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Jetzt tritt einer der Großen, von dem man eine Weltwende rechnet, auf den Plan. Es ist der blutgewohnte geniale Heide, der sich mit dem Kreuz bewaffnet. Die Kirche, die gepeinigte heilige Frau, die wehklagt, wie die Apokalypse es schildert, sie hat in ihm ihren Liebhaber, ihren Retter und Erlöser gefunden: ein seltsames Paar. Wir sehen es mit Staunen.
Nichts ist so wichtig, nichts aber auch so eigenartig schwierig, als den Hergang der Dinge, die sich durch Constantin vollzogen, und die Motive, die ihn im Handel leiteten, richtig zu verstehen; schwierig deshalb, weil die fromme und skrupellos erfinderische Legende sich sogleich um diese Hergänge gesponnen hat. Der Name Eusebius besagt genug.
Constantin der Große
Constantin der Große. Römischer Conservatorenpalast. Nach Bernoulli, Röm. Ikon. II/3, Taf. LII.
Wie sollte sich, als Diocletian zurückgetreten, die Monarchie zu den Machthabern der christlichen Kirche stellen? Die Einigkeit fehlte im weltlichen Regiment jetzt vollständig. Constantius und Galerius standen zunächst als Herrscher nebeneinander, und neue Herrscher, Maximinus Daja, Severus und die anderen traten hinzu. Ein zentraler Wille fehlte jetzt. Die Kirche selbst dagegen war als stolze Siegerin aus der großen Krise hervorgegangen. Sie war stark wie nie. Die zahlreichen Massen, die sich aus Menschenfurcht zeitweilig von ihr losgelöst hatten, strömten jetzt zu ihr zurück.
Der dogmatische Zank ging freilich unter den Bischöfen weiter, und ihre Glaubenssätze, die wie Parolen wirkten, hetzten gelegentlich sogar die Volksmassen gegeneinander; aber nach außen, gegen den Staat, war die Kirche in sich geschlossen. Die 3000 Bischöfe standen wie Fürsten da. Gefährlich schien es, wenn sie zu Konzilien zusammenkamen, wobei sie die kaiserliche Post benutzten, ja ungebührlich belasteten.
Die Stadtbevölkerung in Ländern wie Kleinasien, wie Südfrankreich oder die Provence war gewiß schon überwiegend christlich; Städte wie Antiochien und Alexandrien ebenfalls. Überall gab es Legenden, und der oder jener Apostel sollte die Heilslehre persönlich nach Arles, nach Lyon, nach Byzanz getragen haben. Im ganzen nannte sich jetzt etwa ein Zehntel 161 der Gesamtbevölkerung der antiken Welt christlich. Das Heidentum war also zwar noch in gewaltiger numerischer Überlegenheit, aber völlig in sich zerfallen. Es bildete keine einheitliche Front. Die Mithrasdiener, die Isisdiener, alle Gruppen standen für sich, und sie kämpften auch nicht, sie wollten nur nicht gestört sein. Die neuplatonische Philosophie beschäftigte nur eine dünne Oberschicht erlesener Geister. Der Senat in Rom hielt besonders zäh an den altrömischen Traditionen fest; Rom war eben die Allgötterstadt mit ihren 152 Tempeln und 183 sonstigen heidnischen Gebetsstätten. Wie geschwächt und überlebt aber in weiten Kreisen bei den Heiden die alten Götterkulte waren, habe ich früher ausgeführt.
Ich werde hinfort für die bunte Masse der Nichtchristen das Wort Heiden verwenden, ein Übersetzungsversuch nach dem römischen paganiAuch ethnici oder gentiles nannten die Christen ihre Gegner, d. h. die Völkischen. Die Volksmassen im Gegensatz zu den Auserwählten des Herrn sind damit gemeint. Schon Ulfilas hat in seiner gotischen Bibel des 4. Jahrhunderts das Wort Heide hierfür eingesetzt, das ursprünglich, wie man vermutet, den Wilden bedeutet hat.. Es bedeutet die Landleute, die Dörfler, an die das Christentum, das in den Städten sitzt, zunächst nicht herankam.
Die Kirchenbauten, Basiliken genannt, standen seit langem breitschiffig und hoch an den Plätzen, und man sah die Andächtigen wöchentlich, täglich dahin strömen. Das wirkte aufreizend, aber es imponierte zugleich und zog mit der Magie des Wunderbaren die in sich unsicheren Seelen an. Die heidnischen Kulte waren dagegen ohne Zusammenhang, und ihre Gemeinden traten viel weniger wuchtig vor das Auge. Das gilt vor allem auch vom Sonnendienst, der geistig so hoch stand und der mit der Christusverehrung so manche Berührungspunkte hatte. Die weitverbreitete Mithrasreligion, die auch bis zu uns an den Rhein drang, war nur eine seiner Erscheinungsformen. Mithras ist der Name des Gottvaters, sein Sohn und Mittler ist Helios, der Sonnengott; er ist des Vaters eingeborener Sohn. Um seine Fürsprache wird gebetet, ganz wie bei den Christen; im Geisteshauch (Pneuma) vereinigt sich der Mittler mit dem Sterblichen; man atmet sein Strahlenlicht und wird so im Gebet zu Gott selbst erhoben: »Da ich erhöht bin, sterbe ich, ein Wiedergeborener, und werde in den Tod 162 erlöst, auf dem Wege, wie du das Sakrament gestiftet hast.« Aber nur in geheimnisvoll unterirdisch höhlenartigen Räumen wurde dieser eindrucksvolle Kult begangen. Die Außenwelt merkte wenig davon. Verbreitete sich solcher Gottesdienst über die Lande, so geschah es nicht eigentlich durch Lehre und Propaganda, Schrift und Predigt; sondern die Soldaten und Kaufleute, die in großer Anzahl den Standort wechselten, brachten ihre Religion aus dem Osten nach Westen mit.
So glichen die heidnischen Kulte den Wildpflanzen, die sorglos üppig in der ungepflegten Natur aufsprießen, blühen und welken. Das Christentum dagegen wurde planvoll gesät; es glich dem Feldbau, der die Früchte mit Fleiß zu vertausendfachen strebt; die Bischöfe waren die Feldbesteller, und dem Wildwuchs wurde so unfehlbar Schritt für Schritt mehr und mehr Boden abgenommen. Jetzt half dazu auch noch der Märtyrerkult. Denn eine Verherrlichung derer, die sich in der Diocletianischen Christenverfolgung ihrem Glauben geopfert hatten, eine Glorifizierung der Helden Christi setzte eben jetzt ein. Neue Kultstätten entstanden, wo man ihre Gebeine weihte, und so bereicherten sich auch die Formen der Andacht. Christus war jetzt von Heiligen umstanden; der Himmel des Christentums ist jetzt bald ebenso figurenreich wie der Himmel des Heidentums, und der lebhaften Phantasie des Südländers, der nach sinnfälliger Anschauung und einem reichen Personenkult verlangt, war das willkommen. Man brauchte nun nicht immer nur zu dem fernen, abstrakten, namenlosen Gott die Hände zu erheben; zum heiligen Damian konnte man jetzt um Gesundheit beten, wie früher zum Aeskulap; die heilige Pelagia verdrängte die Venus, und so war jeder Heilige bereit, im Jenseits die besonderen Wünsche der Frommen zu vermitteln.
Das Christentum war es, das, überall sich gleich, allein noch die Reichseinheit zu sichern schien. Aber es ist erwähnenswert, daß es eben damals auch schon über die Grenzen des Reichs hinausgriff, daß es auch schon die Germanen gewann. »Lehret 163 alle Völker,« war ja seines Stifters Forderung gewesen. Der Deutsche aber war lernbegierig, auch in den Dingen der Frömmigkeit. Er hatte die Götterbenennungen Mercur und Mars, Herkules und Silvanus, Castor und Pollux von den Römern und Griechen gläubig angenommen; warum sollte er jetzt nicht zu Christus beten lernen, von dem es hieß, er sei mächtiger als alle Geister, die zwischen Himmel und Erde in den Lüften schweben? Zunächst betraf das nur die auf römischem Reichsboden lebenden, in römischen Diensten stehenden Germanen; aber wir hören nun auch, daß während der Diocletianischen Verfolgung zu den freien Germanen Christen flohen und bei ihnen gegen Galerius Schutz und Sicherung fandenEusebius, Vita Const. 2, 53., und sehen dann, wie solch ein germanischer Christ in bischöflicher Würde auch an des römischen Kaisers Hof und zum Kirchenkonzil von Nicäa als Vertreter seiner Gemeinde kommtEusebius, Vita Const. III 8: ein skythischer Episkopus..
Dieser Kaiser, zu dem er kam, war Constantin. Wenden wir uns denn endlich ihm und seinen Taten zu. Es ist der Mann mit der großgewachsenen Seele, der großatmige: so nannten ihn im Altertum seine Verehrerμεγαλόψυχος Johannes Malalas; Seele ist nichts als Odem, so lehrt Mark Aurel; daher »der großatmige«..
Es ist jedoch nötig, sich dabei auch gleich die anderen Personen des folgenden Dramas zu vergegenwärtigen.
In Italien zurückgezogen auf dem Lande lebte der alte Kaiser Maximian, der auf das Drängen Diocletians hin gutmütig den Purpur abgelegt hatte. Sein Sohn heißt Maxentius; es ist der Maxentius, den jeder Schulknabe kennt, weil Constantin ihn in jener Schlacht am Tiberfluß bei Rom, die man als den Triumph des Christentums feiert, besiegt hat. Rafael hat die Schlacht an der Milvischen Brücke in den Stanzen des Vatican an die Wand gemalt. Dieser junge Prinz Maxentius lebt zunächst mit Frau und Kindern auf dem Lande und hat weder Aussicht noch Absicht, Kaiser zu werdenDer naheliegende Gedanke, ihn zum Thronerben seines Vaters zu machen, von dem wir in den Panegyrici lat. II, 14 und bei Lactanz de mort. pers. 18 lesen, wurde von Diocletian hernach verworfen.. Übrigens ist der alte Kaiser Galerius, der Herrscher im Donauland, noch am Leben; er will es durchsetzen, daß in Italien der Feldherr Severus die Kaisergewalt ausübt, und Severus sucht sich wirklich dort geltend zu machen. Im 164 asiatischen Osten endlich herrscht Maximinus Daja, ein Mann, der durch hohe Bildung seine Mitherrscher überragt, aber den Christen feind ist. Zwischen all diese sich widerstreitenden Personen ist der junge Constantin gestellt.
Er schien die besten Aussichten zu haben, denn er war Kaisersohn. Er war der Erstgeborene seines Vaters Constantius, des BlassenEr hieß Chlorus beibenannt; χλωρός bedeutet, vom Menschen gebraucht, die kränklich blasse Farbe, nach Hippocrat. prognost. II 4, 6 und Galen, Comment. I in prognost.. Daher auch der Δημήτριος ὁ χλωρός in den Scholien zu Nikander, ther. 585., und um das Jahr 285 in der Landstadtoppidum. Naïssus (dem heutigen Nisch in Bulgarien oder jetzt Serbien) geboren. Damals war jedoch sein Vater noch nicht »Cäsar«, sondern in untergeordneter Stellung und lebte in wilder Ehe mit der Gastwirtin Flavia Helena; sie war Constantins Mutter. Es ist die Helena, die später zur Heiligen der Kirche wurde. Constantius, der Vater, war die Milde und Güte selber; ganz anders der Sohn; es steckte etwas vom nervenstarken Palikaren, der wild und verschlagen und Blut zu sehen gewohnt ist, in ihm. Vielleicht dankte er der Mutter sein starkes Temperament. An Genialität übertraf er seinen VaterIm Gesicht sah er dem Vater ähnlich: Panegyr. lat. VI, 3; VII 4..
Die literarische Bildung des Knaben war anfangs geringSo die Excerpta Valesiana. und der Zuschnitt im Elternhause durchaus schlicht. Wir hören, daß der Vater keine silberne Schüsseln besaß, wenn er, als er Kaiser war, ein Festessen geben wollte. Von christlichen Einflüssen ist keine Rede. Helena war Heidin; der Vater war, wie damals so viele, die dem Christentum fern standen, zum Monotheismus geneigt im Sinne des Seneca, Epiktet, Mark Aurel und Apollonius von Cyana, die da, statt vom Zeus oder Apoll zu reden, es vielfach vorzogen, den namenlosen Gott, den deus, an die Stelle zu setzen, auch auf das Opfern im Tempel keinen Wert legten, und in dieser Denkweise wuchs auch der junge Constantin auf.
Als der Vater im Jahre 293 zur Cäsarwürde erhoben ist und nach Frankreich geht, wird der Sohn, damals 9jährig, von dem allmächtigen Diocletian als »Geisel« im Orient festgehalten; er sollte dem Diocletian für die Treue seines Vaters bürgen und wurde so von seinen Eltern und Stiefgeschwistern dauernd getrennt; denn es waren jüngere Brüder da. 165 Constantius, der die Helena verstoßen, hatte inzwischen von seiner rechtmäßigen Gattin, der Kaiserin Theodora, zwei Söhne und drei Töchter.
Ob der junge Recke sich grämte? Er hatte auffallend wenig Familiensinn; an seinen beiden Stiefbrüdern Dalmatius und Constantius lag ihm nichts, und was sollten ihm gar die Stiefschwestern bedeuten? Der Orient wurde seine Heimat. Wie viel köstlicher war es, in Syrien oder Kleinasien zu leben als in dem engen Kaiserhorst Trier oder gar in York, im Land des Nebels und der langen Winter? Kleinasien stand damals noch im üppigsten Flor der Vegetation und des Städtelebens; es herrschte noch kein Türkenregiment, und das Flammenschwert Mohammeds war noch nicht darüber gefahren. Und nun der Palast Diocletians: wer in ihm hauste, saß im Zentrum alles Geschehens, im Wirbel der Weltgeschichte.
Der Allgewaltige sah freilich mit Mißtrauen auf den Prinzen; doch hielt er ihn keineswegs als Gefangenen; er nahm ihn vielmehr auf seinen Feldzügen mit und ließ ihn auch bei den feierlichen Hofakten und Zeremonien als jungen Offizier Figur machen.
Constantin war blond, vielleicht rotblondπυρρός, sagt Joh. Malalas; vgl. oben S. 142, Anm. "Johannes Malalas Buch XII..."., hochgewachsen und schön, und er hatte offene Sinne; mehr als das, er hatte Ehrgeiz, Machthunger. Wie lange würde dieser Diocletian noch leben? Es wäre köstlich, einmal sein Nachfolger zu sein! Eine Zeitlang hat der Herrscher ihn damals selbst zum Nachfolger erziehen wollen. Es ist keine Frage, daß Constantin dort im Kaiserpalast und unter den Hofleuten seine Bildung, vor allem seine Kenntnis des Griechischen, bedeutend bereicherte. Aber auch die Unterwerfung und Neuordnung Ägyptens, den großen Sieg Diocletians über Persien erlebte er mit, sah den Betrieb in den kaiserlichen Bureaus, mit deren Hilfe der emsige Reichschef die Verwaltung der Welt geräuschlos völlig neu gestaltete. Da wurden ihm auch schon die Regierungsgrundsätze geläufig, die die Christen betrafen: Toleranz und Schonung. Daß aber etwa die christlichen Elemente am Hofe 166 seine junge Seele irgendwie beeinflußten und zu fangen suchten, wäre eine verfehlte Annahme. Der flotte Soldat von 20 bis 25 Jahren fragte nicht nach Dogma und Glauben.
Und schon reckte sich in ihm das Heldentum. Galerius zog ihn zu den Grenzkämpfen an der Donau heran. Es ging gegen die Slaven oder Sarmaten. Wer weiß, ob Galerius nicht hoffte, daß er dabei umkäme? Zu Pferd saß er, durchritt persönlich allen voran die Sümpfe, hinter denen der Feind lagerte, und erkämpfte den Sieg. Dabei griff er sich einen wildwütigen Barbaren und riß ihn an den Haaren mit sich bis vor den Galerius: eine Kraftprobe.
Diocletian aber erkannte ohne Frage mehr und mehr den starken Eigenwillen, die unbändig rücksichtslose Stoßkraft seines Wesens und gewann die Überzeugung, daß er, zur Macht zugelassen, das ganze geschickt gezimmerte System der Vierkaiserherrschaft zerstoßen würde; das »Tetrachord«Der Ausdruck stammt von Julian, S. 405, 17 ed. Hertlein. würde unter seiner Hand zerreißen. In der Tat: ein edles Raubtier zog er in seiner Hürde groß. Ein Wunder, daß es dem Jüngling gelang, bis zu seinem 30. Jahre sein stürmisches Heißblut zu bezähmen in der Windstille und Kühle jenes Hoflebens. Wohl mancher Feuerblick, manch höhnische Gebärde, manch herausforderndes Wort verriet schon damals sein Wesen.
