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Die Gedichte von Trennung und Licht

1915

 

 

Quodsi me lyricis vatibus inseris
sublimi feriam sidera vertice.

Horatius Flaccus

 

 

Die Gedichte von Trennung

Ich bin nur Staubkorn – riesig ragt die Nacht.
Mein Weg treibt durch Laternen und viel Stein.
Als ich von Menschen wollt' verlassen sein,
Hab ich es mir nicht als so groß gedacht.

Ich kann nun nichts von alledem erreichen,
Was gar nicht fern man redet und man lacht.
Nur Nacht wird lang um meine Wangen streichen,
Bis ich mich Einsamen nach Haus gebracht.

Ich werd in ein entferntes Bett mich legen
Und wissen, daß ich schied, bestimmt bedrückt
Von dem, was ich verließ, doch nicht vergaß,

Und dennoch fühlen dies als einen Segen:
Es war doch überviel, was ich besaß,
Was nun die Nacht der Stunden mir entrückt.

 

Ich gehe zwischen Gärten jetzt, in Straßen,
Wo Abend ward, und nichts sich sehr bewegt,
Feind dieser Menschen, die mich nicht vergaßen.
Baumlaub erduftet, Glocke klopfend schlägt.

Ich, dessen Stimme, Nähe und Gestalt
Sie früh entzünden konnte und betören,
Geh fern – es dämmert tief – verhüllt, umwallt,
Wissend: wir werden oft noch von uns hören.

Den ihr verleumdetet, der euch verstößt,
Euch nicht mehr achten darf, weiß wohl: ihm war
Einst du der Freund und du einst seine Frau.

Ein Engelsschatten steht, das Schwert entblößt,
Wache zu halten vor verbotnem Bau,
Dem nicht ein Frühling winket durch das Jahr.

 

Was waren deine Wangen? Kleine Zinnen,
Wo Erdbeer ruht, und sich ein Schwan bewegt,
Und wo ein Mohr aus scheinenden Gewinnen
Die Fülle ungemünzten Goldes trägt.

Was waren deine Lippen? Große Züge
Von Straßen weit von Feld zu Abendrot,
Der Küsse paradiesische Genüge,
Das weiße Krankenlager vor dem Tod.

Was waren deine Augen? Blaue Zeichen,
Dir eigen, wie in Erde deine Spur,
Die mächtig dich beweist vor dem Verstreichen,
Dich Glied, o dich Gebilde der Natur!

 

Die Nacht wird kommen mit den dunklen Decken,
Mit Licht und Lachen und mit Außenwelt,
Mit Furcht und vielen trüb und grellen Flecken,
Eh noch mein Geist die Abschiedsstunde hält.

Das war ein Hase, hupfend durch die Ähren,
Und ich erschrak, es ist mir schon zu spät.
Von Träumen, wie sie mir im Kopfe gären,
Erlöst mich kein Gedicht mehr noch Gebet.

Die Hunde haben Recht, daß sie so bellen,
Wenn ich vorbeischleich tiefeinsamem Haus.
Die Bäume, die sich in den Weg mir stellen,
Sehn auch zu Feinden angeschwollen aus.

Die Angst wird nur zu willig von mir weichen.
Grundlos geh ich gesund dann in dem Tage.
Wie heilt mich schon des Windes schnelles Streichen,
Das mich betrügt, um, was ich nie recht sage.

 

Nun wandeln zwischen uns die Segelschiffe,
Die morgens aufstehn im erwachten Duft,
Wo Fisch und Pflanze zarter sind, als griffe
Bangnis und Hoffnung ein in ihre Luft.

Nun ruhen zwischen uns die Nachmittage,
Von einem End zum andern hin gespannt.
Zu ihnen flüstern wir wie eine Sage:
Uns trennte wenig und nun trennt uns Land.

Und manche Stunden sind wie Glockenschläge
Von dunklem Hasten und im Anschlag kurz,
Und unsre Herzen sehen ihre Wege
Vielleicht zum letztenmal in ihrem Sturz.

