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Straparola erzählt

Der darauf zu sprechen anhub, hatte eine etwas schwere Zunge, wofür er sich auch gleich zu Eingang seiner Rede entschuldigte:

»Laßt mir, erlauchte und ehrenwerte Herren, den Namen, den man mir, da ich in Padua studierte, gab, indem man mich den Streparola nannte, den geräuschvoll daher Redenden, woraus ich dann einen Straparola machte, was, wie Ihr wißt, einen bedeutet, der übermäßig viel redet. Ihr merket es ja wohl, daß ich ein Ausbund des Redens war. Aber da nun dem so war, daß meine Zunge etwas langsam, so legte ich mich aufs Hören, und dessen gab es ja in Venedig, der Königin aller andern Städte, wo ich meine Tage verbrachte, genug. Die Schiffe brachten aus dem Osten die Märchen, die man sich dort erzählte, und ich gab wieder, so gut und schlecht ich konnte, was ich vernahm. Und übte mich, fehlte es an solcher fremder Ware, an Messer Morlinis kräftigem Latein, sein in Rom vom Papste verbranntes Büchlein Geschichten in die vulgäre Sprache zu bringen, zum Ergötzen aller die es lasen. Und Ihr wißt, es waren viele, denen ich mit meinen Märchen die Zeit vertrieb. Stellt, ich bitt Euch, den Anspruch nicht zu hoch. Ich bin, Ihr seht es, von kleiner Gestalt in allem. Und hab weder Titel noch Würden, die dem geringen Schreiben aufhelfen könnten, mehr zu sein als was es ist – Belustigung. Ihr werdet mir gleich recht geben, nachdem Ihr meine kleine Geschichte gehört habt.

In der hochedlen lombardischen Stadt Bologna, der Mutter der Gelehrsamkeit, die alles Nötige in reichem Maße besitzt, lebte ein adliger Student aus Kreta, namens Philenio Sisterna, ein hübscher und liebenswerter Jüngling. Eines Tages beging man in Bologna ein glänzendes Fest, zu welchem viele der schönsten Frauen der Stadt geladen waren, und woran unter vielen bolognesischen Edelleuten und Studierenden auch Philenio teilnahm. Nach der Gewohnheit junger Leute warf er seine Blicke bald auf diese, bald auf jene Schöne, und da sie ihm sämtlich wohlgefielen, beschloß er unter allen Umständen mit einer von ihnen den Reigen zu tanzen. Er näherte sich also einer von ihnen, welche Emerentiana hieß und die Gattin des Messer Lamberto Bentivogli war, und forderte sie zum Tanz auf. Sie war höflich und nicht minder keck als schön und schlug den Antrag nicht aus. Philenio, der langsamen Schrittes den Reigen tanzte, drückte ihr bisweilen die Hand und flüsterte ihr die Worte zu: ›Edle Dame, Eure Schönheit ist so groß, daß sie unfehlbar jede andre überstrahlt, die je meine Augen gesehen. Es gibt kein Weib, zu dem ich so heftige Liebe empfände wie zu Eurer Hoheit, und wenn Ihr meine Liebe erwidert, so würde ich mich für den glücklichsten und zufriedensten Menschen von der Welt halten; wo nicht, so werdet Ihr mich bald des Lebens beraubt sehen und die Schuld an meinem Tode tragen. Da ich Euch nun, meine Gebieterin, liebe, wie ich es tue und wie es meine Pflicht ist, so nehmt mich zu Eurem Diener an und verfügt über mich und das Meinige, wie geringfügig es auch sei, wie über Euer Eigentum. Keine höhere Gnade wüßte ich mir vom Himmel zu erflehn, als einer so hohen Herrin untertan zu werden, die mich wie ein Vogel gefangen hat durch den süßen Leim der Liebe‹.

Emerentiana, welche die schönen und anmutigen Worte mit Aufmerksamkeit angehört hatte, war klug genug, sich taub zu stellen und antwortete nichts. Als der Tanz beendigt war und Emerentiana ihren Sitz wieder eingenommen hatte, ergriff Philenio die Hand einer andern Dame und trat den Tanz mit ihr an. Aber kaum hatte er ihn begonnen, so redete er sie mit folgenden Worten an: ›Gewiß, anmutigste Dame, habe ich nicht nötig, Euch mit Worten auszudrücken, wie groß und heftig die heiße Liebe ist, die ich zu Euch hege und hegen werde, solange mein Geist diese schwachen Glieder, dieses unselige Gebein beherrscht. Aber glücklich, ja überselig würde ich mich schätzen, wenn ich Euch zu meiner Herrin, zu meiner einzigen Gebieterin erwürbe. Da ich Euch nun so sehr liebe und Euch ganz ergeben bin, wie Ihr leicht selber bemerken könnt, so verschmäht es nicht, mich zu Eurem unterwürfigsten Diener anzunehmen, da all mein Glück, ja mein Leben selbst von Euch und sonst von niemand abhängig ist.‹ Die junge Frau, welche Panthemia hieß, erwiderte, so gut sie alles verstanden hatte, doch nichts, sondern setzte den Tanz mit vielem Anstande fort und nahm, als er zu Ende war, halb lächelnd ihren Platz neben den andern Damen ein. Es währte nicht lange, so ergriff der verliebte Philenio die Hand der dritten, welche die artigste, anmutigste und schönste Frau war, die man damals in Bologna finden konnte und begann mit dieser einen Tanz, indem er sich eine Gasse durch diejenigen bahnte, welche sich herzudrängten, um sie zu bewundern. Und bevor der Tanz zu Ende war, redete er sie folgendermaßen an: »Verehrenswürdige Frau, vielleicht werdet Ihr mich für nicht wenig anmaßend halten, wenn ich Euch jetzt die stille Liebe entdecke, die mein Herz für Euch empfindet und längst empfunden hat. Aber beschuldigt nicht mich, sondern Eure Schönheit, die Euch über alle andern Frauen erhebt und mich zu Eurem Sklaven macht. Ich schweige jetzt von Euren untadeligen Sitten, ich schweige von Euren hervorragenden bewundernswerten Tugenden, die so groß und zahlreich sind, daß sie Macht hätten, die höchsten Götter vom Himmel herniederzulocken. Wenn also Eure natürliche kunstlose Schönheit den unsterblichen Göttern gefällt, was Wunder, daß sie mich zwingt, Euch zu lieben und Euer Bild in den Tiefen meines Herzens verschlossen zu tragen. Darum bitte ich Euch, edle Herrin, einziger Balsam meines Lebens, den wert zu halten, der des Tages tausendmal für Euch stirbt. Dann werde ich glauben, daß ich Euch, deren Gunst ich mich befehle, mein Leben verdanke.‹ Die schöne Frau, welche Sinforosia hieß, hatte die schmeichelnden süßen Worte wohl verstanden, die aus dem feurigen Herzen Philenios hervordrangen und konnte ein kleines Seufzerchen nicht unterdrücken; jedoch bedachte sie ihre Ehre und daß sie vermählt sei und antwortete ihm nichts, sondern ließ sich nach beendigtem Tanz wieder auf ihrem Platz nieder.

