Hugo Ball
Der Henker von Brescia
Hugo Ball

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Erster Akt

Das Frauenhaus der Stadt Brescia. Niedrige frühgotische Gewölbehalle. Von dem Hauptraum laufen die einzelnen Dirnengemächer aus. Rechts, ziemlich im Vordergrund, die Stube des Henkers voller Gerät und Folterwerkzeug. Aber auch Vogelkäfig und Blumenstöcke. Vor der Stube eine Bank. Eine mächtige Schweinslederbibel darauf. Daneben Tisch und Stühle. In der Mitte eine Säule. Rot und grün sind die herrschenden Farben in Dekoration und Kostüm.

1. Szene

Barbiano (am Tisch, auf dem ein Haufe Geld aufgezählt ist) Nun, Henker, wie steht's? Das ist alles, was du eingenommen hast?

Henker Fünftausend Goldfloränen; Silber, Kupfer und Nickel. Einige waren auch da, die sie nur sehen wollten. Die ließen auch ein paar Denare.

Barbiano Pfui Teufel! Also fünfe! Und das waren?

Henker Da war Ihro Eminenz der Bischof Nikolaus von Brothonto. Samt bischöflicher Hofhaltung. Der ließ tausend Floränen.

Barbiano So ein Schuft! Als ob er nicht die Verordnung wüßte! Den Pfaffen, Juden und den Ehemännern ist es untersagt, sich an den offenen Weibern auszulassen. Hat er sich eingeschrieben?

Henker Es ist schwer, einen so hohen Herrn zu inkommodieren. Aber: er hat sich eingeschrieben.

Barbiano Er hat mir zwei isländische Falken geschenkt. Ich sag dir, mein Freund, zwei Falken – sie fressen mich arm! Lohn's ihm der Heilige Vater und fahr ihm ein Blitz in den Wanst, wenn er wiederkommt!

Henker Da war ferner der Safranhändler und Pfefferverkäufer, der am Palazzo Tibaldi drüben seine Niederlage hat. Ambrosius heißt er. Der ließ fünfhundert Floränen.

Barbiano Hat er was spendiert?

Henker Er hat den Fräulein blaue Schnüre geschenkt beim Abzug und dem Buben einen färbigen Vogel versprochen aus Indien.

Barbiano Eia, das läßt sich hören! Hoffentlich kommt er noch öfters. Wer war sonst noch da?

Henker Da war noch ein Anfänger aus dem Geschlecht der Brussati. Galeazzo mit Namen. Einer von denen, die Verse machen auf ihrer Mutter Geburtswehen. Einiges hat er auch vorgelesen. Aber die Verse sind hart und gewissermaßen zähflüssig. Es war ein großes Gelächter.

Barbiano Wie lang war er drinnen bei ihr?

Henker Zwei Stunden, wenn's hochkommt.

Barbiano Sieh mal an! Wenn er wieder kommt, grüß ihn! So so, Galeazzo! Und sag ihm: er soll sich mal wieder sehen lassen bei mir!

Henker Sodann zwei Herren, die ich nicht näher gekannt hab. Ich gab ihnen das Buch zum Einschreiben, aber sie sträubten sich.

Barbiano Verdächtig?

Henker Nein.

Barbiano Sonst was Besonderes?

Henker Der eine sah ans wie ein Schwein, sozusagen. Er hatte einen Rüssel und fing mit jedermann Händel an. Er rülpste nach allen Seiten und schraubte mir die Finger ein, als ich ihm meine Kammer zeigte. Er war ein Spaßvogel.

Barbiano Du bist ein Gemütsmensch. Wird er wiederkommen?

Henker Ich hab ihn vor Dero Eminenz seinen hochwohlgeborenen Bauch getreten und habe ihn auf die Treppe gesetzt. Da verwünschte er sein Dasein und das Eure und das Unserer Lieben Frau und er wird wohl nicht wiederkommen.

Barbiano Behandle mir die Kundschaft besser. Verstehst du mich? Behandle mir die Kundschaft besser! Sonst schlage ich dir die Faust ins Geld, daß die Funken spritzen!

Henker Beruhigt Euch, Herr! Man kann sich nicht bieten lassen, daß jeder Schneider und Schuster sein Maul in den Wind führt.

Barbiano Das war alles, was da war?

Henker Das war alles.

Barbiano Und wie benimmt sie sich?

Henker Merkwürdig, sozusagen. Höchst merkwürdig. Sie taut nicht auf, sondern sie vertrocknet. Sie schweigt jeden Tag um ein Glied mehr. Sie stirbt ab, sozusagen. Wie ein Kaktus gewissermaßen, wenn er nicht mehr begossen wird.

Barbiano Ei sieh mal an!

Henker Sie biegt sich nicht. Sie ist trotzig und schweigsam und sie bleibt dabei.

Barbiano Trotzig und schweigsam, sagst du! Sieh mal an! Sie ist trotzig und schweigsam! Und was hast denn du dazu getan, um sie aufzumuntern?