So schloß Diocletian, als er erkrankte und plötzlich freiwillig ins Nichts zurücktrat, den Mann der Zukunft ausdrücklich von der Thronfolge aus. Des jungen Mannes Herz aber muß schon damals, als er von der Erkrankung des Allmächtigen erfuhr, frohlockt haben. Und jetzt? was bedeutete der Wille dessen noch, der sich selbst geächtet hatte? Kaum saß Diocletian als machtloser Mann in Spalato, als Constantin sich losriß und nach Trier zu seinem Vater eilte. Es war keine Reise, es war Flucht. Er wußte, daß er verfolgt wurde. Die Reise ging weite Strecken mit der Reichspost, Eilpost. Dabei herrschte Relaissystem, d. h. an zahlreichen Plätzen wurden immer wieder die Gäule gewechselt. Constantin aber ließ an allen Stationen, die 167 er hinter sich brachte, die Postpferde töten, und so entging er seinen Verfolgern.
In Boulogne traf er wirklich seinen Vater. Er war frei. Seine Zukunft konnte beginnen. Der Vater setzte eben damals nach England über, um gegen die bösen Schottländer zu kämpfen. Den Krieg machte Constantin mit. Dann starb sein Vater in York, und sogleich wurde Constantin in York zum Kaiser, zum Cäsar und Nachfolger seines Vaters ausgerufen. Es war der 25. Juli 306. Wozu war er der Kaisersohn? Diocletian hätte ihn töten müssen, um dem vorzubeugen. Aber solches Töten verstand Diocletian nichtIch meine das Hinwegräumen mißliebiger Personen ohne Richterspruch.; das hätte er von Constantin lernen können.
Das Heer hatte er gleich für sich gewonnen. Das Militär rief ihn zum Cäsar aus, und zwar war es unter den Generälen vor allem ein Germanenkönig Crocus oder Erocus, der dies durchsetzte. Das ist bedeutsam. Vornehmlich germanische Söldner sind es gewesen, die ihn hernach von Sieg zu Sieg führten; Germanen haben unter Constantin die Welt erobert.
Was seine beiden Stiefbrüder damals dachten, die von einer »besseren« Mutter stammten, erfahren wir nicht. Auch war es nicht Zeit, Feste zu feiern. Es gab gleich Krieg. An der Rheingrenze regten sich wieder die Franken und Alemanen, die, da eben Constantius gestorben, die üblichen Angriffe auf Frankreich erneuern zu können glaubten; denn Frankreich war für sie das Land der Zukunft. Da konnte sich Constantin gleich als Feldherr bewähren; er schlug mächtig darein und verwuchs so noch enger mit seinem Heere. Er verwüstete die deutschen Lande zwischen Main, Lahn, Sieg und Lippe fürchterlich: die Dörfer und Feldfrüchte verbrannt, Weiber und Kinder getötet. Das war die übliche Methode: wenn die Germanen es taten, hieß es Barbarei; wenn Rom es tat, war es herrlich und groß.
Zwei deutsche Heerkönige hatte er gefangen; wir wissen ihre Namen: Astarich und Gaiso. Die warf er in Trier den wilden Tieren vor. Der Rundplatz der Arena in Trier ist heute wieder 168 freigelegt, und der Reisende kann da die Stelle sehen, wo der junge Constantin und sein Hof und seine Soldaten sich an dem Schauspiel vergnügten, die beiden Germanenherzöge, die an Tugend ihnen schwerlich nachstanden, von Bestien – waren es Bären oder Löwen? – zerreißen zu sehen. Das war der Gipfel des ersten Erfolges des Constantin.
Aber er hatte schon auf anderes achtzugeben. Kaum hatte er sich in England zum Kaiser ausrufen lassen, da tat es Maxentius ihm nach, und die anderen Personen des Dramas greifen ein. Die Handlung verwirrt sich. Auch dieser Maxentius war Kaisersohn, und was dem einen zustand, kam auch dem anderen zu. Nun war er, im Jahre 306, plötzlich Herrscher in Italien, nominell auch in Afrika. Zwei Ursurpatoren standen jetzt nebeneinander, und die Welt mochte schon ahnen, was das bedeutete: Bürgerkrieg.
Constantin hatte es besser. Er wurde in Ruhe gelassen; denn Galerius ließ ihn im Jahre 307 notgedrungen als Mitkaiser gelten. Maxentius war es, gegen den allein der Angriff ging. Wie sollte er seine Ansprüche retten?
Es ist gewiß verfehlt, in Maxentius nur den erbärmlichen Wicht zu sehen, wie die alten Historiker, die um des Kontrastes willen immer alle guten und bösen Eigenschaften steigern, ihn schildern. Wir tun dem Constantin mehr Ehre an, wenn wir die Gegner, die er überwunden hat, nicht nur als Schwächlinge und Bösewichter hinstellen, sondern was tüchtig an ihnen war, ohne Vorurteil gelten lassen. Dazu ermahnen uns schon die alten Autoren selberAm Schluß der Vita des Heliogabalus sind an Constantin den Großen die Worte gerichtet: non enim ego id faciam quod plerique scriptores solent, ut de his detraham qui victi sunt, cum intellegam gloriae tuae accedere, si omnia de illis quae bona in se habuerint vera praedicavero..
Da man Maxentius an den Gedanken gewöhnt hatte, daß man ihn nicht zum Kaiser berufen werde, hatte sich der junge Mensch sorglos dem Luxusleben überlassen, das seine gesellschaftliche Stellung mit sich brachte. Er mag es dabei liederlich genug getrieben haben; seine Mutter war syrischen BlutesEpitome de Caesar. 40, 12.. Gleichwohl lebte er in regelmäßigen ehelichen Verhältnissen. Auch jeder militärische Ehrgeiz fehlte ihm. Selbst als sein Vater abdankte, blieb er völlig untätig; er verlangte nicht 169 nach der Krone, und erst Constantins Beispiel brachte ihn darauf, nach ihr zu greifen. Es geschah gegen seines Vaters Willen, aber sogar auch gegen seinen eigenen. Er war kein Herrscher von Beruf. Allem Anschein nach ist es nur das Stadtvolk Roms und die dort stationierte Garde gewesen, die ihn zu dieser Rolle zwangenAurel. Victor sagt 40, 5: Romae vulgus turmaeque praetoriae Maxentium retractante diu patre Herculio imperatorem confirmant; also wohlgemerkt nicht der Senat., und der Hergang ist begreiflich.
Rom ertrug es nicht, daß es nicht mehr die Kaiserstadt war. Es hat dem Maximian nie vergeben, daß er nicht in Rom, sondern in Mailand residierte; Diocletian hatte Rom völlig gemieden, und als er schließlich dorthin kam, der Menge durchaus nicht zu schmeicheln verstanden. Mit übler Laune sah der Pöbel ihn ziehen. Rom fühlte sich entehrt, entwürdigt; es wollte endlich wieder seinen eigenen Kaiser haben. In den nächsten Jahren war das große Stadtfest fällig, die Säkularfeier der Gründung Roms; Rom brauchte einen Kaiser, um das Fest, an dem angeblich das Schicksal der Welt hingÜber diesen Aberglauben vgl. Zosimus II, 73 ff.; das Säkularfest war im Jahre 313 fällig., angemessen zu begehen. Und der Gardetruppe ging es ähnlich wie dem Stadtvolk; sie sollte eben damals aus Rom abtransportiert werden; das wollte sie nicht; sie wollte in Rom bleiben und endlich einmal wieder wie früher den Kaiser machen. Es war hohe Zeit; mochte Maxentius für die Rolle taugen oder nicht: er war zur Hand, und er blieb nun auch wirklich in der Stadt; er ließ Mailand liegen, wo es lag. Das war die Bedingung seiner Herrschaft; bis zu seinem Tode führte er das durch. Rom wurde durch ihn wirklich noch einmal, zum letzten Mal, die Kaiserstadt. Das wurde ihm gedankt, und er war anfangs von der Gunst der Masse getragen.
Nun aber die anderen Mächte! Daß Italien sich seinen eigenen Kaiser zu wählen wagte, die Donaumonarchie wollte das nicht dulden, und Frankreich auch nicht. Es ist augenfällig, wie deutlich schon damals das moderne Europa antizipiert wird; man denke nur an die Erbfolgekriege des 18. Jahrhunderts. Die Nationalgegensätze brachten auch schon damals den Konflikt, und so stürzte sich alles auf Maxentius.
Severus meldet sich zunächst; er war, wie wir sahen, von 170 Galerius zum Verwalter Italiens bestimmt, und dieser Severus steht nun auch wirklich schon auf italienischem Boden und bedroht Rom. Aber Maxentius war klug; er gewinnt im Heere des Gegners die Offiziere für sich, und das Heer geht zu ihm über. Severus wird gefangen. Tobend vor Zorn rückt da der alte Galerius selbst heran, und zwar mit gewaltigen Truppenmassen; aber Maxentius weiß auch deren Treue ins Wanken zu bringen, Galerius fühlt sich seiner Mannschaften nicht sicher und weicht wieder aus Italien. Maxentius ist Herr in seinem Lande. Kein Bürgerblut ist bisher geflossen; nur Severus wird jetzt im Gefängnis umgebracht (im Jahre 307).
Bald aber zeigten sich immer Mißstände. Daß Maxentius ein schwelgerisches Leben führte, sagen alle Zeugen; es muß wahr sein. Jene Mißstände aber erklären sich zumeist aus der schwierigen Lage, in der er sich befand. Seine Beamten wählte er jedenfalls so gut, daß sein Nachfolger sie ruhig in ihren Stellen lassen konnte. Aber es fehlte ein Staatsschatz; ohne Geld läßt sich nicht regieren; durch neue Steuerauflagen mußte er es beschaffen, die man ihm schwer verargteAur. Victor sagt ohne Einsicht, 40, 25, er habe diese Steuern, die ihn verhaßt machten, um verschwenderisch zu leben, erhoben. Er mußte vielmehr seine vielen Beamten bezahlen.. Auch war die wilde Soldateska immer auf Plündern aus; er konnte ihre Ausschreitungen nicht allemal bändigen; denn er war ja die Kreatur dieser Soldaten. Die Provinz Afrika entzog sich seiner Oberhoheit durch Rebellion. Er warf den Aufstand schließlich leicht nieder, konnte es aber wiederum nicht verhindern, daß seine Truppen dort in den Städten aufs schlimmste haustenSelbst wenn er das Plündern befohlen hatte, wie Aurelius Victor 40, 19 behauptet, war dies eine gerechte Strafe; denn die Afrikaner hatten die Kornzufuhren zurückgehalten und über Italien die Hungersnot gebracht. Aurelius Victor war selbst Afrikaner, und seine persönliche Entrüstung ist begreiflich.. Mit den Senatsherren in Rom stand er sich so schlecht, daß er wiederholt gewaltsam gegen sie vorgehen mußte, ja, etliche zu Tode brachte. Gewiß ist der Senat dabei nicht ohne Schuld gewesenDer Senat haßte Maxentius, weil er dessen Mitglieder mit ungewohnten Steuern belegt hatte, die doch nicht unberechtigt waren; seine Nachfolger haben sie bald ebenso eingeführt; und dieser Haß muß sich oft genug geäußert haben. Auch ließ der Senat es den Maxentius gewiß fühlen, daß er sein Kaisertum nicht ihm, sondern nur dem Gassenvolk und den rohen Stadtsoldaten verdankte. Daher die gereizte Stimmung., aber die Klagen des Senats schollen über die Grenzen. Constantin hörte sie.
Maxentius schmiedete keine Eroberungspläne; er war froh, vor Angriffen vorläufig gesichert zu sein. Seine Schwester Fausta hatte sich im Jahre 307 mit Constantin vermählt und sie gab ihrem Gatten reichen Kindersegen. Es fragte sich, was 171 Fausta über Constantins Herz vermochte. Würde sie für den Frieden wirken?
Schon aber gab es im Drama Personenwechsel. Galerius starb im Jahre 311. Er hatte seinen Freund Licinius zu seinem Nachfolger gemacht, und die Römerwelt hatte jetzt also die vier Herrscher: Constantin in Trier, Maxentius in Rom, Licinius im Donau- und Balkanland, endlich Maximinus Daja im fernen Orient, der heutigen asiatischen Türkei. Warum sollten die vier nicht Frieden halten zum Segen des Reichs? Prinzipielle Gegensätze bestanden kaum unter ihnen; denn das Toleranzedikt, das Galerius zum Vorteil der Christen noch im Jahre 311 erlassen, ist nicht nur von Constantin, sondern auch von Licinius und Maxentius geachtet worden; auch Maxentius hat keineswegs die Christen verfolgt. Nur Maximinus Daja im Osten blieb allerdings der zukünftigen Weltreligion feindlich gesinnt. Aber dem Constantin ließ es nicht Ruhe; es war jetzt Zeit für ihn, vorzugehen.
Zunächst freilich war es ein anderer, der Unfrieden brachte: des Maxentius Vater Maximian. Der würdige Mann wurde jetzt zur lächerlichen Figur. Sein Sohn trug den Purpur; jetzt trieb ihn die leidenschaftliche Reue um, selbst auf die Macht verzichtet zu haben. Es war in der Tat noch nicht dagewesen, daß ein Kaisersohn Kaiser wurde und dessen Vater lebte noch und sollte im Dunkeln stehenMan denke an Titus zurück. Titus sollte Kaiser werden, aber sein Vater Vespasian lebte. So kam es, daß die Soldaten den Vespasian zum Kaiser machten, damit auch sein Sohn Titus herrschen könne. Der Vater war nicht zu umgehen.. Das widersprach auch allen geltenden Vorstellungen von der »väterlichen Gewalt«, der patria potestas, die den Sohn dem Vater unterordnetDie Stellung des Sohnes zum pater familias war schon im 3. Jahrhundert durchgreifend verändert und freier gestaltet worden (vgl. Digest. I, 6, 9; XXXVI, 1, 14 pr. u. sonst; M. Voigt, Privataltertümer u. Kulturgeschichte, S. 917); gleichwohl zeigt noch das Edikt Constantins vom Jahre 321 (cod. Theodos. IX, 43, 1) die Gültigkeit der patria potestas in jenen Zeiten.. So holte der Alte seinen Purpur wieder aus der Lade, ein sonderbarer Kaiser ohne Land. Er fiel kläglich ab; denn die Garde in Rom wollte nur den Maxentius, nicht den Vater. Da begab er sich zu seinem Schwiegersohn Constantin in die Provence; denn er war ja auch der Vater der Fausta. Was der Sohn nicht gewähren konnte, sollte jetzt der Schwiegersohn gewähren: Mitherrschaft in irgendeiner Form.
Constantin stand damals immer noch im Grenzkampf mit den Franken und Alemannen. Da wollte Maximian mit seniler 172 Arglist zur Gewalt greifen; er schürte Aufstand in Arles; ja, es heißt, er wollte Constantin ermorden. Eine höchst unglaubwürdige Fabel erzählt, daß er persönlich in Constantins Schlafgemach schlich, um ihn nachts im Bett zu töten; aber Fausta, seine Tochter, warnte den Gatten. Ein alter Eunuch wurde statt Constantins in das Bett gelegt, den nun der wilde Alte erdolchte. Schließlich hatte sich Maximian in Marseille festgesetzt. Constantin rückt an, nimmt die Stadt, und Maximian wird gegriffen, umgebracht, erhängt (im Jahre 310). Der Galgen war sein Ende.
Das war in jenen Jahren der zweite politische Mord: Maxentius hatte den ihm fremden Severus, Constantin hatte seinen Schwiegervater Maximian umgebracht.
Danach begann der verhängnisvolle Krieg, Schwager gegen Schwager, Constantin gegen Maxentius. Constantin hatte jetzt für seine eigensten Pläne Raum. Fausta war ohne Einfluß und Kriegsgründe leicht gefundenDie christlichen Autoren im Altertum suchen die Sache so zu wenden, daß Maxentius der Angreifer war. Der aber ist ein schlechter Psychologe, wer ihn im Ernst dazu für fähig hält. Er war eine genußsüchtig träge und darum völlig defensive Natur. Afrika nahm er nur, weil sonst Hungersnot drohte. Es lohnt, den Hergang hier noch genauer vorzuführen. Licinius und Constantin hatten beide den Maxentius als Herrscher nicht anerkannt. Dieses Versagen der Anerkennung war schon eine regelrechte Kriegserklärung, denn sie besagte: »sobald wir können, werden wir dich beseitigen.« Nach dieser Kriegserklärung konnte also Maxentius den Krieg gar nicht mehr erklären. Er mußte nur seinerseits auf Verteidigung sinnen. Italien war militärisch eines der schwächsten Länder. Daher suchte Maxentius ein Defensivbündnis, und zwar mit dem fernen Maximinus Daja; der konnte den Licinius wenigstens von Osten her bedrohen und so von einem Angriff auf Italien abhalten. Einen Angriff Constantins gewärtigte Maxentius im Hinblick auf ihre Verschwägerung viel weniger. Er fürchtete vielmehr, Licinius würde, dem Beispiel des Galerius folgend, von der Donau her gegen ihn vorstoßen, und legte daher seine Truppenmacht hauptsächlich nach Verona und Aquileja, um die Grenze zu sichern.