Nun saßen die drei fast in einem Kreise nebeneinander und unterhielten sich mit heiteren Gesprächen, als Emerentiana, die Frau Messers Lamberto, nicht in böser Absicht, sondern scherzweise zu ihren beiden Gefährtinnen sprach: ›Meine lieben Damen, soll ich Euch nicht etwas Lustiges erzählen, was mir heute begegnet ist?‹ ›Nun was denn?‹ fragten die Freundinnen. ›Ich habe,‹ sagte Emerentiana, ›während des Reigens einen Liebhaber gefunden, und zwar den schönsten, anmutigsten und wohlerzogensten, der zu finden ist. Er sagt, meine Schönheit habe ihn mit solcher Liebesglut erfüllt, daß er Tag und Nacht keine Ruhe finde.‹ Und so erzählte sie ihnen Wort für Wort, was er zu ihr gesagt hatte. Als diese Panthemia und Sinforosia hörten, sagten sie, ganz dasselbe sei auch ihnen begegnet, und sie verließen das Fest nicht, ohne zuvor herausgebracht zu haben, daß es ein und derselbe gewesen, der allen dreien hintereinander den Hof gemacht. Hieraus entnahmen sie die Gewißheit, daß jene Worte des Verliebten nicht aus aufrichtiger Liebe, sondern aus Verstellung und Arglist hervorgegangen seien, und maßen ihnen daher denselben Glauben bei, den man den Fieberträumen der Kranken oder den Phrasen in den Romanen zu schenken pflegt. Sie schieden auch nicht eher, als bis sie sich alle drei das Wort gegeben, eine jede von ihnen wolle ihn auf eine Weise zum besten haben, daß der Verliebte sich zeitlebens erinnern solle, daß auch die Frauen zu foppen verstehen. Philenio fuhr fort, bald dieser, bald jener von ihnen schön zu tun, und da er sah, daß sich ihm alle drei wohlgewogen zeigten, so nahm er sich vor, wenn es möglich wäre, von jeglicher die letzte Frucht der Liebe zu empfangen; aber es gelang ihm nicht, wie er wünschte und hoffte, sondern es ward ihm seine Absicht in jedem Falle vereitelt. Emerentiana, der geheuchelten Liebe des albernen Studenten überdrüssig, rief eine ihrer Mägde, die sehr hübsch und freundlich war und trug ihr auf, zu gelegener Zeit mit Philenio zu sprechen und ihm die Liebe zu vertrauen, welche ihre Herrin für ihn fühlen, die, wenn es ihm recht sei, eine Nacht in ihrem eigenen Hause mit ihm zubringen wolle. Als Philenio dies hörte, ward er froh und sagte zu dem Mädchen: ›Geh', kehr' nach Hause zurück, empfiehl mich deiner Herrin und sage ihr von mir, sie möge mich heute abend erwarten, da ihr Mann nicht zu Hause übernächtige.‹ Inzwischen ließ Emerentiana viele Bündel scharfer Dornen zusammenlesen und legte sie unter die Bettstelle, in der sie des Nachts schlief und erwartete so die Ankunft des Liebhabers. Als es Nacht geworden war, griff Philenio zu seinem Degen und begab sich allein zum Hause seiner Feindin, wo ihm auf das Zeichen, das er gab, alsbald geöffnet wurde. Und nachdem sie eine Weile zusammen geplaudert und üppig miteinander zu Nacht gespeist hatten, suchten sie die Kammer auf, um sich ins Bett zu begeben. Aber kaum hatte sich Philenio entkleidet, um das Lager zu besteigen, kam Messer Lamberto, der Gatte. Als die Frau dies hörte, tat sie sehr erschrocken, und da sie nicht wußte, wo den Liebhaber verbergen, befahl sie ihm, unters Bett zu kriechen. Als Philenio die Gefahr für sich und die Frau erkannte, verschwand er, ohne sich etwas anzuziehen, im bloßen Hemde unter das Bett und zerstach sich so entsetzlich, daß an seinem ganzen Leibe vom Kopf bis zum Fuß keine Stelle war, die nicht geblutet hätte. Und je mehr er sich in der Dunkelheit der Dornen erwehren wollte, desto ärger stach er sich und durfte doch nicht schreien, damit Messer Lamberto ihn nicht höre und umbringe. Ich überlasse es Euch, den Zustand Euch vorzustellen, in dem der Unglückliche die Nacht verbrachte – und wie er die Sprache verloren hatte, so fehlte wenig, daß er nicht auch noch sein Liebeswerkzeug einbüßte. Als der Morgen kam und der Ehemann das Haus verließ, kleidete sich der arme Student, so gut er konnte, wieder an und kehrte, blutrünstig wie er war, nach Hause, wo er sich noch längere Zeit nicht von seiner Todesangst erholen konnte. Doch unter der Pflege eines sorgsamen Arztes erholte er sich bald und ward wieder so gesund wie zuvor. Auch währte es nicht lange, so verfiel er von neuem in seine verliebten Neigungen und machte den beiden andern, Panthemia und Sinforosia, den Hof und brachte es dahin, daß er eines Abends Gelegenheit fand, Panthemia zu sprechen, der er seinen langen Kummer und seine beständigen Qualen erzählte und sie bat, doch Mitleid mit ihm zu haben. Die schlaue Panthemia stellte