter geben mußte?«

»Nachdrucker sind (erwiderte
Sybille) diese Hunde,
Das allerunverschämteste
Gezücht im Höllenschlunde,
Das stets nur nach Autoren jagt,
Die Armen bei den Köpfen packt,
Und ihr Gehirn verzehret.«

»Auch ich, versetzt Aeneas, bin
Nicht sicher vor den Thieren,
Und ließ von seiner Priesterin
Sich eilends weiter führen.
Madam Sibylle ging voraus,
Und wies ein großes Vogelhaus
Ihm in dem Höllengarten.

Hier fand der Held die ganze Schaar
Der Aner, Iner, Isten
In einem Käfig, unzählbar,
Als Papageien nisten:
Sie disputirten allerhand,
Wovon der Held kein Wort verstand
Als hie und da ein – »Spitzbub!«

Drauf sah der Held am Ende noch
Auf einem Hausen, größer
Als der vom Römer-Mist, jedoch
Nicht um ein Härchen besser,
Das übrige hier modernde
Und täglich sich vermehrende
Auskehricht unsrer Erde.

Und sollt' ich, liebe Damen, um
Die Zeit euch zu vertreiben,
Euch all den Mist, der hier herum
Beisammen lag, beschreihen,
So müßtet ihr zum mindesten
Dazu mir eure Züngelchen,
Die nie ermüden, leihen.

 

Voll Schrecken, Angst und Furcht verließ
Der Held den Ort der Buße,
Und kam jetzt in das Paradies
Der ewig frohen Muße,
Wo man, aus Rasen hingestreckt,
So ganz die süße Wonne schmeckt
Des sel'gen Far niente.

Hier trug um jede Jahreszeit
Das Firmament, zur Freude
Der Herrn Elysier, ein Kleid
Von himmelblauer Seide,
Mit sanftem Purpurroth verbrämt;
So wie wenn sich ein Mädchen schämt
Bei offenen Gardinen.

Das Wasser war hier Milchkaffee,
Das Erdreich Chokolade,
Gefrornes aller Art der Schnee,
Die Seen Limonade,
Der Rasen lauter Thymian,
Die Berge Zuckerhüt' und dran
Die Felsen Zuckerkandel.

Champagner, Sekt und Meth sah man
An den Kaskaden schäumen,
Es wuchsen Torten, Marzipan
Und Karpfen aus den Bäumen!
Die Flüsse führten Wein und Bier,
Und Maulwurfshügel waren hier
Die köstlichsten Pasteten.

Gebraten kömmt hier ein Fasan,
Das Sauerkraut zu zieren,
Gespickt läuft dort ein Has' heran,
Und fleht ihn zu trenchiren.
Hier legt die Henn' auf den Salat
Ihr Ei, dort wälzt ein Schwein, anstatt
Im Koth, sich in der Sauce.

Hier kriegt ein armer Schüler, statt
Des Brods, Prälatenfutter,
Da haut ein wackerer Soldat
Sich ein in Käs und Butter;
Dort schifft ein Admiral daher
Auf einem ganzen rothen Meer
Von köstlichem Burgunder.

Gold gab's, wie Mist, und doch hieß man
Hier Niemand Ihro Gnaden:
Die Bankozettel brauchte man
Nur auf den Retiraden,
Und o, Brillanten trug man hier
An jedem Finger, größer schier,
Als unsre Quadersteine.

Man sah hier Menschen aller Art:
In Jacken und Soutanen,
Mit langem und geschornem Bart
Mit Mützen und Turbanen,
Mit Hüten von verschiednem Schnitt,
Doch ach! sehr wenige nur mit
Birreten und Tiaren.

Hier flochten Jungfern einen Kranz
Der Jungferschaft zu Ehren,
Da hüpften sie im Reihentanz
Bei der Musik der Sphären!
Dort zog ein frommer Ehemann
Die Ehstandshosen wieder an,
Die einst sein Weib getragen.

Hier schmauchen Solon, Wilhelm Penn,
Confuz und Zoroaster,
Und Montesquieu beim himmlischen
Bierkrug ihr Pfeischen Knaster,
Und lesen dann, wenn ihnen sehr
Die Zeit lang wird, den Erlanger,
Und Schlözers Staatsanzeigen.