Inzwischen hatte aber auch Constantin mit Licinius ein näheres Bündnis geschlossen. Er wollte endlich handeln, da der Kampf gegen die Germanen glücklich erledigt war. Die Initiative zu diesem Bündnis ging von Constantin aus; daran ist kein Zweifel; ja er bot dem Licinius auch damals schon seine Schwester zur Gattin an. Aber Licinius war eine friedfertige oder schwerfällige Natur und zu einem Angriffskrieg keineswegs aufgelegt; er hat zeitlebens nur gegen Angriffe anderer sich tapfer gewehrt. Das wußte Constantin sehr wohl, und so hatte er jetzt die Hand zu überraschendem Angriff frei. Er verlegte seinen Herrschersitz von Trier in den Süden, nach Arles (heute noch sieht man in Arles die Reste des Palastes, in dem er damals hauste). Bei Arles sammelten sich auch seine Heeresmassen, und das war nun eine direkte Bedrohung Italiens. Es war damit klar, er wollte Krieg. Bisher hatte Maxentius in friedfertiger Weise des Constantin Kaiserbüsten, die Galerius errichten ließ, in seinen italienischen Städten stehen lassen. Darin lag, daß er ihn als Mitherrscher anerkannte. Constantin hatte das nicht erwidert; des Maxentius Büsten sah man in Gallien nirgends. Jetzt gab Maxentius das zuvorkommende Verhalten auf und ließ die Constantinbilder von ihren Plätzen entfernen. Er vergalt damit nur Gleiches mit Gleichem; es war das Fallenlassen einer unerwiderten Freundlichkeit. Er glaubte dabei noch immer nicht, daß es Constantin, sein Schwager, sein würde, der gegen ihn vorging, und ließ seine Hauptmacht an der Etsch, bei Verona, stehen, gegen den Licinius. Er irrte sich gewaltig. Constantin übernahm die Rolle des Eroberers: principatum totius orbis adfectans, wie Eutropius sagt.
Mit Interessen des Christentums hatte Constantins Angriff nichts zu tun. Er behauptete vielmehr, dem Senat in Rom, der so christenfeindlich wie möglich war, gegen Maxentius helfen zu wollen. Und so kam nun das Blutvergießen wieder über die Kulturländer, das Diocletians Weisheit so lange hingehalten hatte. Der zwanzigjährige Reichsfriede schien schon zu lang für diese Erdenwelt. Es galt das Lebenswerk Diocletians zu zerstören; ein einziger sollte wieder Herr sein, es koste, was es wolle. Der hochfliegende Ehrgeiz des Angreifers ging auf Omnipotenz; sein Kraftgefühl ertrug keinen gleich mächtigen neben sich. Septimius Severus war sein Vorbild; er wollte eine neue Weltdynastie gründen; denn er hatte Söhne. 173 Aber was vor hundert Jahren vielleicht noch zeitgemäß gewesen, war es jetzt nicht mehr. Erst als er alterte, hat Constantin begriffen, daß er zu den Prinzipien Diocletians, den er schmähteEuseb. Vita Const. II 47 f., würde zurückkehren müssen. Das Weltreich mußte trotz allem zerlegt werden. Der Prozeß war nicht aufzuhalten.
Maxentius glaubte an sein gutes Glück; Severus und Galerius, beide hatten ja nichts gegen ihn vermocht. Es spricht für ein erhebliches Organisationstalent, daß er durch Neuaushebungen ein so gewaltiges Heer zusammenbrachte, das dem Constantins an Zahl beträchtlich überlegen war. Ganz Italien starrte von Waffen. Seine Hauptmacht stand indes gegen Licinius bei Verona, und die Alpenpässe gegen Frankreich waren nicht gesichert. Er selbst war militärisch unerfahren und mußte seinen treuen Generälen die Führung überlassen. Auch hielt die Garde ihn in Rom fest; sie wollte da ihren Kaiser haben, mit dem sich gut leben ließ.
Anders Constantin. Er warf sich selber in die Schlachten. Als Dreißiger, in dem Alter, in dem Alexander der Große starb, begann er erst sein Feldherrngenie zu entfalten. Zudem hatte Maxentius Afrikaner, mehr noch Italiener unter den Waffen; unter Constantin focht dagegen der Germane. Wir wissen, wie kriegsungeübt seit langem das Italienervolk war.
Constantin kam über den Mont Cenis. Man hat zum Vergleich an Bonaparte erinnert, der es aussprach, daß, wer sich Italien erobern will, erst die ganze Poebene beherrschen muß. Bonaparte verwirklichte es im Jahre 1796: Erstürmung der Addabrücke bei Lodi, Einzug in Mailand, Vorstoß gegen die Etsch, Belagerung Mantuas, Sieg bei Arcole. Denselben Weg ging auch Constantin, und er ging ihn ebenso rasch. In der Schlacht bei Turin werden des Maxentius stolze Panzerreiter, die anfangs unüberwindlich daherrasseln, vernichtet. Roß und Reiter steckten in undurchdringlichen Eisenschuppenpanzern; mit Eisenkolben wurden sie niedergehauenConstantin hatte die Fußtruppen vorher darauf einüben lassen; er hatte also alles wohl vorbereitet.. Es erinnert uns an die Tanks, die in den heutigen Schlachten eisenschwer 174 daherrasen; leider gelingt es den Maschinengewehren und Handgranaten nicht in gleichem Maße, sie zu erledigen.
Weiter der Vorstoß gegen die Etsch. Bei Brescia stürzt Constantin sich selbst in den Reiterkampf. Im Nachtkampf fällt auch Verona. Dann erst steigt er über den Apennin und steht blitzschnell vor Rom.
Rom steckte in der neuen Aureliansmauer und dünkte sich völlig uneinnehmbar. Auch war es mit Getreide und Zufuhr reichlich versorgt. Sollte Maxentius trotzdem noch eine offene Feldschlacht wagen? Es war Sitte, nach der Zukunft zu forschen. Dazu diente die Eingeweideschau und die sibyllinischen Bücher; sie schienen ihm Günstiges zu verheißenEs berührt sonderbar, daß man dem Maxentius dies Forschen nach der Zukunft als Aberglaube besonders vorwirft. Er tat damit, was dem römischen Kaiser zukam. Auch Constantin hat in der Zeit, als er sich für das Christentum entschieden hatte, die Benutzung der Eingeweideschau oder Haruspicin für Staatszwecke als gebräuchlich ausdrücklich anerkannt; vgl. Cod. Theodos. IX. 16. 1 u. 2; XVI. 10, 1.. So stellt er sich jetzt endlich vor Roms Toren, in der Nähe der roten Steinbrüche (Saxa rubra) persönlich zum Kampf, aber in ungünstigster Position. Vor dem Tiberfluß ging er in Stellung; er focht, den reißenden Strom im Rücken. Die zwei dürftigen Tiberbrücken genügten für einen Rückzug nicht. Er wollte jetzt nur Sieg oder Tod, vertraute aber fest auf sein Heer; denn trotz aller bisherigen Mißerfolge war keiner seiner Generäle, wie es sonst in solchen Kriegen so oft geschah, von ihm abgefallen: ein Zeichen dafür, mit welcher Hingabe Führer und Mannschaften für ihn, den letzten wirklichen Kaiser Roms, sich einsetztenConstantin mußte die Gefangenen, die er machte, in Ketten schlagen, damit sie nicht zu Maxentius zurückflohen (Panegyr. lat. VIII, 11–13.); es war eine Devotion usque ad mortem (ebenda IX, 3)..
Es gab wieder eine Reiterschlacht. Des Maxentius Reihen brachen zusammen. Was blieb ihm übrig? Sollte er sich dem Constantin gefangen geben, um gehängt zu werden wie Maximian? In schwerer Rüstung sprang er in den Tiber und ertrank. Rom sah ihn nicht wieder, oder doch nur seinen abgehauenen Kopf, der vom Sieger dann noch weiter nach Afrika geschickt wurde.
Dies der große Sieg des Jahres 312, und so hatte Constantin erst seinen Schwiegervater, dann seinen Schwager beseitigt; er hatte seiner Kaiserin Fausta den Vater, den Bruder genommen. Was mochte die Frau neben ihm empfinden? Würde die Zeit kommen, wo sie selbst für ihr Leben zittern mußte?
175 Auch des Maxentius Kinder ließ er sogleich töten, ebenso dessen politischen Anhang. Die Garde der Stadt hob er ganz auf und schleifte ihr altberühmtes Standlager auf dem Viminal. Der ganze Okzident war jetzt sein, und er zog in Rom ein, im goldenen Helm, der mit bunten Steinen und Federn geschmückt warVgl. Panegyr. lat. VI, 6., als wäre er der Befreier. Jauchzen empfing ihn, der überschwängliche Dank des christenfeindlichen Senats. Das goldene Rom mochte nun hoffen, auch der neue Herr werde es wieder zur Residenz und Welthauptstadt machen. Aber er dachte nicht daran. Sein Sinn stand nach Osten; er sehnte sich nach dem Orient zurück, wo er groß geworden. Da war das eigentliche Leben; Italien war nur Hinterland.
Wem dankte Constantin den Sieg? Den Sieg gibt immer irgendein Gott. Diesmal war es Christus. In Bürgerkriegen, wo nur Römer gegen Römer kämpfen, sind alle Waffen, ist aller Waffenschmuck auf beiden Parteien gleich; es galt, den Waffen der Constantinianer im Kampfgewühl ein glückverheißendes Unterscheidungszeichen zu geben. Darum hatte er abergläubisch das Zeichen des Kreuzes, das zugleich dem griechischen Anfangsbuchstaben X des Namens Christi glich, auf die Schilde seiner Soldaten gravieren lassen. Die Welt hallte ja von Christi Namen wieder. Er wollte es einmal mit ihm versuchen. Die Heiden, die im Heere dienten, fanden nichts daran zu tadeln, denn das Kreuz war auch heiliges Zeichen für den Gott Serapis, für den Gott HeliosVgl. Sokrates V, 3 über die Kreuze, die im Serapeum im Alexandrien von den Christen gefunden wurden. Für den Sonnengott der Perser und Assyrer stand das Kreuz von einem Kreis umfaßt, der die Sonnenscheibe nachahmt, und dies Sonnenkreuz brauchten die Perser auch als Feldzeichen; vgl. Amm. Marcell. 17, 5: Duruy VII, S. 129. Es sei erwähnt, daß man das gleichschenkelige Kreuz der griechischen Christen auch neuerdings aus dem Sonnenrad erklärt hat, einem Rad mit vier Speichen, dessen Reifen wegfiel (vgl. Montelius in der Deutschen Tageszeitung, 12. März 1914).. Constantin fügte anscheinend nur am rechten Kreuzbalken oben den Haken hinzu, durch den der Buchstabe R im Namen Christi mit ausgedrückt wird; es ist das Monogramm Christi
Auf den Lederschilden, besonders auf dem metallenen Schildbuckel pflegte der Soldat allerlei Bilder und Symbole, wie den Gott Mars und den Reichsadler, aber auch glückbringende Zeichen wie Stier und Halbmond eingraviert zu tragenVgl. z. B. Baumeister, Denkmäler, S. 2072 u. Abbildung 2293.. Für das Kreuz war daneben immer noch RaumZu vergleichen ist, daß Constantin auch Münzen prägte, auf denen Gott Mars zu sehen ist, aber das Kreuzzeichen ist hinzugefügt; Duruy VII, S. 159.. Das Zeichen war wie ein Zauber, wie ein Amulett, das man den Kindern nach der Geburt umhängte. Jetzt, da der Sieg entschieden, hatte also 176 der Gott Christus gesiegt. Das Christentum schien sich zu bewähren. Die Folgen davon waren unermeßlich. Der Kaiser war durch des Maxentius Niederlage für Christus gewonnen.
Constantin war zaubergläubig wie seine Zeit; das kann uns nicht verwundern. Er dachte wie die Viehhüter, die damals, wenn Viehseuche war, den Tieren das Kreuz einbrannten, und siehe da: die Tiere blieben gesund; die ohne Kreuz krepiertenDies schildert uns das Hirtengedicht des Endelechius: der Hirt, der das Kreuzzeichen verwendet, kann fröhlich seine Herde zur Weide führen; die des heidnischen Hirten geht an der Pest zugrunde.. Aber kluge Überlegung kam hinzu. Denn er hatte ja die Diocletianische Christenverfolgung selbst miterlebt. Was anders als Militärrevolten waren zu ihr der Anlaß gewesen? Auf das Heer kam es an. Der Christen waren viele im Heer. Sie hatten damals unter Diocletian den Kaisereid nicht leisten wollen; viele Offiziere und Gemeine hatten darum den Dienst quittiert. Auf der Heeresdisziplin beruhte alle kaiserliche Macht. War das christliche Symbol ins Wappenwesen eingeführt (es war zunächst nur eine unscheinbare Äußerlichkeit, und die weltlichen Historiker der Zeit nahmen durchaus keine Notiz davon), so würde kein Bischof in der weiten Welt mehr die jungen Männer gegen den Militärdienst aufhetzen.
Gewiß scholl die Kunde hiervon gleich durch die ganze Christenheit. Wie schön war es für die Gläubigen, sich zu denken, Christus selbst sei dem Constantin wie einst dem Paulus wunderbar erschienen und habe ihm zugerufen: »unter diesem Feldzeichen sollst du siegen,« In hoc signo vinces! Legenden bilden sich rasch. Es entstand die Constantin-Legende.
Aber das winzige Kreuzzeichen auf dem Schildbuckel war zu unscheinbar; warum nicht lieber eine Fahne? In der Tat stiftete Constantin bald danach für das Heer eine christliche Fahne. Es ist das vielgenannte LabarumEusebius kennt diese Bezeichnung aber noch nicht.. Die Neuerung lag nahe; denn die römischen Feldzeichen bestanden schon bisher aus einer Stange mit Querbalken, von welchem Querbalken das nicht allzu große quadratische Fahnentuch flatternd herabhing. Mit Stange und Querbalken war also das Kreuz eigentlich schon gegeben; man brauchte es nur noch etwas deutlicher hervortreten zu lassen und auch auf das Fahnentuch das 177 Kreuzzeichen zu sticken. Die bisher üblichen Feldzeichen schaffte Constantin natürlich nicht ab; sie blieben daneben bestehenSie sind gewiß gemeint, wenn Zosimus II, 18, 3 u. 23, 4 τῶν σημείων ἀρϑέντων schreibt, aber auch, wenn Constantin selbst von den signa ohne näheren Zusatz spricht (cod. Theodosian. VII, 12, 1 vom Jahre 321).; nur eine erlesene Palasttruppe führte die neue Fahne, und 50 Mann lösten sich im Tragen ab, damit sie stets hoch ragte. Ja, ein besonderes Kriegszelt wurde aufgeschlagen, darin sie verwahrt wurde, dem Fahnenheiligtum entsprechend, das schon bisher in keinem Feldlager fehlteWenn Eusebius V. C. I, 3. sagt, alle στρατόπεδα müßten die Kreuzfahne führen, so spricht das eine Zelt dagegen, in dem der Kaiser sie bewahrte.. Das Kreuz war der Fetisch, der Constantin Glück brachte; er sollte ihm auch weiter siegen helfen.
Der Kaiser des Okzidents hatte sich zum ersten Mal offen für Christus erklärt, eine Maßnahme der Politik, durch die Verhältnisse ihm aufgedrängt, und die politische Wirkung war groß. Denn alle Bischöfe in Ost und West gewannen jetzt ein Herz für diesen Kriegsmann; er fand bei ihnen eine überschwänglich inbrünstige Dankbarkeit und konnte sicher sein, daß, wenn er einmal erobernd weiter gegen Asien zog, das ganze wohlorganisierte Kirchentum ihm dort in die Hände arbeiten würde.