Henker Herr, man kann sie nicht mit Karessen traktieren wie ein gewöhnliches Weibsstück. Augen hat sie – solche Augen (er zeigt's). Ich hab es versucht. Ich habe ihr zugeredet. Drüben am Pfosten. Die Augen hat sie verkniffen, die Nasenflügel gebläht und mich gemustert vom Kopf bis zu [den] Füßen. Da war sie im Übergewicht und verlachte mich. – Herr, Ihr habt sie eingefangen bei der Nacht. Ihr habt Euch geirrt, Messer Barbo!

Barbiano Ich will wissen, was du getan hast, sie kirr zu kriegen!

Henker Was über die Schwelle geht und meinen Handschlag empfängt, das ist Henkersgut. Aber Ihr könnt sie verwechselt haben. Ihr könnt einen Sperber gefangen haben statt einer Drossel. Es war klobige Finsternis, habt Ihr gesagt. Da kann man nicht wissen. So ein Weibsstück verwandelt sich wie der Burrimalurio. (er bekreuzigt sich)

Barbiano Laß den Blödsinn! Ich will wissen, was du getan hast. Ich zerprügle dir sämtliche Knochen im Leib, wenn du den Mund nicht auftust.

Henker Rund herausgesagt, Herr: es ist ein Schwindel. Sie ist keine Königin.

Barbiano So so, sie ist keine Königin! Und warum denn, mein Freund?

Henker Herr, eine Königin!

Barbiano Heraus damit! Laß die Fisimatenten!

Henker Herr, es ist eine von Euren Geliebten, die Ihr hereingesteckt habt, um sie kirr zu kriegen.

Barbiano Hab ich Verkehr mit Weibern? Bin ich ein Sodomit?

Henker Herr, Ihr müßt nicht sagen, daß die Weiber zu den Tieren zählen! Da seid Ihr zu jung. Doch eine Königin, Herr! Eine Königin unter den Gelüstigen! Auf ihrem Haupt ruht die Gnade. Sie sitzt auf einem Stuhle aus Seide und Gold. Ihre Zofen geben acht auf ihren Gang, weil sie zerbrechlich ist vom Kopf bis zu den Füßen. Sie hat Erbarmen mit der Sündenlast und drückt die räudigen Kreaturen an ihr Herz. Sie ist ein Nachen voll Liebeslust. Sie ist fromm und gütig wie Muttermilch. Und säugt die Verkommen und Aussatzbrüder. Herr, wie käme sie so in ein Frauenhaus!

Barbiano Das will ich dir sagen, mein Freund: durchs Schlüsselloch. Unverzüglich: durchs Schlüsselloch.

Henker (mit Emphase) Eine Königin, Herr! Da steht sie, da schreitet sie! Ausgemergelt von innerem Feuer. Abgezehrt von Gebeten und Nachtwachen. Ihre Arme sind lang und dünn wie Gestrüpp. An jedem ihrer Finger hangen zehn Ertrinkende. Sie lächelt und ihre Augen tropfen wie die Talgkerzen beim Hochamt. Ihr Mund ist gleich dem Resonanzboden einer Geige. Ein Mandelgeruch strömt von ihm aus. Sie spricht: »Gebenedeit seid ihr, ihr Niederträchtigen, Auswurf! Ihr roten Verbrecher, ihr Pfützenlungrer und Wundenlecker. Der Wind wird heulen über die Giebel und Zinnen der Verdammnis. Die Luft wird fegen wie zehrendes Fetter. Die Nacht wird flackern. Ich aber segne und hätschle euch. Ich breite die Arme nach euch. Ich führe euch heim.« – Herr, wenn es möglich wäre, – ich könnte nicht weiterleben. Ihr wäret ein großer Schurke.

Barbiano Du bist ja gottesfürchtig! Du bist ja ein Pietist!

Henker Ja, Herr, ich hin gottesfürchtig. Ich bin's von Natur.

Barbiano Hahahaha! Seht euch den Bengel an! Triefäugig, krumm und mit spitzem Kopf! So was ist gottesfürchtig! Daumen hat er, einen Ochsen erwürgt man damit. Häßlich ist er und verpfuscht, daß man ihn geschwänzt sehen möchte, als Affe oder Hund, und von der andern Menschheit subtrahiert. So was ist gottesfürchtig! Bei jedem Geldstück, drauf ein abgeschlagner Kopf zu sehen ist, zuckt er zusammen. Bei jedem Ebenmaß und unverzerrten Glied, dem er begegnet, packt ihn die scheele Sucht. Sowas ist gottesfürchtig! Die Bürgerschaft hat ihm das Hackbeil anvertraut und nennt ihn rote Eminenz und geht ihm aus dem Weg. So was ist gottesfürchtig!

Henker Ihr lästert, Herr!

Barbiano So eine rote Bestie! So eine holzgeschnittene Belialsfigur! So ein Jungfernbolz, gottesfürchtiger!

Henker Herr, Ihr spottet und höhnt. Ihr wollt mich hetzen auf sie!

Barbiano Dich hetzen auf sie? Auf wen hetz ich dich denn?

Henker Herr, ich weiß nicht, was Ihr für Händel habt. Was Ihr da plant. Ich führte ein Leben recht und schlecht bei den Mönchen zu Padua. Ich habe die Bank gedrückt auf der Schule [zu] Bologna. Dann bin ich Henker geworden. Ich hab mich zurückgezogen von den Geschäften. Was bringt Ihr mir nun diese Königin her?

