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Dritter Act.

Großartige Hochgebirgs-Gletscherlandschaft in den Tauern. Im Vordergrunde ragt ein mächtiger, aus gewaltigen Felsblöcken aufgethürmter Gipfel auf, zu welchem von rechts her ein gezackter, mäßig steiler Grat emporführt. Rechts vorne schließt eine dunkle, hohe Felswand das Bild ab. Der Gipfel in der Mitte scheint nach links und nach rückwärts in eine dem Zuschauer unsichtbare Tiefe abzustürzen. Jenseits dieser Tiefe im Hintergrunde eine Kette von hohen Schneegebirgen, die rechts in der Glocknerspitze culminiert, welche dem Beschauer näher liegt, als die niedrigere, nach links in duftige Ferne sich verlierende Kette. Links ist das Bild von einer hohen bläulichen Eiswand begrenzt. Vorne links Felsblöcke und phantastisch geformte Firngebilde.

Erste Scene.

Rudolf, die Erscheinung Ottokars.

(Auf dem Grat, langsam schreitend, kommt zuerst Ottokar, dann Rudolf hinter der Felswand rechts hervor.)

Rudolf (bleibt stehen).

Wo sind wir?

Ottokar.

Auf dem höchsten Grat der Alpen.
Dort jene bleiche Nadel, über welcher
Der Vollmond leuchtet, ist die Glocknerspitze.

Rudolf.

Was thun wir hier?

Ottokar.

Das Reich will ich Dir zeigen,
Das Deinem Haus bestimmt; und auf die Höhe
Will ich Dich führen, wo ein sterblich Auge
Die Zukunft sieht.

(Sie schreiten weiter.)

Rudolf.

– Mir ist, wie auf der Gamsbirsch …

Ottokar (bleibt, auf dem Gipfel angelangt, stehen).

Steh' fest und sieh Dich um.

Rudolf (bleibt stehen, horcht in die Tiefe).

Was war das …? Horch!

Ottokar.

Ein Gemsenrudel, das wir flüchtig machten.
Sind geistersichtig. Übers Schneefeld wechseln
Sie thalwärts. – Dort nach Süden schau! – Was siehst Du?

Rudolf (spähend).

Endlos Gebirge. Rücken über Rücken
Im blauen Mondduft.

Ottokar.

Doch ganz fern, ganz unten …

Rudolf.

Ein glitzernd Etwas, eine lichte Fläche …
Ist das die Zukunft?

Ottokar.

Nein, das ist das Meer,
Die Adria.

Rudolf (ergriffen).

Das Meer! Zum erstenmal
Erblickt mein Auge, was die Sehnsucht träumte …

Ottokar (während Rudolf in Schauen versunken steht).

Besäet mit Inseln, wo der Lorbeer grünt,
Mit gelben Fischersegeln überstreut,
Dehnt seine Bläue sich dem Süd entgegen,
Der Grüße herweht aus dem Land der Griechen …
Nun wende Dich nach Norden, wo der Himmel
Sternlos und finster. –

Rudolf (nach Norden spähend).

Kämme, Zacken, seh' ich,
Darüber dunkelt eine weite Eb'ne,
Von einem lichten Silberstreif durchzogen.

Ottokar.

Das ist die Donau!

Rudolf.

Weiter seh' ich nicht.

Ottokar.

Schau mit dem Geist, um mehr zu seh'n.

Rudolf.

Ein dunkles
Gebirg' …

Ottokar.

Der Böhmerwald! Dahinter liegt
Mein Königreich, mein Böhmen, ganz erfüllt,
Gleichwie mit Mark, mit Gottes reichstem Segen,
Umzäunt von Bergen, die ihn schirmend hüten;
Der Nordwind, der in ihren Forsten saust,
Trank sich im Nordmeer seine salz'ge Frische! –
– Nun schau nach Westen!

Rudolf.

Nichts als Schneegebirg'!

Ottokar.

Das ist Tirol, das Vaterland der Treue,
Die kampfbereit in tiefen Thälern wohnt.
Die fernsten, höchsten Firnen, die Du ahnst,
Schau'n nachbarlich ins Schwyzerland hinüber.

Rudolf.

O Schwyzerland! O Heimat! Wie Geläut'
Von Herdenglocken lockt es mich zu Dir!

Ottokar.

Wer, so wie Habsburg, in die Zukunft strebt,
Muss gegen Aufgang schau'n! Gen Osten blicke!
Gen Orient, von wo sich Völkerhorden
Verheerend übers Abendland ergießen!
Willst ja ein Bollwerk bau'n gen dieses Chaos!
So sieh Dir's an. Ich öffne Dir den Sinn,
Der weiter als das Auge dringt, den sonst
Der Tod nur aufthut! Schau das große Reich
Der Stephanskrone, wo das Ungarvolk,
Des Schweifens kaum entwöhnt, auf weiter Pußta
Die Erde pflügt und seine Rosse tummelt!
Hast Du Dich satt geseh'n? So höre denn!
– Sieh, diese Länder all und diese Völker,
Die der Gedanke kaum umspannen kann,
An Sprache, Art und Sitte so verschieden,
Wie jene Völker, welche Gott verwirrte,
Dass sie den Thurm von Babel nicht erbauten,
Die willst umspannen Du in Wirklichkeit
Zu einem Reiche und zu einem Staat!
– Erschrickst Du nicht vor Deines Wollens Kühnheit?

Rudolf (mit Majestät, die höchste Erhebung des Gipfels betretend).

Du herrlich Land! Gewalt'ges Österreich!
Ihr Berge all und Meere, Länder, Völker,
Die der Gedanke kaum umspannen kann,
Hier unter diesem Sternenhimmel, der
Wie Gottes Antlitz auf Euch niederschaut,
Nehm' ich Besitz von Euch für alle Zeiten
In Gottes heil'gem Namen für mein Haus!
Seid Ihr verschieden auch an Art und Sitte,
Wie jene Völker, welche Gott verwirrte,
Dass sie den Thurm von Babel nicht erbauten,
Im Kaiserreiche, wo die Habsburgs thronen,
Sollt Ihr in einem Vaterhause wohnen!
Hier soll die Kraft von Deutschen, Ungarn, Böhmen
Zu einer hohen Flut zusammenströmen!
So lang' die Sterne fest am Himmel steh'n,
Wird Habsburgs Kaiserhaus nicht' untergeh'n!