Selbst Christ zu werden, daran dachte er nicht. Er verehrte seinen lichten und ewig jungen Gott HeliosDaher die häufige Legende Soli invicto auf seinen Münzen. und trug deshalb, der damaligen Mode vollkommen zuwider, das Gesicht zeitlebens glatt ausrasiert, um damit dem Gott Helios oder Apoll zu gleichenDaher das vidisti (Apollinem) teque illius specie recognovisti, Panegyr. lat. VII, 21.. So ließ er sich auch auf seinen Münzen als Helios mit dem Strahlenkranz abbilden (übrigens wurde damals auch Christus wie Helios durchweg noch bartlos dargestellt). Warum sollte er von seiner Gewohnheit lassen? Aber Constantins Interesse war doch nun geweckt, und er verschaffte sich jetzt sogleich Auskunft über die kirchlichen DingeDamals erst; dem Eusebius, der dies in der Vita I, c. 32 bezeugt, dürfen wir in diesem Fall trauen, da das mit allen anderen Indizien übereinstimmt. Übrigens vergleicht Eusebius selbst I, 43 den Kaiser mit Helios, der allen gleichzeitig Licht gibt. Weiter führt noch desselben Eusebius Laus Constantini. Da heiß es, daß Helios nichts ist als ein Diener des höchsten Gottes und Weltkönigs (cap. 1. 5); ebenda wird aber auch Constantin wieder mit Helios gleichgesetzt (cap. 3, 4). Danach konnte sich also auch Constantin selbst ganz wohl als Gott Helios plastisch darstellen lassen und blieb doch der Knecht des höchsten Gottes, an den er glaubte., d. h. über die Dogmatik, in deren Betrieb damals das Christentum fast völlig aufging. Dogmatischer Streit war das tägliche Brot, die Natur Christi das schwierige Problem. Christus hieß der Mittler; so war auch Helios der Mittler zwischen Mensch und Gott; Helios und Christus sahen sich ähnlich genugEs sei daran erinnert, daß auch Tertullian die Gleichsetzung von Christus und Sol bezeugt, Apolog. 16, sowie daß Christus wie ein Sonnengott mit Strahlen dargestellt erscheint auf dem Bilde bei Garrucci, Stor. della arte christ. Tafel 1713., man konnte sie ganz wohl beide nebeneinander gelten lassen. Für den Staatsmann aber wog Christus schwerer; daran ließ sich nicht mehr zweifeln. 178 Constantin brauchte Fühlung mit ihm; denn hinter diesem Christus stand ein Klerus, der die Massen seiner Gläubigen fest zusammenhielt und dabei das ganze Reich umspannte.
So zog denn Constantin sofort Bischöfe an seinen Hof, machte sie zu Teilhabern seines KronratsEuseb. V. C. I, 32, 3: τοὺς τοῦ ϑεοῦ ἱερέας παρέδρους αὐτῷ ποιησόμενος., ließ Christen ebenso wie Heiden als Provinzialverwalter in die höchsten Rangstellen, gab zahlreichen Gemeinden ihre städtischen Grundstücke und Gärten, die konfisziert waren, zurück (was übrigens auch Maxentius getanO. Seeck, Gesch. des Untergangs I, S. 124.); ja, er begann die Kirche gütig zu beschenken und herrisch zu regieren. Aber die Kirche beeinflußte auch ihn; die weltklugen geistlichen Herren fanden sich rasch in die neue Lage.
Ein Umstürzler, wie im Religionswesen, war er übrigens auch im Militärwesen. Er faßte den verhängnisvollen Entschluß, die Germanen endgültig zum Fundament der ganzen Reichswehr zu machen. Auch die Kommandostellen hat Constantin als erster an vornehme Germanen gegeben; er zog sie wie die Bischöfe an seinen Hof, machte ihnen alle höchsten Ämter und Würden zugänglich. Und auch dieser Schritt war nie wieder rückgängig zu machen; im Gegenteil, schon unter seinen Söhnen und weiterhin tönt uns, ohne aufzuhören, fortan die Masse der Namen wie Magnentius, Nevitta, Dagalaifus, Ricomeres, Bauto, Arbogast, Fravitta, Stilicho, die klangvollsten Namen aus der Geschichte der Zeit, entgegen; in Germanenhände hatte er damit das Geschick, die Zukunft des Reichs gelegtVgl. M. Bang, Die Germanen im röm. Dienst, S. 93, R. Grosse, Röm. Militärgeschichte von Gallienus bis zu den Byzanthinern, Berlin 1920..
Constantin begab sich aus Rom zunächst nach Trier zurück, um die Regierungsgeschäfte in den Nordländern abzuwickeln, gab den deutschen Völkern jenseits des Rheins noch einen kräftigen Schlag mit der Römertatze, ließ wieder einmal die eingefangenen Feinde als sog. Barbaren in der Tierhetze der Arena umkommen und sann und spann zukünftige Pläne. Auf der Reise nach Trier aber traf er in Mailand den Mitkaiser Licinius.
Und hiermit beginnt ein neuer Akt im Drama. Die Auseinandersetzung mit Licinius beginnt, der, ein Emporkömmling 179 wie so viele der Imperatoren jener Zeiten, doch seiner Natur nach ein geborener König war wie Constantin.
Warum sollten die beiden nicht friedlich wie bisher miteinander gehen? In der Tat, sie fanden sich, wie gesagt, in Mailand zusammen (Ende 312). Licinius war es, der sich auf den Weg machte, Constantin dort zu suchen; auf seiner Seite war das Entgegenkommen. Man beschloß Freundschaft, tauschte Versprechungen; beide Monarchen einigten sich in Mailand vor allem auf ein Edikt, worin sie Christen wie Heiden die gleiche volle Religions- und Gewissensfreiheit gemeinsam zusicherten, ein denkwürdiges Programm der ParitätDaher heißen Licinius und Constantin bei Eusebius hist eccl. IX, 9, 12 beide τῆς εἰρήντης καὶ εὐσεβείας προήγοροι., und Constantin gab dem Licinius sogar seine Schwester Constantia zur Frau. Es gab eine große Hochzeit. Die Welt mochte sich dessen freuen; ob aber Licinius dem Frieden traute? Dachte er dabei nicht an Maxentius zurück? Es war gefährlich, der Schwager Constantins zu sein.
Eben damals heiratete auch des Constantin zweite Stiefschwester Anastasia den Bassianus; auch dieser Schwager Bassian geriet in Konflikt mit Constantin und ging zugrundeWas die Excerpta Valesiana über diesen Konflikt berichten, ist innerlich so unwahrscheinlich, daß es sich für den Historiker nicht benutzen läßt. Schon Gibbon nahm daran Anstoß. Alle Zerwürfnisse, die Constantin mit seinen nächsten Angehörigen, Bassian, Crispus und Fausta hatte, sind von der Überlieferung mit undurchsichtigen Schleiern umgeben..
Licinius war auf alle Fälle mehr als Maxentius. Er gehört zu den Korporälen, die nach dem Szepter greifen, wie sie uns auch sonst schon begegnet sind. Sie sind zumeist bärbeißig wie der alte Marius, der Teutonenbesieger. So war auch dieser Mann: hart und brutal und ein erklärter Feind aller Literatur und Philosophie, dabei aber von gesunder Naturwüchsigkeit. Das Hofgeschmeiß der Eunuchen, die sich damals wie die Pest breitmachten, hielt er sich vom Leibe; er nannte sie die Holzwürmer, die alle Schränke zerfressen, ein Zeichen, wie viel reiner sein sittliches Gefühl war als das seiner ZeitgenossenSchon Aurelian war gegen die Eunuchen vorgegangen; vgl. Stückelberg, Der Constantinische Patriciat, S. 24., und sorgte vor allem mit Erfolg für die Interessen der LandwirtschaftEpitome 41, 8 f.. Auch das war nicht zu verachten und gewiß nötiger, als die Städte mit immer neuen Prunkbauten zu schmückenDaher die parsimonia agrestis bei Aurelius Victor 41, 3; d. h. Licinius zeigte den Geiz des Landwirts gegenüber den städtischen Interessen..
Aber Maximius Daja lebte noch. Da sich Licinius eben mit Constantin enger verbündet hatte, so glaubte sich dieser dritte 180 der noch lebenden Kaiser, der in Asien herrschte, gefährdet und überfiel den Licinius im Jahre 313 überraschend mit Krieg. Aber Licinius war stark; er besiegte ihn leicht, und auch dieser Maximinus war also jetzt beseitigt: ein Mann hervorragender Bildung der von der Staatsgefährlichkeit der christlichen Gemeinden noch immer überzeugt war. Auch seinen Nachwuchs vertilgte Licinius; es gab keine Schonung, und auch das Schicksal der beiden längst verschollenen kaiserlichen Frauen Prisca und Valeria, der Gattin und der Tochter Diocletians, erfüllte sich eben damals. Sie fielen jetzt in des Licinius Hände, und Licinius ließ auch sie sterben. Das war gewiß in Constantins Sinne. Der vereinsamte Diocletian selbst schloß erst drei Jahre danach (316) die Augen; er mußte auch das, er mußte auch noch die Erschütterungen des Reichs, die nun begannen, mit erleben.
Die Welt hatte jetzt nur noch zwei Herrscher. Licinius war an Macht gewachsen; er stand jetzt auf ebenso breitem Fuß wie Constantin. Aber Constantin fürchtete sich nicht, im Gegenteil: er durfte Licinius, der eben noch kämpfte, nicht zu Atem kommen lassen. Fürstenfreundschaft ist in der Politik nichts als Gaukelei und Fechterspiel. Schon gleich im Jahre 314 brach er vor und führte seine Legionen gegen Licinius. Dabei verstand er die Version aufzubringen, die die Schuld an dem Kriege dem Gegner zuwälzteGemeint ist die Bassianusgeschichte, über die oben (S. 179) Anm. "Was die Excerpta Valesiana...".. Er selbst hat aber den Krieg gewiß nicht beschlossen ohne Hinzuziehung der Ratgeber und Beisitzer, die ihn umgaben, und zu ihnen zählten jetzt auch die Bischöfe. Stellte er da die Schicksalsfrage an seine Räte, so haben die Bischöfe, ihres gegenwärtigen Einflusses froh, gewiß kräftig für den Krieg gestimmt; denn sie mußten unbedingt wünschen, nun auch das ganze Reich in der Hand des Herrschers zu sehen, der die Christen nicht nur duldete, sondern regierungsfähig machteDies bestätigt Eusebius, V. C. II, 19, der in großer Freude sich ergeht, da die Welt schließlich in Constantin wieder einen einzigen Monarchen erhalten habe. So sagt er auch in der Laus Const. 3, 5: Polyarchie ist Anarchie; nur ein Gott im Himmel, nur ein Kaiser auf Erden!. Dem Licinius aber konnte das nicht verborgen bleiben. Es ist nötig, sich dies gegenwärtig zu halten.
Die Welt erschrak. Der ungeheuerste Kampf stand bevor: Orient und Okzident stießen mit ihrer Vollkraft zusammen. Derartiges war nicht geschehen seit des Septimius Severus 181 Zeiten. Es war, als wollten sich zwei Fabeltiere verschlingen, wie sie der Prophet Daniel schildert, als brächen zwei Riesenstiere, in denen sich Ost und West verkörperten, aus der Hürde, die schweren Hörner wiegend, beide unüberwindlich, um krachend gegeneinander zu rennen. Auf der einen Seite standen die illyrischen Truppen; sie waren unbesieglich; auf der anderen die Germanensöldner, unbesieglich auch sie.
Wer siegen will, muß überraschen. Licinius hatte nicht Zeit gefunden, sein Küstengebiet an der Adria zu schützen, und so drang Constantin gleich völlig ungehindert von Italien her über den Karst, den unlängst im letzten Weltkrieg Österreich gegen Italien so erfolgreich verteidigt hat, ins Innere, durch das heutige Kroatien und Slavonien. Erst bei Esseg an der Drau traf er den Gegner, und die furchtbare Schlacht hob an; sie währte ergebnislos bis in die Nacht. Da erst nahm Licinius seine Truppen zurück, ging unbehelligt in seine nahe Hauptstadt Sirmium, um von dort alle Kassen und Archive zu bergen. Als Constantin ihn suchte, war er, fast alle Balkanländer preisgebend, bis an die obere MaritzaEs ist der Fluß Hebrus des Altertums. in Thrazien, wo er seine Reserven hatte, zurückgegangen. Jetzt war des Licinius Streitmacht noch stärker als zuvor, und Constantin gewann den Sieg nicht. Zäher, wilder, erbitterter ist vielleicht nie gekämpft worden. Keine der Armeen kam ins Wanken. Kein Soldat war von Licinius zum Gegner übergelaufen. Aber keiner der Gegner wagte eine dritte Schlacht. Licinius selbst war stark geschwächt. Sie schlossen Frieden. So mußte Licinius dem Constantin die Balkanländer, die er geräumt hatte, dauernd überlassen. Constantin ließ nicht fahren, was er hatte. Er hatte sich also auf alle Fälle die Heimat erobert, wo er geboren war, und er stand nun schon als Herr in Macedonien, nahe bei Byzanz.
Ein neuer Freundschaftsbund wurde geschlossen. Aber Licinius war nun doch der bei weitem schwächere geworden. Es war wie Hohn, daß die beiden Herrscher jetzt in ihrer Eigenschaft als Augusti gemeinsam drei Cäsaren als Helfer im Regiment ernannten, von denen zwei Söhne des Constantin, nur 182 einer ein Sohn des Licinius war, und dieser eine war ein Knäblein von 1½ Jahren.
Seitdem änderte sich des Licinius Stellung zu den Christen. Er wußte ohne Zweifel, daß die Bischöfe am Hofe Constantins zum Krieg getrieben hatten. Vor allem stellte er fest, daß in den Kirchen seines eigenen Landes für Constantins Sieg von den Christen gebetet worden warDies bezeugt Eusebius V. C. I, 56; hist. eccl. X, 8.. Ein Gebet ist mächtig, und wer für den Feind betet, begeht Landesverrat. Seitdem unterdrückt Licinius zwar in seinem Reiche den Gemeindebetrieb durchaus nicht, aber er verbietet doch, daß Bischöfe zu Konzilien zusammenkommen, denn er weiß, daß sie da für Constantin agitieren würden. Er verbietet ferner die unkontrollierbaren Gottesdienste hinter Kirchenmauern; er will, daß die Gottesdienste, wie es die heutige Heilsarmee macht, nur noch im Freien stattfinden sollen; denn im Freien kann der Geistliche solch schädliche Gebete nicht wagen. Diese Zumutung schien nicht zu arg; denn auch Christus hatte ja nur unter freiem Himmel gepredigt und sein Gebet gesprochen, und auch der heidnische Kult bediente sich ja regelmäßig der offenen Vorhöfe vor den Tempeln. Auch wurde diesem Befehl augenscheinlich entsprochen; denn nur in einigen Fällen sah sich Licinius gezwungen, die Kirchengebäude abzuschließen oder gar einreißen zu lassen. So hat er denn auch die Christenlehre durchaus nicht aufzuheben versucht; aber den jungen Mädchen sollte sie fortan nur noch von Frauen zuteil werden. Offenbar hegte der sittenstrengeDie hunderttausend Ehebrüche, die Eusebius V. C. I, 52 dem Licinius nachsagt, sind natürlich flotte Erfindung und aus Rache ersonnen. Licinius den Verdacht, daß die Priester sich nicht immer damit begnügten, nur die Seelen der Weiber zu bekehrenWie gefährdet die Keuschheit der Kleriker im Verkehr mit jungen Frauen war, können wir aus der Schrift De singularitate clericorum in der Cyprian-Appendix ersehen, wo ihnen daher, ganz im Sinn des Licinius, jede Berührung mit dem anderen Geschlecht verboten wird. Unversehens trifft uns der Pfeil aus ihren Augen, heißt es da sehr drastisch (Kap. 10 u. 11); gefährlich ist es, wenn ein junges Weib schwitzt; denn dann macht es die Glieder frei vom Gewand. Wehe gar, wenn es lacht und singt; noch schlimmer, wenn es zornig wird oder trauert. Das zu sehen schmilzt das Herz. Die Sünde klebt daran wie Kleister. Entweder sie verlocken uns zu Liebeleien oder sie finden bei uns einen anderen, mit dem sie es treiben, so daß die Kirche zum Haus der Unzucht wird. Alles das liest sich wie eine Rechtfertigung der Maßregel des Licinius..
Sofort aber ging die Hetze los: Licinius der Christenfeind! eine neue Losung. Auch stand schon Constantin zum neuen Angriff gerüstet, und dies wurde nun wirklich der erste Religionskrieg der Weltgeschichte. Selbst noch ungetauft und also kein Mitglied der Christengemeinde, kämpfte jetzt Constantin als Christenfreund nominell gegen den Christenfeind Licinius. In Wirklichkeit aber war die Christensache für ihn nur ein 183 willkommenes Mittel zum Zweck. Er wollte endlich auch noch den Orient haben.
Noch war kaum der letzte Friedensvertrag feierlich geschlossen, da hatte er schon einen Kriegshafen auszubauen begonnen, der ihm für den Angriff gegen das starke Byzanz und gegen Kleinasien als Ausfallstor dienen sollte. Es war Saloniki. Der Platz war mit außerordentlicher Klugheit gewählt. Licinius war dadurch aus nächster Nähe bedroht.
