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Gevatterin: Die Kupplerin und die Hure, meine liebe Amme, sind nicht nur Schwestern, sondern sogar Zwillingsschwestern. Frau Wollust ist ihre Mutter, und Herr Puff ist ihr Vater – so steht's in den Chroniken. Aber ich bin der Meinung, die Kupplerin ist eine Tochter der Hurerei oder noch besser: die Hurerei ist aus dem Bauch der Kuppelei hervorgegangen.
Amme: Zu welchem Zweck fängst du solch einen Disput mit mir an?
Gevatterin: Weil ich möchte, daß der Kerl sich ein Bein bräche, der uns mit seinen Verleumdungen die rechte Hand abgehauen hat. Denn notwendigerweise muß die Kupplerin die Hure erzeugt haben. Verlaß dich drauf: Es ist so. Und da es so ist, so sollte man nicht leiden, daß bei allen Festen jedes Scheißhürchen den Vortritt vor uns hat.
Amme: Oh! da geb ich dir recht.
Gevatterin: Ich bin ganz baff, wenn ich daran denke, daß Salomon nicht auch mal an diesen kniffligen Fragen rumgepickt hat. Aber lassen wir das, und begnügen wir uns mit unserer Kunst, die dich zu neuem Leben wird erstehen lassen, wenn ich dir von ihr erzähle. Zur rechten Zeit und an seinem Ort werde ich dir nachweisen, daß auch die Hure, wenngleich unbewußt, uns die gebührende Ehre erweist; auch die vornehmen Herren erkennen ja unsere Wichtigkeit an, denn wenn wir mit ihnen im geheimen sprechen, so setzen sie uns a dextram patribus. Höre mich nur aufmerksam an, nachher kannst du sprechen.
Amme: Ich bin die Aufmerksamkeit selbst!
Gevatterin: Amme! Ich weiß ganz genau, was die Nanna ihrer Pippa vorgetragen haben muß, und ich weiß: Das Huren ist kein Beruf für die erste beste, denn ihr Leben ist wie 'ne Lotterie, und auf eine, die mit 'nem Gewinn abgeht, kommen tausend, die 'ne Niete ziehen. Indessen das Kupplerinnengewerbe verlangt noch größere Schlauheit. Ich leugne nicht, daß man die beiden Berufe nicht gut voneinander trennen kann, denn da wären sie alle beide in einer Verlegenheit, wie die Hände, wenn jede von ihnen sich allein waschen will und sich nun selber mit Wasser abspülen soll. Aber die Kupplerin fischt in tieferem Wasser als die Hure – und deswegen braucht man nicht die Nase zu rümpfen, denn es ist so.
Amme: Wer rümpft die Nase?
Gevatterin: Weiß ich's?
Amme: Das schien mir auf mich zu gehen!
Gevatterin: Sieh dir 'ne Kupplerin an, die dank ihrer Tüchtigkeit in gutem Rufe steht, und du denkst, du sehest einen in der ganzen Welt berühmten Arzt. Höre mir nur gut zu, wenn du wünschst, daß ich dir meine Weisheit eintrichtere. Da ist der Arzt: bedächtig und weise im Gehen und Stehen; spricht Bücher, schreibt Rezepte; und alles, was er tut, ist wie mit dem Zirkel abgemessen. Dem strömen alle Leute zu, wie sie mir ins Haus laufen, weil sie wissen, daß ich eine gewitzte, nie um ein Mittel verlegene Frau, mit einem Wort, in meinem Beruf Meisterin bin. Ein Arzt geht zuversichtlich in jedes Haus hinein, und eine Kupplerin, die ihren Wert kennt, tut desgleichen. Ein Arzt versteht sich auf den Körperbau, den Puls, die Schwächen, die Zornanfälle und die Krankheiten von diesem und jenem, und die Kupplerin kennt die Begierden, Launen, Naturen und Laster von jedermann. Der Arzt heilt Leber-, Lungen-, Brust- und Magenkrankheiten, und die Kupplerin heilt Eifersucht, Argwohn, Wut und Herzweh bei Männern und Frauen. Der Arzt stärkt, die Kupplerin tröstet; der Arzt macht gesund, und die Kupplerin tut dasselbe, indem sie dem Liebenden die Freundin ins Bett führt. Das heitere Gesicht des Arztes muntert den Kranken auf, und die kecke Miene der Kupplerin belebt den Verliebten; und die Verdienste der Kupplerin übertreffen sogar die des Arztes um vieles, weil die Liebesschmerzen viel verrückter und teuflischer sind als die der Gebärmutter. Der Arzt streicht überall blanke Batzen ein und die Kupplerin auch; und es wäre gut für jeden Kranken, wenn der Arzt so viel im Urin sähe, wie die Kupplerin den Leuten, die zu ihr um Rat und Hilfe kommen, vom Gesicht abliest. Und wie der Arzt ein lustiger Plauderer, ein unermüdlicher Anekdotenerzähler sein sollte, so ist auch die Kupplerin nichts wert, die nicht zum mindesten immer hundert Geschichten auf der Zunge hat. Der Arzt weiß dem Kranken, der am nächsten Tage sterben muß, zu versprechen, er werde ihn gesund machen, und die Kupplerin flößt dem Verzweifelten, der sich aufhängen will, neue Hoffnung ein.
Amme: Hoffnung bleibt immer unverloren.
Gevatterin: Der Arzt hat eine Menge verschiedener Gewänder; das eine trägt er zu Ostern, das andere zu Allerheiligen, dieses an den hohen Feiertagen, jenes an den gewöhnlichen Sonntagen; die Kupplerin wechselt die Tracht zwar nicht je nach der Zeit, aber je nach den Personen, mit denen sie zu tun hat, um Zusammenkünfte zu vermitteln. Angenommen, ich gehe zur Besprechung mit einer Edeldame oder mit einer reichen Kurtisane, so kleide ich mich ärmlich, um sie zum Mitleid zunächst mit meinem eigenen Elend und dann mit dem Verliebten zu bewegen. Bei Frauen von niedrigem Stande und geringem Vermögen erscheine ich aufgeputzt, so gut ich's nur vermag, und das tue ich, um mir ein Ansehen und ihnen Hoffnung zu geben.
Amme: Wieso ihnen Hoffnung?
Gevatterin: Hoffnung, durch mich reich zu werden, da ich selber ihnen reich erscheine und da ich es bin, die ihnen gute Verhältnisse zuführen kann.
Amme: Was man nicht alles erlebt!
Gevatterin: Doch um wieder zur Sache zu kommen: Der Arzt hat in seinem Kabinett Pulverchen, Wässerchen, Reizmittel, Kräuter, Wurzeln, Tüten, Schachteln, Destillierkolben, Glocken, Pfannen und ähnliches Gerümpel; auch die Kupplerin hat nicht nur all dieses Zeug, sondern außerdem sogar noch Geister, die durch Zauberkunst in ihren Dienst gezwungen sind; und sie schwört, sie habe diese Geister in einem Zauberstäbchen. Der Arzt treibt mit seinen Medizinen das Schlimme und das Gute aus dem Körper des Kranken heraus, und die Kupplerin weiß mit den ihrigen Dukaten und Heller aus den Hosentaschen zu locken. Der Arzt soll in mittleren Jahren stehen, um rechtes Vertrauen zu genießen, und eine Kupplerin genießt ebenfalls das meiste Zutrauen, wenn sie von mittlerem Alter ist ... Aber gehen wir frei und offen vor, und kommen wir zum Introibo! Und während ich dir meinen Vortrag über die Geschäfte einer Kupplerin halte, picke meine Lehren sorgfältig auf und laß dir die Art und Weise, wie ich's gemacht habe, zur Lehre dienen, wie du es machen mußt.
Amme: Ob ich auf merken werde! Ah!
Gevatterin: Von den vielen feinen Streichen, die ich gemacht habe und noch machen werde – wenn ich gesund bleibe –, will ich dir einen von den feinsten erzählen. Ich habe stets die Gewohnheit gehabt, jeden Morgen fünfundzwanzig Kirchen zu beschnuppern; in der einen nehme ich ein Stückchen Evangelium mit, in der anderen 'nen Fetzen von Orate fratres, da und dort ein Tröpflein Santus, Santus, ein bißchen Non sum dignus oder ein Bröcklein vom Erat verbum. Und wie ich so mit meinen Augen diesen und jene, jenen und diese bemustere, bemerke ich einen stattlichen, fein aufgeputzten Herrn, einen von jener Sorte, die lieber Essen und Schlafen versäumten, als daß sie auch nur an einem der Feste ohne Vigilien, wie zum Beispiel Sankt Joseph, Sankt Hieronymus, Sankt Hiob oder Sankt Johannes Chrysostomus in der Kirche fehlten. Besagter Herr war sechsunddreißig Jahre alt, vielleicht etwas mehr, gut und anständig gekleidet und, soweit ich aus dem ehrerbietigen Grüßen vieler Anwesenden entnehmen konnte, ein grundgelehrter Mann; er hatte einen langen Bart, der war schwarz und spiegelblank. Denke nur nicht, er habe mit seinen Blicken und Worten um sich geworfen! Nein, neben dem Weihwasserbecken stehend, antwortete er nur durch Kopfnicken auf die Grüße oder etwa mit einem ernsten Lächeln, und wenn er die Schönen ansah, so machte er das so, daß es fast niemand bemerken konnte. Und wenn diese oder jene die Spitze ihres Fingers in das Becken tauchte und sich das Gesicht betupfte, so lobte er die Hand der Dame mit so edlem Anstand, daß sie lächelnd weiterschritt und an einer Stelle hinkniete, von wo aus sie ihn im Auge behalten konnte. Zuweilen stellte er sich auf einen Fuß, schlug das andere Bein über und runzelte auf eine eigentümliche männliche und graziöse Art die Brauen auf seiner gedankenvollen Stirn; nachdem er etwa die Zeit eines Credos so gestanden hatte, heiterte sich seine Miene wieder auf, und das machte er, Amme, mit einem Anstand, der sozusagen sogar den Weihwedel des heiligen Beckens bezauberte.
Amme: Mir ist, als sähe ich ihn leibhaftig vor mir.
Gevatterin: Diesem Herrn beschloß deine kleine Gevatterin einen Streich zu spielen, und es gelang ihr, wie ich dir erzählen will, Schwesterchen. Er verließ eine Kirche niemals eher, als bis kein Weiblein mehr ringsum zu sehen war, und in der Erlöserkirche stand er mit ganz besonderer Vorliebe. Hier redete ich ihn eines Morgens an, als er gerade mit all seinen Mätzchen hinter irgendeiner mir Unbekannten her war. Ich rede ihn also an, indem ich tue, als verwechsle ich ihn mit einem andern, und sage leise und mit fröhlichem Gesicht zu ihm: »Wollen Euer Gnaden sich, bitte, nicht vom Fleck rühren, ich habe mir so viele Mühe gegeben, daß die Bewußte jetzt bereit ist, mit Euch zusammenzukommen; aber es könnte irgendein anderer kommen als Ihr und noch mal so was von mir verlangen, für den wäre ich nicht zu haben! Ich werde mich niemals wieder in eine so gefährliche Geschichte einlassen.« Als der wackere Herr mich so sprechen hörte, begriff er vollkommen, daß ich mich in der Person getäuscht haben müßte; aber als vernünftiger Mann nahm er mir das nicht übel, sondern antwortete mir im Gegenteil lachenden Mundes: »Ihr erweist Eure Gefälligkeit keinem Undankbaren.« Zugleich begann ihm das Herz in der Brust zu hüpfen, jenes Zittern vor süßer Begier in Erwartung des Genusses band ihm die Zunge, so daß er stotterte, und die Farbe seines Antlitzes wechselte im Nu zwischen Rot und Weiß. Sofort trabe ich nach der Kirchentür, seh mich um und entdecke ein Zwanzig-Soldi-Hürchen, die ging in die Kirche, weil ich sie bestellt hatte.
Amme: Wie geschickt!
Gevatterin: Sobald ich ihr Gesicht genau erkannt habe, winke ich dem gnädigen Herrn und sag ihm mit der Hand: »Da ist sie!« Er streicht sich mit der flachen Hand den Bart und spreizt sich wie ein Pfau, richtet sich in seinen Schuhen auf und räuspert sich. Ich verdoppele meine Winke, während die Nymphe der Kirchentür immer näher kommt, zeige sie ihm, als sie ins Heiligtum eintritt, mit einer Kopfbewegung und ziehe mich in den Hintergrund zurück. Im selben Augenblick läßt sie einen Handschuh fallen, bückt sich und weiß beim Aufheben eine anmutige Ungeschicklichkeit anzubringen.
Amme: Was denn für eine?
Gevatterin: Indem sie den Handschuh aufhob, faßte sie zugleich den unteren Saum ihres Kleides und ließ so viel von ihren Wädchen sehen, daß der gnädige Herr mit seinem Stoßvogelblick ihre türkisblauen Strümpfe und schwarzen Samtpantöffelchen bemerkte; und beides war so nett und sauber, daß er vor wollüstiger Wonne zu schnaufen anfing. Sie kniete nun auf den Stufen des Hochaltars nieder; ich kam aus dem Hintergrund hervor, indem ich mich nach allen Seiten umsah und tat, als wollte ich nicht gesehen sein. So schlängele ich mich an Freundchen heran und sag ihm ganz leise, leise: »Wechselt jetzt zwei Blicke mit ihr – aber macht es geschickt! Unterdessen wird ihre Zofe an der Kirchentür Posten stehen.«
Amme: Haha!
Gevatterin: Der Kavalier tat, was ich ihm geheißen, zupfte sich die Kleider auf dem Leibe zurecht und schritt auf den Altar zu mit jenem neumodischen Gang und Benehmen, wobei drei Schritte einen Dukaten machen, zweimal ausspucken einen Julius, und einmal sich umsehen einen Heller kostet. In seinem Antlitz, aus seinen Augen, auf seinen Wangen, um seinen Mund ließ er ein kokettes leichtes Lächeln spielen, als er an ihr vorüberkam; dann stand er eine Weile still, um sie besser betrachten zu können, aber mit einer ernsten Galanterie, die nicht für leichtfertiges Liebäugeln genommen werden konnte. Die Kleine bedeckte mit ihrem Fächer nur einen Teil ihrer linken Wange und ließ ihn also den Rest nach seinem Belieben mustern. Nachdem er so zwei oder drei Mal hin und her gegangen war, gelang es ihm, ein Teilchen ihrer – übrigens nicht allzu schönen – Schönheit zu erhäschen. Ich stellte mich hinter eine Säule, rief ihn mit einem Wink zu mir heran; und als er neben mir steht, fragte ich ihn: »Nun, was dünkt Euch?« – »Sie dünkt mir wirklich ein recht stattliches Weib zu sein; aber leider habe ich sie mir bis jetzt nicht in aller Gemächlichkeit ansehen können.« – »Ei was«, sag ich, »Euer Gnaden sollen sie sehen und vielleicht sogar ganz nach Eurer Bequemlichkeiten anfassen. Dafür will ich sorgen. Und mag danach kommen, was will – wenn Ihr nur zufrieden seid, das genügt mir. Ihr Mann ist heute früh nach Magliana gegangen und kommt nicht vorm Abend zurück; geht also nur ganz dreist hinterher, beachtet aber, daß ich nicht mehr meine frühere Wohnung habe; ich bin nämlich gestern umgezogen; geht in die Tür, in die Ihr uns eintreten seht, aber richtet es so ein, daß Euch niemand sieht.« Amme, meiner Seel – das Gratia agamus selber hätte mir nicht so überschwenglich danken können, wie er mir dankte, als ich ihm sagte: »Geht hinterher.« Und als er mich flüstern hörte: »Richtet es so ein, daß Euch beim Eintreten niemand sieht!« –, da schüttelte er den Kopf, als wollte er sagen: ›Wozu brauchst du das einem Mann, wie ich bin, zu sagen ?‹
Amme: Ich sehe ihn, ich sehe dich, ich sehe sie, ihre Zofe und den ganzen Hergang.
Gevatterin: Ich verlasse nun also die Kirche – und das Frauenzimmerchen, der schlechte Strick, antwortet mir auf meinen Wink durch ein Kopfschütteln, sie wolle nicht kommen. Ich laufe auf sie zu, breite die Arme aus, hebe meine Augen zum Himmel empor, verdrehe den Hals, wackle mit dem Kopf und tue, als ob ich sie himmelhoch beschwöre und anflehe, sie möchte doch kommen. Man kann mir's glauben: Der Tölpel fluchte, wie sich's für 'nen gefirmten Christenmenschen nicht gehört, als er sie diese Alfanzereien machen sah; das Herz erstarb ihm im Leibe, wie einem, dem ein zerbrechliches Juwel aus der Hand fällt. Aber die Luft kam ihm wieder, wie einem, der aufwacht und findet, daß sein Traum, worin ihm Unglück zugestoßen war, eben nur ein Traum war: Gleich darauf sah er uns nämlich auf mein Haus zugehen. Er ging hinter uns drein, und es war zum Lachen, wie er mit den Schuhspitzen in die Fußtapfen trat, die seiner Meinung nach Fräulein Wallrutscherin gemacht haben mußte.
Amme: Was für Verrücktheiten!
Gevatterin: Nun sind wir also bei meinem Hause; ich mache die Tür auf und gucke mich dabei nach allen Fenstern der Nachbarn um, ob uns doch auch niemand sähe, und dem Anschein nach in Zittern und Zagen, in Wirklichkeit aber voller Herzensfreude darüber, daß ich ihn angeführt hatte, stand ich hinter der Tür, seufzte aus tiefster Seele, zitterte, machte mich ganz klein und sagte: »Wehe mir, wenn das bekannt würde! Wenn ich nur wenigstens vorher gebeichtet hätte! Denn wer weiß, was alles darnach kommen kann?« – »Ei was!« ruft der Kavalier, der einen Ballen spanische Seide auszupacken glaubte, womit er nachher bei allen seinen Freunden renommieren könnte, »ei was! damit hat's keine Gefahr – und wenn auch, wer, glaubt Ihr denn, daß ich sei?« – »Weiß ich das nicht recht gut?« antworte ich. – »Nun, so seid denn guten Muts!« ... Du möchtest das Ende wissen? Er kam mit in meine Kammer hinauf, und die fleischliche Versuchung stand ihm schon zum Hosenlatz heraus; seine Hände, zudringlicher als die Hände eines Priesters oder Mönchs, wollten nicht bloß am Busen Nachforschungen anstellen, sondern auch sub umbra alarum tuarum, wie's auf dem Schild des Apothekers Ponzetta hieß – quacksalbernden, hartleibigen, schwindsüchtigen Angedenkens. Während dieser Zeit stand ich auf der Lauer wie eine jener spionierenden Schleicherinnen, die schuld sind, daß einem armen Bedienten wegen irgendeiner Pflichtversäumnis auf eine Woche das Essen am Gesindetisch entzogen wird. Plötzlich trete ich ein, hefte meine Augen auf das Antlitz des galanten Kavaliers, breite die Arme aus, hebe die Hände gen Himmel und stöhne leise, leise: »O weh! ich Arme! ich Unglückliche! ich Verlorene! ich bin hin, ich bin tot, ich bin zerquetscht!« Wenn du mal 'ne Katze gesehen hast, auf die im Augenblick, wo sie die Pfote ausstreckt, um irgendwas zu erhäschen, unter dem Rufe ›Katz! Katz!‹ eine Tracht Prügel herabsaust, so daß sie mit einem Riesensatz unter dem Bett verschwindet – so kannst du ihn dir vorstellen, wie er ganz verdutzt dastand, weil er nicht begriff, warum ich so jammerte. Ich aber fuhr fort: »Also so etwas tun Euer Gnaden mir an? mir, die ich Euch mit einem anderen verwechselt habe? Darf man einer Frau einen solchen Streich spielen? Um Himmels willen – geht, wohin es Euch gefällt; aber ehe Ihr geht, versprecht mir, nicht den Mund aufzutun, denn ... denn ...« Ich wollte schließen ›das wäre mein Verderben!‹, aber ich tat, als könnte ich nicht weitersprechen wegen der Tränen, die ich meinen Augen zu entpressen wußte.
Amme: Wehe den Dummköpfen!
Gevatterin: Sobald er den Grund meiner Verzweiflung vernahm, erhob er lachend seinen Dickkopf und sagte zu mir: »Ei was! ich bin nicht der Betreffende; aber ich bin mehr wert als tausend seinesgleichen; ich habe die Mittel, Geld auszugeben, ja zu verschwenden wie nur irgendein Mensch in der Stadt; ich bin nicht der Mann, die Schande einer Frau auszuposaunen, im Gegenteil, ich bin verschwiegener als ein Ort, wo ein Schatz vergraben liegt. Und darum, gute Frau, quält Euch nicht wegen des Versehens, das Euch passiert ist; wenn Ihr meinen Rang und Stand kenntet, so würdet Ihr den Zufall preisen, der Euch mich mit irgend 'nem anderen hat verwechseln lassen.« Auf diese tröstlichen Worte hin raffe ich mich ein bißchen zusammen, alle meine Beunruhigungen sind besänftigt, und ich sage: »Euer Gesicht sagt mir noch besser als Eure Worte, daß alles zum besten steht. Allerdings, der hohe Herr – ich spreche von einem hohen, ganz hohen –, dem ich das Frauchen schon seit einem Jahr versprochen hatte, der wollte ihr ein schönes Geschenk geben.«
Amme: Du zapftest ihn mit dem schönen Geschenk an, damit er besser rausrückte, ha?
Gevatterin: Das kann wohl ein blinder Maulwurf sehen, also schön! Nachdem er mir Montemari mitsamt seinem Kreuz versprochen hatte, machte er sich an die Muchacha – wie Don Diego immer sagte –, ich aber ging hinaus, zog die Tür hinter mir zu und legte das eine Auge an die Ritze. Da sehe ich ihre Zungen wie Blitze hin und her fahren, wie Degenklingen von Fechtern, die zum Spaß pauken: Bald hatte er seine Zunge in ihrem Munde, bald hatte sie ihre in seinem, und da lief mir selber vom Zusehen das Wasser im Munde zusammen, wie wenn die Zunge eines meiner Zuhälter in meinem Munde gewesen wäre, oder noch besser: meine Zunge in seinem. Und als ich sah, wie sie sich die Röcke hochhob, da stieß ich 'nen Seufzer hervor, so tief, wie damals am Tage der Plünderung; aber diesmal war's vor reiner Wonne, denn es war gar zu schön, wie sie von der weichen Hand des feinen Herrn auf den Popo und die Lenden getätschelt wurde. Oh! was für süße Wörtlein entschlüpften seiner Weisheit Munde! Und schon klopft Bruder Bernhard an die Klosterpforte, die ihm aufgetan wird, ohne daß er großen Spektakel mit dem Klopfer zu machen braucht: Da tritt er ein, stößt mit dem Kopf gegen alle Ecken und wird ganz wütend, der Tölpel! Sie aber, wohlzufrieden, verdreht die Augen, stöhnt, dreht sich hin und her und läßt die Bettstelle Musik machen. Auf einmal halten sie ein: Sie sind fertig.
Amme: Sagtest du nicht, sie sei wie geschächtetes Fleisch gewesen: Wer einmal davon gegessen hat, will's nicht mehr?
Gevatterin: Sie war, wie ich dir gesagt habe, ein Vier-Soldi-Nickel, aber ihm kam sie appetitlich vor, weil ich sie für einen anderen hatte besorgen sollen. Ich lüge nicht – und der Beweis für die Wahrheit sind die drei Dukaten mit dem Kopf von Papst Nikolaus, die ganz moderig rochen und mit Grünspan überzogen waren wie alle Goldstücke, die bei Geizhälsen in der Truhe liegen. Diese drückte er ihr in die Hand und sagte: »Morgen abend wollen wir zusammen schlafen.« Und er hätte mit ihr geschlafen, wenn uns nicht der Teufel in die Quere gekommen wäre.
Amme: Wieso in die Quere?
Gevatterin: Kaum war er aus meinem Hause heraus, so begegnete er einem Freunde, der ihm zurief: »Woher, beim Herrgottsdonnerwetter, kommt denn Ihr? Ganz gewiß hat Gevatterin Ruffa an Euch einen ihrer Streiche verübt!« Weiter war nichts nötig, Amme; er erfuhr, wie's mit mir stände, und als vernünftiger Mensch lachte er darüber und erzählte seinem Freund, in welcher Schlinge ich ihn gefangen hätte.
Amme: Hahaha!
Gevatterin: Einen frechen Mut, ja einen sehr frechen, muß eine Kupplerin besitzen. Wäre der von mir an der Nase Geführte einer von jenen Potzhurenkind-Fluchern gewesen, so hätte ich den Bakulus zu kosten gekriegt, und das wenigste wäre noch gewesen, daß ich die Dukaten wieder hätte herausgeben müssen. Darum muß man notwendigerweise gewappnet sein mit einer schneidigen Zunge, mit einem wagemutigen Herzen, mit einer eindringlichen Zudringlichkeit, mit einem undurchdringlichen Gesicht, mit einem niemals strauchelnden Fuß, mit einer unermüdlichen Geduld, mit einer hartnäckigen Lügenhaftigkeit, mit einem stolpernden Ja, mit einem fest auf vier Füßen stehenden Nein. Das Kuppeln? Oh! oh! oh! Man hat keine Ahnung, was eine dazu alles wissen muß; die Lehrmeister müßten, um diese Kunst zu lernen, erst noch wieder in die Schule gehen. Das ist keine Redensart von mir, denn in der Schule der Kuppelei haben sich die Sibyllen, die Feen, die Hexen, die Gespenster, die Schwarzkünstlerinnen und die Dichterinnen ihre Doktortitel geholt.
Amme: Das glaub ich dir.
Gevatterin: Das Genie der Kupplerin verdiente mit Lorbeer gekrönt, heiliggesprochen und vor allen anderen ausgezeichnet zu werden. Ich hab die Bibel gelesen – potz Blitz, das hab ich! –, und nicht bloß die Juden, sondern sogar ihre Synagogen sind ganz still gewesen, als ich ihnen nachwies, daß die Kupplerinnen sogar Salomons Hirn in die Tasche gesteckt haben; nun kannst du dir selber denken, was sie erst mit seinen Talern angefangen haben.
Amme: Ich hab aber 'ne Abbildung gesehen, die war auf 'ner grünen Wolldecke – nä, 's war 'ne rote, und aus Florenz war sie gekommen! –, darauf stand Salomon und tat, als wollte er das lebende Kind in zwei Stücke schneiden und als beföhle er, daß jede von den beiden die Hälfte nehmen sollte; und daran erkannte er – weil nämlich die andere sagte: »Sie kann das ganze Kind kriegen« –, welche von ihnen die Mutter des toten war.
Gevatterin: Damals führte Salomon 'ne Hure ab und nicht 'ne Kupplerin.
Amme: Ach ja, es waren Huren – da hast du recht!
Gevatterin: Ein schönes Geschäft hat so 'ne Kupplerin, denn alle Welt ist ihr Gevatter oder ihre Gevatterin oder ihr Pate, und in jedes Loch weiß sie zu schlüpfen. Alle neuen Moden von Mantua, Ferrara, Mailand beziehen ihre Schnittmuster von der Kupplerin; sie ist es, die alle Haartrachten erfindet, die's auf der ganzen Welt gibt; der Natur zum Trotz bessert sie jeden Makel aus, sei's am Atem, an den Zähnen, Wimpern, Brüsten, Händen oder Gesichtern, sei's draußen oder drinnen, sei's hinten oder vorne. Frage sie, wie's am Himmel steht, sie weiß es ebensogut wie der Sterngucker Gaurico; in der Hölle ist sie ganz wie zu Hause: Sie weiß, wieviel Holz dazugehört, um die Töpfe zum Kochen zu bringen, in denen die Seelen der Monsignori schmoren, wieviel Kohlen nötig sind, um die Seelen der Signori zu rösten – und das weiß sie ganz einfach deshalb, weil Meister Satan ihr Gevatter ist. Der Mond nimmt nicht ab oder zu, ohne daß die Kupplerin es weiß; die Sonne geht nicht auf und nicht unter ohne die Erlaubnis der Kupplerin; und Taufen, Firmungen, Hochzeiten, Geburten, Todesfälle, Verwitwungen stehen unter dem Kommando der Kupplerin, und niemals trägt sich eins von diesen Dingen zu, ohne daß die Kupplerin ein bißchen damit zu tun hätte. Mit allen Leuten, die auf der Straße gehen, hat die Kupplerin zu sprechen, und dabei rechne ich noch gar nicht mal die, bei denen ein Gruß mit dem Kopf, ein Wink, ein Nicken, ein Augenzwinkern genügt.