Barbiano Das Haus ist neu und die Stuben sind neu. Das muß man doch feiern!

Henker Herr, Ihr möchtet mich hetzen auf sie!

Barbiano Auf wen hetz ich dich denn?

Henker Herr, laßt die stichelnden Reden sein! Ich hab mich zurückgezogen. Ich führ ein beschauliches Leben mit meinen Dirnlein. Ich will nichts wissen von Euren Händeln. Ich habe Retorten gehabt voll Menschensaft und wollte den Luzifer besser machen an Schönheit. Das war alles umsonst. Ich warne Euch, Herr, vor dem Weibe!

Barbiano So ein Bestie hinterlistige! So ein Witzbold vertrackter!

Henker Herr, laßt mich in Frieden! Schafft sie beiseite, füttert die Karpfen damit! Werft sie in eine Grube voll Kalk und gebt Steine darauf! Da habt Ihr, was ich Euch raten kann. Wenn sie so hoher Geburt herrührt, das schlägt nicht zum Guten aus!

Barbiano Du bist ja ein seltsamer Eiferer!

Henker Herr, ich kenne die heimlichen Schriften und Lehren! Ich hab sie studiert bei den Mönchen zu Padua. Wenn Ihr Erlösung sucht, da ist alles umsonst. Ich kenne die heimlichen Weiber und die geöffneten. Ich konnte kein Weib mehr sehen, oder ich biß nach ihr. Ich hab in die Luft gebissen und mir die Hände zerkratzt vor Wollust. Ich habe im Staub gelegen, Schmutz vor dem Maule, und habe gelobt und gelästert. Wenn Ihr erlöst sein wollt, – da ist alles umsonst.

Barbiano Testa di cazzo! Was sprichst du von mir! Hol sie her, deine Königin! Ich will sie vermenschlichen!

2. Szene

Es läutet stark eine Hausglocke. Der Henker geht in die Kammer, holt zwei Stühle hervor, nimmt sein Schwert und stellt sich, das Gesicht gegen den Ausgang gerichtet, auf den Stühlen mit gespreizten Beinen auf.

Barbiano Was ist denn das für ein Geläute?

Henker Es läutet zur Vesper. So ist die Verordnung.

Barbiano (lachend) Vesper im Frauenhaus? Das ist ja ein schnurriges Wesen!

Der Bube (kommt mit einer langen Gerte und schreit) Heda, heraus da, ihr Dirnen und Hexenwische! (Die Dirnen kommen in gelben Mänteln mit blauen Schnüren und grünen Röcken aus ihren Zellen hervor. Lustig und widerspenstig mit Guitarrenspiel. Sie ziehen zwischen den beiden Stühlen und zwischen den Beine des Henkers hindurch. Der Bube zum Henker gewandt) Soll ich die andere auch austreiben?

Henker (nach einem Blick auf Barbiano) Hol' sie heraus!

Barbiano Das ist ja ein seltsames Zeremoniell!

Henker Es ist der Tribut. So ist die Verordnung.

Der Bube Heda, Frau Königin, auf, kommt heraus!

Barbiano Sie will nicht! Sie hat keine Lust! (Der Henker hat sich auf den Stühlen umgedreht gegen die Zelle der Königin).

Der Bube Sie will nicht? Heda, Frau Königin, Vesperstunde! (Er pfeift durch die Finger. Es läutet zum zweitenmal. An der Tür die letzte Dirne lenkt den Buben ab. Roswitha tritt auf.)

3. Szene

Henker (wirft sich zu Boden) Großmächtige Königin! Erlauchte Königin! Allererhabenste Königin!

Barbiano Henker, steh auf! (zu Roswitha) Wir sind gekommen. Margarete von Burgund, mit Euch zu plaudern.

Henker O Herr, seht hin, wie schön sie ist! Ich kann den Anblick nicht ertragen.

Roswitha Wer seid Ihr? Ich kenne Euch nicht.

Barbiano Dieser hier ist mein Freund, der Henker und Blutvogel von Brescia. Ich selber bin Barbiano, Stadthauptmann, desgleichen von Brescia. Warum erschreckt Ihr?

Henker O Herr, wie schön sie ist!

Roswitha Was wollt Ihr von mir? Laßt mich vorbei!

Barbiano Eine Kleinigkeit mit Verlaub. Ihr werdet den Kopf verlieren. Hört zu: Ihr sollt hingerichtet werden! (er geht auf sie zu)

Roswitha Bleibt mir vom Leibe! Kommt mir nicht nah! Was wollt Ihr von mir? (sie weicht zurück)

Barbiano Laßt Euch nicht schrecken! Wir sind nicht gekommen, Euch zu ängstigen. Wir sind gekommen, uns nach Eurem Befinden zu erkundigen. Habt Ihr zu klagen so über Verpflegung, Bett oder Tisch?

Roswitha Ich habe nicht zu klagen.

Barbiano Es ist viel, wenn ein Jungweib nicht zu klagen hat. Tag- und Nachthunger gibt es. Lustschaft und Leidschaft. Sehnsucht nach allerhand Himmelblau, Sonne und Nebel!