(Während Rudolf spricht, verschwindet Ottokar; statt dessen erscheint Lucifer, schwarzgeflügelt, eine roth glühende Krone auf dem Haupt. Rudolf bemerkt die Verwandlung nicht.)

Zweite Scene.

Rudolf, Lucifer.

Lucifer.

So lang' die Sterne steh'n? Da fiel ein Stern,
Der glänzendste von allen! Fiel, wie ich,
Da Gottes Blitz mich in den Abgrund warf!

Rudolf.

Du bist nicht Ottokar! Wer bist Du denn?

Lucifer.

Ich bin der Fürst der Welt! Bin Lucifer!
Ich bin der Zwietracht König! Mir gehören
Die Reiche und die Völker, die Du raubst,
Und wenn Du nicht beschwörst, sie mir zu lassen,
So stürz' ich Dich in diesen Schlund!

Rudolf.

Versuch's!
Mit mir ist Gott! Ich fürcht' Dich nicht!

Lucifer knirscht in ohnmächtiger Wuth.

Rudolf.

Du siehst!
Nur uns're Furcht ist Deine Stärke. – Doch
Ich lasse mich nicht foppen, böser Geist.
Auf diese Höhe habt Ihr mich gelockt,
Die Zukunft meiner Enkel mir zu zeigen.
Ich will sie schau'n!

Lucifer.

Was hilft's? Du thust ja doch,
Was Dir beliebt!

Rudolf.

So steht's? Ich merk', Du hast
Mir nichts zu zeigen, was mich schrecken könnte!
Doch ich bestehe drauf.

Lucifer (verdrossen).

Was willst Du schau'n?

Rudolf.

Zeig' mir den größten Fürsten meines Hauses,
Der jemals herrschen wird in Österreich.

Lucifer.

Auf jene Eiswand blicke, die sich einwärts
Wie eine Höhle wölbt, krystallen blau;
Dort wirst Du seh'n, was Du zu schau'n begehrst.

(Mit beschwörender Geberde.)

Im Krystall des Eises klar
Schaue Du, was noch nicht war!

(Die folgende Erscheinung von leiser Musik begleitet.)

Rudolf (fest hinblickend).

Zum Thronsaal tieft sich ein das ew'ge Blau,
Drin viele Völker huldigend sich einen,
Und auf dem Throne seh' ich eine Frau,
Gekrönt, ein holdes Kind im Arm, erscheinen.
Rings um die Hohe reihen sich im Kreise
Bewährte Räthe, tapfre Krieger, Weise,
Auf ihrem Antlitz in der Schönheit Blüte
Vermählt sich Majestät mit Muttergüte.

(Gegen Lucifer.)

Wie heißt die große Kaiserin?

siehe Bildunterschrift

Maria Theresien-Denkmal.

Lucifer.

Maria
Theresia.

Rudolf (entblößt das Haupt, wiederholt feierlich).

Maria Theresia!

(Während das Bild verschwindet.)

O bleibe, bleib, Du hehres, holdes Bild,
Das wie der Sonnenaufgang mich umleuchtet!

(Zu Lucifer, etwas beklommen:)

Du sprachst vorhin, mein Haus werd' einst erlöschen,
Vom Himmel fallen, wie ein Stern, – ich will
Den letzten Sprossen meines Hauses seh'n.

Lucifer.

So schau noch einmal hin, eh dieses Bild,
An dem Du Dich gestärkt, noch ganz erloschen.
Sie ist die letzte Deines Hauses!

Rudolf (erschüttert).

Sie! –
Die größte und die letzte! –

(Mit verhehltem Beben.)

Und was dann?

Lucifer (mit gespieltem Triumph, da er Rudolfs Erschütterung bemerkt).

Dann fallen mir die Reiche wieder zu,
Die Du mir raubst für ein paar hundert Jahre!
Dann kommen sie heran von Ost und West,
Um Östreich zu zerreißen, zu vertheilen …

Eine mächtige Stimme (von außen).

Satan, Du lügst!

Lucifer.

Wer spricht?

St. Hubertus (auftretend, mit dem Hirsch).

Satan, Du lügst!
Im Namen des Dreieinigen! Zur Hölle!

(Lucifer ab.)

Dritte Scene.

Rudolf, St. Hubertus.

St. Hubertus (tritt zu Rudolf, der, durch Lucifers Prophezeiung erschüttert, auf einen Felsblock niedergesunken ist).

Dein Angesicht ist bleich. Das Lügenwort
Des Satans hat Dich tief ins Mark getroffen.
Komm', lehn' Dein schwindelnd Haupt an meine Brust.

Rudolf (mit geschlossenen Augen, den Kopf an der Brust des hinter ihm stehenden Heiligen).

Das Lügenwort? So hat er nur gelogen?
Die große Kaiserin, die Herrliche,
So ist sie nicht die letzte meines Hauses?

St. Hubertus.

Sie ist die letzte; doch die erste auch
Von einem neuen Kaiserhaus, in dem
Der echten Habsburgs altehrwürdig Wesen
Frisch blühend sich verjüngt. Der edle Sohn
Der großen Kaiserin wird unvergänglich
Fortleben im Gedächtnis seiner Völker.

Rudolf.

Und Österreich wird nicht zu Grunde geh'n,
Wenn Habsburgs altes Herrscherhaus erloschen?
Wird nicht zerrissen werden und vertheilt?

St. Hubertus (mit Lächeln).

Gar keine Red'! Ein altes Sprüchlein gibt's,
Das heißt: Wer todtgesagt wird, lebt recht lang.
Dies Sprüchlein wird an Östreich sich bewähren.

