Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Neuntes Buch

 

Erstes Kapitel

O Herr, ich bin dein Knecht, deiner Magd Sohn; du hast meine Bande gelöset. Dir will ich Dank opfern und des Herrn Namen verkünden. Es soll dich loben mein Herz, preisen soll dich meine Zunge, und alle meine Gebeine müssen sagen: Herr, wer ist dir gleich? So sollen sie sagen, und antworte mir und sage meiner Seele: Ich bin dein Heil. Wer bin ich und was bin ich? Gibt es ein Böses, das ich nicht getan, oder wenn ich es nicht getan, so doch geredet, oder wenn ich es nicht geredet, so doch gewollt habe? Du aber, o Herr, du bist barmherzig, und die Tiefe meines Todes beachtend, schöpftest du mit deiner Rechten und bis auf den Grund meines Herzens die Tiefe des Verderbens aus. Und dadurch wollte ich nicht mehr nach meinem, sondern nur noch nach deinem Willen. Wo aber, wo in so später Zeit und aus welcher tiefen und doch so hohen Verborgenheit ward im Augenblick mein freier Wille hervorgerufen, daß ich meinen Nacken unter dein sanftes Joch beugte und meine Schultern unter deine leichte Bürde, Jesus Christus, mein Helfer und mein Versöhner? Wie herrlich war es mir plötzlich, die Reize der Nichtigkeiten zu entbehren, und wenn ich ihren Verlust sonst fürchtete, war es mir jetzt eine Freude, sie preiszugeben. Denn du warfst sie von mir, du wahre und höchste Wonne, du warfst sie von mir und tratest an ihre Stelle, wonniger als alle Wonne, freilich nicht dem Fleisch und dem Blute; leuchtender als alles Licht, aber tiefer liegend als alles Verborgene; höher als alle Herrlichkeit, doch nicht denen, die sich selbst hoch dünken. Schon war meine Seele frei von den nagenden Sorgen des Ehrgeizes und der Gewinnsucht, des Wälzens und Schattens im Schlamme der Lüste; ich lallte wie ein Kind dir entgegen- meiner Klarheit, meinem Reichtume, meinem Heile, Gott, meinem Herrn.

 

Neuntes Buch – Zweites Kapitel

Und ich beschloß vor deinem Angesichte, den Dienst meiner Zunge vom Markt der Geschwätzigkeit nicht gewaltsam, sondern unbemerkt zurücktreten zu lassen, damit nicht ferner Jünglinge, die nicht bedacht sind auf dein Gesetz, nicht auf deinen Frieden, sondern auf lügenhaften Unsinn und gerichtliche Streitigkeiten, sich nicht aus meinem Munde die Waffen kauften für ihre Raserei. Glücklicherweise waren nur noch wenige Tage bis zu den Ferien der Weinlese, und ich beschloß, so lange noch in meinem Berufe auszuharren, um ehrenhaft abzutreten und freigekauft von dir nicht wieder ein feiler Sklave zu werden. Diese unsere Absicht wurde einzig und allein unter deiner Zeugenschaft gefaßt, sie war niemandem außer den Unsrigen bekannt. Und wir kamen überein, daß dieser Plan nicht diesem oder jenem verraten wurde, obwohl du uns, die wir aus dem Tränental aufstiegen und den Stufenpsalm sangen, scharfe Geschosse gabest und glühende Kohlen gegen die trügliche Zunge, die unter dem Schein, Gutes zu raten, vom guten Vorsatz abrät und uns aus falscher Liebe verzehrt, die wir die Speise zu uns nehmen.

Du hattest unser Herz durch deine Liebe getroffen, und wie im Herzen haftende Pfeile trugen wir deine Worte; die Vorbilder deiner Knechte, die du aus Schatten zu Kindern des Lichtes, aus Toten zu Lebenden umgewandelt hattest, vereinigten sich im Schoß unserer Gedanken und verbrannten und verzehrten die schwere Erstattung, damit wir nicht zur Hölle führen, und sie begeisterten uns mächtig, so daß jeder Hauch der trügerischen Zunge des Widerspruchs uns nur um so schärfer entflammte, nicht aber erlöschen ließ. Da jedoch deines Namens wegen, den du auf Erden heiligtest, unser Vorhaben und unser Entschluß großes Lob erfahren würde, so erschien mir es wie Prahlerei, nicht bis zu den demnächstigen Ferien zu warten, sondern noch vorher aus meinem öffentlichen Amte vor den Augen aller auszuscheiden, so daß sich aller Blicke auf meine Tat gerichtet haben würden, wodurch es scheinen konnte, als ob ich dem Tage der Weinleseferien hätte zuvorkommen wollen, und viele hätten mir dann nachgesagt, daß ich es getan hätte, um groß zu erscheinen. Und wozu erst, daß über meine Gesinnung hin und her geurteilt und gestritten würde und unser Schatz verlästert würde?

Dazu kam, was mich zuerst beunruhigt hatte, daß durch angestrengte literarische Tätigkeit im Sommer meine Lunge angegriffen war, mir das Atemholen erschwerte und durch Brustschmerzen mir ihren leidenden Zustand verraten hatte. Meine frühere klare und volle Stimme versagte ihren Dienst, und ich war schon dadurch genötigt, die Bürde meines Amtes abzulegen, oder doch, um mich auszuheilen und gesunden zu können, eine Unterbrechung eintreten zu lassen. Als aber in mir der volle Wille aufging und fest ward, mein Amt aufzugeben und zu sehen, daß du der Herr bist, da freute ich mich, o mein Gott, du weißt es, daß diese Entschuldigung keine Lüge war, den Anstoß der Leute weniger zu erregen, die um ihrer Kinder willen mir keine Ruhe ließen. Voll Freude ertrug ich nun jene Zwischenzeit, bis sie ablief, ich glaube, es waren an die zwanzig Tage, aber tapfer wurden sie ertragen, weil die Begierde zurückgetreten war, welche mir die schwere Arbeit ertragen half, und ich war der Erdrückung preisgegeben, wäre nicht die Geduld an ihre Stelle getreten. Vielleicht hätte einer deiner Diener gesagt, daß ich gesündigt habe, weil ich, das Herz begierig dir zu dienen, es über mich gebracht habe, auch nur eine Stunde noch auf dem Lehrstuhle der Lüge zuzubringen. ich kann mich nicht dagegen wahren. Du aber, o Herr, voll Erbarmens, hast du nicht auch diese Sünde mit den übrigen schreckenvollen und trauererregenden mir in deinem heiligen Wasser verziehen und erlassen?

 

Neuntes Buch – Drittes Kapitel

Verecundus aber ward von Bangigkeit bei unserem Glücke verzehrt, weil er sah, daß er seiner Bande wegen, die ihn förmlich fesselten, von unserer Gemeinschaft ferngehalten werde. Er war, obwohl seine Gattin gläubig war, noch kein Christ; aber weil seine Frau gläubig war, ward er durch sie wie durch eine engere Fessel von dem Wege, den wir eingeschlagen hatten, zurückgehalten, denn er wollte, so sagte er, auf keine andere Weise Christ sein als auf die, da er es doch nicht sein konnte. In seiner Güte machte er uns das Anerbieten, die Zeit unseres dortigen Aufenthaltes auf seinem Landgute zu verbringen. Du wirst es ihm verzeihen, o Herr, bei der Auferstehung der Gerechten. Du selbst hast ihm ja sein Erbteil verliehen. Denn in unserer Abwesenheit, als wir schon in Rom waren, ward er von einer Krankheit ergriffen, und in ihr zum gläubigen Christen geworden, schied er aus diesem Leben. So hast du dich seiner und unser erbarmt, daß wir beim Andenken an die ungemeine Leutseligkeit des Freundes gegen uns nicht von unerträglichem Schmerz gequält wurden, wenn wir ihn nicht zu deiner Gemeinde zählen konnten.