Eben jetzt griffen die Barbaren an der Donau ein; vielleicht waren es Sarmaten, jedenfalls auch GotenAuf einen Gotensieg des Jahres 323 hat die Inschrift C I L., III 6159 Bezug (Zeitschr. f. Rechtsgesch., Röm. Abt. X, S. 189 f.).. Sie machten die üblichen Raubüberfälle. Als Constantin sie abwehrte und züchtigte, kam es zu Grenzkonflikten mit Licinius. Dies war zum Losschlagen der Anlaß, und die Sache ging schnell. Es war das Jahr 323. Wieder wird an der Maritza gekämpft. Licinius stellt (angeblich) 150 000 Mann Fußvolk auf, dazu 15 000 Reiter, Constantin 120 000 Mann Fußvolk, gegen 10 000 Reiter. Aber für Licinius schlagen sich jetzt fast nur noch asiatische Griechen, für Constantin die Illyrier und Gallo-Germanen. Licinius unterliegt; ein Teil seines Heeres läuft zum Gegner über. Er rettet sich in das feste Byzanz. Da segelt von Saloniki her Constantins Kriegsflotte gegen die Seestadt, die auch von der Landseite umstellt wird. Licinius entweicht aus der Stadt über den Bosporus nach Kleinasien. Da wirft er sich in Verzweiflung noch einmal auf den Gegner; es war bei Skutari, wo Constantin sein Heer soeben auf unzähligen kleinen Schiffen gelandet hatte. Die Landung war schwierig. Das Schicksal aber vollendet sich. Licinius hätte noch ins Innere Asiens entweichen können; doch gibt er sich, auf Constantins ritterliche Gesinnung vertrauend, in Nikomedien, der Stadt, wo einst Diocletian gethront hatte, dem Sieger unter der Bedingung gefangen, als Privatmann friedlich weiterzuleben. Das wird ihm auch zugesichert. Constantia, seine Gattin, wirkte ein; sie nahm ihrem Bruder Constantin den Eid ab, daß er Licinius schonen werde. So durfte sich der Entthronte in Saloniki niederlassen, um über den Wandel der 184 Zeiten nachzudenken. Aber Constantin besann sich nicht lange und ließ ihn dort erdrosseln (im Jahre 324). Was lag an dem Wortbruch? Er war jetzt vor ihm sicherIm Mai des Jahres 324 nennt Constantin den Licinius noch den Tyrannen, d. h. Rebellen: cod. Theodos. XV, 14, 1.. Das war der dritte Schwager, den er beseitigte.
Und er war jetzt der Alleinherr, das große Ziel erreicht, alle Truppenkörper von Marokko bis Mesopotamien leisteten den Eid auf Constantin, und auch Byzanz war jetzt sein. Die Achse des Erdballs wurde jetzt gleichsam verschoben; denn Byzanz konnte jetzt die Constantinstadt werden, Constantinopel die kaiserliche Hauptstadt für fast tausend Jahre, in der Tat der Wirbel alles politischen Lebens für den Orient bis heute.
Konnte er sich seiner Erfolge freuen? Oder sollte es ihm wie dem Septimius Severus gehen? Im Jahre 326 blickte er auf eine zwanzigjährige Regierung zurück; er war noch einmal im alten Rom und feierte dort das Jubelfest. Aber der unduldsame Herrschgewohnte fühlte sich immer noch nicht sicher, und sein Argwohn fiel jetzt auf seine nächsten Angehörigen. Hier ist von seinem Sohn Crispus zu reden.
Es ist merkwürdig, daß er seine beiden Stiefbrüder geschont hat. Sie müssen auffallend ungefährlich, d. h. unbegabt, gewesen sein. Den einen, Dalmatius, schickte er einmal nach der Insel Cypern. Da beging der Inhaber einer Kamelstuterei die Albernheit, sich als König von Cypern ausrufen zu lassen. Dalmatius wurde damit beehrt, den Menschen zu beseitigen. Anders stand es mit Crispus.
Die Kaiserin Fausta hatte dem Constantin drei Söhne gegeben: sie hießen Constantin, Constantius und Constans. Der Gleichklang der Namen ist für den Erzähler unleidlich; dazu gab es noch einen Onkel Constantius und die Tante Constantia. Im nomen sah man das omen: es ist, als prahlten all diese Namen mit der Dauerhaftigkeit oder »Constanz« der Dynastie. Welche Verwirrung mußte entstehen, wenn die drei Brüder sich im Palast riefen oder bei Tisch durcheinander sprachen? Das war freilich die geringste Sorge. Wichtiger war, daß sie sich vertrugen.
185 Crispus aber war ihr Stiefbruder. Er war älter als sie und Sohn der Konkubine Minervina, die Constantin hernach aus dem Hause tat. Gleichwohl erzog er diesen Sohn Crispus zu seinem Nachfolger. Ihm selbst, dem Vater, war es ja ebenso ergangen: auch er war ja seines eigenen Vaters Erstgeborener gewesen, auch er in wilder Ehe erzeugt, und sein Vater hatte ihn trotzdem zum Nachfolger bestimmt. Auf die Begabung kam es an. Crispus war der Hochbegabte; er war jetzt vielleicht 24 Jahre altEtwa im Jahre 302 geboren.. Schon im Jahre 317 hatte der halbreife Mensch unter dem Titel Cäsar für kurze Zeit die Verwaltung Galliens übernommen; 18jährig leistete er dort die erste Waffenprobe gegen die Germanen am RheinPanegyr. lat. X. 37.. Da eilte er vom Rhein als Sieger zu seinem Vater im rauhen Winter über die Hochalpen nach Sirmium, um sein Lob zu ernten, und der Vater freute sich an ihmPanegyr. lat. X, 36.. Auf Bronzemünzen sehen wir seinen Jünglingskopf mit dem frühen Lorbeer im Haar; das Szepter hält er in der RechtenBaumeister, Denkmäler S. 400, Abb. 441.. Als sodann der letzte Kampf gegen Licinius begann, gab ihm Constantin das wichtige Kommando über die Flotte. Crispus war es, der damals aus Saloniki mit 80 leichten Galeeren durch den Hellespont (die Dardanellen) brach, gegen Byzanz. Des Licinius Admiral Abantus lag da mit 200 Kriegsschiffen, und es war, als wiederhole sich die Schlacht bei Salamis: auch jetzt eine Seeschlacht im engsten Wasserbecken; rechts und links die Küste so nah! Crispus manöverierte ausgezeichnet; des Gegners 200 stolze Schiffe drückten sich gegenseitig. Crispus durchbrach ihre tiefe Front in unermüdlichem Draufgehen, und sie wurden gerammt, versenkt, zerstört; der Rest strandete folgenden Morgens, als sich ein Sturm erhob. Nur mit Mühe rettete Abantus sein Leben. Erst nach diesem Siege seines Sohnes konnte Constantin Byzanz gewinnen. Das Marmarameer oder die Propontis hat bis zum heutigen Tag solche Seeschlacht nicht wieder gesehen.
Was war seitdem geschehen? War es Neid auf den Sohn, der sich in Constantin regte? Hatte Crispus sich herausfordernd 186 benommen? Schürte Fausta, die Stiefmutter gegen ihn? Oder waren es die Stiefbrüder? Sicher ist, daß Fausta mit einwirkte; vielleicht bezichtigte sie ihn einer Verschwörung. Man hat sogar einen ganzen Phädraroman zurechtgedichtet: Fausta, die Stiefmutter, als verschmähte Liebhaberin des Crispus! Wir enthalten uns solcher Phantasien. Im selben Jubeljahr 326, das Constantin in Rom festlich beging, ließ er seinen Sohn Crispus, und zwar »auf das grausamste«, tötencrudelissime, sagt die Chronik des Hieronymus.. Es geschah in Pola in Dalmatien. Zugleich wurde so auch des Licinius noch lebender 11jähriger Sohn beseitigt. Keine Frage also: es galt die Thronfolge für die drei anderen Söhne zu sichern.
Constantin hatte seine immer noch rüstige, aber nun wohl bald 80jährige Mutter Helena an den Hof genommen. Ihre Ehrung lag ihm am Herzen. Sie war so energischer Natur wie er; er war Geist von ihrem Geist. Es ist wohltuend, dies Verhältnis zur Mutter festzustellen. Die stahlharte Seele des Gewaltmenschen war denn doch auch weicherer Regungen fähig. Er machte sie zur »Augusta«, ließ ihr Standbilder errichten, Goldmünzen mit ihrem Bilde prägen.
Wie sollten aber zwei Frauen am Hof, beide in gleicher Machtstellung, Frieden halten? Der Hader zwischen Kaiserin und Kaiserinmutter war längst entbrannt. Es scheint: es war ein tödlicher Haß. Helena nahm für den getöteten Crispus Partei; sie behauptete, Fausta habe Crispus beim Vater falsch verleumdet; sie sei an seiner Hinrichtung schuld; und Constantin hielt zur Mutter; er opferte ihr jetzt die Kaiserin. Fausta wehrte sich umsonst. In den Palastthermen wurde ein Schwitzraum bis zum Siedepunkt überheizt; da hinein wurde Fausta gestoßenin balneas ardentes coniectam, Aurel. Victor 41, 12; vgl. Zosimus.. Dann zog man sie als Leiche wieder aus dem Bade.
Ein geradezu satanisches Verfahren. Darauf verstand sich Nero nicht besser oder Iwan der Schreckliche. Der Tod genügt nicht; die Todesqual muß hinzukommen. Auch zahlreiche Freunde ließ Constantin danach noch tötenEutrop. X, 6.. Wir wissen wiederum den Anlaß nichtMit der Beseitigung des Crispus stand ihre Tötung sicher nicht in ursächlichem Zusammenhang, da sie erst nach der Hinrichtung Faustas geschah.. »Ausrotter aller seiner 187 Widersacher«, wie es von Richard III. heißt; einerlei, wen er packte: den Terror breitete er um sich. Erst danach dünkte er sich sicher auf einsamer Höhe. »Das Gewissen ist ein gefährlich Ding; es macht uns zur Memme«: auch dies Wort, das man bei Shakespeare liest, scheint wie von Constantins Lippen abgelesen.
Hat ihn die Reue nicht angefaßt, ihn, den »Gottgeliebten« (ϑεοφιλής), wie ihn die Christen nannten? Wir merken nichts davonWas Zosimus II, 19, 3 erzählt, klingt zu sehr nach Erfindung.. Aber freilich, seine bösartige Mutter Helena entfernte er noch im selben Jahr vom Hofe. Vielleicht war ihr Anblick ihm denn doch eine Pein. Er hatte durchgesetzt, daß sie in ihrem Alter noch Christin wurde, so wie er auch seine drei Söhne in der christlichen Lehre unterrichten ließ. Jetzt stellte er ihr reiche Staatsgelder uneingeschränkt zur Verfügung, und die allmächtige Frau begab sich nach Palästina (im Jahre 326), um persönlich die heiligen Stätten, wo Gott sich offenbart hatte, zu betreten. Sie streute mit Geld; es war mehr Triumphzug als Wallfahrt. Makarios, der Bischof von Jerusalem, kam der Hochbetagten gewiß zur Hilfe, wenn sie das Grab Jesu oder Bethlehem und andere geweihte Plätze suchte, um da zu beten. In Bethlehem, wo Christus geboren, hat Helena die berühmte Gedenkkirche gebaut. Sie wandte ihr Herz besonders der Gottesgebärerin Maria, der Theotokós, zu; war sie doch selbst Mutter des zweiten Welterlösers ConstantinConstantin selbst wird σωτήρ, Retter und Heiland der Welt, genannt bei Euseb., Hist. eccles. X, 8, 19.! Über den ganzen Orient aber, wo es Christen gab, gingen ihre reichen Spenden. Selbst wenn sie in kleine Städte kam, rauschte sie in ihrem Prachtgewand durch die schlichte Gemeinde, um höchstselbst mit am Gottesdienst teilzunehmenEuseb, V. C. III 41–46.. Dann starb sie; Constantin sah sie nicht wieder. Keine Frau konnte ihm jetzt mehr dareinreden. Er hat nicht wieder geheiratet.
Noch 14 Jahre hat Constantin als Alleinherrscher im Frieden regiert. Die Goten jenseits der Donau hielten zumeist Ruhe. Gesandtschaften in buntem Aufzug, Indier, Neger, aber auch GermanenEuseb, V. C. IV, 7: ihre Hautfarbe verrät die Germanen: λευκότερα χιόνος. kommen in seinen Palast und bringen Geschenke. 188 Mit dem gefürchteten König von Persien tauscht er Briefe. Die Fremdvölker empfanden, daß das Reich einstweilen wieder in fester Hand war. Das Leben des Septimius Severus sollte sich in Constantin wiederholen: das Kraftgenie hat sein Ziel erkämpft; jetzt beruhigt es sich, und seine Zwecke und Aufgaben dienen dazu, es sanfter zu stimmen und vielleicht auch, soweit dies möglich, zu veredeln.
Die nun folgende Friedensarbeit aber steht durchweg auf dem Grunde dessen, was Diocletian entworfen hatte. Die Bureaus arbeiteten eben weiter; eine gute Tradition war da. Daher der humane Geist in so manchen Verfügungen Constantins, die wir heute noch lesen; es wirkt hocherfreulich. Nur im Strafmaß spüren wir allerdings die Barbarei der Zeit: Wer dem Landesfeind beim Raube Hilfsdienst leistet, wird lebendig verbrannt; den Angebern wird die Zunge ausgeschnitten; der Hausdienerin, die der Tochter des Hauses zuredet, sich von ihrem Liebhaber entführen zu lassen, wird heißes Blei in den Schlund gegossenVgl. cod. Theodos. VII, 1 (vom Jahre 323); X, 10, 2 (vom Jahre 319?) und IX, 24, 1 (vom Jahre 220).. So strafte man damals. Daher also auch die grausame Art der Tötung der Fausta und des Crispus.
Auch das steife Hofzeremoniell des Diocletian bleibt bestehen. Die Majestät wird zum Götzen und Dalai-Lama, strahlend in Diadem, Goldstickerei, Perlen und Edelsteinen, unzugänglich hinter einer Verschanzung von Trabanten, erhaben über dem gemeinen Erdenmenschen. Beneidenswert der Sterbliche, der zu einer Audienz gelangt. »Vorstand des heiligen Schlafgemachs« (praepositus sacri cubiculi) ist der Titel des Chefs der Zeremonien. Bewaffnete in Küraß und Schild, auch Pfeilschützen, hüten die Zugängescutarii, clibanarii, sagittarii genannt. Die kaiserliche Palastwache ging in Weiß: Hieronym. Epist. 60, 9 (Zöckler, Hieronymus S. 216).. Wurde es dunkel, standen die Fackelträger in ReihenDie lampadarii.. Die kaiserliche Leibgarde, in der auch vornehme Jünglinge dienten, Fußvolk und Reiter, war in der Nähe des Palastes kaserniert.
Den Sollbestand des Reichsheeres hatte schon Diocletian gesteigert; jetzt sind es 138 Legionen, außerdem noch 108 Bataillone Fußvolk, 91 Reiterschwadronen, was etatsmäßig 189 eine Kopfzahl von 900 000 Mann ergibtVgl. Wietersheim, Geschichte der Völkerwanderung III, S. 120.. Die oberste Leitung steht unter Marschällen, die Heermeister oder Soldatenmeister (magistri militum) heißen. Die Generäle der einzelnen Truppenkörper heißen comites und duces, deutsch etwa Grafen und Herzöge.
Epochenmachend war vor allem die Neuordnung des Zivildienstes, der vom Heeresdienst jetzt streng gesondert ist. Da ist der Reichskanzler; er hieß der Meister der Pflichten, magister officiorum. Das Wort magister tritt da ein, wo wir heute vom »Minister« reden würden. Hielt die Majestät Audienz, so stand dieser Kanzler hinter dem schweren Vorhang und lauschte. Die Audienzen werden durch ein zahlreiches Personal vermitteltEs ist das officium admissionum.. Ein Kabinettsminister (quaestor) aber steht dem Kanzler zur Seite, der ähnlich, wie es noch heute Gebrauch, den Verkehr zwischen dem Monarchen und Kanzler herstellt und Vortrag hält. Feldjäger liefen ständig durch das Reich, die den Telegraph ersetzten und Spionen gleich von überall her Nachrichten an den Hof brachten; unser Wort »Agenten« stammt von ihnen her; denn sie heißen die agentes in rebus.
Vier Bureaus besorgten die Geschäfte der Reichsregierung: ein Bureau für Kabinettsbefehle, eins für auswärtige Korrespondenz, das dritte für Justiz, das vierte für die Administrationscrinium memoriae, scrinium epistolarum, scrinium libellorum, scrinium dispositionum.. Die Bureaus hießen bildlich »Schränke«, wie wir ein Geldinstitut eine »Bank« nennen. Ein kaum übersehbares Personal wurde da beschäftigt; es waren die Offizialen. Was aber die Finanz betrifft, so hatte jede Diözese im Reich ihre eigene Finanzverwaltung, deren Vorsteher wiederum Grafen, comites, hießen. Der eine Comes hat für die kaiserlichen Domänen, der andere für die fiskalische Verwaltung der zugehörigen Provinzen zu sorgen; der letztere wird der Graf für die Geldspenden genanntEs ist der comes largitionum.. Vor allem bestehen auch die prätorischen Präfekten weiter; sie haben die Regierungsgewalt in den wichtigeren Reichsländern in der Hand, als Stellvertreter der kaiserlichen Macht.