 

Der Fahrweg wand sich in dem Tag, der wich,
Zu Hellen, weich aus Luft – gebleichtem Glas.
Wo blinde Weite flimmert, ewig zuckt,
War noch der Hauch verschollner Abendfelder,
Verschütteter Insekten ein Gesumm.
Daß grauer Herbst befahl und Wind, wann war
Der Brücke Traben und das Schmal der Kähne?
Die Dünste teilte ich mit meinem Kinn.

Was meine Kindheit heilig bunt durchfloß:
Der großen Städte blühend Vielerlei,
Des Witz' und Willens spaltend schöne Kraft,
Hitze und Abschied manch durchstaubten Tages,
Die Morgen, die ich jünglingisch verweinte
Um Menschen, die ich mir zu ferne wähnte,
Gebäude heißer Tränen, finstren Steines
Waren auf Wegen, denen ich entstieg.

Wer glaubt mir, daß ich unberührbar war?
Daß jene Zahl, die durch die Straßen kreischt
Und flüchtet, wo sie obzusiegen vorgibt,
Mit Witz, der gleichmacht, Träne, welche abtut,
Aus meiner Hingabe sich Dreiste nahm,
Mir widerlicher ist als falsche Reinheit?
Des Lügners Haltung und erborgte Würde
Dünkt höher als ihr niedriger Verzicht.

Die dich nur preisen, um dich zu berühren,
Dich kennen, ungefährdeter zu sein,
Noch wenn sie ehren, wünschen sie zu ketten,
Noch wenn sie loben, schlagen sie ans Kreuz.
Doch weiß der Dichter steil entgegengleitend
Urhelligkeiten, wenn der Stern versank,
Daß Wellen spielen werden, ihm, der liegt,
Zu küssen Haut und das erlöste Haar.

 

Du Angehörige hassender Partei!
Mit Mut auf einst errungner Stirn Geschmückte!
Geh Wege heil, scheinbar nicht unbeglückte:
Dein Herz ist dennoch grauer als das Blei.

Ich war nur schweigsam, wollte nicht dich strafen.
Als ich dich dumpfer Zukunft überließ,
Dacht ich der ganzen Nächte aus Türkis,
Da meine Lippen dich auf lange trafen.

Aus Silber war ich, wie ich von dir ging.
Längst lächelnd birgt doch die Erinnerung alles:
Die letzte Nacht, Küsse und Abschiedswink.

Du Angehörige hassender Partei!
Heb nur dein Herz, das schwerer ist als Blei!
Geh Straßen hart und denk unsres Zerfalles!

»Then you'll remember me ...«

 

Arthur Kronfeld in Freundschaft gewidmet

 

Der Stadt verhängtes Geländ
Ist wolken-stumm und verwaist,
Vielleicht, daß euch Regen umbrennt
Und auf Straßen in Stücke zerreißt –

War Wehmut groß in mir zumeist?
Vielleicht, daß jemand mich nennt,
Wie Musik in Cafés ihn umkreist,
Ihn des Sommers umraunt und umrennt –

November: ein Spuk, welcher gellt
Und die schwarzen Straßen verstellt
In giftger Gebäude Welt –

Um Verse von mir wissen Huren
Schon heut, mit geträumten Figuren
Und kostend vieles Geld.

 

Wenn Tags auch über uns die Jahre brennen,
Ein Abend kommt, uns beiden zu verzeihn ...
Da wir erfahren, daß sich niemals trennen,
Die sich vermählten, ehe sie allein ...

Und da wir fast die alten Namen nennen ...
Warum bist du nicht mein, ich nicht mehr dein?
Wenn Tags auch über uns die Jahre brennen,
Ein Abend kommt, uns beiden zu verzeihn.

Der Himmel, eine große Glocke oben,
Tönt immer und unhörbar seinen Ruf.
Und wieder ist mir nah dein Angesicht.