Amme: Ich habe vor ihr alle Achtung, die ihr gebührt, und ich weiß, daß du das von mir wünschest. Fahr nur fort!
Gevatterin: Stößt sie auf 'nen Sbirren, so sagt sie zu ihm: »Gestern hast du dich wie ein Paladin benommen, als du den Spitzbuben packtest!« Begegnet sie 'nem Beutelschneider, so flüstert sie ihm ins Ohr: »Schneide sie nur recht geschickt ab!« Sie stößt mit dem Busen gegen 'ne Nonne, grüßt sie mit einer Neigung des Kopfes und erkundigt sich nach der Äbtissin und nach den nächsten Fasten, die sie halten wollen. Sieh, da kommt 'ne Hure! Sie bleibt stehen, und das erste Wort, das sie ihr sagt, ist: »Ihr seid schöner als Menilatesta.« Meni-la-testa, deutsch: Schüttelkopf; jedenfalls Spitzname einer damals berühmten Kurtisane Sie begegnet einem Wirt und sagt ihm: »Bewirtet die Fremden gut!« Einem Küchenmeister: »Kauft gutes Fleisch!« Einem Schneider: »Stehlt kein Tuch!« Einem Bäcker: »Laßt das Brot nicht verbrennen!« Einem Knaben: »Du bist ja schon ein richtiger kleiner Mann; lerne nur recht brav!« Einem kleinen Mädchen: »Du gehst wohl zur Lehrerin, was? Laß dir nur zeigen, wie der Kreuzstich gemacht wird!« Zum Schulmeister: »Gebt Handklapse und laßt die unartigen Schlingel zu Pferde steigen eine früher übliche Schulstrafe, die darin bestand, daß der Schuldige sich rittlings auf den Rücken eines Mitschülers setzen mußte, so daß der Lehrer ihm bequem den Hintern mit der Rute bearbeiten konnte. – aber mit Vernunft! Denn wenn die Jahre noch nicht da sind, kann auch der Verstand nicht dasein.« Zu einem Laienbruder: »So? Ihr betet den Rosenkranz, anstatt Messe zu halten! Ihr könnt wohl nicht lesen?« Zu einem Bauern: »Wird's heuer 'ne gute Ernte geben?« Zu einem Soldaten: »Frankreich macht ja wohl immerzu Krawall?« Nun trifft sie einen Bedienten. Dem sagt sie: »Du hast ja immer deinen sicheren Lohn! Hast du zuviel zu tun? Ist etwa dein Herr ein Grobian?« Einen Küster fragt sie, ob er die Epistel oder das Evangelium liest. Sie trifft 'nen Bummler, den hat sie im Nu so weit, daß er die sieben Fröhlichkeiten erschallen läßt. Einem Mönchlein sagt sie: »Singt nur die Responsorien nicht so laut bei der Messe und zündet die Wachskerze nicht an, ehe nicht der Leib des Herrn gezeigt wird; es kostet ja zuviel.« Sie fängt mit 'nem Alten an zu plauschen: »Eßt nur nichts, wo Essig dran ist – wegen Eures Hustens«, dann sagt sie weiter: »Erinnert Ihr Euch noch der Zeit, wo ... ach!« Sie sieht ein Jüngelchen und ruft ihn ran: »Komm mal her! Deine Mutter und ich waren ein Herz und eine Seele, wie oft hab ich dich geküßt und auf den Popo getätschelt. Zwei ganze Jahre schliefst du in meinem Bett zu meinen Füßen, und mich dünkt, ich sehe in deinem Gesicht ihre Züge, wie wenn sie nur so hingespuckt wären.« Jetzt begegnet sie 'nem Jüngling und flüstert ihm zu: »Ich hab für Euch 'ne hübsche kleine Sache gefunden; ein Graf würde damit zufrieden sein.« Kaum sieht sie einen Eremiten, so sagt sie zu ihm mit einem Seufzer: »Gott hat Euch das Herz gerührt; wir andern leben im Trubel dieser Sündenwelt.« Eine Witwe kommt ihr in den Weg, und sie beweint mit ihr ihren seligen Gatten, der vor zehn Jahren gestorben ist. Sie sieht einen Bramarbas und ruft ihm zu: »Laß nur lieber die Händelchen!« Einen Mönch fragt sie, ob nächstes Jahr die Fastenzeit spät kommt.
Amme: Na, nun hast du sie alle genannt!
Gevatterin: Denkst du, die Kupplerin schwätzt bloß zu ihrem Vergnügen mit all diesen Leuten? Da hast du keine Ahnung! Sie tut's nur um ihres Verdienstes willen, den sie bei allen Klassen von Männern und Frauen haben muß, und um sich in Stadt und Land bekannt zu machen. Was ich dir bis jetzt aufzählte, sind die Sächelchen, die die Kupplerin bei Tage zu tun hat; nun kommen ihre Nachtgeschäfte.
Amme: Ja, erzählt davon, bitte!
Gevatterin: Bei Nacht führt die Kupplerin ein Leben wie 'ne Fledermaus, die sich keinen Augenblick hinsetzt; ihre Haupttätigkeit beginnt, wenn die Uhus, die Käuzchen und die Schleiereulen aus ihren Löchern hervorkommen. So kommt auch die Kupplerin aus ihrem Nest hervor und klopft Nonnen- und Mönchsklöster, Höfe, Bordelle und alle Schenken ab, hier holt sie eine Nonne ab, dort einen Mönch. Diesem führt sie eine Kurtisane zu, jenem eine Witwe; dem einen eine Verheiratete, dem andern 'ne Jungfer; die Lakaien befriedigt sie mit den Zofen ihrer Herrschaft, der Haushofmeister kriegt zum Trost seine Gnädige; sie bespricht Wunden, sammelt Krauter, beschwört Geister, reißt Toten die Zähne aus, zieht Gehenkten die Stiefel ab, schreibt Zauberformeln auf Papierblätter, bringt Sterne zusammen, bringt Planeten auseinander und kriegt zuweilen eine tüchtige Tracht Prügel.
Amme: Wa... was? Prügel?
Gevatterin: Unmöglich ist es, alle und jeden zufriedenzustellen, und ebenso unmöglich, alle Aufträge glatt zu erledigen. Aber nur Geduld! sagte der Wolf zum Esel. Man muß, Schwesterchen, listig sein wie die Füchse, die nicht nur alle Listen kennen, sondern sogar noch einige mehr; trotzdem werden sie jetzt aus ihrem Bau ausgeräuchert, jetzt in einer Schlinge geschunden, jetzt in einem Sack gefangen; und wie viele von ihnen lassen nicht das halbe Fell, einen Teil ihres Schwanzes oder ihre Ohren zwischen den Zähnen eines Hundes! Trotzdem bleiben immer welche übrig, die um die Häuser herumstreunen und in die Hühnerställe schlupfen. Und weißt du was? Nachdem ich die Kupplerin mit dem Arzt verglichen habe, will ich sie auch mit dem Fuchs vergleichen. Sieh mal: Die Kupplerin arbeitet mit keiner Witwe, mit keinem Mädchen, mit keiner Ehefrau, mit keiner Nonne aus ihrer Nachbarschaft (von den Huren spreche ich nicht). So holt sich auch der Fuchs kein Hühnchen in der Nähe seines Baus; und das tut er aus List, denn man würde ihn sonst im Nu aufspüren.
Amme: Fuchsschlauheit, ha?
Gevatterin: Ist der Fuchs bei den schlaftrunkenen Hühnern eingedrungen, so beißt er zuallererst den Hahn tot, damit dieser nicht mit seinem Kikeriki die schlafenden Hennen weckt. Und die Kupplerin beseitigt, verhindert, erstickt dank ihrer Behutsamkeit jeden Skandal: Sollte sie vom Bruder, vom Mann, vom Vater bei Frauchen Spantina getroffen werden, so kann sie mit einem Achselzucken den Störenfried zum Kuckuck schicken. Und wenn der Fuchs es riskiert, das Risiko seiner Laster zu riskieren, so schöpft die Kupplerin aus seinem Beispiel die Zuversicht, daß sie ihre Stückchen zum guten Ende führen werde. Ich will dir vom Fuchs so einen Spitzbubenstreich erzählen, durch den er einige Maultiertreiber in 'ne Wut brachte, daß sie bei Hölle und Teufel fluchten, während sie zugleich vor Lachen bersten wollten.
Amme: Haha! Ich lache schon, ehe du noch anfängst zu erzählen.
Gevatterin: Ich fühle es mir in den Fingerspitzen kribbeln, wenn ich daran denke, wie die einstmalige Glückseligkeit unseres Kuppelgewerbes uns geraubt ist, und zwar von den Frauen und Damen, von den Männern und Herren, von den Hofkavalieren und Hoffräuleins, von den Beichtigern und Nonnen. Denn, meine liebe Amme, heutzutage regieren diese vornehmen Kuppler die Welt: Sie sind Herzöge, sie sind Markgrafen und gewöhnliche Grafen, sie sind Kavaliere; ja, du zwingst mich, es zu sagen: Es sind Könige, Päpste, Kaiser, Großtürken, Kardinäle, Bischöfe, Patriarchen, Sophis und alles mögliche. Und unser guter Ruf ist flötengegangen, wir sind nicht mehr, was wir waren. Wenn ich an jene Zeit denke, wo unsre Kunst in Blüte stand!
Amme: Oh! sie steht nicht mehr in Blüte, wenn solche Persönlichkeiten, wie du sie eben aufgezählt hast, sich damit befassen?
Gevatterin: Für sie steht sie wohl in Blüte – aber nicht für uns! Uns ist nichts weiter geblieben als der Schimpfname ›Kupplerin‹ – sie aber schreiten stolz einher und spreizen sich mit ihren Titeln Ehren, Pfründen. Bilde dir nur nicht ein, jemand könne es durch seine Talente zu etwas bringen! Das gibt's hier in diesem Schweine-Rom sowenig wie anderswo. Aber die vornehme Kuppelei läßt sich den Steigbügel halten, kleidet sich in Samt und Seide, hat den Beutel voll Geld, wird mit tief abgezogenem Barett gegrüßt. Ich bin ja freilich eine von der kernigen Sorte, aber sieh dir auch mal die andern an, wie die erbärmlich dreinschauen! Darum benimm dich, wie sich's gehört. Ich will annehmen, du verstehst dein Geschäft aus dem Grunde, siehst anständig aus, weißt dich zu benehmen; weißt lebhaft und witzig zu plaudern, hast immer das rechte Wort zur rechten Zeit; dein Verba gratia ist vollkommen einwandfrei; weißt deinen Spaßen stets eine angenehme Wendung zu geben; steckst voll von Sprichwörtern und Redensarten; mischst dich in alles, bist doppelzüngig, spionierst aus, was ein jeder tut und treibt; verstehst es, jemanden zu hänseln, kannst lügen wie ein Spitzbube; liebst das Lügen wie dein rechtes Auge; weißt dich in alle Leute zu schicken; hältst fest, was du hast; weißt dich aus der Flasche eines anderen satt zu trinken, am Tisch eines andern satt zu essen; weißt bei dir zu Hause zu fasten, auch wenn keine Vigilie ist. Wenn du alle diese Eigenschaften hast und dazu noch das bißchen oder das viele, was du von mir lernen kannst, hinzunimmst, so wirst du dich schon durchschlagen können.
Amme: Ja, das sagst du wohl – ich bin aber nicht so hirnverbrannt, um nicht zu sehen, daß ich durchaus keine Begabung solcher Art besitze; allerdings hoffe ich, durch deine Belehrung mir manches anzueignen.
Gevatterin: Die kannst du haben. Aber wo waren wir doch stehengeblieben?
Amme: Bei dem Fuchs und den Maultiertreibern.
Gevatterin: Haha! Das Stückchen war wirklich hübsch. Es war mal ein hochbetagter, schon ganz weißhaariger Fuchs, eine boshafte, schlaue, durchtriebene Bestie, wie's nur jemals eine auf der Welt gab. So in der Art wie jener andere Fuchs, der zum Gevatter Wolf sagte, als der dumme Tölpel im Eimer in den Brunnen hinunterfuhr und ihn dadurch in dem andern Eimer nach oben brachte: »So geht's in der Welt: immer auf und ab; der eine steigt, der andere sinkt.«
Amme: Er hatte ihn niedlich angeführt – was willst du mehr?
Gevatterin: Also mein Fuchs, mein ganz verflixter Fuchs, hatte mal Lust, sich mit einem Gericht frischer Fische ganz gehörig den Bauch vollzuschlagen. Er ging nach dem See von Perugia, um den größten Spitzbubenstreich zu verüben, den je ein Spitzbube ausgesonnen hat. Nachdem er am Ufer eine Zeitlang gestanden und nachgedacht hatte, den Schwanz unbeweglich, seine spitze Schnauze vorgestreckt, die Ohren gespitzt, da sah er gemächlichen Schrittes einen Trupp Maultiertreiber herankommen, die miteinander schwatzten, während ihre Maultiere, die eins an das andere gebunden, in einer langen Reihe marschierten, einen Bissen Stroh aus den ihnen vor die Mäuler gebundenen Futterbeuteln verzehrten. Sie plauderten davon, daß die Plötze so selten und die Hechte so reichlich wären, und sprachen mit Behagen von einer Schleie, die sie zum Frühstück mit Kohl und Sardellentunke genossen hatten, und von einem dicken Aal, dem sie den Garaus machen wollten, sobald sie ihre Saumtiere abgesattelt hätten. Kaum hatte Mosje Fuchs sie gesehen, so verzog er seine Schnauze zu einem Grinsen. Dann warf er sich quer über den Weg, wie wenn er mausetot wäre; und als er hörte, daß sie ganz nahe waren, hielt er den Atem an wie einer, der unter Wasser taucht; starr und steif streckte er alle viere von sich und lag unbeweglich da, wie wenn er wirklich tot gewesen wäre. Die Maultiere hatten ihn schon aus einiger Entfernung gesehen und wichen ihm aus, denn sie hatten mehr Gefühl als ihre Treiber, die, kaum daß sie ihn erblickten, ihr Ho! ho! ho! anstimmten, wie ein Bauer, wenn er über seinen mit spannenhohem Getreide bewachsenen Acker einen Hasen hüpfen sieht. Der ganze Trupp lief herzu, um den Fuchs zu fangen und seinen Pelz zu kriegen. Aber da sie ihn alle auf einmal am Schopf nahmen – denn jeder wollte den Pelz für sich alleine haben –, so hätten sie ihn beinahe in Stücke gerissen. Mit ihren groben Maultiertreiberstimmen schrien sie: »Ich hab ihn zuerst gesehen!« Und: »Ich hab ihn vor dir in der Hand gehabt!« Und wenn nicht einer von den älteren unter ihnen die Sache wieder ins Geleise gebracht hätte, indem er einen schwarzen Kiesel und eine Anzahl weißer in seinen Hut warf, so hätten sie sich ohne Zweifel ganz gehörig verdroschen. Jener Verständige rührte die Kiesel durcheinander, und sie ließen das Los entscheiden, wer der Gewinner des Fuchspelzes sein sollte, worauf die anderen sich beruhigten.
Amme: Solche Lappalien laufen gar oft auf Degenhiebe und Lanzenstiche hinaus.
Gevatterin: Der glückliche Gewinner nahm seinen Fuchs und fühlte, daß er noch ganz warm war; da rief er: »Herrgott noch mal! er muß grad in diesem Augenblick gestorben sein, und zwar scheint er in seinem eigenen Fett erstickt zu sein, wie mich dünkt!« Mit diesen Worten warf er ihn auf die Fischkörbe eines seiner Maultiere und begab sich wieder zu seiner Gesellschaft, wo jetzt aller Hader vergessen war. Schritt für Schritt wanderten sie im alten Einvernehmen weiter, und dies war für unseren wackeren Fuchs sehr bequem, denn nun konnten sie ihn nicht mehr sehen. Sachte, sachte drehte er sich um, und da er nicht bloß Hunger, sondern auch Appetit hatte, so machte er ein Loch in die vermaledeiten Fischkörbe und schlang alles herunter, was in allen beiden drin war. Dann machte er einen Satz, wie ihn die Füchse machen, wenn sie das Kläff! kläff! der Hunde auf den Hacken haben und über einen Graben hinüber müssen. Das sah einer von den Maultiertreibern und schrie: »Ach herrje! der Fuchs!« Er lief an das Maultier heran, auf welchem der Totgeglaubte gelegen hatte. Kein Fuchs war mehr zu sehen. Da schämte sich der Raufbold, der um den Fuchspelz sich hatte prügeln wollen, und die anderen schlugen ein Gelächter an wie Morgante.
Amme: Wie Margutte, willst du sagen.
Gevatterin: Oh! Morgante!
Amme: Margutte, Margutte.
Gevatterin: Nun will ich dir aber einen von meinen eigenen Streichen erzählen, der war nicht weniger sinnreich als der des sinnreichen Fuchses, und er gelang mir, ohne daß ich die allergeringste Angst dabei auszustehen brauchte. Ein hübscher Edelmann, jung, neunundzwanzig oder dreißig Jahre alt, war krank, sterbenskrank vor Liebe zu einer schönen und anständigen Witwe. Sie war sehr reich, sehr talentvoll, und ich hatte für sie bald dieses, bald jenes zu besorgen, so daß ich in ihrem Hause aus und ein ging. Der junge Herr hörte, ich sei wegen meiner Geschicklichkeit in unserer Kunst berühmt, und suchte mich auf, ganz niedergeschlagen, mager und so traurig, daß er nicht mal gelacht haben würde, hätte er einen von jenen Deutschen im Prälatengewand, die Mitra auf dem Kopf, und einer Mauleselin in illo tempore gesehen. Ich sah das alles, ließ mir aber nicht merken, daß ich's sah, und sprach ihm Trost zu, indem ich sagte: »Euer Gnaden lassen sich doch nicht von der Verzweiflung in Stücke hacken? Was sollten denn die wirklich Unglücklichen tun, wenn so ein hübscher junger Mann, der Geld hat wie Heu, dermaßen verzagt?« Er konnte mir nicht antworten, weil ihm zwischen jedes Wort ein Seufzer hüpfte, aber er blickte zum Himmel empor, knirschte mit den Zähnen und stieß endlich hervor: »Ach, jawohl!« Er war eben vor Liebe ganz abgehärmt. In diesem Augenblick flog eine Schwalbe über uns hin und kackte mir auf den Busen, und ich rief: »Das bringt Glück! Das bringt Glück!« Er hob den Kopf empor und fragte mich ganz aufgemuntert: »Warum bringt es denn Glück?« – »Weil die Schwalbe, die sich immer Sorgen und Mühen macht, mir ein Zeichen gegeben hat, daß es mit Euren Sorgen bald ein Ende nehmen wird.«
Amme: Glaubst du an Vorzeichen?
Gevatterin: An Träume, ja – an die glaub ich. Aber wenn ich an die Vorzeichen denke, da möcht ich die Kränke kriegen. Aber man muß sich eben auch mit ihnen abgeben, damit die Menschen einem Vertrauen schenken: Ich sehe niemals eine Krähe oder einen Raben, ohne ihre Schwanzhaltung auszulegen, nämlich ob sie den Schwanz an den Sterz heranhalten oder nicht. Wenn einem fliegenden Vogel oder einem krähenden Hahn eine Feder ausfällt, so hebe ich sie sofort auf und lege sie mit tausend Fisimatenten auf die Seite, indem ich den Dummköpfen zu verstehen gebe, ich wüßte schon, was ich damit anfinge. Wenn einem Bock oder einer Geiß das Fell abgezogen wird, so bin ich da, um mir den Schmer zu holen. Wenn einer begraben wird, reiß ich mir von irgendeiner seiner Sachen einen Fetzen ab. Wenn man die Gehenkten vom Galgen nimmt, hole ich mir ihre Kopf- und Barthaare. Und mit solchen Alfanzereien schinde ich gar manchen Tölpel, der gerne ein Zaubermittel haben möchte, um alle Schönen, die er sieht, besitzen zu können. Ich werde dir auch – warte nur ein bißchen – beibringen, wie man die Bohnen bespricht und wie man sie in die Luft wirft und was man dabei betet und den ganzen Hokuspokus, den man dabei machen muß.
Amme: Du hast mir meine Bitte aus dem Munde genommen.
Gevatterin: Ich gebe mich auch für 'ne Wahrsagerin aus und mache das mit 'nem ganz andern Brimborium als die Zigeunerinnen, wenn sie die Handlinien beschauen. Was für verflixte Wahrsagereien habe ich nicht schon gemacht! Ich verstehe mich eben auf Fisonomie! Auch gibt es keine Krankheit, die ich nicht heile, entweder mit Besprechen oder mit Tränklein; einer braucht mir bloß zu sagen: »Mir fehlt das und das« –, flugs nenne ich ihm ein Mittel. Sankta Apollonia hat nicht so viele Votivtafeln zu ihren Füßen, wie man mich nach 'nem Mittel gegen Zahnschmerzen gefragt hat; und wenn du jemals das Gedränge der armen Leute gesehen hast, die auf den Klosterbruder mit den Suppenschüsseln warten, so kannst du dir 'nen Begriff von dem Gedränge machen, das jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe vor meiner Tür ist. Der eine wünscht, ich solle mit einer sprechen, die er vor zwei Tagen da und da gesehen habe; der andere möchte einen Brief durch mich besorgt haben; eine dritte schickt ihre Zofe, um ein Enthaarungsmittel für ihr Gesicht zu holen; eine vierte kommt persönlich, um sich von mir irgend 'ne Hexerei machen zu lassen. Aber ich könnte bis morgen früh haspeln, wenn ich dir alles erzählen wollte, wozu ich geschickt bin.
Amme: Gegen dich sind Lanciano, Ricanati und alle Jahrmärkte der ganzen Welt belämmert.
Gevatterin: Ich bin vom Fußsteig abgekommen und in den Getreideacker geraten ... Ach so – ich hatte angefangen von dem Herrn zu erzählen, der neue Hoffnung schöpfte, als die Schwalbe mir auf den Busen ... kackte.
Amme: Das Wort ›kacken‹ kommt etwas zögernd aus deinem Mund. Wie's scheint, muß man heutzutage Manna spucken, wenn einen nicht die Weiber heruntermachen sollen, die in den Bäckerläden und auf dem Markt schnattern, daß einem die Ohren platzen. 's ist einfach verrückt, daß man nicht Ar, Fo und Schwa italienisch cu, po, ca; Abkürzungen von culo, porta und cazzo sagen soll.
Gevatterin: Hundertmal hab ich bei mir gedacht, warum wir uns schämen sollen, etwas beim Namen zu nennen, was die Natur sich nicht geschämt hat zu machen.
Amme: Darüber hab ich auch nachgedacht; und ich geh sogar noch weiter und sage: Es scheint mir anständiger zu sein, den Ar, den Schwa und die Fo sehen zu lassen als Mund, Hände und Füße.
Gevatterin: Warum?
Amme: Weil Schwa, Fo und Ar nicht fluchen, beißen und ins Gesicht spucken, wie's der Mund tut, keine Tritte versetzen, wie's die Füße tun, keine Meineide schwören, nicht prügeln, nicht stehlen, nicht morden, wie's die Hände tun.
Gevatterin: Man muß sich immer mit allerhand Leuten unterhalten, weil man von allen was lernt! Du hast den Mund auf dem rechten Fleck, und hast Grütze im Kopf – du bist auf gutem Wege! Du hast recht, der Fo und dem Schwa wird Unrecht getan; sie verdienten angebetet, als Kleinode um den Hals oder als Ohrbommeln oder als Agraffen an den Baretten getragen zu werden, nicht nur wegen der Süßigkeiten, von denen sie träufeln, sondern auch ihrer Vortrefflichkeit wegen. Da laufen einem Maler alle Leute zu, bloß weil er auf 'ne Leinwand oder 'n Brett 'nen hübschen Jungen oder 'n hübsches Mädel hinpinselt; man wiegt ihm seine Bilder, die er bloß mit Farben gemacht hat, mit Geld auf. Aber Fo und Schwa machen Kinder von Fleisch und Blut, und man kann sie umarmen, herzen und küssen. Noch mehr! sie machen sogar Kaiser, Könige, Päpste, Herzöge, Fürsten, Grafen, Freiherren, Kardinäle, Bischöfe, Prediger, Dichter, Sterndeuter, Helden – und was noch wichtiger ist: Sie haben mich und dich gemacht. Man tut ihnen also großes Unrecht an, daß man ihre Namen nur andeutungsweise nennt, man sollte sie vielmehr im sol, fa singen!
Amme: Das ist klar!
Gevatterin: Nun zu meinem Liebessiechen! Sobald ich ihn mit Hilfe des Schwalbenkäckerchens wieder aufgemuntert hatte, ergriff er meine Hand und drückte mir einen Dukaten hinein. Ich sagte, wie die Ärzte und Kupplerinnen immer sprechen: »Oh, das ist ja gar nicht nötig; ich bin bereit, für Euer Gnaden noch ganz andere Dinge zu tun!« Als ich nun sah, daß er ein viel fröhlicheres Gesicht machte als vorher, so fuhr ich fort: »Ich verspreche und schwöre Euch: Ich werde mein Möglichstes tun.« Als ich dann jedoch zum ›Wenn‹ und ›Aber‹ kam, wurde er wieder ganz weiß und sagte: »Warum sprecht Ihr denn von ›Wenn‹ und ›Aber‹?« – »Weil die Aufgabe«, antworte ich, »von der allerschwierigsten Art ist.« Und das war kein leeres Gerede von mir: Keine Kupplerin hatte sich bis dahin an die Sache herangewagt, denn die Schöne hatte einen Bruder, einen Soldaten, der mit seinem Bart und seinem Sarras dem Sommer einen kalten Schreck und dem Winter 'ne heiße Angst hätte einjagen können. Als er zuletzt sieht, daß ich auf all sein Drängen immer nur ausweichend antworte, pflanzt er mir noch einen Dukaten in die Hand, den ich mit einem ›Oh! 's ist aber wirklich zuviel!‹ zu seinem Kameraden in den Sack steckte. »Seid unbesorgt!« sag ich, »ich hab mir 'nen großartigen und sehr zweckmäßigen Kniff ausgedacht; das heißt – ausgedacht hab ich ihn noch nicht, aber ich will diese Nacht darüber nachdenken, und ganz gewiß werd ich ihn finden. Sagt mir also nur ihren Namen, wo sie wohnt und was für Leute ihre Verwandten sind.« Er kaut an der Bitternus, dieser bittern Nuß, rum, dreht und windet sich und bringt's nicht übers Herz, mir's zu sagen; schließlich aber gibt er sich 'nen Stoß und sagt's.
Amme: Mach doch etwas schneller!
Gevatterin: Nur sachte, Amme! Die Sachen müssen der Reihe nach erzählt werden, genauso, wie sie sich zugetragen haben. Als ich hörte, wer die Diva ist, beiß ich mir auf die Lippen, zieh die Brauen hoch, runzle die Stirn, ziehe mit einem tiefen Seufzer die beiden Dukaten aus der Tasche, seh sie an, dreh sie zwischen den Fingern und tu, als wäre ich unschlüssig, ob ich sie ihm nicht wiedergeben sollte. Er will sie aber gar nicht haben und schwitzt. Schließlich sag ich ihm: »Mein werter Herr, das sind Sachen, die unsereiner an Kopf und Kragen gehen; war's irgendeine andere gewesen – in acht Tagen hätt ich sie Euch ins Bett gelegt.« Ich will dir nur die Wahrheit gestehen: ein Dukätlein, das sich zu den beiden ersten gesellte, gab mir den letzten Stoß, und so versprach ich ihm seine Schöne und sagte ihm, er solle am nächsten Tage nach dem Vesperläuten an ihrem Hause vorbeigehen.
Amme: Das war recht von dir!
