Ludwig Anzengruber
Der Sternsteinhof
Ludwig Anzengruber

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23. Kapitel

Bisher hatte es dem jungen Sternsteinhofer Spaß gemacht, zu den jährlichen Waffenübungen einzurücken, es war das doch für paar Wochen ein »Anderes«, man kam aus allem Gewohnten heraus; es gaudierte ihn, mit dem Gelde herumzuwerfen und sich von den armen Teufeln anstaunen zu lassen, die mit ihm in Reih' und Glied standen, und sie außer demselben trunken zu machen und zu allerlei Unfug anzustiften, den sie hinterher oft schwer genug zu verbüßen hatten, während man bei ihm, wo es irgend anging, ein Auge zudrückte, oder ihn wenigstens so glimpflich als möglich durchwischen ließ. Es konnte ihm gar nicht fehlen, daß er nächstens zu den Unteroffizieren aufrückte, denn diese gönnten schon lange den Gemeinen seine Kameradschaft nimmer, die für lustige Brüder und durstige Kehlen so vielverheißend war; und sie rapportierten über ihn als den besten Mann, der je unter ihnen im »Zuge« gestanden. Freilich konnte ihm diese bevorstehende Kameradschaft ein gutes Stück Geld mehr kosten als die bescheidene frühere, aber er hatte es ja. Toll und liederlich trieb er es jedes Jahr diese Zeit über, die er seinen Fasching nannte, und hegte nicht den leisesten Wunsch nach einer Änderung in dieser Hinsicht; und es waren wohl wenige im Lande, welche mit gleicher Befriedigung wie er die Einberufungs-Bollette empfingen, vielleicht nur einige Allerärmste, die sich im Übungslager besser verpflegt wußten als daheim. Nun kam ihm aber ausnahmsweiser Zeit eine Ordre ins Haus, die ihn zu seinem Regimente abberief, und da geschah es doch, daß er sie mit allen »Himmelherrgottssackermenten« und »Heiligkreuzdonnerwettern« empfing; denn es verlautete allerwärts, und die Zeitungsblätter erzählten davon, daß irgendwo da unten im Reich halbwilde Leut' sich gegen den Kaiser aufgelehnt hätten und nun die Soldaten dorthin mußten, sich mit denen herumzuschlagen.

Himmelherrgottssackerment! Kämen Feind von fremd her über d' Grenz', so wollt' er ihnen wohl 'n Weg weisen und heimleuchten helfen, der Sternsteinhofer-Toni; aber Kriegs halber extra aus'm Land laufen, wo außerhalb mer nix z'suchen hat und nix z'finden is, das hatte für ihn keinen Sinn. Soll'n h'raufkommen die notigen Kerle, wenn sie was wollen, möcht' mer bald mit ihnen fertig sein! Aber ihnen 'n Karst h'nauf nachjagen, den Schuften, die d'Wehrlosen verstümmeln und verschänden sollen, . . . Heiligkreuzdonnerwetter!

Doch es war nichts zu tun als zu gehorsamen, und so fuhr denn der Toni, als es an der Zeit war, vom Sternsteinhofe weg. Helene, welche ihn nach der Kreisstadt begleiten wollte, saß mit den beiden Kindern im Wagen, und er hatte auf dem Kutschbocke neben dem Knechte Platz genommen und lenkte, um sich unnütze Gedanken fern zu halten, die Pferde.

Es war ein trüber Tag, unter grauen Regenwolken trieben wallende Nebel an den Bergeshöhen dahin. Als der Wagen über das Pflaster der Stadt rasselte, fleckte dieses schon von den ersten fallenden Tropfen, und als er das Bahnhofsgebäude erreichte, strömte es in stoßweisen Güssen vom Himmel nieder.

Der Bauer warf dem Knechte Peitsche und Leitriemen zu. »B'hüt' dich Gott, Heiner,« sagte er.

»B'hüt Gott, Bauer! Schau' dazu, daß d' uns fein wiederkimmst!«

»Sorg' nit,« rief Toni noch zurück, als er mit Weib und Kindern, denen er aus dem Wagen geholfen, unter dem Tore verschwand.