Rudolf (zu ihm aufblickend).

Wer bist Du, dessen Wort, wie edler Wein,
Das Herz mir kräftigt …?

St. Hubertus.

Sanct Hubertus bin ich,
Des edlen Weidwerks Schutzpatron! Ihr Habsburgs
Seid mir gar lieb als rechte, fromme Jäger.
Drum helf' ich Euch, wo ich nur kann. – Doch komm'!
Bist mit dem Satan hoch heraufgeklettert.
Auf sicher'n Pfaden leit' ich Dich zu Thal.

Rudolf (der sich erhoben hat).

Noch einmal sag' mir: Österreich wird dauern,
Wenn Habsburg auch erlosch?

St. Hubertus.

Noch zweifelst Du?

Rudolf.

Vergib. Kaum weiß ich mehr, was wahr, was nicht.
Entschließen soll ich mich, ob ich die Lande,
Dem Ottokar entrissen, meinem Haus
Verleihen soll, – da brauch' ich sich'ren Grund.

St. Hubertus.

Nun, wenn Du bloßen Worten nicht vertraust,
So sollst Du seh'n!

Rudolf.

Wie das?

St. Hubertus.
Durch Gottes Allmacht
Entrück' ich Dich der Gegenwart und trage
In andre Zeiten Dich, in fernste Zukunft,
Da sollst Du schau'n mit Deinen eig'nen Augen,
Wie Östreich einen Herrscher liebt und ehrt,
Der, jener großen Kaiserin entsprossen,
Ein halb Jahrhundert Österreich gebietet.
Du willst? So wink' ich eine Wolke her,
Die trägt uns gern, wohin es uns beliebt.
Da flattert eine, monddurchleuchtet –

(Winkt.)

Komm'!

(Zum Hirsch.)

Mein treues Hirschlein, warte hier geduldig,
Ich komme bald zurück.

(Zu Rudolf.)

Den Mantel breit' ich
Nun um Dich her. Schließ' zu Dein Aug' und lieg
Ganz ruhig, wie ein schlummernd Kind.

(Die Gegend hüllt sich in Nebel, so dass die Gestalten undeutlich werden.)

Fühlst Du,
Wie weiche Kühle Dich umschmiegt –? So bleib',
Bis Du den sicher'n Boden wieder spürst.
Nun, Wolke, schwebe hin durch Raum und Zeit!
Versinke, Gegenwart, in Duft und Sage,
Und ihr, steigt auf, der Zukunft blaue Tage!

(Dichter Nebel erfüllt die ganze Bühne, leise Musik, die nach einer Weile, während welcher die Verwandlung erfolgt, in Zitherspiel übergeht.)

St. Hubertus (im Nebel).

Wir sind am Ziele. Stehst Du fest?

Rudolf (im Nebel).

Ich stehe.
Doch stütze mich, der Boden schwankt.

St. Hubertus.

Hab' Dank,
Du liebe Wolke, für den treuen Dienst.

(Der Nebel verschwindet. Ein weiter Almboden, von einzelnen hohen, pyramidenförmigen Fichten bestanden, wird sichtbar. Den Hintergrund bildet ein hoher, oben gezackter Berg mit einer glatten, breiten Felswand. Am Fuße derselben, in ziemlicher Entfernung vom Vordergrunde gedacht, ein kaiserliches, einstöckiges Jagdhaus; großes Hirschgeweih über der Thüre; die ebenerdigen Fenster sind erleuchtet. Heller Mondschein, in welchem die Wände des Hauses und die Felswand kreideweiß erscheinen. Rechts im Hintergrunde glitzert ein einsamer Seespiegel. Links an der zweiten Coulisse ein Blockhaus, aus welchem das Zitherspiel klingt; durch die offene Thüre sieht man das offene Herdfeuer, an welchem Jäger in verwitterter Gebirgstracht sitzen, die Gesichter vom Feuer roth beschienen. Gewehre und Bergstöcke neben der Thüre angelehnt. Vor dem Haus ein hölzerner Röhrbrunnen mit Trog.)

Vierte Scene.

Rudolf, St. Hubertus stehen vorne rechts.

St. Hubertus (mit gedämpfter Stimme, wie ein Jäger auf der Birsch).

Nun mach' die Augen auf und sieh Dich um.

Rudolf (ebenso).

Ein weiter Boden, hohe Fichten breiten
Die dunklen Schatten auf den thau'gen Rasen.
Wo sind wir?

St. Hubertus (wie oben).

Horch!

Rudolf (wie oben).

Ich höre Zitherspiel.

St. Hubertus (wie oben, mit heimlicher Weidmannsfreude).

Hörst Du nicht noch etwas?

(Ferner Ruf eines Hirsches.)

Die Hirsche melden.

(Horcht aufmerksam.)

Ein starker Sechzehnender! Weiß genau,
Wer den noch heute auf das Blatt wird treffen.

Rudolf.

Wo aber sind wir?

St. Hubertus.

In der Steiermark,
Beim kaiserlichen Jagdhaus bei Mürzsteg.

(Im Blockhaus schlägt ein Hund an und springt bellend vor die Thüre gegen die Kommenden. Der alte Sepp, ein alter Oberjäger, in Lederhosen, grüne Strümpfe, nackte, verwitterte Knie, tritt in die Thüre. Er hat einen mächtigen, greisen Bart, hohe rüstige Gestalt, ein wenig vorgebeugt.)

Fünfte Scene.

Die Vorigen, der alte Sepp.

Der alte Sepp (gedämpft, wie alles Folgende bis zur Gegenweisung).

Kusch, Waldl, kusch!

(Der Hund bellt wieder.)

Bist stad? Was hast denn nur?
Weckst mir den hohen Herrn. Der braucht den Schlaf.
Hat gestern nach der Abendbirsch zwei Stunden
Gesessen und gearbeit't.

(Der Hund beruhigt sich nicht.)

Sakra, kusch!

(Bemerkt die beiden.)

