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Don Juan De Vargas

Nach einem wilden Leben hab' ich mich hier in meine Geburtsstadt Jaen zurückgezogen und schreibe auf, was ich getrieben und was mich getrieben. Was sonst soll ein alter Mann tun? Ich bin in beiden Indien gewesen und habe mit meinem Schwerte dem Triumph des Kreuzes gedient und der Mehrung des Reiches unseres Herrn Königs, den Gott schützen möge. Tausend Gefahren bin ich entgangen dank Unsrer Lieben Frau von Atocha, der mich meine Mutter geweiht hat, da ich noch ein Kind war. Nun bin ich alt und gebrochen, ohne Lohn für meine Dienste, lebe einsam hier im kleinen Hause meiner Vorfahren und erwarte nichts von den Menschen. Und habe in nichts mehr sonst Vertrauen als in das Mitleid Gottes, die Fürsprache seiner Mutter und meiner Schützerin und Patronin. So ein Teufel ich auch manchen Orts und mancher Zeit gewesen bin.

Von meinen Vorfahren nichts weiter, als dass sie immer gute Kastilianer gewesen sind und tapfer ihre Pflicht taten. Meine Mutter war eine Caravajal, ein Haus nicht weniger berühmt als das des Vaters. Anders hätte er sie nicht geheiratet. Mit zehn Jahren schickten mich meine Eltern nach der Kirche Sant Andrea, was unsere Pfarrkirche war, und ich lernte hier unsern christlichen Glauben. Der Vater zeigte mir ein Schwert führen und den Dolch brauchen. Die Mutter wies mir die Griffe auf der Mandola und lehrte mich die Lieder vom Cid und was sonst noch von unsern Kämpfen gegen die Mauren gesungen wird. Das Leben ging ganz ruhig, da trieb mich ein Ereignis aus der Stadt, die ich auf lange nicht mehr sehen sollte.

Nah unserm Hause lebte ein alter reicher Edelmann, jung verheiratet an eine Frau, die noch ganz ein Kind und auf die er sehr eifersüchtig war. Niemals liess er sie allein ausgehen, und kaum, dass sie an einem heissen Tag auf den Balkon treten durfte. Am Tage des heiligen Andreas kam ich nun mit meiner Mutter aus der Messe und unter dem Balkon vorbei, als die Dame davon einen Strauss fallen liess, den ich schnell aufhob und an nichts weiter dachte. Ich war sechzehn Jahre alt und immer bei den Eltern gewesen. Der Alte aber dachte nicht an meine Unerfahrenheit, als vielmehr an ein geheimes Einverständnis zwischen seinem Weibe und mir. Eines Abends nach dem Angelus überfielen mich in einer wenig belebten Gasse drei Banditen und ich wäre sicher unterlegen, wenn ich mich nicht aus Zufall in der Verteidigung an eine Kirchentür gelehnt hätte, die offen war. Ich flüchtete in die Kirche, wohinein sich die drei nicht trauten. Am andern Morgen brachte mich der Pfarrer der Kirche, der ein Freund unseres Hauses war, zu meiner Mutter. Man kannte den Alten, der das sicher angezettelt hatte, dass er vor nichts zurückschrecken würde, mich auf die Seite zu räumen, – also beschlossen meine armen Eltern, mich fortzutun, und schickten mich nach Sevilla zu einem Onkel meiner Mutter, der da an der Kathedrale Kanonikus war. Da hatte ich es nun gar gut. Und lebte in Freuden. Bald war ich nicht mehr der einfache Junge aus Jaen, und ich verstand die Blumensträusse, die vom Balkon geworfen wurden. Ich las im Amadis und die gute Mama Celestina und bekam neue Ideen. Ich liess es mir bei einer Witwe, die sich auf junge Leute verstehn, gut gehen, als mich so ein Luder von Kupplerin bei dem Stadtrat anzeigte, der für die andern Bedürfnisse der Witwe sorgte. Der Kupplerin passte es nämlich nicht, dass sich die Dame mit einem Habenichts, wie mir, abgab, bei dem nichts für sie abfiel. Ihr wäre ein weiterer Stadtrat lieber gewesen. Mein Vater bekam also die Sache mitgeteilt, und ich musste aus dem lustigen Sevilla fort. Ich ging zu Fuss nach Cartagena, wo ich mich nach Neapel einschiffen wollte. Was auch geschah, denn ich hatte von dem guten Onkel einen Brief an einen Kapitän Diego Osorio, der in Cartagena eine Kompagnie aushob, die dem Königreich Neapel zu Hilfe kommen sollte. »Du warst wohl als Chorknabe bei deinem Onkel,« sagte der Mann, »mit deiner seidenen Nachthaube und deinem Milchgesicht schaust du gar nicht aus wie einer, der zum Soldaten taugt.« Die Haube hatte mir meine Witwe geschenkt und ich mochte sie gern. Aber ich schmiss sie doch ins Meer – denn ich sprach auf dem Schiffe mit dem Kapitän – und sagte: »Was den Bart betrifft, so will ich ja nicht als Kapuziner bei Euch dienen.« Das gefiel ihm und ich blieb als Soldat auf der Galeere. Aber in Neapel, das war ein kurzes Vergnügen. Da war ein Estevan de Rada in meiner Kompagnie und er stritt einmal gegen etwas, das ich gesagt hatte. Ich wollte ihm zeigen, dass ein de Vargas das nicht dulde, zog mein Schwert und stach ihn nieder. Ich musste mich verborgen halten und machte mich auf einem Schiffe nach Genua auf. Da war mir noch so viel Geld geblieben, dass es nach Sevilla reichte. Aber da war der Onkel gestorben und hatte alles den Armen geschenkt, und die Witwe hatte einen Metzger geheiratet und wollte von mir nichts wissen. Ich wusste wirklich nicht, was werden sollte, als ich an der Küste von San Lucar einen meiner Kameraden aus Neapel traf, der mir von einem neuen Land Temistitan erzählte, das Fernand Cortez, ein Edelmann aus Estremadura, in Indien entdeckt habe. Und da seien die gemeinsten Strassen mit Edelsteinen gepflastert. Ein Schiff, das von dort gekommen sei, rüste gerade wieder zur Rückfahrt und man werbe Leute. Ich ging zu dem Schiff mit meinem Kameraden, der Luis Maldonado hiess.

