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Von A. Schauder.
Von den wissenschaftlichen Problemen der Technik, die in der Gegenwart die Laienwelt interessiren, sind es hauptsächlich die Verwerthung der Elektricität und die Luftschiffahrt, die in erhöhtem Maße die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Aber während zum Verständniß der technischen Verwendung der Elektricität eine Menge von Vorkenntnissen nöthig ist, kommen bei der Ballonistik nur solche Factoren in Betracht, deren Natur mehr oder weniger bekannt ist. Es ist daher leicht erklärlich, daß das Interesse an der Luftschiffahrt dasjenige an den elektrischen Fragen noch bei Weitem überwiegt. Allein, wie es bei solchen Dingen immer der Fall zu sein pflegt, beschäftigt sich die Phantasie lieber mit den letzten Endzielen, die erstrebt werden sollen, als daß man sich auf den Boden der nackten Wirklichkeit stellt und alles jenes drum und dran kennen zu lernen sucht, das zu einer regelrechten Ballonfahrt von Nöthen ist. Und trotzdem sind alle Vorarbeiten und Einrichtungen, die die Fahrt ermöglichen, unseres vollsten Interesses werth, denn nur ihre sorgsame Ausführung und weise Benutzung macht den Ballon erst zu dem, als was er gilt, zum Segler der Lüfte.
Wenden wir uns zuerst zum Fesselballon, der ja wegen seiner behinderten Beweglichkeit als eine Art Zwischenglied angesehen werden darf. Der Stoff, aus dem der Fesselballon hergestellt wird, besteht aus chinesischer Seide, die auf der Innenseite noch mit mehreren gefirnißten Lagen bekleidet ist. Da bis jetzt eine Ballonfabrik noch nicht existirt, so muß für jeden einzelnen Ballon der Luftschiffer selbst den Fabrikanten abgeben.
Zuerst handelt es sich um das kunstgerechte Zuschneiden der Ballonbahnen, das nach einer Schablone ausgeführt wird. Jede Ballonbahn wird in zwei Stücke zerlegt, von denen das eine längere für die Kugelform des Ballons berechnet ist, während das andere kürzere für den unteren Theil, den schlauchförmigen Ballonhals, verwandt wird. Nachdem sämmtliche Bahnen zugeschnitten sind, werden zuerst die längeren Theile durch Handarbeit mit nicht zu engen Stichen zusammengenäht und darauf wird an die Ballonkugel der Ballonhals, der aus den kürzeren Stücken zusammengesetzt wird, angefügt.
Hat so der Ballonkörper die gewünschte Form erhalten, so wird er nun, um den Stoff möglichst undurchdringlich zu machen, mit Leinölfirniß überzogen.
Mit nicht geringerer Sorgfalt als die Stoffhülle muß das Ballonnetz hergestellt werden, das über den Ballonkörper kappenförmig zu liegen kommt. Das Netz wird aus Hanfstricken geknüpft, die mit Kautschuk zum Schutz gegen Nässe behandelt werden. Eine Hauptbedingung für ein gutes Netz ist, daß die Knoten nicht gegen den Ballonstoff reiben, da sonst dessen Haltbarkeit sehr herabgesetzt wird. Die Netzkappe endigt in die Auslaufsleinen, die strahlenförmig an dem metallenen Tragring mit ihren unteren Enden Zusammentreffen. Der Tragring trägt, wie sein Name sagt, die aus Weidengeflecht gefertigte Gondel.
