Eduard Bauernfeld
Aus Alt- und Neu-Wien
Eduard Bauernfeld

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IX.

(Ableben des Kaisers Franz. – Das »System.« – Wiener-Stimmung. – Ein Sturmvogel.)

Kaspar
(schiebt die Regierungsmaschine herbei):
Die Räder machen ein wenig Geschrei.
Kaiser:
Ihr müsset die Räder ein wenig schmieren.
Kaspar:
Das nennen wir dann das Regieren.
Achim v. Arnim.
(Prolog zu dem Schattenspiel.)
   

Im Winter 1835 hatte mein romantisches Schauspiel: »Fortunat« ein gewisses literarisches Aufsehen erregt. Das Stück war von meinem Freunde Holtei bei Frau v. Pereira, von mir selbst bei Ottilie v. Goethe, bei Hammer-Purgstall und bei Graf Louis Szeczeny in größeren Cirkeln vorgelesen, auch von Zedlitz, Raupach, Tieck mündlich und schriftlich gebilligt worden. Nur Grillparzer, das bessere Streben des Verfassers anerkennend, allein auf die Geschmacksrichtung des Wiener Publicums hinweisend, wollte der wunderlichen Arbeit, wenn auch eine ehrenhafte Aufnahme, doch durchaus keinen eigentlichen Theatererfolg versprechen. Wie sehr er Recht hatte und wie er die Sache noch viel zu rosenroth anschaute, erwies sich leider zu Genügen bei der Aufführung des Stückes im »Josephstädter-Theater.«

Der Antheil, welchen die gebildeten Kreise Wien's jener Komödie schenkten, galt aber weit weniger dem Autor und seinem Werke, als dem Umstande, daß der oberste Kämmerer Graf Czernin das Stück eines damals bereits ziemlich beliebten dramatischen Schriftstellers zurückgewiesen hatte, mit dem Bemerken: derlei Zauberstücke gehörten in's Leopoldstädter-Theater. Der junge und etwas heißblütige Autor war über diese schnöde Aeußerung, so schonend sie ihm der damalige »Vice-Director des Hofburgtheaters« (Deinhardstein) auch immer beizubringen bemüht war, über die Maßen empört und bald entschlossen, eine Audienz beim Kaiser zu nehmen, um, womöglich, die Aufführung des Stückes gegen den Willen des obersten Kämmerers durchzusetzen.

Diese Verhältnisse waren es, durchaus nicht der Bann, mit welchem die Romantik belegt worden, die Neugier war's, welche die literarische, finanzielle und sogar die hochadelige Gesellschaft Wiens um den Lesetisch versammelt hatte. Frau Ottilie pflanzte mir zur Seite eine ältere Dame auf, die mir etwas taub schien. Die zerstreute Hausfrau hatte vergessen, mich der Dame vorzustellen – erst Tags darauf erfuhr ich, daß ich den ganzen Abend neben der Verfasserin des »Agathokles« gesessen.

Bei Graf Louis Szeczeny, mit dessen Familie ich bereits früher bekannt worden, hatten sich noch eingefunden: sein berühmter Bruder Stephan, ferner: Fürst Wittgenstein, Graf Haugwitz, Fürst und Fürstin Lichtenstein, die Herzogin von Sagan-Accerenza, Fürstin Palffy, Graf Szeczen mit Gemalin u. A. »Lauter Leute, die von Poesie keine Idee haben!« heißt es in meinem Tagebuch vom J. 1835. »Graf Haugwitz ist darin der Aergste« – bemerke ich weiter – »die Herzogin scheint noch am gemüthlichsten. Merkwürdig ist ein gewisses Etwas oder – Nichts, was diesen Leuten der finanzielle Adel nicht nachmachen kann.«

Diese scharfe Kritik war, mir selbst gegenüber, nichts weniger als gerecht, denn die Damen und Herren hatten sich mir ungemein artig erwiesen und der Curiosität mehr Antheil gespendet, als ich mir eigentlich erwarten durfte. Mit Stephan Szeczeny wurde ich ziemlich vertraut, fand aber an ihm einen so eingefleischten Magyaren, daß ich es nicht für gerathen hielt, mit meinen eigenen politischen Ansichten gegen ihn hervorzurücken, wozu mich übrigens der Schwall seiner Rede ohnehin nicht kommen ließ. Der Graf besaß Beredsamkeit, vieles Wissen, aber ohne Ordnung, auch ohne klaren Kopf, die Phantasie überwucherte den Verstand; der glühendste Patriotismus sollte alles sonst Mangelnde ersetzen, und so wurde denn auch von ihm und anderen Gleichgesinnten die Cultur Ungarns mittelst englischen Comforts, einer unreifen Akademie der Wissenschaften sammt der Zuthat jenes berüchtigten »Hony-Vereins« und eines National-Theaters ohne einheimische dramatische Literatur frischweg in etwas phantastischer Weise in Angriff genommen, und anstatt der höchst nöthigen Straßenbauten, Volksschulen und Justiz-Reform nichts als eine kostbare Kettenbrücke zu Stande gebracht, über welche der Adel gratis ging, ritt und fuhr. Doch muß ich es dem Grafen zur Ehre nachsagen, daß ihm die Comitatswirthschaft mit ihrem schrankenlos willkürlichen Gebahren eben kein Juwel der ungarischen Verfassung dünkte. Herr v. Pulsky, den ich gleichfalls um diese Zeit kennen gelernt, setzte mir den Durcheinander, welcher in diesen kleinen Republiken damals herrschte (und leider annoch herrscht), in humoristischer Weise auseinander.