Wir hatten gute Fahrt bis auf die Höhe der Azoren. Da erblickten wir in der Ferne drei Fahrzeuge, die wir als Piraten erkannten: Barbaresken. Unser Kapitän traf alle Vorbereitungen, die Hunde würdig zu empfangen, was nicht leicht war, denn unser Schiff war voller Waren und Leuten, die waffenuntüchtig waren. Wir taten unser Bestes, konnten uns aber gegen die Übermacht nicht behaupten. Was von unseren Leuten verwundet oder alt war, fand den Tod in den Wellen, die anderen fesselten die Räuber, um sie nach Fez auf den Markt zu bringen. In Tetuan kaufte Maldonado und mich der gleiche Herr, ein alter sevillanischer Jude, den die gesunde Angst vor der heiligen Inquisition gezwungen hatte, nach Marokko zu fliehen. Der nahm uns gar nicht als Landsleute, sondern schien sich an uns für alle die Schweine seiner Rasse rächen zu wollen, die man auf dem Hauptplatz von Sevilla verbrannt hatte. Seit dem Tage habe ich nie mehr einen Juden verbrennen sehen, ohne mir zu sagen, mit welchem Vergnügen ich diesen schuftigen Isaak an seiner Stelle gesehen hätte.

Dieser Jude hatte seine junge Tochter aus Spanien mitgebracht, die Rebekka hiess. Da der Jude, solange er in Sevilla lebte, um der Inquisition zu entgehen, so getan hatte, als ob er Christ wäre, liess er seine Tochter in unserm Glauben aufziehen, dem sie auch treu ergeben war. In Afrika schwur Isaak seinen Judenglauben und wollte auch seine Tochter zu ihm zwingen. Die aber wollte nicht und hatte darob viel auszustehen von dem Alten. Rebekka vertraute sich uns an und sagte, dass sie mit uns in ein christliches Land fliehen wolle. Sie sprach nicht zu Tauben, und da sie zu des Alten Truhe gelangen konnte, verschaffte sie uns Geld, mit dem wir einen Mann gewannen, der uns eines Nachts mit Pferden in der Nähe des Hauses erwartete. Ein paar Dolchstiche sicherten uns das Schweigen des Alten, als wir uns in einer Nacht davonmachten. Wir kamen auf den schnellen Pferden nach Ceuta, wo uns der Kommandant sehr gut aufnahm. Rebekka nahm wieder ihren christlichen Namen Isabella an. Beide waren wir in sie verliebt, und wir hatten schon das Messer in der Hand, das entscheiden sollte, als uns ein guter Franziskaner riet, den Himmel entscheiden zu lassen, und uns ein paar Würfel gab. Wir warfen, und trotzdem ich Unsrer Lieben Frau von Atocha eine dreipfündige Kerze versprochen hatte, verlor ich. Möge mir meine heilige Schutzpatronin verzeihen, wie ich sie damals beschimpft habe! Der Himmel weiss besser als wir, was uns Sterblichen recht ist. Denn als ich Maldonado später in Indien traf, erzählte er mir, dass ihn Isabella bald darauf verlassen habe, nicht ohne sein Haus zu plündern, um einem Renegaten nach Fez zu folgen. So hatte ich also doch gewonnen und vermache deswegen in meinem Testament Unsrer Lieben Frau von Atocha eine dreipfündige Kerze.

In Ceuta war nichts mehr für mich, und ging also wieder nach Sevilla, wo es der Zufall machte, dass ein Schiff nach Mexiko in See stach: drei Monate später schifften wir uns in Veracruz aus. Heute ist das, wie man mir erzählt, eine schöne Stadt, – damals waren es ein paar Hütten. Eine Menge Spanier waren am Strand, die auf dem Schiffe heimreisen wollten, alle mit Taschen voll Goldes, und andere waren, die mit Golde kauften, was wir mitgebracht hatten. Auch ein paar Frauenzimmer, die sich vornehm und Jungfrauen nannten, was mich die christliche Liebe zu glauben veranlasst, fanden bald ihre Gatten. Ein Franziskaner, der sich damit eine grosse Geschicklichkeit erworben hatte, dass er oft an einem Nachmittage zehntausend Indianer taufte, hatte diese Heiraten sehr schnell erledigt.

Nun war ich in diesem neuen Lande und von dem, was ich da alles erlebte, kann ich bei Gott nicht in einer guten Reihe so berichten, wie alles genau aufeinander folgte. Wir zogen also über Tlascala nach Cholula und weiter nach Otumba, wo überall die alten heidnischen Bauwerke recht gründlich zerstört waren und die spanischen sich zu erheben anfingen. Die Strassen waren voll von Indianern, die recht daran arbeiten mussten. Viele von ihnen ertrugen die Mühe nicht, aber sie wurden gut versorgt, denn die Franziskaner liefen durch die Stadt, und sowie sie nur einen Indianer sahen, der im Sterben lag, gossen sie das heilige Taufwasser über ihn und schickten ihn so geradeaus in den Himmel. So hatten sie es viel besser als jene, die bei der Verteidigung ihrer falschen Religion fielen und in die Hölle fuhren.