190 Rangunterschiede muß es im Leben geben. In dem Bureaukratismus jener Zeit kommt ein neuer Amtsadel auf, und die Rangstufen werden scharf gesondert. Da wimmelt es von Notaren. Der oberste Notar heißt der primicerius, weil sein Name auf der Wachstafel, cera, obenan steht. Notare aber sind die besoldeten Staatsdiener juristischer Bildung. In Beirut in Syrien studierten die jungen Leute das Recht, und die Rechtskandidaten traten dann eben zumeist in den Staatsdienst und in die genannten Bureaus ein: die einen als Hilfsarbeiter und Protokollführer, andere wurden »Agenten«, wieder andere bei den Gratis-Brotverteilungen in den Großstädten angestellt usf. Das Dienstalter wurde sorglich gezählt, und man rückte langsam auf, wie auch heute. Um aber den Unrechtlichkeiten, die leicht unterlaufen konnten, zu wehren, wurde ein unausgesetzter Stellenwechsel nötig befunden; jede Anstellung galt nur für ein Jahr. Je mehr Wechsel aber, desto mehr Schreiberei. Das Schreiben war grenzenlos, und die Archive schwollen an. Kein Advokat durfte übrigens bei Gericht praktizieren, der nicht vom Staat dazu angestellt war; auch sie waren also jetzt Staatsbeamte.
Dabei wurde die Titelsucht zur Manie. Woher für die vielen Dienststellen die Menschen nehmen? Reichten, um sie zu locken, die Gehälter nicht aus, so war es der Titel, der den Ehrgeiz weckte. So wie Constantin selbst sich »Seine Heiligkeit« nennt, sein Bett »das heilige Lager«, sein Feldlager gleichfalls »das heilige Lager« hieß, so strömen die hochtönenden Worte in Fülle auf die Menschen herab. Ich sprach schon früher von den Rangklassen der Erlauchten, illustres, der spectabiles oder Excellenzen, der perfectissimi oder Höchstvollkommenen. Dazu das Wort »Patrizier«, das in ganz neuer Anwendung jetzt den höchsten Amtsadel bezeichnetVgl. E. A. Stückelberg (1891): Der Constantinische Patriciat.. Die meisten dieser Titel aber sind natürlich nicht erblich. Und dazu kamen endlich die Dekorationen oder Insignien, die auf das Auge wirken. Jeder höhere Beamte erhält eine Tafel, die er vor sich hertragen läßt oder im Amtslokal aufstellt, auf der die Attribute 191 seines Amtes in Farben gemalt sind. Diese Wappenbilder sind uns in Kopien erhalten. Die zu verwaltenden Provinzen sind darauf als junge Frauen personifiziert, die in hübschen, bunten Kleidern gehen und gelegentlich Schüsseln voll Geld vor sich hertragen; oder wir sehen die Festungen oder Burgen, beispielshalber auf dem Wappen des Comes, der in Straßburg kommandiert, die Festung Straßburg selbst abgebildetBöcking, Notitia dignitatum II, S. 85.; auf dem Wappen der prätorischen Präfekten einen Vierspänner, auf dem der Mann sich stolz durch das Publikum bewegte; es ist offenbar ein Wagen, der in Federn hing.
Man sieht: der Staatsdienst sog jetzt gleichsam die Menschheit auf. Wo war die Freiheit des Lebens der Antike, das schöne Recht der Selbstbestimmung geblieben? die Individualitäten, die spielend sich ausleben, wo sind sie nun? Jetzt erstarrt die Gesellschaft zu einem Kastenwesen; es ist, als ob sich eine Eisdecke über das frische Gefälle des Stromes zöge. Jeder, ob klug, ob dumm, ist eingeschnallt in den blutlosen Apparat des Beamtenstaates; jedem werden seine Pflichten diktiert, nächstens auch noch seine Gesinnung, sein Glaube.
Am Hebelwerk der rotierend sausenden Riesenmaschine aber stand wachen Geistes der Kaiser, und sie funktionierte nicht, wenn er nicht täglich den Hebel drückte. Und so sehen wir wirklich Constantin am Werk. Ein freundliches Licht fällt auf ihn, wenn wir einige seiner vielen Erlasse, die in die verschiedensten Verhältnisse eingreifen, erwähnen. Der Angeklagte, der im Untersuchungsgefängnis sitzt – so befiehlt er –, soll gelegentlich an die frische Luft kommen, nicht im lichtlosen Raum liegen und soll nur leichte Handschellen tragenCod. Theodosian. IX, 3, 1.. Die Verbrecher, die man in die Bergwerke schickte, wurden mit einem Brandmal gezeichnet; Constantin bestimmt, daß das Mal nur auf Wade oder Hand einzubrennen ist, nicht aber im Angesicht; denn das Menschenantlitz sei ein »Abbild der himmlischen Schönheit«; man erkennt daran den Herrscher als SonnenverehrerCod. Theodosian. IX, 40, 2 (vom Jahre 315 oder 316): ad similitudinem pulchritudinis caelestis. Daß dies keine christliche Wendung, zeigt Panegyr. lat. VI, 3: in cuius ore caelestes illius vultus natura signavit, wo es sich um das himmlische Antlitz des Vaters Constantins handelt.. Auch für die Postgäule trägt er Sorge; die Freunde des Tierschutzes werden mit Genugtuung hören, 192 daß er verbietet, die Gäule mit Knütteln zu schlagen; erlaubt soll es freilich sein, die allzu faulen Tiere mit einem Stachel gelinde an ihre Pflicht zu mahnenCod. Theodosian. Ebenda VIII, 5, 2.. Streng geht er gegen die Falschmünzerei vor; der Sklave, der einen Falschmünzer angibt, wird mit der Freiheit beschenktCod. Theodosian. IX, 21, 2.. Dazu die weitgehende Sorge für den Nachwuchs im Volk; wer fünf Kinder in die Welt setzt, wird mit allerlei Vorteilen begünstigtCod. Theodosian. XIII, 3, 1; vgl. XI, 27, 1. usf.
Und das Geld? Mit welchem Riesenbudget der Weltstaat arbeiten mußte, ist schwer auszudenken. Constantin, großzügig in allem, verausgabte das Geld mit vollen Händen. Schon das Heer, das Beamtentum erforderte eine Steigerung des Etats. Daß sich darum Klagen über Steuerdruck erhoben, kann uns nicht verwundern. Eine gleichmäßige Verteilung des Druckes war nicht zu erreichenEr redet selbst von dem onus commune im cod. Theodos. XIII, 5, 3 (vom Jahre 319).. Bevorzugten Berufen gab er überdies Steuerfreiheit; so allen Ärzten und ProfessorenCod. Theodosian. XIII, 3, 1.. Und dazu kam seine Sucht zu schenken, dazu seine opulente Bautätigkeit. Bezeichnend ist, daß die Spötter, die nie fehlen, ihn den Dickhals, später den Raubritter, in den Schlußjahren aber das Mündel nannten, da er so vergeudete, daß ein Vormund für ihn nötig schienEpitome 41, 16..
Von den Bauten, mit denen er Trier geschmückt hat, von seinen Thermen und der Constantins-Basilika in Rom, deren stolze Wölbungen das Vorbild zum St. Peter geworden sind, deren Plan jedoch übrigens von Kaiser Maxentius stammte, will ich nicht reden. Zu reden ist vom Neubau Constantinopels. Es war eine Neugründung.
Erst im Jahre 330 hat er die Stadt, die seinen Namen verewigtÜbrigens heißt auch die heutige Stadt Constantine in Algier, das einstige Cirta, nach ihm., zur Hauptstadt der Welt gemachtSchon im Jahre 328 geschah die Weihung.. Für das alte Rom war das endgültig der Todesstoß.
Diocletian hatte Nikomedien zur Hauptstadt ausgebaut; er gehorchte dabei dem gleichen Triebe. Aber die Lage dieser verhältnismäßig stillen Stadt hatte nichts Beherrschendes. In Byzanz, da brauste das Leben; es lag an der Brücke zwischen Europa und Asien, an einer Hauptschlagader des Weltverkehrs; als Festung der solideste Stützpunkt sowohl gegen die 193 Donauländer wie gegen den Ansturm der Asiaten. Constantin hatte das gewiß mit genialem Blick schon als Jüngling erkannt, damals, als er im Orient lebte.
Nova Roma, »Neu-Rom«, so nannte Constantin selbst seine Gründung, als wäre es eine RömerstadtUnd daher heißen die Neugriechen noch heut Romäer (Ῥωμαῖοι)., und in der Tat blieb dort vorläufig die offizielle Sprache, die Hof- und Amtssprache, auch die Militärsprache das Latein. Das Volk in den Gassen jedoch sprach da nur griechischNur griechische Inschriften sind in Byzanz gefunden worden.. Constantinopel war Vollblut-Griechenstadt. Der griechische Orient war fortan der herrschende Teil der Welt. Der ruhende Koloß des Römerreichs legte sich auf die griechische Seite. Vom Jahre 330 an beginnt die byzantinische Geschichte.
Eine große Gründung! Zuwachs war nötig. Der Mauergürtel der Stadt wurde nach Westen hin mächtig erweitert, neue Bevölkerungmassen hereingeschafft, die Altstadt z. T. niedergelegt, um neue Prunkplätze zu gewinnen, und es sollte dort alles wie im echten Rom sein: ein Senat wurde geschaffen, für das Volk Thermen, ein Circus maximus oder »Hippodrom«, für Gelehrte eine kaiserliche Bibliothek, ja, eine UniversitätVgl. Byzanthinische Zeitschrift XXI (1921) S. 630 f., vor allem ein Kaiserschloß, Palatium, ein Komplex von Palästen, der einer Festung glich, wie heute der Serail des Sultans oder der Kreml des Zaren. Für die Triumphe lief eine Fahrstraße vom Westende her durch die Stadt, etliche Prunkplätze durchschneidend, zunächst bis zum Goldenen Horn, dann weiter am strahlenden Meer entlang bis zum sogenannten »Hebdomon«. Auch eine Militärvorstadt gab es; da erklangen deutsche Stimmen; es war das Lager der gotischen Hilfsvölker. Auf dem OchsenmarktForum bovis. aber stand der Ofen in Form eines Ochsen, in dem vom 4. bis zum 7. Jahrhundert Verbrecher verbrannt wurden. Das Publikum konnte herumstehen, um dem Akte zuzusehen.
Alle große Wendungen des Geschehens führte man im Altertum auf göttliche Eingebung zurück. So verkündete denn auch Constantin ausdrücklich, Gott habe es ihm befohlen, Constantinopel zu gründenDas wichtige Zeugnis mit dem iubente deo steht im cod. Theodos. XIII, 5, 7 (vom Jahre 334). Daß Constantin auch zum Krieg gegen Maxentius durch göttliche Eingebung behauptete getrieben zu sein, geht aus Panegyr. lat. IX, 2 hervor; daher sagt auch die Inschrift auf dem Constantinsbogen, er habe ihn instinctu divinitatis besiegt.. Ebenso führte er es in Gesprächen auf 194 Gottes Befehl zurück, daß er das Labarum zum Feldzeichen im Heere nahm; es geschah deo iubenteWenn Eusebius V. C. I, 32 zu erzählen weiß, im Traum sei dem Constantin Christus erschienen, um ihm das zu befehlen, und Constantin selbst habe das geäußert, so ist das offenbar nichts als eine kühne Umformung der Worte des Kaisers. Constantin hat auch in diesem Falle ohne Zweifel nur gesagt, deo iubente habe er das Labarum eingeführt. Wie wenig sich Constantin Zeit seines Lebens mit Christi Person beschäftigte, zeigen alle seine bei Eusebius eingelegten Schriftreste. Auch das Bild Christi hat Constantin nie aufgestellt und wohl nie besessen, anders als Alexander Severus.. Der Gott, den er meinte, war der Christengott.
Längst hatte er bekannt gegeben, daß er die Christenlehre als die einzig wahre erachte. Aber er ließ sich nicht taufen; er wurde auch jetzt nicht Christ. Andernfalls wäre er als Gemeindeglied der Christenheit dem Urteil der Bischöfe unterstellt gewesen. Geistliche Aufsicht! ein unerträglicher Gedanke! Er wollte sich freie Ellenbogen wahren. So hat er Constantinopel auch nicht etwa dem Christengott, sondern der Glücksgöttin Tyche geweiht und dieser Tyche dort einen Tempel gebaut, und bei dem Akt der Einsegnung der Stadtmauern sowohl heidnische wie christliche Riten ruhig nebeneinander zur Anwendung gebracht. Er wahrte die Parität; denn er war immer noch der Pontifex maximus im alten Sinne des Wortes, der alle staatlich anerkannten Götterkulte zu schützen hat, und stand als solcher über den Religionen. Wenn er selbst jetzt persönlich dem Christusdienst den Vorzug gab (eine Kirche hat er wohl nie besucht), so war es dasselbe wie bei Kaiser Aurelian, der besonders dem Heliosdienst sein kaiserliches Interesse schenkte; die anderen Gottesdienste waren damit nicht aufgehoben und seiner Fürsorge nicht entzogen. »Geht zu den staatlich anerkannten Altären und Heiligtümern«, so sagte Constantin ausdrücklich zu den Heiden, »und begeht nach eurer Gewohnheit die heiligen Handlungen; ich hindere euch nicht«Cod. Theodos. IX. 16, 2 (vom Jahre 139): adita aras publicas adque delubra et consuetudinis vestrae celebrate sollemnia, nec enim prohibemus.. Er erlaubte ihnen auch, neue Göttertempel zu errichtenCod. Theodos. XV, 1, 3..
Nicht nur der Tyche, auch der alten asiatischen »Göttermutter« baute er ferner in Constantinopel einen Tempel; nur ließ er das Bild der Göttermutter, die nach dem Herkommen ihren Löwen an der Hand führte, abändern, und sie hob die Hände und schaute so segnend auf die Stadt. Im Hippodrom stellte er fröhlich die Reitergötter Castor und Pollux auf und vor allem sich selber als Gott Helios auf der 40 Meter hohen Porphyrsäule, die noch heute an ihrer Stelle steht und zu der das Volk kam, um davor zu opfern und zu betenEs ist die sog. »gebrannte Säule«; vgl. Rheinisches Museum 63, S. 59.. Auf das 195 Geld hat er Zeit seines Lebens fast nur heidnische Göttergestalten prägen lassen; die Götter blieben im Kurse.
Jeder erinnert sich hier auch des Constantinbogens in Rom, auf dessen Reliefs der Kaiser selbst das Opfer verrichtend erscheint. Constantin fand nichts dagegen einzuwendenFreilich waren die Reliefs von anderen Denkmälern geraubt und stellten eigentlich nicht ihn, sondern den Hadrian oder Mark Aurel dar. Aber das Volk sollte diese Bilder doch auf ihn deuten. Übrigens war auch in die Constantins-Thermen in Rom ein Isis-Heiligtum eingebaut sowie in den Diocletians-Thermen ein Heiligtum des Asklepios.. Ließ er sich doch auch von seinen Truppen, wenn sie ihm huldigten, den Zuruf: »Die Götter mögen dich beschützen« gefallen. Er selbst erzählt uns das in einer lebhaften Schilderung, ohne irgendeine Bemerkung daran zu knüpfenCod. Theodos. VII, 20, 2, etwa vom Jahre 320. So lesen wir auch Gebete, die den Charakter der stoischen Philosophie tragen und in seiner Gegenwart gesprochen sind, Panegyr. lat. IX, 25; ähnlich das Gebet, das Constantin im Heer an den Sonntagen beten ließ und dessen Wortlaut vorliegt; es vermeidet das christliche Gepräge und wahrt gleichsam die Neutralität, ist aber streng monotheistisch gehalten, wie das im Geiste der Aufklärung jener Zeit lag..
Den Kunstraub betrieb Constantin auf das schmählichste. Aber er konnte nicht anders. Die neue Stadt sollte es an Schönheit Rom gleichtun. Man konnte sich aber keinen Prunk ohne Statuen denken. Woher sie nehmen? Die statuarische Bildnerkunst war damals so gut wie ausgestorben, und außer mehr oder minder kümmerlichen Porträts gab es kaum noch neue Kunstwerke. Schon in den alten Zeiten der Scipionen hatte Flamininus oder Fulvius Nobilior solchen Kunstraub im großen betrieben; ebenso hatte es Verres in Ciceros Zeit gemacht, um seine Gärten und Atrien damit zu schmücken. Caligula hatte sogar den Zeus von Olympia nach Rom schaffen wollen. Das war also gut heidnischer Brauch. So hat denn auch Constantin aus Delphi den berühmten Dreifuß und das Apollobild entführt; denn die Pythia in Delphi war längst verstummt, und die neue Hauptstadt hatte so eine Sehenswürdigkeit mehr. Ebenso holte er die Musen vom Helikon und allein aus Rom 60 Götterbilder; aus Rom auch die berühmten vergoldeten Pferde des Lysipp, die jetzt die St. Marcuskirche Venedigs schmückenEusebius V. C. III, 54 und Laus Constant. c. 8. Die Pferde des Lysipp kamen nicht zur Ruhe; sie stammten aus Chios, schmückten dann erst Neros, dann Trajans Triumphbogen in Rom; Constantin schleppte sie nach Constantinopel; von da sind sie im Jahr 1205 nach Venedig entführt worden, Napoleon brachte sie als Kunstraub im Jahre 1797 nach Paris. Venedig aber hat sie zurückerhalten: habent sua fata et equi.. Nicht allein Schmuckbilder, auch Kultbilder nahm er wegIn der älteren Zeit beschränkte sich der Kunstraub zumeist auf die nicht konsekrierten Gottesbilder (s. Roßbach im Rhein. Mus. 54, S. 279), doch griff Verres auch in die Sacrarien ein (vgl. Cic. Verrin. IV, 18). Von Nero sei noch angeführt, daß er 500 Erzstatuen aus Delphi wegnahm (Pausan. VII, 1), anders als jener König Philipp von Mazedonien, der im Jahre 218 v. Chr., als er die Stadt Thermos zerstörte, 2000 Statuen dortselbst umstürzen und zerschlagen ließ, aber nicht entführte.; das entsprach durchaus den Überzeugungen des damaligen aufgeklärten Heidentums. Nur Athen wurde geschont. Die Christenheit aber jubelte über solches Vorgehen. Eusebius sagt, der Kaiser habe besonders auf Statuen in kostbarer Goldbronze Jagd gemacht, das Gold abkratzen lassen und die so entstellten Puppen an die Tempel zurückgegeben; die Heiden aber hätten gelacht, wenn sie ihre Götter so ruppig 196 wiedersahen, und seien dann schnell Christen geworden. Das ist Eusebianische Geschichtserzählung.