Ah so, sind Leut' da. – Ja, wer seid denn Ihr,
Dass Ihr so spät hier umgeht?

siehe Bildunterschrift

Kaiserliches Jagdschloss in Mürzsteg.

St. Hubertus (zu Rudolf).

Sprich mit ihm.

Rudolf (von hier an natürliche Stimmstärke).

Wer ist der hohe Herr, von dem Du sprachst?

Der alte Sepp (verwundert).

Na, unser Kaiser. Dort im Jagdhaus schläft er.

Rudolf (zum alten Sepp).

Wie heißt denn Euer Kaiser?

Der alte Sepp (verblüfft).

Was? Wie unser …
Wie unser Kaiser heißt …?

Rudolf.

Das will ich wissen.

Der alte Sepp (kopfschüttelnd).

Franz Joseph heißt er halt.

Rudolf.

Aus welchem Hause?

Der alte Sepp (immer verblüffter).

Aus welchem Hause …? Habsburg-Lothringen.

Rudolf.

Wie lange Zeit regiert er?

Der alte Sepp.

Funfzig Jahr'.

Rudolf.

Und welche Jahrzahl schreiben wir?

Der alte Sepp (völlig außer Fassung).

Was wir
Für eine Jahrzahl schreiben …?

Rudolf.

Sprich.

Der alte Sepp.

Eintausend
Achthundertachtundneunzig … Jesus, Jesus,
Was seid denn Ihr für Leut' …? Aus welchem Land,
Aus welcher Zeit kommt Ihr denn her, dass Ihr
Um solche Sachen fragt …? Was habt Ihr auch
Für Kleider an, wie man's auf alten Bildern
Aus Ritterzeiten sieht?

St. Hubertus.

Kennst Du mich nicht?

Der alte Sepp.

Ich kenn' Dich nicht.

St. Hubertus.

Und dienst mir doch so lang'?

Der alte Sepp.

Ich diene Dir –?

St. Hubertus.

Ich bin doch Sanct Hubertus,
Der Jagdpatron!

Der alte Sepp.

Der bist Du! Sechzig Jahr'
Und mehr schon bin ich bei der Jägerei;
Hab allerlei erlebt bei Tag und Nacht,
Das keiner glaubt; doch hätt' ich nie gedacht,
Dass ich ihn je mit Augen würde seh'n.

(Schüchtern auf Rudolf weisend.)

Wer ist denn das? Ist's leicht ein andrer Heil'ger?

St. Hubertus.
Das ist der hohe Ahnherr Deines Kaisers,
Rudolf von Habsburg.

Der alte Sepp (nimmt den Hut ab, auf ein Knie sinkend).

Heil'ger Gott!

St. Hubertus.

Mein Sepp,
Hab' keine Furcht. Gib ungescheut ihm Antwort.

Der alte Sepp (geschmeichelt, steht auf).

Ihr kennet meinen Namen?

St. Hubertus.

Sanct Hubertus
Kennt alle braven Jägersleut' bei Namen.

Rudolf.

Der Kaiser ist zur Hirschjagd hier?

Der alte Sepp.

Ja wohl,
Zur Hirschjagd. Doch es hat mit seinem Hiersein
Noch eine eigene Bewandtnis.

Rudolf.

Welche?

Der alte Sepp.

Sie feiern dieses Jahr im ganzen Reich
Sein funfzigjähr'ges Kaiserjubiläum.
Der Kaiser, wisst Ihr, mag die Jubiläen
Nicht leiden, die jetzt so in Mode sind.
Wenn einer pünktlich seine Pflicht gethan
Durch so und so viel Jahr', hab' er nicht Noth,
Sich drum zum Schluss bengalisch zu beleuchten.
Drum möcht' er wohl sein Jubelfest am liebsten
Mit Gott allein, im Kreis der Seinen, ohne
Den Lärm der Welt, in stiller Andacht halten.
Doch weil's die Welt ihm nicht verlaubt und weil's
Von Herzen kommt, so gibt er sich halt drein.
Doch zieht er sich hieher zurück, wo er
Ausrastet gern von seinen schweren Sorgen,
Um auch vom Jubilieren auszuschnaufen.

Rudolf.

Ist Östreich stark und groß durch ihn geworden?

Der alte Sepp (kratzt sich hinterm Ohr, dann spricht er).

Ich bin ein alter achtzigjähr'ger Mann,
Wenn ich so denk', was ich die funfzig Jahr'
Hab' schelten hören über's Schlechterwerden,
Im Wirtshaus, auf der Kanzel, in der Zeitung, –
Wenn all das wahr gewesen wäre, Herr,
So thäte Östreich längst kein Bein mehr weh.
So aber sag' ich eines: Klar und deutlich,
Wie dort die Felswand, steht vor meinen Augen,
Wie Östreich war, wie ich ein Bub' noch war,
Und klar und deutlich seh' ich, wie es ist.
Und drum sag' ich: Das ist ein Unterschied,
So wie ein Spießer und ein Zwanzigender.

Rudolf.

Sie fühlen's wohl, drum feiern sie den Kaiser.

Der alte Sepp.

O Herr, es könnt' so schlecht sein, wie es wollt',
Sie würden ihren Kaiser drum doch feiern!
Das macht: Weil sie ihn lieben, wie vielleicht
Nie ein Monarch in Östreich ward geliebt.
Schaut, wenn ich ihn so seh', den hohen Herrn,
Wenn er mich anschaut mit den guten, lieben,
Freundlichen Augen und ich für mich denke,
Was er ertragen alles und erduldet,
Und seine große Pflicht doch stets erfüllt,
Wie unsereins kaum seine kleine thut,
Da schießt es siedig heiß mir in die Augen,
Und wenn er zu mir spräch': Gib mir Dein Herz –
Mein Herz riss' ich heraus und spräch': Da hast Du's!

Rudolf.

Hat er so viel ertragen und erduldet?

Der alte Sepp.