In der Halle reichte ihm die Bäuerin erst den Knaben dann das Dirnlein zum Kusse hinauf, nun hing sie selbst an seinem Halse.

Er hatte die Kleinen rasch wieder weg und auf ihre Füßchen gestellt, jetzt machte er sich aus der Umarmung Helenens frei. »Laß's gut sein, mach' dir nit unnötig 's Herz schwer, du weißt, ich mag solche G'schichten nit leiden.«

Er drückte ihr die Hand und ging, um in den Wagen zu steigen.

Als sich der Zug in Bewegung setzte, winkte er noch einmal flüchtig mit der Hand aus dem Fenster, dann trat er von selbem zurück, – und war fort!

Die Bäuerin erinnerte sich später oft an diesen Augenblick. Alles Fauchen der Maschine, alles Kettengeklirre und Rädergerassel erstarb in dem Gebrause der stürzenden Wasser, die wie ein wehender Vorhang über die nächste Umgebung fielen, so daß unweit der Halle die Schienen sich im fahlen Grau verloren, und dahinein glitt wie lautlos und richtlos der Zug und verschwand ohne Spur.

 

So hauste nun die Sternsteinhofbäuerin allein auf dem großen Anwesen. Sie kam damit schlecht und recht zustande, die Nachbarn waren freundlich, und das Gesinde willig; denn Helenens Lage erachtete man als ein hartes Müssen und in keinem Vergleich zu der Tonis, der mutwilligerweis' den Alten verdrängt und sich unberaten als Herrn aufgespielt hatte, den man mit rückhältiger Genugtuung gerne in Verlegenheit stecken ließ, wenn nicht gar aus Bosheit in solche setzte. Der Bäuerin gegenüber ließ man es an keiner Wohlmeinung fehlen.

Der Reif begann sich auf den Wiesen zu zeigen und das Laub auf den Bäumen zu vergilben, und unter der langen Zeit war nur ein Schreiben von fremder Hand auf dem Sternsteinhofe eingetroffen, das von Toni Nachricht brachte; der junge Bauer hatte dasselbe, in offenbar mißlauniger Stimmung, einem schreibfertigen Kameraden in die Feder diktiert; er berichtete kurzweg, daß er – Gott sei Dank – guter Gesundheit sei, aber die Rackerei bis an den Hals satt habe und kaum glaube, das Ende davon erwarten zu können. Selbst zu schreiben, fände er keine Zeit und käme ihm ungelegen.

Weitere Botschaft blieb aus, aber diese in ihrer Kürze und Schneidigkeit ließ seine Leute sowie das Gesinde erwarten, er werde mit einmal ins Haus fallen, eh' wer einen Gedanken daran hätte!

An einem sonnigen Nachmittage, als die Zwischenbüheler vom »Segen« heimgingen, verließ die Sternsteinhofbäuerin unter den letzten die Kirche; nachdenklich stieg sie die breiten Stufen vor derselben hinab, vor ihr hastete nur mehr ein altes Mütterchen in zappeliger Unbeholfenheit hinunter, sie erkannte in demselben die Matznerin, holte sie ein, leitete sie und brachte sie ungefährdet auf ebenen Boden.

»Je, je,« lächelte die Alte, »wie du gut bist, Bäuerin. Vergelt dir's Gott!«

»Nix z'danken, gern gescheh'n. Aber sag' mir nur, eilt's dir so?«

»Ei, freilich, ich muß ja zu meiner Sepherl hoam.«

»Was is denn mit der? Ich hab' s' d'längste Zeit nimmer g'seh'n.«

»So is's dir nit z'Ohren kämma? Beim Grummetschneiden in albern' Necken hat dös dumme Mensch – der arme Hascher – einer andern in d'Sichel 'griffen und sich d'Hand arg zerschnitten, und hitzt hab' ich s' daheim sitzen; sie kann nix verdienen, und was richt' ich, was mer kaum kral'n kann?«

Die Alte sah Helenen mit feuchten Augen an.

»Warum seid's auch nit gleich zu mir kommen, wie das g'scheh'n is?« fragte diese.