Gevatterin: Die junge Witwe stand im Begriff, sich wieder zu verheiraten, und ich wußte das, weil ich bei dieser Heirat ebenfalls meine Hand im Spiel hatte. Darum nahm ich eine Schachtel mit künstlichen Locken, die ganz genau zu ihren Haaren paßten, und klopfte flugs an ihrem Hause; um dir die Wahrheit zu sagen: Ich war ziemlich gut mit ihr bekannt, und das wußte das Herrchen auch recht wohl, obgleich er tat, als wüßte er's nicht, weil ich mich nämlich so anstellte, als hätte ich gar keine Beziehungen zu ihr. Und als ich klopfte, da fügte es mein gutes Glück, daß sie selber die Schnur zog, im Glauben, ich sei 'ne Jüdin, nach der ihre Mutter geschickt hatte, um ihnen – 's ist merkwürdig! – falsche Löckchen ins Haus zu bringen.
Amme: Der Mensch gerät manchmal durch Zufall auf etwas, was er in 'nem ganzen Jahr nicht kriegt, und wenn er sich noch so viele Mühe gibt.
Gevatterin: Das stimmt. Kaum habe ich den Fuß im Hause, so sagt sie ganz munter zu ihrer Mutter: »'s kommt uns Glück ins Haus: Die Gevatterin ist da!« Ich steige die Treppe hinauf, mache der Mutter, die oben auf dem Treppenabsatz erschienen ist, tausend Knixe, schüttele der Tochter die Hand und setze mich ganz außer Atem auf 'nen Stuhl, denn ich konnte kaum Luft kriegen. Nachdem ich mich ein Weilchen ausgeruht habe, mach ich die Schachtel auf und sage ihnen: »Meine schönen Damen, laßt euch diese Locken nicht aus den Fingern gehen, ihr bekommt sie für ein Ei und Butterbrot.« Damit neige ich mich zur Alten und sage ihr ins Ohr: »Sie gehörten einer Marchesa.« In diesem Augenblick ruft jemand die Mutter ab, und ich bleibe mit der Jungen allein; du kannst dir denken, was für Brimborium ich von ihrer Anmut, ihrer Liebenswürdigkeit, ihrer Schönheit machte: »Was für helle Augen! was für frische Wangen! was für schwarze Wimpern! welch eine hohe Stirn! was für rosige Lippen!« sagte ich und fügte hinzu: »Was für ein süßer Atem! was für ein Busen! was für Hände!« Sie wehrte ab, aber lachte dabei mit Mund und Augen. Aber da kommt die Frau Mama ganz verstört wieder herein; wie ich nachher erfuhr, war sie so aufgeregt, weil der Besucher ihr mitgeteilt hatte, daß aus der geplanten Hochzeit nichts werden könnte. Dies verdarb mir aber keineswegs mein Plänchen, denn die Witwe sagte mir: »Kommt morgen wieder; ich will die Locken auf jeden Fall kaufen.« Ich komme wieder; die Mama hatte 'ne geheime Unterredung mit einem, um die Heirat wieder in Ordnung zu bringen, und so hatte ich drei geschlagene Glockenstunden Zeit, mich mit der Schönen zu unterhalten. Sie setzte mir ein Vesperbrot vor und nahm mich mit in ihr Zimmer, indem sie sagte: »Laßt sie nur hier; meine Mutter wird sie ganz gewiß kaufen.« Ich wünschte mir ja gar nichts Besseres, ließ also meine Schachtel da und stellte mich mit der Witwe ans Fenster. »Oh, was für 'ne schöne Aussicht!« rief ich; »was für 'ne Straße, Herrgott noch mal! was für 'ne Menge Leute hier vorbeikommen!« Sie neigte sich mit schönem Anstand hinaus und blickte die Straße hinauf und hinunter; in diesem Augenblick bemerke ich den Verliebten und fange aus vollem Halse zu lachen an; ich lache, lache, lache, und je mehr ich lache, desto mehr muß ich lachen, so daß die Witwe, die nicht weiß, was los ist, schließlich auch lacht und mich lachend fragt: »Worüber lacht Ihr denn? Sagt mir's doch, wenn Ihr mich liebhabt!« Ich antworte nur immer: »Hahaha!«, und sie kriegt solche Lust, die Ursache zu wissen, daß, wäre sie schwanger gewesen, ihr Kind gewiß ein Muttermal gekriegt hätte.
Amme: Was hatte denn dein Gelächter zu bedeuten?
Gevatterin: Sie konnte noch so sehr vor Neugierde brennen, ich lachte nur immerzu; glaub mir's, Amme, mit ihren lieben, süßen Bitten geißelte sie mich so sehr, daß ein Spitzbube sich davon hätte rühren lassen; ich meine einen von denen, die mit dem Strick um den Hals sich von den grimmigen Drohungen des Bargello und des Gouverneurs nicht rühren lassen. Wie man aus dem Taugenichts nichts weiter herausbringt als Geschrei, so brachte sie aus mir nichts weiter heraus als Gelächter. Aber bis jetzt sind dies alles nur Kinkerlitzchen.
Amme: Wieso Kinkerlitzchen?
Gevatterin: Am Tage nach diesem Lachtage ließ ich mich nicht sehen, auch am zweiten nicht, sondern erst am dritten Tage darauf. Denn es war mir ja an jenem Tage wunderschön geglückt, sie dem Verliebten zu zeigen, der bis dahin, die Brust von heißer Liebe erfüllt, mit seinem beständigen Aufundablaufen das Pflaster abgenutzt hatte, ohne daß sie ihn jemals bemerkt hatte. Jetzt hatte ich ihr aber 'nen Floh ins Ohr gesetzt, und sie konnte vor Begierde, zu erfahren, warum ich lachte, die ganze Nacht nicht schlafen; sie ging im Geiste alle ihre etwaigen Mängel durch, denn sie dachte, über so etwas müßte ich gelacht haben. Sie lag ihrer Mutter fortwährend damit in den Ohren, so daß diese mich schließlich nicht holen ließ, sondern selber zu mir kam. Als sie an meine Tür klopfte, war ich gerade dabei, den Verliebten durch einen Bericht über meine bisherigen Schritte in frohe Hoffnungen zu versetzen; denn weil er mich mit ihr am Fenster gesehen hatte, glaubte er mir fünf oder sechs Geschichtchen, die ich mir schnell ausdachte, um ihm einen Gefallen zu tun.
Amme: Gib's ihm nur richtig, dem Dummkopf!
Gevatterin: Sobald ich die Frau Mama sehe, sag ich ihr mit 'nem echten Kupplerinnenknix: »Eure Menschlichkeit beschämt meine Eselhaftigkeit, die es zuläßt, daß eine Frau wie Ihr sich herabläßt, Eure Magd in einer solchen Hütte aufzusuchen.« Sie war in großen Sorgen um ihre Tochter, die nach einjähriger Ehe Witwe geworden war, und bat mich, ich möchte sofort zu ihr kommen. Ich merkte, daß mein tolles Lachen ihr den Mund wäßrig gemacht hatte, und antwortete: »Sofort im Augenblick bin ich bei ihr!«, ging aber erst recht nicht hin, damit sie noch mehr Lust kriegen sollte, mich kommen zu sehen.
Amme: Sagtest du denn dem Verliebten nichts davon, warum du so gelacht hättest?
Gevatterin: Das kannst du glauben!
Amme: Aber wozu war denn nur dieses Lachen?
Gevatterin: Um mit meinem Kuppelgeschäft sicher zum Salvum me fac zu kommen. Ich zitterte vor dem Bruder, der manchmal, aber zu ganz unbestimmten Zeiten, in ihr Haus kam; auch hatte ich Angst, die Mutter könnte Lunte riechen, und ich war nicht sicher, ob nicht die kleine Witwe, wenn's ihr an die Ehre ginge, mit ihren Nägeln mir die Augen auskratzen würde, darum wandte ich folgenden Kunstgriff an.
Amme: List ist stärker als Klugheit, Klugheit ist niemals stärker als List.
Gevatterin: Zwei Tage drauf ging ich also zu ihr; in der Zwischenzeit umkränzte ich ihren Anbeter mit Hoffnungslaub, nämlich mit mehr grünen als dürren Blättern. Als ich nun bei ihr erscheine, ruft sie: »Glücklich, wer Euch mal zu sehen kriegt!« Und ich: »Meine Tochter und süße Herrin: elend, wer arm und unglücklich geboren ist! Ich muß mir in die Hände spucken, wenn ich essen und trinken will, und der liebe Gott weiß, wie oft ich faste, ohne ein Gelübde getan zu haben! Aber wenn nur die Seele selig wird, aus meinem Leibe mach ich mir nichts.« Während ich ihr tausenderlei solchen Firlefanz sagte, war die Mutter in ihrer Wohnung mit Hausangelegenheiten beschäftigt – sie waren nämlich beim Reinemachen. Ich gehe nun mit meiner kleinen Witwe ans Fenster und fange wieder an zu lachen, und lache genau wie 's vorige Mal, und sie läuft auf mich zu, lehnt sich über meine Schulter, schlingt mir ihren einen Arm um den Hals und gibt mir 'nen Kuß. Dann sagt sie: »Wahrhaftig, Ihr habt mich ganz argwöhnisch gemacht mit Eurem Lachen; ich habe die letzten Nächte nicht geschlafen, weil ich eine gar zu große Begier verspüre, zu erfahren, warum Ihr so laut lachtet, als Ihr mich und unsere Straße ansaht.«
Amme: Was für Umständlichkeiten!
Gevatterin: Gerade im Augenblick, wo sie mir mit dieser Frage kommt, geht der Verliebte unten vorbei; und ich fange wieder zu lachen an, daß es aussieht, als solle ich dran ersticken. Und sie: »Ach! Gevatterin, befreit mich doch von dieser Unruhe! Spannt mich nicht länger auf die Folter. Ach! sagt mir doch, worüber Ihr so sehr lacht!« Ich: »So wahr mir die Madonna helfe, ich kann's nicht sagen! nein – bei meiner Ehre nicht! wenn ich's sagen könnte, würde ich mich nicht bitten lassen – wahrhaftig nicht, Gott soll mich bewahren?« ... Hast du jemals einen von jenen zudringlichen Bettlern gesehen, die lästiger sind als die Langeweile?
Amme: Das hab ich.
Gevatterin: So wie dieser Bettler dir, magst du mitleidig sein oder nicht, das Almosen aus der Hand windet, so bettelte sie meiner Zunge die Ursache meines Lachens ab. Allerdings ließ ich sie erst tausend Eide schwören, kein Wort verlauten zu lassen und nicht böse zu werden und mir zu verzeihen. Nachdem sie nun Schwur über Schwur getan, darunter auch den bekannte»›Der Teufel sei Herr über meine Seele und meinen Leib!‹, den man gewöhnlich ausruft, wenn man wünscht, daß ein anderer einem was glaube, da sag ich zu ihr: »Ein großer Tölpel – das heißt: Tölpel, indem er Unmögliches verlangt, in allem übrigen aber ein vernünftiger liebenswürdiger Mensch – hat mich aus Eurem Hause, das mir durch Eure Gunst, nicht wegen meiner Würdigkeit offensteht, herauskommen sehen. Seitdem läuft er fortwährend hinter mir her; und da er einer von den vornehmsten, galantesten, schönsten Jünglingen auf der Erde ist, hat er sich erkühnt ...« Hier schnitt ich plötzlich meine Rede ab, damit sie noch brennender wünschen sollte, auch die Fortsetzung zu hören; und nachdem ich mich ein Weilchen von ihr hatte bitten lassen, schloß ich: »Er erkühnte sich, mich zu bitten, eine Bestellung an Euch auszurichten!«
Amme: O Meisterin aller Schulen, Schule aller Meisterinnen!
Gevatterin: »›Wie?‹ sag ich; ›ich soll ihr eine Bestellung ausrichten? bin ich denn etwa eine Kupplerin?‹« – »Wie? was?« fragt die Schöne dazwischen. »›Es geschähe Euch ganz recht‹«, fahr ich in meinem Bericht fort, »›wenn ich dies ihrem Bruder sagte. Geht Eurer Wege, geht, sag ich Euch; wenn nicht, so werdet Ihr's bereuen!‹ Gnädige Frau, ich bin Eure ergebene Magd; ich weiß ihm heimzuleuchten und ihm zu zeigen, was für eine Frau Ihr seid und was für eine ich bin.« Sie wird ganz rot, als sie mich diese abgefeimte Geschichte erzählen hört; ein Weilchen steht sie ganz in Gedanken versunken; dann sagt sie: »Sagt keinem Menschen was davon!« und ich: »Eure Winke sind mir Befehle. Aber der junge Mann weiß nicht mehr aus noch ein. Er ist ein wackerer Turnierkämpfer, Springer, Sänger, Komponist, Tänzer, dazu tonangebend in den Moden, ein Juwelenkästchen und ein Geldkasten, und darum meint er, Ihr müßtet vor Liebe zu ihm sterben, der einfältige Narr! Aber jetzt wollen Euer Gnaden mir die Locken zurückgeben, denn die Eigentümerin will sie wiederhaben oder das Geld dafür.« Sie gibt mir keine Antwort darauf, sondern bleibt nachdenklich, sieht mich an; in diesem Augenblick sehe ich den unermüdlichen Liebhaber wieder bei ihrer Tür vorbeigehen, und jetzt lache ich nicht mehr, sondern mache ein Gesicht wie eine Exkommunizierte, ergreife einen Feldstein, den die Magd auf dem Fensterbrett hatte liegen lassen, nachdem sie damit Nüsse aufgeschlagen, und tue, als wollte ich ihm den Kopf damit zerschmettern. Sie aber fällt mir mit dem Ausruf: »Nein! Um Gottes willen, nicht!« in den Arm und seufzt; ich sage bei mir selber: »Dich hab ich!«, spreche von den Locken kein Wort mehr, laß mich nicht länger von ihr zurückhalten, sondern laufe die Treppe hinunter und lasse die Haustür offen, wie wenn ich vergessen hätte, sie zu schließen. Dann ging ich zu meinem Verliebten, der in Sorge und Zweifel schwebte, ob er gute oder schlechte Nachrichten vernehmen würde; er hätte hundert Ohren zu hören und im selben Augenblick wieder gar keine Ohren haben mögen, aber ich gab ihm das Leben zurück, als er mein fröhliches Gesicht sah. Und nachdem ich alles erzählt hatte, seh ich ihn sein Taschentuch aufknoten, und er gibt mir Dukaten, ohne zu zählen, wie einer, der 'nen Prozeß hat, seinem Anwalt gibt, wenn der Spruch zu seinen Gunsten ausgefallen ist.
Amme: Wenn man mir vor zwei Tagen gesagt hätte ›Die klügste Frau der Welt muß sterben‹, so war ich sofort in die Beichte gelaufen, denn ich hätte gedacht, das müßte sich auf mich beziehen. Aber nein! du hättest zur Beichte gehen müssen.
Gevatterin: Ich mußte wieder zur Witwe gehen. Als ich von den Vorzügen und dem Reichtum meines jungen Herrn sprach, hatte sie ein Gesicht geschnitten, als ob sie sich darüber lustig machte; trotzdem aber ging er ihr im Sinn herum, so wie einer die Dukaten, mit denen man einen klimpern sieht und hört, im Sinn herumgehen. Als ich nun wieder bei ihr bin und wir miteinander plaudern, fange ich wieder lauter denn je zu lachen an; dann, als ich mich ein wenig von meinem Lachen erholt habe, sag ich ihr: »Muß ich's Euch nicht sagen? der galante Herr, der Liebesgott, wollte mir einen Brief in den Busen schieben, ja, er hat ihn mir hineingeschoben, einen Brief, der die ganze Kirche mit seinem Parfüm erfüllte, als ich ihn mitsamt allen seinen Wohlgerüchen wegschmiß; und was meint Ihr: Die Aufschrift war mit Goldtinte geschrieben! Ich glaube, ich kann es nicht vermeiden, entweder so oder so unrecht zu tun. Ich befinde mich ihm gegenüber in übler Lage; er ist fortwährend hinter mir her und stachelt und piesackt mich, ich kann keinen Schritt mehr tun, ohne diesen Hund am Schwanz zu haben. Bei diesem Kreuz, gnädige Frau, glaubt mir, was ich Euch schwöre: Ich war nahe daran, den Brief zu nehmen und ihn zu ... äh, ich will kein Wort mehr sagen!« Und sie: »Ihr mußtet handeln, wie Ihr's getan habt; sollte es sich aber fügen, daß er ihn Euch noch einmal geben wollte, so bringt ihn mir; wir können miteinander ein bißchen darüber lachen.« Liebe Amme, ich brachte ihr das Ding; es hätte auf einen Berg Eindruck gemacht, und so machte es auch auf sie Eindruck; 'ne Heirat kam zustande, aber 'ne andere, als sie mit Hilfe einer ganzen Menge von Vermittlern hätte zuwege gebracht werden können. So besiegte ich vermöge meiner Geschicklichkeit die Keuschheit, trieb Kuppelei, ohne daß es danach aussah. Und diese Kunst ist kniffliger als das Seidensticken; sie erfordert Weisheit, ist löblich und dabei durchaus sicher.
Amme: Das ist die Hauptsache.
Gevatterin: Eines Tages kam zu mir ein Kavalier; er hatte seine Augen auf eine der allervornehmsten Damen der Stadt geworfen und war, ohne weiter über die Folgen nachzudenken, lichterloh in Liebe entbrannt. Er sagte mir, wenn ich wollte, könnte ich ihn in den siebenten Himmel versetzen; dann kam er auf das Wie? und Warum? zu sprechen, gab mir einen Dukaten, dann noch einen und kriegte mich schließlich so weit, daß ich ihm versprach, mit der bewußten Dame zu sprechen. Er wollte mir erzählen, in welche Kirche sie immer ginge, an welchem Altar sie zu knien pflegte und auf welche Bank sie sich setzte; ich nahm ihm aber das Wort vom Munde und rief: »Ich weiß genau, wer sie ist, ich kenne Kirche, Altar und Bank, aber ich bin keine Kupplerin. Indessen Euer Gnaden scheinen mir ein Herr zu sein, dem man keinen Dienst abschlagen darf; darum seid getrost: Vor morgen abend werde ich Euch mit einer Nachricht erfreuen.« Der wackere Herr, der schöne Jüngling, war ein Fremder; er kannte tatsächlich uns Kupplerinnen nicht und ließ sich von mir vorreden, ich hätte mit ihr gesprochen und sie hätte zu mir gesagt: ›Wenn er noch ein wenig gezögert hätte, so hätte ich nicht anders gekonnt, als ihm dieselbe Botschaft ausrichten zu lassen, die er mir geschickt hat.‹
Amme: Wer da traut ohne Pfand, hat keinen Verstand.
Gevatterin: Du kannst dir wohl denken, er wollte vor Entzücken aus der Haut fahren, als er hörte, daß die Geliebte ihn wiederliebte. Die Fröhlichkeit hielt glanzvoll Hof im Saale seiner Brust, und sein Herz tanzte auf der Hochzeit, die seine Gläubigkeit mit meinen Lügen feierte. Da ich in ihm eine so gute Seele fand, so hatte ich unterdessen ein Brieflein verfaßt, das wirklich ff war; darin sagte ich ihm in ihrem Namen: ›Mein lieber Herr! Wann werde ich je die Schuld abtragen, die ich bei den Glücksgöttinnen, den Sternen, den Himmeln und den Planeten habe, weil sie mich würdig gemacht, die Dienerin Eurer Holdgestalt zu sein! Glücklich wahrlich darf ich mich nennen, ja sogar selig, daß ein so wackerer Jüngling mir erlaubt, ihn anzubeten. Wehe mir Unglücklicher, wenn Ihr nicht ebenso mitleidsvoll wie schön, ebenso schön wie liebenswürdig wäret! Die Damen aller Städte müßten mich um sotane Liebe beneiden, denn wenn ich ihrer genießen könnte, würde ich mein Los nicht mit dem einer Kaiserin vertauschen. Und wenn Ihr nicht heute nacht an den Ort kommet, den Euch die treue Überbringerin dieses Briefes nennen wird, und um die Stunde, die sie Euch angeben wird, so gebe ich mir den Tod!‹
Und damit es aussähe, als sei das Papier von ihren Tränen durchnäßt, besprengte ich es mit Wasser; dann setzte ich mit allen Zeremonien Unterschrift und Aufschrift drauf und brachte ihm den Brief.
Amme: Haha! Hihi!
Gevatterin: Hätte ich so viel Taler gekriegt wie Lobsprüche und Segenswünsche und wie der Brief Küsse erhielt, da wäre ich fein heraus gewesen! Er zitterte vor Freude dermaßen, daß er ihn nicht aufmachen konnte; schließlich kriegte er ihn doch auf, las ihn und hielt bei jedem Wort inne, um mir zu sagen: »Gevatterin, ich werde nicht undankbar gegen Euch sein, und Ihre Gnaden werden sehen, was für ein Mann ich bin!« Ich danke ihm und tu ihm zu wissen, um acht Uhr möchte er daundda hinkommen und dort auf mich warten. Nachdem ich noch zwei Dukätlein gepickt, verabschiede ich mich vom Beatus viro, der sofort den Barbier holen und sich mit Wickeln und Brennscheren, die er immer bei sich trug, einen Lockenkopf auf antike Art frisieren läßt. Dann zog er ein frisches Hemd an, parfümierte sich am ganzen Leibe und legte ein Wams aus pfauenblauem Samt an, das über und über mit silbernen Stickereien und Fransen bedeckt war. Hierauf aß er zu Abend: nichts als frische Eier und Artischocken in 'ner Pfefferbrühe – und was für 'ne Pfefferbrühe! –, und dann fing er an zu warten. Er sprach zwar mit aller Zuversicht wie einer, der 'ne gewünschte Nachricht erhalten hat, schickte aber zugleich einen Diener aus, um aufs Zifferblatt zu passen. Sechs Uhr! Jetzt läßt er sich nicht mehr am Halfter halten, sondern nimmt Mantel und Degen, nachdem er zuvor noch einen kleinen Blick auf 'ne Halskette im Wert von zwölf oder vierzehn Dukaten geworfen – die er trug, weil ein Goldschmied sie ihm gepumpt hatte – und auf ein Rubinchen von etwa fünf oder sechs Dukaten. Dann verläßt er seine Wohnung, begleitet von einem unerschrockenen Diener, den er hatte. Um sieben kommt er an dem von mir bezeichneten Ort an; ich bin nicht da; es schlägt acht, und ich komme noch immer nicht.
Amme: Er wird warten müssen wie Noah auf die Taube – ich wollte sagen: auf den Raben.
Gevatterin: Höre nur weiter! Als es acht schlägt, sagt er zu seinem Bedienten: »Du hast dich verzählt! Christus selber könnt's nicht anders machen, als daß es sieben ist!« – »Herr, es ist acht«, versetzt jener. »Dummes Vieh, 's ist sieben!« antwortet der Herr; er fängt an, auf und ab zu gehen, und bei jedem leisen Geräusch, das er hört, sagt er: »Da ist sie; gewiß wird sie nicht so früh haben kommen können.« Hierauf geht er noch zweimal hin und her, bleibt dann stehen und sagt zum Bedienten: »Ich meine doch, die Alte hat die Sache im Ernst gemeint und mir nichts aufgebunden; manchmal kommen ja Störungen vor, und man kann eine Verabredung nicht pünktlich einhalten. Ich brauche nur an mich selber zu denken: Zuweilen zieh ich mir das Wams an, um auszugehen, und werde von irgendeinem, der zu mir zu Besuch kommt, zwei Stunden aufgehalten.«
Amme: Er schmierte sich selber Honig um den Mund.
Gevatterin: Während er solche fieberhafte Selbstgespräche mit sich führt, bums! da schlägt es neun! Da schreit er: »Hure von 'ner Jungfrau! wenn ich genarrt bin im Angesicht des Himmels, wenn das verfluchte Kuppelmensch mich hat aufsitzen lassen, da soll sie solche Prügel von mir kriegen, solche Prü... na warte nur! warte nur! Bin ich ein Mann, mit dem man derartig umspringen kann, he?« Er läuft wieder auf und ab und schnauft wie einer, der bemerkt hat, daß ihm Hörner aufgesetzt werden. Trotzdem meinte er immer wieder, ich könnte, ach dürfte ihn nicht so angeführt haben. Er macht drei Schritte in der Richtung nach seiner Wohnung, dann wieder vier zurück nach dem Ort, den ich ihm bezeichnet habe. So läuft er hin und her und gleicht einem jener Büffel beim Palio, aber einem, der nicht weiß, ob es besser für ihn sei, zu rennen oder stehenzubleiben. Unterdessen hatte Gianicco ihn ganz gehörig angepustet, daß ihm von der schneidenden Kälte Gesicht und Ohren brannten und die Lippen weh taten und daß sein Mund die seltsamsten neuen Flüche ausstieß. Schließlich, nachdem es acht, neun, zehn geschlagen hatte, wurde ihm alles klar; er schrie noch ein paar Flüche über die Straße hin und kehrte in seine Wohnung zurück, warf dort Mantel und Degen auf die Erde und sagte zähneknirschend: »Soll ich ihr nicht die Nase abschneiden? soll ich ihr nicht zweihundert Hiebe überziehen? soll ich ihr eine Wange abbeißen und aufessen? Verhenkertes Kuppelmensch!« Er legte sich hin, und sein Bett krachte, so warf er sich hin und her, bald auf die eine Seite, bald auf die andere; er wand sich zwischen den Bettüchern wie eine Schlange, kratzte sich den Kopf, biß sich auf die Finger, schlug mit der Faust in die Luft und stieß greuliche Wehklagen aus. Um sich die quälenden Gedanken zu vertreiben, rief er seine Wirtin und ließ sie bei sich schlafen. Aber wenn man sich den Liebesschmerz um ein Weib mit einer anderen Frau vertreibt, das hilft nicht viel, denn sowie man fertig ist, spürt man einen unglaublichen Ekel. So ging's auch ihm; sobald er's ihr einmal gemacht hatte, konnte er sie nicht mehr in seinem Bett sehen und schickte sie fort. Kaum wurde es Tag, so sprang er aus dem Bett und lief nach meinem Hause; ich erkannte ihn sofort an seinem wütenden Klopfen, lachte darüber inwendig und machte ihm auf: »Was sind das für Sachen, he?!« wettert er los. »Mit wem glaubst du zu tun zu haben, was?!« – »Mit einem der liebenswürdigsten und ehrenwertesten Kavaliere von ganz Italien«, antworte ich ihm, »und ich wundere mich, daß Euer Gnaden mit solcher Wut auf eine Euch ganz ergebene Dienerin losfahren. Aber wahrhaftig, ich tu ein Gelübde, ganz gewiß tu ich eins! Na ja, da plackt man sich um die vornehmen Herren, na ja! Ich habe bis zum Morgengrauen gewartet, bin, um Euch gefällig zu sein, in der Kälte halb zu Eis erstarrt und habe nichts davon gehabt.«
Amme: Oh! Die Geschichte ist wirklich gut! Du tatest noch, als ob du im Recht wärest!
Gevatterin: Und er: »Ich habe sechs Uhr, sieben, acht, neun, zehn schlagen hören, und Ihr seid nicht gekommen!« – Drauf ich: »Wann seid Ihr fortgegangen?« – »Als der letzte Schlag von zehn Uhr geschlagen hatte!« – »Und genau, als es eben zehn geschlagen hatte, bin ich erschienen und habe gewartet. Ja, ich konnte schön warten! Und ich muß es Euer Gnaden nur sagen: Ich habe die Dame mit diesen meinen Händen selber gewaschen, mit Rosenwasser, nicht mit gewöhnlichem Wasser, und als ich ihr die Brüste, die Lenden, den Hals wusch, da war ich starr vor Staunen über ihre zarte Haut und ihre Weiße. Das Bad war lau, das Feuer angezündet, und ich selber bin an dem ganzen Unglück schuld – denn als ich ihr die Schenkel und die Hinterbacken und die Mimi wusch, da kriegte ich vor lauter Wonne und Wollust 'ne Ohnmacht. Oh, was für ein delikates Fleisch! was für schimmernde Glieder! Oh, was für ein Weib, wie's niemals wieder ein Mann besitzen wird! Ich habe sie gestreichelt, habe sie geküßt, habe sie befingert – ja, das hab ich getan! – und habe dabei immerzu von Euch gesprochen!« Wozu diese Geschichte noch in die Länge ziehen? Ich machte ihn geil, sein Schemelbein richtete sich hoch auf, er sank auf mich und verabfolgte mir einen, zu dem man nicht bloß Ihr, sondern ›Euer Gnaden‹ sagen durfte.
