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Wenn Maria Theresia im Anfang des Dezember 1757 ganz Schlesien so gut wie erobert und den Krieg als beendigt angesehen hatte, so zertrümmerte die Schlacht bei Leuthen alle diese Hoffnungen. Neue Armeen mußten jetzt errichtet, ausgebildet und mit Kriegsgeräten versehen werden. Hierzu waren ungeheure Summen erforderlich, und zwar zu derselben Zeit, da andere Massen von Geld nach Petersburg wanderten, um die Russen zum zweitenmal nach dem Königreich Preußen zu bringen.
Die Russen waren bei Eröffnung des Feldzuges von 1758 die ersten auf der Kriegsbühne. Nachdem Friedrich Schweidnitz zurückerobert und nach vergeblicher Belagerung von Olmütz einen meisterhaften Rückzug nach Schlesien ausgeführt hatte, wandte er sich gegen sie. Ihre Vertreibung erforderte jetzt die Hauptkraft; denn General Fermor hatte bereits im Januar das Königreich Preußen besetzt und, da es ganz leer von Truppen war, es ohne Schwertstreich in Besitz genommen. Die Russen betrachteten dies Land von nun an als ihr Eigentum, das sie im Frieden zu behalten hofften, und behandelten es während des ganzen übrigen Krieges mit einer beispielwürdigen Schonung. Dann aber verließ Fermor mit seinen 60 000 Mann Preußen und nahm seinen Zug nach Pommern und der Mark, und jetzt waren diese Eroberer nicht mehr durch höhere Befehle im Zaum gehalten. Wie im vorigen Jahre bezeichneten Blut und brennende Dörfer ihren Pfad in diesen beiden unglücklichen Provinzen.
Fermors Augenmerk war auf das Innere der preußischen Staaten gerichtet. Er fing Anfang Juli an, Küstrin einzuschließen und mit Bomben und glühenden Kugeln zu beschießen. General Dohna, der von Stralsund herbeigeeilt kam, vermochte dies mit seinen geringen Kräften nicht zu verhindern, und die Geschütze des Verteidigers trugen nicht weit genug. Schon am ersten Tage brach in den überaus engen Straßen eine verheerende Feuersbrunst aus, die mit rasender Eile um sich griff. Die unglücklichen Einwohner gerieten gänzlich außer Fassung, und die Mehrzahl dachte nicht an Löschen, sondern nur an das Bergen ihrer eigenen Habe. Die ganze Stadt war bald nur noch ein rauchender Trümmerhaufen, nur die Festungswerke waren fast unversehrt. Der Kommandant lehnte daher die Aufforderung zur Übergabe ab. Zwei Tage nachher mußten aber die Verteidiger ihr Geschützfeuer einstellen, weil das der Angreifer überlegen war. Doch bereits nahte der König.
Friedrich hatte den größten Teil seiner Armee in Schlesien zurückgelassen, um diese Provinz zu decken; er nahm bloß 14 000 Mann auserlesener Truppen, zog einige andere Truppen heran und rückte in Eilmärschen seiner Kurmark zu Hilfe. Diese kleine Armee brannte vor Verlangen, sich an einem Feinde zu rächen, den sie zwar noch nie gesehen hatte, von dessen Grausamkeiten und Verwüstungen aber die rauchenden Schutthaufen beredtes Zeugnis ablegten. Kaum kannten sie ihr verödetes Vaterland mehr. In 12 Tagen machte Friedrich einen Zug von 35 deutschen Meilen bei sengender Hitze und tiefen sandigen Wegen, und so langte er am 21. August bei Küstrin an, wo er die Besatzung verstärkte und sich mit der Dohnaschen Armee vereinigte. Die Husaren brachten ihm hier 12 gefangene Kasaken, die er als die ersten, die sein Auge sah, wegen ihrer besonderen Gestalt und ihres elenden Aufzuges sehr ernsthaft betrachtete, worauf er zum Major Wedel sagte: »Sehe Er hier, mit solchem Gesindel muß ich mich herumschlagen.« Fermor hob die Belagerung von Küstrin auf, und beide Heere näherten einander. Friedrich war durch den Anblick der verwüsteten Fluren, der zahllosen Schutthaufen und der ihrer Habe beraubten umherirrenden Flüchtlinge aufs tiefste ergriffen. Er traf alle Anstalten, den Rückzug des Feindes zu hemmen und ihn nach den Morästen der Oder zu drängen und dort zu vernichten.
