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Seine Hoheit Prinz Karl Friedrich hatte das Offiziersexamen mit »gut« bestanden, und da Udo Bodo auch bei dem Schlußexamen alles wörtlich von seinem prinzlichen Freunde abgeschrieben hatte und im mündlichen Examen genau so viel Antworten schuldig geblieben war wie Seine Hoheit, hatte auch er als Schlußzeugnis das Prädikat »gut« erhalten. Das war für ihn eine glänzende Empfehlung und so nahm man ihn denn, als er sich wieder bei seinem Regiment meldete, mit offenen Armen auf. Alle waren stolz auf ihn, und als er bald darauf Leutnant wurde, prophezeite man ihm auf Grund der gut bestandenen Prüfung, auf Grund seiner schönen Erscheinung, seines Namens und seines Geldes eine große Zukunft.
Allerdings, zuerst haperte es mit seinen praktischen Kenntnissen ganz furchtbar, er machte beim Exerzieren nichts wie Dummheiten, er verlief sich beständig, er wußte nie, wo er hingehörte, und bei den Felddienstübungen stellte er seine Posten stets an dem Punkt auf, der im ganzen Weltall hierzu der allerungünstigste war. Ganz schlimm aber wurde es, als er seine erste Winterarbeit ablieferte. Es war ihm mit dem Unsinn, den er geschrieben hatte, heiligster Ernst gewesen, aber sein Major, der die Aufgabe gestellt hatte, glaubte, er hätte sich über das leichte Thema, das ihm in seiner Eigenschaft als jüngster Offizier gestellt worden war, lustig gemacht und hätte es in humoristisch-satirischer Form behandelt. Udo Bodo bekam ganz entsetzliche Grobheiten zu hören, und als er bei allen Heiligen der Welt schwur, ihm habe nichts ferner gelegen, als sich über eine dienstliche Aufgabe lustig zu machen, glaubte ihm kein Mensch, denn, so sagten sich die Vorgesetzten, wenn ein Mann das immerhin nicht ganz leichte Offiziersexamen mit »gut« besteht, dann kann er gar nicht so dumm sein, wie es der Mensch sein muß, der diese Arbeit verfaßt hat. Udo Bodo war aber in Wirklichkeit, was die anderen nicht wußten, sogar noch dümmer. Alle hielten ihn auf Grund seiner guten Kriegsschulzeugnisse für einen sehr befähigten Offizier, und Udo Bodo widersprach ihnen nicht nur nicht, sondern er bestärkte sie noch in ihrem Urteil, und zwar nicht, um sie zu täuschen, sondern aus gewissenhaftester Überzeugung. Er hatte sich zu der Überzeugung durchgerungen, daß er sich früher selbst sehr unrecht getan hatte, als er sich für geistig beschränkt hielt. Er begriff sich nicht mehr, wie er früher so gering habe denken können, und er war jetzt von seiner geistigen Begabung so durchdrungen, daß er jeden für einen Idioten hielt, der seine Klugheit nicht anerkannte. Und da er zu seinem Leidwesen oft erkennen mußte, daß seine Vorgesetzten über diesen Punkt ganz anders dachten als er, so gewöhnte er sich daran, in ihnen Wesen zu erblicken, die in militärischer Hinsicht gar keine Existenzberechtigung besaßen und die nach seiner Auffassung schon lange in die Wurst gehörten. Und der Glaube an sich selbst und seine Weisheit wurde noch größer, als er, nachdem er ein Jahr Offizier war, von dem Großonkel seines Prinzen, mit dem er immer im regsten Briefwechsel stand, einen Orden erhielt. Jeder andere hätte sich über diese Auszeichnung sehr gefreut, Udo Bodo steckte die dritte Klasse des Verdienstordens mit der größten Gleichgültigkeit an die vorschriftsmäßig auswattierte Brust. Erstens hatte er es ja gewußt, daß der Orden kommen würde, und außerdem war es doch ganz selbstverständlich, daß er einen Orden bekam, denn wenn er nicht einmal dekoriert werden sollte, wer war dann dessen würdig?
Im Kreis der Kameraden erregte diese Auszeichnung natürlich bis zu einem gewissen Grade den Neid der besitzlosen Klasse, denn unter den Leutnants war kein einziger, der eine andere Dekoration besaß als die Zentenar-Medaille. Aber trotzdem waren die meisten gerecht genug, einzusehen, daß er diesen Orden wirklich verdiente. Denn wie das Gerücht entstanden war, wußte eigentlich niemand, aber es war ein offenes Geheimnis, daß Udo Bodo mit einem Prinzen zusammen auf Kriegsschule gewesen war, dessen geistige Fähigkeiten gleich Null gewesen wären, und daß dieser sein Examen nur dadurch bestanden hätte, daß er alles wörtlich von Udo Bodo abschrieb. Na, und daß der Großonkel des Prinzen sich jetzt erkenntlich zeigte, war ja ganz selbstverständlich.