Wichtiger ist, daß Constantin in den heidnischen Kulten, die er im übrigen weiter bestehen ließ, das Opferwesen einschränkte oder gar abzuschaffen versuchte. Er war in der Tat der große Mann, der durchgreifend auswirkte, was der Zeitgeist längst forderte: Modernisierung des Kultus.
An und für sich war das Opfern eine naive, aber durchaus gutartige Handlung. Auch wir beten ja: »Komm, Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du bescheret hast.« Jesus muß Gast sein, um segnen zu können. Die antiken Schlachtopfer aber waren nichts anderes als Volksspeisungen für die Gemeinde, ein Festgenuß für das sonst so vegetarisch lebende Volk, und der Gott wurde dabei zu Gast gebeten, indem man von den Tieren die wenig eßbaren Teile in Flammen und Rauch aufgehen ließ, und man hoffte dann auf den Segen der Gottheit. Das Spenden von Weihrauch ist von solchem Opfer, vom Standpunkt des Gottes aus betrachtet, nicht wesentlich verschieden. Längst aber hatten die CynikerVgl. Julian Orat. VI, S. 257, 25 ed. Hertlein., längst ernste Männer wie Seneca, Apollonius von Tyana, auch Porphyrius eindringlich gepredigt, den Göttern nicht Bilder zu errichten und auch den Opferdienst aufzugeben; denn für Gott, der ein Geist, seien solche irdischen Erbärmlichkeiten eine Entwürdigung. Dem Eusebius, der damals die Kirchengeschichte schrieb, ist dies auch wohlbekannt, und er bringt uns die Worte jenes Apollonius selbst: »Der große Gott ist namenlos; nichts soll man ihm opfern, kein Feuer für ihn entzünden, ihn mit dem Sinnlichen nicht in Zusammenhang bringen; denn er ist erhaben über jedes Bedürfen.« Daneben steht der Kirchenvater Lactanz, der zeitweilig am Hofe Constantins lebte, und er ruft des alten Seneca Zeugnis an: »Nur ein reines Herz ist für Gott das rechte Opfer; wie könnte er an Schlachtungen und Blut Freude haben?«Eusebius, Praeparatio evangelica IV, 13; Lactanz Instit. divinae VI, 25, 3; vgl. Rhein. Mus. 59, S. 368 u. 392. Wenn Constantin Gott dem Bischof von Rom gegenüber den μέγας ϑεός nennt (Euseb. Hist. eccl. X, 5, 20), so war dies die Ausdrucksweise des Apollonios von Tyana. Die Zeit war gekommen, diese radikalen Forderungen der Philosophen in die Tat umzusetzen; und der 197 Staatsvorteil sprach für dasselbe. Denn die Staatskasse war es, die für alle staatlichen Gottesdienste die kostspieligen Schlachtungen und Volksspeisungen bezahlen mußte, die heidnischen Gottesdienste belasteten den Etat unendlich viel schwerer, als der christliche es voraussichtlich je tun würde, dessen Sakramentshandlungen im Grunde so wenig Aufwendungen erforderten. Der Rechner Constantin rechnete gut.
Aber das war das wenigste. Die Motive, die ihn zur Kirche hinzogen, lagen tiefer. Die Politik wies ihm den Weg. Seine Idee war, mit Hilfe der in sich einigen und zugleich alle Reichsteile umfassenden Kirchenorganisation die Einheit des Weltreichs zu retten und zu sichernVgl. Euseb. Hist. eccl. X. 7, 1.. Daher lebte er sich in die Glaubenslehre ein, die die Bischöfe lehrten.
Von Christi Leiden und Sterben und den tief ethischen Kraftquellen des Evangeliums redet er freilich nie. Er wußte nichts von ihnen. Die Bischöfe hüteten sich sorglich, ihm gar von seinen Sünden und von Sündenvergebung zu sprechen. In Constantinopel stellte Constantin auf einer Riesensäule, deren Schaft nach Art der Trajanssäule in Bildschmuck seine eigenen Taten verherrlichte, hoch oben das Kreuz auf, aber es war das leere KreuzPseudo-Codinus περὶ ἀγαλμάτων S. 178 ed. Preger.: Christus hing nicht daran. Es gab noch keinen Crucifixus. Das leere Kreuz war eben der Talisman und Fetisch, der ihm alle jene Taten ermöglicht und ihn von Sieg zu Sieg geführt hatte. Wir lesen noch viele seiner Äußerungen: woran er glaubt, ist im Grunde nur, daß der neue Gott, der Christus heißt, wunderbar als Mensch geboren wurde und daß er auferstanden ist; von allem anderen wird geschwiegen.
So zeigte er nun aber auch sein Wohlwollen in zahlreichen Erlassen. Er gebietet, den Sonntag, den Tag der Sonne, zu ehrenCod. Theodos. VIII, 8, 1; vgl. II, 8, 1.; das hing noch mit seiner Heliosverehrung, von der er ausging, zusammen. Allen Klerikern wurden die Staatssteuern erlassenCod. Theodos. XVI, 5, 1.; damit wurden sie den heidnischen Priestern gleichgestellt. Aber den Andrang zum Geistlichenberuf schränkte 198 der Kaiser einCod. Theodos. XVI, 2, 1 u. 5, 1.. Streng geht er gegen alle Sektenbildung der Häretiker vorCod. Theodos. XVI, 2, 5.; denn die Sekten schädigen die Einheit der Kirche, auf die er rechnet. So wie ferner kein Christ sich an einem heidnischen Tempel anstellen lassen darf (was offenbar vorkam), so soll mit Knütteln geprügelt werden, wer einen Christen zum heidnischen Ritus nötigtCod. Theodos. XVI, 8, 1.. Der Jude wird verbrannt, der nach einem zum Christen gewordenen Juden mit Steinen wirftCod. Theodos. VIII, 16, 1.. Die Ehelosen, die bisher im Staat stark benachteiligt waren, werden von allen Nachteilen befreit, auch die ehelosen FrauenEbenso aber auch bei vielen Heiden philosophischer Erziehung; so blieb der Redner Libanios unvermählt; ebenso andere Rhetoren; vgl. Syrian ad Hermog. p. 98, 5 ed. Rabe., weil bei den ChristenAuch alle Zauberei und Besprechungen verbietet er, gestattet aber doch den Regenzauber (cod. Theodos. IX, 16, 3), weil letzterer der Ernte doch immerhin nützlich sein könnte. die Ehescheu sich längst mit dem Nimbus der Heiligkeit umgab; denn schon gab es Eremiten wie den heiligen Antonius; schon begann das Klosterwesen sich aufzutunCod. Theodos. XVI, 2, 3; 5; 6..
So trat er denn auch mit kaiserlicher Munifizenz als Bauherr auf und baute Kirchen, die er selbst schwerlich je betrat; aber er tat es vornehmlich nur im nächsten Bereich des Orients, in Palästina, Nikomedien, Antiochien und ConstantinopelÜbrigens sei auch an die Laterankirche in Rom erinnert. Ob auch die Peterskirche in Rom auf ihn zurückgeht, scheint zweifelhaft. Der Bericht über die Schenkungen und Bauten des Kaisers in Rom, den der Liber pontificalis S. 76 f. (ed. Duchesne) gibt, erweist sich in den Einzelheiten schon dadurch als vollkommen unzuverlässig und legendenhaft, daß er von der Taufe Constantins in Rom als einer Tatsache erzählt. Es ist derselbe Liber pontificalis, der S. 72 behauptet, durch Diocletian seien in Rom bei der Christenverfolgung 16 000 Menschen in 30 Tagen umgebracht worden.. Wenn er an Bischöfe Briefe schreibt, redet er sie »lieber Bruder« anZ. B. bei Euseb, V. C. II, 46. Gelegentlich nennt er einen Bischof schon »seine Heiligkeit«, ebenda III, 32., und wenn jener Eusebius, der Bischof in Cäsarea war, ihm über Dogmatik Vortrag hält, setzt er sich nicht, obschon man ihn bittet, Platz zu nehmenAuch andere Kaiser nahmen stehend den Vortrag entgegen; s. Panegyrici latini V, 4.. Dem Bischof von Jerusalem legt er persönlich ans Herz, daß in der Grabeskirche, die er dort bauen läßt, die Flachdecke ein angemessenes Ziergebälk erhalte; ob sie auch zu vergolden sei, überläßt er dem freien Ermessen des würdigen Mannes. Womit ließen sich außerdem noch die Kirchen schmücken? Von Mosaiken und Wandgemälden ist da nie die Rede. An Statuenschmuck war erst recht nicht zu denken. Goldene Weihgeschenke (anathemata) stiftete Constantin wiederholt; damit können nur Kandelaber, Kelche und Räucherbecken gemeint sein; oder er ließ den Altar mit einem Rondell von kostbaren Säulen umschließen und auf die Köpfe der Säulen silberne Mischbecher stellen, ein etwas seltsames Ornament. Sodann fehlte es an Prachtbibeln für die Liturgie in den neuen Constantinopolitaner Kirchen; er bestellt persönlich 50 gute Exemplare bei seinem Euseb; der soll sie 199 herstellen lassen; für den Transport werden zwei Wagen zur Verfügung gestelltHierzu vergleiche Eusebius V. C. III, 32; 38; 40; IV, 33 u. 36..
Aber das Schenken genügt nicht. Er wollte die Kirche nicht nur stärken; auch lenken wollte er sie; denn er war der Herr, und die Einheitlichkeit der Kirche war, wie ich sagte, das, was er brauchte. Das Wort »katholisch« bedeutet diese Einheitlichkeit; er brauchte eine »katholische« KircheBei Euseb. hist. eccl. X, 5, 20 fordert er sie z. B. mit diesem Ausdruck.. In Wirklichkeit aber war sie das keineswegs, ja, von den Kirchenparteien wurden in den Großstädten die Volksmassen nur zu oft aufgewühlt, und es drohten Unruhen, die das Staatswohl gefährdeten. Dem mußte er wehren, und er griff energisch ein. Er berief die Herren Bischöfe zum »Konzil von Nicäa«. Er tat es, ohne selbst Christ zu sein, aber in seiner Eigenschaft als Pontifex maximus und bezeichnete sich selbst darum ausdrücklich den Bischöfen gegenüber als den »Bischof« oder »Aufseher« der christlichen KircheEuseb. V. C. IV, 24..
Konzilien oder Synoden gab es besonders häufig im Ostreich. Kaiser Licinius hatte sie verboten; kaum war Licinius beseitigt, berief Constantin sämtliche Bischöfe des Reichs schon im Jahre 325 nach Nicäa in Kleinasien. Sie waren da seine Gäste; er gab ihnen reiche Beköstigung täglich gratis. Die Reichspost wurde ihnen zur Verfügung gestellt; natürlich reisten sie nicht ohne BedienungVon 2 Diakonen und 3 Sklaven darf sich der Bischof auf der Reise begleiten lassen: Euseb. hist eccl. X, 5, 23., und man denke sich, wie überbürdet der Postbetrieb in jenen Tagen war, wennschon von den 3000 oder 4000 Bischöfen nur etwa 300 sich einfanden. Der Bischof von Rom ließ sich wegen Altersschwäche entschuldigen; aber die römischen Bischöfe hielten sich grundsätzlich von den Synoden der Orientalen fern.
Es war nicht ohne Skandal abgegangen; die geistlichen Herren hatten sich vorher, um einer dem andern zu schaden, bei Constantin angeschwärzt und verleumdetSokrates I, 8.. Constantin ignorierte das. Jetzt waren sie da und alle voll Neugier und Erwartung, den Kaiser selbst zu sehen. Sie saßen im stattlichen Ornat in dem größten Saal des Kaiserhauses in zwei Gruppen auf Bänken verteilt. Großes Schweigen! Da zog das 200 Hofpersonal ein, nur Zivil, keine Bewaffneten. Alles erhebt sich; denn schon erscheint auch der große Herr selbst, lichtstrahlend wie Helios oder doch wie ein Engel des HerrnDas »wie Helios« habe ich hinzugesetzt; aber Eusebius hat Constantin anderen Ortes wirklich mit Helios, der Sonne, verglichen; oben (S. 177) Anm. "Damals erst; dem Eusebios..."., so sagt Eusebius, der zugegen war: das Auge voll Huld und Gnade, in einem Talar, das blitzte und funkelte. Der Purpur selbst schien Flammen zu werfen, ebenso der Goldschmuck und der flimmernde Glanz der köstlichen Edelsteine. An Wuchs übertraf er alle, an nerviger Kraft und Schönheit. So stellt er sich in die Mitte zwischen den Gruppen, läßt das Gefolge hinter sich treten; ein vergoldeter Sessel steht für ihn bereit; aber er setzt sich nicht eher, als bis er alle Anwesenden mit Kopfnicken begrüßt hat. Der Vorsitzende des rechten FlügelsOhne Frage der spanische Bischof Hosius, der am Hof lebte und dem Kaiser persönlich am nächsten stand. erhebt sich und spricht den Dank der Versammlung aus. Wieder erwartungsvolles Schweigen. Dann redet der Herr sitzend die Versammlung an, aber lateinisch; ein Dolmetscher muß die Worte ins Griechische übersetzen; die Versammlung erhält den Text der Ansprache auch noch schriftlich ausgehändigt. Gleich darauf begann die lebhafte Debatte, in die der Kaiser auch selbst mit eingreift, und da spricht er griechisch.
»Laßt endlich den Zank und Hader ruhen,« das war's, was der Gewaltige tausendmal forderte und dazwischenriefDieselben Mahnungen gegen das Schisma z. B. auch Euseb. hist. eccl. X, 5, 22., und die Bischöfe gehorchten. Es handelte sich zunächst nur um die Festlegung des Osterfestes; das Fest sollte nicht mit dem Passahfest der Juden zusammenfallen, sondern auf einen Sonntag, den Tag des Helios. Die Majorität hat es damals für immer so gelegt, wie es heute liegt.
Dies erinnert uns auch an das Weihnachtsfest, für das gleichfalls erst damals und unter der Regierung Constantins der 25. Dezember ausersehen worden ist; der 25. Dezember war wiederum der Geburtstag des HeliosVgl. H. Usener, Das Weihnachtsfest, Bonn 1889, und Ad. Bauer, Vom Griechentum zum Christentum, S. 135..
Mitten in die Beratungen hinein aber fiel ein anderer Festtag, das Regierungsjubiläum Constantins. Da lud er die eifrigen Kleriker sämtlich zu einer fürstlichen Schmauserei, wobei auch die Weine flossen. Kein Bischof lehnte ab. Die Einigkeit war hier die größte. Draußen vor dem Palasttor stand des 201 Kaisers grimmige Schloßwache mit bloßem Degen aufpostiert; die frommen Gäste schritten furchtlos durch ihre Reihen, und einige Bischöfe lagen nun mit dem Kaiser zusammen auf demselben Speiselager; alle übrigen wurden an den Seiten auf besondere Rundsophas verteilt. »Christi Reich schien da verwirklicht,« ruft Eusebius selig dabei aus: eine Freude, in der sich zugleich höchstes Wohlbehagen ausspricht. Wie sollte es anders sein? Man fühlte sich unendlich geschmeichelt.
Auch Athanasius, ja vielleicht auch Arius war bei diesem Zechgelage zugegen, und damit sind die beiden Kämpfer genannt, die dem Kaiser besonders lästig waren und deren unheilvoller Dogmenstreit damals die ganze Welt erfüllte. Sie haben sich wenigstens an diesem Abend beim Becher Wein vertragen müssen.
Das tiefgreifendste Schisma, das die Kirche je auseinanderriß, hat Constantin mit erleben müssen. Hier Arianer, dort Athanasianer! Es betraf die Natur Christi. Was lag ihm selbst daran, ob man so oder so entschied? Er wollte den Streit kurzerhand aus der Welt schaffen. Daher das Konzil. Aber es gelang ihm nicht. Der Streit sollte drei Jahrhunderte dauern und ganzen Völkern den Untergang bringen.