Am 26. Jänner 1835 stand ich vor Kaiser Franz, und zwar zum zweitenmal in meinem Leben. Das erstemal war's am 19. November 1829, dem Jahrestag von Schubert's Ableben. Ich war damals Kreisamtspraktikant und kaum noch als Schriftsteller aufgetreten. Mein Chef und besonderer Gönner, der Kreishauptmann Baron Waldstätten (in der Folge Polizei-Director) hatte mich überredet, um ein sogenanntes »außerordentliches« Adjutum einzukommen, indem er zugleich in einem Berichte an die niederösterreichische Regierung sowohl meine Fähigkeiten als meinen Diensteifer auf das Ungeheuerste herausstrich. Es sei aber auch noch erforderlich, ein Allerhöchst signirtes Gesuch zu erwirken, hieß es. Ich meldete mich also zur Audienz, that aber den Schritt ungern und ohne Hoffnung auf Erfolg.

Bei dieser ersten Audienz trug der Kaiser eine Jäger-Uniform und sah noch ziemlich frisch aus, obwohl er etwas hager geworden und nur spärliches, beinahe weißes Haar um seine Schläfe hing. Ich trug mein Anliegen kurz und bündig vor. Der Kaiser blickte mir erst ziemlich scharf ins Gesicht, nahm dann eine freundlichere Miene an und sagte (mir kam vor, als lache es dabei innerlich in ihm): »Ich kann Ihnen nichts versprechen; ich will mich erkundigen, wie's ist.«

Ein kurzes Kopfnicken – damit war die Audienz zu Ende.

Wo erkundigte man sich aber damals? Bei der Polizei, und diese bei den Hausmeistern. Vermuthlich hatte mein Hausmeister nicht günstig über mich berichtet, oder galt ich schon damals für einen »unruhigen Kopf«, ich weiß nicht mehr recht. Kurz, das Adjutum bekam nicht ich, sondern ein ziemlich bornirter und völlig dienstunfähiger junger Baron. Der gemüthliche Waldstätten, der sich meiner mit solcher Wärme angenommen hatte, nahm meine Abweisung beinahe wie eine persönliche Kränkung auf.

Bei der zweiten Audienz im Jänner 1835 fand ich den Kaiser bedeutend gealtert, das sonst lebhafte Auge matt, die Stimme kreischender als vor Jahren. Der Monarch hörte mich ruhig an, als ich von meinem Stücke sprach, welches sowohl von Seite des Dramaturgen des Hofburgtheaters, wie auch von den ersten schriftstellerischen Celebritäten für mein bestes anerkannt, und von namhaften Hoftheatern, wie Berlin und Dresden, zur Aufführung angenommen worden, während nur der Herr oberste Kämmerer sich weigere – –

»Ja, der Czernin hat zu reden, sonst kein Mensch!« unterbrach mich der Kaiser.

Ich: »Eure Majestät verzeihen, aber da es Ihr Theater ist und nur Sie zu befehlen haben, so erbitte ich mir die Aufführung des Stückes, die für mich eine Ehrensache ist, als besondere Begünstigung von Eurer Majestät, mit Rücksicht auf meine früheren Lustspiele, die dem Hofburgtheater einigen Vortheil gebracht, auch einigen Antheil bei dem Wiener Publicum wie sonst in ganz Deutschland gefunden.«

Kaiser: »Ihre Stück' g'fallen mir auch, sie sind lustig und ich seh' sie gern. Aber wenn der Graf Czernin nein sagt – nur der hat zu reden! Es war g'fehlt von dem Deinhardstein, wenn er Ihnen Hoffnung g'macht hat – aber ich will ihm nix nachsagen, er ist ein guter Mensch.«

Ich: »Ich habe mir erlaubt, das Stück im geheimen Cabinet einzureichen. Wenn Eure Majestät geruhen wollten, einen Blick in das Manuscript zu werfen.«

Kaiser: »Dafür ist der Czernin da! Ich kann nit Alles entscheiden. Verzeihen's, daß ich's Ihnen sag'; aber da müßt' ich am End' auch noch den Bettelrichter machen!« (Der Kaiser schlug eine trockene Lache auf.)

»Der Vorgesetzte hat zu urtheilen. Sie sind selber ein Beamter, Sie müssen das wissen! Wenn Sie ein Ausländer wären, ich müßt' Sie ausmachen.« (Warum?)

»Noch einmal: Ihre Stück' g'fallen mir! Schreibens nur wieder was Lustig's und der Czernin wirds g'wiß annehmen.«

Ein freundliches Kopfnicken – und ich war entlassen.

Doch genug vom Theater! Wenige Wochen nach der Audienz war der Kaiser nicht mehr. Eine kurze Krankheit hatte ihn am frühen Morgen des 2. März dahingerafft.