Als diese Legende Udo Bodo zum erstenmal zu Ohren kam, widersprach er auf das energischste, aber kein Mensch glaubte ihm, man fand es nur sehr anständig von ihm, daß er diskret war und den Freund nicht verriet. Auf den Gedanken, der Wahrheit die Ehre zu geben und einzugestehen, daß er selbst derjenige gewesen sei, der abgeschrieben hatte, kam er deshalb nicht, weil es im Laufe der Zeit seine gewissenhafte Überzeugung geworden war, daß er die Prüfung aus eigener Kraft bestanden hatte.
In gesellschaftlicher Hinsicht war Udo Bodo der Star. Kein Mensch tanzte auch nur annähernd einen so schönen Walzer wie er, kein anderer verlor so rasch Vielliebchen und machte so kostbare Geschenke, kein anderer war so reich und sah so gut aus. Die jungen Damen umschwärmten ihn, denn Frau Gräfin wollte jede gern werden, noch dazu eine so reiche.
Aber Udo Bodo dachte noch gar nicht ans Heiraten. Er begnügte sich damit, sich anschwärmen zu lassen und jede einzelne mit Betty zu vergleichen, die er immer noch nicht vergessen hatte.
Betty war nun schon zwei Jahre verheiratet, natürlich war auch Udo Bodo zur Hochzeit eingeladen gewesen, aber er hatte geschrieben: »Mein Herz würde brechen, wenn ich Dich mit einem andern am Altar sähe, und ich will Dir den Schmerz ersparen, über meine Leiche hinweg glücklich zu werden.« Ein paarmal hatte Betty ihm noch geschrieben und ihn um seinen Besuch gebeten, aber er hatte gar nicht geantwortet, weil er es für ein großes Unrecht hielt, der Frau eines andern Liebesbriefe zu schreiben und weil er nicht imstande war, mit ihr schriftlich über gleichgültige Dinge zu plaudern.
Udo Bodo führte einen sehr vernünftigen Lebenswandel, er hatte für das weibliche Geschlecht nicht mehr Interesse wie jeder andere junge Mensch in seinem Alter, und auch in finanzieller Hinsicht war er sehr verständig. Seine Bitte, sich Pferde halten zu dürfen, war ihm mit Rücksicht auf die weniger bemittelten Kameraden vom Kommandeur abgeschlagen worden, so bestand sein ganzer Luxus, den er sich leistete, darin, daß er sehr gut rauchte und jeden Mittag im Kasino eine Flasche französischen Sekt trank, zu der er immer einen seiner Kameraden einlud. Jedesmal wurde die Flasche mit den Worten bestellt: »Na, ganz ausnahmsweise wollen wir heute mal unsolide sein und Champagner trinken.« Udo Bodo wollte sich über diesen stereotypen Witz immer fast halbtot lachen, acht Tage lachten auch die Kameraden mit, dann aber hörte das Lachen auf und nur der Sekt blieb, und das war für Udo Bodos verwöhnten Gaumen oft viel besser, als wenn es umgekehrt gewesen wäre.
Udo Bodo fühlte sich glücklich und zufrieden, und dennoch gab es etwas, das ihn nicht ganz zum Lebensgenuß kommen ließ, das war die Tatsache, daß er Dienst tun mußte. Er hatte sich das Offiziersdasein eigentlich etwas anders gedacht. Aus weiter Ferne hatte er mal die Glocken läuten hören, daß es sehr vornehme Garderegimenter gäbe, bei denen die Offiziere nur in den allerseltensten Fällen zum Dienst herangezogen würden, den man sonst den alten bewährten Unteroffizieren überließe. Ob das völlig der Wahrheit entsprach, wußte er zwar nicht, aber ein solches Idealregiment war der Wunsch seiner Träume. Offizier sein war ja sehr schön, und der Dienst als solcher gefiel ihm ja auch ganz gut, aber es war doch eigentlich eines gebildeten Menschen unwürdig, unter Umständen schon morgens um vier aufstehen und seine Kenntnisse an Leute verschwenden zu müssen, die in geistiger und gesellschaftlicher Hinsicht keineswegs gleichberechtigt waren. Das letztere kränkte ihn am allermeisten und ließ keine echte Freude an seinem Beruf in ihm aufkommen. Wenn Udo Bodo trotzdem einen frohen Lebensmut hatte, so lag das daran, daß eine innere Stimme ihn immer auf die Zukunft vertröstete. Eines Tages würde es schon anders werden.