sich, als bedauere sie ihn, und entschuldigte sich, daß sie keine Möglichkeit habe, ihn zufrieden zu stellen; zuletzt aber, wie von seinen süßen Bitten und heißen Seufzern besiegt, ließ sie ihn ins Haus. Schon war er entkleidet, um mit ihr zu Bette zu gehen, als ihm Panthemia befahl, in die Nebenkammer zu gehen, wo sie ihre Orangenwasser und andere wohlriechende Essenzen hatte, um sich erst gehörig zu parfümieren, bevor er ins Bett komme. Der Student, der die Arglist der boshaften Frau nicht durchschaute, betrat die Kammer, doch kaum hatte er den Fuß auf ein Brett gesetzt, das von dem Balken, der es hielt, losgemacht war, so stürzte er, ohne sich halten zu können, samt dem Brett in ein zu ebener Erde gelegenes Magazin hinab, in welchem einige Kaufleute Baumwoll- und Wollwaren gelagert hatten. Obwohl er tief herabgefallen war, hatte er sich doch unter den Sturz keinen Schaden getan. Als sich nun der Student an diesem dunklen Ort befand, begann er umherzutappen, ob er eine Treppe oder eine Tür fände; da er aber nichts fand, verfluchte er die Stunde und den Augenblick, wo er Panthemia kennen gelernt. Als der Morgen dämmerte und der arme Jüngling, freilich zu spät, den Betrug der Frau einsah, bemerkte er an einer Seite des Warenlagers einige Ritzen in der Mauer, welche etwas Licht eindringen ließen, und weil die Mauer alt und mit ekelhaftem Schimmel bedeckt war, begann er mit erstaunlicher Kraft die Steine dort herauszubrechen, wo sie weniger fest zu sitzen schienen und machte schließlich ein so großes Loch, daß es ihm gestattete, hinauszuschlüpfen. Nun befand er sich in einem Gäßchen, das nicht weit von der Hauptstraße entfernt war und schlug barfuß und im Hemd den Weg nach seiner Herberge ein, wo er auch, ohne von jemand erkannt zu werden, anlangte. Sinforosia, die schon von den beiden Streichen gehört hatte, die Philenio gespielt worden waren, besann sich darauf, ihm einen dritten zu spielen, der den ersten nichts nachgäbe. Sie begann daher, so oft sie ihn sah, ihn von der Seite bedeutsam verstohlen anzublicken, als wolle sie ihm zu verstehen geben, wie sehr sie sich um ihn verzehre. Der Student, der die erlittene doppelte Unbill schon vergessen hatte, fing bald an, vor ihrem Hause vorüberzuspazieren und den Verliebten zu spielen. Als Sinforosia sah, daß er bereits blindlings in sie verliebt sei, schickte sie ihm durch ein altes Weiblein einen Brief, worin sie ihm kund tat, er habe sie durch seine Schönheit und sein wohlgesittetes Wesen so sehr für sich eingenommen und gefesselt, daß sie Tag und Nacht keine Ruhe finde; sie wünsche daher über alles in der Welt, wenn es ihm nicht unangenehm wäre, mit ihm zu sprechen. Als Philenio den Brief empfangen, und von seinem Inhalt Kenntnis genommen hatte, dachte er an keinen Betrug, vergaß alle vergangenen Beleidigungen und war der fröhlichste und zufriedenste Mensch, den man sich denken konnte. Er nahm also Papier und Feder und antwortete: wenn sie ihn liebe und nach ihm schmachte, so beruhe das auf Gegenseitigkeit; denn er liebe sie noch mehr als sie ihn, und zu jeder Stunde, wo sie befehle, sei er zu ihren Diensten und Befehlen bereit. Sobald sie die Antwort gelesen und den günstigen Augenblick gefunden hatte, ließ ihn Sinforosia ins Haus kommen und sprach zu ihm nach vielen erheuchelten Seufzern: ›Mein Philenio, ich weiß nicht, wer außer dir mich zu dem Schritte verleitet hätte, zu dem du mich gebracht hast; denn deine Schönheit, deine Anmut und deine Art zu reden haben ein solches Feuer in meiner Seele entzündet, daß ich mich lichterloh wie trockenes Holz brennen fühle.‹ Als der Student sie so sprechen hörte, zweifelte er keinen Augenblick, daß sie vor Liebe zu ihm vergehen wolle. So erging sich der arme Schelm eine Weile mit Sinforosia in holden, ergötzlichen Liebesreden, und als es ihm endlich Zeit schien, sich zu Bette zu legen und an ihre Seite zu schmiegen, sprach Sinforosia: ›Meine süße Seele, bevor wir zu Bette gehen, scheint es mir rätlich, uns ein wenig zu stärken.