Nach ein paar Tagen, die ich so mit Umsehen hinbrachte, merkte ich schon, dass es nicht so leicht ist, hier Geld zu machen, wie ich mir dachte. Die Schätze Montezumas waren verteilt, die Stellen besetzt und mehrere Expeditionen, die sich nach dem Norden aufgemacht hatten, waren misslungen – die nach Wolle gegangen waren, kamen geschoren zurück, wie das Wort sagt. Ich entschloss mich, an dem Zuge teilzunehmen, den der berühmte Don Pedro de Alvarado nach Guatemala unternahm, von dessen Schätzen man Grosses erzählte. Unsere Armee bestand aus hundert Reitern und fünfhundert Fusssoldaten, unter denen ich war, denn ich konnte mir kein Pferd kaufen bei meiner Armut. Wir eroberten mit grossen Verlusten ein paar Städte auf dem langsamen und beschwerlichen Marsch und unser Führer zeigte einen guten Blick für alle die Fürsten, die sich ihm, wie sie sagten, unterwarfen, aber Verräter waren, die uns des Nachts oft überfielen. Er gründete eine spanische Stadt, und ich bekam als einer der ersten, die sich da niederliessen, achthundert Golddukaten und das Dorf Xochitl. Ich hätte gut getan, da zu bleiben. Aber der Mensch ist ein Wanderer auf dieser Erde, und trotzdem ich zum Alkalden der neuen Stadt bestimmt wurde, blieb ich doch nur so lange, als das Gold reichte. Und als dann erst gar ein neuer Bischof kam, der den Eroberern wegen der geringsten Kleinigkeit den Prozess machte, da hatte ich genug von der Sache. Erschlug man einen Indianer im Zorn, so wurde man bestraft – es war keine Gerechtigkeit mehr. Und auch das Gold versteckte dieses Gesindel so gut, dass man es nicht finden konnte. Es ging ein Gerücht von einem reichen Land, das Pizarro im Süden entdeckt habe – da verkaufte ich alles und ging nach dem Süden mit noch ein paar, die meiner Meinung waren. Aber es war verfehlt. Denn die Leute des Pizarro hatten schon alles Land erobert und wollten uns nichts mit gutem Willen geben. Um das zu erfahren, waren wir unter unsäglichen Mühen über die grausigen Schneeberge geklettert und über andere, aus denen das Feuer rauchte und wo man die Glut der Erde durch die Stiefelsohlen spürte! Wir waren zweihundertfünfzig Leute. Als wir auszogen, waren wir fast doppelt so viel gewesen und hatten über hundert Pferde, die alle zugrunde gegangen waren in den Bergen. Da konnten wir nichts tun gegen die andern, die viel mehr waren. Ein Franziskaner fand den Ausweg. Unser Führer verkaufte der stärkeren Truppe seine Armee für hundertzwanzigtausend Dukaten und zog heim nach Guatemala. Und jeder von uns bekam eine bestimmte Summe und wurde ein Vertrag gemacht, dass wir an aller künftigen Beute einen Teil als Soldaten haben sollten. Wir waren es einverstanden. Sonst wären wir verhungert oder erschlagen worden. Es gab ein Fest und Pizarros Leute teilten mit uns Lebensmittel und Indianerinnen, wovon eine grosse Menge da war, so dass man die Weiber, wenn man eines überdrüssig war, immer aus dem Lager jagte, nachdem man sie getauft hatte, worin die Franziskaner sehr eifrig waren. Aber ich meine, das war ein grosses Unrecht; denn wenn diese Weiber sich selbst überlassen sind, fallen sie alsbald in ihr Götzentum zurück, während, wenn man sie gleich nach der Taufe getötet hätte, sie geradeswegs zum Sitz der Engel gelangt wären. Ich machte Almagro den Vorschlag, aber er wollte mit einem schlecht angebrachten Mitleid nicht zustimmen.

Unter Sebastian de Benalcazar zogen wir gegen Ruminahui, der nach dem Tode des Atahualpa in der Provinz Quito König war. Er fiel leider in der Schlacht und konnten wir so nicht von ihm erfahren, wo er seine Schätze versteckt hatte, die wir erst nach vielen langwierigen Mühen fanden. Das war ein reiches Land, mein Gott! Wir hatten Gold, dass manche von den Unsern ihren Pferden Hufeisen daraus machten. Einer fand eine grosse Sonne ganz aus Gold und verspielte sie in einer Nacht; er hatte so wirklich ein Mittel gefunden, die Sonne zu verlieren, bevor sie aufgegangen. Ach, ich kann das Weinen nicht halten, denke ich in meiner Armut hier an die Schätze, die ich damals vergeudete. Aber ich stelle mich in den Schutz Unsrer Lieben Frau von Atocha. Die Himmelskönigin wird mir, hoffe ich, das Blut anrechnen, das ich für die Verbreitung unsers heiligen katholischen Glaubens vergossen habe.

Hernando Pizarro, der damals in Cuzco kommandierte, hatte immer viel Schwäche gegen die Indianer gezeigt; da erfuhr er, dass man nur mit Strenge etwas gegen diese verdammte Rasse ausrichtet. Aber es war zu spät, und wir hatten viel von seiner allzu grossen Duldung zu leiden. Es gab einen Aufstand, und bevor wir noch was Rechtes tun konnten, waren wir von zweihunderttausend Indianern in unserer Stadt eingeschlossen. Uns anzugreifen wagten sie nicht, aber sie zogen Nutzen aus den Strohdächern, die sie mit Pfeilen überschütteten, an die brennende Wolle gebunden war. Nach und nach brannte die ganze Stadt, und wir mussten auf dem grossen Marktplatz kampieren. Die Indianer schossen auch mit Hilfe von Maschinen die Köpfe jener der Unsern in die Stadt, die in ihre Hände gefallen waren. Wir setzten unsere Hoffnung auf Francesco, Pizarros Bruder, dass der uns Hilfe brächte. Es war eine verzweifelte Lage. Einmal machten wir einen Ausfall, um die Festung wieder in unsere Hände zu bringen, deren sich die Indianer gleich im Anfang bemächtigt hatten. Was uns auch gelang. Manche versicherten, dass sie den Apostel Jakob auf einem ledigen Pferde vor unserer Schar kämpfend und führend gesehen hätten. So viel Glück war einem armen Sünder wie mir nicht beschieden. Ich habe nichts gesehen, aber es ist wahr, ich hatte genug damit zu tun, mich mit meinem Schilde vor den Steinen zu decken, die es auf mich regnete. Wäre nicht gerade Almagro von seinem unglücklichen Zug nach Chile zurückgekommen, es wäre uns noch übler ergangen. Er wurde unser Erretter. Aber bald darauf entstand ein Streit zwischen ihm und Pizarro, bei dem er und seine Anhänger, unter denen leider auch ich war, gewaltig den kürzeren zogen. Almagro fiel in diesem Streit und uns behandelte man schlechter als Hunde. Nichts zu essen gab man uns, dass wir von Wurzeln und Früchten leben mussten; und hatten gar keine Hoffnung, von Spanien unser Recht zu erlangen. Es war uns verboten, das Land zu verlassen, und Francesco schickte seinen Bruder Hernando an den Hof in Madrid, mit vielen Geschenken an einflussreiche Personen, damit er da auf seine Weise erzähle, was sich bei uns ereignet hatte. Aber Gott und seine heilige Mutter erlaubten nicht, dass er den Staatsrat blind mache. Pizarro wurde in die Festung Medina del Campo gesperrt und blieb da länger als zwanzig Jahre.