Bis vor kurzer Zeit befestigte man das Kabel, das den Fesselballon mit der Erde verbindet, direct an der Gondel. Allein diese Befestigungsart brachte einen sehr großen Uebelstand mit sich. Sobald nämlich der Ballon vom Wind gefaßt wird, drückt dieser ihn schräg auf die Seite und die Folge davon ist, daß auch die Gondel, die ja am Boden vom Kabel festgehalten wird, in eine schiefe Stellung geräth. Selbstverständlich verloren dadurch die Insassen der Gondel das Gleichgewicht, so daß sie sich zuweilen nur sehr schwer aufrecht erhalten konnten und in ihren Beobachtungen in unliebsamster Weise gestört wurden. Um diese Unannehmlichkeit zu vermeiden, knüpft man jetzt das Kabel nicht an den Boden der Gondel, sondern man legt durch den Tragring eine Querstange, von deren Enden zwei Leinen herablaufen, die eine zweite Stange, die unter der Gondel schwebt, tragen. Erst an dem unteren Querholz dieses Trapezes ist das Kabel befestigt. Der Wind kann jetzt den Fesselballon auf die Seite drücken, so viel er will, die Gondel wird immer senkrecht hängen, da sie nun nicht mehr das Kabeltau nach unten zieht und ebenfalls in eine schiefe Lage zwingt.
Von großer Bedeutung ist der Fesselballon schon jetzt für die Kriegswissenschaft geworden. Nach den Erfahrungen im deutsch-französischen Kriege haben sich die europäischen Mächte beeilt, Luftschiffercompagnien zu errichten, deren Aufgabe zum guten Theil darin besteht, den Fesselballon zu Recognoscirungszwecken ausnutzbar zu gestalten.
Ein für Kriegszwecke berechneter Fesselballon benöthigt einen vollständigen Wagenpark. Ein Wagen trägt die Ballonhülle und die Gondel, ein zweiter das Kabel und den Motor, der den Aufstieg des Ballons regelt, und ein dritter den Apparat zur Herstellung der Gasfüllung. Außerdem gehören dazu noch Gefährte, die die Rohstoffe zur Gasbereitung und Heizungsmaterial mit sich führen.
Der militärische Fesselballon kann nur da in Dienst gesetzt werden, wo Wasser zur Hand ist. Den Grund hierfür werden wir sogleich einsehen. Zur Füllung des Ballons wird nämlich Wasserstoffgas verwandt, das das leichteste bekannte Gas ist. Die Fabricirung des Wasserstoffgases wird, wie schon angedeutet, auf dem dritten Wagen vorgenommen. In einem großen, eisernen Cylinder, dem Gasgenerator, befinden sich Eisenfeilspäne, auf die durch die Dampfmaschine des Kabelwagens eine stetig zufließende Menge von Schwefelsäure und Wasser gedrückt wird. Dieser fortwährende Bedarf an Wasser ist der Grund, weshalb der Fesselballon nur in der Nähe von Bächen oder Teichen aufsteigen kann. In dem Gasgenerator entwickelt sich das Wasserstoffgas. Allein das auf diese Weise gewonnene Gas ist noch nicht verwendbar, sondern muß erst noch gereinigt werden und wird daher in einen anderen Cylinder geleitet, dem beständig frisches Wasser zufließt. Von hier geht der Wasserstoff noch in zwei weitere Cylinder, die Chlorcalcium und Aetznatron enthalten, und wo das Gas von der ihm anhaftenden Feuchtigkeit befreit wird. Jetzt erst wird es durch ein Rohr in den Ballon abgelassen. Für jede Füllung eines Kriegsballons von üblichem Umfang werden gegen 5000 Kilo Rohmaterialien gebraucht, da zur Herstellung eines Kubikmeters Wasserstoffgas gegen 9 Kilo Eisen und Schwefelsäure nöthig sind.
Der Kabelwagen trägt außer dem Motor von 5 Pferdekräften das um eine Spindel gerollte Kabel, das eine Länge von 500 Metern hat. Jeder Meter des Kabels wiegt 230 Gramm.
Der Ballonwagen führt den Ballon mit sich, der bei einem Durchmesser von 10 Metern annähernd 540 Kubikmeter Gas faßt. Da der Gasgenerator in der Stunde ungefähr 300 Kubikmeter Gas liefert, so kann der Ballon in 2 Stunden gefüllt werden. Ein Kubikmeter Wasserstoff kostet gegen 1 Mark. Wegen der Kostspieligkeit und der umständlichen Herstellung der Füllung wird daher der Fesselballon nicht nach jedem Gebrauch entleert, sondern er wird gefüllt durch die Dampfmaschine des Kabelwagens herabgezogen und so weiter transportirt.