Sanct Locke hier anatomirt
Bis auf die ersten Keime
Die Wahrheit, dort realisirt
Sanct Plato seine Träume,
Da lehret und katechisirt
Sanct Sokrates und dirigirt
Die himmlische Normalschul.

Hier singt beim frohen Dichtermahl
Anakreon Gleims Lieder,
Und dort umarmen Juvenal
Und Swift sich als zween Brüder,
Da stimmt man Klopstocks Hymnen an,
Dort trinkt Horaz und Luzian
Auf Wielands Wohlergehen.

Hier disputiret über Wahn
Sanct Pyrrho mit Sanct Lessing;
Und da begleitet Ossian
Mit seinem Horn von Messing
Ein Lied von Kleist, dort greift Homer
Auf seiner Harfe hin und her,
Und singet die Lenore.

Hier kann an einer Opera
Sich Ohr und Auge werden,
Da spielet Sanet Cäcilia
Ein groß Conzert von Hayden,
Und dorten singen Engelchen
In Mara's Ton und Gluckischen
Akkorden Halleluja. –

Draus sahn sie noch die himmlischen
Und großen Raritäten
Als – Pfarrer ohne Köchinnen
Allein in keuschen Betten,
Poeten ohne Eitelkeit,
Dann Reiche, die das Geben freut,
sind Fürsten ohne Buhlschaft.

Und alle diese Glücklichen,
Die unter Edens Bäumen
Hier, frei von allen Kränkungen,
Die Ewigkeit durchträumen,
Die gingen hier en negligé,
Und hatten musselinene
Schlafhauben auf den Köpfen.

Nun dacht' Aeneas erst daran,
Anchisen nachzufragen.
Er frug den nächsten besten Mann:
»Kann mir der Herr nicht sagen,
Wo hier mein Herr Papa logirt?
Er hat hieher mich invitirt,
Und heißt: Herr von Anchises.«

»Der wohn im Wirthshaus dort, wo man
Den besten Lethe schenket,
Der so besoffen machen kann,
Daß man an nichts mehr denket:
Die Seelen, welche von hier fort
Marschiren müssen, trinken dort
Noch den Johannissegen.«

Aeneas lief ins Wirthshaus hin,
Genannt zur goldnen Tonne,
Und kaum erblickt' Anchises ihn,
So rief er voller Wonne:
»Nu, bist du endlich einmal da?
Schon glaubt' ich Dich in Lybia
So gut als eingebökelt!«

»Ich habe dich hieher citirt,
Um dir, was aus den Racen
Der Römer einst noch werden wird,
In nuce sehn zu lassen.
Drum kommt auf den Altan zu mir
Herauf mein Sohn, ich will dir hier
Die künft'gen Römer zeigen.«

»Sieh da auf jene Wiese hin:
Zween Knaben, die sich baren,
Die werden, ehe noch am Kinn
Die Haare ihnen wachsen,
Dereinst an deiner Römer Hof –
Der als ein kleiner Erzbischof,
Und der als Bischof glänzen.«

»Dem wird das Papstthum sein Papa
Einst erblich hinterlassen,
Und den wird seine Frau Mama
Zum Papste machen lassen,
Eh' er ins Mannesalter tritt,
Und dem dort küßt man gar schon mit
Zwölf Jahren den Pantoffel.«

»Der hier wird einst die weltlichen
Monarchen imitiren,
Und sich der erste für souvrain,
Gleich ihnen deklariren:
Ja, was kein König prätendirt,
Sogar sein eigner Vater wird
Papa ihn schelten müssen.«

»Der wird hier einst den Erdenball
Mit Abfahrtgeld besteuern;
Und der die Woche ein paarmal
Den Stockfisch sehr vertheuern:
Dort dein Herr Namensvetter wird,
Wenn er dereinst in Rom regiert,
Nach dir sich Pius nennen.«

»Der wird mit Dispensation
Und Indulgenzen handeln,
Und jede Absolution
In baares Geld verwandeln,
Und der dort mit dem Judashaar
Verschachert dir dereinst sogar
Die päpstliche Tiare.«

»Auf den hier harrt ein schrecklicher
Krieg über die Kaputzen:
Dort unter dem wird man nicht mehr
Die Engelländer stutzen:
Von dem, der hier Tabak schnupft, wird
Der Schnupftabak einst condemnirt,
Von jenem dort die Bibel.«