Wir sind diesmal so weit herausgehoben,
Daß uns nicht findet, was uns Trennung schuf,
Und was uns damals traf, nicht zu uns spricht.

Die Taggesänge

Taggesang I

Da doch das Bergeshaupt bereits durchstach
Des morgendlichen Nebels feuchtes Tuch,
War es ein Wunder, daß aus Sträuchern brach
Beschienen sich entfaltender Geruch –

Da Vormittag schon über den Geländen,
Durchwärmend sie, zu flimmern anbegann
Und dann in Himmelsfarben blendend spann
Die rege Welt, sonnig an allen Enden?

Des Flusses pflanzengrüne Spiegelglätte,
Still schillernd war sie wie ein Feenkleid,
Und an der Ufer hingereckter Stätte
Gesträuch und Gras waren zum Duft bereit,

Der treibend kam mit schüchternem Gelingen
Und einzog ins erweiterte Gemüt –
Bis alles wird ein Immer-Aufwärts-Klingen
Zum Himmel, der mit tausend Ästen blüht.

Taggesang II

Musik erhob sich, Cello und die Geigen,
Als ich nachmittags saß dumpf vor mich hin,
Der Töne sichrer Abrutsch und ihr Steigen
Traf perlend laut meinen erregten Sinn.

Suchend und findend, fieberhafte Grüße
Traumiger Räume, die wir nie noch schauten,
Sie drangen tief und mit gezognen Lauten
Und mit bei uns schon lang geborstner Süße,

Rankend und klar, den Atemzug beflügelnd,
Sie kratzten greifend an erhitzten Nerven,
Ich bebte, meinen Körper nimmer zügelnd,
In nicht durchlebte Welten mich zu werfen ...

So war im Haschen, Gleiten, Vorgenießen
Ein wirres Glücke nah und beinah mein,
Die Töne suchte ich, den sie dann ließen,
Ob seines Irrtums jämmerlich, allein.

Taggesang III

Im Land war so der Apfelbäume Frieden,
Als hättens zarte Augen ausgedacht,
Die Felder lagen von der Hatz vermieden,
Klar bog der Pfad sich, der mich hergebracht,

Und sprang hinab im Abend durch das Tal,
Ein bißchen hat es, nicht zu naß, geregnet,
Ich sagte: Weggegangen ist die Qual,
Ich kann erwarten, was mir nun begegnet.

Niemals war so des Drucks ich mir bewußt,
Wie jetzt, da er mich ließ, wohl um zu proben,
Ob ich der lichten, starken, fremden Lust
Verstehen würde, voll mich zu verloben ...

Die Bäume standen in dem Abendlicht
Ganz kindhaft mit der Reife runden Kronen.
Hoch um der Berge laubiges Belohnen
Glitten schon Schleier einer Nebelschicht.

Stunden im Jahr

Süddeutsche Nacht

Vorgärtennacht! Mit Sträuchern an den Straßen,
Wo Bäume neben Gaslaternen stehn,
Im Dunkel hell und über alle Maßen
Zu golddurchjagtem Duften ausersehn!

Die Bäume sind wie Vögel mädchengleich
Und senken gelber Helle zu ihr Laub,
Laternenschein rinnt wie ein zarter Staub
Auf lichte Blätter in dem Wipfelreich.

Wir wollen aber nicht nach oben sehn.
Vielleicht, daß schon am nächtigen Himmel steht,
Wenn wir ganz klein durch Gartenstraßen wehn,
Ein riesiger, entsetzlicher Komet.

 

Was da waltet um mich her,
Ist wie meine alte Nacht –
Ich hätt niemals jetzt gedacht,
Daß die Nacht so herzlich wär.

Groß steh ich in meinem Zimmer,
Fühlte lang nicht meine Gestalt.
Meine Bilder hängen alt,
Lautlos in bekanntem Schimmer.

Alles ist wie einst verstummt,
Wenn ich manchmal nachts noch schrieb.
Ja, die Luft, die draußen summt,
Ist wie ein »Ich hab dich lieb«.