‹ Damit nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn in ein Seitengemach, wo ein Tisch mit köstlichem Zuckerwerk und trefflichen Weinen bereit stand. Die verschlagene Frau hatte den Wein mit Opium vermischt, um zu bewirken, daß Philenio bis zu einem gewissen Zeitpunkte einschlafe. Er ergriff den Becher, füllte ihn mit diesem Weine und trank ihn, ohne einen Betrug zu ahnen, ganz aus. Nachdem er die Lebensgeister erfrischt und sich mit Orangenwasser eingerieben und parfümiert hatte, begab er sich zu Bett. Es währte aber nicht lange, so tat der Trank seine Wirkung, und der Jüngling verfiel in einen so tiefen Schlaf, daß der stärkste Geschützdonner oder jede andere große Lärm ihn schwerlich erweckt hätten. Als Sinforosa sah, daß er fest schlafe und der Schlaftrunk seine Wirkung vortrefflich bewähre, ging sie hinweg und rief eine junge, kräftige Magd, die mit um die Sache wußte, worauf beide den Studenten bei den Händen und Füßen ergriffen, leise die Haustür öffneten und ihn auf die Straße schleppten, wo sie ihn ungefähr einen Steinwurf vom Hause entfernt liegen ließen. Etwa eine Stunde vor Anbruch der Morgenröte, als der Trank seine Kraft verloren hatte, erwachte der Arme und meinte an Sinforosias Seite zu liegen, fand sich aber statt dessen barfuß und im Hemde, halbtot auf der bloßen Erde liegen. Kaum vermochte sich der Bedauernswerte, an Armen und Beinen Erstarrte, wieder auf die Füße zu heben. Nur mit großer Beschwerde stand er auf, konnte sich aber kaum aufrecht halten und schleppte sich dann so gut es ging und ohne von jemand bemerkt zu werden, zu seiner Herberge und sorgte dort für seine Gesundheit. Und wäre ihm nicht die Kraft der Jugend zu Hilfe gekommen, so wäre er gewiß nervenlahm geworden. Nachdem er aber seine frühere Gesundheit wieder erlangt hatte, verschloß er die erlittenen Kränkungen in der Tiefe seines Herzens, und ohne sich irgend erzürnt oder haßerfüllt zu zeigen, stellte er sich vielmehr noch verliebter in alle drei als zuvor, indem er bald der einen, bald der andern verliebte Blicke zuwarf. Jene versahen sich seiner Arglist nicht, sondern hatten ihre Freude an seinem Betragen und zeigten ihm die freundliche, wohlwollende und heitere Miene, die man einem wahrhaft Liebenden nicht versagt. Manchmal war der gereizte Jüngling nahe daran, seine Hand zu gebrauchen und ihnen das Angesicht zu zeichnen, aber als besonnener Mensch bedachte er den hohen Stand der Frauen und wie schimpflich es für ihn wäre, drei schwache Weiber zu schlagen, und er bezwang seinen Ingrimm. Lange sann er hin und her, auf welche Weise er sich rächen könne, und da ihm keine gute Idee kommen wollte, empfand er keinen geringen Schmerz. Nach geraumer Zeit jedoch kam er auf ein Mittel, seinen Wunsch unschwer zu befriedigen, und das Glück half ihm, seinen Plan auszuführen. Philenio hatte in Bologna einen sehr schönen Palast zur Miete, den ein geräumiger Saal und schöne Zimmer zierten. Hier beschloß er ein prächtiges und glänzendes Fest zu geben und viele Frauen einzuladen, worunter auch Emerentiania, Panthemia und Sinforosia. Die Einladung erging und wurde angenommen, und als der Tag des glänzenden Festes erschien, begaben sich die drei Frauen, die in ihrem Leichtsinn nichts ahnten, dorthin. Als es Zeit war, die Damen mit kühlen Weinen und köstlichem Zuckerwerk zu erquicken, nahm der verschlagene Jüngling seine drei Liebsten bei der Hand und führt sie mit vielem Anstand in ein Nebengemach, mit der Bitte, sich ein wenig zu erfrischen. Kaum aber hatten die törichten, unvorsichtigen Frauen die Kammer betreten, so verschloß der Jüngling die Tür, wandte sich dann zu ihnen und sprach: ›Jetzt, Ihr boshaften Weiber, ist die Stunde gekommen, da ich mich an Euch rächen und Euch für die Beleidigungen strafen kann, mit denen Ihr meine heiße Liebe vergaltet.‹ Als die Frauen diese Worte hörten, waren sie mehr tot als lebendig, bereuten es im stillen ernstlich, ihn beleidigt zu haben und machten sich außerdem die größten Vorwürfe, daß sie dem vertraut hatten, den sie hätten hassen sollen. Mit zorniger, drohender Miene befahl ihnen der Jüngling, sofern ihnen ihr Leben lieb sei, sich nackt auszuziehen. Als die Schelminnen dies vernahmen, sahen sie einander an und begannen heftig zu weinen und flehten ihn an, nicht ihnen zuliebe, sondern um seiner Ritterlichkeit und angeborenen Menschlichkeit willen, ihre Ehre zu schonen. Der Jüngling, der im geheimen die größte Freude empfand, erwies sich ihnen in diesem Punkte sehr entgegenkommend, bestand aber darauf, daß sie sich in seiner Gegenwart entkleiden müßten. Die Frauen warfen sich dem Studenten zu Füßen und flehten ihn unter kläglichen Tränen demütig an, ihnen dies zu erlassen und ihnen keine so große Schmach anzutun. Aber er hatte sein Herz schon zu Diamant verhärtet und erklärte, dies sei nichts Tadelnswertes, sondern gerechte Rache. So mußten sich denn die Frauen ausziehen, bis sie dastanden, wie sie aus dem Mutterleib