Du lieber Gott! So viel! Als Mensch und Kaiser!
Und wisst Ihr, Herr, das mit der großen Lieb',
Das hängt damit zusammen. Jedes Unglück,
Das unsern Kaiser je getroffen hat
In Staat und Haus, hat uns're Lieb' zu ihm
Nur immer stärker, herzlicher gemacht.
Und gar, seit ihm der einz'ge Sohn gestorben …

Rudolf.

Der einz'ge Sohn –!

Der alte Sepp.

… Der arme Kronprinz Rudolf,
Seit damals hat ihn alles doppelt lieb …
Ich weiß, Herr, was es heißt, ein Kind verlieren.
Hab' meinen Jüngsten, Liebsten ja begraben,
Und hab' gemeint, das Kreuz wär' mir zu schwer.
Doch wie ich unser'n Kaiser hab' geseh'n,
Wie er das fürchterliche Herzeleid
So gottergeben christlich hat getragen,
War mir mein Kreuz viel leichter als zuvor.
Und vielen Vätern, meine ich, und Müttern
In Österreich, die je ein liebes Kind
Begraben mussten, geht's gerad' wie mir.

siehe Bildunterschrift

Kaiser Franz Joseph I. 1898.

Rudolf (von einer Erinnerung berührt).

Hab' ich nicht auch den Hartmann todt geseh'n …?

Der alte Sepp.

Und wisst Ihr, Herr, woher die Kraft ihm kommt?
Ich sag', er hat's von Euch, von seinem Ahnherrn,
Den, wie in alten Büchern steht zu lesen,
Sie das verkörperte Gesetz genannt,
Und von der großen Kaiserin Maria
Theresia. Das Kaiserhandwerk ist
Ein zehrendes Geschäft; es bleicht die Wangen
Und macht das Haar verdorren, und doch seht
Ihr schreiten ihn und reiten, schlank, elastisch,
Schier wie ein Dreißiger. Wie er das macht,
Das ist bei keinem Doctor zu erfragen;
Ich aber weiß es, Herr: Die Pflicht! Die Pflicht
Ist das Geheimnis seiner Rüstigkeit.
Sie hält den Leib gesund, die Seele ruhig.
Ich glaub', ein Friede wohnt in seiner Brust,
Trotz allem Gram und all dem Drang und Ärger,
Wie ihn ein guter Christ dereinst erhofft,
Wenn er in Gott ruht nach vollbrachtem Leben.
Er – hat's hienieden schon. Warum auch nicht?
Denn, seht: Für sich will er ja gar nichts mehr,
Er lebt für's Ganze nur, für Österreich …
Und daher kommt ihm auch der Weisheit Gnade.
Was haben in den langen funfzig Jahren
Nicht für Politiker und für Minister
Am alten Österreich herumgedoctert!
Schier nicht zu zählen sind's! Wenn man sie alle
Beisammen hätt' auf einem Trupp als Treiber,
Den größten Trieb könnt' man mit ihnen nehmen …

Rudolf (lächelnd).

So viel …!

Der alte Sepp.

O mein! Wie Marterln im Gebirg'!
Und sind gescheite Köpf' dabei gewesen.
Hat jeder was gewusst, das sicher hilft,
Und haben wunderschön geredt – und doch,
Der Kaiser ist gescheiter, als sie alle!
Sie wollten Östreich mit dem Kopf versteh'n,
Er aber spürt's im Herzen drin, er kennt's,
So wie ein Jager seinen alten Stutzen.
Und darum, wenn der Kaiser etwas will,
Von Grund aus will, versteht, und alles schreit:
Um Gotteswillen, jetzt geht's auseinander! –
So denk' ich still und tausende mit mir:
Der Kaiser will's, der Kaiser wird's schon wissen.

Rudolf.

Er ist das Herz des Reich's.

Der alte Sepp.

Das Herz des Reich's.
Das ist das rechte Wort. Er und sein Haus.

(Schüchtern.)

O Herr, – jetzt möcht' ich um was bitten …

Rudolf (mild).

Rede.

Der alte Sepp.

Wir Österreicher möchten unserm Kaiser
Zu seinem Ehrentag gern' eine Freude,
So eine rechte Herzensfreude machen,
Jedoch, wer schon so Vieles und so Schweres
Hat durchgemacht, freut sich nicht leicht … Ich aber,
Ich wüsst' schon was …

Rudolf.

Sprich frei.

Der alte Sepp.

Ihr kommt von drüben,
Kommt aus dem sel'gen Reich, wo man den Jammer
Und Unfried dieser Welt tief unter sich hat,
Wie ein Gewitter, das man blitzen sieht
Und donnern hört, und steht im Sonnenschein
Auf einem hohen Berge. Aber wir,
Wir stecken mitten drin. Herr, bittet doch
Den lieben Gott recht herzlich, dass er Frieden
Und Eintracht spende unser'm Österreich
Und seinen Völkern, dass sie sich vertragen,
Wie Kinder eines Vaters! Seht, das wär'
Für unser'n hohen Herrn ein Angebind',
Das ihm ein Vorschmack wär' der Himmelsfreude!

Rudolf.

Wird das die Allmacht können –?

Der alte Sepp (mit Zuversicht).

Ja, sie kann's!
Man muss nicht Böhme nur, nicht Deutscher, Pole,
Man muss auch Österreicher sein, dann geht's!
Schaut unser'n Kaiser an, der ist ein solcher,
Wie Gott ihn will! Gäb' es in jedem Volk
Nur eine Handvoll solcher Österreicher,
Wie unser Kaiser ist, dann wär's vollbracht!
Drum bittet, hoher Herr, den lieben Gott,
Er soll uns solche Österreicher schicken.
Bald aber, ja recht bald! 's ist hohe Zeit!

Ein junger Bursch (aus der Thüre des Blockhauses).

Na, Sepp, wo bleibst?

Der alte Sepp.

Ich komme gleich. – O Herr,
Seid nur nicht bös, dass ich so viel geredet,
Und über manches, das für mich zu hoch.
Jetzt aber thät' ich schön um Urlaub bitten,
Damit sie drin nichts merken. War gerad'
Dabei, dem jungen Volk von unserm Kaiser
Und dem, was er vollbracht hat, zu erzählen.