Dank sei dir, unser Gott, wir sind die Deinen, das bezeugen deine Ermahnungen und Tröstungen: treuer Verheißer, vergelten wirst du dem Verecundus für Cassiciacum, sein Landgut, wo wir vom unruhigen Treiben der Welt ruhten in dir; vergelten wirst du es ihm mit der Wonne deines immer grünenden Paradieses, weil du ihm seine Sünden noch auf Erden vergabst, auf dem fruchtbaren Berge, auf deinem Berge, dem fruchtbaren Gebirge.

Damals aber war er in Betrübnis; Nebridius aber freute sich mit uns; denn obgleich er, noch kein Christ, in den Abgrund jenes verderblichen Irrtums gefallen war, daß er den Leib deines Sohnes, der die Wahrheit ist, für einen Scheinkörper hielt, erhob er sich doch aus solchem Irrtum und war, obwohl er noch nicht in die Geheimnisse unserer Kirche eingeweiht war, doch ein begeisterter Forscher der Wahrheit. Nicht lange nach unserer Bekehrung und der Wiedergeburt durch deine heilige Taufe ward er ein gläubiger Christ und diente dir in vollendeter Keuschheit und Enthaltsamkeit in Afrika bei den Seinigen; nachdem er sein ganzes Haus zum Christentum bekehrt hatte, da erlöstest du ihn von diesem Leibe, und nun lebt er in Abrahams Schoß. Was es auch ist, was mit diesem Schoße bezeichnet wird, dort lebt Nebridius, mein teurer Freund, einst ein Freigelassener, den du, Herr, zu deinem geistlichen Kinde angenommen hast; ja dort lebt er. Denn welchen andern Ort gäbe es für solch eine Seele? Dort lebt er, worüber er mich armen, unwissenden Menschen viel fragte. Er neigt nicht mehr sein Ohr zu meinem Munde, sondern den Mund seines Geistes an deine Quelle und trinkt in durstendem Verlangen Weisheit, selig ohne Ende. Doch glaube ich nicht, daß er so sehr davon trunken werde, daß er meiner vergessen könnte, da auch du, Herr, der du sein Trank bist, meiner gedenkest. So lebten wir also, den trauernden Verecundus tröstend, in ungetrübter Freundschaft über unsere Bekehrung und ermahnten ihn zur Treue in seinem Stande, d. h. in seinem ehelichen Leben, warteten aber, wann Nebridius nachfolgen würde, wozu er schon ganz fähig und vorauszusehen war, daß er es sehr bald tun würde; endlich nahte auch mein Tag, auf den ich im Verlangen nach Freiheit vom Berufe lange geharrt, um aus vollem Herzen zu singen: Mein Herz hält dir vor dein Wort, dein Angesicht habe ich gesucht! Dein Angesicht, o Herr, will ich suchen.

 

Neuntes Buch – Viertes Kapitel

Endlich kam der Tag, an welchem ich auch in der Tat von meinem Berufe erlöst werden sollte, wie ich es ja im Geiste schon war. Und es geschah. Frei wie mein Herz hattest du auch meine Zunge gemacht; freudig pries ich dich und ging mit all den Meinen auf das Landgut. Wie ich mich dort mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte, die deinem Dienst geweiht waren, aber die Schule des Stolzes noch ausschnauften, wie beim Ausruhen, davon legen die Schriften Zeugnis ab, welche die Unterredungen mit den Anwesenden und mir selbst in deiner Gegenwart enthalten; wie ich aber mit dem Nebridius, der ja abwesend war, verkehrte, davon zeugt unser Briefwechsel. Warm aber würde die Zeit zureichen, alle deine großen Wohltaten, die du mir erwiesen hast in jener Zeit, zu erwähnen, besonders da ich zu andern größern eile? Meine Erinnerung ruft mir mein damaliges Ich ins Gedächtnis, und es ist süß für mich, Herr, dir zu bekennen, durch welchen innerlichen Stachel du mich vollends gezähmt und wie du die Berge und Hügel meiner Gedanken erniedrigt und, was krumm war und uneben, geebnet hast, wie du auch selbst den Alypius, den Bruder nach meinem Herzen, dein Namen deines Eingeborenen, unseres Herrn und Erlösers Jesu Christi, unterworfen hast, dem er anfangs in unserer literarischen Tätigkeit keinen Platz einräumen wollte. Er wollte sich lieber am Duft der Zedern, die der Herr schon zerbrochen hatte, als an dein heilbringenden Kraute der Kirche, dem Heilmittel wider die Schlange, laben.

Wie pries ich dich, o mein Gott, da ich die Psalmen Davids las, die Lieder des Glaubens, die Töne der Gottesfurcht, die mit ihrem Schall den Geist der Aufgeblasenheit vertreiben; ich las sie als Katechumen, noch ein Neuling in der wahren Liebe zu dir, da ich auf dem Landgute mit Alypius, der auch Katechumen war, der Ruhe lebte und die Mutter uns anhing in stiller Weiblichkeit, mit festem Glauben und der Sicherheit, die das Alter verleiht, mit der mütterlichen Liebe, in christlicher Frömmigkeit. Wie pries ich dich bei diesen Lobgesängen, wie ward ich durch sie zu dir begeistert und entflammt, sie, wenn es möglich gewesen, dem ganzen Erdkreise als heilsames Mittel wider des Menschen Stolz zu verkündigen! Und doch werden sie auf dem ganzen Erdkreis gesungen, und keiner ist, der sich vor deiner Hitze verbirgt. Von welch heftigem und großem Schmerze ward ich wider die Manichäer ergriffen und von ebenso großem Mitleid gegen sie, daß sie jene göttlichen Geheimnisse, jene Heilmittel nicht kannten und heillos der Arznei widerständen, durch welche sie gesunden könnten! Ich wünschte nur, daß sie damals ohne mein Wissen in meiner Nähe gewesen wären und mein Angesicht geschaut hätten und meine Stimme gehört, wenn ich in jener Ruhezeit den vierten Psalm las, und wie dieser Psalm auf mich wirkte: Erhöre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit, der du mich tröstest in Angst; sei mir gnädig und erhöre mein Gebet. Sie hätten es hören sollen, wenn sie es ohne mein Wissen hätten hören können, damit sie nicht meinten, ich hätte um ihretwillen also gesprochen; sie hätten es hören sollen, was ich unter jenen Worten sprach. Denn ich hätte es gewißlich nicht gesprochen noch hätte ich es so gesprochen, wenn ich gewußt hätte, daß ich von ihnen gehört würde, noch würden sie es so aufgenommen haben, als wenn sie es hörten, wie ich mit mir und für mich in deiner Gegenwart in vertrauter Andacht meiner Seele redete.