Das Ereigniß wirkte elektrisch. Im Februar 1792 hatte Franz von Lothringen die Regierung angetreten, die nun nach vollen dreiundvierzig Jahren plötzlich zu Ende ging. Der Habsburg-Lothringer (oder nach Hormayr »Lothringer-Vandemont«) Franz II. wandelte sich im Jahre 1804 zum Franz I., zum Erbkaiser von Oesterreich um, blieb nebstdem noch König von Ungarn und Böhmen, verzichtete im Jahre 1806 auf die deutsche Kaiser-Schattenwürde. Wenn Oesterreich durch den Preßburger-Frieden 1000 Quadratmeilen, durch den Frieden von Schönbrunn 2000 Qu.-M. seines Besitzes verlor, wenn seine Finanzen gründlich zerrüttet waren, seine staatliche Existenz beinahe in Frage gestellt, so machten der sogenannte »deutsche Befreiungskrieg«, der Pariser-Frieden und der Wiener Congreß allen seinen Leiden ein vorläufiges Ende. Von nun an gab es aber eigentlich kein Deutschland mehr, nur ein Oesterreich und Preußen, welche beide Großstaaten die Eifersucht, die sie im Stillen gegen einander hegten, schlau verbergend, jederzeit brüderlich vereinigt waren, um als abwechselnde Präsidenten des »deutschen Bundes« das Princip der »Legitimität« aufrecht zu erhalten und den deutschen Geist, oder auch den italienischen, spanischen, griechischen mit Hilfe der beliebten »Congresse« zu bändigen und zu unterdrücken. Doch ließ man in Preußen die Bildung und einen gewissen Fortschritt gelten, von denen sich das träge Oesterreich mit einer wahren Scheu abwendete. Das Mene Tekel der Juli-Revolution ließ unseren alten Schlendrian unberührt, erst nach den Märztagen dämmerte es in gewissen Kreisen und man begann zu ahnen, daß etwas faul sei im Staate, doch brauchte es volle zwanzig Jahre, die Verluste von Provinzen und die Verschuldung unserer Enkel auf Jahrzehente hinaus, bevor man sich zu einer Radicalcur entschließen konnte. –

Oesterreich ist deutschen Ursprungs. Seine frühere Aufgabe war, die Barbaren zu bekämpfen, seine spätere: sie zu cultiviren. Dieses letztere wurde leider versäumt. Es hilft nichts, sich zum Kaiser von Oesterreich zu machen, man muß es auch sein. Ein Gesammt-Oesterreich hatte sich aber unter Kaiser Franz nun dem Namen nach constituirt. Was wird in Zukunft geschehen? fragte man sich damals, wie nachher. Wie wird sich das zusammen gewürfelte, durch den Willen eines Einzelnen wie über Nacht hervorgerufene Reich mit seinen disparaten Nationalitäten in Zeiten politischer Bewegung, gegen Feinde von Außen, zugleich widerstrebenden Kronländern gegenüber, zu behaupten und zu erhalten im Stande sein? Wo ist der Kitt, der die polyglotten Provinzen mit einander verbindet? Was fragt der Ungar um den Czechen, dieser um den Italiener, alle mit einander um den Deutschen, der ihnen als ihr gemeinsamer Feind gilt, obwohl sie sich auch alle untereinander hassen! Was war also Oesterreich bisher? Eine politische Fiction, weiter nichts! Wer hatte Lust, sich Oesterreicher zu nennen? Ein Magyar, ein Böhme, ein Wälscher gewiß nicht! Und Wien fühlte sich zuletzt als eine deutsche Stadt, hielt an der Tradition seines Ursprungs fest. Das damals improvisirte Erbkaiserthum aber fußte auf stillschweigenden Compromissen nach innen und außen, auf patriarchalischen Gefühlen der Unterthanen, nicht der Völkerschaften, schließlich auf dem guten Willen der übrigen Großmächte, die es, als eine anerkannte »Nothwendigkeit«, nicht fallen lassen würden. Ein Staat soll aber nicht so zur Noth und nur durch die Gnade der anderen bestehen, er muß die Nothwendigkeit seiner Existenz in sich selber haben. Deutsch-Oesterreich hatte sie auch, wenn es, in Verbindung mit dem deutschen Mutterlande, gleichen Schrittes mit ihm vorging in geistiger und freiheitlicher Entwicklung, wenn es die Bildung, die es in sich aufgenommen, auch auf die anderen, minder vorgeschrittenen Provinzen übertrug. In dieser Richtung mußte das neue Erbkaiserthum im Jahre 1804 vorgehen, oder nach dem Pariser-Frieden. nach den Juli-Tagen, oder später noch, als kluge, einsichtige Männer den Rath ertheilten, das österreichische Studienwesen zu heben, die Presse zu befreien, auch den fruchtbaren Boden des verschlammten und verschlemmten Ungarn durch Massen deutscher Colonisten zu cultiviren, in Verbindung von ehrlichen Justizbeamten und tüchtigen Schullehrern. –