Amme: Hahaha! Oh! ich verrecke! Hahaha!
Gevatterin: Wie viele habe ich mir nicht während meiner Lebenstage auf diese Art zu Gemüte geführt! So gehört sich's auch. Die besten Bissen schlucken ja doch immer die Köche; und wir Kuppeler haben beim Kuppeln ebensoviel Vergnügen wie der Koch, der die Waffeln, bäckt, denn er ißt alle, die ihm entzweigehen; so kleiden und nähren sich ja auch die Spaßmacher von den Kleidern und Speisen ihrer hohen Herren ... Sobald er auf mir seinen Ärger und seine Geilheit ausgetobt hatte, wurde er höchst verdrießlich, als er sah, daß ich über die Geschichte lächelte. Er verduftete zur selben Stunde, und ich habe ihn niemals wiedergesehen.
Amme: Wer wäre da nicht verduftet!
Gevatterin: Jetzt werde ich dir noch eine Geschichte erzählen, worüber ein vornehmer Herr beinahe aus der Haut gefahren wäre. Der Kavalier, von dem ich spreche, verliebte sich in ein reizendes kleines Weibchen, die jedoch nicht ganz so klein war, daß man sie nicht hätte im Bett finden können; ein niedlicher Balg, ganz Geist, ganz Grazie. Mit ihrem Augenspiel, mit ihrem Lächeln, mit all ihren Bewegungen und Gebärden verdrehte sie allen Männern den Kopf. Kein Wunder, daß auch besagter vornehmer Herr sich auf den ersten Blick in sie vergaffte, und da er ihr und mir viel Geld gab, so gelangte er in ihren Besitz. Ich ließ ihn fünf- oder sechsmal sein Vergnügen haben, aber stets nur bei Tageszeit, bald früh, bald spät, zur None oder zur Vesper. Da war's mit seiner Liebesraserei, die er anfangs gezeigt hatte, auf einmal vorbei, er liebkoste sie nur noch anstandshalber und nicht mehr aus großer Liebe; und eigentlich geschah es nur aus Spaß, daß er sie eines Tages bat, sie möchte ihn doch besuchen und die Nacht mit ihm schlafen. Sie teilte mir dies mit, und ich dachte bei mir selber, es würde unseren Zwecken am besten entsprechen, wenn wir ihn ein bißchen fasten ließen; auf meinen Befehl mußte sie ihm daher versprechen, sie würde um sechs Uhr in das Haus einer Nachbarin kommen. Ich ließ ihn da sechs Nächte hintereinander warten, die erste verging, ohne daß er sich weiter ärgerte; in der zweiten packte ihn schon eine gelinde Begier nach dem Mädchen; in der dritten begann der Ofen warm zu werden, und es gab manches Weh und Ach; in der vierten brachten Zorn und Eifersucht ihn auf die Beine; in der fünften drückten Wut und Raserei ihm die Waffen in die Hand; in der sechsten und letzten ging der Spektakel los: Seine Geduld war zu Ende, sein Verstand war hin, seine Zunge erging sich in beißenden Schmähungen, sein Atem glühte, sein Gehirn kochte über. Er läßt alle Rücksichten fahren, tobt mit Drohungen, Schreien, Weinen, Klagen und Verzweiflungsrufen im Hause umher, und so wartet er in einer leidenschaftlichen Erregung, wie ich sie selbst an jenem anderen nicht gesehen, dessen Schöne nicht gekommen war und der's dann schließlich mir besorgte. Er dachte, vielleicht käme sie deshalb nicht, weil er mir zuwenig gegeben; er sagte mir das gerade ins Gesicht, gab mir Geld, versprach mir noch mehr und überschüttete mich in einem Atem mit Drohungen und Schmeichelworten. Er sprach auch mit seiner Angebeteten; die aber schwor ihm weinend, es liege nicht an ihr, sondern ihre Mutter passe zu scharf auf sie auf. »Den Trank, den Ihr mir für sie gabt«, so sagte sie, »hat sie erst gekostet, und sie fand ihn zu bitter. Dadurch schöpfte sie Verdacht, und nun würde sie um alles Gold der Welt nicht eher einschlafen, als bis sie mich zu Bette sieht.« Sie versprach ihm hoch und heilig, die nächste Nacht würde sie ganz bestimmt kommen. Sie kam aber nicht, und es war zum Lachen und zugleich zum Heulen, einen jungen Mann seines Ranges hundertmal in der Minute ans Fenster laufen zu sehen und ihn sagen zu hören: »Wieviel Uhr ist's denn? Sie kommt doch, sie kommt ganz gewiß im Augenblick; ich weiß, sie wird mir ihr Wort nicht brechen, denn sie hat's mir auf ihren Glauben geschworen.« Sooft 'ne Fledermaus vorbeiflatterte, glaubte er, sie käme; dann wartete er noch ein bißchen und dann noch ein bißchen länger, und als abermals ein Stündchen verstrichen war, da fing er an zu schnaufen, zu giften, zu toben wie einer, dem der Bargello sagt ›Mach dein Testament!‹ und zu dem im selben Augenblick der Beichtvater hereintritt. Als die verabredete Stunde verstrichen und mehr als verstrichen war, warf er sich in vollen Kleidern aufs Bett; bald lag er auf dem Bauch, bald auf dem Rücken, bald auf der einen, bald auf der anderen Seite, aber er fand keine Ruhe und konnte kein Auge zutun; seine Gedanken weilten immer bei ihr, die sich über ihn lustig machte. Er steht auf, läuft im Zimmer hin und her, geht wieder ans Fenster, legt sich wieder hin, und im Augenblick, wo er endlich einschlafen will, wacht er vor Mattigkeit auf und steht seufzend auf, denn es ist schon heller Tag. Es wird Essenszeit; die Speisen scheinen ihm zu stinken und benehmen ihm allen Appetit; er probiert einen Bissen und spuckt ihn wieder aus, wie wenn's Gift wäre. Er weicht seinen Freunden aus; wenn einer singt, glaubt er, er verhöhne ihn; wenn einer lacht, nimmt er's ihm übel; er kämmt sich nicht mehr den Bart, wäscht sich das Gesicht nicht mehr, zieht kein frisches Hemd mehr an; er irrt allein, und seine Gedanken, sein Herz, sein Sinn, seine Phantasie, sein Hirn liegen in wirrem Widerstreit, er wirft sich mehr tot als lebendig auf die Erde, baut immer Luftschlösser und kommt nie zu einem Entschluß; er schreibt Briefe und zerreißt sie, schickt ihr Botschaften und bereut es hinterher; bald droht, bald fleht er, bald hofft, bald verzweifelt er; und sagt zu allem nur: »Meinetwegen, mir ist alles einerlei!«
Amme: Ich bin ganz hin von dem, was du mir da erzählst. Wehe dem Menschen, der solche Folterqualen erdulden muß! Es ist hartes Leiden, womit Amor die Verliebten geißelt! O du himmlischer Gott, wie sieht's im Geiste eines solchen aus! Alles ist ihm zum Ekel, der Honig schmeckt ihm bitter, die Ruhe dünkt ihm Anstrengung, das Essen Hunger, das Trinken Dürsten und das Schlafen Wachen.
Gevatterin: Hättest du ihn nach zehn oder zwölf Tagen gesehen, so hättest du ihn für alles andere gehalten, bloß nicht für einen Menschen; er kannte sich selber nicht, wenn er in seinen Spiegel sah. Ganz gewiß mißhandelte ich ihn auf diese Weise nicht deshalb, weil ich etwas gegen ihn hatte; ich wollte nur ein Rezept ausprobieren, wie Seelenqual auf einen Menschen wirkt. Na, meine liebe Amme, da das Rezept sich bewährt hat, so mache Gebrauch davon, und du wirst von den Leuten, die du auf diese Art behandelst, kriegen, was dein Herz begehrt.
Amme: Hast du denn nachher kein Mitleid mit ihm gehabt?
Gevatterin: Na, gewiß! das kannst du dir doch denken.
Amme: Das freut mich.
Gevatterin: Ich ließ sie oft und mehr als oft kommen und bei ihm schlafen; und wenn er gegen mich keine offene Hand hatte, zog ich der Stute die Zügel an; gab er reichlich, so ließ ich ihr freien Lauf.
Amme: Da werde auch ich die Zügel schießen lassen, wenn so ein Herr seine Hand auftut.
Gevatterin: Tu das, wenn du vernünftig sein willst. Einer, der hinter seiner verlorenen Geliebten herläuft, ist bereit, Mirakel zu wirken. Gewiß und wahrhaftig: Sobald er sie wieder küßt und umarmt, bekommt sein Gesicht frische Farbe, sein Körper neue Kraft; die Heiterkeit erscheint auf seiner Stirn, das Lachen in seinen Augen, und sein Mund weiß wieder, was Hunger, Durst und Sprechen ist. In seiner Brust erwacht von neuem das Gefühl der Freundschaft; er hat seine Freude an Musik, Tanz und Gesang, mit einem Wort: Er ersteht von den Toten schneller, als er gestorben war.
Amme: O Liebe! wehe dem Menschen, den du verfolgst.
Gevatterin: Nun zu etwas Lustigem! Es war mal ein gewisser Cupidobeschnupperer, der sich schöner dünkte als Parmigiano, der Kämmerer des Papstes Julius. Einer seiner Diener hatte ihm nämlich gesagt, alle Kurtisanen und Edeldamen der Stadt wollten sich aus Liebe zu ihm aus dem Fenster stürzen, wenn sie ihn vorbeigehen sähen, und da kaufte er so viel Federbetten und Matratzen, wie er nur auftreiben konnte, um sie auf Schritt und Tritt hinter sich hertragen zu lassen, damit die Schönen sich nicht Arme und Beine brächen, wenn sie aus den Fenstern sprängen. Jedes Frauenzimmer lachte er an, immer verdrehte er die Augen, wie 'n Toter; fortwährend brachte er Ständchen, stündlich schrieb er Liebesbriefe, überall las er Sonette, und wenn er mit einem im Gespräch war, lief er alle Augenblicke weg, um irgend 'ner Kupplerin was zu sagen. Da er mit allen Weibern bereits geblickvögelt hatte, war er schließlich sogar hinter den Bänken bekannt. Dem besorgte ich's süß – süß!
Amme: Ich bin dafür deine Sklavin in Ketten und Banden. Denn ich fühle mich wie 'ne Gräfin, wenn ich mal sehe, wie einer von diesen Ekeln – und wie viele solche Ekel gibt's nicht! – in die Scheißgrube geschmissen wird!
Gevatterin: Er ging jeden Morgen in die Friedenskirche, stellte sich immer auf den besten Platz und besorgte es allen Weibern mit den Augen; wenn du ihn da so seine Faxen hättest machen sehen, du hättest gesagt: ›Der da legt einer jeden den Sattel auf!‹ Ich bemerke, daß er unser Gespräch belauert, und sage zu der Bekannten, die bei mir steht: »Der Kauz da spioniert uns aus; laß dir nichts merken und tu, als ob du über meine Worte ganz baff seist.« Hierauf erhebe ich meine Stimme und sage: »Ich bin von nun an ein Krüppel im Gehirn, so liegt mir fortwährend der dal Piombo – du weißt doch? der berühmte große Maler? – in den Ohren. Ich hab ihm die Fingerspitze gezeigt, und er hat Finger und Hand genommen.« – »Wieso denn!« antwortet sie mir. – »Ich verschaffte ihm neulich als Modell zum Malen ein schönes, ja geradezu wunderbar schönes Mädchen; die Geschichte hat mich 'ne Hundemühe gekostet, aber – die Gerechtigkeit muß ich ihm widerfahren lassen – er hat mich auch entsprechend dafür bezahlt. Nun hab ich ihn aber fortwährend auf dem Halse; er will sie durchaus noch einmal malen, obgleich er sie schon so oft gehabt hat; bis jetzt malte er sie als Erzengel, als Madonna, als Magdalena, als heilige Apollonia, als heilige Ursula, als heilige Lucia, als heilige Katharina. Begreifen läßt es sich ja allerdings; denn schön ist sie – das sag ich dir!« Der Schafskopf hatte die Ohren sperrangelweit aufgerissen; und sobald ich von der Freundin, mit der ich geschwätzt hatte, Abschied nahm, lief er hinter mir her. Ich immer sachte vorneweg; ging ich langsam, so ging er auch langsam; stand ich still, so stand er auch still. Dann hustet er leise, räuspert sich, grüßt einen Bekannten so laut, daß ich ihn hören muß, und macht tausend Faxen, damit ich ihn bemerken solle. Ich lasse meinen Rosenkranz fallen und geh weiter, als ob ich's nicht gemerkt hätte; mein Fatzke ist mit einem Sprung drüber her, hebt ihn auf und schreit mir nach: »Heda, Frau! gute Frau!« Ich dreh mich um, er reicht mir den Rosenkranz, und ich rufe: »Herrje, was ich doch auch immer für Sachen mache! Schönen Dank, Euer Gnaden! Wenn ich Euch gefällig sein kann, so befehlet nur.« Damit will ich weitergehen. Er hält mich aber fest, zieht mich beiseite und fängt an, lang und breit davon zu sprechen, daß er mir so gerne gefällig sein möchte und er sei ja noch ein junger Mann, aber deshalb möcht ich's ihm doch nicht als Anmaßung auslegen, wenn er mich um meine Vermittlung bäte, um ihm zu 'ner Schönen zu verhelfen; er habe mich das Mädchen, das gar so oft als Erzengel Gabriel gemalt sei, so sehr rühmen hören; davon sei er so in Feuer und Flamme geraten, daß er 'ner Ohnmacht nahe sei.
Amme: Oh! den führtest du aber mit Grazie an der Nase!
Gevatterin: Ich schneide ihm das Wort ab mit einem ›mit Verlaub‹, wie man's sagt, wenn man gerne selber ein Wort anbringen möchte; ich antworte ihm ausweichend und komme zum Schluß, es sei ganz unmöglich, ihn mit ihr zusammenzubringen; ich rede von den Rücksichten, die zu nehmen seien, und von dem Verdacht, der sich erheben werde. Dann verabschiede ich mich von ihm, tue fünf oder sechs Schritte, indem ich mich stelle, als denke ich über sein ›Überlegt's Euch nur noch mal!‹ nach. Dann dreh ich mich um und winke ihm. Sofort ist er bei mir: »Was befehlt Ihr, Mütterchen?« – »Ich habe gute Hoffnungen für Euch, denn eben ist mir eingefallen – na, genug davon! Richtet es so ein, daß Ihr heute nacht um halb eins in unserem Hause seid; vielleicht... vielleicht... nun, Gott befohlen!«
Amme: Ein famoser Streich!
Gevatterin: Oh, wenn du den Fatzke gesehen hättest, wie er sich aufblies und mit was für 'nem Stolz er sich entfernte, der verrückte Kerl, du hättest dich schiefgelacht. Sofort ging er nach dem Uhrturm, um zu sehen, wie spät es sei; jedem Freund, den er traf, legte er die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm ganz leise zu: »Heute abend hab ich 'ne knusprige Sache, da würde ein Herzog sein Vergnügen dran haben; sag aber nichts weiter! Mehr kann ich dir jetzt nicht erzählen.«
Amme: Der Schafskopf!
Gevatterin: Es schlägt halb eins; er kommt, und ich sag ihm: »Muß ich's Euch nicht gestehen? Sie kennt Euch – und darum trägt sie Bedenken, und zwar aus guten Gründen.« – »Wieso aus guten Gründen?« fragt der Tropf. »Bin ich denn nicht ein Mann, he?« – »Gewiß, mein werter Herr; regt Euch nur nicht auf!« sagt ihm die Gevatterin; »sie weiß aber, daß Ihr alle Weiber haben wollt und daß Ihr sie auch alle habt, und sie befürchtet, von Euch aufs trockene gesetzt zu werden, sobald Ihr sie satt habt. Aber ich, die ich mit zwei Blicken jemanden zu beurteilen weiß, ich habe so lange getan und geredet, daß sie doch Eure ergebene Dienerin sein will.« – »Nicht meine Dienerin – meine Gebieterin! Bei Santa Bellas Fotze! Potz verreckter Chaib!« bullert er los. Und ich: »Ich möchte Euer Gnaden nur zu wissen tun, daß sie mir einen Ring gegeben hatte, genauso einen, wie Ihr am Finger habt; Ihr möchtet ihn tragen um ihrer Liebe willen; aber ich sagte zu ihr: ›Nein! er will Euch den seinigen schenken, damit Ihr zum Zeichen seiner Treue Eure Freude daran habt.‹« Kaum hatte ich das Wort heraus, so beleckte er sich den Finger mit der Zunge, zog den Ring ab und sagte zu mir: »Ihr habt mir so recht aus der Seele gesprochen, als Ihr das sagtet; darum verliert keinen Augenblick, bringt ihr den Ring und bringt mir die ganze Geschichte in Ordnung!«
Amme: Hahaha! Wer lachte nicht über die schlaue Art, wie du ihm sein Kleinod abluchstest!
Gevatterin: Sobald ich den Ring hatte, versprach ich ihm, er solle die nächste Nacht mit ihr schlafen; dann entlockte ich ihm noch fünf Juliusse und verabschiedete mich von ihm mit einem ›Lebt wohl und gesund!‹ Hierauf suche ich mir eine recht niedliche Vettel, zieh ihr Kleider an, die ich gemietet habe, schminke sie und putze sie sauber heraus, bringe sie in das Häuschen eines Gevatters von mir und lege sie dem Liebenden ins Bett; der fluchte das Blaue vom Himmel herunter, weil das Lämpchen, das ich angezündet hatte, jeden Augenblick auszugehen drohte, so daß er nichts sehen konnte. Nachher tat er gar, als ob er 's Mönchsgelübde ablegen wollte, als ich nämlich eine Stunde vor Tagesanbruch ihn aus dem Bett holte, indem ich mir die Haare ausraufte und schrie: »Wir sind entdeckt! Ihre Brüder! Ihr Mann! Ihre Schwäger! Oh, ich Unglückliche! Oh, ich Elende!« Ich will das schlechteste Ende nehmen, das es gibt, wenn's nicht wahr ist, daß er in seiner Angst seine Börse unterm Kopfkissen liegenließ. Am Morgen kam er zu mir und wollte mit mir sprechen, aber ein Zuhälter von mir, der allerdings nicht vertrauenerweckend aussah, flößte ihm solches Mißtrauen ein, daß er niemals wiederkam.
Amme: Wie mich das freut, wenn derartigen verliebten Laffen so mitgespielt wird! Packt Euch, ihr Fatzken, packt euch, ihr Schlappschwänze! schlimm genug, daß die Weiber die Röcke hochheben und sich euch auf den Nabel ziehen, ihr Viehkerle, Moschusscheißer, Rubinenspucker, Affenschnauzen!
Gevatterin: Nun kommt 'ne Geschichte von 'ner Nonne.
Amme: Was doch 'ne Kupplerin für 'n Geschäft hat! Überall muß sie sein, an alles muß sie selber Hand anlegen, muß Versprechungen geben und zurückziehen, muß nein sagen und ja sagen.
Gevatterin: Potz Blitz! Das will ich meinen, daß die Kupplerin ein großes Geschäft hat! Eine Kupplerin muß den Schneider spielen können.
Amme: Wieso denn den Schneider?
Gevatterin: Dem Schneider muß sie's gleichtun im Versprechen. Da kommt er und nimmt dir Maß zu 'nem Kleide, 'ner Jacke, 'ner Hose und 'nem Mantel; er weiß ganz genau, daß er die Sachen nicht an dem Tage abliefern kann, zu dem er sie dir verspricht, ja auch zum nächsten, übernächsten und drittnächsten nicht. Trotzdem verspricht er's hoch und heilig. Das tut er, um sich keine Arbeit entgehen zu lassen. Der bestimmte Morgen kommt; der Herr, der seinen neuen Anzug anziehen will, wartet 'ne Stunde oder zwei im Bett; dann schickt er seinen Diener zum Schneider, er solle sich beeilen. »Gleich, gleich!« sagt der. »Ich nähe bloß noch die fehlenden zehn Stiche; sofort bin ich da.« Es wird drei, es wird Mittag, es wird neun – der Schneider kommt nicht; der Herr flucht und schimpft und möcht ihn in Stücke hauen. Aber unser schlauer Meister läuft ins Haus seines Kunden, kaum daß er fertig ist, breitet die neuen Kleider aus und schwätzt und entschuldigt sich und winselt, zieht den Kopf zwischen die Schultern, gibt dem andern recht und schweigt geduldig still zu all den Spitzbuben und Tagedieben, die der ihm an den Kopf wirft. So macht's auch die Kupplerin. Mag krächzen, wer krächzen will, weil sie nicht pünktlich eingehalten habe, was sie auf Glauben und Seligkeit versprochen. Wenn ihr weiter nichts passiert, als daß man sie Kuppelweib, Luderbiest, Saumensch nennt – das ist ja ein bloßer Spaß!
Amme: 's ist ja auch wirklich bloß ein Spaß.
Gevatterin: Und der Mann, der die Stunde des Stelldicheins verstreichen sieht, ist das leibhaftige Ebenbild von dem Herrn, der wütend auf seinen neuen Anzug wartet. Er will die Kupplerin erdrosseln, die aber muß unter allen Umständen dem von ihr Geprellten dasselbe Gesicht machen, wie's der Wirt dem Fremden macht, der vom Hausknecht in seine Herberge verschleppt wird.
Amme: Wieso denn in seine Herberge?
Gevatterin: Das will ich dir sagen. Gegen Abend stellen sich die Hausknechte der Wirtshäuser ein gutes Stück von der Herberge entfernt auf die Straße. Sobald sie nun einen Reisenden sehen, sprechen sie ihn an: »Herr! o mein werter Herr! kommt mit mir, ich gebe Euch Rebhühner, Fasanen, Drosseln, Trüffeln, Lerchen, Trebianerwein.« Sie versprechen ihm geradezu bitteren Zucker. Ist er aber an dem Ort, wo sie ihn haben wollen, so gibt's kaum ein Huhn und dazu 'ne einzige Sorte Wein. Der Gast flucht; da entschuldigt sich denn der Wirt und sagt ihm: »Wahrhaftig! gerade vor 'nem Augenblick kehrte ein Monsignor bei mir ein, der mit Extrapost reiste; der hat alle die guten Sachen verzehrt, von denen meine Aufwärter glaubten, daß sie noch vorhanden seien.« Der Gast ist nun mal vom Pferde gestiegen, hat sich sogar schon die Stiefel ausgezogen, und so muß er denn essen, was da ist.
Amme: Geradeso muß es auch der Kunde machen, dem die Kupplerin eine Signora oder Edeldame versprach und hinterher ein Kälblein vorgesetzt hat, das man schon mehr Kuh nennen könnte.
Gevatterin: Du hast's erfaßt. Aber kommen wir jetzt zur Nonne, zur Schwester, zur Gottesbraut, deren Keuschheit ich mit 'nem Flüchelchen und 'nem Schwürchen unterkriegte. Doch um's nicht zu vergessen, will ich dir, ehe ich dich über die Klöster belehre, erst noch eine schöne Finte beibringen: Halte krampfhaft an dem Grundsatz fest, niemals zu fluchen, niemals zu schwören. Gib dir alle Mühe, diesen Grundsatz bekannt werden zu lassen, so daß man dir nachsagt, neben all deinen Lastern besitzest du doch eine einzige seltene und an einer Kupplerin noch seltenere Tugend, daß du nämlich niemals fluchtest und schwörest.
Amme: Zu welchem Zweck soll ich denn das machen, was du mir da sagst?
Gevatterin: Weil es zu unserem Beruf gehört, die Leute aufsitzen zu lassen und ihnen etwas, was nicht existiert und nicht existieren kann, weiszumachen. Wenn du nun jemanden prellen und begaunern willst, so bediene dich des Rufes, in dem du stehst, daß du niemals fluchst und schwörst: Geh dem andern mit Fluchen und Schwören unter die Augen, und sofort wird er auf deine Flüche mehr Vertrauen setzen als ein Wucherer auf ein Pfand aus Gold oder Silber.
Amme: Ich bitte mein Gedächtnis, es wolle mich lieber das Memento mei vergessen lassen als einen so guten Rat.
Gevatterin: Nun also zur Nonne! Einer von jenen schlimmen Gesellen, die ihr ganz besonderes Vergnügen daran haben, den Klöstern Hörner aufzusetzen, war ganz hirnverbrannt vor Liebe zu einem reizenden Nönnchen, einem wirklich süßen, herzigen Balg. Nachdem er alles vergeblich versucht hatte, probierte er das letzte Hilfsmittel und kam zu mir, weinte mir was vor, erzählte mir seine Schmerzen und gab mir Geld und gute Worte. Ich machte es wie die Scharlatane, die sich anheischig machen, jedes Geschwür binnen acht Tagen zu heilen – ich versprach ihm nämlich, ich wollte hingehen und mit ihr sprechen, und ich ging auch hin. Aber als ich meine Augen zum Kloster aufhob und die Heiligkeit des Ortes, die Höhe der Mauern und die mit dem Unternehmen verbundene Gefahr in Betracht zog, dazu auch die Frömmigkeit der Nonnen, da blieb ich stehen und sagte zu mir selber: »Was wirst du tun, Gevatterin? Wirst du gehen? Wirst du nicht gehen? Ja, ja – ich will gehen ... Nein, nein – ich will mich hüten zu gehen. Aber warum sollte ich nicht? Aber warum sollte ich? ...«
Amme: Das bist du, wie du leibst und lebst!
Gevatterin: »Auf mein Wort, ich will wieder nach Hause gehen. Warum denn nach Hause? Ist die denn die erste Nonne?« In solchem Widerstreit begriffen, guckte ich das Kloster an. In der Hand hielt ich einige linnene Halskrausen von jener feinen Art, die man nicht waschen läßt; die steckte ich wieder in den Busen und öffnete ein Büchlein von Unsrer Lieben Frau, das von Anfang bis Ende mit der Feder geschrieben und mit goldenen, blauen, grünen, violetten Miniaturen geschmückt war. Dieses Gebetbuch hatte ich von einem mir befreundeten Gauner gekriegt, der es jenem durch seine Krätze in Rom berühmt gebliebenen Bischof von Amelia gestohlen hatte. Ich hatte es in ein Tuch eingewickelt und benutzte den Vorwand, es verkaufen zu wollen, um mich in allen Klöstern der Stadt an die Nonnen heranzumachen. Nachdem ich es geöffnet und voll Bewunderung eine Zeitlang beguckt hatte, wickelte ich's wieder ein und nahm es unter den Arm; dann begann ich mir wieder die Herberge der Klausnerinnen zu betrachten. Als ich später mal die Geschichte einem erzählte, der im Kriege gewesen war, da sagte er mir, ich müßte ausgesehen haben wie ein Feldherr, der einer Stadt eine Schlacht liefern will und um sie herumgeht, die Dicke der Mauern abschätzt, die Tiefe und Breite der Gräben, sich die Stellen merkt, wo die Mauerzinnen schwächer mit Mannschaft besetzt sind, und hierauf zum Sturmangriff schreitet. Aber einerlei, wie ich aussah oder mit wem ich zu vergleichen war! Ich trat in die Kirche ein, und um mein Kleid aus Sackleinwand nicht Lügen zu strafen – das ich immer trug, wenn meine Kuppelgeschäfte mich mit den ehrbaren Nönnchen in Berührung brachten –, so nahm ich zunächst Weihwasser, warf mich dann auf die Knie und brummelte ein Fetzchen Gebet, gab mir ein paar Maxima culpa vor die Brust, streckte die Arme aus, faltete die Hände, neigte den Kopf und küßte den Fußboden. Dann stand ich auf und klopfte an der Klosterpforte, und nachdem ich leise, leise gepocht hatte, hörte ich ein Ave, das mir antwortete; und im selben Augenblick öffnete sich das Gitter. Ich ziehe den Kopf zwischen die Schultern und frage, ob nicht im Kloster eine Schwester sei, die das Buch des Psalmisten kaufen möchte.
Amme: Vor 'ner kleinen Weile sagtest du noch, es sei das Gebetbuch Unsrer Lieben Frau gewesen?
Gevatterin: Kann man denn nicht mal was Verkehrtes sagen, ohne daß es einem aufgemutzt wird?
Amme: Wollte Gott, es würde einem niemals aufgemutzt, wenn man zwei Wahrheiten gesagt hat!
