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[Vorworte]

Vorbemerkung des Übersetzers.

Die im Bereich der englischen Zunge weit verbreitete, anregende und geistvolle Dichtung wird hier dem deutschen Publikum in einer Übertragung geboten, welche sich bemüht, den edlen, reinen Inhalt, und soweit dies einer Übersetzung möglich, auch die ansprechende Form des Werkes wiederzugeben. Die Legende von Buddha erscheint hier, übergossen von der ganzen zauberhaften Märchenpracht des Gangeslandes, und aufs glücklichste weiß der Verfasser überall das Lokalkolorit festzuhalten. Für die zahlreich eingestreuten indischen Worte habe ich, soweit ihr Sinn nicht unmittelbar aus dem Text hervorgeht, kurze erklärende Anmerkungen hinzugefügt, die dem deutschen Leser gewiß willkommen sein werden; dabei hatte ich mich der freundlichen Beihilfe des Herrn Professor Dr. Friedrich Schrader in Rumili-Hissar bei Konstantinopel zu erfreuen, dem ich dadurch zu herzlichem Dank verpflichtet bin.

Halle, im November 1891.
K. W.


Vorwort des Verfassers.

In der folgenden Dichtung habe ich versucht, durch den Mund eines fingierten Bekenners des Buddhismus das Leben und den Charakter jenes edlen Helden und Reformators, des Prinzen Gotama von Indien, des Begründers des Buddhismus, zu beschreiben und sein System wenigstens anzudeuten.

Noch vor einem Menschenalter wußte man wenig oder nichts von dieser großen asiatischen Religion, die doch bereits seit vierundzwanzig Jahrhunderten bestanden hatte und heutzutage an Zahl ihrer Bekenner und Ausdehnung des von ihr beherrschten Gebietes jeder anderen Form des Glaubens voransteht. Vierhundertsiebzig Millionen Menschen leben und sterben nach den Satzungen des Gotama; und das geistige Reich dieses Lehrers der Vorzeit erstreckt sich gegenwärtig von Nepal und Ceylon über die ganze östliche Halbinsel bis nach China, Japan, Tibet, Centralasien, Sibirien und selbst nach Schwedisch-Lappland. Indien selbst kann füglich in dies großartige Glaubensreich mit einbegriffen werden; denn obgleich das Bekenntnis des Buddhismus größtenteils aus dem Lande seiner Geburt verschwand, ließ doch Gotamas erhabene Lehre ihren unauslöschlichen Stempel auf dem modernen Brahmanentum zurück, und die charakteristischsten Gewohnheiten und Überzeugungen der Hindus entstammen deutlich dem segensreichen Einfluß der Vorschriften Buddhas. Mehr als ein Drittel der Menschheit verdankt somit seine sittlichen und religiösen Begriffe diesem glorreichen Prinzen, dessen Persönlichkeit, obgleich nur unvollkommen in den vorhandenen Quellen der Kenntnis sich enthüllend, nur als die höchste, mildeste, heiligste und wohlthätigste in der Geschichte des Denkens erscheinen kann, – mit Einer Ausnahme. In zahlreichen Einzelheiten voneinander abweichend und traurig von Entstellungen, Erfindungen und Mißverständnissen überdeckt, stimmen die buddhistischen Schriften doch in einem Punkte überein: daß sie nichts berichten, was in Wort oder That die vollkommene Reinheit und Güte dieses indischen Religionslehrers befleckte, der im wahrsten Sinne fürstliche Eigenschaften mit dem Geiste eines Weisen und der leidenschaftlichen Hingabe eines Märtyrers vereinigte. Selbst M. Barthélémy St. Hilaire, obgleich er viele Punkte des Buddhismus gänzlich falsch beurteilt, wird mit Recht von Professor Max Müller angeführt, wenn er von Prinz Siddârtha sagt: » Sa vie n'a point de tache. Son constant héroisme égale sa conviction; et si la théorie qu'il préconise est fausse, les exemples personnels qu'il donne sont irréprochables. Il est le modèle achevé de toutes les vertus qu'il prêche; son abnégation, sa charité, son inaltérable douceur ne se démentent point un seul instant … Il prépare silencieusement sa doctrine par six années de retraite et de méditation; il la propage par la seule puissance de la parole et de la persuasion pendant plus d'un demi-siècle, et quand il meurt entre les bras de ses disciples, c'est avec la sérénite d'un sage qui a pratiqué le bien toute sa vie, et qui est assuré d'avoir trouvé le vrai.« Infolgedessen ward Gotama diese staunenswerte Eroberung der Herzen zu teil; und obgleich er rituellen Formelkram in seiner Nichtigkeit bloßstellte und sich selbst noch an der Schwelle des Nirvana für nichts anderes erklärte, als was alle anderen Menschen auch werden könnten, – so hat doch Asiens Liebe und Dankbarkeit hierin sein Gebot nicht befolgt und ihm glühende Verehrung gezollt. Ganze Wälder von Blumen werden täglich auf seinen reinen Altären niedergelegt, und zahllose Millionen von Lippen wiederholen täglich die Formel: »ich nehme meine Zuflucht bei Buddha!«