Henker O Herr, wie schön sie ist!

Barbiano (zu Roswitha, emphatisch) In der Tat: Euer Antlitz blüht! Euer Antlitz ist scharf gezackt wie der Blitz, der in ein Rosenfeld schlägt. Euer Mund ist ledig aller Schlaffheit, geschlossen und voll von gesättigter Kraft.

Roswitha Ich habe die Kraft, Barbiano, und habe mein Schweigen und habe die Rache, die Euch zerschmeißen wird, wenn mein Gemahl zurückkehrt, Euer Gemäuer in Stücke reißt, und Euch als Köder benutzt für die Fische. Laßt mich zur Vesper!

Barbiano Euch fehlt etwas. Ihr seid aufgebracht, Ihr seid überreizt.

Roswitha Was wollt Ihr von mir?

Barbiano Ich hab auf ein Lustspiel gesonnen, gnädige Frau. Ich hab einen Scherz erfunden. Ich hab Euch den Henker gebracht. Es schmerzt mich, daß Ihr kein Wort der Aufmunterung für ihn habt. Er ist treu und ergeben wie ein Tscherkessenhund. Er ist munter und aufgeweckt wie ein Kukutzer im Frühling. Ihr könnt ihn am Halse kraulen mit Eurer großen Zehe, er wird nicht widersprechen. Er lechzt nach einem Blick von Euch und Ihr verachtet ihn.

Roswitha O du! O du Kuppler! O du Eunuch!

Barbiano Nein nein, Madonna, das ist es nicht! Nicht daß ich ihn Euch empfehlen möchte. Da ist er zu grob gehobelt. So gern ich Euch dienen möchte, da taugt er nicht. »Freund Henker, sieh her, sind das Brüstlein? Ist das ein Leib? Sind das Finger und Handgelenke? Ist das ein Augenlid und ein Nacken?« So müßt ich sprechen. Aber das ist es nicht.

Henker (den Kopf auf dem Boden) O Herr, dieser Glanz! Ich kann's nicht ertragen!

Barbiano Da müßt ich sprechen: »Freund Henker, sieh her! Gibt es ein Weib, das sich königlicher gebart? Gibt es ein Weib, dem die Lust und der Wohlruch gewaltiger ausströmt? Auf ihrem kühn geschnittenen Antlitz zucken die ungeborenen Küsse. Um ihren Hals ist ein Reigen von Engeln. Ihren Leib hat in gotischer Meister geschnitzt und alle Grazien halfen die Linie biegen!«

Henker (stürzt sich auf sie, sie stößt ihn zurück)

Roswitha Ich hin das Weib König Heinrichs des Siebten!

Barbiano Der einen Römerzug unternommen hat.

Roswitha Ihr habt mich wider jed Recht und Gesetz in eure Stadt verschleppt!

Barbiano Ihr hättet Räubern in die Hände fallen können. Da haben wir Euch hierhergeritten.

Roswitha Ihr habt mich ohne Prozeß und Antwort zu den gelüstigen Frauen geworfen!

Barbiano Das ist keine Strafe für ein jung Weib. Das ist ein Vergnügen.

Roswitha Was wollt Ihr von mir?

Barbiano Ihr seid hochmütig und stolz. Das ärgert uns.

Henker Ja, alleweil, das ärgert uns!

Barbiano Ihr seid schweigsam und trotzig und habt Geheimnisse mit denen, die zu Euch kommen. Das macht uns neugierig!

Henker Ja, das macht uns neugierig.

Roswitha Ich sehe euch nicht. Ihr seid mir entsetzlich und furchtbar. Bestien, die einen scheelen Blick haben. Bestien, die mit hängender Zunge lauernd stehen.

Barbiano Wir meinen es gut mit Euch. Wir sind gekommen, Euch die Krone reginae bordelli aufs Haupt zu setzen.

Henker Was für eine Krone, Herr?

Barbiano Wir weihn ihr die Krone reginae bordelli! Verdient sie sie nicht?

Henker Herr, dabei bleibt Ihr nicht! Davon war nicht die Rede!

Barbiano (lacht)

Henker Herr, ich erschlage Euch! Nehmt Euer Wort zurück!

Barbiano Dummkopf!

Henker (versucht's mit Roswitha) Königin, nehmt diese Krone nicht an! Werft sie ihm vor die Füße! Ihr wißt ja nicht, was es damit für eine Bewandtnis hat! Wer sie getragen hat! Wer diese Krone anfaßt, herbergt die schwarze Pein im Gehirn. Wer diese Krone trägt, dem tropft glühendes Feuer vom Mund. Wer diese Krone aufsetzt, der buhlt mit den Fegfeuerseelen. (zu Barbiano) Ihr dürft es nicht, Herr, Ihr dürft es nicht tun! Sie wird mich ja prügeln, Barbara, der diese Krone gehört! Sie wird nach mir kratzen und beißen und spucken! Sie wird mich zu Schanden schlagen! (zu Roswitha) Gebenedeite Frau Königin, allerverehrteste Königin, nehmt diese Krone nicht an! Es ist nur ein zottiger Wisch ans Stroh und ein Bändel drum!

