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Ärmliche Hütte.
Im Hintergrunde eine Mitteltüre, rechts eine Holztreppe, die auf den Boden führt, links ein Kachelofen. Im Vordergrunde ein Tisch, zwei Holzsessel, ein Großvater-Stuhl, neben an den Kulissen eine Bank, davor zwei Spinnräder; zwischen diesen und dem Großvaterstuhl steht ein Kienspanhälter, ein solcher Span beleuchtet die Szene.
Die Baumahm im Großvaterstuhl liest in einer großen Hauspostille, Rosl und Kathrein sitzen auf der Bank und spinnen abgespannt und schläfrig; wenn der Vorhang aufgeht, steigt der Bader die Holztreppe herunter.
Bader
(kommt unter folgendem vor und setzt sich an der Seite der Mahm).
's is recht g'scheit g'wes'n, Leutl, daß mich gleich habt's rufen lassen, nur immer rechtzeit dazuschau'n; aber da sein a paar im Ort, die sag'n: »Ja, der Bader kann auch nix geg'n die Natur, wo die nit hilft!«
Mahm.
Was macht er denn, der Bruder?
Bader.
Er schlaft wie 's ruhig Gewissen und morgen steht er g'sund wieder auf; geht auch schlafen, Dirndln, der Vater is außer aller G'fahr.
Mahm.
Meiner Treu', bin ich froh, ich hab schon glaubt, 's müßt a Leich' ins Haus, die Totenuhr hat die ganz' Nacht in ein'm fort tickt in die Wänd'.
Bader.
Dumm' Zeug, Baumahm, die Totenuhr, das sag ich Euch, is nix weiter als ein Wurm, der sein' Schädel im Holz anrennt, und bedeut' morsche Bretter und Balken, sonst nix! – Bleibt Ihr noch a Weil' auf, Baumahm?
Mahm.
Solang so a Wetter is, fürcht mer sich doch.
Bader.
Wißt, ich passet's auch gern ab, die Nässen kann ich nit leiden. Her hab ich müssen, von wegen dem Kranken, aber z' Haus, das is ein ander Sach; da is mein Weib, die kann euch die Nässen nit leiden und zählt mir jeden Tropfen vor, wann ich heimkomm! Da sein die Dirndln da ein paar andere, brave, die sein zu mir g'laufen kommen weg'n Vater in dem Höllenwetter. Na, dafür kriegt jede amal ein' brav' Mann.
Rosl.
Ja, Bader, aber ein', der sich z' Haus traut zu sein' Weib.
Kathrein.
Und wo man nit, wie heut bei Euch, schon vorm Wetter die Tropfen kann zähl'n von der Näss', was Euer Weib nit kann leiden.
Bader.
Oho! Oho! Ihr meint, weil ich trink. Teixeldirn! Trinken muß unsereins, das g'hört dazu, daß 'n die Elendigkeit der Leut' nit so angreift. Ich wollt, dös Wetter wär erst vorüber.
Kathrein.
Meint's das dahoam – oder –
Bader.
All' zwei!
Rosl.
Geht, Mahm, macht Euer Buch zu, Ihr derbetet's doch nit, daß dös Wetter in der Bälden aus wird. Heunt wär so a Nacht für a recht a grusliche G'schicht, verzählt's eine.
Kathrein
(kneipt sich in den Arm).
Es is so eigen gut, wenn man a Ganshaut kriegt.
Mahm.
Ös wißt's, der Bader kann die gruslichen G'schichten nit leiden.
Bader.
Erzähl s' nur, Baumahm! Meinetweg'n kriegt ihr eure Gänshäute, schlechte Träum' und schiefe Ansichten, mir is's gleich.
Rosl
(setzt sich zurecht).
So fang d' Mahm nur an.
Kathrein.
Ich paß schon drauf.
Mahm (klappt die Postille zu). No, so lost's halt zu! – Es war amal a Bauer – – –
Rosl
(lachend).
Ui je! Dös is die alt' G'schicht' vom faulen Bauern, der g'meint hat, wann er arbeit't, müßt er a wissen, für was.