Denn ich erschauderte fürchtend und zugleich erglühte ich hoffend in jubelnder Freude zu deiner Barmherzigkeit, o Vater. Und alles dies leuchtete aus meinen Augen, sprach aus meiner Stimme, wenn dein guter Geist zu uns gewendet spricht: Liebe Kinder, wie lange soll meine Ehre geschändet werden; wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lügen so gerne? Denn ich hatte einst die Eitelkeit lieb und suchte die Lüge. Und du, Herr, hattest erhöhet schon deinen Heiligen und ihn erwecket von den Toten und gesetzt zu deiner Rechten, von wannen er niedersendet den verheißenen Geist der Wahrheit; und er hatte ihn bereits gesandt und ich wußte es nicht. Er hatte ihn gesandt, weil ich schon erhöhet war, auferstehend von den Toten und auffahrend gen Himmel. Vorher aber war der Geist noch nicht verliehen, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. Und es ruft der Prophet: Wie lange soll meine Ehre geschändet werden? Wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lüge so gerne? Erkennet doch, daß der Herr seine Heiligen wunderlich führet. Er ruft: Wie lange? Er ruft: Erkennet! Und ich hatte so lange in Unwissenheit das Eitle so lieb und die Lügen so gerne. Und ich hörte und zitterte, denn es ward zu solchen gesagt, wie ich wußte, daß ich gewesen war. Denn die Gebilde, die ich für Wahrheit hielt, sie waren nur Eitelkeit und Lüge. Und oft stieß ich laute und schwere Klagen aus, wenn ich schmerzlich bewegt daran zurückdachte. Wenn es doch die vernommen hätten, welche noch jetzt die Eitelkeit lieben und die Lügen so gern haben. Sie wären vielleicht erschüttert worden und hätten es von sich geworfen, und du würdest sie erhören, wenn sie dich anriefen; denn er starb eines wirklichen Todes im Fleisch für uns, der uns bei dir vertritt.

Ich las: Zürnet ihr, so sündiget nicht. Wie ward ich erschüttert, mein Gott, der ich bereits gelernt hatte, mir über das Vergangene zu zürnen, auf daß ich fortan nicht mehr sündigte. Und mit Recht zürnte ich mir, denn keine fremde Natur aus dem Geschlechte der Finsternis sündigte an mir, wie die sprechen, welche sich nicht selbst zürnen können, und die sich den Zorn häufen auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes. Meine Güter, sie lagen nicht mehr in der Außenwelt noch suchte ich sie mit Fleischesaugen im Sonnenlichte. Denn die ihre Freude in der Außenwelt finden, die werden leicht eitel und verlieren sich in das Sichtbare und Zeitliche, an dessen Vorstellungen sie mit hungrigem Denken lecken. O wenn sie doch der Hunger ermattete und sie riefen: Wer wird uns die wahren Güter zeigen, Und wir wollen sagen und sie mögen es vernehmen: Herr, erhebe über uns das Licht deines Angesichtes. Denn wir selbst sind nicht das Licht, das alle Menschen erleuchtet, sondern wir werden von dir erleuchtet, daß wir, die wir weiland in Finsternis waren, ein Licht in Finsternis waren, ein Licht in dir sind. O könnten sie im Innern das Ewige schauen; weil ich dies geschmeckt, ergrimmte ich, daß ich es ihnen nicht zeigen konnte, weil sie mir ein Herz zubrächten, das in ihren auf die Außenwelt gerichteten Augen war und sprächen: Wer wird uns die wahren Güter zeigen? Denn erst, da ich mir in meines Herzens Tiefe zürnte, als ich zerschlagen war, als ich meinen alten Menschen als Schlachtopfer darbrachte und durch begonnenes Sinnen auf meine Erneuung meine Hoffnung auf dich gründete, da erst begannst du mir süß zu werden und erfreutest mein Herz. Und ich schrie auf, da ich dies Wort las von außen und in meinem Innern seine Wahrheit erkannte; nimmer wollte ich reich werden an irdischen Gütern, Zeitliches verschlingend und selbst von ihm verschlungen, da ich in der ewigen Einfalt andere Früchte, andern Wein und anderes Öl gefunden hatte.

Und ich rief bei dem folgenden Verse mit lauter Stimme meines Herzens: O in Frieden! O in dir selbst will ich schlafen und ruhen! Denn wer mag wider uns sein, seit da geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg? Und du bist der ganz Unwandelbare, und in dir ist die Ruhe, die alle Mühseligkeiten vergißt, denn nicht ein anderer neben dir und nicht um vieles andere zu erlangen, das doch nicht ist, was du bist, sondern du Herr allein hast meine Hoffnung fest gegründet. Ich las es und erglühte, und ich fand nicht, was ich mit den tauben Toten, deren einer ich gewesen bin, machen sollte, eine Pest, ein rauher Beller, blind gegen die Schriften, die da süß sind von himmlischem Honig und deinem Lichte erleuchtet, und ich verzehrte mich über diese Feinde der heiligen Schrift. –Wie soll ich alles dessen gedenken, das in jenen Tagen der Ruhe in mir vorging? Aber ich habe weder vergessen noch will ich verschweigen die Zucht deiner Geißel und die wunderbare Schnelligkeit deines Erbarmens. Damals züchtigtest du mich mit Zahnschmerzen, und da sie so schlimm wurden, daß ich nicht sprechen konnte, kam es in mein Herz, die Anwesenden zu ermahnen, für mich zu dir, dem Gott jeglichen Heils, zu beten. Ich schrieb es auf ein Wachstäfelchen und gab es ihnen, daß sie es lesen sollten. Und als wir das Knie zum Gebet gebeugt hatten, da schwand der Schmerz. Aber welch ein Schmerz und wie schnell verging er! Ich erschrak; offen bekenne ich es dir, mein Herr und mein Gott, denn ähnliches hatte ich seit meiner Jugend nicht erfahren. Und ich erkannte in meines Herzens Tiefe deinen Wink und pries in des Glaubens Freude deinen Namen. Und dieser Glaube ließ mich nicht sicher und sorglos sein über die Sünden meiner Vergangenheit, die mir damals noch nicht durch die Taufe vergeben waren.

 

Neuntes Buch – Fünftes Kapitel

Nach Ablauf der Herbstferien entsagte ich meinem Mailändischen Schulamte, damit sich die Mailänder nach einem andern Wortverkäufer für ihre Schulen umsähen, teils weil ich zu dein Entschlusse gekommen wäre, dir zu dienen, teils weil ich wegen Atmungsbeschwerden und Brustschmerzen meinem Amte nicht mehr genügen könnte. Zugleich teilte ich deinem Bischof Ambrosius, deinem heiligen Manne, meine früheren Irrtümer mit und zugleich meinen gegenwärtigen Wunsch, daß er mir einen guten Rat gäbe, welches deiner Bücher ich vor allem lesen sollte, um mich zum Empfange so großer Gnade geschickter und würdiger zu machen. Jener hieß mich den Propheten Jesaias lesen, vermutlich, weil derselbe vor allen ein Verkündiger des Evangeliums und der Berufung der Völker ist. Indes verstand ich ihn, als ich darin anfing zu lesen, nicht, und weil ich glaubte, daß das ganze Buch nach Art des Anfangs sei, so legte ich es einstweilen beiseite, um es erst wieder vorzunehmen, wenn ich geübter in der Redeweise des Herrn wäre.