»Hätt' mer därfen?«

»Ich denk', 's wär nix B'sonder's, wann's mir vertrauets und ich euch aus alter Freundschaft hilf.«

Die Matzner hustete verlegen. »Ich hab' wohl gleich an dich denkt, aber sie wollt's nit leiden.«

»Dalket g'nug von ihr.«

Die Alte nickte, dann sagte sie mit zutraulicher Geschwätzigkeit: »Du stellst dir's nit vor, Bäuerin, was für a Kreuz ich mit derer Dirn' hab'! Sie hat amal kein Glück af der Welt, und no verscherzet' s' gar dargebotene Hilf! Warum s' dir nit kommen wollt', denkst dir wohl, wirst's ja g'merkt hab'n, wie ihr dein Seliger ins Herz g'wachsen g'west is? Aber ihm war an ihr nix g'legen. No, mach' einer ein' Knopf, wo der Schnur 's andere End' fehlt!«

Die Bäuerin senkte nachdenklich den Kopf. »Ich will mit der Sepherl nit d'rüber streiten, ob er's mit ihr nit besser g'troffen hätt', 's war sein' Sach' und – wann ja – sein Schaden; aber das sein alte G'schichten, Matznerin, die mehr nimmer herg'hören. Sag' ihr, ich ließ sie grüßen, und wann s' wieder heil is, soll sie sich anschau'n lassen bei mir. Ich gäbet sie gern als Aushelferin der alten Kathel bei, und wann s' anstellig is, wer weiß, was sich noch schickt. Bis dahin komm' du, wann's euch an was fehlt, ich helf' dir aus, das geht sie nix an. Du bist doch nit z'stolz?«

Das alte Weib schied mit tausend Dankesbezeugungen von der Bäuerin.

Als Sepherl von dem »großen Glück«, das ihr bevorstünde, und von der Unterstützung, die ihrer Mutter zuteil werden sollte, erfuhr, sagte sie: »Du magst von der Sternsteinhoferin nehmen, was du kriegst und was sie dir vermeint; dir möcht' ich nit zumuten, du sollt'st dir ein' Abbruch tun noch ihr ein christlich Werk verleiden; aber ich nehm' nit 's Geringste von ihr, und unter ein'm Dach mit ihr z'hausen, das brächt' ich nit zuweg'. Versteh' mich auch recht, meinerwegen trag' ich ihr nix nach, obwohl vielleicht allein mein Unglück war, daß sie gleichzeitig mit mir und an ein'm Ort af der Welt g'wesen is; aber wie s' an ihm g'handelt hat, der mir der Liebere war als ich mir selber, das mag ich ihr verzeih'n, wozu mich mei Christentum verpflicht', doch vergessen – vergessen kann ich ihr's nit!«

Nie, während ihres noch langen Lebens, betrat Sepherl den Sternsteinhof, Jahre durch half sie sich allein in der Welt fort, und als altes Mütterchen gab sie ihr kleines Anwesen an ein armes, junges Brautpaar, nur dürftigen Unterhalt für ihre wenigen Tage und die rückwärtige Kammer als Wohnraum ausbedingend. In ihrer letzten Stunde legte sie die »schmerzhafte Gottesmutter« in die Hand des Priesters, der an ihrem Sterbebette saß. »Ein rechtes, heiliges Bild und ein gar teuer' Andenken,« und sie bat: daß man dasselbe »gut halten« möge, ihr zum Trost und einem »anderen Verstorbenen« zur Ehr', mit dem sie nun zusammenzutreffen hoffe, falls ihr von Gott diese Freude bestimmt sei.

 

Als die Sternsteinhofbäuerin vom Kirchgange heimkehrte, empfing die alte Kathel sie an der Haustüre: »A Brief is kämma, Bäuerin, ich hab' dir'n h'nauf in d'Stuben af'n Tisch g'legt. Papier und Siegelwachs is nit d'ran g'spart; wird wohl was Obrigkeitlich's sein.«

»Hm, ein' neu' Steuerauflag' vielleicht.« Damit stieg die Bäuerin hastig die Treppe empor. Wenige Augenblicke später hielt sie das Schreiben in den Händen, es kam vom Notar in der Kreisstadt, dessen Adresse stand vorne daraufgedruckt; Helene zerriß den Umschlag, ein beschriebenes Blatt und eine Nummer der Provinzial-Zeitung, welche die amtlichen Verlautbarungen brachte, fielen ihr daraus entgegen.