Und es wurde anders, noch dazu in einer Stunde, in der Udo Bodo es am allerwenigsten erwartete. Er war von einer großen Felddienstübung zurückgekommen, die im strömendsten Regen stattgefunden hatte, nun stand er, von oben bis unten mit Kot und Schmutz bespritzt, vor dem großen Spiegel und betrachtete sein Ebenbild. »Wenn es nicht so unästhetisch wäre, möchte man sich übergeben,« dachte Udo Bodo, »es ist für die anständige Welt schon traurig genug, daß es vierbeinige Schweine gibt, und daß man mit diesen Tieren zusammen unter demselben Himmel leben muß, aber daß man sich selbst in ein derartiges Borstenvieh verwandelt, ist eines gesitteten Menschen einfach unwürdig.«
Udo Bodo hätte sich sehr gern umgezogen, aber er hatte nicht den Mut, sich zu beschmutzen, er hielt es unter seiner Würde, seine schmutzigen Kleider selbst anzufassen. So wartete er denn, bis sein Bursche erschien, und bis dieser kam, blieb er ruhig vor seinem Spiegel stehen und philosophierte. Aber bei seinen philosophischen Betrachtungen kam nicht viel mehr heraus als die Überzeugung, daß er ein Ferkel wäre und sich unbedingt ganz umziehen müsse. Und außerdem kam er zu der Gewißheit, daß ein Mensch, der so schmutzig aussähe wie er, es nie zu etwas bringen könne, denn wenn die Welt etwas davon erführe, war er blamiert für alle Zeiten.
Udo Bodo war gerade damit beschäftigt, alle seine Hoffnungen an die Wand zu hängen, da, wo sie am tiefsten war, als sich die Tür öffnete und zugleich mit dem Burschen der Telegraphenbote erschien.
»Was bringen Sie Schönes, mein Sohn?« fragte Udo Bodo den Beamten.
Der hatte natürlich keine Ahnung, so mußte Udo Bodo denn selbst die Depesche lesen, und als er das getan hatte, machte er ein noch dümmeres Gesicht, als er es für gewöhnlich zu machen pflegte.
Der Telegraphenbeamte und der Bursche tauschten einen schnellen Blick, beide bekamen es mit der Angst, was mochte die Botschaft enthalten haben, daß sie Udo Bodo so jeden Geistesfunken raubte?
Der rührte und regte sich immer noch nicht, zum Teil waren wohl auch die nassen Kleider daran schuld, dann aber vor allen Dingen die Depesche selbst. Es dauerte sehr lange, bis er sich endlich einigermaßen gesammelt hatte, dann aber faßte er alles, was er auf dem Herzen hatte, in die Worte zusammen: »Ach nee?«
Dann schwieg er sich wieder aus.
»Ist vielleicht Antwort nötig, Herr Graf?« fragte der Bote.
Udo Bodo erwachte aus seinem Sinnen. »Gewiß, aber so wie ich bin, kann ich nicht schreiben, ich muß mich erst umziehen lassen, und so lange können Sie ja doch nicht warten. Hier!«
Er wollte in die Tasche greifen und sein Portemonnaie hervorholen, um dem Boten ein Trinkgeld zu geben, aber die Tasche war klitschenaß und das war ihm ekelhaft. So wandte er sich denn an seinen Burschen: »Friedrich, gib mir mal aus der linken Hosentasche mein Geld!«
Das war leichter gesagt als getan, denn als Friedrich seinem Grafen in die Tasche griff, fing dieser an, im Zimmer herumzutanzen und entsetzliche Quietschtöne von sich zu geben, denn Udo Bodo war sehr kitzlig, und wenn er nur einen ausgestreckten Zeigefinger sah, bekam er schon das Lachen. Aber der Bursche ließ nicht locker, und endlich hielt er die Börse in der Hand. Udo Bodo reichte dem Boten ein Trinkgeld, und gleich darauf war er mit seinem Friedrich allein.
»Soll ich den Herrn Grafen nun ausziehen?«
»Zieh,« befahl Udo Bodo kurz, und Friedrich fing bei den Stiefeln an, um bei der Halsbinde zu enden. Und während er, hinter seinem Leutnant stehend, diese löste, las er über dessen Schultern hinweg die Depesche, die Udo Bodo immer noch in Händen hielt, und die da lautete: »Seine Hoheit mein Herr Großonkel sind gestern nachmittag einem Schlaganfall erlegen. Wir werden jetzt die Regierung des Landes übernehmen.
Ihr wohlgeneigter Prinz
Karl Friedrich.«
Der Bursche verstand nicht so recht, warum diese Nachricht auf seinen Grafen einen solchen Eindruck machte, aber es wurde ihm klar, als dieser jetzt plötzlich zu ihm sagte: »Friedrich, wir werden nächstens einen regierenden Thron besteigen.«
Hatte vorhin Udo Bodo ein dummes Gesicht gemacht, so war die Reihe hierzu jetzt an Friedrich. Er begriff es nicht, wie konnte sein Graf denn plötzlich König oder so etwas ähnliches werden?