 

Neuntes Buch – Sechstes Kapitel

Als nun die Zeit kam, wo ich mein Taufgesuch einreichen mußte, verließen wir das Landgut und kehrten nach Mailand zurück. Auch Alypius hatte den Entschluß gefaßt, mit mir zusammen die Taufe zu empfangen, schon ganz erfüllt mit der zur Aufnahme deiner Gnadenmittel geschickt machenden Demut; mit Charakterstärke bändigte er den Leib, so daß er den Winter hindurch mit bloßen Füßen ging. Auch den Knaben Adeodatus nahmen wir mit uns, den Sohn, den ich in Sünden gezeugt hatte. Doch du hattest ihn gut geschaffen. Fünfzehn Jahre war er alt und übertraf an Geist manche ältere und gelehrte Männer. ich bekenne dir deine Gaben, o Herr mein Gott, du Schöpfer des Alls, der du schön gestaltest unsere Mißgestalt, denn außer der Sünde hatte mir jener Knabe nichts zu verdanken. Denn daß er von uns in deiner Zucht aufgezogen ward, das hattest du uns eingegeben, kein anderer; ja, ich bekenne dir dankbar deine Gaben. In einem meiner Bücher, »Der Lehrer« betitelt, lasse ich den Adeodatus mit mir sprechen. Du weißt es, daß alle Gedanken, die ich ihn dort sprechen lasse, wirklich die seinigen waren, obwohl er erst im sechzehnten Lebensjahre stand. Vieles andere noch Bewundernswürdigere bemerkte ich an ihm, Heiliger Schauer erfaßte mich bei diesen wunderbaren Gaben, und wer anders als du ist der Geber solcher Wunder? Früh nahmst du ihn von dieser Erde und sorgenfreier gedenke ich nun seiner, ohne Furcht für den Knaben, für den Jüngling, für sein ganzes Leben. Wir hatten ihn uns als unsern Altersgenossen zugesellt in deiner Taufgnade, zur Erziehung in deiner Zucht, und wir wurden getauft und von uns wich der Kummer über unsere Vergangenheit. In jenen Tagen konnte ich nicht satt werden in der wunderbaren Süßigkeit, die Höhe deines Ratschlusses über das Heil des Menschengeschlechtes zu betrachten. Wie habe ich geweint unter deinen Hymnen und Gesängen, tief bewegt von dem Wohllaut der Stimmen deiner Kirche. jene Stimmen, sie fluteten in mein Ohr, und durch sie ward die Wahrheit in mein Herz eingeflößt und fromme Gefühle wallten in ihm auf, die Tränen strömten und mir war so selig in ihnen zumute.

 

Neuntes Buch – Siebentes Kapitel

Noch nicht lange hatte die Mailänder Kirche diese Art der Erbauung und des Trostes eingeführt unter großer Beteiligung der Brüder, die mit Mund und Herzen einstimmten. Ein Jahr war es ungefähr oder vielleicht auch etwas länger, da verfolgte Justina, die Mutter des jungen Königs Valentinian, deinen Anhänger, den Ambrosius, um ihrer Ketzerei willen, zu der sie von den Arianern verführt worden war. Das fromme Volk blieb die Nacht hindurch in deiner Kirche, bereit, mit ihrem Bischof, deinem Diener, zu sterben. Dort war auch meine Mutter, deine Magd; vor allen eifrig im Sorgen und Wachen, lebte sie nur dem Gebete. Wir, noch nicht erwärmt von der Glut deines Geistes, wurden doch von dem Bangen und der Verwirrung der Stadt mit ergriffen. Damals ward nach der Sitte der morgenländischen Kirche das Singen der Hymnen und Psalmen eingeführt, damit das Volk nicht durch ermüdende Trauer matt würde, und seitdem ist es bis auf den heutigen Tag so geblieben, und viele, ja fast alle deine Kirchen des Erdkreises sind uns gefolgt.

Damals offenbartest du deinem Bischof, dem schon erwähnten Ambrosius, wo die Leiber der Märtyrer des Protasius und Gervasius verborgen ruhten, die du so viele Jahre hindurch im Schoß deiner Verborgenheit unverwest verwahrt hattest, um sie zur rechten Zeit zur Bändigung der Wut jenes Weibes, das doch eine Kaiserin war, hervorzubringen. Denn als sie aufgefunden und ausgegraben mit den ihnen zukommenden Ehren zur Basilika des Ambrosius gebracht wurden, da wurden nicht nur die, welche von unreinen Geistern besessen waren, nach dem Bekenntnis ihrer Dämonen selbst, geheilt, sondern auch ein angesehener Bürger, der mehrere Jahre hindurch blind war. Als dieser nämlich nach der Ursache fragte, warum das Volk vor Freude jauchzte, und es hörte, da sprang er hinaus und bat seinen Führer, ihn dorthin zu führen. Nachdem er in die Kirche eingetreten war, bat er um die Erlaubnis, mit seinem Schweißtuche die Bahre der Heiligen berühren zu dürfen, deren Tod ist wert gehalten vor dem Herrn. Als er dies tat und dann seine Augen damit berührt hatte, da wurden sie sogleich ihm aufgetan. Der Ruf davon aber verbreitete sich weit und breit; alles war voll deines Lobes, und der Sinn jener Feindin wurde, wenn auch nicht zu gesundem Glauben fortschreitend, doch von der Wut zurückgehalten. Dank dir dafür, o mein Gott! Wohin hast du meine Erinnerung geführt, daß ich dir auch dieses bekenne, das ich, wiewohl so groß, doch am rechten Orte zu erwähnen vergessen hatte. Und damals, als so der Geruch deiner Salben lieblich entströmte, eilten wir dennoch nicht zu dir. Deshalb weinte ich so sehr unter dem Gesange deiner Hymnen, einst zu dir aufseufzend und nun endlich aus voller Brust die Himmelsluft einatmend, soweit sie eindringen kann in dieses Haus, das dem Heu gleicht.

 

Neuntes Buch – Achtes Kapitel

Der du Frieden bringst in die Wohnungen der Menschen, du geselltest uns auch den Evodius zu, einen jungen Mann aus unserer Vaterstadt. Er war kaiserlicher Sachwalter und hatte sich früher als wir zu dir bekehrt und sich taufen lassen, hatte den Staatsdienst verlassen und sich zu deinem Dienste gegürtet. Wir waren unzertrennlich und beschlossen, unser der Frömmigkeit geweihtes Leben zusammen zu führen. Wir suchten einen Ort, an dem wir ungestört dir dienen könnten, und traten zusammen die Heimreise nach Afrika an. Wir kamen nach Ostia an dem Tiber, da starb meine Mutter. Ober vieles gehe ich nun raschen Schrittes hinweg. Nimm an mein Bekenntnis und meinen Dank, o mein Gott, für Unzähliges, auch wenn ich darüber schweige. Das aber will ich doch nicht übergehen, was meine Seele über deine Magd ans Licht bringen will, die mich gebar, im Fleische für das zeitliche, im Herzen für das ewige Leben. Nicht ihre, sondern deine Gaben in ihr will ich nennen; denn nicht sie selbst hatte sich ja geschaffen oder erzogen. Du hast sie geschaffen, und weder Vater noch Mutter wußten, welcher Art ihr Kind werden würde. In deiner Furcht erzog sie der Hirtenstab deines Gesalbten, das Walten deines eingeborenen Sohnes in einem gläubigen Hause, einem treuen Glied deiner Kirche. Hinsichtlich ihrer Erziehung pries sie nicht so sehr die Sorgfalt der Mutter als vielmehr die einer ergrauten Dienerin, die bereits ihren Vater getragen hatte, wie so die ziemlich herangewachsenen Mädchen die Kleinen auf dein Rücken herumzutragen pflegen. Deswegen und wegen ihres Alters und ihrer strengen Sittlichkeit ward sie in dein christlichen Hause nicht wenig hoch gehalten, so daß man ihr die Beaufsichtigung der Töchter des Hauses übertrug, die sie mit treuer Sorge führte und, wo es nötig war, bei ihrer Erziehung eine heilige Strenge ausübte und beim Unterricht besonnene Umsicht. Außer den Stunden, in welchen sie am elterlichen Tische sehr mäßig genährt wurden, erlaubte sie ihnen nicht, auch wenn der Durst sie quälte, auch nur Wasser zu trinken, um übler Gewohnheit vorzubeugen, indem sie dies heilsame Wort hinzufügte: »Jetzt trinkt ihr Wasser, weil ihr euch keinen Wein verschaffen könnt; habt ihr aber erst Männer bekommen und seid Herrinnen von Vorrats- und Weinkammern, so wird euch das Wasser nicht mehr munden, aber die Gewöhnung zu trinken wird euch geblieben sein.« Durch diese Art der Belehrung und die Entschiedenheit, mit der sie befahl, zügelte sie die Begehrlichkeit des zarten Alters und minderte den Durst der Mädchen zu sittsamem Maßhalten, daß nur das Schickliche ihr Gefallen erregte.

