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Zur Einführung

Bühne, Ball und Bänkel – eine Reihenfolge von Unterhaltungen, die stracks in den Himmel der seligen B's führt, wo ich mich schon der Alliteration wegen äußerst wohl fühle und dem Elend der Erde für die Spanne eines Traumes – ich liege auf einem Beludschistan und nutsche Bonbons – entrückt bin. Ich denke über die Einleitung nach, die ich dazu schreiben soll. Aber die Gedanken kreisen in einer wilden Bahn, die von keinem Punkt auszugehn und zu keinem Punkt zu leiten scheint. Bunte Bilder baumeln vor meinen Augen. Indem ich mich anstrenge, den Unterschied der großen und der kleinen Bühne, des dargestellten und des selbst getanzten Tanzes festzuhalten, verwirren sich diese Begriffe zu einer schimmernden Vision, bei der ich nicht mehr weiß, ob die Kunst oder das Amüsement oder der Duft eines Soupers den Ausschlag gibt. Ich weiß nicht einmal, ob ich die Folge dieser Erscheinungen so festhalten kann, wie sie mir kommen. Ich habe die Reproduktionen wie ein Kartenspiel in den Fingern und ziehe die Trümpfe, wenn sie mir gefallen. Wenn ihr mir ein bißchen zuhört, werdet ihr Bühne, Ball und Bänkel im Gehirn eines Dichters wiedererkennen, der von der Sehnsucht nach den Dingen lebt, die er dienstfertig zu beschreiben hat. Einige Bücher liest man, andere blättert man durch. Ich empfehle, zu blättern, ich blättere auch.

Théâtre Gymnase, Menzels Meisterstück, beschäftigte mich einst in der Kunststunde, weil es der erste Funke des neuen impressionistischen Lichtes war, von einem Deutschen in Paris, von einem Alleskönner in der Luft der malerischen Erlebnisse. Heut geht alte, süße Luft von dieser farbenprickelnden Bühne, vom Halbdunkel dieses Orchesters und Parketts aus und erfrischt uns mit Lavendelgeruch, der einen Schuß Gesundheit in das bizarre und gefährliche Leben der Bühne bringt. Faures halbbekleidete Tänzerinnen bleiben im Rotgelb hinter der Bühne, von ihrem Galan besucht, der die Kunst und gerade diese Kunst nicht anders wertet, als von ihren persönlichen, von ihren körperlichen Vorteilen. Sinnliche Atmosphäre streicht durch die Gesellschaft. Belm Diner, vor dem Ball sitzen sie in konventioneller Haltung, in Uniform der Mahlzeit; Gedanken und Träume und Wünsche werden nur gestreift; sie sind die heimlichen Genossen der offiziellen Gespräche; eine Frau löst sich im Vordergrunde – will sie uns etwas sagen? Faure enthüllt alles. Er sieht auch hinter diese Kulissen. Er bringt uns ihr Bild im Tanze, in dunkler Orgie abgetönter Farben, in der Leidenschaft der spanischen Kastagnette und Mantilla. Es war nach dem Empfang im Theaterfoyer, der mit seiner sanften Eleganz sich tief in die Nacht hineinschlängelte. Einer erzählte von der Colombine, als die sich Eva Kirchner verkleidet hatte, um in Empiretönen einem griechischen Diener eine Strafpredigt zu halten, den ihr Pierrot ganz überflüssigerweise hinter den Vorhang geschickt hatte. Man lachte und wußte nicht, warum. Im Foyer der Oper, im festlich bewegten Trubel, wird es weiter erzählt. Wie hübsch ist das Bild dieser bunten Menge und wie schwirren die Anekdoten. Es ist Zwischenakt in Carmen. Das Kostüm war von Erler. Eine Guitarrera, der das Temperament aus den Gliedern leuchtet. Aktpausen und Ballpausen sind die Intermezzi der gesellschaftlichen Unterhaltungen, in ihren Gattungen verschieden, wie diese, feierlich und intim, malerisch und stilisiert, auf die Menge oder auf die Einzelnen arrangiert, als Interieur oder als Ensemble, härter oder weicher in der Sprache der Gruppen, der Bewegungen, der Farben, der Konturen, je nach der Laune der Kunst, die sie vereinigt. Pierrot ist ja immer auf dem Gastmahl im Frack oder im Narrenkleid, und immer fließt sein Mund über von einer Wirklichkeit der Erlebnisse, die nur versteht, wer seine Pierrette kennt. Sie nimmt die Maske einen Augenblick ab und sprüht uns Liebe entgegen, schwarze Augen, wuscheliges Haar, blendende Zähne – auf dem Maskenball macht sie den Takt, im Zirkus das Lachen, beim Tee die Dienerin, und ist in allen Verwandlungen der Berufe und der Erholungen die Tänzerin der leichten Phantasie und himmlischen Geberde, Glück in der Nähe. Sucht sie auf den Bildern von Goossens. Aus delikater Farbe schäumt sie empor, Sektperle mit einem Keks von Bahlsen.

Die Straußwoche hat begonnen. Alle Sträuße, Blumen, Walzer, Rosenkavaliere. Delia Reinhardt aus München reicht die silberne Rose. Im Kabarett persifliert ein rotes Kleid die Liebschaft der Maria Theresia. Eine Venezianerin in Karnevalskostüm sitzt in der Loge. Looschens schwarzer Ritter in einem Parfüm von Farben nähert sich der Rosalinde und ihrem Ochs von Lerchenau. Habermann kleidet eine Salome zum Tanz, Weißgerber eine Herodia zum Ball, der König der Schlagsahne sitzt in einem Operettenstuhl, und gepuderte Hofdamen schleichen lächelnd durch die Redouten aller Zeitalter, die sich in den verschiedensten Moden herzlich gleichen. Der erste Akt im Interieur, der zweite im Saal, der dritte im geschlossenen Zirkel, es ist dasselbe in der Fledermaus wie im Rosenkavalier. Schon schwimmen mir Looschen, Keller, Schlichting, Hoecker, Exter ineinander, schon unterscheide ich nicht mehr Bühne, Ball, Bänkel, und Pierrette wird mir Pralinee. Die Welt dreht sich mir zwischen der opera seria und buffa in einem unheimlichen Wirbel fliegender Rosen und Kamelien, und ich strecke jauchzend das Sterlsche Blatt empor, auf dem die Ariadne von Naxos endlich im Rausch mit Bakchos ihre Seligkeit wiederfindet, zwischen all den Schokoladen, mit denen Zerbinetta sie kolorierte, den Sprüngen der Harlekins und den Banalitäten der Jourdains.


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