Udo Bodo erriet, was in der Seele seines Burschen vorging, und so sagte er denn: »Friedrich, Sie müssen mich richtig verstehen. Wenn ich vorhin sagte, wir würden bald einen Thron besteigen, so sind Sie damit natürlich nicht gemeint und ich auch nicht. Besteigen werden wir ihn aber dennoch, wenn auch nicht direkt. Ich weiß nicht, ob Sie mich begriffen haben?«
»Keine Ahnung,« dachte der. Dann aber fiel ihm ein, daß sein Feldwebel einmal zu ihm gesagt hatte: »Der Soldat hat alle Fragen, die an ihn gerichtet werden, mit einem ›zu Befehl‹ zu beantworten, und je weniger er über das, was er wissen soll, unterrichtet ist, um so lauter hat er dieses ›zu Befehl‹ zu sagen. Das hat dann erstens das Gute, daß man seinen Vorgesetzten eine große Freude macht, und für den Untergebenen hat es den großen Vorteil, daß er dadurch weiteren Fragen entgeht und nicht in den Verdacht kommt, noch dümmer zu erscheinen, als er es in Wirklichkeit schon ist.«
So sagte Friedrich denn mit dem Brustton tiefinnerster Überzeugung: »Zu Befehl, Herr Graf!«
Der blickte ganz überrascht auf, so ganz klar war ihm selbst die Sache absolut nicht, wie sich seine zukünftige Thronbesteigung vollziehen sollte, aber wenn selbst sein Bursche sie begriff, dann mußte er sie ja erst recht begreifen, und so sagte er denn: »Na, das freut mich, die Chose ist ja auch furchtbar einfach.«
»Soll ich den Herrn Grafen nun wieder anziehen?«
Aber Udo Bodo lehnte ab: »Ziehen Sie mich noch weiter aus und dann geben Sie mir mein Nachtkostüm, ich werde schlafen.«
Wenige Minuten später lag Udo Bodo, wie immer, wenn er sich niederlegte, tadellos frisiert, in seinem schneeweißen Nachtgewande in seinem schneeweißen Bett, und vor ihm auf der schneeweißen, seidenen Bettdecke lag das Telegramm, das er mit seinen schneeweiß gepuderten Händen hielt. Und er dachte darüber nach: was heißt in dem Telegramm das Wort »wir«? Auf die richtige Auslegung, daß dieses »wir« nur der Pluralis majestaticus war, den der jugendliche Herrscher von Gottesgnaden sich in seiner neuen Würde gleich zugelegt hatte, kam er gar nicht. So zermarterte er sich denn seinen Kopf darüber, in welcher Weise der Prinz mit ihm zusammen die Regierung seines Ländchens übernehmen wolle. Daran, daß ihm ein sehr verantwortliches Amt zufallen würde, zweifelte er nicht einen Augenblick, denn sonst hätte ihm der Prinz doch nicht telegraphiert: »Wir werden jetzt die Regierung des Landes übernehmen.« Welcher Posten würde ihm da zufallen? Der eines Ministers? Unwahrscheinlich war das ja nicht, denn er hatte ja immer die Absicht gehabt, Minister zu werden und dem Prinzen auch zu wiederholten Malen davon erzählt. Allerdings hatte er ja nicht studiert, aber das schadete schließlich auch nichts. Es gab genug Minister, die schon viele Jahre ihre Stellung bekleidet hatten und die dann in Anerkennung ihrer Verdienste um den Staat zum Leutnant oder zum Rittmeister der Reserve befördert wurden. Warum sollte da ein Offizier, der nicht nur der Reserve, sondern sogar dem aktiven Heer mehrere Jahre angehört hatte, nicht in Anerkennung seiner Verdienste um den Staat Minister werden? In der Literaturstunde hatte er sogar einmal etwas davon gehört, daß Goethe von seinem Fürsten auch zum Minister ernannt worden war, und der war doch nicht mal Offizier gewesen, sondern nur Schriftsteller. Also warum sollte er da nicht auch ein Ministerportefeuille erhalten? Seine Zuversicht wurde immer größer und größer, sein Herz schlug immer unruhiger und der Schlaf floh ihn.
»Ich muß vor allen Dingen dem Prinzen telegraphieren,« sagte er sich, »dann muß ich auch meinem gräflichen Vater ein Telegramm schicken, und dieser wird vor Freude über den Tod Seiner Hoheit sicher ebenso außer sich sein wie der Prinz selbst. Der hat es ja mir gegenüber nie zugegeben, aber im stillen hatte er es doch beständig gehofft, daß Seine Hoheit eines Tages den ihm von Höchstseinem Leibarzt prophezeiten Schlaganfall bekommen würde. Für die Herzogin-Witwe ist der Todesfall ja allerdings sehr traurig, schade, daß die Witwenverbrennung, wie sie einst irgendwo im Ausland Mode war, nicht bei uns existiert, dann würde sie bald von ihrer Trauer erlöst sein. Na, sie wird sich aber auch so im Laufe der Zeit trösten. Ich werde jetzt aufstehen und telegraphieren.«
Udo Bodo klingelte seinem Friedrich, ließ sich sein Bad rüsten und saß eine halbe Stunde später an seinem Schreibtisch. Zuerst wollte er dem Prinzen depeschieren und mit schneller Hand schrieb er:
»Herzlichsten Glückwunsch. Freue mich mit Ihnen, stelle Ihnen und Ihrem schönen Lande meine Dienste mit tausend Freuden zur Verfügung.«
Aber als er dies Telegramm fertig hatte, kamen ihm doch Bedenken, ob es in seiner Fassung doch wohl ganz richtig wäre. Es war doch immerhin möglich, daß der Prinz das Telegramm nicht selbst öffnete, sondern irgendeine der Hofschranzen. Dann würden alle wissen, daß er fortan der Günstling des neuen Herrschers sein sollte, und sofort würde die Hofintrige zu arbeiten beginnen und ihn aus seiner neuen Stellung zu verdrängen suchen, bevor er sie hatte. So entschloß er sich denn, den ihn selbst betreffenden Passus zu streichen und nur »Herzlichste Glückwünsche« zu depeschieren. Aber auch das fand er schließlich nicht ganz richtig, auch diese Depesche konnte in falsche Hände kommen und es war doch immerhin möglich, daß sie nicht richtig verstanden würde. So telegraphierte er denn endlich:
»Eurer Hoheit spreche ich, durch die traurige Nachricht auf das tiefste erschüttert, mein allerherzlichstes Beileid aus, möge der Himmel Sie in Ihrem großen Schmerz trösten.