Kathrein.
Geh zu, du weißt's doch nit, die Mahm meint g'wiß dö vom Bauern, der die Kuh hat am Markt g'führt, und sein zwei Spitzbub'n kämma –
Mahm
(schlägt auf den Tisch).
Schnattert's und schnattert's, dumme Menscher, wißt's net, daß alle G'schichten so anfangen? Alsdann: Es war amal a Bauer –
Bader.
Pst! Horcht's auf – es kommt einer auf die Hütt zutappt!
Vorige. Ferner tritt durchnäßt, aufgeregt, bleich, mit wirrem Haar durch die Mitte ein und schwenkt seinen nassen Hut aus.
Ferner
(dumpf).
Gelobt sei Jesus Christus!
Alle
(außer der Mahm).
In Ewigkeit!
Mahm.
Na, na, saut's nit d' ganz' Stuben ein, von Enk rinnt's ja abi – in Ewigkeit, Amen! Bleibt's fein dahint bei der Ofenbank. Hat Enk wohl a 's Wetter in die Berg' derwischt?
Ferner.
Freilich!
Mahm.
Wöllt's da unterstehn? Is recht. Seid's wohl von weit her? Was? Ich kenn Enk nit, seid's nit vom Ort.
Ferner
(setzt sich auf die Ofenbank).
Nein.
Mahm.
Ös seid's aber kurz.
Rosl.
Laß 'n a die Mahm gehn, mer is nit so redselig, wann ein' so a Wetter orndlich durchg'weicht hat. Erzählt's lieber d' Gschicht'.
Mahm.
Es war amal a Bauer, der war so viel reich und dem war a arm' Häusler Geld schuldig, viel' Jahr' her, und wie der arm' Mann zum Sterben kimmt, so laßt er 'n reichen Bauern an sein Totbett kämma und zahlt ihm all das, was er ihm schuldig is, aus, ruft dann sein Weib, sagt: Du, ich hab alles zahlt, und war tot; die arm' Wittib begrabt ihren Mann und nach a paar Täg'n drauf geht s' zum reich' Bauern und sagt: Mein Mann hat dich zahlt, gib mir die G'schrift drüber! Was, sagt der reich' Bauer, was willst du? Ich hab dir kein G'schrift z' geb'n, denn ich hab von dein' Seligen kein' Kreuzer Geld g'sehn.
Rosl.
Der Halunk!
Kathrein
(drückt sie an sich).
Sei stad.
Mahm.
Da is das arm' Weib in die G'richt' gangen, hat g'sagt, so und so hat mein Mann, Gott hab 'n selig, angeb'n; der reich' Bauer aber sagt »nein«. Da hat der reich' Bauer vor G'richt müssen und hat keck die Hand aufg'hob'n zu unserm Herrgott und hat g'schwor'n, so is und so wär's, wie er g'sagt hat, und der arm' Wittib und ihre zwei Kindern hab'n s' ihr ganz's Hab wegg'nommen, und so war der reich' Bauer doppelt g'zahlt und doppelt reich und doppelt froh. Er hat sich denkt, jetzt hast der Sünd' ihr'n Vorteil und jetzt wirst wieder mit 'm Himmel auf gleich, und er hat ang'fangt, fleißig in die Kirch' z' gehn und z' beten und Almosen zu geben und Messen zu stiften, und hat von da an bei die Leut' nur der frumm' Bauer g'heißen. Hat sich a drauf was z' gut tan, daß ihm all's nach sein' Herzen is ausgangen. Hat er um ein' Reg'n bitt', so hat's g'regn't; hat er weg'n sein' Viehstand bet', so hab'n alle Küh' kalbt, daß's a Freud' war, und hat er z'weg'n sein' Kinderseg'n a Gebitt g'stellt, so is sein Weib so leicht niederkämma, daß kaum a Hebmutter nötig war, und hat er g'meint, 's möcht' a Bub sein, so war's auch einer! So is ihm, wie er g'meint hat, der Segen nur durchs Dach ins Haus g'fall'n, und er hat glaubt, daß neamand mit 'm Himmel besser stehn kann als er.