Gevatterin: Also genug davon! Als die Pförtnerin hörte, daß ich ein Buch zu verkaufen habe, läuft sie hinauf und kommt nach 'nem kleinen Weilchen mit einer ganzen Schar von jungen Nonnen zurück. Sie läßt mich ein, und da stoß ich denn einen tiefen Seufzer aus und sage: »Ich betrete niemals ein Kloster, ohne daß die Seele mir im Leibe hüpft. Der bloße Geruch von Heiligkeit, von Jungfräulichkeit, der von eurer Kirche ausströmt, bekehrt mich, so daß ich über meine Sünden seufzen muß. Ach ja! Ihr seid im Paradiese, habt keine Plackereien mit Kindern, Ehemännern und dem ganzen weltlichen Kram. Eure Messen, eure Vespern genügen euch, und die Lust, die ihr an eurem Garten, an eurem Weinberg habt, ist auch viel mehr wert als alle Freuden, an denen wir in der Welt uns ergötzen.« Nachdem ich dies gesagt, setze ich mich neben die Schwester, um derentwillen ich gekommen war, wickle das Buch aus der Umhüllung, schlage das erste Bild auf und zeige es ihr. Die anderen stellen sich derweil in einem Kreise um uns herum.
Amme: Ich seh sie vor mir, wie sie sich das Buch angucken, und hör sie schwätzen.
Gevatterin: Wie sie so im Kreise herum stehen, erkennen sie auf dem Bild Adam und Eva, und eine von ihnen sagt zu mir: »Verflucht sei dieser verräterische Feigenbaum oder jene halunkische Schlange, die das Weib da versuchte!« Und dabei tippt sie mit dem Finger auf Eva und seufzt. Eine andere antwortet ihr und sagt: »Wir würden ewig leben, hätte sie nicht den Lecker nach 'nem Stück Obst verspürt. Aber wenn's kein Sterben gäbe, so würden wir einander aufessen, und das Leben würde uns zum Ekel werden, und darum hat Eva wohl daran getan, daß sie den Apfel aß.« – »Das hat sie nicht getan, nein!« schreien die übrigen. »Sterben, ach! O weh, wieder zu Staub und Asche zu werden!« – »Und ich«, ruft ein gewitztes Nönnchen, »ich möchte leben, auch wenn ich nackt und barfuß wäre; Kleider und Schuhe brauchte ich gar nicht; mag den Tod wählen, wem er gefällt!« Unterdessen blättere ich weiter und schlage das Bild von der Sintflut auf, und als ich's aufgeschlagen habe, hör ich sie rufen: »Oh, wie ist Noahs Arche naturgetreu; die Menschen, die sich auf die Baumwipfel und die Berggipfel geflüchtet haben, sehen aus, wie wenn sie lebten!« Eine andere lobte die Blitze, die aus feurigen Wolken hervorzuschießen scheinen; noch andere die Vögel, die sich angstvoll unter der Regenflut ducken; noch andere die Menschen, die sich an die Arche anzuklammern versuchen, und so entdeckt eine jede eine besondere Schönheit.
Amme: Dies Bild ist aus der Kapelle gestohlen.
Gevatterin: Das behauptet man. Nachdem sie sich die Sintflut angesehen hatten, zeigte ich ihnen den Hain, worin es Manna regnete, und als sie die vielen Leute sahen, Weiber sowohl wie Männer, die ihre Schürzen, Taschen, Hände und Körbe mit Manna füllten, da wurden sie alle ganz fröhlich. In diesem Augenblick kam auch die Äbtissin dazu; und sobald sie sie erblickten, liefen sie mit dem Buche zu ihr, und sie begann nun ebenfalls die Bilder anzusehen. So blieb ich allein mit der Nonne, der mein Besuch galt. Und da die Gelegenheit so schön war, zog ich die feingearbeiteten Halskrausen hervor und sagte zu ihr: »Oh, was sagt Ihr wohl zu dieser Arbeit?« – »Oh, sie ist hübsch!« antwortete sie. – »Hübsch ist der Herr, dem die Spitzen gehören«, sag ich drauf, »ich will Euch morgen ein paar von seinen goldgestickten Hemden zeigen – da werdet Ihr staunen, wie Ihr auch über seine Anmut und Liebenswürdigkeit staunen würdet. O was für ein diskreter Jüngling! was für ein reicher Herr! ich will Euch meine sündigen Gedanken gestehen: Ich wollte, ich wäre noch so, wie ich in meiner Jugend war, und ... na, genug!« Während ich ihr diese Sachen sage, guck ich ihr in die Augen, und da ich sehe, daß diese so sind, wie ich's mir nur wünschen kann, so schlag ich 'nen andern Ton an und sage: »Gott verzeih es Eurer Mutter und Eurem Vater, daß sie Euch hier einkerkerten. Ich weiß wohl, was mir der Kavalier gesagt hat, dem die Halskrausen gehören ...«
Amme: Hübsch gemacht!
Gevatterin: »Er fällt in Ohnmacht, er stirbt, er vergeht vor Liebe zu Euch. Ihr seid ein vernünftiges Mädchen; ich weiß, Ihr denkt daran, daß Ihr von Fleisch und Blut seid und daß die Jugend nicht ewig währt.« Kurz und gut, Amme, das Blut der Frauen ist sanfter und süßer als Honig, aber die Süßigkeit des Nonnenblutes geht über Honig, Zucker und Manna. Darum nahm sie ganz artig einen Brief, den ich ihr von meinem Auftraggeber überbrachte. Der Handel wurde abgemacht, und man fand Mittel und Wege, daß sie zu ihm und er zu ihr gehen konnte. Meine Schlauheit bestand darin, daß ich das Buch im Kloster ließ; dadurch standen mir alle Türen sperrangelweit offen; ich tat immer, als wollte ich das Buch nicht verkaufen, sondern schenken; dieser Handel kam aber niemals zustande.
Amme: Haha!
Gevatterin: In zwei Tagen hatte ich mit meinem Geschwätz alle Nonnen wild gemacht. Ich erzählte ihnen die seltsamsten Geschichten von der Welt, spielte bald mal die Närrische, bald mal die Vernünftige, und sie wetteiferten, wer mich am zärtlichsten liebkosen wollte. Ich erzählte ihnen, was man über die Erbfolge in Mailand dächte und wer wohl Herzog würde; ich setzte ihnen auseinander, ob der Papst für die kaiserliche oder für die französische Partei wäre; ich predigte ihnen von der Größe der Venezianer, wie weise und wie reich sie sind. Dann kam ich auf die Soundso und die Dingsda zu sprechen, zählte die Freunde auf, die sie hätten, sprach von der einen, daß sie in anderen Umständen wäre, und von der anderen, daß sie keine Kinder kriegen könnte; erzählte von den Männern, die ihre Frauen gut, und von denen, die sie schlecht behandelten; ich legte ihnen sogar die Prophezeiungen der heiligen Brigitte und des Bruders Giacopone von Pietrapana aus.
Amme: Was dazu für ein Gehirn gehört!
Gevatterin: Was anderes: Ich stehe vor der Tür einer vornehmen und reichen Frau – verheiratet an einen sehr hohen Herrn, der jeden Tag von einer Reise zurückerwartet wurde –, in der Hand hab ich 'nen Rosenkranz, im Munde Paternoster und fromme Seufzer, im Busen ein Briefchen und in einem Täschchen meiner Schürze ein Gespinst sehr feinen Garns. Ich klopfe ganz leise und bitte die Magd, die mir vom Fenster herab zuruft: »Wer ist da?«, sie möchte doch ihrer Herrin bestellen, ich wäre da, ich brächte ihr Garn, wozu man ihr sagen müßte, es wäre ein Gelegenheitskauf, weil der Handel sich anderwärts zerschlagen hätte. Ich höre, daß aufgemacht wird, und schleiche mich hinein – so verstohlen wie ein Spitzbube, wenn er mit Brechstange und Speckfeile die Tür eines Kaufladens geöffnet hat, den er schon seit einem Monat aufs Korn genommen hatte. Ich steige die Treppe hinauf, mache vor der Dame eine Verbeugung, die schon mehr Kniefall ist, und sage: »Gott erhalte diese Anmut, diese Schönheit und dieses Auftreten, das mit dem Blütenschmück der Tugend, der Liebenswürdigkeit und der feinen Sitte geziert ist!«
Amme: Ein schöner Gruß!
Gevatterin: Und sie »Setzt Euch, arme Frau, setzt Euch, sag ich Euch.« Ich setze mich und seufze dabei tief, und zwei heiße Tränen rollen mir schnell über die Backen; ich krieche ganz in mich selbst hinein und erzähl ihr von meinen Kümmernissen: wie alles so teuer ist und wie wenig Almosen gegeben werden. Das rührt ihr Mitleid, und als ich sie gerührt sehe, stammle ich mit bebenden Lippen: »Wenn die andern so wären wie Ihr, dann wäre für unsereine die Armut Reichtum. Was ist denn eine grausame Frau wert? Welches Lob kann man ihr erteilen? wie könnte so eine je ins Paradies kommen? Wie viele arme Frauen sterben auf den Straßen, ohne daß ihnen ein einziger Mensch zu Hilfe kommt? In den Spitälern, wie viele liegen da, die niemals von den Barmherzigen besucht werden? Aber wir wollen gar nicht von den armen Weibern reden – wie viele Männer halten die Hand geschlossen, anstatt sie milde aufzutun? Aber das kommt von jener Grausamkeit, von jener Härte, die der Teufel den Menschen mitten ins Herz pflanzt, Menschen, die mit einem Wort, mit einem Blick – von Werken gar nicht zu reden – den Betrübten beispringen, sie aus Kummer und Elend herausreißen könnten! Seid also gebenedeiet, seid angebetet, denn Ihr seid mitleidig und teilnehmend, und Ihr werdet's nicht zulassen, daß ich dieses Garn umsonst hergebe.« Damit lege ich ihr das Garn in die Hand, lächle und sage: »Heute ist mir etwas passiert, was mir meiner Lebtage noch nicht passiert ist.«
Amme: Die kunstvollste Kunst der kuppelhaftigsten Kuppelei muß noch bei dir in die Lehre gehen!
Gevatterin: Die gnädige Frau wendet sich zu mir und sagt: »Was ist Euch denn passiert?« Und ich antworte: »Wenn ich die schweifenden Blicke Eurer Augen sehe, die Löckchen Eures Haares, die sich unter dem Schleier hervorgestohlen haben, Eure hohe Stirn, den Bogen Eurer Braue, das brennende Rot Eurer Lippe und alle die anderen göttlichen Schönheiten Eurer Gnaden, dann fühle ich größeren Trost, als ich vorher Schmerz fühlte, ehe mein Glück und Eure Huld mir gestatteten, vor Eurem Angesicht zu erscheinen.« Sie nahm das gut auf und sagte: »Eure Güte ist zu groß!« – »Nein, nur die Güte meiner gnädigen Herrin!« ruf ich. »Und er hat ganz recht, daß er Euch anbetet und für Euch glüht.« Damit brech ich ab und fange an, vom Garn zu sprechen, verlange soundso viel fürs Pfund, und wenn sie mir mehr oder weniger dafür geben wolle, so stehe es in ihrem Belieben ... Was ist doch das Weib! wie leicht ist sein Sinn gelenkt! Kaum hatte ich gesagt: »Er hat ganz recht, daß er Euch anbetet und für Euch glüht!« – so wird sie ganz rot; sie verhaspelt sich in unseren Garnhandel, fragt aber nicht weiter nach dem Sinn meiner Bemerkung. Ich seh ihr aber an, daß sie gern davon sprechen möchte und daß ihr diese Angelegenheit wichtiger ist als Garn und Gespinst, und so kratz ich sie denn, wo sie's juckt, und sage: »Wenn einer keinen Verstand hat, ist's sein eigenes Pech, besser ist's, einer gerät Euretwegen in Verzweiflung, als daß er sich bei anderen befriedigt.« Und da es mir vorkam, als wäre sie durch den Lanzenstoß meines Geschwätzes zu Boden gestreckt, so zieh ich das Brieflein aus dem Busen hervor und drück ihr's in die Hand. Da fällt sie über mich her und schreit: »Mir so was, he? Mir so was, ha? Hältst du mich für so eine? Wer, glaubst du denn, daß ich bin? Ich möchte dir mit meinen Fingern die Augen ausreißen; mit meinen Fingern möcht ich sie dir ausreißen, gottlose Kupplerin, Landstreicherin, die du bist! Geh mit Gott – raus mit dir aus dem Haus! und wenn du dir's je einfallen läßt, mir jemals wieder vor die Augen zu treten, so sollst du für diesmal und allemal deinen Lohn kriegen! Mir kommst du so, wie? Mir wagst du so was anzubieten, was?«
Amme: Mir geht's Wasser ab vor Angst um deine Haut!
Gevatterin: Nun paß auf, was ich machte, als ich mich von ihr die Treppe hinuntergeworfen sah. Gerade als ich mich hinausschleichen will, da kommt ihr Mann von seiner Reise zurück, da kommt auf den Lärm ihre Mutter herbeigelaufen, da kommt noch obendrein ein Bruder von ihr, der sonst niemals aus seinem Studierzimmer herausging. Als ich mich in so übler Lage sehe, da faß ich in meinem Herzen Mut; meine Zunge besinnt sich wieder auf ihre Lügen, und mit eiserner Stirn fang ich an zu schreien und sage zu der Jungen: »Wenn Ihr meintet, ich hätte Euch fürs Garn zuviel abverlangt, so konntet Ihr einfach sagen: ›Das ist nichts für mich‹ – aber zu schimpfen brauchtet Ihr nicht!« Zur Alten: »Wer wüßte besser als Ihr, was das Pfund Garn gilt?« Zum Bruder: »Euch gehen meine Sachen nichts an!« Zum Mann, der mir zuschrie: »Was machst du hier?« und mich anpackte: »Ich habe mich in der Tür geirrt; Euer Gnaden wollen mir gütigst verzeihen.« Und auf diese Weise kam ich aus der schlimmen Geschichte heraus.
Amme: Eine andere wäre verloren gewesen!
Gevatterin: In derartigen Fällen muß man's machen wie der schlaue Fuchs, wenn er sich von Hunden, Knüppeln, Netzen und Feuerbränden umstellt sieht. Er verliert seine Kaltblütigkeit nicht, bleibt immer bei Besinnung und tut, als wolle er bald an dieser Stelle, bald an jener durchbrechen. Alle Bewegungen, die er macht, machen die anderen nach, und so lassen sie ihn aus ihren Klauen entschlüpfen, ohne daß sie merken, wie's zugeht.
Amme: Was du da beschreibst, hab ich zehnmal mit angesehen.
Gevatterin: Aber du glaubst vielleicht, die Dame, vor deren Wut ich scheinbar die- Flucht ergriff, sei im Ernst wütend gewesen? Ganz und gar nicht, Amme! sie las die Stücke des von ihr zerrissenen, mit Füßen zertrampelten, angespienen Briefes wieder auf, setzte ihn wieder zusammen, las ihn nicht einmal, sondern tausendmal und zeigte ihn vom Fenster aus dem Kavalier, der ihn ihr durch mich geschickt hatte. Und damit ich's glauben sollte, ließ ihr Liebhaber mich mit eigenen Augen sehen, daß sie die Seine wurde, ohne daß es noch anderer Zwischenträger bedurft hätte. Eines Tages nach dem Essen wies er mir ein Versteck an, von wo aus ich sah, wie sie sich mit ihm zu Bette legte und sich ganz nackt auszog – denn es war sehr heiß –, was aber die schöne Frau zu ihm sagte, das konnte ich nicht verstehen, denn das Zimmer ging auf einen Garten, und die Zikaden machten in jenem Augenblick einen betäubenden Lärm. Aber ich sah sie – ob ich sie sah! Ganz gewiß sah ich sie, denn er betrachtete sie von allen Seiten. Die Haare hatte sie sich ohne jeden Schleier hochgebunden, so daß ihre Zöpfe ein Dach für ihre schöne Stirn bildeten; ihre Augen glühten und lachten zugleich unter den beiden Bögen ihrer Brauen; ihre Wangen waren weiß wie Milch, mit ganz, ganz zarter Granatapfelfarbe betupft. Oh, diese schöne Nase, Schwesterchen! Oh, was für ein schönes Kinn sie hatte! Weißt du, warum ich dir kein Wort von ihrem Munde, von ihren Zähnen sage? um nicht durch mein Geschwätz ihre Herrlichkeit zu schmälern. Einen Hals hatte sie – himmlischer Vater! Und einen Busen, Amme! mit zwei Spitzen dran, um eine Jungfrau zu verführen und einen Märtyrer zu entmönchen. Ich kam einer Ohnmacht nahe, als ich ihren Leib sah, das Juwel von einem Nabel in der Mitte, und ich verlor fast die Besinnung, als mein Blick auf jenes Ding fiel, um dessentwillen so viele Dummheiten gemacht werden, so viele Feindschaften entstehen, so viel Geld und Worte verschwendet werden. Aber gar erst ihre Schenkel, Waden und Füße, ihre Arme und Hände – die möge statt meiner preisen, wer sich aufs Preisen versteht! Und dies war nur die Vorderseite ihres Körpers – die Besinnung wurde mir erst von staunender Bewunderung geraubt, als ich ihren Nacken, ihre Lenden und ihre anderen Schönheiten sah. Ich schwöre dir's bei meiner ganzen Habe, die ich dem Feuer, den Spitzbuben, den Sbirren preisgeben will, wenn's nicht wahr ist, daß ich bei ihrem Anblick mit der Hand an meine Kleine fuhr und sie mir rieb, wie einer, der kein Loch zum Reinstecken hat, sich sein Ding reibt.
Amme: Während du mir diese Beschreibung machtest, empfand ich jenes süße Gefühl, wie wenn man träumt, man hab seinen Liebsten auf sich, und gerade, wenn's kommt, aus dem Schlaf erwacht.
Gevatterin: Nachdem sie sich mit Betrachten und Plaudern amüsiert hatten, warfen sie sich aufs Bett und umschlangen sich so fest, daß die Luft in Verzweiflung geriet, weil sie nicht mehr zwischen ihre Leiber dringen konnte. Und gerade in diesem Augenblick schwiegen zu meinem Glück die Zikaden, und das freute mich innig, denn was Verliebte miteinander sprechen, ist nicht weniger süß anzuhören, als das, was sie machen, anzusehen ist. Ehe sie nun handgemein wurden, heftete der ebenso feingebildete wie vornehme Jüngling seine Augen auf die ihrigen, sah sie unverwandt an und sprach die folgenden Verse, die ich mir von ihm später habe aufschreiben lassen und die ich nebst den anderen Reimen, die ich dir bei passender Gelegenheit vortragen werde, meinem Gedächtnis einverleibt habe:
Warum dich sehnen nach des Himmels Wonnen,
Wenn dir der Liebe Glück auf Erden lacht?
Warum auf Sternen wandeln wolln und Sonnen,
Wenn dich umhegt der Minne Zaubermacht?
Still deinen Durst aus ihrem klaren Bronnen
Und du bist selig, wie du's nie gedacht,
Wenn du in heißem, stürmischem Verlangen
Die Liebste küssest auf die Rosenwangen.
O Wonne, wenn zwei Herzen sich ergießen
In ein Herz, wenn die Seele sich vermählt
Der Seele, und in fröhlichem Genießen
Das Leben sich ein zweites Leben wählt!
O Wonne, wenn zwei Menschen sich umschließen,
Von gleichem Wunsch, von gleicher Glut beseelt –
Kein Neid des Schicksals trübt das Glück der Gatten,
Bis schmerzlos sie umfängt des Todes Schatten.
Amme: Sie sind mir in die Seele gedrungen, diese Verse, in die Seele! Oh, wie sind sie süß, wie sind sie lieblich!
Gevatterin: Nachdem er diese beiden Stanzen hergesagt und damit die Ohren der jungen Schönen geatzt hatte, fuhr er in sie rein. Schon preßten ihre Busen sich so glühend aufeinander, daß ihrer beider Herzen mit gleicher Inbrunst sich küßten. Dabei küßten sie sich so süß, daß ihnen ihre Seelen vor Entzücken auf die Lippen traten, und indem sie ihre Küsse schlürften, kosteten sie die Süßigkeiten des Himmels, und ihre Seelen, von denen ich eben sprach, lagen in ihren Ausrufen: »Ach! Ach!« – »Oh! Oh!« – »Mein Leben!« – »Meine Seele!« – »Mein Herz!«. – »Ich sterbe!« – »Warte, es kommt mir!« ... bis sie fertig waren. Da sanken sie beide langsam hin, indem jedes von ihnen mit einem Seufzer seine Seele in den Mund des anderen verhauchte.
Amme: Du schilderst wunderbar, wie eine Sappho, wie ein Tibaldeo, geschweige denn wie ein Petrarca. Aber sprich mir nicht mehr von ihnen; ich möchte den süßen Geschmack im Munde behalten.
Gevatterin: Den Gefallen will ich dir tun, obwohl es eigentlich schade ist, wenn ich nichts von dem Schlafe sage, der sachte, sachte auf ihre Lider sich herniedersenkte wie ein milder Regen, so daß sie sich öffneten und schlossen und den Augen das Licht nahmen und wiedergaben, wie ein Wölkchen der Sonne das Licht nimmt und wiedergibt, indem es sich bald vor sie schiebt und bald weiterzieht.
Amme: Jeder nach seinem Belieben!
Gevatterin: Ein Herr von Stande, eine hochangesehene Persönlichkeit, der mehr Tugenden hatte als der Esel graue Haare, der warf sein Auge auf eine Witwe; sie war weder alt noch jung, sehr schön und ging fast jeden Morgen in die Messe. Um mir auf jeden Fall entweder bei ihr oder bei ihm was zu verdienen, erschien ich immer vor ihr in der Kirche und kniete genau auf derselben Altarstufe, auf welcher sie immer kniete; und das tat ich absichtlich, damit sie mich anreden sollte, und war's auch nur gewesen, um mir zu sagen: ›Packt Euch fort von hier!‹ Mein Plan gelang mir denn auch; jedesmal, wenn sie mich sah, grüßte sie mich freundlich, und oft fragte sie mich, wie's mir ginge, ob ich verheiratet wäre, wieviel Miete ich bezahlte und derlei Sachen. Infolgedessen beschloß der Kavalier, der hinter ihr her war, mich zur Vermittlerin in seiner Liebesangelegenheit zu machen; eines Abends also kam er verstohlen zu mir und richtete in sehr höflicher Weise diese Bitte an mich. Ich, als echte Lateinerin, versprech's ihm, indem ich sage: »Eine Frau meinesgleichen ist dazu da, um einem Herrn wie Euch zu dienen«, und versprech es ihm nicht, indem ich hinzusetze: »Ich zweifle, daß es mir gelingt; indessen werde ich mit ihr sprechen, verlaßt Euch drauf.« Ich bestelle ihn also in die Kirche, mache mich an die Witwe heran und spreche mit ihr von anderen Sachen, und als sie über mein Geplauder lacht, dreh ich mich nach ihm um und mache ihm ein Zeichen, wie wenn sie darüber lachte, daß ich von ihm gesprochen hätte; und er freut sich.
Amme: Barmherzigkeit! wie ist's möglich!
Gevatterin: Nach der Messe geh ich wieder nach Hause; gleich darauf ist er da, ich ergreife seine Hand und sage: »Wohl bekomm's Euch, wie sie Euch gern hat! Ich hätte ihr gar nicht von etwas Angenehmerem sprechen können. Nur hat sie es sogleich beim ersten Mal nicht gewagt, frei von der Leber weg zu sprechen – indessen, wer sähe ihr nicht an, wie sie denkt! Schreibt ihr einen Brief mit irgend 'nem Sonettchen; da hat sie nämlich ihre Freude dran, und ich werd's an sie bestellen.« Wie er das von dem Brief hört, läßt er flugs zwei Dukätchen springen und sagt: »Ich gebe sie Euch nicht als Bezahlung, sondern nur als Angeld auf das, was Ihr von mir zu erwarten habt, und heute abend bring ich Euch den Brief.« Er geht, kommt wieder und bringt mir den Brief, der in ein Stückchen Samt eingewickelt und mit grünen Seidenschnüren zugebunden war, er küßt ihn und gibt ihn mir; ich küsse ihn wieder und nehme ihn.
Amme: Zeremonien für Zeremonien!
Gevatterin: Nachdem ich den Brief erhalten, verabschiede ich mich von dem Herrn, indem ich ihm verspreche, am nächsten Morgen würde ich ihn an sie bestellen. Ich gehe in die Kirche, treffe sie auch, spreche aber nicht mit ihr und zeige auf eine Zofe, die sie sonst niemals mitzubringen pflegte; ich mache also nichts und entschuldige mich bei ihm. »Schon gut!« antwortet er; »was nicht geht, das geht eben nicht; wenn Ihr nur an mich denken wollt, so bin ich schon zufrieden.« – »Wie? an Euch denken? Noch heute will ich ihr den Brief geben oder des Todes sein! Laßt mich nur machen, ich gehe zu ihr ins Haus. Seid um zwei Uhr hier; ich werde Euch wohl etwas mitzuteilen haben.« Er dankt mir, verspricht mir goldene Berge, zückt abermals ein Dukätchen und geht ab. Nach 'ner guten Weile begeb ich mich zur Witwe und frage sie, ob sie nicht ein bißchen Flachs, Werg oder Hanf für mich zum Spinnen habe. Du wirst dich erinnern, daß ich, wie ich dir sagte, in die Häuser der Reichen als arme Frau gekleidet gehe, zu den Armen aber als Reiche. Ich bekam Flachs und alles, was ich wollte. Der Herr kam am Abend wieder zu mir, und ich sagte ihm: »Ich hab ihr den Brief auf die schönste und schlaueste Art von der Welt gegeben.« Hierauf erzähle ich ihm 'ne lange Litanei, an der kein wahres Wort war, und rede ihm vor, am nächsten Abend würde ich hingehen, um die Antwort zu holen. Kommt der nächste Morgen, und ich hatte ein Geschäftchen mit 'ner kleinen Seidenhasplerin, einem schönen jungen Ding ohne 'nen Pfennig Geld. Ich lasse ein Nichtchen von mir in meiner Wohnung und denke gar nicht an den Brief, den ich ja nicht bestellt hatte. Er lag im Tischkasten, und meine Gedankenlosigkeit wäre mir beinahe teuer zu stehen gekommen. Denn der Herr, der ihn mir gegeben hatte, kam in meine Wohnung, während ich nicht da war. Das Mädel macht ihm auf, er geht nach oben, zieht zufällig den Tischkasten auf und findet den Brief, den er mitnimmt, indem er sagt: »Ich will doch mal sehen, was die verhenkerte Kupplerin, der ich soviel Gutes getan, mir sagen wird!«
Amme: Da liegst du mit 'm Beinbruch.
Gevatterin: Nur sachte! Ich komme nach Hause, und mein Herz sagt mir schon: ›Da ist irgendwas los!‹ So seh ich im Schubkasten nach und finde den Brief nicht; ich frage die Kleine, und sie sagt mir: »Herr Soundso ist dagewesen.« So halt ich also auf eine Entschuldigung bedacht zu sein. Da kommt er auch schon selber, läßt sich aber gar nichts merken, sondern tritt lächelnd wie gewöhnlich ein und begrüßt mich wie immer mit ein paar Wörtchen. Aber deine durchtriebene Gevatterin läßt sich dadurch nicht fangen, sondern geht auf ihn zu und sagt: »Ich weiß, Ihr laßt Eurer armen Dienerin nicht die Zeit zu schlafen und ihr Essen zu verdauen – bei meiner Seele, ich habe einen bösen Abend und eine gar traurige Nacht verbracht. Allerdings hab ich Euch gesagt, ich hätte den Brief bestellt, das will ich nicht leugnen; aber ich sagte es nicht, um Euch was aufzubinden. Ich hatte keine Gelegenheit gefunden, ihr den Brief zu geben, wußte aber bestimmt, daß es mir heute abend möglich sein würde, und darum dachte ich bei mir selber: ›Es macht nichts, daß ich ihm gesagt habe, ich hätte seinen Auftrag schon ausgeführt, da ich die Sache sofort erledigen kann.‹ Nun habt Ihr ja aber Euren Brief wieder an Euch genommen, und es ist mir klar, daß Ihr mir nicht mehr glauben werdet, selbst wenn ich Euch die Wahrheit sage. Aber gebt ihn mir wieder, und Ihr werdet sehen, was ich ausrichte – nicht morgen, sondern übermorgen!«
Amme: Hör einer solchen Schwindel!