St. Hubertus.

Ruf' sie heraus und rede hier zu ihnen.
Die breiten Äste dieser Fichte decken
Mich und den Kaiser zu. Und schau beim Reden
Ein wenig hinter Dich. Dort in der Felswand
Lass ich im Bilde, was Du sagst, erscheinen,
Nur für den Kaiser sichtbar und für dich,
Durch solche hohe Ehre Dich zu lohnen
Für Deine treuen Worte. Doch den Jungen
Verrath mit keinem Ton, wer hier gewesen.
's ist eine gottlos zweifelsücht'ge Zeit,
Möcht' einer leicht ein unrecht Wörtlein sagen,
Das seiner armen Seel' zum Schaden wär'.

Der alte Sepp.

Versteh', versteh'; die Racker würden meinen,
Ich spräche Jagdlatein.

St. Hubertus (zu Rudolf).

Wenn Dir's beliebt …

(Hebt den Zweig einer rechts stehenden Fichte. Beide setzen sich auf die Wurzeln neben dem Stamme, wo sie zum Theil sichtbar bleiben.)

Der alte Sepp.

Kommt doch heraus! Im Freien spricht sich's besser,
Der Mond scheint hell, doch spürt man schon den Tag.

Sechste Scene.

Die Vorigen (Rudolf und St. Hubertus unter den Ästen der Fichte); junge Jäger und Treiber, etwa zwanzig bis dreißig Personen, kommen aus dem Blockhause. Viele haben Pfeifen im Munde und bringen Flaschen und Gläser mit. Sie gruppieren sich auf beiden Seiten der Bühne.

Der junge Bursch (von vorhin).

Na, melden's brav, die Hirsch'? Gönnst Dir kein' Ruh',
Nur allweil speculieren, speculieren!

Der alte Sepp.

Bevor ich red', lasst mich noch schnell eins trinken.

Der junge Bursch.

Da, alter Sepp.

Der alte Sepp (thut einen tüchtigen Schluck aus der Feldflasche, schüttelt sich).

Brr! – Liebe Leutlein, schaut!
Ich hab' mir eingebild't, ich könnt' so grad
Herzählen alles in der Reih' und Ordnung,
Was unserm Kaiser all's passiert ist in
Den funfzig Jahren, seit er die Strapaz'
Hat angefangen als ein halber Knab'.
Doch jetzt, wie ich den Mund aufthu', jetzt merk ich,
Das geht nicht so. Denkt Euch, ein halb Jahrhundert!
Da hat gar vieles Platz! Ihr sagt das Wort,
Und fühlt nicht, was das heißt: ein halb Jahrhundert!
Da geh'n schier ganze Lebensläuf' hinein.
Der Hies, der ist der älteste von Euch.
Er wird schon an den Schläfen grau und ist
Großvater worden in den letzten Tagen,
Und der ist in den Windeln noch gelegen,
Wie unser Kaiser schon gewacht, gesorgt hat,
Und für sein Österreich sich abgerackert.
Die Erde hat ein anderes Gesicht
Bekommen in der Zeit! Im Wasserboden,
Wo jetzt das Hochwild sich so gerne hält,
Weil dort der Wald so hoch ist und so dick,
War damals nicht ein Baum, nur freie Alm.
Nun denkt, wie schnell der Mensch lebt, und wie langsam
Der Baum wächst, und dann werdet Ihr ermessen,
Was unser Kaiser hinter sich muss haben,
Und wird ein Schwindel Euch dabei ankommen,
Wie wenn man schaut von einer hohen Wand
Und sieht die Kirche mit dem Gottesacker
Wie Kinderspielzeug liegen in der Tiefe.
Wie muss erst unser'm Kaiser selber sein,
Wenn er zurückdenkt an die alten Zeiten.
Vorkommen muss ihm das, so wie ein Märchen,
Wo's heißt: »Es war einmal«, wenn er sich vorstellt
Die alte Wienerstadt, wie sie gewesen,
Da er ein kleiner Knab' noch war, mit ihren
Basteien und Glacis! Gemüthlich war's,
Und war vielleicht mehr Lebensfreud' im Volk
Als heutzutag. Ich denk' gern dran zurück,
Wie ich dort bin in Garnison gestanden.
Da hab' ich unsern Kaiser hundertmal
Geseh'n als Buberl mit den kleinen Brüdern,
Wie er mit dem hochseligen Erzherzog
Franz Carl und der Erzherzogin Sophie
Mitsammen in den Prater ist gefahren.
Da hat er sich's wohl auch nicht träumen lassen,
Dass es sobald schon aus wär' mit der Kindheit,
Und er der Kaiser würde sein; da war
Ja noch der alte Metternich am Ruder.
Auf einmal kam er dran; von seiner Jugend
Hat er nicht viel gehabt. Das war im Jahr,
Im Sturmjahr achtzehnhundertachtundvierzig,
In Östreich war's damals wie im Gebirg'
Im Monat März, wenn die Schmelzwasser brausen,
Die Schneelahn thalwärts donnert und der Sturm
Die ält'sten Bäume niederlegt wie Halme;
Da rauft der Förster sich das Haar und denkt:
Jetzt geht die Welt zugrund'! Bald aber blüht
Das erste Veilchen und der Kuckuck ruft,
Und jetzt merkt alle Welt: Das war der Frühling!
Und unser Kaiser hat's gemerkt. Nicht gleich.
Ist ja gar manches in der neuen Zeit,
Das einem Herrn, wie ihm, nicht taugen kann,
Das jeden ordentlichen Menschen widert.
Bald aber hat er's völlig eingeseh'n,
Dass eine neue Zeit im Aufgeh'n ist,
Und dass sich Österreich verjüngen muss,
Wenn es so viel will gelten wie die andern.
In zweien Kriegen haben wir's erfahren.
Da hat sich unser Kaiser schnell entschlossen
Und hat's den Völkern Österreichs gewährt,
Dass, wie es freien Männern einzig ansteht,
Sie die Gesetze, die sie binden sollen,
Berathen selber dürfen und beschließen.
Und die Studierten heißen das: Verfassung
Und Parlament. Ich hab mir sagen lassen,
Dass, wie das erste Parlament in Östreich,
Kein spät'res war, so reich an tücht'gen Männern.
Da streiten sie herum, ob all dies Wesen
Für Östreich taugt mit seinen vielen Völkern,
Ich aber sag' Euch: es muss doch was dran sein,
Denn jetzt ist Östreich groß zu Land und Meer
Durch seine Flotte und sein Heldenheer.
Und uns're Stimme gilt was in der Welt.
Mit Fürstenhäusern und mit mächt'gen Reichen,
Mit denen wir die Waffen oft gekreuzt,
Sind wir befreundet jetzt und eng verbündet.
Und schaut, an einem großen Beispiel seht
Die ganze Seelengröße uns'res Kaisers:
Ich bin ein Jager nur, mich geht's nichts an,
Und hab' doch Königgrätz lang nicht vergessen.
Wenn ich nur einen Preußen hab' geseh'n,
Hätt' ich den Schädel ihm einschlagen mögen.
Was muss der Kaiser erst empfunden haben!
Doch wie des Deutschen Reiches erster Kaiser
Die Hand zum Bund aufrichtig hat geboten,
Da hat er sie ergriffen treuen Herzens
Und hat die alte Feindschaft still begraben,
Und ist des Deutschen bester Freund geworden,
Er findet keinen besser'n in der Welt!
Das mach' ihm einer nach!