Rosl.
Geht's, die G'schicht hat ein' Anfang, daß man sich muß giften. A so ein schlechter Kerl.
Mahm.
So derwart's nur, 's Letzt' is's Beste.
Ferner
(sichtlich aufgeregt, kommt vor).
Ös verzählt's da a G'schicht' – dö verintressiert mich – ös erlaubt's
(setzt sich auf den leeren Stuhl), ich hör so G'schichten gern.
Mahm.
Na, so ruckt's halt zucher. – Aber, was is Enk denn, Ös zittert's ja wie im Fieber, kein' trocknen Faden habt's a nit am Leib, dös kann unmöglich a gut tun. Wollts Enk nit lieber ins Heu leg'n?
Bader.
Das meinet ich auch. Seid's a g'scheit' Weib, Baumahm!
Ferner
(schüttelt energisch den Kopf).
Verzählt's vorerst die G'schicht' aus. – Bin b'sunders drauf, wie's dem reich' frumm' Bauer noch gangen is.
(Stützt zuhorchend den Kopf in beide Hände.)
Mahm.
Na, alsdann, wie ich sag, der Bauer hat g'lebt, so ruhig, als ob der Herr im Himmel verstorb'n wär und hätt 'm Teufel die Welt in Pacht geben. Und wie so sein End' herankämma is, so denkt er, jetzt machst es ganz richtig und es kann dir nit fehl'n, du mußt in Himmel und a da nit am letzt'n Platz, er schickt alsdann nach 'm Beichtvater, und wie der Knecht, der um den g'schickt war, kaum vors Tor tritt, kommt der Geistliche schon daher und sagt: »Ich weiß's schon, ich weiß's schon, bin schon da!« 's ganze G'sind' hat ihn drauf zum Bauern neingehn g'sehn, und wie er drin war, hat er alle nausg'schickt und hat sich hingesetzt ans Betteck.
(Mit erhobener Stimme.) Zur nämlich' Stund' aber, und das hat 's ganz' Ort g'wundert, wo's g'heißen hat, der Pfarrer wär beim reich' Bauer, is der wirklich Pfarrer im Wirtshaus g'sessen und hat mit 'm Bürgermeister und 'm Lehrer kartelt!
Rosl.
Du, Kathrein, hörst!
Kathrein.
Freilich, jetzt kommt's zum Fürchten.
Bader.
(für sich).
Dumme G'schichten –
Ferner
(schüttelt's, er läßt die beiden Hände glatt am Leibe heruntersinken; da alle auf ihn sehen, blickt er zur Seite).
Macht's nur fort!
Mahm.
Wie die zwei so allein in der Kammer sein und es is so ruhig, daß man die Uhr hat gehn g'hört, da fangt auf einmal der am Betteck, den der reich' Bauer für 'n Beichtvater g'halten hat, an zu fluchen, daß's dem im Bett zum grausen anhebt. Der Bauer hat sich drauf wöll'n bekreuz'n, daß er sein' Beicht' anheb'n kann, er hat's aber nit z'weg'n bracht, ebensowenig hat er Gott und die lieben Heilig'n anrufen könna. Der schwarze Mann aber, wie er das g'sehn hat, hat er g'lacht und g'sagt: »Plag dich nit, Bauer, ich weiß eh alles und besser wie du.« Da hat sich der Bauer sein letzt' Restl Kuraschi z'sammg'nommen und hat g'sagt: »Ich hoff, daß mir alles verzieh'n is, wär ich in der Schuld, lieget nit der Seg'n auf mein' Haus und mein' Hof!« Da lacht der schwarze Mann, daß's 'n Bauer im Bett z'sammbeutelt hat, und hebt sich am Betteck so hoch, daß er an die Tram oben anstoßt; »Bauer«, sagt er, »so is's nit! Du hast mal die Hand zum Himmel aufg'hob'n und hast g'schworen, daß dein' Lug' wahr wär, von da an warst mir verlobt, und der Obere hat dir von der Stund' an nimmer nutzen und schaden könna, und ich hab dir's wohl sein lassen, damit'st dich nur noch mehr verblendst, 's Schlechteste is dir verwilligt word'n, weil ich woll'n hab', daß d' dich auch im Gebet versündigst und kein Weg dich mehr zurückführt zu dem andern, den ich nit nennen kann.«
Ferner
(blickt, am ganzen Körper bebend, mit verglasten Augen nach der Erzählerin).