gekommen, und sie waren nackt nicht weniger schön als bekleidet. Der junge Student betrachtete sie von Kopf bis zu Fuß, und als er sie so schön und zart erblickte, daß die Weiße ihrer Haut den Schnee übertraf, begann sich in ihm inniges Mitleid zu regen, doch die Erinnerung an die erlittenen Beleidigungen und die Todesgefahr, in der er geschwebt, kehrte in sein Gedächtnis zurück und verscheuchte alles Erbarmen, so daß er auf seinem grausamen harten Vorsatz verharrte. Alsdann nahm der listige Jüngling die Kleider und was sie sonst noch angehabt hatten, legte sie in ein Nebenzimmer und befahl ihnen mit sehr unfreundlichen Worten, sich alle drei nebeneinander in das Bett zu legen. Ganz bestürzt und bebend vor Schreck riefen sie aus: ›Wehe über unsere Torheit, was werden unsere Männer, was unsere Verwandten sagen, wenn sie erfahren, daß man uns hier nackt ermordet gefunden hat! Besser, wären wir in den Windeln gestorben, als daß eine solche Schande von uns offenbar werde!‹ Als der Student sie nebeneinander liegen sah, wie Mann und Frau, nahm er ein schneeweißes Leintuch, das aber nicht sehr fein war, damit das Fleisch nicht durchschimmern und sie verraten möchte, und bedeckte sie damit von Kopf bis zu Fuß. Dann verließ er das Gemach, verschloß die Türe und suchte ihre Männer auf, welche im Saale tanzten. Als der Tanz vorbei war, führte er sie in das Nebengemach, wo die drei Frauen im Bett lagen und sagte zu ihnen: ›Ihr Herren, ich habe Euch hierher geführt, um Euch ein kleines Vergnügen zu bereiten und Euch den schönsten Anblick zu verschaffen, der Euch in Eurem Leben zuteil geworden ist.‹ Hierauf näherte er sich mit einer Kerze in der Hand dem Bette, zog allmählich das Leintuch von den Füßen empor und wickelte es auf, indem er die Frauen bis zu den Knien aufdeckte, so daß die Männer die rundlichen weißen Beine mit den zierlichen Füßen sehen konnten, was ein wundervoller Anblick war. Dann enthüllte er sie bis zur Brust und zeigte ihnen die blendenden Schenkel, welche zwei Säulen von reinem Marmor zu sein schienen und den gerundeten Leib, der dem feinsten Alabaster glich. Hierauf enthüllte er sie noch weiter hinauf und zeigte ihnen den zarten, sanftgewölbten Busen mit den zwei prallen, köstlichen, runden Brüsten, die selbst den erhabenen Jupiter gezwungen hätten, sie zu umarmen und zu küssen. Dies gewährte den drei Ehemännern das größte Vergnügen und Ergötzen, das sich denken läßt. Ich überlasse es Euch, zu ermessen, wie es den armen, unglücklichen Frauen zumute war, als sie hörten, daß ihre Männer sich an ihrem Anblick weideten. Sie verhielten sich still und wagten kaum Atem zu holen, um nicht erkannt zu werden. Die Männer drangen in den Studenten, auch von den Gesichtern den Schleier wegzuziehen; aber er, in fremden Angelegenheiten vorsichtiger als in seinen eigenen, wollte nicht einwilligen. Aber hiermit nicht zufrieden, nahm der Student die Kleider der drei Frauen und zeigte sie ihren Männern. Diese überfiel bei ihrem Anblick eine gewisse Betroffenheit, die ihnen am Herzen nagte. Mit steigendem Erstaunen betrachteten sie dieselben näher und sprachen bei sich selbst: ›Ist das nicht das Kleid, das ich meiner Frau machen ließ? Ist das nicht die Haube, die ich ihr kaufte? Ist das nicht das Gehänge, das ihr vom Hals vorne auf die Brust herniederfällt. Sind das hier nicht die Ringe, die sie am Finger trägt?‹ Nachdem sie das Gemach verlassen hatten, entfernten sie sich nicht, um das Fest nicht zu stören, sondern blieben zum Abendessen. Der junge Student hatte bereits gehört, daß das Mahl fertig und von seinem einsichtigen Haushofmeister angerichtet sei und forderte daher die Gesellschaft auf, sich zu Tische zu begeben. Während nun die Gäste es sich wohl schmecken ließen, kehrte der Student in das Nebengemach zurück, wo die drei Frauen im Bett lagen, deckte sie auf und rief: ›Guten Morgen, meine Damen, habt Ihr Eure Männer nicht gehört? Sie erwarten Euch draußen mit dem heißesten Verlangen. Worauf wartet Ihr? Steht auf, Ihr Schlafratzen, gähnt nicht lange, laßt ab, Euch die Augen zu reiben! Nehmt Eure Kleider und schlüpft eilig hinein! Es ist Zeit, in den Saal zurückzukehren, wo Euch die anderen Frauen erwarten.‹ So neckte er sie und weidete sich an ihrer Ratlosigkeit. Die trostlosen Frauen fürchteten, ihr Abenteuer würde ein grausames Ende nehmen, und sie weinten und verzweifelten an ihrem Heil. So geängstigt und schmerzgepeinigt erhoben sie sich und erwarteten nichts sicherer als den Tod.