Wir aber taten uns inzwischen in unserm Elend zusammen und beschlossen, den Francesco umzubringen und den noch jungen Sohn des Almagro an seiner Statt auszurufen. Wir wollten ihn auf dem Messgange umbringen, aber die Heiligen bewahrten uns vor einem solchen Sakrilegium. Er kam nicht zur Messe, angeblich, weil er krank war. Wir erschraken, da wir glaubten, unsere Verschwörung sei entdeckt. Manche wurden schwankend, einige verliessen uns schon. Da sprang Juan de Herrada auf und sagte: »Wenn wir zögern, sind wir verloren! Folgt ihr mir nicht, so kaufe ich mich vom Tode los, indem ich selber euch dem Marquis verrate.« Da riefen wir: »Es lebe der König!« und eilten zu Pizarros Haus. Die Tür war offen; man hörte wohl den Lärm, den wir auf der Treppe machten, denn einige von Francescos Freunden, mit denen er gerade gegessen hatte, sprangen zum Fenster hinaus und flüchteten durch den Garten. Bei dem Marquis blieben nur sein Halbbruder Martin von Alcantara, Francisco von Chaves und zwei kleine Pagen.

Chaves öffnete die Saaltür und fragte, was wir wollten. Er war im Augenblick niedergestossen. Wir stiegen über seinen Leichnam und sahen den Marquis, der sich von seinem Bruder den Harnisch anlegen liess. Wir sprangen auf sie los, die, wie ich sagen muss, sich wie kastilianische Edelleute verteidigten. Einige von uns wurden verwundet. Alcantara stach mich durch den Arm, aber da hatte er auch schon meinen Dolch in der Brust. Der Stoss war so heftig, dass mein Fuss im Blute ausglitt; ich fiel, und da mich meine Freunde für tot hielten, gingen sie den Marquis noch heftiger an. Der hatte dem Narvaez, der mein Freund war, den Degen so stark durch den Leib gerannt, dass er ihn nicht rasch genug zurückziehen konnte. Da streckten ihn einige Stösse nieder. Er hatte gerade noch Zeit, auf den Boden mit seinem Blute ein Kreuz zu ziehen; er küsste es und gab seine Seele auf.

Wir liefen alsbald durch die Stadt und schrien: »Der Tyrann ist tot, es lebe der König und Almagro!« Wir plünderten die Häuser der Gegner und was wir da fanden war reichlich, uns über das erlittene Elend zu trösten. Es hätte noch viel Blutvergiessen gegeben, wären die Franziskaner nicht mit dem heiligen Sakrament auf die Strasse gekommen.

Auf diese Weise kam der Eroberer von Peru zum Ende. Er hatte uns zu manchem Sieg geführt und jeder von uns opferte ein Zehntel seiner Beute der Kirche, dass Messen für ihn gelesen würden.

Als die Nachricht von unserer Tat sich in ganz Peru verbreitete, erhoben sich allenthalben Pizarros Anhänger gegen uns. Das wäre aber nichts gewesen, wenn nicht zu gleicher Zeit Vaca de Castro mit grosser Vollmacht des Königs angekommen wäre, der sich, wie er vom Tode des Marquis hörte, gegen uns erklärte und nicht einmal unsere Rechtfertigung hören wollte. Alle, die dem Pizarro angehangen waren, liefen ihm zu. Gott weiss, dass wir nichts gegen ihn hatten, aber er war nur von Leuten umgeben, die von Rache sprachen, und wir mussten uns also vorsehen. Der Inka Mango half uns wohl mit seinen Kanonen, die er bei der Belagerung von Cuzco erbeutet hatte, aber die nützten uns auch nichts. Wir verloren die Schlacht ganz erbärmlich, und nur die Flucht rettete uns vor dem Tode. Es war ein Wunder, dass ich davonkam. Erst hielt ich mich in einem indianischen Dorf für ein paar Wochen versteckt, denn Castro hatte einen Befehl erlassen, ihm alle auszuliefern, die gegen ihn gekämpft hatten, und die er bekam, liess er erdrosseln. Die Indianer halfen mir heimlich aus dem Lande nach dem Norden zu, wo Neugranada war. Unter unsäglichen Mühen kam ich nach Santa Marta, wo gerade eine Galeere unter Segeln für die Rückreise nach Spanien lag. Ich begab mich auf das Schiff, denn in der Stadt war kein Mensch, da alle Einwohner vor den Korsaren von La Rochelle geflüchtet waren, welche diese Gegend oft heimsuchten. Und in die Hände dieser ketzerischen Korsaren fiel auch unsere schwache Galeere nach wenigen Tagen Fahrt.