Du verflucht' Erbfeind!
Mahm
(wirft ihm einen bösen Blick über die Störung zu und fährt fort).
»Bauer«, sagt der Höllische, »g'hörst mein, mein g'hörst, denn dein ganz Leb'n hast in mein' Diensten zubrachte – Ich war dein Oberer und dein Herr von dem Augenblick, wo du vorm Kreuz die Wahrheit abg'schwor'n hast, bis später, wo ich dir dein sündig Bitten erfüllt hab', denn es steht geschrieben: 'Ich bin der Lügengott und Fürst der Erd'!«
Ferner
(entsetzt).
So schaut's aus!
(Kleine Pause – rafft sich noch einmal auf, halb wie trotzig.) Dös is doch nur ausdenkt!
Mahm
(wie oben).
Alsdann, daß ich sag, wie selb' alles der Bauer merkt, da hat er woll'n sich bekreuzen, aber der Höllische hat g'lacht: »Ich weiß, du möcht'st jetzt a Kreuz schlag'n und dös könnt dich auch derretten, wann d' Hand noch dein wär', aber du Depp, du vergißt, daß die Finger, die d' dabei z'sammfalten müßt', d' Schwurfinger sein, so heb den Arm, wann d' kannst!...«
Ferner
(fährt mit wildem Aufschrei empor.)
Franzl!! – Was wißt's ös davon? – Trag ich leicht schon a Zeichen an der Stirn? Was neugiert's nach mir her? Weg!
(Wendet sich mit starrem Blick). Was soll's? Aus jedem Winkel verfolgen mich Augen mit verwunderigem G'schau! Was wollt's mir abfragen? – Fort! – Hinaus! –
(Indem er sich aufrafft, stößt er den Stuhl um, eine Staubwolke wallt auf, der Stuhl hemmt seinen Fuß.) Haha! Was steigst denn grau aus 'm Boden auf, alter Erbfeind, warum nit in deiner Leiblivree – schwarz, ganz schwarz?! Bin ich dir z' g'ring, oder bist meiner schon so gewiß? – Laß ab von mir! Wann ich's auch g'spür, wie mir deine Faust den Atem verlegt – wann ich's auch g'spür, wie die Ottern sich kalt herauswinden an mir – laß ab – dir laugne ich's – Gott alleinig will ich's g'stehn! Fort! Du mußt hinweg! Meinst, ich könnt mich nimmer bekreuzen? Schau her!
(Versucht vergeblich die Rechte zu heben, zugleich fährt er mit der Linken in einem raschen, bebenden Strich über die ganze rechte Seite seines Körpers und stürzt mit dem Aufschrei: Jesus! zu Boden.)
Bader
(der zugesprungen ist.)
Rennt's eins hinein ins Ort, sie sollen 's Zügenglöckel läuten!
Ferner
(etwas linksseitig sich aufstützend).
Die Crescenz!...
(Stirbt.)
(Gruppe – Zwischenvorhang fällt.)
Vronis Schlafstübchen, wie im zweiten Akte; das Licht herabgebrannt.
Kurzes Melodram
Wenn der Vorhang aufgeht, leise Schlummermusik, in die, immer kräftiger, der Schwärzermarsch eingreift, bis er sie übertönt und rasch abbricht, sobald sich Vroni vom Bette erhebt.
Vroni, dann Liese.
Vroni
(sitzt angezogen auf dem Bett und liegt mit dem Oberkörper quer über dasselbe; ihre Bewegungen werden unruhiger, je lebendiger die Musik wird – sie erhebt sich, die Musik schließt).