Sie begann zu lesen, plötzlich erblaßte sie und sank auf den danebenstehenden Stuhl, wie tot lag der Arm, welcher die Blätter gefaßt hielt, über dem Tische. Nach einer Weile raffte sie sich auf und schlich an das Fenster; die Papiere raschelten in ihren zitternden Händen, noch einmal las sie aufmerksam Zeile für Zeile; als sie geendet, sank ihr die Hand mit dem Schreiben schwer herab, während sie mit der andern hastig das Taschentuch herausgriff und vor die tränenden Augen drückte.

Darnach stand sie lange, selbstvergessen und verloren, das feuchte Tuch an die Stirne pressend, und starrte hinaus in die Gegend, ohne zu sehen. Ein lautaufächzender Seufzer, den es ihr unversehens herausstieß, machte sie zusammenschrecken, sie wandte sich und verließ die Stube und das Haus. Als sie in den Hof trat, kam um eine Scheunenecke der kleine Muckerl, die Juliane auf dem Rücken, dahergaloppiert.

»Mutter,« rief er lustig, »da schau', wie sich dös Mehlsackl schleppen läßt! Wie s' müd' wird, weint s', und dabei will s' üb'rall sein!«

Die Bäuerin winkte abwehrend mit der Hand und sagte ernst: »Sei still!« Sie nahm die Kleine vom Rücken des Knaben herab und stellte sie an dessen Seite. »Is brav, wann du dich schon jung um d'Weibsleut' annimmst. Gar um dein Schwesterl wirst's wohl müssen, armer Bub'.« Sie fügte die Hände der Kinder ineinander und schritt mit den Kleinen gegen das Ausgedinghäusel des alten Sternsteinhofers.

Dieser saß auf der Bank davor und neben ihm der Käsbiermartel; als letzterer der Bäuerin ansichtig wurde, sagte er: »Guck' mal, geht dort nit der Drach'? Wie kommst denn aus mit ihm?«

»A Drach' is s' wohl,« murrte der alte Bauer, »aber was ein Schatz hüt't; ließ' mer so ein'm sein Fleckl aussuchen und 'n d'rauf in Ruh', hätt' mer's beste Auskommen; doch wer sieht denn so'n Untier gern af'm Sein'm? Übrigens, was wahr is, is wahr, breit g'nug sitz't s' af'm Ganzen; vor Schaden weiß sie sich z'wahren, muß sich nur noch weisen, ob sie sich auch auf'n Nutzen versteh'n lernt, dann is sie da der Bauer; mein Bub taugt amal nie dafür. Und was recht is, du hast kein' Grund, ihr aufsässig z'sein, dein Tochterkind halt't s' wie ihr eig'nes. Ich aber – der s' von all'm Anfang da wegwehren wollt' und dem s' hitzt z'Trutz da sitzt – ich will nix mit ihr.«

»Ich aber auch nit, schon dir z'lieb nit. Und no will s' gar daher, da geh' ich. B'hüt Gott!« Käsbiermartel erhob sich und ging, doch nicht ohne der Bäuerin mit süßlichem Lächeln gute Tagzeit zu bieten und etwas von »immer schöner werden« verlauten zu lassen.

Helene nickte ihm einen kurzen Gruß zu und schritt vorüber, und der alte Sternsteinhofer nahm die Pfeife aus dem Mund und spuckte hinter dem »Kerl« aus, »der gute Worte ins Gesicht und üble hinterm Rücken gäbe.«

Als die Bäuerin ganz nahe herzutrat, blickte der Alte an ihr hinauf, und da er ihr bleiches Gesicht und ihre geröteten Augen wahrnahm, fragte er: »Wast hast?«

»Nachricht vom Toni.«

»Was schreibt er?«

»And're tun's.«

Der Bauer starrte sie an. »Doch nit –?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Blessiert?«

»Nein.«

»Auch nit? Was denn nachher?«

Sie reichte ihm das Schreiben hin.

Zögernd faßte er darnach und las es stille für sich.