Udo Bodo, Graf von Adlershorst.«
Das klang sehr schön und Udo Bodo erinnerte sich, einmal in der Zeitung ein ähnliches Beileidstelegramm eines regierenden Fürsten an die Witwe eines verstorbenen Staatsministers gelesen zu haben, so war er wenigstens sicher, die richtige Form gewählt zu haben.
An seinen Vater dagegen telegraphierte er: »Freuet Euch mit mir, der Großonkel des Prinzen ist gestorben, der Prinz fordert mich zur Mitregentschaft auf. Hurra!«
Aber aus Gründen, die Udo Bodo absolut nicht begriff, verweigerte die Post die Beförderung dieser Depesche als unsittlich und anstößig! So blieb ihm denn nichts weiter übrig, als einen ausführlichen Bericht an den Grafen zu senden. Als Udo Bodo am Abend desselben Tages zu der gemeinsamen Mahlzeit im Kasino erschien, bildete er dort den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Der Inhalt des Telegramms war bekannt geworden und das Interesse an seiner Person wuchs, als am Abend noch ein zweites Telegramm des Herzogs kam:
»Für Ihre freundliche Anteilnahme an dem Uns auf das tiefste betrübenden Verlust meinen herzlichsten Dank. Würde mich sehr freuen, Sie bei den Beisetzungsfeierlichkeiten hier zu sehen und bitte Sie, für einige Tage mein Gast zu sein. Habe mit Ihnen zu sprechen.«
Udo Bodo hatte eigentlich die Absicht gehabt, zur Feier des heutigen Tages zwei Flaschen Sekt zu trinken, aber schließlich hatte er es doch, als nicht ganz passend, wieder aufgegeben und sich nur eine Flasche Porter bestellt. Dies Getränk entsprach mit seiner schwarzen Farbe am meisten der Trauer, die er zur Schau tragen mußte.
Das Telegramm Seiner Hoheit ging von Hand zu Hand und alle tranken Udo Bodo zu: »Graf, haben Sie einen Dusel!« – »Graf, haben Sie ein Schwein!« – »Graf, die Götter könnten Sie beneiden!« So tönte es von allen Lippen, und Udo Bodo hörte diese Äußerungen als etwas ganz Selbstverständliches an. Nur als einer rief: »Graf, Sie haben wirklich mehr Glück als Verstand,« richtete Udo Bodo sich noch stolzer auf als sonst und rief mit einer Stimme, der man deutlich die innere Empörung anmerkte: »Erlauben Sie mal!« Und das klang so energisch, daß der andere ganz kleinlaut wurde und de- und wehmütig um Verzeihung bat.
Achtundvierzig Stunden später fuhr Udo Bodo mit fünftägigem Urlaub nach der Residenz seines Herzogs, und als erstes schenkte der Freund ihm aus dem Nachlaß seines verstorbenen Großonkels eine goldene Busennadel.
»Ich erinnere mich genau, daß Seine Hoheit diese Nadel damals trug, als Sie die hohe Auszeichnung hatten, ihm vorgestellt zu werden. Vielleicht nehmen Sie die Nadel gern an, als eine sichtbare Erinnerung an den hohen Toten!«
Udo Bodo war von dieser Gnade ganz gerührt, denn diese Busennadel war wirklich von Gold und ihr hoher Wert bestand nicht nur darin, daß sie von einem Fürsten, oder richtiger gesagt, von dessen Hofjuwelier herstammte, sondern darin, daß ein lebendiger Fürst sie wirklich getragen hatte.
Bis zur Beendigung der Beisetzung konnte der Herzog sich natürlich nur wenig um seinen Freund kümmern, aber schon bei dem großen Diner, das sich an die Beisetzung anschloß und das alle erschienenen Fürstlichkeiten und alle andern hohen Gäste vereinte, zeichnete der Herzog seinen Freund derartig aus, daß alle fragten: »Wer ist es?« Der Herzog stand jedem, der es wissen wollte, hierüber Rede und Antwort, und die Folge war, daß Udo Bodo am nächsten Tage vier neue Orden erhielt.
»Wenn ich nun nicht Minister werde, werde ich es nie,« sagte sich Udo Bodo, und so sah er denn voller Spannung der Stunde entgegen, in der sich sein Geschick entscheiden würde.