Wer es aber wagen wollte, dem neuen Erbkaiser derlei Vorschläge zu machen, der mochte nur gleich in Vorhinein mit sich in's Reine kommen, ob er der Festung Munkacs oder dem Brünner Spielberge als künftigen Aufenthaltsorte den Vorzug gebe. In Oesterreich herrschte zur Restaurationszeit und lange nachher ein Despotismus sonder Gleichen, der zwar trotz der beständigen Geldverlegenheiten das materielle Wohl der Unterthanen theilweise förderte, auch eine gewisse bürgerliche Gerechtigkeitsliebe gern zur Schau trug, doch jeder freieren geistigen Regung, allen Bildungselementen sich geradewegs feindselig entgegen stellte. Die verschiedenen Völkerstämme der Monarchie, von Natur nicht ohne Anlagen und Rührigkeit, wurden auseinander und in Schach gehalten nach der beliebten Erb-Maxime: »divide et impera! Vor allem war man aber bemüht, sie von jeder Verbindung mit dem gefürchteten »deutschen Auslande« durch Zoll- und Censurschranken vollkommen abzuschneiden und sie auf diese Weise zu Stillstand, geistigem Tode und polizeilichem Gehorsam zu verurtheilen. Dieses »System« hat zu den März- und Octobertagen, zum ungarischen Kriege und zur russischen Hilfe, zum Concordat, zum Verluste der Lombardei und Venedigs, bis zu Sadowa und beinahe zum gänzlichen Zerfallen des Staatskörpers geführt. – Was war nun aber eigentlich dieses so lange gepriesene österreichische System? Es war ein rein negatives: die Furcht vor dem Geiste, die Negation des Geistes, der absolute Stillstand, die Versumpfung, die Verdummung. Der Kaiser war das verkörperte conservative System, auch war's ein eigentlicher Selbstherrscher, nichts geschah ohne, geschweige gegen seinen Willen. Dabei griff das Regierungs-Räderwerk wie eine wohlgeordnete Maschine fest in einander. Es war aber bloße Mechanik, ohne Geist, ohne Seele.

Wie man über Erziehungswesen und geistigen Aufschwung dachte, kann das Eine Wort des Kaisers bezeugen: »Ich brauche keine Gelehrten, nur gute Beamte!« Nun, die hatte er auch, besonders an den damals noch getreuen Böhmen, diesen Stützen der ledernen Bureaucratie, vom Grafen Kolowrat angefangen bis zum letzten Praktikanten aus Czaslau oder Leitomischel. Servilismus und Kriecherei nach Oben, Brutalität nach Unten war das Schlagwort dieser kleinen Satrapen, durch welche das Volk in seinem Stumpfsinn erhalten wurde, während ein leichtsinniger und unthätiger Adel gedankenlos seine Vorrechte genoß. Kurz, Wien war und blieb das Capua der Geister, das gesammte Oesterreich ein stagnirender Völkersumpf mitten im rührigen Europa. Daß die Geistlichkeit nicht wenig dazu beitrug, diese verrotteten Zustände zu erhalten, ist wohl begreiflich, doch durfte sich der Clerus nie einer solchen Macht erfreuen, wie ihm in unseren Tagen eingeräumt worden, denn der katholische und für seine Person fromme Kaiser, wie er überhaupt kein Freund der Freiheit war, duldete auch keine freie Kirche in seinem unfreien Staate, hielt sein placetum regium unwandelbar aufrecht, und hätte sich nie mit einem Concordat befreunden können.