Gevatterin: Er ist ganz friedfertig und gut, zieht den Brief aus dem Busen, gibt ihn mir wieder und sagt: »Allerdings war ich ein bißchen aufgebracht, denn ich glaubte, zum Narren gehalten zu sein, aber ich bin ein vernünftiger Mann; darum erkläre ich mich mit Euren Entschuldigungen zufrieden; alle Verstimmung ist beseitigt, und wenn Ihr ein bißchen eifrig seid, so läßt das Versehen sich leicht wiedergutmachen.« Und ich: »Ich weiß recht wohl, was es zu bedeuten hat, einem Herrn wie Euch nicht die Wahrheit zu sagen; der Fehler ist nun mal begangen, jetzt will ich dran denken, ihn wiedergutzumachen.« Mit diesen leeren Redensarten gibt er sich völlig zufrieden und geht ab. Ich lache aus vollem Halse hinter ihm her und mache den Brief auf. Amme, niemals hat man was Schöneres gesehen! Jeder Buchstabe schien eine Perle zu sein; keine Frau könnte so grausam und so hart sein, den Worten, die darin zu lesen waren, zu widerstehen. Oh, was für schöne Gleichnisse! was für rührende Bitten! welch kunstvolle Art, die Leserin zu rühren und in Flammen zu setzen! Es machte mir eine wunderbare Lust, das Madrigal zu lesen und wieder zu lesen, das in diesem Briefe stand:
›Geliebtes Weib! Unsäglich schön
Ist Schönheit nur, weil dir sie gleicht;
Um ihr noch höhere Ehre zu verleihn,
Oh! schmilz dein Eis und kühle meine Glut!
Denn wisse, Herz: Unsäglich weich
Ist Mitleid ja, weil dir es gleicht.
Doch duldest du mit kaltem, stolzem Sinn,
Daß meine Hoffnung hier vergebens hofft,
Dann ruf ich: Ha! Unsäglich hart
Ist Grausamkeit, weil dir sie gleicht!‹
Amme: Hübsch!
Gevatterin: Nachdem ich den Brief so recht mit Genuß gelesen hatte, verwahrte ich ihn sorgfältig und machte mir aus dem Samt, worin er eingeschlagen war, zwei Säckchen, um darin Amulette um den Hals zu hängen. Wie lachte ich dabei über den Tölpel, der auf seine Antwort wartete! Wie's mit dieser Antwort bestellt war, wirst du sogleich hören. Als ich mich wieder in das Haus der Witwe begab, hörte ich sie schelten, weil eine Halskette in vier Stücke gebrochen war; diese Kette war nämlich von so schöner Arbeit, wie man sie nirgends mehr sieht, und in Rom gab es niemanden, der sie hätte ausbessern können; darum machte die Frau einen großen Lärm. Durchtrieben, wie ich bin, denke ich sofort an 'nen schlauen Streich und sage zu ihr: »Regt Euch nicht auf – wenn Ihr in die Messe kommt, werde ich Euch mit einem Goldschmiedemeister bekannt machen, den Ihr vielleicht schon hier und da mal gesehen habt; der wird Euch die Kette so schön wiederherstellen, daß sie an den Ausbesserungsstellen schöner sein wird als zuvor, da sie noch ganz war.« Sie wurde wieder ganz vergnügt und sagte zu mir: »Kommt morgen früh auf alle Fälle zur Messe.« Ich versprech es ihr und trabe nach Hause und bin kaum die Zeit eines Tischgebets da, so erscheint mein Freundchen. »Man muß 'ne Frau sein und den Willen haben, Euch zu bedienen, wie ich Euch bedient habe«, ruf ich ihm entgegen; »der Brief hat gefallen, ja so sehr, daß Ihr Euch keinen Begriff davon machen könnt: da gab's Tränen und dergleichen, Seufzer, ich weiß nicht, wie tief, und ab und zu auch ein leises Lachen. Zehnmal hat sie die Verse gelesen, und gelobt hat sie sie – nein, man kann's gar nicht schildern; und nachdem sie den Brief geküßt und immer wieder geküßt, hat sie ihn zwischen ihre Brüste von Schnee und Rosen geschoben, und das Ende vom Liede ist, daß sie morgen früh, wenn alle Leute aus der Kirche fort sind, mit Euch sprechen will.« Als er das hörte, wollte er mir laut seinen Dank aussprechen. Ich aber sage zu ihm: »Nur vorsichtig auf 'nem gefährlichen Weg!« – »Wieso, gefährlicher Weg?« fragt er. – »Das will ich Euch sagen«, sag ich; »sie traut ihrer Magd nicht, und damit nun euer Geheimnis nicht entdeckt wird, haben wir ein schönes Aushilfsmittel ersonnen: Die gnädige Frau hat eine Halskette zerbrochen, auf die sie große Stücke hält; nun will sie sich stellen, wie wenn Euer Gnaden ein Goldschmied wären, wird Euch die Kette zeigen und fragen, wieviel die Ausbesserung kosten würde und wann sie die Kette wiederbekommen könnte. Da dürft Ihr denn nicht aus der Rolle fallen, sondern müßt Euch so benehmen, daß Ihr sie zufriedenstellt.«
Amme: Verteufelt fein ausgedacht!
Gevatterin: Die Komödie ging los: Sie sprachen miteinander, und du wärst vor Lachen krepiert, wenn du gesehen hättest, wie dem Schafskopf die Stimme und die Hand zitterten, als er an der Kette herumfummelte. Dabei bemühte er sich, fortwährend in Gleichnissen zu sprechen, so daß sie ihn nicht verstand, während er die Witwe noch viel weniger verstand. Schließlich ging er ab, nachdem er ihr versprochen hatte, er würde ihr eine ähnliche Arbeit wie die zerbrochene Kette zur Besichtigung schicken. Drei Monate lang ließ er sich von meinem fortwährenden ›Heute oder morgen werdet Ihr mit ihr im reinen sein!‹ an der Nase herumführen; mit der Witwe sprach ich über ihn sowenig, wie du je mit ihr über ihn gesprochen hast. Zu guter Letzt ging ihm denn doch ein Licht auf, und vor lauter Scham, daß er sich so hatte zum besten halten lassen, sagte er kein Sterbenswörtchen mehr. Am meisten von allen Narrenstreichen, die er gemacht, ärgerte ihn nachträglich ein schönes Morgenständchen, das er der Witwe gebracht; dazu hatte er nämlich die ersten Musiker Italiens, Instrumentalkünstler sowohl wie Sänger, aufgeboten, und sie hatten wunderschöne neue Sachen zum besten gegeben.
Amme: Wenn du dich noch an sie erinnerst, sag mir doch ein paar davon!
Gevatterin: Ob ich mich ihrer erinnere! Möge ich mich ebensogut des Todes erinnern, der mir bevorsteht, und der Gebete, die meine Mutter mich lehrte, als ich noch ein kleines Kind war! Er sang zu seiner Laute:
Meine süße Flamme, hohe Herrin mein!
Darf ich mein Glück in deinen Zügen lesen,
Ruf ich: Ich bin im Paradies gewesen;
Nur dort ist Eden – sollt's woanders sein,
So war's ein Abbild nur von deiner Zier
Und wäre schön nur als ein Bild von dir!
Amme: Nett und kurz!
Gevatterin: Dann sangen sie aus ihren Notenheften, während ein Haufen von Menschen ringsherum stand:
Es lacht die Welt und glaubt es nicht,
Daß mir die Liebe alles Leid gebracht
Und meiner süßen Feindin alles Glück –
So fleh ich denn zu dir,
Ruchloser König der verdammten Seelen,
Und fleh zu dir, o Gott der Götter:
Schickt mir zwei Seelen auf die Welt –
Die eine aus der Hölle tiefem Schlund,
Wo Glut und Frost und Ungeheuerzahn
Mit unnennbarer Qual sie martern;
Die andre aus den Himmelsauen,
Die seligste der Engelseelen!
Laß die verdammte eine Stunde bei mir weilen,
Die selige bei ihr –
Fürwahr! vor meinem Jammer würde fliehn
Die Höllenseele und zu jedem sagen:
›Ich leide mindre Qual um meine Sünden!‹
Die gute aber würde glücklich sein,
Bezaubert von dem schönen Angesicht
Der Himmelswonne ganz und gar vergessen –
Grausame Höllenbrände glühn in mir,
Seligste Paradiese blühn in ihr.
Amme: Das ist blödsinnig schön! Deine Dichter da, die Schwätzer, reden einen schönen Unsinn zusammen; sie haben ja auch immerzu 'nen Vogel.
Gevatterin: Malern und Dichtern steht das Lügen gut an; es sind nur Redensarten, wenn sie die von ihnen geliebten Frauen hoch erheben und wenn sie das Leiden, das ihnen die Liebe bringt, ein bißchen übertreiben.
Amme: Einen Strick her! Und bindet mir Maler, Bildhauer und Dichter zusammen, denn verrückt sind sie alle.
Gevatterin: Die Maler und die Bildhauer – mit Baccinos Verlaub – sind mit Absicht verrückt; denn warum? sie nehmen ja ihre eigene Seele und hauchen sie Bildern und Marmelblöcken ein.
Amme: Ebendrum sollte man sie binden.
Gevatterin: Wir kommen von unserm Ständchen ab! Weiter trällerten sie:
Augen!
Für euch, euch, euch will ich sterben,
Ihr, ihr, ihr seid mein Tod!
Amme: Na ja!
Gevatterin: Und zum Schluß sang einer zum Preise gewisser Augen:
Wenn doch die Sonne uns in unsre Nacht
So strahlend schiene wie deiner Augen Pracht!
Ich will dir alles bis ins kleinste erzählen, denn ohne allen Zweifel muß die Kupplerin manchmal 'ner Spinne gleichen: Wenn einmal ihre Pläne ihr mißlingen, so muß sie von vorne anfangen, gerade wie die Spinne ihr zerrissenes Netz ausbessert. Und wie die Spinne einen ganzen Tag geduldig wartet, um eine Fliege zu fangen, so muß auch die Kupplerin ruhig und unbeweglich lauern, um einen zu erwischen. Sobald sie die günstige Gelegenheit erkennt, stürzt sie sich auf ihren Vorteil, gerade wie die Spinne über das Tierchen herfällt, das in ihr Netz geraten ist; und wenn die Jagd auch nur geringe Beute bringt – tut nichts! Wenn's auch nur ein einziger Mundvoll ist, so ist's genug. Und wenn die Kupplerin sich mal irgendwo einquartiert, weil einer so dumm ist, sie bei sich aufzunehmen, so saugt sie dem Geldbeutel das Blut aus, wie die Spinne die von ihr gefangenen Fliegen aussaugt. Die Spinne liegt stets auf der Lauer, und die Kupplerin ist immer wach. Die Spinne rennt herbei, sowie nur ein Fusselchen ihr in die Maschen gerät, und die Kupplerin läuft unverzüglich, jedem zu öffnen, der bei ihr an die Tür klopft; und im Hinterhalt liegt sie stets, genau wie die Spinne.
Amme: Die Natur hat ja zwar die Dinge gemacht, die du zu deinen Gleichnissen benutzest, aber ich glaube nicht, daß sie so gut wie du solche Gleichnisse zu finden wüßte.
Gevatterin: Denk nur, was ich erst leisten würde, wenn ich mich ernstlich damit abgeben wollte!
Amme: Wenn du dich damit abgäbest, würde der Himmel sich baß verwundern!
Gevatterin: Ja, ich würde schon was zustande bringen, obwohl ich mir aus Ruhm und Namen nichts mache und nicht zu jenen ruhmredigen Weibern gehöre, denen die Straße nicht breit genug ist und die ihre Backen aufblasen wie Frau Fama. Ich bleib, in meinen Kleidern und bin zufrieden mit dem, was ich bin. Aber lassen wir nur die anderen schwatzen. Ich, meine liebe Amme, habe mein Schifflein nach Wind und Wetter gelenkt, habe niemals eine Stunde verloren und hab immer was verdient, manchmal ein bißchen, manchmal viel. Oft ging ich nachmittags bei den Bänken herum, oder im Borgo, und bis nach Sankt Peter; da nahm ich die dämlichen Fremden aufs Korn, die man so leicht erkennt wie 'ne Melone. Und hatte ich so einen bemerkt, so machte ich mich so recht einfältig an ihn ran, grüßte ihn und sagte: »Aus welcher Gegend seid Ihr, mein wackrer Herr?« Dann fragte ich ihn, wie lange er schon in Rom sei, ob er einen Protektor suche, und dergleichen Zeug, und machte mich sofort so recht vertraut mit ihm. Nachdem wir Freundschaft geschlossen, gaffte ich mit ihm zusammen die Menschenmenge an, die sich fortwährend über die Engelsbrücke bewegt. Schließlich sag ich zu ihm: »Bitte, bitte, kommt doch mit mir in meine Wohnung, ich habe mit meiner Hausfrau Abrechnung zu halten, und ich versteh mich nicht auf diese Baiocchi, diese halben und ganzen Juliusse, und ich weiß nicht, wieviel ein Kammerdukaten oder ein anderer wert ist.« Der Pinsel sagt: »Gewiß, recht gern«, trottet ahnungslos mit mir, und ich führe ihn in mein Kämmerchen, wo irgend 'ne alte Hure war, zu der ich beim Eintreten sagte: »Ruft Eure Mutter!« Das war für sie das Stichwort, und sie erwiderte: »Sie erwartet Euch im Hause ihrer Tante, und sie sagte, Ihr müßtet auf alle Fälle hingehen, denn es sei irgendeiner da, der mit Euch sprechen wollte; nachher solltet Ihr wiederkommen und die Abrechnung machen.«
Amme: Was für ein schlau angelegter Streich, was für 'ne fein eingefädelte Sache! Aber ich sehe noch nicht recht, worauf es hinauswill.
Gevatterin: »Schön!« sag ich, dreh mich zu dem Tolpatsch um und sage: »Gleich im Augenblick bin ich wieder bei Euch; nehmt unterdessen ein Frühstück.« Er guckt sich von oben bis unten das für ihn abgerichtete Füllen an und sagt: »Geht nur! ich warte gern ein ganzes Jahr, geschweige denn ein Augenblickchen.« Na, wozu soll ich den ganzen Tag erzählen! Der arme Kerl unterlag den Reizungen der Vettel und ging auf den Leim. Als er aber gehen wollte, ohne die Zeche zu bezahlen, da erhob sie ein Geschrei, nahm ihm den Mantel weg und warf ihn mit greulichen Schimpfworten zum Hause hinaus.
Amme: Hahaha! hihihi! hohoho!
Gevatterin: Jeden Tag schleppte ich auf diese Weise Leute heran, und wer keinen Heller im Sack hatte, dem wurden die Kleider vom Leibe gezogen. Auf meine Rückkehr aber konnten sie warten, bis sie schwarz wurden.
Amme: Wer nicht schwimmen kann und ohne Binsenschwimmgürtel oder ausgehöhlte Kürbisse ins tiefe Wasser geht, der ertrinkt gar bald. Dabei denk ich an solche, die sich aufs Kuppeln legen wollen, ohne zu 'ner Lehrmeisterin zu gehen.
Gevatterin: Du hast die Sache begriffen.
Amme: Wenn ich sie noch nicht begriffen habe, so glaube ich doch wenigstens, sie begriffen zu haben.
Gevatterin: Nun hör mir hübsch die folgende Geschichte an.
Amme: Kein Wörtchen sag ich mehr!
Gevatterin: Ich weiß nicht, wie's der Teufel anfing – genug, er brach der Frau eines hochgeachteten Mannes, einer berühmten Schönheit, den Hals. Sie lief weg, und man hörte niemals wieder was von ihr. Als man nun von nichts anderem als von ihrem Fortgehen sprach, da rief ich den Günstling eines großen Herrn zu mir und ließ ihn beim heiligen Grabstein schwören, daß er das, was ich ihm sagen würde, geheimhalten wollte. Er schwor. Hierauf sag ich ihm, indem ich ihm zum Zeichen der Wahrheit meine Hand gebe, die berühmte Frau, die Durchgängerin, sei in meiner Kammer, aber ganz im Dunkeln, und es werde einen Teufelslärm geben, wenn er irgend jemandem ein Wort davon entdeckte. Als er vernimmt, daß ich sie zu meiner Verfügung habe, leckt er mich ab mit seinen Liebkosungen, nennt mich Mutter, Frauchen, Schwesterchen, gnädige Frau. Und ich: Ich wollte nicht gern, daß man was davon erführe! Denn es käme nicht nur die arme Frau in Gefahr, ermordet zu werden, sondern es ginge auch mir an Hals und Kragen, Arme und Beine; ich würde gestäupt, gebrandmarkt und vielleicht sogar verbrannt.
Amme: Der Mann wird's irgend 'ner Zofe besorgen. Mich dünkt, ich seh's schon kommen.
Gevatterin: Wem sollte er's denn sonst besorgen?
Amme: Hab ich's nicht gesagt?
Gevatterin: Amme – nach vielen Zeremonien und nicht ohne ihm gute Verrichtung gewünscht zu haben, führte ich ihn in die dunkle Kammer zu dem von dir erratenen Zöfchen: Er bezahlte und stemmte sie wie ein anständiger Mann; dann bedankte er sich bei mir und lief spornstreichs zu einem Botschafter, ließ sich von dem das Wort geben und erzählte ihm die Geschichte. Der konnte sich's denn nicht verkneifen – er mußte in 'ner Verkleidung zu mir kommen und 's der Zofe besorgen; er hatte sie und kam mehr als zehnmal wieder. Und nicht nur er, sondern an die hundert Kavaliere, Offiziere und Edelleute steckten ihn ihr rein; durch diesen Streich verdiente ich mir fast alles, was ich jetzt besitze.
Amme: Sag mir – kam der Schelmenstreich raus?
Gevatterin: Ja, er kam raus.
Amme: Wie denn?
Gevatterin: Eines Morgens hatte sie zufällig ein Pfäfflein auf'm Bauch. Es war sehr kalt, und ich hatte daher eine Kohlenpfanne in die Kammer gestellt. Plötzlich flackert eine Kohle auf, Monsignore sieht das Gesicht der Schönen und erkennt, daß es nicht die Richtige ist. Er auf mich los, will mich auffressen, schimpft mich aus, daß kein gutes Haar an mir bleibt, bohrt mir zwei- oder dreimal die Finger in die Augen, um sie mir aus dem Kopf zu reißen, und versetzt mir eine derbe Tracht Faustschläge. Wenn mir nicht meine Zunge zu Hilfe gekommen wäre, wäre ich futsch. Und als nun der Streich, den ich den Leutchen gespielt, bekannt wurde, da fehlte nicht viel, so hätte mich der Mann der entflohenen Schönen in Stücke und Fetzen gehackt; denn er meinte allen Ernstes, die zweite Schande träfe ihn nicht härter als die erste. Aber wer einmal davonkommt, der kommt hundertmal davon, und aus dem Spott wurde fröhliches Lachen.
Amme: Das freut mich.
Gevatterin: Wie viele Huren und wie viele Männer habe ich nicht in meinem Leben verraten, betrogen und zum besten gehabt.
Amme: Deine Seele wird die Kosten tragen müssen.
Gevatterin: Bah! Man kann nicht zu gleicher Zeit Heilige und Kupplerin sein, und wenn die Seele in der andern Welt die Schulden des Leibes bezahlt, so kann sie dafür doch sagen: ›Wer sich einmal ein Vergnügen gönnt, braucht nicht immerfort zu warten.‹ Und dann: Zur Reue ist immer noch Zeit.
Amme: Da hast du recht.
Gevatterin: Ich habe zwanzig Hühnerschlächter, dreißig Wasserträger und fünfzig Müllergesellen mit den ersten Kurtisanen der Stadt schlafen lassen, indem ich sie für große Herren und Kavaliere ausgab, ›die Euer Ruhm herbeigezogen – wie's im Innamoramento heißt; die Wahrheit zu sagen: Sie haben auch gut dafür bezahlt. Drehen wir 's Blatt um, so hab ich auf der anderen Seite die schlumpigsten Vetteln von den höchsten Herrschaften bearbeiten lassen, indem ich ihre Häßlichkeit unter geliehenen schönen Kleidern versteckte. Und ich kann mich nicht enthalten, dir einen Streich zu erzählen, den ich zum Vorteil der betreffenden Signora und zu meinem eigenen verübte. Paß gut auf, Schwesterchen: obwohl die Kurtisane, von der ich spreche, sehr gewitzigt war, so war doch all ihr Witz mit meinem Öl und mit meinem Salz gewürzt.
Amme: Das Gegenteil zu glauben wäre unerlaubt.
Gevatterin: Es kam nach Rom ein ausländischer Kaufherr, der aber seiner Geschäfte wegen jedes Jahr acht Monate hier verweilte. Und nach Amors Willen verliebte er sich in eine von den allerersten Kurtisanen, wirklich eine famose Person, so famos, daß ich dir's gar nicht beschreiben kann. Er brannte lichterloh, und da er kein anderes Mittel zu finden wußte, so fiel er mir in die Finger, erzählte mir seinen Liebeskummer, und ich antwortete ihm auf die bekannte Art mit: ›Ich will mal sehen ... ich weiß nicht ... es könnte wohl sein ... vielleicht ... aber ...‹ – wie man eben spricht, wenn man nicht recht weiß, ob 'ne Sache zu haben sein wird. Ich geh aber doch zu ihr, spreche mit ihr, komme wieder, mach ihm Hoffnungen, zerstöre sie wieder usw. Und er gibt mir Briefe, gibt mir Sonette, und ich bringe das ganze Zeug seiner Schönen.
Amme: Immer machen Sonette oder Briefe den ersten Besuch: Warum nicht blanke Dukaten? Wenn einer nicht bloß im Dunstkreis von dieser oder jener sich das Ding reiben will, so muß er was anderes vorweisen als Papier und Verse.
Gevatterin: Was du sagst, hat Hand und Fuß; indessen Höflichkeiten sind und bleiben nun mal Höflichkeiten, und Lieder waren schon damals vielfach im Brauch; wenn eine nicht 'nen Haufen von den schönsten und neusten auswendig gewußt hätte, so hätte sie sich geschämt, und übrigens hatten die Huren ebensosehr ihr Vergnügen dran wie die Kupplerinnen. Und Nanna hier wird mich nicht Lügen strafen: Ich weiß wohl; wie manchen schönen Profit ihr ihre Lieder gebracht haben und wieviel Spaß sie 'ne Zeitlang aller Welt machte mit jenem Liede, das da lautet:
Ihr Frauen – ich hab ein Ding!
Und spielen wir das zweirückige Tier,
So habt dasselbige Ding auch ihr;
's ist weiß und hat 'nen roten Kopf,
Haare schwarz wie 'n Tintentropf,
Steht auf, sobald man's anrührt, und
Hat stets die Milch in seinem Mund.
Oft ist es groß, oft ist es klein,
Hat keine Ohren und hört doch fein –
Nun sagt, ihr lieben Frauen, mir an,
Was das wohl für ein Ding sein kann?
Amme: Ich weiß! 's ist der Schwanz!
Gevatterin: Bei der Madonna, ja – der Schwanz. Aber die Welt wird immer älter und immer jämmerlicher. Die Kurtisanen haben umlernen müssen; sie müssen was vorzustellen wissen, und die schöpft aus dem vollen, die das meiste Geschick und das meiste Glück hat, wie's die Pippa gewiß von ihrer Mutter gehört hat. Aber wieder zu unserm Kaufherrn! Nachdem ich ihn 'nen halben Monat genarrt hatte, sagte ich ihm: »Der Signora ist's recht, wenn sie's Euch recht machen kann; und denket nur nicht, sie tue es um Eures Geldes willen, denn Geld hat sie selber genug, sondern Eure Anmut, Eure stattliche Erscheinung haben's ihr angetan.« Hierauf bring ich ihm noch bei, sie werde in mein Haus kommen, denn sie könne ihn aus gewissen Rücksichten nicht in dem ihrigen empfangen. Sie kommt wirklich, und sie machen's miteinander; er hatte sie noch ein paarmal, aber immer ganz heimlich. Er machte ihr schöne Geschenke, denn er glaubte steif und fest, sie wäre in ihn ganz verschossen und deshalb käme sie in mein Häuschen, zugleich auch, damit der vornehme Herr, der sie aushielte, nichts davon merkte. Diesen Umstand hatte ich zu erwähnen vergessen. Der Kaufherr setzte ihr mit Bitten, Schwüren und Geschenken dermaßen zu, daß sie schließlich nicht umhinkonnte, zwei Nächte in meinem Bettchen mit ihm zu schlafen. Sie war ja an Federbetten, Matratzen, leinene Bettücher, seidene Decken und Samtvorhänge gewöhnt. Aber sie umarmte ihn und sagte: »Die Liebe, die ich für Euch im Herzen trage, bewirkt, daß ich in einem Bett schlafe, worin meine geringste Magd nicht schlafen würde, aber die Dornen, ja die Dornen erscheinen mir weich, wenn Ihr dabei seid.« Dann gab sie ihm 'nen Schmatz und fuhr fort: »Die nächste Nacht, hab ich beschlossen, sollt Ihr in meinem schlafen; was ist denn auch dabei, wenn's wirklich zu meinem Schaden ausschlägt?«
Amme: Die Lunte hat schon Feuer gefangen, gleich wird der Schuß losgehn.
Gevatterin: Wie er dies Versprechen hört, schickt der ungeduldige Liebhaber ihr ein feines Abendessen: Fasanen und solche Sachen. Mit dem Glockenschlag eins betritt er ihr Haus, steigt beim Scheine einer weißen Wachsfackel die Treppe hinauf und tritt in den Saal. ›Ah!‹ denkt er, ›der ist fein eingerichtet! der ist schön groß!‹ In ihre Kammer geführt, ist er ganz erstaunt über den kostbaren Schmuck derselben, und er sagt bei sich selber: »Wie kann ich ihr die Unbequemlichkeit bezahlen, die sie um meinetwillen hat erdulden müssen, indem sie in jenem jämmerlichen Bettchen bei mir schlief?« Um's kurz zu machen: Sie speisten zu Abend und gingen dann zur Ruhe, und als sie kaum die Kerze gelöscht hatten, oder vielmehr gerade in dem Moment, wo sie die Augen zum ersten Schlummer schlossen – bums, da fliegt ein Ziegelstein durchs Zimmer und schmeißt alles in Scherben; sie klammert sich an ihn und sagt: »Ach! ach!« Auf einmal wird die Bettdecke weggezogen; sie liegen beinahe nackt, und als sie die Decke wieder an sich ziehen will, da hören sie ein lautes Gelächter. Der Kaufmann sagt ganz ängstlich zu ihr: »Sollten das Geister sein!«
Amme: Das dachte ich mir.
Gevatterin: »Wahrhaftig, ja, mein geliebter Herr«, antwortete sie. »Außer dem hohen Herrn, dem ich alles verdanke, was ich habe, und der es nicht leiden kann, daß bloß 'ne Fliege mich ansieht, so daß ich mir die Zeit förmlich stehlen muß, um Euch zu Gefallen zu sein – außer diesem Herrn verfolgt mich auch noch der Geist eines früheren Liebhabers, eines armen Burschen, der sich um meinetwillen aufhängte, und immer, immer, wenn ich mit jemandem schlafe, spielt er mir solche Possen, wie du eben erlebt hast; wenn ich allein schlafe, verhält er sich ganz ruhig.« In diesem Augenblick fängt eine von ihren Zofen, die unterm Bett versteckt liegt, wieder an, ihnen die Decke wegzuziehen und laut zu lachen.
Amme: O Gott, was für 'ne köstliche Spitzbüberei!
Gevatterin: Als er sie so sprechen hörte, da wirkten die Scherze der Zofe, und der Kaufmann geriet ganz aus dem Häuschen. Und wenn sie ihm nicht Mut eingesprochen hätte, so hätte man ihn an den Pfeiler Gemeint ist der Kirchenpfeiler, an den bei Teufelsaustreibungen die Besessenen gefesselt werden. binden müssen. Als er am Morgen aufgestanden war, ließ er Kammer, Saal, Küche, Weinkeller, Holzboden, Dach und jedes Winkelchen im Haus bekreuzigen und besegnen, dann ging er zu einem Priester, dem saubersten, den er finden konnte, gab ihm einen Dukaten und sagte ihm: »Leset die Messe des heiligen Gregor für die Seelenruhe des Geistes, der in dem Hause der Signora Soundso spukt!«
Amme: Hahaha!