Für den Fall, daß der Ballon durch feindliche Geschosse oder sonstige unvorhersehbare Zwischenfälle von dem Kabelwagen getrennt wird, ist die Gondel stets mit allen Utensilien zu einer Luftreise ausgerüstet. Sie trägt daher wie bei jedem freifliegenden Ballon Ballast, Anker und Schlepptau.
Die Verbindung zwischen dem Fesselballon und der Erde wird durch ein Telephon hergestellt, dessen Leitung im Kabel verläuft.
Das Gewicht des Kabelwagens beträgt 2500, das des Gasapparates 2800 Kilogramm.
Die vorstehende Schilderung wird gezeigt haben, daß der Gebrauch des Fesselballons für Kriegszwecke keineswegs einfach ist und daß seiner allgemeinen Verwendung noch mancherlei Hindernisse im Wege stehen.
Die Herstellung des fessellosen Ballons, des eigentlichen Seglers der Lüfte, erfolgt in derselben Weise und aus demselben Material wie die des Fesselballons. Zu seiner Füllung wird gewöhnlich der Bequemlichkeit halber Leuchtgas verwandt, das aber lange nicht so tragfähig wie Wasserstoff ist. Das Leuchtgas steht schon deshalb dem Wafferstoffgas bedeutend nach, weil sein Eigengewicht und damit seine Tragfähigkeit je nach der Güte der vergasten Kohle großen Schwankungen unterliegt. Gibt es doch Leuchtgasarten, die pro Kubikmeter 900 Gramm wiegen und darum nur einen Auftrieb von noch nicht 0,4 Kilogramm besitzen. Im großen Ganzen darf man sagen, daß, je besser das Leuchtgas leuchtet, desto schlechter es trägt.
Die Kosten einer Ballonfüllung mit Leuchtgas sind mäßig. Da ein Kubikmeter Leuchtgas durchschnittlich mit 15 Pfennigen berechnet wird, so erfordert ein Ballon mit 550 Kubikmeter Inhalt eine Ausgabe von 90 Mark.
Bei der Füllung selbst sind verschiedene Vorsichtsmaßregeln zu beachten. Abgesehen von einer Entzündung des Ballongases ist es die Ueberfüllung des Ballons, die vermieden werden muß. Denn da sich das Gas in den höheren Luftschichten ausdehnt, so kann der Ballon, wenn er vollständig gefüllt wird, leicht platzen. Man richtet deshalb die Füllung so ein, daß dem Gas noch einige Meter Spielraum verbleiben, die die spätere, gefahrlose Ausdehnung ermöglichen.
Bei dem freifliegenden Ballon fällt natürlich das Trapez des Fesselballons, das ja nur zur Befestigung des Kabels dient, weg. Zur Regulirung der Luftfahrt verfügt der Luftschiffer über den Ballast und die Ventilklappe. Für einen Ballon in der angegebenen Größe genügen in der Regel gegen 130 Kilogramm Ballast, der aus kleinen Sandsäcken besteht, die in der Gondel gleichmäßig vertheilt werden. Ungefähr 110 Kilo darf der Luftschiffer im Lauf der Reise zur Erleichterung des Ballons verwenden, den Rest dagegen braucht er nothwendig zum Landen.
An der Spitze des Ballons befindet sich das Ventil, von dem eine Leine durch den Ballonhals läuft, um die Klappe nach Belieben öffnen zu können. Im Allgemeinen sind die Luftschiffer mit dem Oeffnen der Klappe nur sehr langsam bei der Hand, da ja von der Erhaltung des Füllgases die Länge der Reise abhängt. Man sucht daher lieber den Ballast geschickt während der Fahrt auszunutzen und pflegt erst beim Landen das Gas durch das Ventil ausströmen zu lassen. Für dieses Manöver besitzt der Luftschiffer außerdem noch den Anker und das Schlepptau, die gewöhnlich am Tragring der Gondel hängen. Der Zweck des Ankers ist bekannt. Das Schlepptau, das etwa 120 Meter lang ist, soll beim Niederfallen des Ballons die Gewalt des Stoßes auf die Erde abschwächen. Vermöge seiner Länge schleppt es natürlich schon lange über die Erdoberfläche hin, bevor der Ballon selbst diese berührt. Je mehr sich nun der Ballon der Erde nähert, ein desto größeres Stück des Schlepptaus wird nachschleifen und desto leichter wird der Ballon werden. Dadurch aber wird wieder die Schnelligkeit des Absturzes vermindert und der Ballon nähert sich nun allmälig der Erdoberfläche.