(Es hat inzwischen zu tagen begonnen, die höchsten Berggipfel erglühen.)

Gar viele Dinge
Hätt' ich wohl noch zu sagen, aber seht,
Die erste Frühe röthet schon die Gipfel.
Drum will ich jenes Tages nur gedenken,
Des schönen Tags, der unvergesslich leuchtet
In meinem achtzigjährigen Gedächtnis,
Da Österreich und Wien mit Pracht gefeiert
Die Silberhochzeit unsres Kaiserpaars.
Im Festzug bin ich selber mitgegangen
Und hab' die Kaiserin geseh'n; ich hab'
Mich von dem Anblick schier nicht trennen können.
So etwas Hehres war um sie, wie Mondlicht
Auf weißem Schnee; und alles unverwandt
Hat nur auf sie geschaut, wie wenn ein hoher
Erhab'ner Alpengipfel, den Gewölk'
Den Menschen meist verhüllt, im Morgenroth
Hoch aus dem Blauen plötzlich in das Thal
Herniederleuchtet … Unsre Kaiserin!
Kein Österreicher wird ihr's je vergessen,
Wie sie dem Kaiser in der schwersten Stunde
Ist beigestanden mit der sanften Stärke,
Die lauter quillt aus reinem Frauenherzen,
Drum mögen Gottes Engel sie behüten
Und auf sie niederstreuen ihre Blüten! – Vor dem 10. September 1898 geschrieben; leider hat die Vorsehung dieses Gebet des alten Sepp nicht erhört.
Nur eins hätt' ich gern noch mitangeseh'n,
Wenn unser Kaiser in die neue Burg
Wird einzieh'n, die er prächtig sich erbaut.

(Die neue Burg erscheint, die Völker Österreichs um das Hauptthor.)

Da möcht' ich mit dabei sein und von Herzen
Laut rufen mit den andern: Hoch der Kaiser!

siehe Bildunterschrift

Praterfahrt.

siehe Bildunterschrift

Kaiser Franz Joseph I. 1848.

siehe Bildunterschrift

Kaiserin Elisabeth als Braut. 1853.

Rudolf.

Da muss ich unsern Hausgeist gleich erinnern,
Dass er's ja nicht verpasst, mit einzuzieh'n.

(Vom Jagdhaus her ertönt ein Hornquartett.)

Der alte Sepp.

Jesus Maria! 's ist die höchste Zeit;
Zum Jagdhaus, schnell! Ich komm' gleich nach. Vergesst nicht
Das Maulthier für die Frau Erzherzogin!

(Schleuniger Aufbruch aller, nur)

Der alte Sepp tritt zur Fichte, wo Rudolf verborgen ist.

Ich bitt' Euch, hoher Herr, mir zu verzeih'n,
Dass ich so schleunig meinen Abschied nehme …

Rudolf (hervortretend).

Leb' wohl, mein alter Sepp; hab' Dank für alles.

Der alte Sepp (schüchtern).

Darf ich dem Kaiser gar nichts von Euch sagen …?

Rudolf (bricht einen Fichtenzweig ab).

Da. Wenn er heute seinen Sechzehnender
Erlegt hat, gib ihm das als Bruch und sag':
Sein Ahn, Rudolf von Habsburg, lass ihn grüßen.

Der alte Sepp (kniet nieder, küßt dem Kaiser die Hand, nimmt den Zweig; zu St. Hubertus).

Vergönnet, Sanct Hubertus …

St. Hubertus (den Handkuss abwehrend, freundlich).

Weidmannsheil!

Der alte Sepp entfernt sich eilig nach rückwärts.

Siebente Scene.

Die Vorigen, ohne den alten Sepp und die Übrigen.

Rudolf.

Ich werde alt. Ich fühl' mich herzlich müd'
Von all den Abenteuern dieser Nacht.

St. Hubertus.

So streck' Dich auf den Rasen hier. Da siehst Du
Den Aufbruch gut zur Jagd.

(Im Hintergrunde steht die Jagdgesellschaft in Reih und Glied erwartend um das Jagdhaus, allmählich verhüllt sich verdichtender Nebel den Hintergrund; Rudolf hat sich niedergestreckt: St. Hubertus verschwindet.)

Rudolf.

Ich sehe nicht.
Ein weicher Nebel sinkt auf mich, wie Schlummer …

(Ein kräftiges, nicht zu lautes allgemeines »Weidmannsheil« ertönt von rückwärts.)