Gevatterin: Der saudumme Kerl, der den Klugen und Weisen spielte, ließ sich's in den Kopf setzen, der Geist hätte noch niemals so tolle Sachen getrieben, wie in jener Nacht, wo er bei ihr geschlafen; das käme davon, weil sie noch niemals einen so von Herzen geliebt hätte wie ihn.
Amme: Schafskopf!
Gevatterin: Das schönste dabei ist, daß das Kamel überall die Geschichte von dem Geist erzählte. Als man ihn auslachte, weil er an solchen Firlefanz glaubte, wollte er alle Ungläubigen vor seine Klinge fordern.
Amme: Aalhautverkäufer!
Gevatterin: Er war reich, der Nudelschlucker.
Amme: Um so schlimmer.
Gevatterin: Wenn ich mich recht erinnere, versprach ich dir zu erzählen, wie die Huren uns die Ehre wiedergeben, die sie sich angemaßt haben.
Amme: Du sagtest mir so was von 'nem Vortritt.
Gevatterin: Wenn die Huren, die uns so geringschätzig behandeln, uns nötig haben, weil sie ohne einen nicht sein können, weil sie sterbensverliebt sind, so gehen sie uns entgegen, führen uns in die Kammer, setzen uns obenan, Ihrzen uns, empfehlen sich uns, versprechen uns goldene Berge, machen uns Geschenke, küssen uns; das wenigste ist, daß sie uns sagen: »Ihr seid meine Hoffnung. Unser Leben liegt in Eurer Hand.« Und wir dummen Trinen, wir werfen uns ihnen an den Hals. Aber wir müssen darin anders werden, wir dürfen nicht immer so fix bei der Hand sein; und wenn sie vor Kummer hinsiechen und vor Sehnsucht vergehen – laß sie vergehen! Wir müssen ihnen nicht immer gleich in allem helfen, und wenn wir ihnen helfen, so sollen sie's uns nach dem Wert bezahlen und sollen uns den Rang wiedergeben, der uns gebührt. Ich kenne keinen Mann – ich meine, unter den hohen Herren und Fürsten –, der nicht von Tische, ja sogar von einer Beratung über Staatsangelegenheiten aufstände, sobald man ihm meldet, daß die Kupplerin da ist; sie schließen sich mit uns unter vier Augen ein, behandeln uns auf vertrautem Fuß und geben uns sogar den Vortritt.
Amme: Ich gäbe keinen Heller für deinen Vortritt.
Gevatterin: Du bist dumm! Ich habe Leute sich prügeln sehen, um den Platz neben der Kanzel des Universitätsrektors zu kriegen; und wenn der Papst im päpstlichen Ornat daherschreitet, da verteidigt ein jeder, der was ist, den Platz, der ihm zukommt: die Kämmerer sind mehr als die Reitknechte, die Reitknechte mehr als die Stallknechte und die Stallknechte mehr als die Wasserer. Welche Mühe kostet's einem nicht, aus dem Sire ein Messire zu werden und aus dem Messire ein Signore! Alles muß in der richtigen Ordnung vor sich gehen: Drum gibt's Edeldamen, Bürgersfrauen und gewöhnliche Weiber, und wenn sie miteinander gehen oder beisammensitzen müssen, so kriegt die Edeldame den Platz in der Mitte, die Bürgersfrau den zur Rechten, das gewöhnliche Weib den zur Linken. Darum hat die Kupplerin ganz recht; und wenn so ein Prozeß nicht die Parteien mager und die Anwälte und Sachwalter fett machte, so würde ich mit jeder Hure um den Vortritt prozessieren. Bloß weil die vom Gericht solche Gauner sind, verhalt ich mich ruhig.
Amme: Prozeß führen, he? Geben ist seliger denn nehmen.
Gevatterin: Von der gewissenhaften Frömmigkeit einer Kupplerin hab ich dir noch nicht gesprochen; wahrhaftig, nein: Ich hab dir noch nichts darüber gesagt.
Amme: Nein.
Gevatterin: Heuchelei und äußere Frömmigkeit sind die Vergoldungen unserer Schlechtigkeit. Sieh mal – da komm ich bei 'ner Kirche vorbei; flugs tret ich ein, benetze mir die Fingerspitze mit dem geweihten Wasser und mache mir ein Kreuz auf die Stirn, sag dazu ein Pater und ein Ave und geh meiner Wege. Ich seh ein Heiligenbild auf der Straße, nehme ein ›Bekenne deine Schuld!‹ in den Mund, schlag ein Kreuz und geh weiter. Den Priestern mach ich 'nen Knix, brech ein Lichtstümpfchen in zwei Teile und gebe den einen als Almosen, dazu zwei Happen Brot, einen Heller und ein Zwiebelchen obendrein. Immer hab ich ein Säckchen am Arm; da hab ich manchmal zwanzig getrocknete Feigen drin, manchmal zehn halbe von Würmern zerfressene Nüsse, manchmal drei Knoblauchzehen, ein paar Spindeln, Brotkrusten oder alte Schuhe. Immer habe ich kleine Kerzen oder Agnus Dei in der Hand, manchmal drehe ich, während ich meiner Straße ziehe, 'nen Beichtzettel zwischen den Fingern oder bete meinen Rosenkranz ab; wenn irgend jemand zur Erde fällt, lauf ich herzu, um ihn aufzuheben; wenn jemand mich nach den Feiertagen fragt, sag ich Bescheid, gebe 'nen geschriebenen Vers, wonach man den Sankt-Pauls-Tag berechnen kann, zum Beispiel:
Wenn 'ne Sonne oder 'n Sönnchen scheint,
Sind wir mitten im Winter drein;
Wenn's blitzt oder wenn der Regen braust,
Sind wir aus dem Winter raus;
Wenn dicker oder dünner Nebel steigt,
gibt's ein gutes Jahr oder teure Zeit.
Des Schlusses erinnere ich mich nicht mehr; es ist schon so lange her, daß ich die Verse hergesagt habe ... Und gar in der heiligen Woche – da hättest du mich sehen sollen, wie ich überall hinlief mit meinem Korb voll allerlei Sachen, ohne jemals in die Kirche zu spucken; wie ich, die angezündete Kerze neben mir und den Ölzweig in der Hand, die ganze Passionspredigt anhörte, wie mir im Augenblick, wo ich das Kreuz küßte, die lang verhaltenen Tränen sanft über die Wangen strömten. Am heiligen Samstag blieb ich während der ganzen Messe stehen; und wenn die Leidensgeschichte verlesen wurde, begleitete ich den Mönch mit meinem Geschrei, das ich ausstieß, indem ich wie 'ne echte Kirchenbankrutscherin mich mit den Fäusten vor die Brust schlug. Einen großen Namen machte ich mir durch 'ne Komödie, die ich spielte.
Amme: Wieso durch 'ne Komödie?
Gevatterin: Eines Tages komme ich auf meinen Gängen zufällig durch 'ne Straße, in welcher etwa zwölf Weiber mit Baumwollezupfen beschäftigt waren. Ich begrüße sie, mach ihnen 'nen Knix, und sie laden mich ein, bei ihnen Platz zu nehmen. Sie fragen mich, was für Geschäfte ich betreibe, und ich binde ihnen den schönsten Bären auf. Ich erzähl ihnen von einem Gevatter, der mir versprochen habe, er wolle mich nach seinem Tode besuchen, und der wirklich gekommen sei und mir gar keine Angst gemacht habe; eine Hexe, erzählte ich ihnen, habe mich nicht nur nach dem Nußbaum mitgenommen, sondern wäre sogar mit mir durch Flüsse und über Meere weg gegangen, ohne daß wir uns je die Sohlen naß gemacht hätten. Ich erzählte ihnen, wie man am Epiphaniastag die Sprache der Tiere verstehen könnte und was es mit Kreuzwegen auf sich hätte; auch gab ich allen diesen Weibern Ratschläge und Lehren und sogar Heilmittel gegen den Jähzorn, und als ich schließlich aufstand, um weiterzugehen, ließ ich wie von ungefähr ein Stück Zeug fallen, worin eine Geißel eingewickelt war; und als sie diese sahen, da hielten mich alle diese Weiber nicht bloß für eine Sanctificetur und Halleluja, sondern geradezu für ein Magnifikat.
Amme: Die Welt gehört den Heuchlern.
Gevatterin: Sie gehört ihnen und wird ihnen immer gehören. Wenn du sie alle betrügen willst, brauchst du nur Frömmigkeit zu heucheln wissen. Lauf in die Messe, lauf in die Vespern, lauf in die Kompleten und rutsche da schöne Stunden lang auf den Knien herum. Selbst wenn mancher nicht daran glaubt, so ist doch Preis und Glorie dein. Wie viele Frauen ich nicht kenne, die stets in Sackleinen gekleidet gehen, Fasten halten, Almosen geben und dabei alles mitnehmen, was sie kriegen können! Und wie viele Ablaßschlucker hab ich nicht gesehen, die dem Suff, der Sodomiterei, der Hurerei ergeben sind! Aber weil sie den Hals zu verdrehen wissen, weil sie geloben, kein Störfleisch zu essen und kein Rindfleisch, das mehr als drei Soldi das Pfund kostet, so beherrschen sie Rom und die Romagna. Darum ist eine gute katholische Kupplerin ein Karneolstein, der von jedermann als kostbares Juwel geschätzt wird.
Amme: Wer dir nicht glaubt, ist ein Ketzer.
Gevatterin: Nun zu der Art, wie man Schule halten muß.
Amme: Wozu denn Schule halten?
Gevatterin: Das ist zu mancherlei gut: Es vertreibt dir die Zeit, verschafft dir eine angesehene Stellung, und du pickst gar manches Profitchen. Früher – jetzt nicht – konnte ich dir fünfzehn bis sechzehn Mädels zeigen, die ich unter meinem Kommando hatte; die lehrte ich die Brote zählen, die aus dem Ofen kommen, die frischgewaschenen Bettücher zusammenzulegen, Verbeugungen zu machen, die Tafel zu decken, das Tischgebet zu sprechen, einer Dame oder einem Herrn zu antworten, sich zu bekreuzigen, sich hinzuknien, die Nadel richtig in der Hand zu halten, und was sonst noch derlei Künste von kleinen Mädchen sind.
Amme: Welch eine Frau!
Gevatterin: Ich richtete Kinder ab, gab Erwachsenen den letzten Schliff. Aber wo laß ich denn die Mägde? Deren hatte ich immer fünf oder sechs auf Lager, und nachdem ich ihnen den Saft abgezogen hatte, indem ich sie von gar manchem probieren ließ, verhandelte ich sie dem einen als Adoptivtöchter, dem andern als Jungfern, dem dritten als abgefeimte Freudenmädchen – je nach dem Geschmack des Kunden. Wenn sie später mein Haus verließen, gab ich ihnen gute Ratschläge und Ermahnungen, wie's eine Mutter nicht besser könnte; vor allem schärfte ich ihnen ein, zum Lebenswandel ihrer Herrinnen die Augen zu schließen. »Seid verschwiegen!« sagte ich ihnen, indem ich sie auf die Seite nahm, »denn wenn ihr verschwiegen zu sein wißt, so werden sie eure Dienerinnen, und ihr werdet ihre Herrinnen; euch gehört ihr Bett, ihr Hemd, ihr Brot, ihr Wein, und ihr werdet immer den süßen zu trinken kriegen, der so sanft die Kehle herunterläuft.«
Amme: Du sagtest ihnen die reine Wahrheit.
Gevatterin: Jetzt macht mein Gehirn einen Luftsprung, und ich komme zu einem dicken Mönch, einem fetten, pausbäckigen, mit einer runden Tonsur, der stets in das allerfeinste Tuch gekleidet ging. Er suchte mich zur Freundin zu gewinnen und gewann mich auch, denn um mich zu gewinnen, machte er mir allerlei Geschenkchen : kunstvoll geflochtene Bändchen, Salatkräuter, Pflaumen und was weiß ich sonst für Mönchsschleckereien. Wenn er mich in der Kirche sah, ließ er jeden stehen und kam auf mich zu: Ich sah wohl, auf welchem Fuß mein Gaul lahmte, aber ich spielte immer die in Reue Zerknirschte, die in allen möglichen Kasteiungen des Leibes das Heil der Seele sucht. Zu guter Letzt entdeckte er sich mir, weihte mich in seine Liebesgelüste ein und bat mich, für ihn eine Botschaft zu besorgen – eine Botschaft, die sogar einen Botschafter bedenklich gemacht hätte, der doch für das, was er sagt, keine eigene Verantwortung zu tragen hat.
Amme: So? gefällt denn auch den Mönchen der Webertritt?
Gevatterin: Ja, sie finden sogar alles gut, einerlei, in welcher Soße es aufgetragen wird.
Amme: Beim Feuer des San Bano, das mit Steinen gelöscht wurde!
Gevatterin: Ich konnte der väterlichen Väterlichkeit des guten Vaters nicht widerstehen, und als er mir sein Herz ausschüttete, da sagte ich ihm: »Seid unbesorgt, ich tue für Euch mehr, als genügt, und morgen früh steh ich Euch zur Verfügung.« Damit laß ich ihn stehen und gehe fort, um allein über die Sache nachzudenken – wie ich nämlich seiner Seele die hundert Dukaten entlocken konnte, nach denen mir schon oft, gar oft der Mund wäßrig war; darum hatte ich's denn eilig, seine Wünsche zu erfüllen; und ich brauchte nicht lange zu angeln, um das gewünschte Mittelchen zu fangen.
Amme: Kannst du mir sagen, wie du's geangelt hast?
Gevatterin: Du kannst dir's wohl denken.
Amme: Bitte, sag's doch nur!
Gevatterin: Ich warf meine Gedanken auf ein Saumensch, die an Länge und an Dicke ihrer feisten Glieder der von Seiner Ehrwürden begehrten Matrone so ziemlich ähnelte – das heißt: im Dunkeln. Aber was alles Übrige anbelangt, so hätte der Teufel selber sie nicht beschnuppern mögen. Sie hatte den Troßknechten der Spanier und Deutschen den Appetit gestillt, als sie in Rom den schönen Spektakel machten; die Belagerer von Florenz hatten sich an ihr ergötzt und dazu alles, was innerhalb und außerhalb Mailands ein Bein rühren konnte. Nun kannst du dir denken, was eine, die sich im Kriege so wacker hielt, in Friedenszeiten für Heldentaten in den Ställen, Garküchen und Bierschenken verrichtete. Aber ihre Schönheiten machten wieder gut, was ihr an jungfräulicher Frische abging. Zwei Augen hatte sie jenen zum Trotz, von denen es im Liede heißt:
Zwei lebendige Sonnen ...
denn die ihrigen konnte man zwei tote Monde nennen.
Amme: Warum? Trieften sie?
Gevatterin: Das will ich meinen, bei der Madonna! Außerdem sprang an ihrer Kehle ein ganz fürchterlicher Kropf hervor, und man sagte, in diesem Kropf verwahre Cupido den Rost der Pfeile, die er bei einem mir nicht näher bekannten Schmied, seinem Stiefvater, schleifen lasse; ihre Brüste glichen Bahren, auf denen Amor die in seinem Dienste erkrankten Liebhaber ins Spital schaffen läßt.
Amme: Hör mir auf von ihr!
Gevatterin: Ich bin schon fertig. Aber ich muß dir doch weiter von dem Mönch erzählen. Der kam in der Tracht eines Schwadronsrittmeisters um die ihm von mir genannte Stunde in mein Haus. Und da er noch drei Stunden zu warten hatte, so begann er in einem Büchlein zu lesen, das ich ihm zum Zeitvertreib reichte. Gleich, als er's aufschlug, fiel sein Blick auf ein Liedchen, das er mit lauter Stimme las:
Mein gutes Frauchen, Gott befohlen!
Wenn ich's Euch noch mal mache, soll mich der Deubel holen.
Denn ich sag's Euch frei heraus: um Eure Grotte
Tanzt die Filzlaus mit dem Liebesgotte;
Außerdem ist Euer Arschloch so riesig weit,
Es versänken drin alle Männer unsrer Zeit.
Und dir, Amor, muß ich's klagen:
Sie stinkt an den Füßen so sehr wie aus dem Magen.
... Drum, mein gutes Frauchen, Gott befohlen –
Wenn ich's Euch noch mal mache, soll mich der Teufel holen!
Als er das gelesen hatte, lachte er, daß ihm der Bauch wackelte, und da er glaubte, daß ich lachte, weil er lachte, so legte er mit verdoppeltem Hahaha los; er merkte nicht, daß die Gevatterin sich vor Lachen die Kinnlade verrenkte, weil das Weibsstück, woran er sich erlustigen sollte, auf ein Haar dem in dem Liede besungenen Frauenzimmer glich.
Amme: Oh! die Geschichte ist gut!
Gevatterin: Der Mönch schlägt das Blatt um und liest singend weiter:
Frauchen, ich sag's Euch mit offenem Sinn:
Ich lieb Euch, weil ich ein armes Luder bin.
Aber müßt ich bezahlen mit 'nem Heller jeden Schritt:
Na, da würdet Ihr mich – ich mag nicht lügen –
Im Monat höchstens einmal zu sehen kriegen.
Oh – Ihr kommt mir damit:
Ich hab Euch gesagt, daß die Liebesglut
Mich mit langsamem Feuer verzehren tut.
Ja, gesagt hab ich's – aber das war bloß Quatsch,
Und, bitt schön, gebt doch nichts auf solchen Tratsch!
Und so weiter, bis das Lied zu Ende war; diesen Schluß hab ich aber über wichtigeren Angelegenheiten inzwischen vergessen.
Amme: Schade, das Lied muß einen gar schönen Schluß haben!
Gevatterin: Ganz gewiß hat es den. Hierauf las er ein schrecklich schönes Gedicht, das zum Preis einer gewissen Signora Angela Zaffetta zugleich Heldin eines sehr bekannten Gedichtchens von Lorenzo Veniero, dem Freund und Schüler Aretinos verfaßt ist und das ich selber manchmal vor mich hin summe, wenn ich nichts Besseres zu tun habe oder wenn ich Kummer habe.
Amme: Was? Kann man Kummer und Sorgen mit Singen vertreiben?
Gevatterin: Ich will dir was sagen, Amme. Wer um Mitternacht über einen Kirchhof geht, der singt, um seiner Furcht Mut zu machen, und wer in ähnlicher Weise in seinen Sorgen ein Liedchen summt, der tut's, um seinen Kummer zu vergessen.
Amme: Niemals, niemals wird's wieder solch eine Gevatterin geben! Mag dagegen anbellen, wer will, sei's aus Neid oder aus sonst 'nem Grunde: So ist's!
Gevatterin: Höre jetzt, was der Mönch weiter las:
Wißt ihr, was in der Hölle Schlund
Die armen Seelen zwackt und quält?
Nicht, daß die Himmelswonne ihnen fehlt,
Macht naß ihr Äug und trocken ihren Mund.
Nur daß sie Angela nicht mehr erblicken,
An ihrer Schönheit nicht mehr sich erquicken,
An ihrer Lieblichkeit nicht mehr sich weiden,
Das ist ihr Höllenschmerz, ihr Höllenleiden.
Doch sähen sie das Engelsangesicht,
Die Holdgestalt der schönen Angela –
Sie fühlten sich der Gnadensonne nah
Und tauschten mit dem Paradiese nicht.
Amme: Oh, wie schön! wie trefflich! wie galant! Wahrhaftig, die Frau, auf die dies Gedicht gemacht wurde, die kann sich was einbilden, obwohl Lobpreisungen nicht satt machen.
Gevatterin: Sie machen satt und auch nicht satt. Der Mönch las es dreimal hintereinander, dann begann er das folgende:
Ich sterbe, Geliebte, und schweige dazu.
Oh! Frage den Gott der Liebe du,
Ob ich nicht Glut bin und du kaltes Eis ...
Dies Gedicht las er nicht zu Ende, weil der Rest des Blattes abgerissen war; da aber sein Blick auf ein anderes schön geschriebenes fiel, wollte er auch dieses lesen, und ich konnte ihm nicht schnell genug das Buch aus der Hand reißen. Ich möchte dir auch dieses Gedicht wohl hersagen und möchte es doch wieder nicht.
Amme: Sag mir's nur – auf meine Verantwortung.
Gevatterin:
Oh, wenn es sein darf, Gott der Liebe,
Verteile auf die Herzen andrer Menschen
Das Weh, das du auf mich allein gehäuft!
Geist, Seele, Sinne,
Sie fühlen all die Martern mit,
Womit so grausam du mein Fleisch gegeißelt.
In meiner ungeheuren Todespein,
Die ich an deinem Kreuze leide,
Sei mir mit deiner Gnade nah!
Doch nicht um Schonung bitt ich dich, o Herr,
In meiner bittren Qual:
Als Liebender will ich den Tod bestehn!
Mag auch der Schmerz
Mir meine schwachen Glieder lösen –
Amen! Dein Wille geschehe!
Amme: Dieses Lied ist auch in Musik gesetzt worden und handelt von der göttlichen Liebe; so sagt der Meister, der, als er noch ein Schüler war, dieses sowie die anderen dichtete, die du hergesagt hast und noch hersagen wirst.
Gevatterin: Die ›Geißel der Fürsten‹ dichtete es, als er noch in der zartesten Jugendblüte stand ... In diesem Augenblick hört der Mönch an die Tür klopfen, wirft das Buch weg und läuft in die Kammer. Ich öffne: Das Saumensch ist da. Ich fasse sie an der Hand und führe sie zu ihm, ohne ihr auch nur Zeit zum Verschnaufen zu lassen. Dann zieh ich die Kammertür hinter mir zu und warte ein Augenblickchen, da höre ich auch schon ein Tick-tack-tock! – Das unverschämteste Geballere, womit jemals ein Genasführter an die Tür einer Kupplerin oder Hure geklopft hat.
Amme: Wer klopfte denn so laut?
Gevatterin: Das waren einige von meinen Halunken.
Amme: Oh! Aber warum denn?
Gevatterin: In meinem Auftrag.
Amme: Ich verstehe nicht.
Gevatterin: Ich hatte das Saumensch von etwa dreizehn von meinen Halsabschneidern begleiten lassen; denen hatte ich befohlen, sie sollten ein Augenblickchen warten und dann mit aller Macht klopfen.
Amme: Und warum?
Gevatterin: Darum! Sobald ich das Klopfen höre, geb ich dem Mönch 'nen Wink und sage zu ihm: »Versteckt Euch unterm Bett! Schnell, und ohne Lärm! O weh – wir sind entehrt! der Bargello mit all seinen Leuten hinter sich begehrt Einlaß und will Euch festnehmen. Hatte ich Euch nicht gewarnt, Ihr solltet im Kloster nichts davon sagen? Weiß ich nicht, wie's die Mönche immer machen? Kenn ich nicht den Neid, der Euch alle verzehrt – kenn ich ihn nicht?« Der Mönch fiel um wie 'n Toter, und sein Mannesmut sank ihm in den Hosenboden; er wußte nicht, was er machen sollte, glaubte, unters Bett zu kriechen, und setzte das Knie auf die Fensterbrüstung; hätt ich ihn nicht festgehalten, so wäre er rausgepurzelt.
Amme: Haha!
Gevatterin: Wie ein Spitzbube, der beim Mausen erwischt ist, so sahen Seine Hochwürden aus. Dabei wurde fortwährend gegen die Tür geballert, und mit wütenden Flüchen schrie man mir zu: »Mach auf, mach auf, alte Hexe, oder wir schlagen dir die Tür ein!« Ich zittere und bebe und sage mit einem Gesicht, gelb wie 'n Pfannkuchen: »Wenn wir sie mit Geld zur Ruhe bringen könnten!« – »Oh, wenn das doch ginge!« antwortete das dicke Schwein. – »Wir können's ja versuchen«, sag ich. Er hätte ja gern die ganze Suppe drum gegeben, die er bis an sein Lebensende noch essen sollte; so gibt er mir denn zwanzig Dukaten, und ich lauf ans Fenster und sage leise: »Herr Hauptmann! mein verehrter Herr! ich bitte um Gnade vor Recht! Wir sind ja alle von Fleisch und Bein – darum entehrt nicht den hochwürdigen Vater vorm Senator und Ordensgeneral...«
Amme: Ich bin ganz außer mir, wenn ich dich so erzählen höre.
Gevatterin: »Macht euch einen guten Tag mit diesen Dukaten!« Und damit werf ich ihnen ein paar runter zum Vertrinken, stecke die anderen in den Sack und danke dem Komödienbargello. Der sagt zu mir: »Eure Güte, Eure Liebenswürdigkeit, Eure Tüchtigkeit, Gevatterin, haben ihn davor bewahrt, die Mitra auf den Kopf zu kriegen.« Ich werde nun wieder ganz munter, hole den armen Mönch aus dem Versteck heraus, in das er sich hatte verkriechen müssen, und sag zu ihm: »Ihr seid wahrhaftig mit einem blauen Auge davongekommen, denn wenn man sich's überlegt, ist die Sache noch recht gut gegangen – abgesehen von den Dukaten; aber an denen wird's Euch ja niemals fehlen.« Amme, er wollte den Herzhaften spielen und trotz alledem die Stute besteigen – aber wenn man ihm Stützpfosten unters Ding gestellt hätte, es hätte ihm nicht mehr gestanden. Und so ging er denn sündenlos von dannen. Dem Saumensch gab ich fünf Juliusse, womit sie sehr zufrieden war, und mein Schmerbauch sprach mit mir niemals wieder ein Wörtchen von Liebessachen oder sonstwas.
Amme: Sein Pech!
Gevatterin: Es war mal ein Eifersüchtiger; der verfluchteste eigensinnigste Bock, den's je gegeben hat. Nachts verriegelte er nicht nur die Kammer, sondern sogar das Fenster des Alkovens, des Saals und der Küche, und er wäre ums Leben nicht schlafen gegangen, ohne erst überm und unterm Bett nachzusehen. Er guckte in die Schränke und sogar in den Abtritt, traute keinem Verwandten, keinem Freunde und wollte sein Liebchen, das er sich zu seinem Vergnügen hielt, nicht mal mit seiner Mutter sprechen lassen. Wenn irgend jemand bei seiner Wohnung vorüberging, geriet er schon außer sich vor Wut: »Was ist denn das für ein Kerl? Was ist denn das für ein Weib?« Wenn er aus dem Hause ging, schloß und riegelte er sie ein und drückte sein Siegel aufs Schlüsselloch, um zu sehen, ob ihn jemand hinterginge. Kein Bettler, keine Bettlerin klopften bei ihm an die Tür, denn sofort fuhr er sie an: »Packt euch, Kuppler! Packt euch, Kupplerinnen!« ... Wie ich dir gesagt habe, weiß ich mit Worten jedermann zu bezaubern, zu heilen, von den Toten aufzuwecken; ich lege mich auf die Lauer, um auszuspähen, ob nicht dieser Eifersüchtige eine schwache Stelle habe; und richtig: Ich finde, daß gar oft ihn ein Zahn ganz fürchterlich peinigt. Darauf bau ich meinen Plan und sage zu einem, der ganz krank vor Liebe zu der Eingesperrten war: »Nur nicht verzweifeln!«
Amme: Du stärkst mir das Herz mit der bloßen Erzählung, wie du jenem das Herz gestärkt hast.