Es ging um das Wort »homoûsios«. Constantin erzwang zwar in Nicäa eine Einigung im Sinne des Athanasius (die vier, die dagegen stimmten, ließ er absetzen und verbannen), und so ist damals unter seinem Druck das Nicäische Glaubensbekenntnis, das »Symbolum«, die Grundlage der Orthodoxie bis heute, zustande gekommen. Aber er merkte bald, daß allzu viele Bischöfe und Laien sich durch das Credo nicht gebunden fühlten, und seine Politik ging dahin, nun doch auch auf die Arianer zu hören.
Die Stadt Alexandrien war der Sitz, der Quellpunkt aller dogmatischen Spekulation. Arius, der dort als Gemeindeältester oder Presbyter lebte, stellte die Lehre auf, die dem Laienverstand die einleuchtendste war: Christus war Gottes Sohn, er war aber nur als Mensch, nicht als Gott in die Erdenwelt 202 getreten und als Mensch somit nur gottähnlich; nur Gott selbst ist unerzeugt; Christus ist nicht mehr als Gottes vornehmste Schöpfung. Daraufhin wird Arius durch Gemeindebeschluß aus Ägypten verbannt und ausgestoßen; aber viele, vor allem die Bischöfe von Nikomedien und Nicäa erklärten sich für ihn. Schon des Kaisers Licinius Gattin Constantia lieh dieser Lehre ihr Ohr; sie stand im nahen Verkehr mit dem arianisch gesinnten Bischof von Nikomedien, und Arius verstand es, sein Dogma auch unters Volk zu bringen; er faßte es in Versen ab, die als Marschlied der Soldaten oder als Müllerlied in den Mühlen glatt abgesungen werden konntenPhilostorgios II, 2.. Da war es Athanasius gewesen, der in Wort und Schrift gegen Arius auftrat. Er ist der Mann, der nicht weicht und nicht wankt, der geborene Hierarch. Schon als kleiner Bube spielte er Gottesdienst mit seinen Kameraden und machte da feierlich den Priester nachSokrates I, 15; Sozomeros II, 17.. Jetzt bewährte er sich als die Säule der Kirche und Vater der Rechtgläubigkeit. Nach ihm war Christus Gott und ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Einen Gott, der sich bloß deus nennt, den lehrten ja auch die Juden, auch die Philosophie der Griechen und Römer. Das Christentum ist mehr als sie, weil es den Gott Christus hat. Also darf Christus nicht nur gottähnlich sein. Des Arius Lehre schmeckte zu sehr nach Heidentum; denn auch Herkules war ja Gottessohn, und auch er war als Mensch in die Welt getreten und als solcher gottgleich geworden. Dasselbe galt auch vom Aesculapius. Athanasius streckte darum das Johannes-Evangelium hoch. Siehe da stand es: »Im Anfang war der Logos oder der denkende GeistSo übersetze ich Logos, nicht »im Anfang war das Wort«. Auf alle Fälle muß hier ein Maskulin stehen; denn es ist der Erzeuger gemeint, der männlich gedacht ist. So ist Logos ja selbst ein Maskulin, und dies Wort, das bekanntlich in vielen Bedeutungen schillert, ist je nach dem Zusammenhang zu übersetzen., und derselbige ward Fleisch und wohnete unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit.« Also war Christus von Anfang; er war mit Gott dasselbe. Man nannte das griechisch homoûsios. Gott spaltete sich, um auf Erden zu wandeln, wunderbarlich in zwei Personen. Nur der Schleier des Menschentums hing über dem Gott in Christo. Das klang wundervoll mystisch und für die Vielen rätselhaft wie ein Zauberspiel, aber um so erhabener klang es, und dem Glauben wachsen 203 erst Schwingen, wenn alles Begreifen unter ihm versinkt und der Verstand geblendet vor dem Überirdischen die Augen schließt.
Athanasius hatte zunächst gesiegt; er wird sogar Bischof von Alexandrien (i. J. 328). Constantin fordert von ihm, daß er nun auch den Arius dort wieder zulasse. Athanasius aber verweigert das schroff, und die Opposition gegen die Majestät beginnt. Da lernte Constantin, daß Geistliche nicht wie andere Menschenkinder sind, daß sie mit Handschuhen angefaßt sein wollen. Nachgeben und wieder nachgeben!
Schon wird Athanasius von seinen Gegnern beim Kaiser verklagt. Der Kaiser befiehlt die Sache zu untersuchen auf einem Konzil zu Tyrus (i. J. 335). Das Konzil aber besteht vornehmlich aus Arianern, und Athanasius wird dort von ihnen aus der Kirche ausgestoßen. Dem Kaiser geht das zu weit; er ist immer neutral gesinnt und zitiert die Bischöfe aus Tyrus zu sich. Erneute Opposition. Sie kommen nicht; nur ein paar Stellvertreter schicken sie nach Constantinopel. Wieder sieht sich Constantin gezwungen nachzugeben und verbannt den Athanasius jetzt wirklich nach TrierDarin lag keine Härte; in Trier lebte es sich gut. Warum aber Trier? Athanasius verstand kein Latein, und in Trier verstand man kein Griechisch. Der Verbannte konnte da nicht Propaganda machen.. Er ist sogar gewillt, den Arius, der in Constantinopel zugegen ist, nunmehr zum Bischof Alexandriens zu erheben. Da stirbt Arius (i. J. 336), ein höchst auffallendes Ereignis. Auf der Gasse befiel den Mann ein plötzliches Unwohlsein; er begab sich in eine öffentliche Latrine; da ereilte der Tod ihn. War das Zufall? oder hatte er gar Gift bekommen?
Die Sache war für den Kaiser vorläufig erledigt und auch ziemlich gleichgültig. Es war noch die Zeit des ersten Werbens des Kaisertums um die Kirche, gleichsam die Zeit des gemeinsamen Brautstandes. Constantin konnte aber damals schon merken, daß die Ehe Schwierigkeiten haben würde.
Um mehr als 30 Jahre hat Athanasius den Kaiser überlebt. Auch hernach ist er in Streit und Widerstreit von Land zu Land hin- und hergeworfen worden. Er wurde noch ein zweites Mal von den Arianern und zwar mit Waffengewalt aus 204 Alexandria vertrieben und floh dann zu Papst Julius nach Rom. In Rom gab es im Jahre 341 ein Konzil, wo dieser Papst sich voll für ihn einsetzte. Ein Märtyrertum blieb ihm erspart; er wäre für seinen Lehrsatz auch in den Tod gegangen.
Constantin selbst liebte es, wenn er Zeit hatte, unter seinem Hofpersonal sich hinzustellen und über Monotheismus und andere dogmatische Dinge zu dozieren. Natürlich sprach dann immer nur er; niemand wird gewagt haben, ein Wort dazwischen zu werfenDie erhaltene Rede Constantins dogmatischen Inhalts ist echt; sie liegt in griechischer Sprache vor, war aber ursprünglich lateinisch; vgl. Pfäffisch in den Straßburger theol. Studien IX, 4 (1908); derselbe: »Die vierte Ekloge Vergils' in der Rede Konstantins«, München, 1913; Kurfeß in der Mnemosyne 40 (1912) S. 277 f. Doch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Kaiser sich die lateinische Rede von einem seiner Hoftheologen ausarbeiten ließ; denn die in ihr enthaltenen literarischen Zitate konnte er sich schwerlich selbst beschaffen.. Aber all die theologischen Überzeugungen änderten ihn selber nicht. Er blieb, der er war; ja, seine Natur verwandelte sich merklich ins Unliebenswürdige. Die Begeisterung, die sein heldenhaft großes Wesen anfangs gewiß bei vielen erweckte, schwand sichtlich; denn er war, wie wir hören, im Gespräch nicht leutselig, sondern zu höhnischen, spöttischen Äußerungen aufgelegtirrisor potius quam blandus: Epitome 41, 16.. Einen Literaten, der da die Meinung vortrug, es stehe einem Herrscher nicht an zu spotten, ließ er tötenEs handelt sich um Sopater, den Schüler des Jamblich, der erst Günstling Constantins war, dann aber von ihm hingerichtet wurde (etwa im Jahre 337); in dem Fürstenspiegel, den er schrieb, stand die erwähnte Bemerkung, daß ein Herrscher nicht spotten und nicht schmähen soll (vgl. F. Wilhelm, Rhein. Mus. 72, S. 393 ff.). So wie Constantin dies übel aufnahm, so kann dagegen hernach Kaiser Julian durch Sopaters Schrift günstig beeinflußt worden sein.. Der herrische Geist in ihm war gewachsen mit den Erfolgen; sein Charakter vergletscherte wie die Berge, die zu hoch ragenAnders urteilt natürlich Eusebius: er gesteht V. C. IV, 31 zu, daß unter Constantins Regierung viel Unrechtes und Arges geschah; aber dies wird auf die Milde seines Wesens zurückgeführt; er sei zu milde gegen die Beamten, die das vollführten, gewesen..
Wir dürfen sagen: mögen Dogmen noch so wahr, noch so heilig sein, sie verwandeln leider nicht schlecht in gut; sie stürzen das Herz nicht um, sie greifen nicht an die Wurzeln des Wesens derer, die an sie glauben. Das Kirchentum hat damals weder die Moral der Fürsten noch die der Völker gebessert. Der Fortgang unserer Erzählung selbst wird uns darüber belehren. Ja, mit den christlichen Völkern steht es auch heute nicht besser, nach so vielen Jahrhunderten biblischer Lehre. Wir haben es in diesen Jahren des Weltkrieges und seiner Folgen mit Schrecken und Verzagen gesehen.
Alle jene Konzilien und was sie mit sich brachten, schienen auf alle Fälle den Christen wichtiger als dem Constantin. Er selbst hatte sonst genug zu sorgen: Justiz, Verwaltung, Personenfragen und kein Ende. Es fehlte z. B. an Architekten. Im Jahre 334 verordnet er, daß man junge Leute in Massen zum Architektenberuf anlocken soll; festes Gehalt wird ihnen 205 verheißenCod. Theodos. XIII, 4, 1.. Schließlich suchte er die Hilfe seiner Söhne und Neffen, um sich zu entlasten (i. J. 335). Er kehrte damit zum Prinzip Diocletians zurückWenn Constantin schon in früheren Jahren seine unmündigen Söhne gelegentlich zu Cäsaren machte, so war das nur eine Art Mummenschanz, und es geschah nicht im Dienst und zum Nutzen des Reichs, sondern nur um die Söhne zu heben und den Fortbestand der Dynastie durch Zuerkennung der Cäsarenwürde vorzubereiten. Jetzt waren die Söhne erwachsen, und die Reichsteilung die so, wie er sie jetzt herstellte, auch nach seinem Tod bestehen blieb, ist ernst zu nehmen., indem er das Reich aufs neue zerlegte. Er allein behielt sich den Titel Augustus vor und spannte seine drei nun erwachsenen Söhne als Cäsaren wie die Rosse vor seinen SiegeswagenDies Gleichnis braucht Eusebius in der Laus Constantini c. 3, 4; doch stimmt die Angabe nicht genau, wenn er sagt, der altgewordene Kaiser sei mit seinen drei Söhnen eine ζεύγλη βασιλικοῖ τεϑρίππου und habe noch einen Vorspann von vier Cäsaren οἷά τινας πώλους., ebenso als vierten Cäsar seinen Neffen Dalmatius; Constantin der jüngere vertrat nun also den müde gewordenen Kaiser in Trier; Constans in Italien und Afrika; Dalmatius in den Donaulanden, Constantius endlich im Orient. Ja, da war noch ein anderer Neffe Hannibalianus; der wurde als Vizekönig in das Land Pontus gesetzt.
Im selben Jahr feierte Constantin noch das Jubelfest seiner 30jährigen Regierung, indes schon in Persien König Sapor mächtig rüstete. Es drohte ein schwerer Kriegssturm vom Tigris her. Da erkrankte der Kaiser um Ostern des Jahres 337 in der Stadt Nikomedien und starb dortselbst gleich in den Pfingsttagen, am 22. Mai. Er starb 63 Jahre alt. Kurz vorher hatte er die Taufe genommen – am liebsten hätte er die Handlung nach Christi Vorbild im Jordan vollziehen lassenEuseb. V. C. IV, 62; dies beruht wohl darauf, daß er gern Christo gleichen, als der zweite Erlöser und Heiland der Menschheit gelten wollte; so erscheint Constantin als der σωτήρ bei Eusebius oben (S. 187) Anm. "Constantin selbst wird σωτήρ...". – und hatte sein Testament in die Hände eines arianischen Priesters gelegtSokrates I, 39; Sozomenos II, 34.. Er war also arianisch getauft worden. Warum so spät? Auch viele andere verschoben damals den Akt nach Möglichkeit; als Laie wäre er eben wie jeder Getaufte der Priesterfürsorge unterstellt gewesen; das wollte er nicht. Im Tode konnte ihn kein Priester mehr zu bevormunden suchen; ja, kein Priester konnte ihn mehr nach seinen Sünden fragen. Ihm selbst haben die Sünden keine Sorgen gemacht. Er gedachte so, wie er war, in den Himmel, an den er glaubte, einzugehen. Einsam ist er gestorben. Keiner seiner Söhne war am Sterbebett. Erst zur Beisetzung, die in der Apostelkirche der Hauptstadt geschah, eilte sein Sohn Constantius herbei; aber umsonst; er durfte ihr nicht beiwohnen; die Religion verwehrte es; denn kein Ungetaufter durfte den Fuß in christliche Kirchen setzen, und der Sohn Constantius war noch ungetauft. Der große 206 Gestorbene aber wurde trotz allem und allem selbst zum Gott erhoben, nach altheidnischem Brauch; als Gott hat ihn noch zwanzig Jahre später das Heer verehrt, und seine Söhne prägten Münzen, die uns den Gott gewordenen Constantin zeigen, der auf einem Viergespann gen Himmel fährtVgl. Julian Panegyr. Constant. I, 7 (vom Jahre 355); ja, der Sohn Constantius selbst verehrte den Vater als ἀγαϑὸν ἥρωα, ebenda; vgl. noch Duruy VII, S. 163..
Auch sein frommer Biograph Eusebius versichert uns, daß er unmittelbar zu Gott eingingEuseb. V. C. IV, 64., und an ein Fegefeuer wird nicht gedacht. Für diesen Verehrer war Constantin der lautere Gottesheld, der im Harnisch der Frömmigkeit fichtEuseb. V. C. II, 16., der betet und fastet und gar Theophanien, Visionen hatEuseb. V. C. II, 14; IV, 22; I, 47.. In der Tat hat Constantin sich selbst in betender Stellung in seinem Palast an die Wand malen lassenEuseb. V. C. IV, 15., hat auch eine Serie von Goldmünzen prägen lassen, die uns seinen bediademten Kopf zeigen, der die Augen wie andächtig zum Himmel aufschlägtVgl. Baumeister, Denkmäler, S. 400, Nr. 439.. Es ist kein angenehmes Bild. Wir wissen, was wir davon zu halten haben.
Was war die Summe seines Lebens? Er hatte sein Heldentum verbraucht, in Kriegen unsägliches Bürgerblut vergossen, mit Missetat seinen Namen befleckt, um die Herrschaft eines Einzigen wiederherzustellen, die Welt unter seinen Willen zu zwingen; er hinterließ das Reich so geteilt, wie er es vorgefunden, er hinterließ es obendarein in den untauglichsten Händen, in den Händen seiner drei üblen Söhne, die, kaum hatte er die Augen geschlossen, gehässig und tückisch übereinander herfielen. Das Leben des Septimius Severus wiederholt sich tatsächlich in dem seinen. Er hatte ferner den Sieg der christlichen Kirche im Reich angebahnt; glaubte er damit den Zusammenhalt des Reichs zu sichern? Die Germanen sollten diesen Glauben nur zu bald widerlegen. Sein Lobredner Eusebius beteuert, die Monarchie Christi bringe in die Welt den ewigen Frieden, und alle Kriege würden nun aufhörenEusebius, Laus Const. c. 16.. Es war ein Wahn. Alle Geschlechter der Menschheit bis heute haben geblutet unter dem Christentum.
So war das Leben und Wirken Constantins, politisch betrachtet, ein Fehlschlag. Kulturgeschichtlich ist es von unendlicher 207 Bedeutung gewesen. Denn dasselbe Christentum, das die Völker der Erde weder zum Frieden noch zur Zügelung der wilden Masseninstinkte, d. h. zur reineren Gesittung hat erziehen können, hat trotzdem unendlichen Segen gebracht. Seine überweltliche Mission war und ist, dem Einzelmenschen, der mit seinem Gott allein ist, Trost und Stärke zu bringen in äußerer Not und Drangsal und im Erbangen der schuldbewußten Seele, und die Gemeinde der so Getrösteten wächst von Jahrtausend zu Jahrtausend. Das Christentum ist keine politische Größe, oder es hört auf, Christentum im Sinne Christi zu sein. 208