Ein paar Wochen darauf kamen wir in La Rochelle an, einem stark befestigten Orte mit reichen Handelsleuten. Sie stehen wohl unter dem französischen König, aber wirklich sind sie ein republikanisches Gemeinwesen, das ganz verseucht ist von kalvinistischen Ketzern, welche die Katholiken ausgetrieben haben. Der Korsarenkapitän benahm sich wohl ganz gut gegen mich, liess mir meine Kleider und was ich sonst besass und verschaffte mir ein paar Fräulein, die ich im Mandolaspielen unterrichtete. Da war eine darunter, deren Vater war ein alter und reicher hugenottischer Kaufmann. Der billigte nun die Belustigung mit dem Instrument gar nicht, aber er konnte seiner Tochter nichts abschlagen. Kurz, was soll ich viel erzählen, mit der Musik ging dem Mädchen auch die Liebe auf, und wir beschlossen, nach Spanien zu fliehen, um dort zu heiraten. Wir taten einen guten Griff in des Alten Geldkasten, dank dem Schutz der Heiligen, die sicher lachten darüber, dass ein Hugenotte geplündert wurde, und kamen nach Bilbao, wo ich das Versprechen, das ich Caterina gegeben hatte, einlöste. Wir hatten noch eine gute Reise zu Fuss zu machen, durch die ganze Mancha, als wir von Mauren bei Anduxar ausgeraubt wurden. Nackend banden sie uns an zwei Bäume, wo uns Zigeuner, nah dem Hungertode, befreiten. Bis Jaen bettelten wir uns durch – achtzehn Jahre war ich fortgewesen, und es war kein frohes Wiedersehen. Meine Eltern lebten in rechter Not, was ihnen noch das Alter schwer machte. Mein armes Weib konnte all dem Elend nicht standhalten und starb bald darauf. Da fiel mir das Gold von Cuzco so stark ins Gedächtnis, dass es mich nicht länger litt. In Sevilla hob Don Estevan de Guevra Truppen für Mexiko aus, ich liess mich anwerben und als ein Leutnant.

Schon wollten wir unser Schiff nach dem westlichen Indien lenken, als etwas eintraf, was die Richtung ganz änderte. Die Häretiker in Deutschland hatten sich unter dem Kurfürsten von Sachsen gegen unseren Kaiser erhoben und der rief seine treuen Kastilianer zu Hilfe, dass sie nach Deutschland kämen, die Lutheraner zu züchtigen. Das freute uns sehr und wir fuhren gegen Antwerpen. Wir hätten den verdammten Ketzern, die diese Stadt bewohnen, gern eine Lektion gegeben, aber es war keine Zeit und dann hatte der Kaiser eine Schwäche für diese Leute, vielleicht weil er selber ein Flamländer war. Der Bürgermeister von Malines, durch das wir kamen, liess zwei unserer Soldaten hängen, weil sie sich Silberzeug angeeignet hatten, und unser Hauptmann konnte trotz seiner Klage kein Recht bekommen. Glücklicherweise änderte sich das, als wir in das Gebiet des Reiches kamen. Wenn man da auch nur sauren Wein und ein widerliches Gebräu trinkt, das sie in ihrer Sprache Bier nennen, so hat man doch die Genugtuung, dass man es des öftern aus silbernen Gefässen trinkt, die man mitnimmt, um sich an den Gastgeber zu erinnern oder um nicht von ihm vergessen zu werden. Zu essen gibt es da reichlich. Diese elenden Ketzer wollen ihr Paradies schon in dieser Welt haben; wir gaben ihnen einen Vorschmack des Empfanges, der sie in der andern Welt erwartet. Wir stiessen bei Mühlberg zur kaiserlichen Armee, wo wir den Kurfürsten abfingen. In Wittenberg fanden wir das Grab des Erzketzers Luther und wollten seine Asche ins Feuer schmeissen, aber man hinderte uns daran auf besonderen Befehl des Kaisers. Er war immer zu gütig gegen dieses Lumpenpack, und das war ein grosser Fehler; man darf ihn nicht mit unserm regierenden Herrn Philipp II. vergleichen. Nach dem Siege ging's nach Augsburg, wo ein Reichstag sein sollte, auf dem des Kaisers Sohn zu seinem Nachfolger gewählt werden sollte, wie er wünschte. Das war für uns Veteranen sehr sonderbar, die wir doch mächtige indianische Kaiser von geringsten Offizieren zu Tode bringen sahen, hier den Kaiser zu sehen, der sich ein paar niederen Prinzen unterwarf. Was war so ein Markgraf von Brandenburg gegen den mächtigen Montezuma? Der Gedanke und die Zucht, die man bei uns einführen wollte, machten mir den Krieg in Europa verdriesslich und mich verlangte wieder nach Westindien.

Was mich verwunderte, war, dass unter den deutschen Truppen des Kaisers nicht mehr Glauben herrschte als unter den Lutheranern. Niemals nicht gaben sie auch nur das Geringste für eine Messe her oder eine Kerze für die Jungfrau. Aber aufs Plündern verstanden sie sich, das muss ich sagen, und hatten eine Kunst, die Gefangenen zum Reden zu bringen, an der wir lernen konnten. An einem belustigten wir uns insbesondere. Sie rieben so einem festgebundenen Ketzer die Fusssohlen ordentlich mit Salz ein und liessen dann eine Ziege daran lecken. Der Kerl musste lachen, bis er darüber verreckte, wenn er den Spass nicht auf eine uns nicht weniger angenehme Art damit endete, dass er uns sagte, was wir von ihm wissen wollten. Die Methode ist gut, hat aber doch einen Nachteil, weil man nicht immer eine Ziege bei der Hand hat und es sehr schwierig ist, diese Tiere zu fangen, wenn sie einmal aus dem Stall sind.

In der Stadt Landshut ging ich einem Mädchen, eines alten Obersten Tochter, in die Falle, vor deren Fenster ich nächtlich auf andalusische Weise öfters musizierte. Da es Winter war, hatte sie endlich ein Einsehen und liess mich in ihr Zimmer steigen. Sie war mit ihrem Vater in Italien gewesen und verstand die Sprache. Vom Zimmer ins Bett, das war nicht so weit, als dass ein so Vielgewanderter wie ich nicht bald den Weg gefunden hätte. Alles ging ganz gut, als mich des Morgens einmal ein unerwarteter Lärm weckte, und da stand der Oberst mit vier bewaffneten Kroaten am Bett und einem Kapuzinerpater. Den Pater, sagte er, habe er mitgebracht, mich zu verheiraten oder mir die Beichte abzunehmen – es stände in meiner Wahl, denn er wolle niemandem was Böses. Ich schämte mich wie ein Fuchs, den die Henne gefangen, und um so mehr, als ich, wie ich das Mädchen anschaue, merke, dass sie gar nicht erschrocken war, also mit dem Vater im Einverständnis diese Sache angerichtet hatte. Da war gute Miene machen das beste, denn gegen einen Mann, der Manilla, Spadilla und Basta in den Karten hat, ist nicht anzukommen. Ich war also für Heiraten, und man liess uns nicht einmal aus dem Bett steigen zu der heiligen Handlung. Der Oberst ging dann und wünschte mir spöttisch eine gute Nacht. Ich dachte wohl wie er, dass ich an dem Tag genug gesungen hatte, und obzwar meine Mandoline in der Ecke des Zimmers stand, hatte ich gar keine Lust mehr zu Ruladen.