Und dennoch hatte sich ein Gelüst nach Wein bei ihr eingeschlichen, wie nur, ihrem Sohne, deine Magd erzählte. Denn als sie, da sie ein nüchternes Mädchen war, von ihren Eltern den Auftrag erhielt, aus der Weinkufe Wein zu holen, indem sie einen Becher unter den Hahn hielt, schlürfte sie mit gespitzten Lippen, bevor sie den vollen Becher in die Flasche goß, zuerst ein weniges ab, da ihr mehr widerstand. Doch tat sie dies nicht in roher Begierde, sondern aus jugendlichem Übermut, der in mancherlei Gelüsten aufsteigt und den das Gewicht älterer Personen im Kinderherzen niederzuhalten pflegt. Zu dem wenigen fügte sie aber täglich wieder ein weniges, und weil, wer Geringes verachtet, allmählich zu Fall kommt, gewöhnte sie sich endlich daran, daß sie fast schon ganze Becherchen begierig austrank. Wo war da die verständige Alte und ihr strenges Verbot? Was hilft uns gegen die verborgene Krankheit, wenn nicht deine Hilfe, o Herr, über uns wacht? Da Vater, Mutter und Pflegerin fern waren, warst du da, der du sie schufst, der du uns zu dir rufst, der du auch durch verkehrte Menschen Gutes zum Heil der Seele wirkst, was tatest du damals, o mein Gott? Wie halfest, wie heiltest du sie? Ein hartes Schmähwort aus der Seele eines andern brachtest du hervor nach deiner geheimen Fürsorge, daß es das Messer des Arztes würde, damit du auf einen Schnitt die Fäulnis ausschnittest. Die Magd, welche sie zur Weinkufe zu begleiten pflegte, geriet mit ihrer jüngeren Herrin in Streit, wie das ja, wenn sie allein sind, zu geschehen pflegt, und warf ihr diesen Fehler vor und schalt sie mit bitterem Schimpf eine Weinsäuferin. Von diesem Schimpf getroffen, erkannte sie ihren Fehler, verdammte ihn sogleich und legte ihn ab. Wie Freunde mit ihrer Schmeichelei uns verderben, so bessert uns gewöhnlich der Tadel der Feinde. Nicht aber das Gute, das du durch sie vollbringst, sondern ihren bösen Willen vergiltst du ihnen. jene wollte im Zorn ihre jüngere Herrin nur kränken, nicht heilen von ihrem Fehler, und zwar heimlich, sei es, daß Zeit und Ort, da der Streit ausbrach, es so fügten, sei es, daß sie nicht selbst in Ungelegenheiten käme, wenn sie so spät erst es anzeigte. Du aber, o Herr, du Lenker des Himmels und der Erden, der du zu deinen Zwecken die Wogen der Tiefe aufregst und den wüsten Strom der Zeiten ordnest, du heiltest durch die Heillosigkeit der einen Seele nur die andere; niemand aber möge, wenn er dies bedenkt, auch wenn er des Willens war, es seiner Macht zuschreiben, wenn durch sein Wort jemand gebessert wird.

 

Neuntes Buch – Neuntes Kapitel

Züchtig und verständig, mehr von dir den Eltern als von den Eltern dir untergeben, wurde sie, nachdem sie zur jugendlichen Reife gekommen war, einem Manne vermählt, dein sie wie ihrem Gebieter diente und sich bemühte, ihn dir zu gewinnen, indem sie dich durch ihre Sitten ihm predigte, durch welche du sie so schön gemacht hattest, daß sie ihrem Manne zugleich Liebe und Achtung einflößte. Auch seine Untreue ertrug sie so, daß sie mit ihrem Gatten darüber nie in Streit geriet. Denn sie hoffte von deinem Erbarmen über ihn, daß er im Glauben an dich keusch würde. Außerdem aber war er, so gutmütig er auch war, ebenso jähzornig. Sie aber verstand es, dem zornigen Manne weder mit der Tat noch dem Worte zu widerstehen. Wenn er ausgetobt und sich besänftigt hatte, dann gab sie ihm Rechenschaft über ihre Handlungsweise, wenn er sich etwa in Übereilung darüber aufgeregt hatte. Wenn viele Frauen, deren Männer doch sanftmütiger waren, im entstellten Gesichte die Spuren der Schläge trugen und in traulichem Gespräch sich über das Leben ihrer Männer beschwerten, so gab sie ihren Zungen die Schuld und erinnerte sie scherzweise und doch nachdrücklich daran, daß sie seit Abschluß ihres Ehekontraktes Dienerinnen geworden wären; deshalb dürften sie, eingedenk ihres Standes, gegen ihre Eheherrn sich nicht erhaben dünken. Wenn diese nun sich wunderten, daß man noch nie gehört oder gesehen habe, daß Patricius seine Gattin gemißhandelt, obwohl man wußte, wie jähzornig ihr Gatte sei, oder daß sie auch nur einen Tag in häuslichem Zwist miteinander uneinig gewesen wären und wenn sie dann vertraulich nach der Ursache forschten, so belehrte Monica sie über die Art und Weise, in der sie verfahre und die ich schon erwähnt habe. Und die, welche darnach handelten, dankten ihr, wenn sie ihre Weise erprobt hatten, die sie aber nicht befolgten, blieben ihrer Unbill unterworfen.

Auch ihre Schwiegermutter, die anfangs durch falsche Hinterbringungen schlechter Mägde gegen sie aufgereizt war, gewann sie so sehr durch stilles Ertragen, Sanftmut und aufmerksame Liebe, daß sie ihrem Sohn voll Unwillen aus freien Stücken die Zwischenträgerinnen angab, die den Hausfrieden zwischen ihr und der Schwiegertochter störten und ihre Bestrafung forderte. Als dieser Sohn, der Mutter nachgebend und für die Zucht des Hauses sowie für die Einigkeit unter den Seinigen besorgt, die Schuldigen nach dem Willen der Mutter durch Schläge gezüchtigt hatte, verhieß jene einer jeden den gleichen Lohn, die, um sich beliebt zu machen, ihrer Schwiegertochter etwas Böses nachreden werde. Von nun an wagte es keine mehr und sie lebten nun fortan in liebevollster Eintracht.