›Philenio,‹ sprachen sie schließlich zu dem Studenten, ›du hast vollkommene Rache an uns genommen. Es bleibt nichts mehr übrig, als daß du deinen scharfen Degen nimmst und uns damit den Tod gibst, den wir über alles in der Welt wünschen. Willst du uns aber diese Gnade nicht erzeigen, so laß uns wenigstens unerkannt nach Hause gelangen, damit unsere Ehre unbescholten bleibe.‹ Philenio glaubte nun genug getan zu haben, holte ihre Kleider, gab sie ihnen zurück und befahl ihnen, sich eiligst anzukleiden. Als dies geschehen war, ließ er sie durch eine geheime Tür aus dem Hause hinaus, und so kehrten sie beschämt, ohne von jemand erkannt zu werden, heim. Sogleich zogen sie ihre Kleider wieder aus und verschlossen sie in ihre Schränke, begaben sich aber klüglich noch nicht zu Bett, sondern setzten sich an die Arbeit. Nach der Mahlzeit dankten ihre Männer dem Studenten für die gute Aufnahme, die sie bei ihm gefunden, noch mehr aber für das Vergnügen, das er ihnen gewährt, indem er sie die köstlichen Glieder habe sehen lassen, deren Schönheit die Sonne überstrahle, nahmen Abschied von ihm und kehrten heim. Zu Hause fanden sie ihre Frauen in ihrem Kämmerlein neben dem Feuer sitzen und nähen. Weil ihnen aber die Kleider, Ringe und anderen Kostbarkeiten, welche sie in Philenios Kammer gesehen hatten, noch einigen Verdacht erregten, fragten sie, um auch diesen zu beseitigen, jeder die Seine, wo sie den Abend zugebracht habe, und wo ihre Kleider seien. Ganz unbefangen antworteten ihnen die Frauen, sie hätten diesen Abend das Haus nicht verlassen, nahmen den Schlüssel zum Schrein, in dem sich ihre Gewänder befanden, und zeigten Kleider, Ringe und alles, was ihnen die Männer hatten machen lassen. Als die Männer dies sahen, wußten sie nicht, was sie sagen sollten und blieben ruhig, erzählten aber doch ihren Frauen alles haarklein, was ihnen diesen Abend begegnet war. Als die Frauen dies hörten, stellten sie sich, als wüßten sie von nichts, und nachdem sie die Abenteuer eine Weile belacht hatten, entkleideten sie sich und begaben sich zu Bette. Wenige Tage vergingen, so begegnete Philenio seinen holden Damen mehrmals auf der Straße, und sagte zu ihnen: ›Wer von uns hat mehr Angst ausgestanden? Wer von uns ward übler behandelt? Sie aber schlugen die Augen nieder und antworteten nichts. Und so rächte sich der Student so gut er konnte ohne alle Gewalttätigkeit, wie es einem Manne geziemt, für die erlittenen Beleidigungen.«

Des Straparola Geschichte fand solchen Beifall, daß er dem Wunsche des Aretino nachgab und noch eine Geschichte erzählte.

 

Es lebte einmal in Florenz ein Kaufmann aus edlem Geschlecht namens Orthodosio Simeoni, der eine schöne, sittsame und fromme Frau namens Isabella hatte. Der Wunsch, Geschäfte zu machen, ließ ihn einmal von seinen Verwandten Abschied nehmen, Florenz zum großen Herzeleid seiner Frau verlassen und mit seinen Waren nach Flandern gehen. Nun wollte es sein Stern, vielmehr sein Unstern, daß er ein Haus gegenüber der Wohnung einer Kurtisane namens Argentina mietete, in die er sich dermaßen verliebte, daß er nicht allein Isabella, sondern sogar sich selbst vergaß. Fünf Jahre waren bereits verflossen, ohne daß Isabella auch nur das geringste von ihrem Gatten gehört hatte, und so wußte sie nicht, ob er lebte oder tot war, noch wo er sich befand. Dies erfüllte sie mit großem Schmerz, den je eine Frau gefühlt, und stündlich schien es ihr, als würde ihr die Seele aus dem Herzen herausgerissen. Fromm und dem Dienste des Herrn ergeben, wie sie war, ging sie täglich in die Annunziatakirche zu Florenz, um ihre Andacht zu verrichten, kniete dort nieder und bat unter heißen Tränen und schweren Seufzern, die ihr aus tiefster Brust kamen, Gott, er möge ihrem Gatten eine baldige Rückkehr gewähren. Aber die demütigen Gebete, langen Fastenübungen und reichlichen Almosen, an denen sie es nicht fehlen ließ, halfen ihr zu nichts. Als die Unglückliche nun sah, daß weder das Fasten, noch die Gebete, noch die Almosen, noch die anderen guten Werke, die sie tat, ihr Erhörung verschafften, beschloß sie es auf eine andere Weise zu versuchen und den entgegengesetzten Weg einzuschlagen. Und wenn sie bis dahin fromm gewesen war und ihre Seele in heißen Gebeten zum Himmel erhoben hatte, ergab sie sich nun ganz der Zauberei und Hexerei, in der Hoffnung, damit besseren Erfolg zu haben. Sie ging also eines schönen Morgens in aller Frühe zu Gabrina Furetta, setzte ihr alle ihre Wünsche auseinander und legte sie ihr dringend ans Herz. Gabrina war ein uraltes, in der magischen Kunst mehr als irgendeine andere Zauberin bewandertes Weiblein, das Dinge zuwege brachte, deren Übernatürlichkeit Staunen verursachte bei allen, die davon hörten und nun gar bei denen, die sie sahen. Als Gabrina Isabellas Begehren vernommen hatte, empfand sie Mitleid mit ihr, versprach ihr zu helfen und sprach ihr guten Mut zu: sie würde bald ihren Gatten sehen und genießen. Hocherfreut über diese gute Antwort öffnete Isabella die Börse und gab ihr zehn Florinen. Sehr zufrieden über das empfangene Geld, wurde Gabrina sehr gesprächig und erzählte ihr in Erwartung der dunklen Nacht alles mögliche. Als dann die von der Zauberin bestimmte Stunde gekommen war, griff diese zu ihrem Büchlein, zog auf dem Boden einen mäßig großen Kreis, den sie rings mit verschiedenen Zeichen versah, nahm dann eine kostbare Flüssigkeit, trank einen Tropfen davon und ließ auch Isabella einen trinken. Nachdem sie ihn getrunken, sagte sie: ›Isabella, du weißt, daß wir uns zum Zwecke einer Beschwörung hier befinden, um etwas von deinem Gatten zu hören, es ist daher erforderlich, daß du standhaft seiest und dich vor nichts fürchtest, was du etwa siehst oder hörst, auch wenn es geeignet wäre, Entsetzen zu verursachen. Wage nicht Gott oder die Heiligen anzurufen, oder das Zeichen des Kreuzes zu machen; denn dann vermöchtest du nicht wieder zurückzukehren und gerietest in Todesgefahr‹. ›Zweifelt nicht an mir,‹ erwiderte Isabella, ›und seid versichert, daß, wenn ich auch alle Teufel sehen würde, die im Mittelpunkt der Erde hausen, ich die Fassung nicht verlieren werde‹.