Ich kann froh sein. Ich will beten.
Bin ich endlich heimgekehrt?
Danken darf ich, daß zu späten
Stunden mir ward Ruh beschert.

War oft sehnend und voll Gram
Bei viel Glück und ein'ger Qual,
Bis mich nun mit einem Mal
Lindrung völlig überkam.

Nicht mehr mit dem Schicksal rechten!
Was aus mir geworden ist!
– Den du in Gespensternächten
Oft besinnungslos geküßt.

Häusertüren, Trennung, Regen:
Jetzt ist vieles in mir glatt.
Meistens kam mir Wind entgegen –
In der frühdurchsausten Stadt.

Dezember

Nun ist die Glut verweht, der Ton verhallt,
Es ragt der Baum an unbegangnen Wegen.
Der das Alleinsein fürchtete und schalt,
Empfindet nunmehr doppelt seinen Segen.

Auf allen Strecken ist es rein und kalt.
Nicht mehr erfaßte Verführung einen Trägen,
An das verbotne Feuer ihn zu legen,
Das ihn zerschmilzt zu trüber Mißgestalt.

Im Winter ist die ewige Majestät,
Verjagend das Getändel und Geplärr.
Es läßt die Blätter stolz der große Berg,

Steiler im Wuchs und nackter in dem Werk.
An seiner hocherhabnen Seite steht
Der graue Engel Schmerz, der hohe Herr.

 

Es war, daß alle Wiesen mich umwarben,
Als ich gebannt die Mondennacht betrat,
Und fiebernd ging es weiter, ohne Darben
Floß grauem Land und Bergen zu der Pfad.

Fort war das Zitherspiel, nicht bebte nach,
Was sie gesungen hatten mit dem Mund,
Und plötzlich durch beklommne Stille sprach
Ein weitentfernter eingeschlossner Hund.

 

Abend, vom Tag die am tiefsten beugende Phase,
Wurdest im Zimmer mir heimisch, dem alles Beruhen entzwei,
Wissen nur war: vor der Fenster getrübtem Glase
Geht die Stadt mit Lichtern und Schriften vorbei,
Gehen Menschen viel auf der unkenntlichen Brücke,
Sind viel Glänze verteilt durch Dunkel, das krankt ohne Schrei,
Leeres Gedächtnis noch wohl von einstigem, einzigem Glücke,
Das ich vertrieb vor Monden: so war ein Befreier der Mai.

 

Seit ich zuviel an dich denke,
Bin ich nicht mehr frei und munter.
Such ich, wie ich es versenke,
Geht es doch mir nicht mehr unter.

Lockig Haare, klar die Wangen
Und der Augen Schelmerein,
Sie sind ferne, doch sie fangen
Mich mit bangen Schlingen ein.

Weiß nicht, wie das enden möge,
Bringt es Freude oder Schmerz?
In dem zierlichsten Gehege
Neu verfangen glüht mein Herz.

 

Der wilde Honig deiner beiden Lippen
Scheint deutlich mir in meine ferne Fahrt.
Mir ward von je durch erst verborgne Klippen
Gefahr und tiefer Schicksal aufbewahrt.
Ich spüre immer deine große Nähe,
Ob ich dir nahe oder dich nicht sehe.

Wesen mir noch umschleierter Regionen,
Wo ich durch dich einst leben könnte, fühlen,
Die Flamme wird mich sicher nicht verschonen,
Und brennt es auch, ich werde es nicht kühlen.
Führt es zum Rausche oder zum Verzicht:
Die Stunde weiß es, doch wir ahnens nicht.

Von Hoffen bin ich bis zum Schmerz erregt,
Wenn eine Türe aufgeht, und du kommst,
Und eh das Schwärmen sich noch hat gelegt,
Quält schon der Zweifel, ob du mir wohl frommst,
Ob Götter nicht, bevor wir uns noch kennen,
Bereit sind, uns Gelenkte schon zu trennen.