Barbiano (lacht)

Roswitha Wer ist das: Barbara?

Henker Eine spärliche Dirne aus Augsburg, gnädige Frau. Komödiantin von Beruf. Dann kam sie hierher mit dreißig Jährlein und fand ein Unterkommen bei uns aus Mitleid. Wir haben ein väterlich Auge auf sie und lassen uns raten von ihr. Nur daß sie etliche Mucken hat, gnädige Frau, und manchesmal störrisch ist. Dann muß man sie prügeln, und sie wird zahm wie ein Lamm.

Roswitha Wem gilt dieser Streich?

Barbiano Madonna, Euch schenk ich die Krone; weil Ihr ein Weib seid!

Roswitha Die Krone aus Stroh soll Heinrich den Siebten treffen auf meinem Haupt?

Barbiano Sie werden zu Dutzenden kommen und Euren Leib besteigen. Das ist es, Madonna!

Roswitha (schweigt)

Barbiano Sie werden Euch preisen und weiterpreisen. Sie werden Euch Hymnen singen und Psalmen und Lobgesänge. Das ist es, Madonna.

Roswitha O du! O du! O du Mißgeburt, der die Sinne versagt sind! O du betrogener Schelm, den des Daseins ekelt! Leichnam, mit Lichtern aufgeputzt, die die eigene Verwesung beleuchten! Verschnittener, der auf Sättigung hofft, und zu klein ist, hübsch zu verenden! O du Abenteurer deiner Verzweiflung!

Barbiano Ihr habt tief über mich nachgedacht, Madonna!

Roswitha Feigling, der sich kopfüber zur Hölle flüchtet, damit nur ein Glanz um ihn sei! Wicht und Zerstörungsengel, mit Pfützen behangen!

Barbiano Ihr beschämt mich, Madonna!

Roswitha (lachend) Sie mögen sich an mich hängen mit tausendfacher Begattung! Ich schüttle sie ab. Du magst mich mit Zucker und Rohfleisch füttern. Ich lache dich aus! Du magst mir die Drohnen und Henker und Wichte schicken! Wer füllt eines Weibertraums Wahnsinn aus, wer stillt mir die Lust? Wo ist Euer Witz, der mir Qualen erfindet? Sie werden zur Wollust. Was habt Ihr erfunden, was habt Ihr ersonnen? Kommt doch heraus damit! Wer bist du? Was hast du? Ein Frohhaus, in dem man die Lust verkauft nach Elle und Meter! Ein paar Begarden, die du geschickt hast! Und tapprige Männerschenkel, die mich »vernichten« sollen! (Sie geht ab. Der Henker stürzt sich zu Boden vor ihr.)

4. Szene

Barbiano Was sagst du dazu?

Henker Sie ist in die Vesper gegangen.

Barbiano Wie sie geht! Wie sie dasteht! Sie hat uns dumm gemacht! Man fühlt seine Ohren wachsen.

Henker Herr, wir müssen sie strafen dafür!

Barbiano Ja, das müssen wir, ohne Zweifel. Du setzt ihr die Krone aufs Haupt und wirst ihr eine Tracht Prügel verabfolgen, wenn sie sich sträubt! Wozu bist du der Henker!

Henker Herr, das geht nicht! Denkt an die Barbara!

Barbiano Mach's wie die willst! Den Kranz bekommt sie! Und wenn sie ihn morgen nicht trägt, wirst du ausgepeitscht. Laß dir das Nachtmahl schmecken!

Henker Gebt auf die Treppe acht, Herr, damit Ihr den Hals nicht brecht! (Barbiano ab. Der Henker holt die Bibel hervor, setzt sich auf die Bank vor dem Eingang zur Kammer, zieht seine Brille heraus und vertieft sich mit hochgezogenen Augenbrauen in die Lektüre. Die Dirnen kommen von der Vesper zurück, ziehen mit gefalteten Händen und verkniffenem Lachen an ihm vorüber. Als die Vorletzte Barbara. Sie bleibt vor dem Henker stehen und führt einen kleinen Tanz auf.)

5. Szene

Henker Barbara, laß das Tanzen sein!

Barbara Du hast mich doch selber gelehrt zu tanzen, wenn man aus der Vesper kommt!

Henker Ich sage dir, daß es sündhaft ist!

Barbara Warum soll denn das Tanzen sündhaft sein?

Die nit hupfet und springt,
Die geht mit eim Kind.
Muß rühwig sitzen beim Hoppeldei
In Ängsten und Hitzen.
Eiapopei!

Henker Ich sage dir, daß deine Gelenke mit dem Urin des Teufels geölt sind! Daß sündhaft ist am Menschen und Weibe, was sein Gewand bedeckt. Nur das Antlitz ist göttlich. Die Hände sind göttlich. Deshalb soll auf dem Antlitz des Menschen der Abglanz des Schöpfers liegen. Und seine Hände sollen sich falten zum Gebet und nimmer ablassen davon, damit sie gereinigt werden.

Barbara (lachend) Früher hast du gesagt, daß der Tanz wohlgefällig sei vor dem Herrn, hast meinen Leib nackend gemacht und mein Gesicht bedeckt.