›So entkleide dich denn und tritt in den Kreis,‹ befahl die Zauberin. Isabella zog sich aus und trat mutternackt beherzt in den Kreis. Gabrina trat mit dem geöffneten Buch gleichfalls in den Kreis und sprach: ›Bei der Macht, die ich über Euch habe, Ihr Fürsten der Hölle, beschwör ich Euch, daß Ihr augenblicklich vor mir erscheint!‹ Astaroth, Farfarello und die anderen Fürsten der Teufel erschienen, durch die Beschwörung Gabrinas gerufen, unter schrecklichem Geschrei alsbald vor ihr und riefen: ›Befiehl, was dir gefällt!‹ Da sagte Gabrina: ›Ich beschwöre und befehle Euch, daß Ihr mir unverzüglich und wahrheitsgemäß offenbart, wo Orthodosio Simeoni, Isabellas Gatte, sich augenblicklich befindet, ob er lebt oder tot ist.‹ ›Wisse, Gabrina,‹ ließ sich Astaroth vernehmen, ›Orthodosio lebt, weilt in Flandern und ist so glühend in Argentinia verliebt, daß er seine Frau vergessen hat.‹ Als die Zauberin dies hörte, befahl sie Farfarello, sich in ein Pferd zu verwandeln und Isabella an den Aufenthaltsort Orthodosios zu bringen. Der Teufel verwandelte sich in einen Gaul, hob Isabella empor, erhob sich in die Luft und setzte die Furchtlose, ohne ihr ein Haar zu krümmen, im Palaste Argentinas ungesehen nieder. Dann verwandelte er sie alsbald, so daß sie Argentinas Gestalt annahm, und so strahlend sah sie aus, daß alle sie für Argentina und nicht für Isabella gehalten hätten. Argentina aber verwandelte er im gleichen Augenblick in ein altes Weib, das weder von irgend jemand gesehen oder gehört werden, noch selbst andere sehen konnte. Als die Stunde des Abendessens gekommen war, speiste die so verwandelte Isabella mit ihrem Orthodosio, ging dann in ein prunkvolles Gemach, wo sich ein schwellendes Bett befand und legte sich an seiner Seite nieder, und im Glauben, Argentina zu beschlafen, beschlief Orthodosio seine eigene Gattin. Und solche Kraft und Wirkung hatten die zärtlichen Liebkosungen, die wundersüßen engen Umschlingungen und die würzigen Küsse, daß Isabella in derselbigen Nacht schwanger ward. Unterdessen stahl Farfarello ein reich gestepptes, über und über mit Perlen besticktes Gewand und eine schöne Halskette, die Orthodosio Argentina einmal zum Geschenk gemacht hatte und ließ, als die folgende Nacht gekommen war, Isabella und Argentina ihre frühere Gestalt wieder annehmen. Dann nahm er Isabella auf den Rücken und brachte sie mit dem Erscheinen der Morgenröte wieder in das Haus Gabrinas zurück, welcher er das Kleid und die Halskette übergab. Als die Zauberin Kleid und Kette aus den Händen des Teufels empfangen hatte, übergab sie beides Isabella und sprach zu ihr: ›Meine Tochter, bewahre diese Dinge sorgfältig auf; denn sie werden dir seinerzeit als untrügliche Beweise deiner Treue dienen.‹ Isabella nahm das Kleid und die schöne Halskette, dankte der Zauberin und kehrte nach Hause zurück. Als der vierte Monat vorüber war, begann Isabellas Leib zu schwellen und die Schwangerschaft deutlich in die Erscheinung zu treten. Als ihre Verwandten dies bemerkten, verwunderten sie sich höchlich, besonders da sie als fromme, gottesfürchtige Frau bekannt war. Sie fragten sie daher mehrmals, ob sie schwanger sei und von wem. Und strahlend antwortete sie: ›von Orthodosio‹. Da erklärten die Verwandten, dies sei unmöglich; denn sie wüßten genau, daß ihr Gatte lange Zeit fern gewesen und zur Zeit noch fern sei, folglich sei es ausgeschlossen, daß er sie geschwängert habe. Ihr Schmerz war infolgedessen groß, sie fingen an, die Schande zu fürchten, die für sie daraus entstehen könnte und beschlossen mehrmals, sie zu töten. Aber die Furcht vor Gott, der Verlust der Seele des Kindes, die Besorgnis vor dem allgemeinen Unwillen und die Rücksicht auf die Ehre des Gatten hielten sie von dieser Sünde ab und sie entschlossen sich, die Geburt des Kindes abzuwarten. Als die Stunde der Niederkunft gekommen war, genas Isabella ein reizendes Knäblein. Als dies die Verwandten erfuhren, waren sie äußerst betrübt und schrieben alsbald folgenden Brief an Orthodosio: ›Nicht etwa, um Euch Verdruß zu bereiten, liebster Schwager, sondern um Euch die Wahrheit zu eröffnen, teilen wir Euch mit, daß Isabella, Eure Frau und unsere Schwester, zu unserer größten Schmach und Unehre einen Sohn geboren hat, von dem wir nicht wissen, wessen Kind er ist. Gern würden wir annehmen, Ihr hättet ihn erzeugt, hättet Ihr nicht so lange Zeit fern von ihr geweilt. Wir hätten Mutter und Kind eigenhändig getötet, wenn die Ehrfurcht gegen Gott uns nicht davon abgehalten hätte, und Gott verhüte, daß wir die Hände mit unserem eigenen Blute besudeln! Nehmt also Eure Angelegenheiten wahr und rettet Eure Ehre und wolltet nicht zulassen, daß ein solcher Schimpf ungesühnt bleibe.