Die Lage Friedrichs war abermals verzweiflungsvoll und hing von dem Ausgange einer Schlacht ab. Die feindlichen Heere waren im Begriffe, sich zu vereinigen und ihn von Elbe und Oder abzuschneiden. Die Franzosen und Reichstruppen befanden sich auf dem Marsche nach Sachsen, wohin Daun mit der Hauptarmee der Österreicher auch gezogen war. Es war am 25. August, als die große Schlacht bei Zorndorf geliefert wurde. Sie fing morgens um 8 Uhr an. Die Russen waren 44 000 und die Preußen 37 000 Mann stark. Diese brachen um 3 Uhr früh aus ihrem Lager, das nördlich des russischen war, auf, umgingen dieses, das bisher die Front nach Norden gewandt hatte, in weit nach Osten ausgreifendem Bogen, um südlich Zorndorf aufzumarschieren. So waren die Russen gezwungen, ihre Front nach Süden zu wenden. Sie standen mit der Infanterie zwischen zwei tiefeingeschnittenen Gründen in einem unregelmäßigen Viereck. Ihre gesamte Reiterei mit Ausnahme der Kasaken und Husaren stand auf dem linken Flügel außerhalb des Vierecks. Zorndorf hatten sie angezündet. Friedrich beabsichtigte, den Angriff mit dem linken Flügel zu führen, der rechte Flügel sollte zurückgehalten werden. Der Angriff ward durch ein Geschützfeuer vorbereitet, das eine verheerende Wirkung hatte. Bei einem Grenadierregimente traf eine einzige Stückkugel 42 Mann, die teils getötet, teils verwundet wurden. Gegen 11 Uhr glaubte General Manteuffel, der die Avantgarde kommandierte, zum Angriffe schreiten zu können. Der Rauch des brennenden Zorndorf und der aufwirbelnde Staub verhüllten den Angreifer derart, daß ihn die Russen erst gewahr wurden, als er auf 40 Schritte herangekommen war. Nun stürzten sie ihm mit dem Bajonett entgegen, und es kam zu einem erbitterten Handgemenge. Die Absichten Friedrichs wurden hier durch das fehlerhafte Vordringen der nachfolgenden Truppen unter General Kanitz vereitelt, der, wohl auch durch den Staub und Rauch geblendet, anstatt Manteuffel zu folgen, sich während des Vormarsches immer weiter rechts gezogen hatte, so daß sein Stoß nicht auf den bereits erschütterten rechten russischen Flügel, sondern auf die noch ganz gefechtsfähige Mitte traf. Hier konnten die Bataillone Manteuffels dem gleichzeitigen Angriff russischer Reiterei und Infanterie nicht widerstehen und wichen.
Friedrich sandte nun an Seydlitz, den Führer des linken Kavallerieflügels, Befehl, die zurückweichende Infanterie von dem sie verfolgenden Gegner zu befreien. Denselben Befehl erhalten die 20 Schwadronen des Fürsten Moritz von Anhalt. Während Seydlitz aber erst einen ihn vom Feinde trennenden Grund überschreiten muß, sieht dieser kein Hindernis vor sich und greift vor jenem ein. Die russischen Reiter, durch die Attacke bereits atemlos geworden, sind diesem Ansturm nicht mehr gewachsen, sie weichen zurück. An der Infanterie aber bricht sich der wuchtige Ansturm der preußischen Dragoner. In diesem Augenblicke treffen die Seydlitzschen Schwadronen ein und zersprengen die feindlichen derartig, daß ein großer Teil davon in das Sumpfgelände gedrängt wird, und Fermor, der vom Strome der Fliehenden mitgerissen wird, entgeht mit Mühe der Gefangenschaft. Aber nachdem die Kavallerie vom Kampffelde verschwunden war, leistete die Infanterie den preußischen Reitern noch solch zähen Widerstand, daß diese nur langsam vorwärtsdringen konnten. Erst ganz allmählich wich der rechte russische Flügel zurück. Einige Bataillone davon gerieten in die Bagage; sie plünderten die Marketenderwagen und genossen viehisch den Branntwein. Vergebens schlugen die russischen Offiziere die Fässer in Stücke, die Soldaten warfen sich der Länge nach auf den Boden, um den geliebten Trank aus dem Staube zu lecken. Viele töteten ihre Offiziere, und ganze Haufen liefen wie rasend auf dem Felde umher, ohne auf das Zurufen ihrer Vorgesetzten zu achten.