Als Träger des österreichischen Systems gilt für gewöhnlich der Staatskanzler Fürst Metternich, allein gewissermaßen mit Unrecht, denn er handelte nur als »treuer Diener seines Herrn«, dessen persönlicher Politik er sich anbequemte, und die er vorzugsweise nach Außen zu repräsentiren bemüht war, während er andere Kräfte und Mächte im Inneren des Reiches, natürlich in demselben »conservativen« Sinne, aber sonst nach Gutdünken schalten und walten ließ. Man muthete dem geistreichen und versatilen Fürsten wohl auch zu, daß er eben so gern, ja vielleicht noch lieber in liberalem Sinne regieren würde, und bei dem plötzlichen Thronwechsel glaubte man sogar den Moment bereits gekommen, wo diese neue Wendung der österreichischen Politik eintreten dürfte. Allein schon am 2. März (am Todestag des Kaisers) erschien eine außerordentliche Beilage der Wiener Zeitung, welche vollkommen geeignet war, alle derlei sanguinischen Hoffnungen zunichte zu machen. In Allerhöchsten Handschreiben an den Fürsten Metternich und an den Grafen Kolowrat, sowie an den ersten Obersthofmeister und an den Hofkriegsraths-Präsidenten versichert Kaiser Ferdinand, daß er den ihm angestammten Thron besteige, um im Sinne und Geiste seines verewigten Vaters weiter zu regieren, sowie er auch alle Würdenträger und deren Organe im In- und Auslande in ihren Aemtern bestätigt und sie zugleich auffordert, ihre Pflichten wie bisher »nach den bestehenden Vorschriften« zu erfüllen. Das klang durchaus nicht als stünden Reformen vor der Thür, das hieß beiläufig: Es bleibt beim Alten! Und so war es auch. Das aufgeregte Wiener Publicum ließ sich aber seine Erwartungen vorläufig nicht nehmen und die Residenzstadt wogte am 2. März wie in der Nacht von 2. auf den 3. gleich einem stürmischen Meere. Alle Wirths- und Kaffeehäuser waren überfüllt, auch auf den Straßen traten Gruppen zusammen und ein lebhafter Gedankenaustausch gab sich allenthalben kund. Daß diese Gedanken nicht gänzlich unbelauscht blieben, konnten meine Freunde und ich erfahren, denn als wir ziemlich spät nach Mitternacht durch eine stille Seitengasse schritten, unser etwa ein halbes Dutzend, in einer allerdings etwas geräuschvollen Discussion begriffen, da stürzten plötzlich, wie aus dem Erdboden emportauchend, drei oder vier »Naderer« auf uns zu, angeblich, um unserem vermutheten Streite ein Ende zu machen. Sie entfernten sich zwar allsogleich, als wir sie lachend versicherten, daß wir vollkommen einig, die besten Cameraden seien und ihrer bons offices in keiner Weise bedürften. Verhaftungen wurden übrigens in dieser Nacht in beträchtlicher Menge vorgenommen. Als das Testament des Kaisers Franz bekannt wurde, worin er seinen Völkern seine »Liebe« vermacht, und als man die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß sonst wirklich Alles beim Alten blieb, von den geträumten Reformen sich auch keine Spur zeigen wollte, da ergoß sich der Wiener Witz in tausend mehr oder minder bitteren Epigrammen, auch laute Tadelsworte ließen sich vernehmen; – im Handumdrehen hatte die Lobhudelei, Schmeichelei und Heuchelei, seit Jahrzehnten an der Tagesordnung, in ihr directes Gegentheil umgeschlagen. Auch die Provinzen fingen an, schwierig zu werden; die Ungarn murrten, die Italiener conspirirten, die böhmischen Stände regten sich, sogar die niederösterreichischen fingen an, ein Lebenszeichen von sich zu geben, und da die Zügel der Regierung von den Händen dreier Greise immer schlaffer gehalten wurden, so verlor auch die Beamtenwelt nicht nur ihre frühere Sicherheit, sondern zeigte sich nach und nach geneigt, in die Klagen der Unterthanen mit einzustimmen. Die Behörden wurden immer lässiger, sahen bei Censur und anderen Uebertretungen durch die Finger, halfen verbotene Bücher und Journale, wie später die »Grenzboten«, wohl selber einschmuggeln, und untergruben so die letzten Polizeistützen, welche das alte und morsche Gebäude noch nothdürftig zusammenhielten. Das »System« und die »Opposition« standen sich einander bald schroff gegenüber – aber von den drei alten Herren, welche zuletzt das System einzig und allein repräsentirten, hatte der Eine gelegentlich selber angefangen, gegen die anderen Beiden im Stillen Opposition zu machen.

Doch ich greife vor! Die ersten Jahre nach des Kaisers Ableben gingen die Dinge wieder ihren gewöhnlichen Lauf, von Außen schien Alles ruhiger geworden, der eingedämmte Volksstrom floß wie früher in seinem Bette, kaum daß ein Ueberschwellen zu besorgen stand, so bedenklich es auch in der Tiefe brauste und rauschte. Man lebte übrigens eine Art Doppelleben. Der alte Wiener Vergnügungssinn hielt nach wie vor an seinem Strauß und Nestroy fest, nur daß man auch anfing, die materiellen Interessen, als Vorläufer der geistigen, zu bedenken. So war der Gewerbeverein gegründet, den greisen Machthabern die Concession der ersten Eisenbahn durch Rothschild abgeschmeichelt worden. Für die Industrie war nun etwas geschehen, worauf man die Hände wieder in den Schoß legte und den lieben Gott und das schlechte System walten ließ. –

Doch kehren wir in die alte Zeit zurück! –

Mir und anderen Gleichgesinnten lastete der Geistesdruck wie ein Alp auf der Brust. Eduard Duller, Schuselka, Kuranda und Andere hatten sich freiwillig expatriirt, sich eine literarische Stellung in Deutschland zu gründen, und dort in patriotischem, nicht patriarchalischem Sinn für Oesterreich zu wirken gesucht, besonders Kuranda in den »Grenzboten.« Ich selbst fühlte schon in früher Jugend den Drang, mich von dem österreichischen Censurjoche zu befreien, eine doch etwas freiere Luft in Deutschland einzuathmen – Schreyvogel und Grillparzer hatten mich zurückgehalten. Nun war ich längst kein Jüngling mehr, und der Zwang erschien mir unerträglicher als je, der Boden brannte mir unter den Füßen, und ich ließ meinem Unmuth nicht nur unter Freunden, sondern auch an öffentlichen Orten ziemlich freien Lauf. Natürlich, daß das nicht eben die Art und Weise war, um in der Beamtenwelt Carrière zu machen; doch muß ich es meinen nächsten, sowie höheren Vorgesetzten zur Ehre nachsagen, daß sie mir sonst meine wilden Reden nicht nachtrugen, unter vier Augen wohl auch beiläufig meiner Ansicht waren, mich nur zur Vorsicht mahnten.