Und auch die Stunde kam. Am dritten Tag nach der Beisetzung hatte der Herzog sich gleich nach dem Diner in seine Gemächer zurückgezogen und Udo Bodo gebeten, ihn zu begleiten. Jetzt saßen sie sich ganz allein gegenüber, die Zigarren rauchend und alte Kriegsschulerinnerungen austauschend.
»Wer hätte das damals geahnt,« meinte der Herzog, »daß ich durch Gottes unergründlichen Ratschluß so schnell den Thron meiner Väter besteigen würde, ja, wer hätte es überhaupt geahnt, daß es je so weit kommen würde? Gedacht habe ich natürlich manches Mal daran, aber trotzdem –«
Der Herzog versank in stummes Nachdenken, und Udo Bodo dachte mit nach, indem er darüber nachdachte, worüber der Herzog wohl nachdachte.
Endlich hatte der Herzog sich wieder gefaßt: »Sie erinnern sich, mein lieber Udo Bodo, daß ich Ihnen einmal gesagt habe, wenn ich jemals die Regierung übernehmen sollte, würde ich Sie nicht vergessen. Sie sehen, ich habe mein Wort gehalten.«
»Hoheit sind sehr gnädig.«
Der Herzog lachte laut auf: »Udo Bodo, nicht wahr, ich darf Sie ja auch jetzt noch so nennen? Ja? Ich danke Ihnen. Also, ich meine, wenn Sie zeremoniell und feierlich werden, sind Sie noch komischer, als Sie es so wie so schon sind. In der Öffentlichkeit muß ich natürlich darum bitten, daß Sie die Etikette wahren, aber unter uns bitte ich Sie, mich nicht in der dritten Person anzureden, sondern einfach mit ›Sie‹.«
»Ganz wie Sie wünschen, Hoheit.«
»So ist's recht, und das Wort ›Hoheit‹ können Sie meinetwegen auch fortlassen, ich höre es im Laufe des Tages ja so wie so mehr als genug.«
»Ich glaub's Ihnen schon.« stimmte Udo Bodo ihm bei.
»Jetzt ist es nur die große Frage, Udo Bodo,« nahm der Herzog nach einer kleinen Pause das Wort, »was mache ich mit Ihnen? Selbstverständlich wünsche ich Sie in meiner nächsten Nähe zu haben, aber in welcher Eigenschaft?«
»Ich bin zu allem bereit,« meinte Udo Bodo, »ich werde Oberstallmeister, Zeremonienmeister, Kammerherr, Oberst-Gewandkämmerer, Minister –«
Es war Udo Bodo heiliger Ernst mit seinen Worten, er fühlte sich jeder Stellung gewachsen und so begriff er den Heiterkeitsausbruch des Herzogs gar nicht.
»Es ist eigentlich unrecht gegen den Toten, daß ich heute abend schon so lache, wo wir Seine hochselige Hoheit den hochseligen Herzog erst vor wenigen Tagen in der Gruft seiner Ahnen beisetzten, aber wenn ich mit Ihnen zusammen bin, dann kann ich gar nicht anders als vergnügt sein. Also zum Minister wären Sie auch bereit?«
»Zu allem,« sagte Udo Bodo, »denn als Sie mir damals telegraphierten: ›wir werden jetzt die Regierung des Landes übernehmen,‹ da habe ich mir gelobt, meine schwachen Kräfte nach bestem Können Ihnen zu Diensten zu stellen.«
Einen Augenblick sah der Herzog seinen Freund an, als begriff er ihn gar nicht, für eine Sekunde kam ihm der Gedanke, daß Udo Bodo das Wort »wir« wirklich falsch aufgefaßt haben könne, aber nein, das war ja gar nicht möglich, das war nur wieder einer seiner famosen Witze, und so lachte der Herzog denn, daß ihm die Tränen in die Augen kamen.
Und Udo Bodo lachte mit, allerdings kam ihm das Lachen nicht ganz vom Herzen, denn in diesem Augenblick wurde ihm plötzlich klar, daß er das Telegramm falsch verstanden hatte. Das war mehr als schmerzlich, aber natürlich durfte er es nie und nimmer zugeben, und so mußte er denn so tun, als hätte er wirklich einen Witz gemacht, über den er sich selbst köstlich amüsiere.