(Mit geschlossenen Augen.)

Wenn ich nur sehen könnt'! Jetzt kommt der Kaiser …

(Die Jagdfanfare ertönt; die Scene verwandelt sich schnell in das Schlafgemach des zweiten Actes. Es ist Tag, die Sonne scheint auf den Kaiser, der sich jäh aufgerichtet hat und verwundert um sich blickt, während von außen die Fanfare, wie zuvor im Traum, erklingt.

siehe Bildunterschrift

Die neue Hofburg in Wien.

Achte Scene.

Rudolf, nachher Berthold, Leupold, Grifo, Anna, Gefolge.

Rudolf (hat sich jäh auf dem Bett aufgerichtet).

Was ist –? – Ja so, ich hab' geträumt. Das ist
Die Jagdfanfare, die mich weckt. – Wo bin ich?

(Blickt um sich.)

In meiner Burg zu Wien. Und vor drei Tagen
Hab' ich die große Marchfeldschlacht geschlagen.
– Nun weiß ich wieder, wann und wo.

(Sitzt auf dem Bette, sinnend.)

Mir ist,
Als läg' ein Leben zwischen heut' und gestern,
So lang' ist's her!

(Erhebt sich.)

Doch fühl' ich mich verjüngt,
Als wär' ein neues Leben, wie die Sonne,
Mir strahlend aufgegangen.

(Am Fenster stehend, vom Morgenroth umleuchtet.

Berthold! Berthold!

Berthold (tritt ein).

Grüß' Gott, Herr Kaiser.

Rudolf.

Guten Morgen, Alter.

Berthold.

Herr Leupold ist schon da mit vielen andern.

Rudolf.

Lass sie herein. Doch gib mir erst den Mantel.

( Berthold gibt ihm den Mantel um und öffnet auf einen Wink des Kaisers die Thüre. Leupold, Anna, Grifo und andere Herren und Bürger treten ein.)

Leupold.

Den schönsten Morgen meinem Herrn und Kaiser!
Wie haben Euer Majestät geschlafen?

Rudolf.

Sehr gut. Vortrefflich.

Leupold.

Auch was Gut's geträumt?

Rudolf.

Geträumt –? – Ich habe wunderbar geträumt.
Von großem Schmerz und großer Freud'. Ich sah …
Nun, da ich's sagen will, verdunkelt sich's …
Das ist doch seltsam. – Doch mir blieb im Busen
Ein Hochgefühl von Muth und Kraft zurück.
Ihr mögt Euch freu'n, Herr Leupold. Mein Entschluss
Steht fest. Ich will die österreich'schen Lande
An Habsburg geben.

Leupold.

Großer Gott, hab' Dank!

(Freudige Bewegung.)

Rudolf (zu Anna).

Auch Du, mein hübsches Ännchen, freue Dich!

(Zu Grifo.)

Du bist von heut' Habsburg'scher Jägermeister!

Grifo (freudig).

Mein gnäd'ger Fürst –

Anna.

Siehst Du, mein Grifo, siehst Du,
Auf böse Träume folgt ein schöner Tag!

Rudolf (aufmerksam).

Auf böse Träume –? Hat Dir bös geträumt?

Grifo (heiter).

Mir träumte mein zukünftiger Ehestand.
O Herr, den hätt' ich anders mir gedacht!
Die Anna war so bös und widerhaarig
Und hielt mich unter also strenger Zucht,
Dass sie mir keine ruh'ge Stunde ließ,
Und mir der Muth zur Heirat schier vergieng.
Doch, kaum erwacht, lief ich zu ihr und pflückte
Mir neuen Muth von ihren rothen Lippen.

Rudolf (ist ernst geworden).

Auch mir hat mancherlei geträumt. Nun wacht
Es in mir auf. Ich sah in fernste Zukunft.
Gewaltiges hab' ich geschaut, geahnt,
Furchtbare Dinge, dass der Wille mir
Zerbrochen wäre, wenn nicht Gott mir half
Und seine Heil'gen …

(Mit neu erwachender Heiterkeit.)

Doch ich mach's wie Du,
Und denke mir: Das ist des Satans List,
Der uns den frischen Muth gern brechen möchte.

Grifo.

Ach, Träume, hoher Herr, sind Lug und Trug!

Rudolf.

Wer weiß? Die Anna wird kein Engel sein.
Und, glaub', die Völker, welche Östreich eint,
Sind schwerer zu regieren als die Anna,
Und werden Habsburg oft zu schaffen geben
Nach ihren besten Kräften. Doch, was thut's?
Denn, wer ein rechter Fürst, liebt seine Völker,
So wie sie wirklich sind, mit Haut und Haar,
Wenn sie ihm auch das Leben sauer machen!

Grifo (bescheiden).

Doch etwas Ruh' und Glück möcht' man doch haben.

Rudolf.

Was Ruh'! Wo keine Unruh', ist kein Leben.
Und Glück! Nur Kinder wollen puren Zucker
Und pures Glück! Das Glück muss man sich schaffen.
Glück steckt wie Gold im rohen Erz des Lebens,
Brauch' nur den Hammer, poch' es Dir heraus!
Glück will verdient sein, Freund, in Staat und Ehe!

(Orgelklang.)

Doch hört, die Orgel ruft zur Morgenmesse.
Wir wollen beten für dies junge Paar,
Dass Heil ihm werde, ihm und seinen Kindern,
Und dass der Bund, den Habsburg heute schließt
Mit Österreich für jetzt und alle Zeit,
Zum Heil sei allen künftigen Geschlechtern,
Die ungeboren ruh'n in Gottes Schoß.
Der Du die Welten und die Herzen lenkst,
Gieß' Deinen Segen aus auf diese Lande,
Dass Östreich wachse, blühe und gedeihe
Jetzt und in Zukunft! Amen!

Alle.

Hoch der Kaiser!

(Indem sie sich zum Gehen wenden, setzt die Volkshymne ein und fällt der Vorhang.)

Wappen

Buchrücken

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