Was is's denn?
Liese
(pocht außen).
Vroni! Vroni!
Vroni.
Ah, die Ahnl ruft!
(Sie steht auf und geht zur Türe.)
Liese.
Vronerl, mach auf!
Vroni.
Ja, Ahnl!
(Schließt auf.)
Liese
(tritt unter die Türe).
Die Pascher sind da! 's wird trawig im Haus, dös gang dich zwar nix an, du liegest da ruhig gnug vorm Lärm, und ich hätt dich a die erst' Nacht in der Hütten nit gern aufg'rebellt, aber wir brauchen dein Kammerl für ein' Stadtherrn, den die Pascher mitbracht hab'n.
Vroni.
No, werd'n s' doch nit d' Leut a schon reinschwärzen.
Liese.
No, der is gar a traurig' War', sein' Büchs' is ihm losgangen, er hat sich selber ang'schossen und is kopfüber abi in d'Wildbachschlucht g'stürzt; wann die Pascher nit grad rechtzeit dazukämma, daß s' ihm noch derglengen können mit 'm Seil, wie er nur' hängt im G'strüpp, wo er sich derfangt hat, und dös sich schon loslöst unter seiner Schwer'n, so is er hin.
Vroni
(erschreckt für sich).
Um aller Heilig'n willen, wenn dös der Franz wär!
Liese.
Ich bring ihn gleich, nimm derweil dein' Jopp' um und richt dir die Haar! Kannst nachher in mein Stüberl hinüber.
(Ab.)
Vroni
(zieht sich mechanisch an, wie die Liese gesagt).
Ich mag's nit denken – es wird nit so sein! – Sollt der arme Bub um mich leiden! 's is g'wiß a fremd' G'sicht...
Die Vorigen. Liese führt Franz herein.
Vroni.
Jesus, er is's!
(Zustürzend und ihn von der andern Seite stützend, leidenschaftlich.) Franz, Franz – da dran bin ich schuld! – Sei nit bös, ich bitt dich, daß ich den Alten auf dich g'hetzt hab, hätt ich mir's denken können, daß's so ausgeht...
Liese (steht jetzt zur Seite, sie hat voll Erstaunen den Arm des Franz verlassen, den Vroni nun allein stützt).
Franz
(bleich, wirres Haar, etwas unsicher gehend, die Kleider derangiert, den linken Arm in der Binde, beißt manchmal die Zähne übereinander).
Was sprichst du denn? – Ich – ich selbst – habe ja –
Vroni.
Ja – du hast dich leicht ang'schossen mit der Büchs', die der andere g'habt hat.
Franz
(sinkt in den Großvaterstuhl).
Wenn du mir einen Dienst erweisen willst, so rede nichts davon!
(Schließt die Augen.)
Liese.
Ah Spektakel, ös kennt's enk, ös seid's so vertraut – da kennt sich kein Teixel aus! – Wer is denn dös?
Vroni
(halblaut).
Der Ferner Franz!
Liese
(höchst verwundert).
Der jung' Meineidbauer?!
Vroni.
Der is kein Meineidbauer, Ahnl, der nit!
Liese.
Ja, bist leicht g'schossen in ihn a noch?
Vroni.
Was du nur gleich denkst! – Aber wann d' mir willst Lieb' erweisen, Ahnl, laß mich bei ihm.
Liese
(zögert).
Dein verwundrig's Reden – und dö Zutunlichkeit – da sollt sich eins auskennen.
(Von draußen Rufen und Gläseraufstoßen: »He, Mutter Lies'!« Schreit durch die Türe:) I kimm gleich, ös Sakra!
(Sieht auf Vroni und Franz und schüttelt den Kopf.) No, meintweg'n, spiel d' barmherzig' Samariterin – der schad't dir nix.
(Im Abgehen.) Hätt's nie denkt, was heut alles unter mein' Dach z'sammkäm!
(Ab.)
Vroni und Franz.
Vroni
(halblaut).
Wir sein alleinig, Franz, därf ich hitzt' reden, wie d' Wahrheit is?
