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Nachwort

Er ist nun sechzig Jahre alt und seine Bücher füllen, nebeneinandergestellt, längst einen ganzen Schrank, welche Sphäre des Geistes immer man sich aussuchen mag, sie ist gewißlich darin vertreten, Philosophie und Kunstgeschichte, Romane und Theaterkritiken, Sozialwissenschaften und Religiosität, Novellen und Politik, denn es gibt in unserer ausgebreiteten geistigen Welt kein Ding, das dieser leidenschaftliche Neugierige nicht durchforscht, keine Strömung, von der er sich nicht mitreißen ließ, keinen Künstler und kein Buch, dem er fremd geblieben wäre. Es hat vielleicht die ganze neuere Literatur kein fähigeres, wacheres und lebendigeres Leben aufzuweisen als das Hermann Bahrs, das den Linzer Advokatensohn in sechzig Jahren von Wien nach Berlin, nach Paris, dann nach Spanien und Rußland und wieder zurück nach Deutschland geführt hat, wo er nun seit dreißig Jahren Vorkämpfer alles Lebendigen, der bereiteste Versteher alles Neuen und gleichzeitig der gebildetste Anwalt des überkommenen geistigen Besitzes von den Griechen und Klassikern bis zu Goethe ist.

Das Wunderbare an dieser umfassenden Bildung ist nun bei Hermann Bahr, daß dieses Wissen nicht auf ihn drückt, ihn nicht beschwert und philologisch unverständlich in seinen Schriften macht, sondern daß eine ihm zutiefst eingeborene wunderbare Leichtigkeit das Komplizierteste jedes Problems gleichsam spielhaft aufzurollen versteht. Im untersten Grund seiner Natur steckt weit hinter allem Wissen eine unerschütterliche, urgesunde Heiterkeit, die er manchmal in seinen ganz leichten freien und spielhaften Stunden lose und übermütig in die Welt tummeln läßt. Dann entstehen Komödien wie »Das Konzert«, »Der Querulant«, »Die Kinder«, »Josefine«, die über Hunderte und Tausende von Bühnen bis hinüber nach Amerika gegangen sind, dann entstehen kleine, ganz aus Laune und Beobachtung geschriebene Novellen, wie deren einige dieser Band aus früherer Zeit zusammenstellt. Leichtigkeit ist für Bahr keine Anstrengung, sie ist ihm so natürlich wie der Atem und gänzlich wesenhaft, ebenso wie die glitzernden Einfälle, die blendenden Paradoxen und oft sehr bedeutenden Aphorismen nicht durch angestrengtes Nachdenken ersonnen, sondern aus innerem Reichtum verschwenderisch gegeben sind. Immer hat man darum bei aller gelegentlichen Produktion, selbst bei der kürzesten Skizze oder im zufälligen Feuilleton den Eindruck, daß hier einer quellhaften, ja überströmenden Lebenskraft leicht und in heiterer Laune glitzernd ein Strahl funkelnd absprüht, nie hört man ein Pumpwerk stöhnen und ächzen, um so hoch ins heitere den kreisenden Einfall zu schleudern. Solche Leichtigkeit zeigt mehr als alles Schwierige dieses Mannes ungeheure Vitalität, die sich nun seit vierzig Jahren, statt zu erschöpfen, beständig steigert und deren Puls bis in das letzte Äderchen seiner Kunst, bis in die kleinste Gelegentlichkeit seiner geistigen Laune mitpocht. Gewiß besteht ein großes Verkennen der wahrhaften Bedeutung Hermann Bahrs, wenn man ihn zufällig einzig und allein aus seinen leichten Spielen, seinen spaziergängerischen Skizzen und Feuilletons kennt, aber immerhin deuten selbst diese flüchtigen, nur mit spielender Kraft des Wesens geschaffenen Werke schon deutlich auf die Fülle hin, der sie entspringen. Aber ganz wird man seiner Weite erst durch den Kontrast gewahr, durch die tiefsinnigen und bedeutenden Essays der »Summula«, den »Dialog von Marsyas« oder einige seiner Romane, und vielleicht verleitet gerade eine Auswahl seiner leichten Skizzen wie die vorliegende manchen Leser, nun nach dem jugendlich plaudernden auch den gereiften, den ernsten, an sich bauenden und um ein religiöses Weltbild leidenschaftlich bemühten Hermann Bahr von heute kennenzulernen.

Salzburg, Februar 1924.

Stefan Zweig

 

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