Auch die große Gabe hattest du deiner Magd, aus deren Leibe du mich geschaffen, o mein Gott, du mein Erbarmer, geschenkt, daß sie bei Hader und Zwietracht, wo sie nur konnte, Frieden stiftete. Wenn zum Beispiel die eine oder die andere in Abwesenheit der Feindin ihr einen Schwall von bittern Redensarten zum Anhören gab, wie sie hervorsprudelnde und leidenschaftliche Zwietracht auszustoßen pflegt, wenn in Gegenwart der Freundin sich der leidenschaftliche Haß in heftige Worte über die abwesende Feindin ergießt, so entdeckte sie der Anwesenden nie etwas davon, sondern redete nur zum Guten, um die Versöhnung herbeizuführen. Es würde mir dies als ein kleines Gut erscheinen, das du ihr zuteil werden ließest, hätte ich nicht zu meiner Betrübnis unzählige Zerwürfnisse kennenlernen, da sich die schreckliche Seuche dieser Sünde so weit verbreitet hat, mit der man dem zürnenden Feinde nicht nur die Worte zorniger Feinde überbringt, sondern sogar Verleumdungen hinzufügt, während der Menschenfreund es sich doch nicht damit genug sein lassen soll, die Feindschaft unter den einzelnen Menschen nicht zu vermehren, sondern auch bestrebt sein soll, sie durch freundliches Zureden zu tilgen. So tut es meine Mutter und du warst ihr Lehrer, der sie also in der Schule ihres Herzens lehrte.

Endlich gewann sie dir auch ihren Gatten am Ende seines zeitlichen Lebens und beklagte sich nicht mehr über das, was sie, da er noch Heide war, von ihm zu ertragen hatte, nachdem er gläubig geworden war. Auch eine Dienerin deiner Diener war sie. Wer sie kennenlernte, mußte dich aus vollem Herzen loben, ehren und lieben in ihr, weil in ihrem Herzen Früchte ihren heiligen Umgang mit Gott bezeugten. Sie war eines Mannes Weib gewesen, sie hatte ihren Eltern gleiches vergolten, ihr eigenes Haus göttlich regiert und hatte ein Zeugnis guter Werke. Sie hatte ihre Söhne auferzogen und so oft dieselben mit Ängsten geboren, als sie sie von dir abirren sah. Und endlich, o Herr, trug sie für uns alle, deine Diener, der du uns nach deiner Milde reden läßt, die wir vor ihrem Heimgange nach dem Empfang deiner Taufgnade in dir vereint lebten, also Sorge, als ob sie uns allesamt geboren hätte, und diente uns also, als ob sie unser aller Kind sei.

 

Neuntes Buch – Zehntes Kapitel

Als aber der Tag nahte, an dem sie aus diesem Leben scheiden sollte, nur dir, nicht uns war er bekannt, da begab es sich durch dein geheimes Walten, daß wir, die Mutter und ich, allein an ein Fenster gelehnt standen, das eine Aussicht auf den Garten unseres Hauses gewährte, dort in Ostia an dem Tiber war es, wo wir in stiller Zurückgezogenheit nach den Beschwerden einer langwierigen Reise uns zum Einschiffen vorbereiteten; ein trautes liebliches Gespräch war es, wir vergaßen, was dahinten ist, und streckten uns zu dem, was da vorne ist, und forschten unter uns bei der Wahrheit, die da gegenwärtig ist und die du bist, nach der zukünftigen Herrlichkeit deiner Heiligen, die kein Auge geschaut und kein Ohr gehört und in keines Menschen Herz gedrungen ist. Sehnsuchtsvoll öffneten wir unsern Mund, Quellwasser von oben, die Quelle des Lebens, die bei dir ist, auf daß wir, nach unserem Fassungsvermögen, von ihr besprengt, solch erhabnen Gegenstand nach allen Seiten hin betrachteten.

Als nun unsere Rede dahin gelangte, daß auch die höchste sinnliche Freude, wie sie das leibliche Auge zu schauen vermag, vor der Wonne jenes Lebens keiner Vergleichung, geschweige denn Erwähnung wert schien, uns in glühender Sehnsucht zu ihm selbst erhebend, durchwandelten wir im Geiste stufenweise alles Sinnliche, ja selbst den Himmel, von welchem Sonne, Mond und Sterne auf die Erde herabglänzen. Dann drangen wir weiter empor im Bedenken, Besprechen und Bewundern deiner Werke und kamen auf unsern Geist, und auch darüber schritten wir hinaus, um das Gebiet unvergänglicher Fülle zu erreichen, wo du Israel weidest reichlich mit der Nahrung der Wahrheit und wo Weisheit das Leben ist, durch welches alles entsteht, Vergangenes und Zukünftiges; sie selbst aber wird nicht, sie ist, wie sie war, und wird immer so sein, denn Vergangenheit und Zukunft ist nicht in ihr, sondern allein das Sein, weil sie ewig ist; gewesen sein und sein werden ist aber nicht ewig. Und während wir so redeten und uns nach ihr sehnten, da berührten wir sie leise mit dem vollen Schlage des Herzens, seufzten und ließen dort gebunden die Erstlinge unseres Geistes zurück und kehrten uns wieder zum Laut unseres Mundes, wo das Wort beginnt und endet. Und was gleicht deinem Worte, unserem Gebieter, das ohne zu altem in sich bleibt und alles erneut?

Dann sprachen wir: Wenn des Fleisches Ungestüm schweigt, wenn die Bilder der Erde, das Wasser und die Luft schweigen, wenn auch die Pole schweigen, wenn auch die Seele selber sich schweigt und über den Gedanken ihrer selbst sich erhebt, wenn Träume und Bilder der Offenbarung schweigen, jedes Wort, jedes Zeichen und alles, was vorübergeht, wenn alles dies für uns schweigt; denn alles dies verkündigt ja: Nicht wir selbst haben uns gemacht, sondern Er hat uns gemacht, der in Ewigkeit bleibet, wenn sie nach diesen Worten schweigen, nachdem sie das Ohr zu dem aufgerichtet haben, der sie gemacht hat, und er selbst allein redet, nicht durch jene, sondern durch sich selbst, und wir sein Wort vernehmen, nicht durch die Zunge des Fleisches noch durch die Stimme des Engels noch durch den Hall der Wolke noch durch den Schatten des Gleichnisses, sondern ihn selbst, den wir in jenem heben, ohne jenes zu vernehmen, wie wir uns nun zu ihm erhoben haben und in vorüberfliegender Betrachtung die ewig über allem ruhende Weisheit berührt haben, wenn diese Betrachtung dauert und jegliche Anschauungen weit niederer Art entschwunden sind und sie allein uns hinreißt und in sich aufnimmt und in innerlichster Wonne ihren Schauenden birgt und solches Leben ewig währet, wie wir es jetzt aufatmend in einem Augenblicke geschmeckt haben, erfüllt sich dann nicht das Wort: Gehe ein zu deines Herrn Freude? Und wann wird dies stattfinden? Etwa, wenn wir alle auferstehen, aber nicht alle verwandelt werden?

Solches sprach ich, wenn auch nicht auf diese Weise und mit diesen Worten, so doch, o Herr, du weißt es ja, wie sie an diesem Tage, als wir solches besprachen und unter diesen Gesprächen die Welt mit all ihrer Lust uns feil war, wie sie da also sprach: Mir, mein Sohn, macht auf dieser Erde nichts mehr Freude. Was soll ich hier noch und warum bin ich noch hier, da meine Hoffnung für diese Welt ihr Ziel erreicht hat? Eins war es sonst, warum ich noch in diesem Leben eine Zeitlang zu bleiben wünschte, daß ich dich noch als guten Christen sähe, bevor ich stürbe. Dies hat mein Gott mir über mein Bitten gewährt, da ich dich jetzt das irdische Glück verachten und Gott dienen sehe. Was soll ich hier noch tun?