Einen komischen Auftritt hatte ich mit meinem früheren Kreishauptmann, Baron Waldstätten. Ich besuchte den wackern Mann von Zeit zu Zeit; inzwischen war er aber Polizei-Director geworden, wozu er etwa so viel oder so wenig taugte wie ich, obgleich sein wohlwollender Charakter und seine Humanität auch auf diesem, sonst anrüchigen Posten gute Früchte trugen. Eines Tages ließ er mich zu sich ins Präsidial-Bureau einladen. Irgend eine meiner politischen Aeußerungen im Neuner'schen Kaffeehause war zu den Ohren des Grafen Sedlnitzki gedrungen, welcher den Polizei-Director beauftragt hatte, mich darüber zur Rede zu stellen. Der gute Waldstätten that das in der eigensten Weise, indem er mir erst über die ihm aufgedrungene amtliche Stellung vorklagte, für die er gar nicht geschaffen sei; dann kam er erst per ambages auf die eigentliche Sache, mahnte mich freundschaftlich zur Vorsicht, da man mich als Schriftsteller ohnehin scharf im Auge habe, als vermuthlichen geheimen Mitarbeiter an den »Grenzboten« und sonst. Darin hatte man nicht ganz unrecht! Zwar an den »Grenzboten« war ich bisher unschuldig, dafür stand ich mit Arnold Ruge und den hochverpönten »Halle'schen Jahrbüchern« in einiger Verbindung. Für die letzteren hatte ich unter Anderm einen ziemlich weitläufigen Artikel geschrieben: » Pia desideria eines österreichischen Schriftstellers.« Ruge fand das Manuscript zu voluminös, um es in seinem Journal erscheinen zu lassen, er beglückte also Otto Wigand damit, welcher das Opus, das gegen die österreichische Censur ankämpfte, eine Art Vorläufer der künftigen Schriftsteller-Petition, als Broschüre herausgab. Das Ding machte einiges Aufsehen; daß ich der Verfasser sei, wußte Niemand außer Ruge, doch hatten meine Freunde und Genossen am Styl und an gewissen Lieblings-Redewendungen mich bald als Autor erkannt, als welchen ich mich auch gar nicht verleugnete. Die Censur, wie sie es bereits seit lange gewöhnt war, drückte alle ihre ehemaligen Argusaugen zu, obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, mir als Beamten (ich hatte es inzwischen zu der hohen Würde eines Lotto-Directions-Concipisten gebracht!) den Proceß zu machen. So fuhr ich denn ungehindert fort, in Rede und Schrift zu frondiren, und durfte in den verschiedenen geselligen Kreisen, denen ich angehörte, als eine Art liberaler Vorkämpfer gelten. Mit dem Kopfe gegen die Wand zu rennen, bleibt immer ein mißliches Experiment, auch schüttelten kluge Freunde nicht selten den Kopf über mein Gebahren. So der milde und umsichtige Ernest Feuchtersleben. In den Vierziger-Jahren hatte mich Kriehuber lithographirt; ich ließ unter das Porträt setzen: »Lieber unvorsichtig als unwahr!« Feuchtersleben erwiderte darauf:

»Unvorsichtig« sind die Kinder,
»Muthig« ist des Mannes Wort;
»Unwahr« ist der Pfad der Feigheit,
»Schweigen« oft der Wahrheit Hort.

Leicht verirrt der Menschheit Schritt sich;
Wo den rechten Weg sie fand,
Führte sie die ernste Wahrheit
An der Vorsicht weiser Hand.

Der Freund mochte Recht haben, obwohl sich dafür wie dawider sprechen läßt. Soll Einer gar niemals den Mund aufthun? Es erleichtert doch das Herz! Und Andere machen's nach – so wird Propaganda. Auch war ich nicht der Einzige, der die Dinge schlecht und faul erfand, und sie bei ihrem Namen nannte. Und darunter befanden sich Bedeutendere als ich. So erinnere ich mich einer Abendgesellschaft – gegen Ende der Vierziger-Jahre – wenn ich nicht irre, war's bei Schmerling – wo ein Hofrath der obersten Justiz (Pederzani) es unumwunden aussprach: »Man könnte dem Fürsten Metternich und dem Grafen Kolowrat, welche in öffentlichen Angelegenheiten gewissermaßen als »Geschäftsführer ohne Auftrag« handelten, geradezu als Hochverräthern den Proceß machen.« –

Der Liberalismus und die politische Aufregung der gebildeteren Wiener Gesellschaftskreise gingen längst mit Hochwasser, als im Spätherbst 1844 Friedrich List bei uns eintraf. Ein Festmal zu Ehren des deutschen National-Politikers und Förderers des Eisenbahnwesens wurde sogleich beschlossen.