Franz
(läßt die Rechte vom Gesicht sinken).
Wozu – wozu auch? – Wird's anders dadurch? Ich bin verunglückt, und damit ist alles ausgeglichen, und weder du bist schuld noch der andere.
Vroni.
Es gibt mir kein' Ruh', daß du um mich hast leiden müssen, daß d' vielleicht sollt'st dein Leblang a Krüppel bleib'n, daß d' sollt'st...
Franz.
Laß gut sein, Vroni, was sein soll, wird kommen. Mußt nit viel davon reden, das quält mich, und mein Kopf ist so wüst – ich brauche Ruhe.
(Lehnt sich zurück und schließt die Augen.)
Vroni
(tritt etwas von ihm zurück).
Wie ihn 's Fieber beutelt und wie er die Zähn' übereinander beißt.
(Sie setzt sich auf die andere Seite und hält die Hand vors Licht, daß der Schatten auf Franz fällt.)
Franz
(unruhig).
Vroni, sag, was ist denn das für ein leises Schwirren in der Luft – ist vielleicht eine Stechfliege im Zimmer. Ich bin ängstlich und wehrlos wie ein Kind.
Vroni
(horcht auf).
Es ist nix da herin in der Kammer – das klingt so von außen herein.
(Geht gegen das Fenster.) Das kommt von Ottenschlag herauf!
(öffnet das Fenster, man hört kaum merklich das Zügenglöckchen.) Sie läuten unten für oans 's Zügenglöckel!
Franz.
Wohl ihm! Ich wollte, sie läuteten's für mich!
Vroni
(hat das Fenster geschlossen und kommt wieder an ihren früheren Platz).
Geh! Was tust denn jetzt auf einmal so verzagt und kaum vor a Stund warst noch mein kuraschierter Bub, der morgen mit mir in die Berg' und dann lustig in die weit' Welt geht!
Franz
(wehmütig lächelnd).
In die Berge?! So zerschlagen an Leib und Seele, wie ich mich fühle, kann ich ihnen nur mit den Augen beikommen! In die Welt?! Oh, als ich das sagte, war ich gesund, jetzt bin ich krank, und da ist man ein ganz andrer, Vroni – das merke ich, die Schande, die hereinbricht über unser Haus, die richtet's nun mit einemmale zugrund, die überleb ich, so wie du mich jetzt siehst, nicht – es ist wohl besser so!
Vroni.
Red nit so! Ich hätt wahrlich kein' Freud' an mein' Recht, wann du so übel dabei fahrest. Du bist der best', der liebst' Freund, den ich auf der Welt hab, ich wüßt kein' andern!
Franz.
Ich dank dir, Vroni – es ist mir recht lieb, daß du zur Stunde um mich bist, daß ich dich bitten kann: Bewahr mein Angedenken! Horch, sie haben zu läuten aufgehört und unten in der Hütten beten sie wohl noch für den, der den letzten Weg gegangen – wohin?! Ich gehe ihn gerne, wohin er auch führt. Ich denke, wie dort unten auf dem kleinen Friedhofe – wo auch deine Mutter ruht – das stille Herz doch in einem Stückchen Heimat gebettet schliefe und wie alle Not und Schande nicht mehr daran rühren könnte. – Du wirst wohl wilde Rosen für das Grab deines Freundes haben – ihr werdet doch zu meinem Hügel kommen? – Du und der Toni, wenn ihr versöhnt seid, wenn beide Höfe in eins sind – die reichsten Bauersleut' zum Grabe des ärmsten Bauernsohnes? Du magst es ja dem Toni sagen, er wird mir diese letzte Liebe nicht neiden!
Vroni
(einen Augenblick fein lächelnd).
Was kümmert dich der Bub?!