Gevatterin: Nachdem ich dem verzagten Liebhaber Mut gemacht, schick ich einen von meinen Taugenichtsen, der dem Eifersüchtigen unbekannt war, vor dessen Tür, ich meine vor das Haus, worin er sein junges Liebchen eingeschlossen hielt; ich hatte ihm gesagt, wenn er Leute in der Nähe sähe, sollte er tun, als ob er die Krämpfe kriegte; und sobald er wieder zu sich gekommen wäre, sollt er schreien: »Ich werde verrückt! ich sterbe vor Zahnweh!« Er machte es so, warf sich zu Boden, schrie und schlug wütend um sich; mehr als dreißig Menschen standen um ihn herum und bedauerten ihn in seinen Schmerzen; von dem Lärm angelockt, erschien auch die kleine Frau auf dem Balkon, obwohl ihr streng verboten war, sich am Fenster oder an der Tür sehen zu lassen. In diesem Augenblick komm ich vorüber, sehe den Mann auf der Erde liegen, frage, was los sei, und sage, als ich höre, daß ihn das Zahnweh martert: »Macht mir mal Platz! Sei unbesorgt, ich werde dich heilen. Sperr den Mund auf!« Der Kerl macht den Mund auf und stupft mit dem Finger an den bösen Zahn; ich lege zwei Stückchen von 'nem Strohhalm kreuzweise drüber, brummele ein Gebet und laß ihn dreimal das Credo sagen. Verschwunden sind seine Schmerzen! Ein jeder staunt über das Mirakel, und als ich gehe, hab ich 'nen Schwarm von Kindern hinter mir, die in ihrer kindlichen Einfalt überall die Geschichte vom geheilten Zahnweh erzählen.
Amme: Warum schreibt nur nicht einer diese Geschichte auf und läßt sie drucken?
Gevatterin: Während ich nach Hause gehe, erscheint der Eifersüchtige, sieht vor seiner Tür hier ein Häufchen Leute und da ein Häufchen Leute, die miteinander schwatzen, und denkt sich gleich: ›Da ist irgendein Unheil geschehen!‹ Als er aber die Geschichte vernimmt, läuft er zu seiner Schönen, der hinter Schloß und Riegel Gehaltenen, und fragt sie: »Hast du gesehen, wie der Zahn geheilt wurde?« – »Was für 'n Zahn?« antwortet sie. »Seitdem ich Euch angehöre, habe ich nicht mal mehr an die frische Luft gedacht, geschweige denn an Leute, die auf der Straße grölen; wenn ich Euch nur sehe, so sehe ich alles, was mich freut.« Der mißtrauische Herr erzählt ihr die Geschichte und kommt darauf zu mir, zeigt mir den schlechten Zahn, der ihm den Atem verpestet, und ich seh ihn mir an; und nachdem ich ihn mir angesehen, sag ich: »Ich möchte dem Schutzheiligen der Zähne nicht ins Gehege kommen, denn da würde ich mir ein Gewissen draus machen; indessen ich könnte Euren Mund wohl von dieser Unannehmlichkeit befreien. Aber wo wohnt Ihr?« Und je mehr er sich bemühte, mir begreiflich zu machen, wo er wohnte, desto dummer stellte ich mich; endlich nahm er mich selber mit sich, und ich reichte der Schönen die Hand, um sie zur Liebe des Et cetera zu bekehren.
Amme: Du gingst infolge dieses schlauen Streiches in seinem Hause aus und ein. Weiter brauchst du mir nichts zu sagen.
Gevatterin: Höre nur die Geschichte zu Ende; ich bin gleich fertig.
Amme: Erzähle nur.
Gevatterin: Ich hatte Zeit genug und übergenug, um dem Frauchen einen Floh ins Ohr zu setzen, daß es doch zum Sterben sei, fortwährend hinter Schloß und Riegel zu sitzen und einem solchen langweiligen Ekel zu Willen sein zu müssen. Und da sie durchaus nicht zu den Unvernünftigen gehörte, so hielt sie mich mit ihren Bedenklichkeiten nicht lange in Ungewißheit. Sie willigte nicht nur ein, sich einem schönen jungen Mann zu ergeben, sondern sie brannte sogar mit ihm durch. Hiervon will ich dir nun nichts erzählen, wohl aber von einem gelungenen Streich, den ich dabei verübte.
Amme: Freut mich, davon zu hören.
Gevatterin: Der eifersüchtige Dummkopf kriegte seine gewohnten Zahnschmerzen erst etwa drei Wochen nach meinem ersten Besuch in seinem Hause. Da er immer Angst hatte, ich möchte ihn im Stich lassen, so hatte er mir mit vielen Geschenken, Versprechungen und Redensarten das Gebet abgebettelt, das die geheime Wunderwirkung des Zahnwehleidens besaß – das heißt: er glaubte es mir abgebettelt zu haben. Ich hatte weder ein Gebet dafür noch 'ne sonstige Formel, aber ich wartete die Stunde ab, wo die von ihm gefangengehaltene Schöne auf die Flucht ging, und traf ihn in einer Kirche, wo ich ihn mit einem seiner Freunde sprechen sah; da machte ich mich an ihn heran und gab ihm ein Papier, das wie ein Brief gesiegelt war. Und darin stand:
›Ein göttliches Weib mein Liebchen ist,
Weil sie Orangenblütenwasser pißt,
Zibet und Moschus scheißt,
Benzoe und Ambrakan.
Wenn sie zufällig mal ihre Locken kämmt,
Ist von tausend Rubinen der Boden überschwemmt.
Nektar und Ambrosia, Malvasier und
Korserwein triefen von ihrem Mund.
Und da unten, wo's so mollig ist und so süß,
Ist kein Filzlaus-, sondern ein Smaragdenparadies.
So sag ich denn: Hätte sie auch nur ein Loch
Statt der zweie, die unser Glück sind, sie wäre doch
Eine wahre Perle.‹
Was für ein Gesicht er machte, kannst du dir denken, Amme, und auch, was der Eifersüchtige in seiner Wut sagte, als er den Ulk las und als er seine Freundin nicht mehr im Hause fand.
Amme: Ich hab's mir schon gedacht.
Gevatterin: Ich wollte dir vorhin schon sagen, was für 'ne Mühe ne' Kupplerin hat, um diese Wollspinnerinnen, Seidenhasplerinnen, Flachshechlerinnen, Weberinnen und Lohnschneiderinnen so weit zu kriegen, daß sie die Röcke hochheben. Wahrhaftig, wenn wir zu den vornehmen Damen so leicht in die Häuser gehen könnten wie in die ihrigen, so ungeniert sie ansprechen könnten, da kriegten wir sie ohne die allergeringste Schwierigkeit zu allem, was wir von ihnen wünschten. Aber diese armen Dinger, die bleiben bockbeinig bei ihrem ›Ich will mich verheiraten!‹ Sie denken, wenn sie 'nen Mann haben, können sie sich überall sehen lassen. Und weil sie gar nicht gewöhnt sind, Wein zu trinken und beinahe alle Tage Fleisch zu essen, so machen sie sich nichts aus dem Wohlleben, das sie führen könnten, wenn sie sich Männern hingäben. In Lumpen und ohne Schuhe schlafen sie auf Stroh, arbeiten winters und sommers bis tief in die Nacht hinein und verdienen kaum das liebe Brot. Wenn sie schließlich doch auf uns hören, so kommt das nur davon, daß wir fortwährend ihren Müttern, Großmüttern, Tanten und Schwestern in den Ohren liegen, die sie beinahe mit Gewalt zwingen. Und ich kenne 'ne Menge von ihnen, die von ihren Männern, wenn sie betrunken sind oder im Spiel verloren haben, geprügelt, beschimpft, die Treppe hinuntergeschmissen werden und trotzdem all dies Leiden geduldig ertragen, um anständig als verheiratete Frau zu leben.
Amme: Was du da erzählst, ist vollkommen richtig.
Gevatterin: Aber die anderen Kupplerinnen sind nicht deine Gevatterinnen; die brauchte nur einen Blick hinzuwerfen, um Jungfernschaften von Eisen, Stahl und Granit zu verführen, geschweige denn Jungfernschaften von Fleisch und Blut. Schließet nur Türen und Ohren – das Schlüsselchen meines Wissens öffnet sie alle im Handumdrehen. Die Gevatterin, he? Nicht jeden Tag wird so eine geboren, nein, meiner Seel nicht! Solche Talente wie die ihren, die muß man mit auf die Welt gebracht haben. Mag schwätzen, wer will, sie tauscht ihre Kunst nicht mit irgendeinem Künstler; und wenn uns nicht die vornehmen Kuppler so ins Handwerk pfuschten, so könnten nicht mal Kriegsmänner und Advokaten es im Geldmachen mit uns aufnehmen. Und wenn ich dir sagen wollte, wie viele vornehme Herren, wie viele hübsche Jungen sich uns auf den Bauch sinken lassen, da würd ich in 'nem ganzen Monat nicht fertig. Wenn einem ein Liebesabenteuer schiefgegangen ist, so kühlt er an uns seine Hitze; und so haben wir ohne Seufzer und Tränen Genüsse, die sich verschaffen zu können die vornehmsten Damen auf der ganzen Erde sich glücklich schätzen würden.
Amme: Ich kann mir schon denken, wie's ist; du erzähltest mir ja, wie der dir's machte, den du mit der Beschreibung aufgeiltest, wie seine Schöne unterm Hemd aussähe – ich meine den, dem du weisgemacht hattest, die Dame wäre gewiß zum Stelldichein gekommen, wenn nicht ihr Mann – oder wer's sonst war – von seinem Landgut zurückgekehrt wäre.
Gevatterin: Kann wohl sein, daß ich dir das erzählt habe; aber jetzt will ich dir zum Schluß von den Zaubereien erzählen. Zunächst will ich dir sagen, was man für ein Brimborium macht, um 'ner schwangeren Frau weiszusagen, ob's ein Junge oder 'n Mädel werden wird; ob etwas Verlorenes sich wieder anfinden wird, ob eine Heirat zustande kommt oder nicht, ob die Reise vor sich gehen, ob die Ware Profit bringen wird; ob der Soundso sie liebt, ob er neben ihr noch andere Liebchen hat, ob sein Zorn sich wieder besänftigen wird; ob der Liebste bald wiederkommt und 'ne Menge sonstiger Firlefanzereien, wie törichte Weiblein sie betreiben.
Amme: Es liegt mir daran, diesen ganzen Hokuspokus zu lernen, womit man dumme Männlein und Weiblein auf den Leim lockt.
Gevatterin: Ich hatte mir aus Kork ein kleinwinziges, niedliches Englein geschnitzt und hatte es feinfein bemalt; mitten im Boden eines durchbohrten Trinkglases war ein Stift befestigt oder vielmehr ein ganz dünnes Stilett, auf dessen Spitze das Englein mit dem Fuß befestigt war, so daß es von einem Hauch sich drehte; in der Hand hielt es eine Lilie, die aus Eisen war. Wenn ich nun meine Zauberkunst trieb, nahm ich ein Stäbchen, dessen Spitze ein Magnet bildete, und wenn ich es der eisernen Lilie näherte, so bewegte sich das Figürchen, genau wie's das Stäbchen vorschrieb. Wollte nun eine oder einer wissen, ob sie geliebt würden oder ob die Versöhnung stattfinden würde, so machte ich meine Beschwörung, murmelte sinnlose Worte und ließ das Stäbchen sein Mirakel wirken, indem die eiserne Lilie sich immer hinter dem Magneten her bewegte. So wurde der Schwindel mit dem Englein für reine Wahrheit gehalten.
Amme: Wer wäre auch nicht darauf hereingefallen?
Gevatterin: Und weil's mir manchmal passierte, daß ich das Richtige traf, so hielten alle, die den Schwindel nicht kannten, mein Orakel für 'ne große Sache; und viele glaubten, alle Dämonen müßten mir Gehorsam leisten. Aber jetzt zum Bohnenwerfen!
Amme: Ich habe diesen Hokuspokus noch niemals gesehen, aber wie ich höre, sollen sich wahre Wunderdinge dabei begeben.
Gevatterin: Ich will's dir beschreiben. Diese Bezauberung ist hier in Rom wenig üblich, aber in Venedig ist sie stark im Schwange, und da gibt's viele Leute, die so steif und fest daran glauben wie die Lutheraner an ihren Bruder Martin, den guten Christen.
Amme: Was ist's mit diesen Bohnen?
Gevatterin: Man nimmt achtzehn Stück, neun männliche und neun weibliche Bohnen, und zeichnet durch einen Biß mit den Zähnen zwei von diesen, also eine für den Mann, eine für die Frau; dazu tut man ein Stückchen geweihten Wachses, ein Stückchen von einem Palmblatt und etwas weißes Salz; diese Dinge bedeuten die Sorgen und Schmerzen der Liebenden. Dazu nimmt man eine Kohle – diese bedeutet den Zorn des Liebhabers – und auch etwas Kammruß, um zu sehen, wann er wieder ins Haus kommen wird. Aber herrje! jetzt hab ich ja das Brot vergessen! Also, zu diesen Sächelchen fügt man ein Häppchen Brot zum Zeichen der Geschenke, die er ihr machen wird. Zu diesem nimmt man noch eine halbe Bohne – außer den achtzehn –, diese halbe zeigt das Glück und das Unglück an. Wenn alles auf einem Haufen liegt: Bohnen, Wachs, Palmblatt, Salz, Kohle, Ruß, Brot, so mischt man alles durcheinander, verrührt es mit beiden Händen und streicht es wieder glatt und macht hierauf offenen Mundes das Kreuz darüber; sollte der Mund, den man über dem Zauberhaufen hält, zu gähnen beginnen, so ist das ein gutes Zeichen, denn das Gähnen bedeutet, daß die Sache Erfolg haben wird. Nachdem auch die Kundin das Kreuz gemacht hat, spricht man folgende Worte: ›Ave, Frau Santa Lena Königin. Ave, Mutter des Kaisers Konstantin; Mutter wart Ihr und Mutter seid Ihr; über das heilige Meer ginget Ihr, mit elftausend Jungfrauen umgäbet Ihr Euch, und von noch mehr als so vielen Rittern ließet Ihr Euch begleiten; die heilige Tafel richtetet Ihr auf; mit drei Knösplein vom Tausendblatt warf et Ihr das Los; das heilige Kreuz fandet Ihr; zum Berge Golgatha ginget Ihr; und die ganze Welt erleuchtetet Ihr.‹ Hierauf rührt man wieder, bringt auseinander und glättet die Bohnen und die anderen Sachen, macht abermals mit offenem Munde das Kreuz darüber und sagt:
›Bei den Händen, die sie gesät haben, bei der Erde, die sie genährt hat, beim Wasser, das sie genetzt hat, und bei der Sonne, die sie getrocknet hat, bitte ich Euch, Ihr wollet die Wahrheit mir anzeigen. Und wenn der Soundso sie liebhat, so machet, daß er in diesem Bohnenhaufen sich neben ihr befinde; wenn er bald mit ihr sprechen wird, so machet, daß ich ihn Mund an Mund mit ihr finde; wenn er bald kommet, so machet, daß er aus diesen Bohnen herausfalle; wenn er ihr Geld geben wird, so machet, daß ich neben ihm ein Kreuz aus Bohnen finde; oder wenn er ihr sonst etwas zum Geschenk senden wird, so zeiget mir die Wahrheit in diesem Stück Brot an.‹
Hierauf nimmt man die Bohnen, legt sie auf ein Stück Leinwand, bindet dieses mit drei Knoten zu und sagt bei jedem Knoten folgende Worte:
›Ich binde nicht diese Bohnen, sondern ich binde das Herz des Soundso. Er habe kein Glück mehr, finde nirgends Ruh und Rast, möge weder essen noch trinken, weder schlafen noch wachen, weder gehen noch sitzen, weder lesen noch schreiben, weder mit einer Frau noch mit einem Manne sprechen, weder etwas verrichten noch tun, noch sagen, als bis er zu ihr kommt, und bis er keine liebt als sie allein!‹
Hierauf schwingt man das Tuch, worin die Bohnen sind, dreimal rund um seinen Kopf und läßt es zur Erde fallen, und wenn der Knoten oben zu liegen kommt, so ist das ein Zeichen, daß der Geliebte sie liebt. Nachdem alle von mir beschriebenen Firlefanzereien gemacht sind, bindet man das Tuch mit den Bohnen der Frau, die sich das Orakel holt, ans linke Bein, und wenn sie schlafen geht, so legt sie sich's unters Kopfkissen; das macht ihn eifersüchtig, und sie sieht, ob an ihren Zweifeln etwas Wahres ist.
Amme: Ich verstehe nicht den Satz: ›Machet, daß er sich Mund an Mund mit ihr befinde, und wenn er bald kommet, so machet, daß er aus diesen Bohnen herausfalle.‹
Gevatterin: Das bedeutet: Machet, daß die männliche Bohne sich mit der weiblichen berühre; und wenn die männliche beim Durcheinanderrühren allein zu liegen kommt, so soll das bedeuten, daß er zu ihr kommen wird.‹
Amme: Jetzt versteh ich's – ja, meiner Seel, die Sache gefällt mir.
Gevatterin: Man behauptet, die heilige Helena erhebe sich dreimal von ihrem Sitz, wenn man mit Hilfe ihres Gebets zaubert, und es sei eine Sünde, die nicht mit den Stationen in zehn Fasten gutzumachen sei. Ich habe Leute gekannt, von denen man nicht glauben würde, daß sie daran glauben. Aber da fällt mir ein ...
Amme: Was denn?
Gevatterin: Bei der Zauberei mit dem Korkengel hab ich das Gebet vergessen, das man fünfmal sagen muß, bevor man die Lilie mit dem Stäbchen bewegt.
Amme: Mir kam's schon so vor, als fehlte irgendwas daran. Nun, sag es bitte.
Gevatterin:
Engelein schön, Engelein fein,
Kleiner Herr Sankt Raffael mein
Mit den Vogelflügelein:
Dreh dich rum, dreh dich rum,
Hat er eine andre lieb;
Dreh dich her, dreh dich her,
Wenn er treu und hold verblieb!
Amme: Was für Hokuspokus doch gesagt und geglaubt wird!
Gevatterin: Ob man's sagt, ob man's glaubt, was? Die Einfältigkeit gewisser Leute ist ganz unschätzbar, und verlaß dich drauf, wenn man die Gauner und die Dummen zählte, so würde man nicht viel weniger Einfaltspinsel als Spitzbuben finden.
Amme: Daran zweifle ich nicht.
Gevatterin: Beim Wachsorakel nimmt man für vier Soldi Jungfernwachs und einen neuen Topf, setzt diesen mit besagtem Wachs aufs Feuer, und wenn das Wachs heiß zu werden beginnt, spricht man die Beschwörung; hierauf nimmt man ein noch niemals gebrauchtes Glas und gießt das geschmolzene Wachs hinein. Und sobald es erkaltet ist, sieht man alles, was man nur zu wissen wünscht.
Amme: Sag mir, bitte, die Beschwörung.
Gevatterin: Ein anderes Mal.
Amme: Warum nicht jetzt?
Gevatterin: Ich hab ein Gelübde getan, sie an dem heutigen Tage nicht zu sagen. Später werde ich dich aber auch die Beschwörung mit den Paternoster, das Wahrsagen aus dem Ei und sogar das Sieben des Mehls lehren, in welches man die Schere steckt und wobei man die Beschwörung von Sankt Peter und Sankt Paul spricht. Aber alle diese Sachen sind Hokuspokus, Brimborium und Firlefanz, und die Leute, die dran glauben, sind nicht viel besser als die Gauner, die diesen Schwindel machen. Aber da jeder gerne etwas Angenehmes glaubt, so verkauft die Kupplerin den Schwindel der Zauberkunst für Wahrheit, und wenn sie ab und zu mal das Richtige trifft, so genügt das, um die anderen Male, wo sie sich geirrt hatte, wiedergutzumachen.
Amme: Ich ärgere mich über dein Gelübde!
Gevatterin: Nimm deine Zunge in acht und sage nichts gegen die Gelübde! Denn man treibt wohl Scherz mit den Knechten, aber nicht mit den Gerechten, ich meine mit den Heiligen, und du hast gut daran getan, dir zum Zeichen, daß du deine Schuld fühlst, auf den Mund zu schlagen, wie du's eben tatest. Aber jetzt bin ich müde vom vielen Sprechen und mag dir kaum noch erzählen, wie ich manchmal, wenn ich nichts anderes zu tun hatte, um ein oder zwei Uhr nachts mich zu dem Haus des fremden Herrn begab und an die Tür klopfte. Niemals antwortete ich auf das ›Wer ist da unten?‹. Aber wenn dann schließlich der Bediente kam, fragte ich: »Wohnt hier nicht Seine Gnaden, Herr Soundso?« Und da er hinter mir diese oder jene Vettel auftauchen sieht, die ich immer mitzunehmen pflegte, so antwortet er mir: »Bei der Madonna, ja! Kommt nur rauf, er hat schon seit zwei Stunden auf Euch gewartet.« Das sagt er, weil er denkt, er habe mir 'nen Streich gespielt, und um seinen Herrn zu belustigen, der sich gerne mit Hürchen abgibt – was mir natürlich wohlbekannt war. Ich geh also ganz dreist ins Haus, und sowie ich drin bin, wird hinter mir die Tür geschlossen, damit ich nicht wieder herauskönne. Und wenn wir dann oben sind, da hab ich gut jammern und schelten, dies sei nicht das Haus des Herrn, der mich erwarte! Sondern wir müssen uns ohenan zu Tisch setzen, und wenn auch nicht immer alles so ganz glückte, so hatten wir doch wenigstens immer das Abendessen und wurden mit Begleitung nach unserer Wohnung zurückgebracht; manchmal ließ ich ja auch meine Hure da, um bei dem Herrn zu schlafen, und dann sackte ich, je nachdem, Juliusse oder Dukaten ein.
Amme: Dieser schlaue Streich mißfällt mir durchaus nicht.
Gevatterin: Manchmal suchte ich einen auf, den ich seit mehr als zwei Jahren nicht gesehen hatte; da ließ ich dann die Nymphe, mit der ich hausieren ging, sich hinter mir im verborgenen halten und klopfte an seine Tür; und wenn man antwortete, so sagte ich: »Sagt nur dem Herrn, ich sei da, die Soundso.« Da kommt er mir höchstselber entgegen und ruft: »Ich glaubte wahrhaftig, es sei sonst jemand; ich hatte eher den Mond von Bologna erwartet; aber wie geht's dir denn?« Und ich: »Gut, zu Eurer Gnaden Befehl. Ich komme hier vorüber und dachte, ich wollt Euch doch mal besuchen; schon hundertmal wollte ich hierherkommen, ich hab es aber immer nicht riskiert, um Euch nicht lästig zu fallen.« Und mit Hilfe von solchem Mumpitz bracht ich ihn mit der Diva zusammen, die ich überall bei mir hatte.
Amme: Streng dich nur jetzt nicht mehr mit Erzählen an! Sag mir nur noch, wie ich dieses Mal von der Franzosenkrankheit zu verbergen habe, das mir mitten auf der Stirn geblieben ist, und diesen Schmiß, den man mitten auf meiner rechten Wange sieht. Und dann machen wir Schluß.
Gevatterin: Was? Die Narbe und den Schmiß verbergen? Ich sage dir: Sei stolz auf sie! Ja, potz Blitz, sei stolz auf sie! Denn der Schmiß und die Narbe, die zeigen und tun kund, daß du in der Kuppelkunst vollkommen bist. So lassen auch die Narben, die die Soldaten sich in den Schlachten holen, sie tapferer und kühner erscheinen; genauso zeigen die Maler von der Franzosenkrankheit und die Schmißchen von diesem oder jenem kleinen Messerstich dem Kunden an, daß er's mit einer altgedienten Kupplerin zu tun hat; solche Dinger sind Perlen, mit denen wir uns schmücken. Aber ganz abgesehen davon, man würde ja keine Apotheke oder keine Schenke von der anderen unterscheiden können, wenn die. Schilder nicht wären: Apotheke ›Zum Mohren‹, ›Zum Braven Mann‹, ›Zum Engel‹, ›Zum Arzt‹, ›Zur Koralle‹, ›Zur Rose‹ oder ›Zum Ritter‹, Ferner: die Schenke ›Zum Hasen‹, ›Zum Mond‹, ›Zum Pfauen‹, ›Zu den beiden Schwertern‹, ›Zum Turm‹, ›Zum Hut‹. Und wenn die Wappen nicht wären, die man auf den Mantelsäcken hinter einem jämmerlichen Schlingel auf 'ner alten Mähre mit 'nem Häckselbauch sähe, wer würde da die Herren von den Dienern unterscheiden können? Darum gehören Narben und Schmisse zur Kupplerin, gerade wie die Marke zum Pferd; denn man wüßte ja nicht, von welcher Rasse es stammt, wenn man nicht die Marke auf dem Schenkel sähe; ja noch mehr: Man würde gar nichts dafür bezahlen wollen, wenn es ohne die Marke zu Markt käme.
Mit diesen Worten beendete die Gevatterin das Gespräch und stand auf, worauf auch die Amme, Pippa und Mutter Nanna sich erhoben. Und als die Gevatterin eine Erfrischung bereitstehen sah, netzte sie mit der Zunge ein wenig die vom vielen Sprechen trocken gewordenen Lippen; zugleich neigte sie ihr Ohr zur Nanna, die ihre Unterhaltung höchlich lobte, und gestand, sie sei ganz starr vor Staunen und alle Kupplerinnen der Welt wüßten zusammen nicht soviel von ihrem Gewerbe wie die Gevatterin allein. Und sich zur Amme wendend, sagte die Nanna: »Dieser Pfirsichbaum, der das schöne Gespräch mit angehört hat, könnte eine Schule halten, um das Gelernte zu verwenden; nun mach aber auch du dir zunutze, was du gehört hast.« Dann ermahnte sie auch ihre Tochter, sich alles Gehörte gut zu merken. Unterdessen machte Frau Gevatterin sich über den Wein her und pries hoch den Mann, der das Trinken erfunden hat. Und da der kratzige Korserwein ihr den Rachen putzte, so daß ihr ein Tränchen ins Auge kam, saß sie wie in Verzückung da und sah von Nanna und den übrigen nichts. Nanna aber war es eingefallen, daß sie bei ihrem ersten Gespräch einen einzigen wichtigen Punkt ausgelassen hatte, nämlich die Pippa zu unterrichten, wie man die Männer, die durch ihre Schuld oder durch die Schuld der Huren zugrunde gerichtet werden, doch nicht ganz fahrenläßt, während sonst alle Weiber sie zum Kuckuck schicken, sobald sie nichts mehr haben, und sich ihrer nicht mehr entsinnen und sie nicht mehr sehen wollen. Die Sache erschien ihr wichtig, so daß es sich wohl verlohnt hätte, zwei Wörtlein darüber zu sagen; indessen ließ sie es doch sein. Inzwischen ging die Gevatterin im Garten herum, sah sich alles an und sagte: »Nanna, dein Lustgarten ist 'ne wahre Herzenslust anzusehen.« Dann rief sie immer wieder: »Oh, der schöne Garten! Gewiß, gewiß! der vom Chigi in Trastevere und der vom Fra Mariano auf Monte Cavallo können's nicht mit ihm aufnehmen ... Wie schade, daß dieser Pflaumenbaum verdorrt! ... Sieh mal, sieh mal! diese Weinlaube hat ja Blüten, unreife und reife Trauben zugleich ... Wie viele Granatäpfel, himmlischer Vater! Süße und halbsüße – ich versteh mich drauf, und man muß sie jetzt schnell abnehmen, sonst werden sie von anderen gepflückt... Was für 'ne schöne Jasminlaube! Oh, die schönen Buchsbaumkübel! Die prächtige Rosmarinhecke! und da, schau, das Wunder: Septemberrosen! Himmlische Barmherzigkeit!... Blaue Feigen, was? ... Wahrhaftig, ich denke, so im April und Mai herauszukommen und mir Busen und Schürze voll von Gelbveigelein zu pflücken ... Was seh ich da? O diese Büschel von Damaskusveilchen ... Aber nun Schluß! Die Schönheit dieses Paradieses hatte mich vergessen lassen, daß es schon spät ist. Darum, Fräulein Minze, Frau Majoran, Madame Pimpernelle und Herr Orangenblust: Ihr werdet mir verzeihen, daß ich nicht länger mit euch kose! ... Und bei meinem Leben: Hier lacht einen ja alles an. Dieses Lüftchen, das hier weht, diese herrliche Luft, diese wundervolle Aussicht! Bei diesem Kreuz, Nanna: Wenn hier noch ein Brünnlein wäre, das sein Wasser in die Luft schleuderte oder sich über seine Ränder ergösse und leise, leise mit seinen Rinnseln die Pflanzen berieselte, da könntest du's nicht bloß das Gärtlein der Gärtlein, sondern geradezu den Garten der Gärten nennen.
So sprach die Gevatterin. Und da es ihr Zeit schien, nach Hause zurückzukehren, so küßte sie die Pippa, wünschte guten Abend und gutes Jahr und begab sich mit der Amme dorthin, wo sie hingehörten.