Das List-Souper von 160 Gedecken fand am 23. December statt, und alle Spitzen der Finanz, des Handels und der Bureaucratie, auch einige Literaten nahmen daran Theil. Daß ich als liberaler Schriftsteller gleichfalls geladen wurde, versteht sich von selbst. Ich weiß nicht mehr, welcher hohe Beamte den herkömmlichen ersten Toast auf den Kaiser zu bringen hatte, doch zog er sich gut aus der Affaire, indem er Kaiser Josef und dessen Reformen einzuweben, auch ein bescheidenes Wort über die Verbesserungen, die bei uns gegenwärtig in Aussicht stünden, einzuflechten wußte. So war beiläufig der liberale Ton dieses ersten Wiener Meetings angegeben. Der Gefeierte trat nun als Redner auf, stockte aber bedeutend und kam durchaus nicht in Fluß. Ich traf in der Folge häufig mit ihm zusammen und fand ihn als einen verständigen, wenn auch bereits halb gebrochenen Mann. Er bereiste Ungarn und legte unseren Machthabern einen Plan vor, wie dieses reiche, aber versumpfte Land durch deutsche Ansiedler zu colonisiren und zu cultiviren wäre. Da predigte er aber tauben Ohren. Die alten Herren legten vor wie nach die Hände in den Schoß und ließen den lieben Gott walten.

Immer schlagfertig, wie ich war, trug ich gleichfalls meinen Speech bei dem Festmale vor und schloß mit einem Gedicht: »Zollverein«, häufig vom Beifall unterbrochen. Darin heißt es zum Schluß:

»Und wenn die Gedanken erst zollfrei sind,
Dann laßt uns weiter sprechen!«

Natürlich, daß der Applaus kein Ende nehmen wollte. So naiv waren wir damals.

Die Allgemeine Zeitung brachte einen Artikel über das Meeting, citirte auch einige meiner Verse. Darauf ließ mich mein oberster Chef, der Hofkammer-Präsident Baron Kübeck, am Neujahrstage 1845 zu sich bescheiden, um mir meine Rede, so wie meine Verse vorzuhalten. »Ich hätte durch mein öffentliches Auftreten gegen meine Pflicht und meinen Eid als Beamter gehandelt« – versicherte mich der Präsident – »er warne mich daher väterlich, mir meine Zukunft nicht zu verschließen« u. s. w. Ich ward toll und versicherte den Präsidenten dagegen, daß mir meine Anstellung beim Lotto nichts weniger als am Herzen liege, und daß ich jeden Moment bereit sei, den Beamten für den Schriftsteller aufzugeben. Auch hätte ich längst eine Schrift vorbereitet, um eine Verbesserung unserer Preßzustände und Abhilfe gegen die ebenso unerträgliche als nutzlose Censur zu verlangen. Eine ähnliche Erklärung gab ich auch bei Graf Kolowrat ab, der sich bereit erklärte, die Schrift zu übernehmen, nur mahnte er mich, darin behutsam aufzutreten und insbesondere die »Geistlichkeit« möglichst zu schonen.

Mit meinem trefflichen Freunde Stephan Endlicher, dem Polyhistor sondergleichen, zugleich dem liebenswürdigsten Weltmann, hatte ich inzwischen meinen Plan wiederholt durchgesprochen. Beide gelangten wir bald zu dem Resultate, daß man die Personen sowie die Verhältnisse schonen müsse, und nur »Verbesserungen im Censurwesen« verlangen dürfe; ein Antrag auf eigentliche Preßfreiheit wäre ein Schlag ins Wasser.

Am 20. Februar 1845 literarischer Thee bei Hammer-Purgstall. Nebst dem Hausherrn und mir waren noch gegenwärtig: Graf Anton Auersperg (Anastasius Grün), Hofrath Baumgartner(der künftige Minister), Castelli, Endlicher, Ettingshausen, Feuchtersleben, L. A. Frankl, Dr. Gobbi, Grillparzer, Professor Hye, Hofrath Jenull, Karajan, Kraft, Kudler, Löwenthal, Münch-Bellinghausen (Fr. Halm), Professor Josef Neumann, Dr. Schmidl (Redacteur der kritischen Blätter), Professor Schrötter, Dr. Seligmann, Professor Stubenrauch. Im Ganzen 24 Personen. Geladen waren, ohne zu kommen: Ferdinand Wolf, Deinhardstein, Professor Springer, Hölzl (vom Bücher-Revisionsamt), Ehmel und Zedlitz. Die beiden Letzteren bezeichnete Heißsporn Hammer-Purgstall mit einem – nicht wiederzugebenden Namen.

Der gleichfalls geladene alte Fürst Dietrichstein hatte von dem Thee abgemahnt und in seinem Absagebriefe Paragraphen aus dem Criminalgesetzbuche citirt. Der schlaue Ladislaus Pyrker endlich war verhindert und ließ sich entschuldigen.