(Ernst.) Wenn er jetzt käm, von oben bis unten im goldigen G'wand wie a Prinz, und du stündst neben, wie d' da bist, in deiner verrissenen Lodenjopp', krank und schwach, ich saget ihm: »Das ist mein Freund, du nimmer!« – Siehst und so bleibet der Kreuzweghof und sein' Bäurin einschichtig! Nein, Franz, du mußt nit so traurig daherreden – leb fein fort, ich bitt dich recht schön, denk dir's aus, wie am Morgen die Berg' aufleuchten, wo du g'sagt hast, sie soll'n dir die Kinderjahr und die Heimat im Herz auffrischen mit ihrem goldigen Strahl, denk dir, wie die Morgenfrisch'n vom grünen Tann hereinweht wie a kalt' Weihrauchwolken, dieweil die Vögerln drauß 's groß' Hochamt singen, o g'wiß, Franz, nachert wirst schon wieder leb'n woll'n, es is so schön, so in die Welt neingucken, so alt und doch allmal neu bei jedem Morgenlicht und jeder Abendröten – nein, Franz, du darfst nit versterben!
Franz.
Ach, wenn das alles Traum wäre, was auf mir liegt, wenn ich's abschütteln könnt am Morgen – am lichten, heiteren Morgen, wenn ich aufwachte, sei es elternlos und ohne Erbe, weder leidend unter fremder noch eigner Sünd' und Schande – ganz auf eigne Kraft gestellt, ja dann –
Vroni.
Gelt, dann würdst doch leben woll'n?! Und schau, Franz, ich wußt nit, was ich treibet, wann d' in der Heimat bleiben wolltst! Ich wollt dich recht pflegen, daß d' mir wieder g'sund wurdst, und hätt a narrische Freud' drüber und könntst ja bei mir auf 'n Kreuzweghof bleib'n als Pfleger – und was denkst auch nur, du hast dich doch nit versündigt, und ich möcht wissen, wer dir a Schand' nachredet', wann ich dich in Ehr' halt?! Geh, verbleib und red nix mehr vom Sterb'n!
Franz
(faßt mit den Händen nach dem Kopfe).
Vroni, um Gottes willen hör auf! Du willst mir wohl und weißt nicht, wie weh du mir dabei tust! An dieser Stätte, wo jeder Fleck eine trübe Erinnerung wie einen giftigen Stachel gegen mich herauskehrt, an dieser Stätte bietest du mir ein Gnadenbrot; eine lebende Folie deines geraden, ehrlichen, erbarmenden Herzens würde ich dort scheu herumwandeln – bemitleidet, verhöhnt, gemieden, je nachdem deine Knechte mich bedauern, hassen oder verachten! Nein, Vron' – lock mich nicht ins Leben – die Schande muß nun einmal ans Licht.
Vroni.
Sei gut, Franz, mußt nit so verwirrt reden! – Wenn ich nun träume mit dir und aufwachet am Morgen, die arm', verfolgt' Dirn' von ehnder, dein' Vatern als mein' alt' Feind, so mächtig wie früher, und nur dich g'wonnen hätt als mein' neuen Freund – könnt'st da auch versterben und mich verlassen? G'wiß nit, und ich glaub, wir zwei nähmen's dann mit der ganz' Welt auf! Franz, ich hab noch kein' kennt so ehrlich, so treu und brav wie du, der in Tod neinrennet für fremd' Recht, für a feindlich' Sach' zu sein' eigenen Schaden und Verderb; und für nix wär mir dein Leben feil! Wann ich's ließ in der ewig' Nacht, die Schand', und vertrauet dir alleinig all mein Recht! Franz, ich kauf dir 'n Tod ab, wie teuer gibst 'n und lebst mir fort bis in die Jahr' hinein, wo wir all' zwei grau' Haar' haben?
Franz
(lehnt sich zurück).
Du red'st wild, Vroni – ich folg dir nicht – du meinst?
Vroni.
Ich mein: besser, tot' Recht wird nie lebig, als du verstirbst mir!