Henker Es war Teufelsdienst. Wir haben die Messe geändert. Wir feiern nicht mehr Satanas, den Abtrünnling!

Barbara Aber mir ist wohlgefällig das Tanzen. Ich tanze und singe und grinse dazu!

Henker Das Teufelsglied schaut dir zwischen den Zähnen hervor! Ich aber sage: die Stimme hat mir ein Zeichen gegeben. Die Stimme hat mir gesagt: »Gehe hin und du sollst auch dein Ehweib erlösen!«

Barbara Was für eine Stimme hat dir denn das gesagt? Sieh meine Zunge: rot und sie schlängelt. Und wenn du Weihwasser an mich spritzest, dann zischt es.

Henker Die Stimme der sieben Himmel ist mächtiger als deine Teufelskunst!

Barbara (spielend mit allen Gliedern) Ich bin aber nicht dein Ehweib! Und wie hat denn die Stimme dir das gesagt?

Henker Die Himmel schweben wie luftige Schaukeln. Die Himmel steigen und fallen wie Feuerschrecken und Ketzerfahnen. Mächtige Arme haben mich angepackt und aufgehoben. Die Himmel der Seligkeit breiten sich aus.

Barbara Du bist ja ein Narr! Ein Ziegenbock hat dich angestoßen. Du hast eine indische Zwiebel gekaut.

Henker Engel mit Tromben und Pfeifen haben mich aufgeweckt. Engel, die mit dem Kopf an die Decke stoßen. Und deine zuchtlosen Tänze und Wortgebinde haben sie verflucht.

Barbara Ah, Lügenschüppel! Wenn du den Himmel gesehen hast – was gibt es denn dort? Was hast du denn dort gesehn?

Henker Barbara, sieh! Deine Glieder sind grob. Deine Nase ist plattgedrückt. Die Geburtszange sieht man an deiner gelben Stirn. Deine Zähne im Mund stehen kreuz und quer wie ein Kegelspiel, das im Umfallen ist.

Barbara (weiß nicht, was sie sagen soll)

Henker Barbara, sieh, deine Haut ist ein Madensack! Wanzen und Flöhe nagen sich fest daran, endloses Ungeziefer, endloser Schmutz. Die Haut juckt uns und ist rot gefleckt. Wir liegen am Boden und bluten und spucken. Wir schreien im Kot und duften nach Vieh. Aber der Schleier verpufft. Eine Decke hebt sich. Ein Blick tut sich auf. Grüne Gezelte und Wände, die ins Unendliche steigen. Glütige Vögel sitzen auf elfenbeinernen Simsen und fahren einher mit langen Schnäbeln und schreienden Liedern. Silberne Tore klingen in ihren Angeln. Regenbögen auf Nachtgewölk. Fanfaren aus Gold und Scharlachfahnen und Bruderschrei. Die Engel schauen weit vorgebeugt aus den Fenstern heraus. Die Straßen wanken und die Paläste der Seligkeit dröhnen. – So aber spricht die Stimme der sieben Himmel: »Gehet hin und tut Buße! Euch sei vergeben um eurer Königin willen. Euch sei verziehen um eurer gepriesenen Frau!«

Barbara Die Bäume essen Salat. Und mit Hostien werden die Gänse gefüttert. – Was ist denn das für eine Königin?

Henker (verwirrt) Ja, was ist das für eine Königin? Was soll das für eine Königin sein?

Barbara Sieh einer an! Sein Schwert ist voll Schopfhaar und klebrigen Bluts und er träumt von Königinnen. Seine Hand hat Menschen erwürgt, und was er für Himmel dichtet! Uns hängt er ein Konterfei Unsrer Lieben Frau in die Zelle! Er selber träumt von den fleischlichen Königinnen!

Henker Barbara, gib deine Krone her! Messer Barbo hat es gesagt!

Barbara Greifen muß er sie können, die Königin, mit der er durch seine Himmel fliegt! Das ist eine brave vortreffliche Königin! Durch die Schmelzhölle ist sie geflogen und hat sich die Flügel verbrannt! Den Henker hat sie gesehen und hat keinen Abscheu bekommen! Eine Königin ist es, die jedermann haben kann! Eine Buhlkonkurrenz, die die Stadt aufwiegelt. Ein Inkubus, ein verkappter, den Ser Barbiano hereingeschleppt hat!

Henker Gib die Krone heraus, Messer Barbo will es so haben!

Barbara (schlägt sich auf den Busen) Hier steckt sie! Hier steckt sie! Nimm sie dir doch!

Henker Laß die Narrenpossen! Gib die Krone heraus!

Barbara Für wen denn, Herr Ritter? Für wen denn, Euer Gnaden? Für Ihro Frau Königin etwa?

Henker Gib die Krone her!

Barbara Eine schöne Königin, der man die Lästerkrone geben muß!

Henker Sie verdient die Krone besser als du!

Barbara Sie verdient sie besser? So so! Was hat sie denn aufgestellt? Etwa mit dir und dem Salbenverkäufer? Etwa mit dem verlotterten Erzbischof da und diesem Affen von Verseschmied? Aber sie ist gar keine Königin, die Königin, die du haben willst!