Der rechte russische Flügel war zersprengt, die Mitte hatte nur wenig gelitten, der linke Flügel war unberührt. Friedrichs linker Infanterieflügel war zwar wieder gesammelt, aber doch schwer erschüttert. Auf beiden Seiten trat in den Mittagsstunden eine Gefechtspause ein.
Kurz nach 2 Uhr führte König Friedrich den rechten Infanterieflügel gegen den linken russischen vor. Die preußischen Schwadronen warfen die feindlichen Reiter zurück; aber die kaum gesammelten Bataillone des linken preußischen Flügels, die bereits furchtbare Verluste erlitten hatten und diesen Angriff unterstützen sollten, wichen abermals und flohen in Auflösung nach Süden. Hier war nun wiederum Seydlitz rechtzeitig zur Stelle. Zwar kann er die bereits eingerissene Unordnung nicht hindern, aber er greift nun mit seinen ermatteten Pferden die Mitte der feindlichen Infanteriestellung an, während gegen 4 Uhr der rechte preußische Infanterieflügel mit klingendem Spiele gegen den russischen linken vorgeht, immer wieder von Seydlitz unterstützt. So gelingt es hier etwa um 6 Uhr, die Russen nach zähestem Widerstande über einen der Gründe langsam zurückzudrängen, so daß diese am Abend die Front nach Nordwesten, die angreifenden Preußen aber solche nach Südwesten haben; beide Heere hatten also während des Kampfes noch einmal beinahe eine vollständige Drehung ausgeführt.
Jeder andere Feldherr hätte sich mit diesem Erfolge begnügt, besonders in Anbetracht der völligen Erschöpfung seiner Truppen. Nicht so Friedrich! Er wollte den Gegner vernichten. Darum befahl er einen nochmaligen Angriff; aber die Preußen waren verbraucht, auch ging die Munition allmählich zu Ende, und die Bataillone mußten wieder zurückgehen. Unterdessen war es ganz dunkel geworden, und der Kampf erlosch auf beiden Seiten infolge völliger Ermattung nach nahezu 13stündiger Dauer. Die Preußen hatten 12 800 Mann und etwa 1900 Gefangene eingebüßt, die Russen 21 600 Mann und 2500 Gefangene. 2 Fahnen und 26 Geschütze hatten die Preußen verloren, 24 Fahnen, 103 Kanonen sowie eine russische Kriegskasse mit 850 000 Rubeln erbeutet.
Der folgende Tag brachte nichts als Kanonaden. Der König wollte den Kampf förmlich erneuern; da aber seine Truppen völlig ermattet waren, so war ein Angriff unmöglich, und die Russen zogen am 27. in der Richtung auf Landsberg ab. Dunkelheit und Nebel verhinderten, daß die Preußen den Abzug rechtzeitig bemerkten.
Die Russen schrieben sich den Sieg zu; der russische General Panin war jedoch so aufrichtig zu sagen: »Wir haben zwar den Kampfplatz behauptet, allein tot, verwundet und betrunken.« Fermor sandte Kuriere mit der Siegesnachricht an alle verbündeten Höfe und Armeen. Ähnliche Spiegelfechtereien kamen in diesem Kriege häufig vor, nur bei den Preußen nicht. Friedrich ließ den Besiegten dies Vergnügen und nützte indessen den Sieg aus. Er ließ Dohna mit einem Teile der Armee den Russen gegenüberstehen und brach am 1. September nach Sachsen auf, wo seine Gegenwart höchst nötig war.