(Nimmt den Brief aus ihrem Mieder, betrachtet ihn gedankenvoll und hält ihn dann in die Flamme, währenddem für sich:) Seliger Vater da drob'n! Mußt nit harb sein auf dein Dirndl, wann s' a dein und ihr Recht vergibt! Es g'hört ja jetzt doch mir allanig zu, und ich tu neam'd andern damit ein' Abbruch; ös lieb'n Selig'n aber dort im Himmel oben könnt's doch nix dagegen haben, wenn ich nach mein' Herzen tu und nach kein' Vorteil frag auf derer lieben Welt!
(Hält den brennenden Brief von sich, seufzt dann auf.) So – aus is! Von morg'n an braucht mich die Ahnl weder bei Tag noch nachtig zur Arbeit erst aufwecken.
Franz
(öffnet die Augen).
Licht! Wird's Morgen?
(Sieht das brennende Papier.) Was hast du!
Vroni.
Is's recht? I verbrenn, was dich kränkt!
Franz
(erhebt sich, wie um es zu hindern).
Vroni – den Brief! – Was tust du? – Dein Beweis! – Was soll nun werden?
Vroni.
Wird, was da will, wenn nur du mir nit aus der Welt laufst!
Franz
(blickt sie überrascht an – seine Brust arbeitet heftig, er streckt den unverwundeten Arm nach ihr aus, ausbrechend:)
Vroni!!! – Du mußt mich zutiefst in die Seele hinein gern haben!
Vroni
(wie erschreckend).
Franz! Franz!
(Innig, indem sie an seine Brust sinkt.) Es kann schon sein
(birgt schämig den Kopf), aber mußt's nit so in die Welt hinausschrein.
Franz (faßt sie beim Kopfe, dreht sie gegen sich und blickt ihr ins Auge. Kleine Pause).
(Außen Gemurmel verschiedener Stimmen.)
Die Vorigen. Liese, Crescenz, Höllerer, Toni, der Großknecht und Gesinde vom Adams- und Kreuzweghof und Bauern von Ottenschlag.
Liese.
(von außen).
Na, so kimmt's, wann's mit ihm reden wöllt's!
(Alle treten ein.)
Höllerer.
Ah, da is er ja! – Müßt's nit verschrecken.
Crescenz
(tritt weinend Franz zur Seite).
Bruder!
Franz.
Was habt ihr?
Höllerer.
's ganze G'sind' vom Adamshof und vom Kreuzweghof war am Weg, Euern Vater suchen, der heut' nacht von sein' Hof wie verschwunden war – na, Ös habt's den alten Mann nit viel 'kennt und erst heut' morgen nach langem wiederg'sehn – es wird Enk nit so stark angreifen, wir haben ihn gefunden, unt' in Ottenschlag, in der Totenkammer.
(Nachdrücklich.) Mutter Lies, neben der Leich' von dein' Tochterkind is er g'leg'n.
Franz
(tief bewegt).
Das war ein kurzes Wiedersehen!
(Für sich.) Die Wunde an meiner Linken mahnt mich noch, wie ernst es ihm war, Besitz und Herrschaft festzuhalten, und jetzt – eine Handvoll Erde für deinen Kreuzweghof.
Höllerer.
Ös seid's jetzt Herr, verlaßt's halt Eure Schwester nit und denkt's fein auf die, wann mit 'n Toni was werden soll! Wenn etwa wegen der Vroni –
Franz
(führt Crescenz zu Toni).
Die Vroni steht nicht mehr zwischen euch, wenn das Trauerjahr um ist, führe ich sie auf den Kreuzweghof.
(Leise zu Vroni.) Nimm mich mit auf dein Erbe, liebe Kreuzwegbäuerin; vergiß über die Liebe des jungen den Haß des alten Bauern, laß uns das Geheimnis des Toten in unsere Herzen verschließen und, auf daß ihm die Erde leicht sei, Vroni, verzeih ihm!
Vroni.
Er ruh in Frieden, Amen.
(Schmiegt sich an Franz.) Franz, wann d' wieder frisch bist, gehst doch mit mir in die Berg', und von der höchst' Spitz' woll'n wir nausjauchzen ins Land: Aus is's und vorbei is's, da sein neue Leut', und die Welt fangt erst an!
(Morgenleuchten, Gruppe.)