Du triffst mich, der, zu tiefem Ernst entschlossen,
Noch, Kind, gehindert ist, etwas zu tun.
Die leichte Neigung ist uns schon verflossen,
Und alles Schwere spannt und drückt uns nun,
Uns, die wir vor verlockendsten Gefahren
Nicht, eins vom andern, wissen, wer wir waren.

 

Ich sah, wie mit himmlischem Neigen
Der Sommer war über dem Land.
Die Äcker in klingendem Reigen
Erschwankten Hand in Hand.

Ein hohes silbernes Läuten
War in die Lüfte vertan.
Und auf dem glänzend zerstreuten
Flusse kam ein Kahn.

Wo Käfer die Halme erklimmen,
Überschüttete Wiesen sind müd,
Selig die kleinsten Stimmen
Sind von der Hitze erglüht.

Ach, in dem Fessellosen
War ich ein singender Rauch!
Alle Blätter der Rosen
Fliegen innig vom Strauch.

Und in der hundertfachen
Umarmung des Vaters ist,
Was du an dauernden Sachen
Kennst und liebst und vergißt.

Und wie es nun im Erfüllen
Aufs neue dich hält und beglückt,
Wird es sich wieder verhüllen,
Und jedes ist dir entrückt.

Aber nicht schwinden noch tauschen
Kann je das neue Nahn
Von dem, was mit donnerndem Rauschen
Dich erzog deiner Bahn.

Einer Dame

Nun sei gesagt, daß in zahllosen Stunden
Ich nicht dein Bild, das schwebende, vergesse,
So lange fern bin heimlich ich verbunden
Mit deiner Röte und mit deiner Blässe.

Du schwanktest zwischen bräutlicherem Kommen
Irrender Füße und bedachtem Tanz,
Von mildem Geiste zage schon erglommen
Und noch vergiftend reichtest du den Kranz.

Du rührtest an der angesehenen Schläfe,
In der die Lust dem Ernst sich nicht mehr mischt
Und die ersinnt, daß sie dich anders träfe,
Als bloß in früher Träume eiligem Gischt.

In dir war groß die Angst vor dem Verlust ...
Ob du, durch Marter hohl, durch Mensch beraubt,
Bange und bunte Wege laufen mußt,
Erwog dein gnädiges und schönes Haupt.

 

Der dich mit Strahl und Regen überkam,
Daß du zwar unverwirrt, doch nicht entschieden
Auf Wege tratest, die du noch vermieden,
War dein dir zuerkannter Bräutigam.

Aus Wolken kam er, um für dich zu siegen.
An seinem reichen Leibe ruht das Schwert.
Da alle Gleichen schmähten oder schwiegen,
Wird er dein Mann, der deinen Dienst begehrt.

Der Kampf mit dem Wasser

Es tat sich leise aus dem Kranz der Nacht
Hervor das jünglingshafte, weiße Ufer,
Da schon der kühlen Winde erste Schlacht
Erweckte den entführten Morgenrufer.

Sie eilten, vieles hinter sich zu lassen.
Alles war lautlos wie bei einer Flucht:
Die stille Stadt mit den verschlafnen Gassen,
Des trauten Flusses silbergraue Bucht.

Was sie seit vielen Monaten erwogen,
War nicht mehr da, sie hörten, daß es pfiff,
Und wurden schnell wie Schatten eingesogen
Vom Morgen ihrer Abfahrt und dem Schiff.

 

Es kam die Stadt, am Ufer so gelegen
Wie eine bunte Spiegelung der Luft,
Den Fahrenden doch fest Gebild entgegen
Mit allem Wink und jedem süßen Duft.

Und sie – sie wußten nicht, was so sehr füllte
Die Häuser und die Straßen, Platz und Baum,
Und was sich ihnen bot und doch verhüllte,
War ihnen Wirklichkeit und Glück im Traum.

Doch als sie anders wandten ihren Blick,
Ab von der Düfte-Stadt verwunschnem Ritter,
Erkannten sie ihr wahreres Geschick
Am über sie gelagerten Gewitter.