Verheiratet beschloss ich das Soldatenleben aufzugeben, um so mehr, als meine Geschichte bekanntgeworden war und ich den Spott meiner Kameraden fürchtete. Übrigens war ich meiner Frau nicht böse über den Streich, denn sie war hübsch und ich hatte ihr das Heiraten versprochen. Wir gingen nach Wien, wo ich durch meinen Schwiegervater beim Kaiser Stallmeister wurde.

Ich lebte da etwa ein Jahr, als mir ein kaiserlicher Offizier die Reiterkompagnie in der Armee zu übernehmen vorschlug, die er gegen die Türken aushob. Ich nahm gerne an, aber zu meinem Staunen war meine Frau, wie mir vorkam, nicht überrascht, als ich ihr das mitteilte. Es kam mir ein Verdacht, dass sie es mit jenem Offizier habe und mich gern bei den Türken hätte. Ich tat so, als ob ich abreiste, und kam mitten in derselben Nacht zurück. Da fand ich die beiden meinen Abschied feiern und ich sah deutlich, dass die Kapelle nicht leer ist, wenn der Heilige fort geht. Ich erstach erst meine Frau und setzte dann meinem Feind den Dolch auf die Brust: ich schwur ihm, ich würde ihn wie meine Frau behandeln, wenn er nicht Gott und die Mutter Gottes abschwöre. Der Feigling schwur ab und ich hatte die Genugtuung, ihn in die andere Welt mit seiner Todsünde beladen zu schicken, ihm Leib und Seele zu töten.

Ich hatte in Wien weder Schutz noch Freunde und musste fliehen. Es war eine schwierige und mühselige Sache, bis ich nach Triest kam und von da auf einer Feluke nach Malta. Da fand ich eine Gelegenheit, nach Spanien heimzufahren. Das war nun allerdings ein weiter Umweg nach Westindien, der mich über das ganze Deutschland und ins Ungarische geführt hatte, aber meine Sehnsucht stand nach dem Goldlande. In Porto Bello schiffte ich mich nach Peru ein.

Wir waren nah dem Ende unserer Fahrt, als wir von einem mächtigen Sturm gepackt wurden. Ein paar Tage lang trieb es uns umher, ohne dass wir wussten, wo wir waren, und als wir endlich ganz nahe Land sahen, fuhren wir auf einen Felsen auf. Es nützte nichts, dass wir die Ladung über Bord warfen, um das Schiff zu erleichtern; wir kamen nicht los und mussten an unsere Rettung denken. Die einen warfen sich ins Meer und gewannen die Küste; die zurückblieben, weil sie noch was von ihrer Habe retten wollten, verschwanden mit dem Schiff in den Wellen. Den übrigen Tag und den andern fischten wir auf, was das Meer an die Küste warf; es waren aber nur Balken und Bretter und ein paar Kisten Zwieback. Es mangelte uns besonders an Kleidern, da wir fast vollkommen nackt waren. Eine junge Frau aus Antequera, die ihren Gatten begleitet hatte, schämte sich ihrer Nacktheit so sehr, dass sie von ihrem Mann verlangte, er solle sie in den Sand eingraben; sie wollte niemals aus diesem Grab herausgehen und starb darin.

Unser Pilot sagte, dass wir uns auf der Insel Bermuda befänden, wo wir zugrunde gehen müssten, weil es kein Trinkwasser da gäbe. Wir fanden aber doch welches, und Fische und Schildkröten. Da bauten wir eine Hütte und vertrauten auf Gott. Aber es gab bald Streit. Die Matrosen, die sich abseits von uns zusammengetan hatten, verlangten die Frauen einiger Reisenden. Als die das nicht wollten, kam es zu einem blutigen Kampf, den wir zum Glücke, da uns Waffen fehlten und wir dreinschlugen mit was wir eben fanden, nicht mit Menschenleben, sondern mit ein paar blutigen Köpfen bezahlten. Ein Kapuziner stellte den Frieden her, und es wurde abgemacht, dass man den Matrosen vier Negerinnen überlasse. Diese machten erst einige Schwierigkeiten, fanden sich aber schliesslich in ihr Los. Beinah hätten diese schwarzen Helenen aus dem Matrosenlager ein zweites Troja gemacht, und wir mussten Ordnung schaffen. Wir hatten auf einem hohen Felsen einen Posten eingerichtet, der nach einem Schiffe Umschau halten musste. Aber niemand wollte da hinauf wegen der starken Hitze. Nun bauten wir daneben eine Hütte für die Negerinnen und bestimmten, dass der jeweilige Posten allein sich ihrer erfreuen dürfe. Seitdem war der Posten sehr gesucht.

Auf einer indianischen Piroge, die nach Wochen eines Tages landete und deren vier Insassen wir erschlugen, kamen wir nach San Christoval, wo ich ein paar Monate Aufseher auf einer Zuckerplantage war, von deren Besitzer ich einen guten Streich erzählen will. Es gab da viele Neger, die man seit einiger Zeit einführte, aber sie hielten sich recht schlecht; war es Heimweh oder war ihnen die Arbeit zu schwer, sie hingen sich fast alle auf. Mein Mann hatte schon eine Menge auf diese Weise verloren, als er einmal sechs oder sieben auf dem Weg in den Wald sah. Er hatte keinen Zweifel über ihre Absicht, steckte ein Stück Seil in seine Tasche und war plötzlich mitten unter ihnen. »Ihr wollt«, sagte er, »in das Land der Geister, nicht wahr? Gut, da alle meine Sklaven dahin gehen, will ich es auch, und da werden wir ja sehen, ob sie mir entkommen. Ich werde ihnen die Mühe schon heimzahlen, die ich mir damit geben muss, ihnen nachzulaufen.« Und er wies seinen Strick. Die Neger waren so erschrocken von der Aussicht, dass sie zur Arbeit zurückkehrten; keiner dachte mehr daran, sich den Tod zu geben.