»Doch sieh! dort zeiget sich am Strom
Ein Mann von seltnen Gaben;
Denn dieser Lieutenant von Rom
Wird einst die Keckheit haben,
Mit einer Hand die Mächtigen
Der Erd' und mit der anderen
Den Himmel selbst zu packen.«

»Er hält wie Jupiter die Welt
Mit seinen Augenbrauen,
Und wird, wohin sein Blick nur fällt,
Zerstören oder bauen;
Denn sieh nur, sieh! die mächtige
Gebogne Nas', und drauf die Ple-
nitudo Potestatis!

»Er wird sich eine zweite Kron'
Um seine Kappe winden,
Und dann sich eine Ruthe von
Gestähltem Eisen binden,
Damit wird er, wie irdene
Gefäße dann die Könige
Zu tausend Scherben schlagen.«

»Zwei Schwerter werden immer fest
In seiner Scheide stecken:
Sein Reich wird er von Ost bis West,
Der Sonne gleich, erstrecken,
Und seine weisen Satzungen
Bis auf den allergeistlichsten
Artikel – auf die Münzen.«

»Mit ihm beginnt der Christenheit
Das goldne Jubiläum:
Da läuft denn alles weit und breit
Zum römischen Te Deum,
Und singt den Panegyrikus:
Heil, Heil dem Bonifazius,
Qui nihil boni fecit

»Und o, wer wird dich ungenannt,
O Kossa, präteriren!
Du wirst zu Wasser und zu Land
Als ein Korsar regieren:
Und wenn du, hocherlauchter Fürst,
Einst dieses Handwerks müde wirst,
Wirst du ein Reitknecht werden.«

»Der dort, ein zweiter Julius,
Wird Cäsarn imitiren,
Und in Pontificalibus
Armeen commandiren,
Um zu beweisen, als ein Held:
Sein Reich sei nicht von dieser Welt –
Subaudi – unterschieden.«

»Doch der wird mit dem Federkiel
Weit trefflicher hanthieren,
Und jedem, der's erobern will –
Ein schönes Land cediren.
Mit Königen wird er so, wie
Im Schachbrett, und mit Kronen wie
Mit Haselnüssen spielen.«

»Und dort der finstre stolze Mann
Wird einst sehr wenig lachen:
Er wird sein Schwert – man sieht ihm's an –
Zum Henkerschwerte machen;
Das größte Monument, das je
Die Ehrbegier sich meisselte,
Wird er sich selbst errichten.«

»Hier siehst du endlich einmal den
Dir oft versprochnen Weisen:
Ihn wird, als den Gesegneten,
Die späte Nachwelt preisen.
Was einst Voltair ihm dedicirt,
Und die Sorbonne condemnirt,
Wird er als Weiser schätzen.«

»Doch sieh! dort kömmt der größte Mann,
Der, wenn man ihm's vergönnte,
Uns, was Rom Böses je gethan,
Vergessen machen könnte:
Er wird den heil'gen Müßiggang,
Der ein Fünftheil des Jahrs verschlang,
Zum Wohl der Menschen mindern.«

»Es wird einst, den Giganten gleich,
Ein Orden auf sich thürmen,
Der wird, wie sie, das Himmelreich,
Und Kirch und Staat bestürmen:
Und dieser mächtige Koloß
Wird, so wie Troja, lang dem Stoß
Der Fürsten widerstehen.«

»Dem argen Volke wird er keck
Dereinst die Hälse brechen,
Und unsere Parvistenböck'
An ihren Lehrern rächen;
Allein nur zeigen, ach, wird man
Der Welt den edlen theuern Mann,
Und ihr ihn wieder nehmen.«

So ließ er alle Römlinge
Die Musterung passiren,
Drauf führt er beide Reisende
Zu zwei verschiednen Thüren:
Die eine war von Elfenbein,
Die andre von den Hirschgeweih'n
Zweibeiniger Zehnender.

Durch diese konnte nun getrost
Der Held nach Hause gehen.
Er ließ vom nächsten Ost-Süd-Ost
Sich nach Kajeta wehen.
Dort, liebe Leser, mag er denn,
So lang, bis wir ihn wieder sehn,
Gemach vor Anker liegen.

 


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