 

Der Fluß kommt, ein Leviathan, durch die Nacht,
Die ihn umrollt mit lautem Schwingenschlage,
Und Felsenzacken stürzen losgemacht
Unter des braunen Winterhimmels Plage.

Er höllenhaft, mit Rändern violett,
Verschwommnen Blicks begrinst den Kampf der Welt.
Der hohe Strom wälzt sich in mächt'gem Bett,
Wohin ein Berg die dunklen Füße stellt.

Ein gelbes Licht aus schlechten Häuserkasten
Fällt schräg aus Fenstern, dürftig zu der Flut.
Ein Kahn sucht langsam sich hindurchzutasten:
An Kleinheit gleicht er eines Vogels Brut.

 

Nicht Blitze waren es noch Donnerschläge,
Wovor der Mut der Männer mußt' erblassen:
Jedoch das letzte Handeln wurde träge
Vor grenzenlosem Fall von Wassermassen.

Was aus dem Himmel brach, war ungeheuer
Der großen Nässe ganze Furchtbarkeit.
Es stürzte jedem Regen nach ein neuer,
Festes zu lösen mit der Flüssigkeit.

Sie warteten, gesenket längst die Hände,
– Und jeder Mann war haltlos wie ein Bub –
Sie warteten, daß dieser Regen ende,
Ganz vorerlebend, daß es sie begrub.

 

Schon hatte Braus und Wetter sich zerteilt,
Und Leben glänzte wieder wie ein Stern,
Da sahen wir, im Wind herangeeilt,
Den Gott des Flusses und der Stürze Herrn.

Der uns erschien nicht wie ein fetter Henker,
Er schlug uns allesamt in seinen Bann,
Da er als königlicher Wagenlenker
Gewässer vorwärtstrieb wie ein Gespann.

Um ihn herum war hell das Jubilieren
Von dem weithin verkündenden Geflügel:
Daß seiner war die Art zu triumphieren
Und seine Kraft beherrschte alle Zügel.

 

Noch hängen große Wolken tief, die Bogen
Der Berge sind noch nicht von Nebel frei.
Und auf den oft betrügerischen Wogen
Ist noch von den Verschlungnen Blick und Schrei ...

Von Männern, die vom Lande Abschied nahmen,
Wie Lämmer folgsam dem gesandten Trieb,
Dann standen mit der Kleinheit ihrer Namen
Und nicht mehr wußten, was zu tuen blieb ...

Gefügig waren, als sie schon verkamen,
Nicht ahnend, daß es sie so tief betraf,
Und was sie schrieen, litten und vernahmen,
Kam jedem wie ein Traum in seinem Schlaf.

 

Und einige verachten das Zuviel
Des Nennens, leerer Dinge schrillen Ton,
Des überflüssigen Streites Wut und Hohn:
In ihrem Geist wird das Geschehen Ziel.

Und diese glaubten, daß man sie berief.
Und wie sie immer trug und hob die Flut,
Sie wußten es, wie groß die war und tief,
Doch alles klärte sich zu hohem Gut.

Das wußten diese, und indem sie fuhren,
Ward jeder Ruderschlag mit ihnen reif.
Das Wasser trug von ihrem Tun die Spuren,
Und Ruh verhieß schon noch entfernter Streif.

 

Die Landschaft blitzte freudig und gerettet
Und weiterwebend recht in ihrem Werk,
Allein der Fluß lief sonderbar gebettet
Vorbei der Stadt und dem beschneiten Berg.

Der Weg am Ufer hatte nichts zu dulden:
So wüßt' er keine Freunde, keine Feinde!
Und auf der andern Seite, ohn' Verschulden
Glänzte die Stadt von Häusern und Gemeinde.

Der klare Schnee lag auf den Häuserziegeln
In einem Sichtbarsein wie kaum zuvor.
Und jedem Schmerzlichen fest zu verriegeln
Schienen sich Brücke, Kirche und das Tor.


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