Mit einer Gelegenheit kam ich nach Mexiko, wo ich dank einiger Freunde eine Kompagnie Soldaten erhielt. Die erste Expedition, an der ich teilnahm, befehligte Don José de Bolea und ging gegen die Indianer von Taumalipas. Die hatten sich, trotzdem sie Katholiken geworden waren, erhoben und die Missionare massakriert, indem sie sagten, dass diese sich nicht um ihren religiösen Unterricht kümmerten, sondern sie in den Minen arbeiten liessen. Man sah, dass ihre Bekehrung nur geheuchelt war, denn als wahrhafte Christen hätten sie sich nicht gesträubt, alle ihnen von Gott auferlegten Mühsale zu ertragen. Und schliesslich sind die guten Pater auch nicht bloss dazu aus Spanien hergekommen, um die Seelen dieser Lumpenkerle zu retten.

Unter der Führung einiger flüchtiger Neger, die etwas von der Kriegskunst verstanden, hatten sie sich auf einem Felsen befestigt, von wo aus sie einige unserer Angriffe abschlugen. Wir wollten sie da aushungern. Um uns ein bisschen zu zerstreuen, streiften wir im Lande umher, fanden aber nur wenige Männer, da sich die meisten auf die Felsenfestung begeben hatten, aber viele Frauen und Kinder. Unser General liess sie im Angesicht der Festung henken, so dass die Bäume rasch bevölkerter waren als die Dörfer.

Aus Mangel an Lebensmitteln waren die Indianer nach einer Zeit gezwungen, sich zu ergeben. Ihre Führer verlangten eine Kapitulation, und so lud sie unser General zu einem Versöhnungsessen, was die Ausgehungerten gern annahmen. Man mischte in ihren Trunk etwas, das sie einschläferte, und alsbald zog man sie nackt aus und band sie an Pfähle, um die Reisig gelegt war. Die waren komisch erschrocken, als sie aufwachten und unser General Feuer legen und sie als die Renegaten verbrennen liess, die sie waren. Aber unser Kapuziner sorgte dafür, jenen, die bereuten, die Absolution zu geben. Daraufhin baten, nachdem sie vom Tode ihrer Führer hörten, die Indianer um Gnade. Bolea war nachsichtig und schickte sie in ihre Dörfer heim, nachdem er ihnen hatte die rechte Hand abhauen lassen, um sie ausserstand zu setzen, Waffen zu führen. Dank diesem Umstande, dass wir keine Gefangenen machten, sondern diese töteten oder verstümmelten, hatte der Krieg bald ein Ende, und ist diese Vorsicht sehr zu empfehlen. Ich brauche Christen nicht zu sagen, dass es, ausser wenn die Zeit drängt, nicht erlaubt ist, einen Indianer zu töten, bevor man nicht seine Seele mit dem heiligen Taufwasser gerettet hat. Anders behandelte man sie wie Tiere, und ich bin nicht von denen, die sagen, unser Herr Jesus Christus sei für jene nicht ebensogut am Kreuz gestorben wie für uns.

Auf unserem Heimweg nach Mexiko kamen wir an dem grossen Hof des Christoval de Olid vorbei, dessen Majordomus ein Auge verloren hatte. Um sich über sein Malheur zu trösten, hatte er den gleichen Leibschaden allem zuteil werden lassen, was auf dem Gutshofe lebte, also dass Pferde, Rinder, Indianer, Schweine und Hühner einäugig waren.

Da meine Sehnsucht nach dem Goldlande Peru stand und keine andere Gelegenheit war, dahin zu gelangen, beging ich die Unvorsichtigkeit, mich Don Blas de Berlanga anzuvertrauen, einem Neffen des früheren Bischofs von Peru. Wir kamen überein, dass er in Acapulco ein kleines Schiff miete und die Kosten dafür trage; ich brachte all mein Gut an Bord und wir fuhren ab. Nach etwa zwei Wochen kamen wir in Ansicht einer ziemlich grossen Insel, auf der wir, da sie dicht bewachsen war, frisches Wasser einnehmen wollten. Der Verräter Berlanga begab sich mit mir in eine Barke und wir ruderten hinüber. Als wir ankamen, assen wir etwas; ich weiss nicht, ob er etwas in mein Essen gemischt hatte, aber als ich erwachte, stand die Sonne tief und unser Schiff verschwand am Horizont. Der Himmel strafte seinen Verrat: des Nachts war ein Sturm, und ich habe nie wieder von Berlanga und seinem Schiff sprechen hören.

Ich war so damit beschäftigt, meiner verschwindenden Hoffnung nachzuschauen, dass ich die vielen Indianer, die herbeigekommen waren, erst merkte, als sie mich dicht umgaben und ein wildes Geschrei ausstiessen. Sie tanzten, einander bei den Händen haltend, um mich herum, und ich glaubte meine letzte Stunde gekommen. Ich kniete hin und befahl mich meiner Patronin. Aber da nahmen mich, tief zur Erde gebeugt, zwei Häuptlinge bei den Händen und führten mich, gefolgt von der schreienden und teuflisch musizierenden Menge, in einen grossen Schuppen, wo man mich auf eine Bank setzen hiess, die auf einer Art Estrade stand. Der Häuptling hielt mir eine lange Rede, von der ich nichts verstand. Darauf begann die ganze Gesellschaft wieder zu tanzen und zu singen. Schliesslich brachte man zwei metallne Becken, die man vor mich hinstellte und in die man ein brennendes Harz warf, dessen Qualm mich fast erstickte, so scharf war er. Darauf entfernte sich das Volk. Die gleiche Zeremonie wiederholte sich am andern Morgen und die folgenden Tage. Und jeden Morgen brachte man mir drei Maisbrote auf einem goldenen Teller. Um den Schuppen standen Bogenbewaffnete, die mich bewachten.