Henker Sie hat meinen Handschlag empfangen. Sie gehört mir!

Barbara Aber es widert sie deiner! Du bist ihr nicht gut genug trotz deiner Scharlachhosen! Sie hält dich am Gimpelstrick; weil sie gar keine Königin ist.

Henker Lästermaul, gib mir die Krone her!

Barbara Du denkst wohl, daß sie dich mitnimmt, wenn sie herauskommt! Und dich zum Troßknecht macht! Daß du Profoß für die Buben wirst und die Schlüssel erhältst zum Falkenturm, wenn du fein artig tust und ihr die Füße kraulst! Daß sie dich rasch ins Federbett legt und dir die Borsten striegelt! Aber da sind deine Ohren zu lang. Da bist du zu krustig dazu! Und sie ist gar keine Königin!

Henker (schaut sie nur an)

Barbara (leise, schleichend) Bist du in der Stadt Lüttich gewesen und bei den Luxenburgern? Bist du bei den Krakowianern gewesen und in der Kaiserstadt Aachen? Da sperrst du die Nase auf! Da siehst du, was für ein Quark du bist! Aber ich, ich bin dort gewesen! Ich habe die Grafen und Ritter mit meinen Augen gesehen! Ich habe die aufgetakelten Damen und Herrn gesehn bei der Feierkomedy zu Aachen! Da sperrst du die Nase auf und die langen Ohren! Ich hab ihn gesehen, den König von Lützelburg und die hochgeborne Frau Königin! Da hast du die Jauche gefahrn bei den Mönchen zu Rimini!

Henker Hinausgepeitscht haben sie dich aus der Kaiserstadt Aachen! Du hast es ja selber erzählt!

Barbara Ich hab sie gesehen, die Königin! Ich hin ihr vorbeigetanzt auf dem Kronfeste zu Aachen!

Henker Einen Lumpengalan, einen hörnigen, hast du gehabt! Den Zingulafahnen habt ihr stehlen wöllen! Da haben sie euch aus der Stadt geprellt!

Barbara Ihre Fingerspitzen hab ich berührt! Das war die Königin, die burgundische! Aber diese da, deine Königin, ist ja erlogen! Ein Butzen, den man vertauscht hat! Eine aus ihrem Gesind vielleicht und riecht nach den Kleidern der Königin!

Henker Barbara, sieh, da haben wir Haus gehalten rechtschaffen selbander. Ich habe die Köpfe gefällt rechtschaffen und habe den Galgen bedient. Ich habe mein Seelheil verpfändet mit Leibaufschneiden vor den gelehrten Herren. Das ist verboten. Ich habe den Pfennig gemehrt mit Leichausgraben auf dem Gottesacker zur Nachtzeit für die Schacherjuden zu Venedig. Und hab dir ein perlernes Schopftuch gekauft, weil du hoffärtig warst rechtschaffen, und ich war grad gewachsen und grob und räß. Aber es ist etwas wach geworden in mir und reißt an der Kette bei Tag und Nacht. Es bellt mir die Ohren voll. Ich lache ihm laut ins Gesicht, ich kann nicht mehr sitzen und stehen und liegen bei Tag und bei Nacht: es duckt sich und setzt sich zum Sprunge und trifft mich, daß mir der Schweiß ausgeht.

Barbara Du hast doch dein Handwerk geübt rechtschaffen! Was hast du zu schreien und Lärm zu machen?

Henker Barbara, sieh: eh ich selbige sah, da wußt ich nicht, daß ich ein Schrecken bin; daß es vor Wollust war, wenn ich die Köpfe ins Gras ließ beißen! Aber nun platzen die Himmel auf. Eine Hand greift herunter. Berge aus Purpur. Sonnen am Himmel wie Wurzelstöcke im Wald, die von Axthieben zerschlachtet sind. – Zerstör' mir die Gnade nicht und die Erlösungshoffnung, sonst bin ich verloren!

Barbara Siehst du jetzt, daß du mich liebst!

Henker Was verstehst du am End von der Liebe! Sag, daß du gelogen hast!

Barbara Wenn du sie besser liebst als mich, geh doch hin zu ihr, laß dich erlösen von ihr! Stell doch ihr Bild auf neben der Jungfrau!

Henker Das braucht keine Jungfrau sein und nichts mit Salben und Heiligenschein! Das braucht nicht von Bethlehem herzukommen und mit dem Spieß in die Seite gestochen!

Barbara Du glaubst es ja selber nicht, daß eine Königin Lust hat, mit dir zu schäkern! Frag sie doch selbst, was sie sagt dazu! Geh doch hin zu ihr, frag sie doch selber! (Barbara ab. Roswitha kommt von der Vesper zurück.)

6. Szene

Henker (eruptiv) Halt! Hier kommt Ihr nicht durch oder steht, Ihr mir Rede!

Roswitha Wer erlaubt dem Profossen eines Bordells, mich zur Rede zu stellen?

Henker Die Not. Steh mir Rede!

Roswitha Dein Gesicht ist keines Menschen Gesicht! Weich mir aus den Augen!