»Wenn ich morgen an der Gruft stehe, will ich meinem hochseligen Onkel diesen Scherz von Ihnen erzählen, ich glaube, er amüsiert sich noch im Grabe darüber,« meinte der Herzog, »der hochselige Tote hatte auch so viel Sinn für Komik, der konnte auch so herzlich lachen, genau so wie ich.«
Es dauerte lange, bis der Herzog sich endlich beruhigt hatte, dann meinte er: »So, nun wollen wir einmal ernsthaft miteinander reden, so schwer mir das auch in Ihrer Gegenwart wird, ich möchte Ihnen also den Vorschlag machen, daß Sie zunächst als mein persönlicher Adjutant zu mir kommen, dies an zuständiger Stelle zu erreichen, wird meine Aufgabe sein, vorausgesetzt natürlich, daß Sie damit einverstanden sind.«
»Aber selbstverständlich, Hoheit.«
»Ich danke Ihnen, dann werden Sie also bald zu mir kommen. Wie sich Ihre Zukunft später entwickelt, müssen wir abwarten. Vielleicht haben Sie nach einigen Jahren wieder Lust, in die Front zurückzugehen, vielleicht gefällt es Ihnen dann aber auch so gut bei mir, daß Sie ganz hierzubleiben wünschen, und wenn wir uns auf die Dauer gut vertragen, so wird sich im Laufe der Zeit sicher eine passende Stellung für Sie finden, vielleicht als Hofmarschall, vielleicht als Theaterintendant –«
»Namentlich der letztere Posten könnte mich sehr locken.«
Der Herzog drohte lachend mit dem Finger: »Sie denken da wohl an das kleine Intermezzo, von dem Sie mir einmal erzählten, als Sie mit Ihrem Herrn Onkel hinter den Kulissen waren?«
»Allerdings,« stimmte Udo Bodo bei, »und ich kann Ihnen nur sagen, Hoheit, das kleine Mädel war einfach süß. Ein paar Beine hatte sie –«
»Ich glaub's Ihnen,« unterbrach ihn der Herzog lachend, »aber wenn Sie so denken, ist es vielleicht doch besser, wenn Sie später nicht Intendant werden. Denn als strenger Vorgesetzter dürfen Sie sich mit den kleinen Ballettratten überhaupt nicht einlassen, sonst ist die Autorität bald zum Teufel.«
»Leider, leider,« meinte Udo Bodo ganz traurig.
»Na, weinen Sie nur nicht,« beruhigte ihn der Herzog. »Vorläufig sind wir ja noch nicht so weit, bis dahin hat es ja noch gute Zeit, wir müssen erst mal sehen, wie Sie sich hier einleben, und sich hier akklimatisieren. Vorläufig bleibt es also dabei, daß Sie mein persönlicher Adjutant werden. Ich stelle es Ihnen anheim, ob Sie sich eigene Pferde anschaffen oder die Pferde aus meinem Marstall benutzen wollen.«
»Wenn Sie gestatten, möchte ich mir einen eigenen Stall anlegen.«
»Ganz wie Sie wollen, und was die persönliche Zulage betrifft, die Sie als mein Adjutant erhalten –«
»Aber Hoheit,« wehrte Udo Bodo ab, »ich bin doch Gott sei Dank so reich, daß ich darauf wirklich nicht zu sehen brauche –«
»Um so eher werden wir uns also über diesen Punkt einigen,« beendete der Herzog die Unterredung, »auf jeden Fall freue ich mich sehr, daß ich Ihre Zusage habe.«
Und Udo Bodo freute sich, daß er seine Zusage gegeben hatte. Nun war er hoffentlich aus der Front heraus, und es war doch etwas anderes, ob man mit einem Herzog und mit Hofleuten verkehrte, oder nur mit den Leuten aus dem Volk.
Als Udo Bodo in seine Garnison zurückkam und die Nachricht mitbrachte, daß er demnächst persönlicher Adjutant seines hohen Freundes würde, wunderte sich eigentlich niemand darüber, aber verschiedene ärgerten sich. Am meisten ärgerte sich sein Hauptmann, und doch hätte der eigentlich alle Ursache gehabt, sich zu freuen, daß er Udo Bodo los wurde, denn dienstlich war dieser immer noch eine große Null. Aber gerade, daß Udo Bodo trotzdem eine solche Auszeichnung erhielt, ärgerte ihn und dies um so mehr, als er selbst ein sehr kluger und befähigter Offizier war, der entschieden eine glänzende Karriere gemacht hätte, wenn er entweder nicht auf den ominösen Namen Müller getauft worden oder wenn er eine bessere militärische Erscheinung gewesen wäre. So war er trotz seiner großen Begabung zu der Ochsentour verurteilt und er sah seine baldige Verabschiedung voraus. Er sagte sich selbst, daß es weder schön noch gerecht von ihm sei, aber wenn er Udo Bodo, dessen geistige Unfähigkeit er besser als irgendein anderer beurteilen konnte, mit seinen fünf Orden auf der Brust stolz und siegesgewiß vor der Front stehen sah, dann bekam er vor Wut einen Koller und er machte seinem Herzen dann gehörig Luft, und am allermeisten ärgerte er sich dann darüber, daß Udo Bodo sich selbst darüber gar nicht ärgerte, sondern immer seine gleichmäßige Ruhe bewahrte. Man merkte ihm an, er hielt es unter seiner Würde, sich aufzuregen, noch dazu über einen bürgerlichen Vorgesetzten, der von Neid und Mißgunst erfüllt war.