Man wollte mich langsam verhungern lassen oder ersticken, das schien mir sicher. Bis es mir gelang, mich mit einem Priester zu verständigen, der etwas die Sprache der mexikanischen Indianer verstand, die mir geläufig war, und ich entdeckte, dass vor Jahren ein spanisches Schiff die Insel angelaufen und ein Mönch des Schiffes den Indianern das Christentum gepredigt hatte. Er hatte ein Holzbildnis des heiligen Apostels Jakob zurückgelassen, aus dem die Indianer in ihrer Unwissenheit einen Götzen machten. Wie sie nun mich auf ähnliche Art bekleidet sahen und nicht verstunden, wie ich auf ihre Insel gekommen sein mochte, dachten sie, ich sei vom Himmel gefallen, und brachten mich als einen Gott in ihren Tempel und beteten mich an. Da ich von dem Qualm öfters ohnmächtig wurde, hielten sie das für ein Versprechen der Erfüllung ihrer Wünsche und hörten mit der Räucherei immer erst auf, wenn ich sinnlos hinfiel. Umsonst sagte ich ihnen, dass ich ein Mensch und von mir nichts zu erbitten sei: sie fuhren fort mit ihrem entsetzlichen Räuchern, dass mir die Augen aus dem Kopfe sprangen. Ich wäre ohne die Hilfe meiner Schutzpatronin erstickt, die mir eines Morgens, als ich wieder ganz mit Vogelfedern und kostbaren Steinen bedeckt auf meinem Thron sass, Hilfe schickte. Ich vernahm in geringer Entfernung Musketenschüsse, und gleich darauf stürzte sich eine Menge in den Tempel, gefolgt von einigen Männern, die auf kastilianische Art gekleidet waren. Die warfen sich auf mich, da sie mich für ein Götzenbild hielten, das sie nach ihrer lobenswerten Gewohnheit zertrümmern wollten. Ich hatte gerade noch Zeit, zu rufen: »Ich bin ein Christ wie ihr!« Da waren sie sehr erstaunt, und ein Mönch fing an, den Teufel in mir zu beschwören. Ich erzählte kurz meine Geschichte, während die Indianer sich vor meine Füsse warfen: da sie mich mit einem einzigen Worte den Spaniern Einhalt tun sahen, hielten sie mich erst recht für einen Gott.

Ich verliess mit den Spaniern die Insel, deren Bewohnern ich den hölzernen heiligen Jakob zurückliess, den sie nach Belieben anräuchern konnten, ohne dass er es merkte. Mein Gewissen hat mir bisweilen dieses Abenteuer vorgehalten, weil ich fürchtete, eine Profanierung dadurch begangen zu haben, dass ich mich von den Indianern anbeten liess. Aber gelehrte Kasuisten haben mich in dieser Hinsicht beruhigt, da ich alle Versuche gemacht hätte, die Indianer von ihrem Irrtum abzubringen. Ich kann trotzdem seit der Zeit keine rauchende Pfeife sehen, die mich nicht daran erinnert, dass ich einmal Gott war.

In Acapulco kaufte ich ein Pferd, das mich nach Mexiko zurückbrachte. Unterwegs musste ich eines heftigen Fiebers wegen, das mich in dem heissen Tale ergriff, bei dem Pfarrer von Tuzutepek bleiben, der mir von einem alten Brauch der Indianer zu Zeiten der alten Könige erzählte. In dem Ratsaal des Königs standen sehr grosse Krüge, die man mit Wasser füllte, wenn er seine Räte berief. Diese zogen sich nun aus und stiegen in die Krüge bis zum Kopf, um sich frisch zu erhalten. Dann begann die Beratung. Man kann über diesen Brauch lachen, aber ich habe Schlimmeres bei den Christen gesehen, wo es oft nur die Krüge sind, die bei einer Ratssitzung teilnehmen.

Ich kam zu meinem Unglück nach Mexiko. Als Teilnehmer an einem Feste, das des Don Fernando Cortez Sohn auf Vale d'Oaxaca gab, wo ihm in einem Maskenspiel von einem Freunde, der den Montezuma darstellte, die Krone aufs Haupt gesetzt wurde, geschah es, dass ich mit allen denen, die dabei und so wie ich betrunken waren, verhaftet wurde als Hochverräter. Ich war mit Don Luis Ponce de Leon, den drei Brüdern Davila und meinem General José de Bolea und noch zweihundert Edelleuten im Gefängnis, und wurde uns der Prozess gemacht. Alonso und Sil Davila wie auch mein ehemaliger General wurden geköpft als Verschwörer gegen die Krone Spaniens, da man bei ihnen Papiere gefunden zu haben behauptete, aus denen hervorging, dass sie hätten Mexiko wollen unabhängig und den jungen Cortez zum Kaiser machen, dem man aber nichts nachweisen konnte. Es wäre uns andern auch so schlimm gegangen unter diesem Las Casas, der den Richter machte, wäre nicht gerade der neue Vizekönig Don Gaston de Teralta angekommen. Er setzte die einen in Freiheit und schickte die andern, unter denen ich mich befand, nach Spanien zur Aburteilung. Im Schloss von Ayamonte an der portugiesischen Grenze setzte man uns gefangen.

Wie ich von dem Schlosse zum König Sebastian nach Portugal floh, mit dem ich nach Afrika ging, was ich in Goa erlebte, wie ich nach Borneo kam und Seeräuber wurde und Fan-Si eroberte, wie mich die Tataren gefangennahmen, und was ich beim Sami-Natim-Khan tat, wo um einen weissen Elefanten ein Krieg ausbrach – das und vieles noch, was mir zu erleben beschieden war, will ich aber ein anderes Mal erzählen. Die des Schreibens ganz ungewohnte Hand eines alten Soldaten und Herumtreibers ist schneller müde, den kleinen Kiel zu halten, als ein breites Schwert zu schwingen.


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