Dort hatten die Österreicher indessen die Abwesenheit des Königs aufs beste zu benutzen gesucht. Sachsen ließ schnellere Lorbeeren hoffen als das festunggesicherte Schlesien. Daun rückte deshalb, als er erst volle Sicherheit vom Abmarsche Friedrichs nach der Mark hatte, in Sachsen ein, um Dresden zu erobern, die Preußen aus dem Lande zu treiben und den König von der Elbe gänzlich abzuschneiden. Daun machte auch einen Versuch, Dresden zu erobern, mußte ihn aber wegen der Entschlossenheit des Kommandanten Grafen Schmettau aufgeben. Aber die ungeheure Überlegenheit der Österreicher und Reichstruppen in Sachsen gab den Verbündeten Anlaß zu neuen und großen Entwürfen. Der Prinz Heinrich sollte auf einmal von vorne und im Rücken angegriffen und gänzlich aufgerieben werden. Die Feldherren der verschiedenen Armeen hatten deshalb Zusammenkünfte abgehalten, und alle Anstalten waren gemacht, als das Donnerwort: Friedrich kommt! den ganzen Plan auf einmal vernichtete. Er kam und vereinigte sich mit dem Prinzen Heinrich. Sein Wunsch war eine Schlacht, um die Österreicher nach Böhmen zu treiben und um dem arg bedrohten Schlesien zu Hilfe kommen zu können. Daun aber, der eine feste Stellung eingenommen hatte, vermied sorgfältig ein Treffen und suchte den Marsch Friedrichs durch wohlpostierte Korps zu verzögern. Erst nach längerer Zeit, während der Friedrich den Österreichern die Zufuhren abzuschneiden und die Magazine zu zerstören suchte, änderte Daun seine Stellung, nahm aber wieder ein festes Lager ein. Die Preußen lagerten sich ihm gegenüber bei Hochkirch. Die Sicherheit dieses Lagers hing von der Behauptung des sogenannten Strohmberges ab. Der preußische General Retzow bekam Auftrag, den Berg zu besetzen. Retzow fand den Berg im Besitze einer Kroatenabteilung und wagte nicht anzugreifen, ehe der König anderen Tages zu seiner Unterstützung bereitstehen konnte. Mittlerweile hatte Daun den Berg mit 4 Grenadierbataillonen und schwerer Artillerie besetzen lassen. Als der König am andern Tage vor der Stellung ankam und sah, daß Retzow seinen Befehl nicht ausgeführt hatte, ward er im höchsten Grade aufgebracht, ließ den Degen des Generals abholen und bestrafte ihn mit Arrest.
Der mangelnde Besitz des Strohmberges war es nicht allein, der die von den Preußen nun eingenommene Stellung gefährlich machte, sondern noch mehr die ausgedehnten Waldungen im Süden, die auf 1000 Schritte an den rechten Flügel heranreichten. Dazu kam noch die zahlenmäßige Schwäche des Preußenheeres dem doppelt so starken Feinde gegenüber. Friedrich verschloß sich den in seiner Stellung liegenden Gefahren keinen Augenblick; aber er scheute es, angesichts des Feindes wieder zurückzugehen, weil er befürchtete, damit ein Zugeständnis seiner Schwäche zu machen. Dazu kam, daß bisher noch niemand es gewagt hatte, ihn anzugreifen, und dem behutsamen Daun traute er ein solches Unterfangen am wenigsten zu. Deshalb beschloß er, stehenzubleiben, bis die Armee mit dem notwendigsten Brotvorrate versehen sei, und dann am 14. Oktober nach Einbruch der Dunkelheit abzumarschieren. An diesem Entschlusse hielt Friedrich fest, trotzdem verschiedene Generale Einspruch erhoben, von denen Feldmarschall Keith scherzhaft seinem gekrönten Freunde gegenüber äußerte: »Wenn die Österreicher uns in diesem Lager ruhig lassen, so verdienen sie gehenkt zu werden.« Friedrich erwiderte in demselben Tone: »wir müssen hoffen, daß sie sich vor uns mehr als vor dem Galgen fürchten.«
Der kühne Gedanke, die Preußen vermittelst eines Überfalles anzugreifen, wird dem General Loudon zugeschrieben. Die Stärke des Preußenheeres betrug in der Nacht vom 13. zum 14. Oktober 40 000, die der Österreicher 78 000 Mann. In dieser Nacht verließ die kaiserliche Armee ihr Lager. Die Zelte blieben stehen, und die Wachtfeuer wurden sorgfältig unterhalten. Trotzdem waren die Preußen die Nacht hindurch wachsam, und erst gegen Morgen überließen sie sich ohne alles Bedenken dem Schlafe.