Henker Ich habe dich nicht behelligt seit Wochenfrist. Ich habe dich wandeln lassen seit Wochen ungestört. Aber nun bist du in meiner Gewalt. Ich kann dich ausblasen wie eine Kerze. Da frage ich dich und ertrag's nicht mehr.

Roswitha Du bist mir ein Gräuel. Du stehst voller Fäulnis da wie ein Baum aus dem Sumpf, der sich aufgemacht hat und hierherkam.

Henker Tu mir Bescheid. Die Flamme frißt mir von innen die Brust auf. Du sollst mir Rede stehn. Ich begehre dich nicht.

Roswitha Ich stehe dir Rede. Was willst du?

Henker Kennst du den heiligen Franz von Assisi?

Roswitha Ich kenne die heiligen Männer nicht.

Henker Du kennst ihn. Was hältst du von ihm?

Roswitha Ich kenne ihn nicht.

Henker Du lügst! O wie sie lügen alle und alle erbärmlich sind!

Roswitha Franziscus von Assis war wohl ein Eiferer unter den Bettelmönchen.

Henker Du kennst ihn! Steh Rede von ihm!

Roswitha Der heilige Franz von Assis liebte die Menschen so sehr, daß er als Bettler ging um der Scham und des Unterschieds willen.

Henker Du kennst ihn mit besserer Einsicht. Du willst dich nicht öffnen. Steh Rede von ihm!

Roswitha Der heilige Franz von Assisi nahm einen Stein, der am Wege verlassen lag, trug ihn nach Hause und pflegte ihn so mit Jauchzen und Inbrunst, bis aus dem Stein die Zähren der Dankbarkeit brachen und er mit Rede anhub wie ein jüngerer Bruder.

Henker Jetzt sprachst du die Wahrheit. Was hältst du von ihm?

Roswitha Der Heilige Franz von Assisi war eine Kruste von Schmutz. Sein Mund sang göttliche Lobgesänge. Sein Haupthaar strotzte von Ungeziefer. Aber er küßte den Käfer und jegliches Tier und pflegte sein Haupthaar für Gottes Geschöpfe.

Henker (jubelnd) Der heilige Franz von Assis ist aus der Gruft gestiegen und liegt mir im Ohre bei Tag und bei Nacht! – Steh mir Rede: was hältst du vom Antichrist?

Roswitha Laß mich zur Zelle! Ich weiß nicht die Mär vom Antichrist!

Henker Du kommst nicht hindurch! Ich frage mit Henkersgewalt: Steh Rede vom Antichrist! Schlitzaugen hat er, ein lächelnd Gesicht und ein kaltes Herz. Er will den Herrn Jesum stürzen. Was hältst du von ihm?

Roswitha Der Teufel geht um in verschiednen Gestalten. Er wird den Herrn Jesum nicht stürzen. Wenn er ihn stürzte im Könige, bräch er hervor aus den Henkern!

Henker Du kommst aus der Messe. Wenn aber einer die Messe geschändet hat, rohlings geschändet und Unzucht geritten auf dem Altar? Mit den Dirnen im Meßwein gebadet?

Roswitha Dann wird ihn der Himmel verzehren bei lebendem Leibe.

Henker (leise, traurig) Ich hab meine Mutter besudelt und meine Schwester geschändet.

Roswitha Du bist kein Mensch. Du bist nur ein Tier!

Henker (hinstürzend) Ich habe gewinselt und mich kasteit. Ich habe mich selbst zerrissen und wieder errichtet. Ich habe geflucht und gebetet. Ich heule zum Himmel: Ich bin ein Mensch! Ich schreie zum Himmel, bis mir die Lunge zerspringt. Ich kralle mich fest mit beiden Händen in diese Luft, die vom Himmel kommt! Ich hin ein Mensch, auch ich bin ein Mensch. Hab ich nicht Adern und Knochen und Blut? Kann ich nicht schreien und toben und fluchen ganz wie ein Mensch? Heilige mich! Da bist du! Da stehst du! Ich weiche nicht eher vom Platz, bis ein Wunder geschieht und die Engel des Himmels wie Pfeile zum Abgrund fahren, um mich zu retten!

Roswitha Sieh mich an, schau auf! Ich bin schön wie ein Erzengel. Schön wie der Luzifer.

Henker Herrin, Ihr blendet mich! Herrin, wer seid Ihr, daß Ihr so glänzt und Euch beugt zu mir?

Roswitha Sieh mich an! Mir ist Macht gegeben im Himmel und auf der Erde!

Henker Ihr fürchtet, daß ich begehren könnte nach Euch!

Roswitha Du kannst nicht meiner begehren. Ich bin überhoben als deine Königin.

Henker Sie sagen, Ihr seid nicht die Königin, und alles, was ich Erlösung hoffte, war nur umsonst.

Roswitha Wer hat es gesagt?

Henker Barbara sagt es. Alle sagen es. Sie hat Euch gesehen beim Kronfest zu Aachen.

Roswitha Sie hat mich gesehen zu Aachen! Da glaubt ihr's! Weil es beim Kronfest war.

Henker Ich habe mit Gott und dem Teufel gewettet! Ich habe mein Seelheil verpfändet!

Roswitha Müsset vertrauen, so wird Euch geholfen sein!


[Vorhang.]


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