Ich las nun mein Brouillon vor. Einigen war der Ton zu scharf. Die Juristen fanden Manches auszusetzen. Grillparzer und Feuchtersleben äußerten sich einschränkend; Baron Münch (Friedrich Halm) war der Meinung, ich sollte das Promemoria allein unterschreiben, eine Auskunft, welche der Mehrzahl der Anwesenden ausnehmend zu behagen schien. Ich ward ungewiß, sah mich nach Hilfstruppen um. Da trat der immer entschiedene und kräftige Endlicher auf: die Schrift sei viel zu schwach und zu zahm, man müsse es geradezu aussprechen, wie es sich auch nachweisen lasse, daß das Institut der Censur sich überlebt habe, nicht länger haltbar sei. Hammer stimmte dem Vorredner bei, und so ward mancher Schwankende gewonnen. Es wurde ein Comité zur Ueberarbeitung des Brouillons und zur Redaction des neuen Aufsatzes ernannt: Endlicher, Jenull, Stubenrauch, Hye und ich. In der Form eines Promemoria an Graf Kolowrat sollten Alle unterschreiben; Keiner wagte ein entschiedenes »Nein.«

Am 11. März las ich den neu redigirten Aufsatz in einer zweiten Zusammenkunft unter großem Beifall, und sämmtliche (diesmal 33) Gegenwärtige unterschrieben ohne Weigerung – sogar Ladislaus Pyrker, trotz seines Gesichtsschmerzes.

In den nächsten Tagen setzten noch andere Professoren und namhafte Schriftsteller (wie Zedlitz) ihre Namen bei, auch die Dii minorum gentium drängte sich hinzu. Die Schrift, eine Art Protestation der Wissenschaft und Kunst gegen die faulen Preßzustände, wurde von mir dem Grafen Kolowrat übergeben, der sein Bestes zu thun versprach. Auch mit Hofrath Pipitz conferirte ich darüber. Er meinte: In Literatur und Kunst würde man gewiß eine freiere Bewegung gestatten, auch in der Wissenschaft – nur nicht in der theologischen!

Nach dem Rath des Grafen Kolowrat begab sich das engere Comité, bestehend aus Jenull, Endlicher und mir, auch zu den Erzherzogen Ludwig und Franz Karl.

Endlicher nahm sich am wenigsten ein Blatt vor den Mund und erklärte den Herren: Bei den jetzigen Verhältnissen müsse man sich schämen, ein Oesterreicher zu sein. Der alte Jenull erstarrte fast vor Schrecken über die kühne Aeußerung seines Collegen. Erzherzog Ludwig steckte das Kinn noch tiefer in die steife, weiße Cravate, ließ aber das kecke Wort fallen. Im Ganzen waren wir gut aufgenommen worden.

Als wir uns bei Metternich melden ließen, wurde uns aufs Artigste bedeutet, Seine Durchlaucht bedauerten sehr, Sie seien aber in diesem Augenblicke mit Geschäften überladen und ersuchten die Herren, in ein paar Tagen wieder vorsprechen zu wollen. Mir war diese Verzögerung höchst unangenehm, da mir der Boden längst unter den Sohlen brannte und ich zur Auffrischung eine Reise nach Paris und London vorhatte, die ich bereits Tags darauf anzutreten gedachte. Ich äußerte das gegen Endlicher, wollte auch die Reise aufschieben, um die Gelegenheit, den Fürsten kennen zu lernen, nicht zu verlieren.

»Reisen Sie nur morgen!« erwiderte der Freund, der seine Leute kannte. »Auf diesem Wege werden Sie den Fürsten nie und nimmer kennen lernen!« – »Wie so? Warum nicht?« – »Weil er uns gar nicht empfangen wird.«

Und so kam es auch. Nach München, wo ich mich einige Tage aufhielt, schrieb mir Endlicher: er habe den Fürsten gesprochen und dieser habe ihm erklärt, daß er jeden der Herren einzeln mit Vergnügen empfangen wolle – was aber in Oesterreich ein Comité bedeuten solle, wisse er nicht. Ueber unsere demonstrative Eingabe äußerte er sich, es sei eine der betrübendsten Erfahrungen, die er während seiner langen Leitung des Staatswesens gemacht.

Im Princip hatte Fürst Metternich recht. Unsere Petition ohne Petitionsrecht war der erste »Sturmvogel«, welcher die nahende Revolution ankündigte. Der Leiter des absolutistisch regierten Staates bewies sich auch in diesem Falle als Staatsmann, und zwar weit mehr als die österreichisch-gemüthlichen Erzherzoge, die uns Frondeurs in corpore annahmen und uns noch gute Worte gaben, anstatt uns arretiren zu lassen, was nur dem »System« adäquat und folglich consequent gewesen wäre. Aber die bewegende Kraft war aus der Maschine gewichen, die längst ohne Dampf arbeitete, und nach der lex inertiae nur noch eine Weile schläfrig weiter schlich.

Unsere Petition hatte aber schließlich zu nichts geführt, als zur Errichtung eines »obersten Censur-Collegiums«, welches nie ins Leben trat, und zu einer höchst albernen Broschüre (im J. 1847) des Hofraths Clemens Hügel, welcher auf nichts Geringeres antrug, als – eine Art Bücherstempel einzuführen!!

Ich ließ eine anonyme Gegenbroschüre in Leipzig drucken, worin ich den Herrn Hofrath ad absurdum führte, in welchem sich dieser matte Nachtreter und Nachbeter des Fürsten Staatskanzlers eigentlich sein ganzes Lebenlang befunden hatte.

Das Schriftchen erlebte in kurzer Zeit zwei Auflagen, wurde aber von den Märztagen verschlungen.


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