– – Der Notar, als langjähriger Geschäftsfreund und aufrichtiger Anteilnehmer an den Geschicken seiner verehrlichen Klienten, bedauerte unendlich, sich zu einer schweren, traurigen Pflicht gedrängt zu fühlen. Indem er voraussetzen müsse, daß direkte Mitteilungen vom Kriegsschauplatze bei den in solchen unruhigen Zeitläuften häufigen Störungen des Postverkehrs oftmals durch die amtlichen Verlautbarungen überholt würden und daß diese wieder den werten Angehörigen nicht sofort zugänglich wären, so erlaube er sich mit dem Ausdrucke wahrsten Beileids, aber auch mit dem beherzigenswerten Hinweis auf die Hoffnung, daß eine gütige Fügung des Himmels doch immerhin noch das Ärgste abgewendet haben könne, ein Zeitungsblatt mit der amtlichen Verlustliste aus den letzten Gefechten zur Einsichtnahme anzuschließen. – –

Das Papier knitterte unter dem Finger, der von Zeile zu Zeile, von Namen zu Namen rückte, plötzlich hielt er, zusammenzuckend, inne.

»Vermißt.« Der alte Mann sah langsam auf, doch hastig gab er Raum an seiner Seite, Helene sank neben ihm auf die Bank.

»No, g'scheit sein! Mer weiß halt hitzt nit, wo der Toni steckt; doch der Notarjus hat recht, mer braucht nit gleich 's Ärgste z'glauben, er kann sich allmal wieder finden. Ich bin überzeugt, er find't sich wieder. Unkraut verdirbt nit.«

Er machte den Versuch, ein verschmitztes Gesicht zu ziehen, und Helene versuchte zu lächeln, aber das war nur ein flüchtiges Zucken um Augen- und Mundwinkel; sie fühlten gegenseitig sich wie über einer Lüge ertappt und blickten wieder ernst.

Mit Tränen kämpfend, begann die Bäuerin: »Wir wollen 's Beste hoffen, aber wir müssen uns doch auf's Schlimmste einrichten. Ich möcht' dich wohl bitten, daß d' h'nauf ziehest zu mir, damit ich nit so verlassen in dem weiten Gemäuer haus', auch daß d' mir in der Wirtschaft an d'Hand gingest; aber wann d' nit mit mir unter ein Dach willst und mir kein' Rat gönn'st, so magst es ja lassen, ich tracht' mich dann schon einz'g'wöhnen und alles allein z'richten, wie gut ich's vermag. Aber die Gnad' hab'« – sie drückte die gefalteten Hände an seine Brust, – »um'n Bub'n nimm dich an; du bist sein Ehnl, er is dein Fleisch und Blut. Du sollt'st's, und von dir kann er was lernen, und ohne Mann-Anleitung wird aus ein'm Bub'n nix! Anfangs wird wohl 's kleine Menscherl da häufig mitrennen, denk' nit, ich wär' so albern, dich zu ein'm Kindshüter machen z'wollen, in den Jahren halten Kinder halt gern z'samm; aber wie unser Dirndl größer wird, nehm' ich's schon zu mir, und 's soll mein' Sorg' sein, sie rechtschaffen z'leiten und z'lehren, wie mir zukommt; aber'n Bub'n weis' und lehr' du, laß' ihm's nit entgelten, was d' etwa noch von früher her gegen mich hast.« Sie erhob sich, schwer die Hand auf seine Schultern aufstützend, und schob ihm den Knaben zwischen die Knie. »Schau', wenn halt hitzt nit wär', was sich geschickt hat und geworden ist, nit nur ich stund' verlassen af der Welt, auch du wärst nu vereinsamt af dein'm weiten, reichen Anwesen.«

Der Alte runzelte die Brauen, sah finster vor sich hin, dann nickte er paarmal mit dem Kopfe und legte die breite Hand auf den Scheitel des kleinen Muckerl.

Über eine Weile hob er sich sachte vom Sitze, ohne die Rechte wegzuziehen; mit dem Rücken der Linken aber strich er sich dicht unter dem Hutrande über die Stirne und keuchte: »Heiß ist's, Bäuerin, heiß, – hätt' 's nit denkt, um die Zeit noch . . .« Plötzlich warf er die Hand vor sich und stöhnte laut auf: »Ah, 's is arg.«

»Gar arg,« weinte sie leise.


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