‹ Nachdem Orthodosio den Brief erhalten und die betrübende Nachricht gelesen hatte, empfand er großen Schmerz, rief Argentina und sagte zu ihr: ›Argentina, ich muß notwendig nach Florenz zurück, um einige sehr wichtige private Angelegenheiten ins reine zu bringen. Innerhalb weniger Tage werde ich sie erledigt haben und dann sofort zu dir zurückkehren. Halte dich inzwischen brav, sorge für meine Sachen, als wären es die deinen, leb wohl und gedenke meiner!‹ Damit verließ Orthodosio Flandern und kehrte, von gutem Winde begünstigt, nach Florenz zurück, wo er, zu Hause angelangt, von seiner Gattin freudig empfangen wurde. Mehrmals kam Orthodosio der teuflische Gedanke, Isabella zu töten und Florenz heimlich zu verlassen, da er aber die Gefahr und Unehre, die ihm drohten, erwog, beschloß er, die Bestrafung auf eine andere Zeit zu verschieben. Und so zeigte er seinen Schwägern unverzüglich seine Rückkunft an und bat sie, am folgenden Tage sich zum Mittagessen bei ihm einzufinden. Als die Schwäger der Einladung folgend im Hause Orthodosios erschienen, wurden sie von ihm aufs liebreichste empfangen und willkommen geheißen, und alle tafelten in bester Stimmung. Als das Essen zu Ende und die Tafel aufgehoben war, hub Orthodosio folgendermaßen zu sprechen an: ›Meine liebwerten Schwäger, Ihr seid Euch, denke ich, darüber klar, weswegen wir hier versammelt sind, ich brauche daher nicht viel Worte zu machen, sondern kann gleich zur Hauptsache kommen, die uns alle angeht.‹ Damit wandte er sein Antlitz seiner ihm gegenübersitzenden Frau zu und redete sie an: ›Wer hat das Kind gezeugt, das du bei dir im Hause hältst?‹ ›Ihr selbst,‹ erwiderte Isabella. ›Ich? und wieso?‹ fragte Orthodosio, fünf Jahre sind's doch schon, daß ich fern bin und seit ich abreiste, hast du mich nicht mehr gesehen, wie kannst du da sagen ›ich sei der Vater des Kindes?‹ ›Ich wiederhole Euch, daß das Kind Euer ist, und ich habe es in Flandern von Euch empfangen.‹ Da rief Orthodosio zornig: ›Ha, lügnerisches Weib, wann warst du je in Flandern?‹ ›Als ich mit Euch im Bette lag‹, entgegnete Isabella. Und sie berichtete ihm ausführlich von dem Orte, von der Zeit und von den Worten, die zwischen ihnen in jener Nacht gewechselt worden waren. Dies erfüllte Orthodosio und die Schwäger mit Erstaunen, aber sie vermochten es nicht zu glauben. Als daher Isabella die Hartnäckigkeit ihres Gatten sah und erkannte, daß er sich ungläubig verhielt, stand sie auf, ging in ihr Schlafgemach, holte das gestickte Gewand und die schöne Kette und sagte, zurückgekehrt zu ihrem Mann: ›Kennt Ihr, mein Herr, dieses so herrlich gesteppte Kleid?‹ Da antwortete Orthodosio verwirrt und beinahe fassungslos: ›Es ist richtig, daß mir ein ähnliches Gewand abhanden gekommen ist und nie wieder etwas darüber zu erfahren war.‹ ›So wißt,‹ erwiderte da Isabella, ›daß dies dasselbe Gewand ist, das Euch damals abhanden kam.‹ Dann versenkte sie die Hand in den Busen, zog die reiche Halskette hervor und sagte: ›Kennt Ihr auch diese Halskette?‹ Der Gatte konnte es nicht leugnen und erklärte, sie zu kennen und fügte hinzu, sie sei samt dem Kleide gestohlen worden. ›Damit Ihr aber,‹ fuhr Isabella fort, ›meine Treue erkennt, will ich Euch deutlich zeigen, daß Ihr mir törichterweise mißtraut‹. Damit ließ sie sich das Kind reichen, daß die Amme in den Armen hielt, nahm ihm die schneeweißen Windeln ab und sagte: ›Kennt Ihr dieses Kind, Orthodosio?‹ Und damit zeigte sie ihm seinen linken Fuß, an dem die kleine Zehe fehlte, als unzweifelhaften Beweis und sicheres Zeugnis der mütterlichen Treue; denn Orthodosio fehlte gleichfalls diese Zehe von Natur. Als Orthodosio dies sah, verstummte er so vollständig, daß er keinerlei Einwand zu machen wußte, vielmehr den Knaben in die Arme nahm, küßte und als seinen Sohn anerkannte. Da wuchs Isabellas Mut und sie sagte: ›Wisset, mein geliebter Orthodosio, daß mein Fasten, meine Gebete und die guten Werke, die ich tat, um etwas von Euch zu erfahren, mich das haben erlangen lassen, was Ihr hören werdet: Als ich nämlich eines Morgens im heiligen Tempel der Annunziata kniete und sie bat, mich Nachrichten von Euch vernehmen zu lassen, ward ich erhört. Denn ich wurde von einem Engel ungesehen nach Flandern geführt und legte mich neben Euch ins Bett, und so innig und lange habt Ihr mich in jener Nacht liebkost, daß ich von Euch schwanger wurde. In der folgenden Nacht aber fand ich mich mit den Sachen, die ich Euch gezeigt habe, in Florenz in meinem eigenen Hause wieder.‹ Nachdem Orthodosio und die Brüder die unanzweifelbaren Beweise gesehen und Isabellas Bericht gehört hatten, umarmten und küßten sie sich untereinander und bekräftigten mit noch größerer Liebe als zuvor ihre Verwandtschaft. Einige Tage darauf kehrte Orthodosio nach Flandern zurück, wo er Argentina ehrenvoll verheiratete, und nachdem er seine Waren auf ein großes Schiff geladen, kehrte er nach Florenz heim, wo er mit Isabella und dem Knaben heiter, ruhig und friedlich lange Zeit lebte.«


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