»Einmal bekomme ich Dich doch schon noch klein, ehe Du stolz zu Hofe ziehst!« sagte sich der Hauptmann. Und er dachte sich eine Felddienstübung aus, die mit allen Schikanen der Neuzeit gepfeffert war, die eines Morgens um vier ihren Anfang nehmen und erst am nächsten Morgen um sieben ihr Ende erreichen sollte. Man wollte draußen abkochen, bei Dunkelheit sollte ein Nachtgefecht stattfinden, und bei Morgengrauen sollte der stundenlange Rückmarsch nach der Garnison angetreten werden.
»Udo Bodo, edler Graf von Adlershorst, auf den Tag freue Dich!« frohlockte der Hauptmann.
Aber sonderbarerweise freute Udo Bodo sich gar nicht, im Gegenteil, er sah dem Tag voller Schrecken und voller Unruhe entgegen. Aber im letzten Augenblick erbarmte das Militärkabinett sich seiner und schickte ihm ein Telegramm, in dem er zur persönlichen Vorstellung nach Berlin befohlen wurde. Der Tag seiner Reise fiel gerade mit dem Tag der Übung zusammen.
Als der Hauptmann dies erfuhr, bekam er beinahe einen Schlaganfall. Sein erster Gedanke war, die Übung auf einen andern Tag zu verschieben, aber das ging nicht, verschiedene Vorgesetzte, die dem Nachtgefecht beiwohnen wollten, hatten sich angesagt, ein General wollte sogar bei dem Abkochen zugegen sein, es half alles nichts, es mußte bei den getroffenen Dispositionen bleiben. Der Hauptmann knirschte vor Wut derartig mit den Zähnen, daß er sich seinen besten Vorderzahn abbrach, und das trug natürlich auch nicht gerade dazu bei, seine Stimmung zu verbessern, und als er am nächsten Morgen, sich selbst und seine verrückte Idee verwünschend, um vier Uhr mit seiner Kompagnie abrücken wollte, da stand Udo Bodo, dessen Zug um fünf Uhr nach Berlin ging, auf dem Kasernenhof, um sich dieses militärische Schauspiel, das ihm zu Ehren arrangiert war, wenigstens in seinem allerersten Stadium mit anzusehen. Am liebsten hätte sein Hauptmann ihn ermordet, das aber durfte nicht sein, so stieß er denn seinem Gaul die Sporen in die Seite, daß dieser hoch aufbäumte und seinen Reiter abwarf. Und auch das trug natürlich nicht dazu bei, die Stimmung des Herrn Hauptmanns zu erhöhen, zumal dieser sich bei dem Sturz gerade auf jene Körperstelle gesetzt hatte, die für die nächsten vierundzwanzig Stunden, wenigstens zum größten Teil, auf dem harten Ledersattel ruhen mußte.
Endlich zog die Kompagnie von dannen, und Udo Bodo fuhr glücklich nach Berlin, stellte sich dort vor, ließ sich mit seinen vielen Orden in allen möglichen Stellungen photographieren, amüsierte sich nach besten Kräften, und vor allen Dingen kaufte er sich drei sehr schöne Reitpferde, zwei sehr schöne Wagenpferde, sowie drei elegante Wagen, ein Dogcart, ein geschlossenes Coupé und eine Viktoriachaise. Und nachdem er alles in allem ungefähr vierzigtausend Mark für die Pferde und Wagen hatte anschreiben lassen, fuhr er nach Adlershorst, um dort den kurzen Rest seines Urlaubs zu verbringen und um seinem Vater diese vierzigtausend Mark aus der Tasche zu ziehen.
Im stillen hatte Udo Bodo gefürchtet, sein Vater würde über diese große Summe vielleicht doch etwas ärgerlich sein, aber statt dessen war Graf Kuno sehr froh darüber. Ihm fehlte nämlich seit langer Zeit wieder mal bar Geld im Haus, und so freute sich Graf Kuno geradezu über die große Summe, die er für Udo Bodo bezahlen mußte, denn das gab ihm endlich Gelegenheit, einmal wieder eine neue Hunderttausend-Mark-Anleihe aufzunehmen. Und vor allen Dingen hatte er bei dieser Anleihe vor sich selbst und vor den anderen eine große Entschuldigung; denn daß Udo Bodo natürlich nur die besten Pferde und die teuersten Wagen ausgesucht hatte, war selbstverständlich, das war er nicht nur sich selbst und seiner Familie, sondern vor allen Dingen auch seinem Prinzen schuldig. So schrieb er denn gleich am nächsten Tage seinem Rechtsanwalt, um die finanzielle Angelegenheit zu erledigen; und in der frohen Aussicht, bald wieder reichlich bar Geld zu haben, war er in der denkbar besten Laune.
Selbstverständlich war er auch über die seinem Udo Bodo zuteil gewordene Auszeichnung ganz aus dem Häuschen, und als Udo Bodo am letzten Tag zum Diner im Waffenrock mit seinen sämtlichen Orden erschien, empfand Graf Kuno vor seinem Sohne eine solche unbegrenzte Hochachtung, daß er sich eine Rose an den Frack steckte. Einer solchen Ordensdekoration gegenüber hatte er nicht den Mut, mit einem leeren Knopfloch zu erscheinen.