 

Neuntes Buch – Elftes Kapitel

Ich weiß nicht mehr, was ich darauf antwortete. Fünf Tage etwa nachher erkrankte Monica am Fieber. Während ihrer Krankheit überkam sie eines Tages eine Ohnmacht und verlor sie auf Augenblicke die Besinnung. Wir redeten zu ihr, schnell aber kehrte ihr Bewußtsein zurück, sie sah mich und meinen Bruder, die wir an ihrem Lager standen, an und sagte zu uns in fragendem Tone: Wo war ich? Und als sie uns von der Trauer überwältigt sah, setzte sie hinzu: ihr werdet hier euere Mutter bestatten. Ich schwieg, indem ich meinen Tränen Einhalt gebot. Mein Bruder aber sagte, daß sie ja hoffentlich hier in der Fremde nicht sterben werde, sondern einen seligeren Tod in der Heimat. Als sie dies hörte, blickte sie ihn mit stillem Vorwurfe an, daß er an so etwas dächte, wandte sich dann zu mir und sagte: »Siehe, was er sagt«, und dann noch einmal zu uns beiden: Bestattet hier irgendwo meinen Leib und macht euch deshalb keine Sorge; nur dies erbitte ich von euch, daß ihr am Altar des Herrn meiner gedenkt, wo ihr auch sein mögt! Nachdem sie so ihre Willensmeinung so gut sie konnte uns kundgetan hatte, schwieg sie und ihre Krankheit nahm an Heftigkeit zu.

Ich aber gedachte deiner Gaben, unsichtbarer Gott, die du in die Herzen deiner Gläubigen einsenkst, damit aus ihnen wunderbare Früchte hervorsprossen, ich freute mich und dankte dir, weil ich mich daran erinnerte, wie ängstlich sie immer um ihr Grab besorgt gewesen war, das sie sich neben der Leiche ihres Gatten ausersehen und vorbereitet hatte. Denn da sie in großer Eintracht gelebt hatten, so wünschte sie, wie denn der Menschen Sinn ist, solange er für das Göttliche noch weniger empfänglich bleibt, es möge dies eine noch zu ihrem Glücke hinzukommen, daß in der Erinnerung der Menschen fortlebe, wie es nach einer langen Seereise es ihr vergönnt sei, daß die irdischen Reste der beiden Gatten beieinander begraben würden. Wann aber dieser nichtige Wunsch durch die Fülle deiner Güte begonnen hatte, aus ihrem Herzen zu weichen, ich wußte es nicht; staunend freute ich mich, als sie es mir so kundtat, obgleich in ihrem Gespräche am Fenster, als sie zu mir sagte: Was tue ich hier noch? bereits die Sehnsucht, in der Heimat zu sterben, geschwunden war. ich hörte auch nachher, daß sie bei unserem Aufenthalte in Ostia mit einigen meiner Freunde in mütterlicher Vertraulichkeit – ich war selbst nicht zugegen über die Verachtung dieses Lebens und dem Gute des Todes sprach; als diese die Tugend, die du ihr gegeben hattest, bewunderten und sie fragten, ob es ihr nicht schrecklich sei, so fern von der Heimat begraben zu werden, erwiderte sie: »Nichts ist fern von Gott und ich fürchte nicht, daß er am Ende der Zeit die Stätte, wo er mich auferwecke, nicht kennen wird!« Am neunten Tage ihrer Krankheit, im sechsundfünfzigsten Jahre ihres Lebens, im dreiunddreißigsten Jahre meines Alters ward ihre gottselige und treue Seele vom Leibe erlöst.

 

Neuntes Buch – Zwölftes Kapitel

Ich drückte ihr die Augen zu, Trauer floß in meiner Brust zusammen und floß über in Tränen und meine Augen drängten die Tränen zurück in die Brust, bis sie trocken waren, und meine Seele litt Qualen bei solchem Kampf mit dem Schmerze. Bei ihrem letzten Atemzuge weinte Adeodatus laut auf und ward von uns nur mit Mühe beruhigt. So ward auch mein kindisches Herz, das sich dem Weinen hingeben wollte, durch des Jünglings Herzensschreie zurückgehalten und zum Schweigen gebracht. Denn wir hielten es nicht für recht, die Hingeschiedene mit tränenvollem Klagen und Seufzen zu bestatten, mit welchen man die Sterbenden beklagen mag, deren Elend im Tode oder deren gänzliches Erlöschen man beweint. Monica aber starb nicht elend, sie starb nicht ganz, davon gab uns sichern Beweis ihr sittenreines Leben und ihr ungeheuchelter Glaube.

Was war es also, was mich so tiefinnerlich schmerzte, als die frische Wunde, die mir die plötzliche Vernichtung unseres so süßen, mir so teueren traulichen Zusammenlebens verursachte? Wohl fand ich Trost in dem Zeugnis, das sie mir in ihrer letzten Krankheit noch gab, mit Zärtlichkeit mir für meine kindlichen Dienstleistungen wiederholt dankte, mich ihren treuen Sohn nannte und mit liebevoller Innigkeit mir versicherte, daß sie aus meinem Munde nie ein hartes oder beleidigendes Wort gehört habe. Doch was will das sagen, mein Gott, der du uns schufst, wie war die Ehre, die ich ihr erwies, irgend zu vergleichen mit dem Magddienst, den sie mir gewährte? Darum weil ich von ihrem Troste nun verlassen war, wurde meine Seele verwundet und mein Leben zerrissen, ein Leben war ja aus ihrem und dem meinigen geworden.

Nachdem wir also Adeodatus beruhigt hatten, ergriff Evodius ein Psalmenbuch und sang einen Psalm, wir alle antworteten: »Ich will rühmen, o Herr, deine Barmherzigkeit und dein Gericht«. Als sich die Nachricht von ihrem Tode verbreitete, kamen viele unserer Brüder und fromme Frauen zu uns und während jene, deren Amt es war, nach herkömmlicher Sitte das Begräbnis besorgten, unterredete ich mich abseits, wie es geziemend erschien, mit denen, die mich in meinem Schmerze nicht verlassen zu dürfen glaubten, wie es der Zeit angemessen war, und durch den Balsam der Wahrheit linderte ich die Pein, die nur dir bekannt war und nicht jenen, die aufmerksam mir zuhörten und mich ohne Schmerzgefühl wähnten. Aber zu dir, da niemand es vernahm, flehte ich um Linderung meines Schmerzes und staute der Trauer Flut zurück; sie wich mir auf Augenblicke, dann aber wiederholte sich ihr Anprall, zwar nicht bis zum Ausbruch der Tränen, nicht in der Veränderung der Mienen, aber ich wußte, was ich im Herzen zu unterdrücken hatte. Und weil es mir so sehr mißfiel, daß das Los der Menschheit, das nach dem Naturgesetz uns alle trifft, so viel über mich vermöge, so ward ich von doppeltem Schmerze gequält, denn mich schmerzte dieser mein weltlicher Schmerz. Der Leib ward bestattet, ich ging und kehrte trockenen Auges zurück. Weder während der Gebete, die wir zu dir sandten, als das Opfer für sie dargebracht war, indes die Leiche neben das Grab hingestellt wurde, bevor sie hinabgesenkt wurde, wie es dort zu geschehen pflegt, noch bei den Gebeten weinte ich; den ganzen Tag aber ward ich von beängstigendem Schmerze im geheimen gequält und in meiner geistigen Verwirrung bat ich dich um Heilung meines Schmerzes, aber du tatest es nicht, um mich, wie ich glaube, durch dies eine Zeichen daran zu erinnern, wie fest das Band der Gewohnheit sei, selbst gegen den Geist, der schon von dem Worte, das nimmer trügt, geweidet wird (auf grüner Aue). Es schien mir gut, baden zu gehen, weil ich gehört hatte, daß das Bad daher benannt sei, die Griechen nennen es nämlich Balaneion, weil es die Angst aus dem Herzen entfernt. Auch dies bekenne ich deinem Erbarmen, Vater der Waisen, daß ich badete, ich blieb aber nach dem Bade derselbe wie zuvor. Es ward aber aus meinem Herzen die Bitterkeit der Trauer nicht entfernt. Darauf legte ich mich schlafen und erwachte und fand mein Inneres milder gestimmt, und da ich allein auf meinem Lager lag, erinnerte ich mich an die so viel Wahrheit enthaltenden Verse deines Dieners Ambrosius:

Gott, der du Weltalls Schöpfer bist,
Dem untertan der Himmel ist,
Du schmückst den Tag mit Lichtes Pracht,
Mit gnäd'gem Schlummer unsre Nacht.
Die Glieder ruhn in Schlafes Haft,
Der ihnen neue Kräfte schafft,
Der müden Seele Ruh gewährt
Und bange Seufzer schweigen lehrt.