Der Tag ist noch nicht angebrochen: die Turmuhr des Dorfes Hochkirch schlägt fünf. Da erschallen von den Waldungen am rechten Flügel her einzelne Schüsse, denen nach kurzer Pause lebhaftes Gewehrfeuer folgt. Die Preußen sind schnell unter dem Gewehre, müssen aber bald trotz aller Tapferkeit den zahlreichen Gegnern weichen. Noch immer ist Friedrich der Meinung, daß er sich nur um einen Angriff leichter Truppen handle, wie sie in kleinerem Maßstabe fast täglich vorkamen; aber nach wenigen Minuten fallen die Stückkugeln einer von Loudon westlich Hochkirch aufgefahrenen Batterie sausend zu seinen Füßen nieder, und heransprengende Adjutanten melden, daß der rechte Flügel mit Übermacht angegriffen sei. Nun zeigte sich Friedrichs Heldengeist wieder in strahlendstem Lichte. Ruhig und klar gab er seine Befehle. Und die Armee führte sie mit derselben Genauigkeit aus wie sonst. Andere Truppen hätten unter solchen Umständen das Grab ihres Ruhmes gefunden; nicht so die Preußen! hier galt der Mut allein wenig, die Manneszucht alles.
Auf dem rechten Flügel hatte sich die Lage mittlerweile bedeutend verschlimmert. Wohl hatten sich einige Reiterregimenter bemüht, die weitere Entwickelung feindlicher Kolonnen aus den Waldungen aufzuhalten, wohl brachten sie den Österreichern schwere Verluste bei, auf die Dauer vermochten sie nichts auszurichten. In und um Hochkirch tobt der Infanteriekampf weiter. Die stockfinstere Nacht wird nur durch das unsichere Licht des brennenden Dorfes zeitweise erhellt, so daß man im wütenden Handgemenge die weißen Röcke und Bärenmützen der kaiserlichen Grenadiere von den blauen der preußischen mit ihren blanken Grenadiermützen unterscheiden kann. Die große Batterie von etlichen 20 Kanonen, die gleich anfangs von den Kaiserlichen genommen wurde, wird zweimal erobert und wieder genommen, neue preußische Regimenter greifen mit unübertrefflicher Tapferkeit in den Kampf ein, geführt von Seydlitz, von Zieten, vom Könige selbst. Aber immer von neuem führen auch die Kaiserlichen frische Truppen heran. Auf dem Kirchhofe wehrt sich das Bataillon des Majors Langen mehrere Stunden gegen sieben- bis achtfache Übermacht, bis die letzte Patrone verschossen ist, dann stürzt sich Langen inmitten seiner Braven heraus und fällt, von elf Wunden bedeckt, in Gefangenschaft; ein kleiner Rest gewinnt das Freie, Hochkirch ist endgültig verloren.
Nun befiehlt Friedrich den Rückzug. Es ist 9 Uhr früh. Auch der Gegner ist derartig erschöpft und durch das nächtliche Ortsgefecht in Unordnung geraten, daß er nicht folgt, sondern erst seine Verbände ordnet.
Der linke Flügel verteidigte sich und die schwere Batterie lange gegen eine sechsfache Übermacht. Zuletzt aber mußten die Bataillone, um nicht abgeschnitten zu werden, die Batterie im Stiche lassen.