Der Buddha dieser Dichtung – wenn er, was kaum zu bezweifeln, wirklich existierte – wurde an der Grenze von Nepal um 620 v. Chr. geboren und starb um 543 v. Chr. zu Kusinagara in Oudh. In Bezug auf das Alter sind demnach die meisten anderen Bekenntnisse jung, verglichen mit dieser ehrwürdigen Religion, die in sich die Ewigkeit einer allumfassenden Hoffnung besitzt, die Unsterblichkeit einer unbegrenzten Liebe, ein unzerstörbares Element des Glaubens an den endlichen Sieg des Guten, und die stolzeste Versicherung der unendlichen Freiheit, die jemals gemacht worden ist. Die Übertreibungen, welche die Tradition und Ausübung des Buddhismus entstellen, sind zurückzuführen auf die unvermeidliche Erniedrigung, die großen Gedanken stets von Priesterschaften zu teil wird, denen sie anvertraut sind. Die Macht und Erhabenheit von Gotamas ursprünglichen Lehren sollte nach ihrem Einfluß beurteilt werden, nicht nach ihren Auslegern; noch auch nach jener unschädlichen, aber bequemen und am Formelkram haftenden Kirche, die sich auf den Fundamenten des Sangha, der buddhistischen Bruderschaft, erhoben hat.

Ich legte meine Dichtung einem Buddhisten in den Mund, weil man, um den Geist asiatischer Gedanken zu würdigen, sie von dem Standpunkt eines Orientalen betrachten sollte; andernfalls hätten weder die Wunder, welche die Tradition bekräftigen, noch das Lehrsystem, welches ihr Inhalt giebt, so naturgetreu wiedergegeben werden können. Die Lehre von der Seelenwanderung zum Beispiel, – so überraschend für das moderne Empfinden – ward errichtet und völlig angenommen von den Hindus zu Buddhas Zeit, in jener Periode, als Jerusalem durch Nebukadnezar erobert wurde, Ninive vor den Medern sank, und Massalia von den Phokäern gegründet wurde. Die hier dargebotene Auseinandersetzung einer so alten Lehre ist notwendiger Weise unvollständig und geht – den Gesetzen der Dichtkunst sich anbequemend – über viele philosophisch höchst wichtige Punkte rasch hinweg, ebenso wie über die ausgedehnte Lehrtätigkeit Gotamas. Aber meine Absicht ist erfüllt, wenn hier nur eine richtige Auffassung vermittelt wird von dem erhabenen Charakter des edlen Prinzen und von dem allgemeinen Inhalt seiner Lehren. Was diese letzteren betrifft, so hat sich darüber ein gewaltiger Streit zwischen den Gelehrten erhoben; dieselben werden erkennen, daß ich die unvollkommenen buddhistischen Citate so gesetzt habe, wie sie in Herrn Hardys Werk stehen, und daß ich auch mehr als einen Punkt der überlieferten Legende verändert habe. Indessen sind die hier angedeuteten Ansichten über Nirvana, Dharma, Karma und die anderen Hauptbegriffe des Buddhismus mindestens die Früchte eines beträchtlichen Studiums, und zugleich der festen Überzeugung, daß ein Drittel der Menschheit niemals dazu hätte gebracht werden können, an reine Abstraktionen zu glauben, an das Nichts als Anfang und Ende des Seins.

Zum Schluß bitte ich, in Ehrfurcht vor dem glorreichen Verkünder der »Leuchte Asiens«, und in Verehrung für die vielen hervorragenden Gelehrten, die seinem Andenken ihren edlen Fleiß gewidmet (wofür mir sowohl Muße wie Geschick fehlt), die Mängel meiner allzuraschen Skizze zu verzeihen. Sie ward vollendet in den kurzen Pausen einer arbeitsreichen Zeit, aber eingegeben von dem beständigen Wunsche, die gegenseitige Bekanntschaft zwischen Ost und West zu fördern. Hoffentlich kommt die Zeit einmal, wo dieses Buch, mein »Indisches Hoheslied« und meine »Indischen Idyllen« das Andenken eines Mannes erhalten, der Indien und das indische Volk geliebt hat.

Edwin Arnold,
Ritter des Sterns von Indien,
London, im August 1884.


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