Von da an führte ich mir, wie sonst, vor die Seele deine Magd, ihren frommen Umgang mit dir, den heilig freundlichen und uns willfährigen, dessen ich so plötzlich beraubt ward und um sie und für sie, um mich und für mich gewährte es mir eine Erleichterung, vor dir zu weinen. Ich ließ meinen Tränen freien Lauf, und die ich verhalten hatte, sie flossen, soviel sie wollten, sich meinem Herzen unterbettend, und ich ruhte auf ihnen, weil dort nur dein Ohr war und keines Menschen, der meine Tränen hart gedeutet hätte. Und nun, o Herr, bekenne ich dir es in diesem Buche. Mag es lesen, wer da will, mag er es auslegen, wie er will, und findet jemand darin ein Vergehen, daß ich meine Mutter kaum eine Stunde beweint habe, eine Mutter, die für eine Zwischenzeit meinen Augen tot war, die mich viele Jahre beweint hatte, auf daß ich im Licht deines Auges lebte, der mag darüber nicht spotten, vielmehr weine er, wenn sein Herz reich an Liebe ist, weine über meine Sünden zu dir, dem Vater aller Brüder deines Gesalbten.

 

Neuntes Buch – Dreizehntes Kapitel

Da mein Herz nun von jener Wunde geheilt ist, an der ich die Schwäche meines Fleisches erkannte, so bringe ich dir, o unser Gott, für deine Magd ganz andere Tränen dar, wie sie rinnen aus dem zerstoßenen Geist, der die Gefahr einer jeden Seele betrachtet, die in Adam stirbt. Obwohl sie in Christo lebendig gemacht war und auch von des Fleisches Banden noch nicht gelöst also lebte, daß dein Name durch ihren Glauben und ihr Leben gepriesen wurde, dennoch wage ich nicht zu sagen, daß, seitdem du sie durch die Taufe wiedergeboren hast, kein Wort aus ihrem Munde hervorgegangen ist, das wider dein Gesetz wäre. Hat nicht dein Sohn, der die Wahrheit ist, gesagt: Wer zu seinem Bruder sagt, du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig? Wehe auch dem lobenswertesten Leben der Menschen, wenn du darüber ein Urteil fällen wolltest, ohne das Erbarmen in die Waagschale zu werfen. Und nur deshalb, weil du nicht mit Strenge unsere Vergehungen ansiehst, hoffen wir vertrauend, daß es eine Zuflucht gebe bei dir. Wer dir seine wahren Verdienste vorzählt, kann dir damit nichts vorzählen als deine Gaben. O wenn doch die Menschen bedächten, daß sie Menschen sind, und wer sich rühmte, sich des Herrn rühmte.

Deshalb bitte ich dich, mein Preis und mein Leben, du Gott meines Herzens, mit Hintansetzung der guten Worte meiner Mutter, für die ich dir freudig Dank sage, jetzt für die Vergehungen meiner Mutter, erhöre mich bei dem Heiland unserer Wunden, der am Holze hing und nun zu deiner Rechten sitzt und uns vertritt. Ich weiß, daß sie Barmherzigkeit ,geübt hat und daß sie von Herzen allen ihren Schuldigem vergeben hat, vergib auch du ihr ihre Schuld, wenn sie deren auf sich lud, so viele Jahre nach dem Empfang des heilsamen Wassers. ja vergib ihr, o Herr, vergib ihr, ich flehe dich an, gehe nicht mit ihr ins Gericht. Die Barmherzigkeit erhebe sich über das Gericht, denn was du sagst, ist gewiß, und du hast Barmherzigkeit den Barmherzigen verheißen. Und daß sie also wurden, hast du ihnen verliehen, der du gnädig bist denen, denen du gnädig sein willst und dich dessen erbarmst, des du dich erbarmst.

Ich glaube, du hast schon meine Bitte gewährt, doch laß dir gefallen, o Herr, das willige Opfer meines Mundes. Als der Tag ihrer Auflösung gekommen war, hat sie nicht daran gedacht, prächtig bestattet oder mit Spezereien gesalbt zu werden, noch wünschte sie ein kostbares Denkmal oder trug sie Sorge um ein Grab in der Heimat. Nichts von diesem hat sie uns geboten, sondern nur begehrt, daß wir ihrer gedenken sollen an deinem Altare, an welchem sie jeden Tag ohne Unterlaß diente, von welchem, wie sie wußte, das heilige Opfer gespendet würde, wodurch die Handschrift, die gegen uns zeugte, ausgetilgt ist und der Feind überwunden, der unsere Übertretungen rügt und sucht, was er entschuldige, und nichts an dem findet, in welchem wir siegen. Wer wird ihm sein unschuldiges Blut wiedergeben, wer wird, um uns ihm zu entreißen, ihm den Preis wiedererstatten, für welchen er uns gekauft hat. An das Sakrament dieses Preises hat deine Magd durch das Band des Glaubens ihre Seele gebunden. Niemand trenne sie von deinem Schutze. Nicht kann sich ihr mit Gewalt oder List der Löwe und der Drache widersetzen, weil sie nicht antworten wird, daß sie keine Schuld habe, damit sie nicht von dem schlauen Widersacher überwiesen werde und in seine Gewalt komme, sie wird antworten, daß ihre Schuld ihr von dem erlassen sei, welchem keiner ersetzen kann, was er unschuldig für uns geopfert hat.

Möge sie also in Frieden mit ihrem Manne ruhen, vor welchem und nach welchem sie keinem verehelicht war, dem sie gedient und dir, o Gott, Frucht in Geduld gebracht hat, um auch ihn für dich zu gewinnen. Gib, o Herr mein Gott, deinen Knechten, meinen Brüdern, deinen Kindern, meinen Gebietern. denen ich mit Herzen, Mund und Händen diene, es ihnen ins Herz, wie viele unter ihnen diese Schrift gelesen haben, daß sie deiner Magd Monica und des Patricius, der einst ihr Ehegemahl war, durch deren Fleisch du mich in dieses Leben eingeführt hast, wie, ist mir ein Geheimnis, an deinem Altar gedenken. Mögen sie im vorübergehenden Licht dieses irdischen Lebens mit frommem Gefühle meiner Eltern gedenken und meiner Brüder, die unter dir, dem Vater, Kinder in deiner Mutterkirche sind und meiner Mitbürger, in dem himmlischen Jerusalem, wohin dein Volk in der Pilgerschaft vom Ausgang bis zur Heimkehr sich schmerzlich sehnt, auf daß, was meine Mutter zuletzt von mir gefordert hat, durch vieler Gebete und Bekenntnisse reicher als durch meine Gebete erfüllt werde.


 << zurück weiter >>