Der Marsch Friedrichs ging nicht weit. Nur 3/4 Meile vom Kampfplatze, auf den sogenannten Spitzbergen hinter dem sumpfigen Albrechtsbache, lagerte er sich mit seinen Truppen. Diese Stellung war so vorteilhaft, und das Heer selbst in geschlagenem Zustande noch so furchtbar, daß Daun keinen neuen Angriff wagte.
Die Preußen verloren an diesem unglücklichen Tage 101 Kanonen, 28 Fahnen, 2 Standarten und 9000 Mann. Der österreichische Verlust belief sich auf 7600 Mann, 1 Fahne und 3 Standarten. Zu den preußischen Toten gehörte Feldmarschall Keith.
Der König hatte sich ins stärkste Feuer gewagt; ein Pferd wurde ihm unterm Leibe erschossen, und zwei Pagen stürzten tot an seiner Seite nieder. Er war in der größten Gefahr, gefangen zu werden. Schon hatten ihn die Feinde beim Dorfe Hochkirch umringt; er entkam aber durch die Tapferkeit der ihn begleitenden Husaren. Allenthalben gegenwärtig, wo der Kampf am blutigsten war, schien er sein Leben für nichts zu achten. Diese Nacht erhöhte seinen Ruhm außerordentlich, anstatt ihn zu schwächen.
Friedrich war nach Kräften bemüht, den erlittenen Verlust und dessen üble Folgen abzuschwächen. Er scherzte selbst über diesen harten Unfall wenige Stunden nachher, da er den General Goltz sah, und seinen Morgengruß mit den Worten begleitete: »Mein lieber Goltz, man hat uns nicht gut geweckt.« Der General antwortete: »Man pflegt gewöhnlich die im Schlafe zu stören, die man am Tage nicht sprechen kann.« – »Er hat recht,« erwiderte der König, »aber ich werde den Herren, die uns so geweckt haben, am hellen Tage ihre Unhöflichkeit verweisen.« – Die Artilleristen, die sich sammelten, fragte er: »Wo habt ihr eure Kanonen gelassen?« Einer nahm das Wort und sagte: »Der Teufel hat sie in der Nacht geholt.« Friedrich erwiderte: »Nun, so wollen wir sie ihm bei Tage wieder abnehmen.«
Von Daun konnte man sagen: »Du weißt zu siegen, aber deinen Sieg zu benutzen, das weißt du nicht.« Der österreichische Feldherr erwartete von Friedrich einen verzweifelten Angriff, sobald er die Nachricht erhielt, daß Neiße belagert würde, und bezog daher ein stark verschanztes Lager. Friedrich aber benutzte die Zeit, um sein Heer marschfertig zu machen, indem er gleichzeitig den Feind, der die Straße nach Schlesien besetzt hielt, durch Scheinbewegungen täuschte. Und 11 Tage nach der Schlacht waren die Preußen schon im vollen Marsche nach Schlesien, und zwar mit solchem Vorsprunge, daß Daun alle Hoffnung aufgab, es zu hindern. Sofort wurde die Belagerung von Neiße aufgehoben. Der Entsatz belagerter Festungen ist gewöhnlich die Frucht eines Sieges oder doch sonst glücklicher Begebenheiten: hier aber konnte der geschlagene, von starken Armeen umgebene und 40 Meilen entfernte Friedrich der bedrängten Festung zu Hilfe kommen! Ganz Europa erwartete die Früchte des Hochkircher Sieges; aber keine Spur davon zeigte sich. Im Gegenteil: auch die von Österreichern eingeschlossene Festung Kosel wurde befreit und Schlesien ganz von feindlichen Truppen geräumt, und der dreifache Plan der Österreicher, in der Geschwindigkeit Dresden, Leipzig und Torgau wegzunehmen, lief unglücklich ab. Da gleichzeitig die Einschließung Kolbergs durch die Russen infolge der Wachsamkeit der Preußen aufgehoben wurde, so war der im Oktober geschlagene Friedrich am Schlusse dieses Feldzuges völlig Herr der Kriegslage.