Ist der Ballon gefüllt, so werden auf das Commando »Los!« die Haltestricke fahren gelassen, die bisher von einer Anzahl Hilfsarbeiter festgehalten wurden. Da hierbei mancherlei Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, so hat man Maschinen zu construiren unternommen, die den Ballon nach Wunsch auslösen.
Der Aufstieg erfolgt meist mit jäher Schnelle und dauert so lange an, bis der Ballon die Gleichgewichtszone erreicht hat. Man versteht darunter diejenige Höhe des Luftmeeres, wo das Gewicht des Ballons dem der von ihm verdrängten Luft gleichkommt. Die geringste Gewichtsveränderung macht sich hier an dem Verhalten des Ballons, der je nachdem steigt oder fällt, bemerkbar.
Aber trotz der gewöhnlich beträchtlichen Höhe ist noch nicht alle Verbindung mit der Erde unterbrochen. Im Sommer zieht ihn jedes Gewässer, jeder Wald herab und er folgt dem Ufer eines Sees wie eine Gewitterwolke. Im Winter verursachen offene Gewässer eine aufsteigende Bewegung, da die von ihnen aufströmenden Cyklone ihn mit sich emporführen. Ebenso pflegen größere Städte die Veranlassung zum Steigen zu werden. Des Weiteren ist Beleuchtung oder Beschattung von Einwirkung. Fallen die Sonnenstrahlen auf den Ballon, so wird das Gas ausgedehnt und der Segler der Lüfte steigt höher. Lagert sich eine Wolke vor die Sonne und hüllt den Ballon in Schatten, so kühlt sich das Gas wieder ab und die Folge davon ist ein Sinken.
Nach einer gewissen Zeitdauer wird ein jeder Ballon von selbst sich zu senken beginnen. Trotz der sorgfältigsten Herstellung entweicht nämlich durch die Poren der Hülle ein Theil des Gasinhaltes. Und zwar währt das Sinken nicht nur so lange, bis das Gewicht des Ballons wieder dem, der von ihm verdrängten Luft gleicht, sondern es würde, wenn nicht dagegen Gegenmittel ergriffen würden, bis zum Auftreffen auf die Erde fortdauern. Wird daher der Abstieg noch nicht beabsichtigt, so muß jetzt Ballast ausgeworfen werden. Der Ballon schnellt nun wieder in die Höhe und zwar über die von ihm bisher erreichte Gleichgewichtszone hinaus. Nach einem längeren Aufenthalt in der höheren Region beginnt das Sinken von Neuem und es muß die Ballastverminderung wiederholt werden, die natürlich ein neues Steigen bedingt. Die Fahrt setzt sich daher aus einer Reihe von Sprüngen zusammen, von denen der folgende den vorangehenden immer an Höhe übertrifft.
Ist der Ballast verbraucht, so rüstet sich der Luftschiffer zum Abstieg, indem er alle zerbrechlichen Instrumente festbindet, das Schlepptau auswirft und etwas das Ventil öffnet. Schleift das Schlepptau erst über dem Erdboden und eilt der Ballon in hastigen Sprüngen vorwärts, dann ist der Zeitpunkt für die Landung gekommen. Sobald dafür das Terrain günstig erscheint, fliegt der Anker hinab und das Ventil wird gänzlich geöffnet. Jetzt entsteht ein hartnäckiges Ringen zwischen dem Ballon, dem Wind und dem festhakenden Anker, bei dem die Geistesgegenwart des Luftschiffers oft auf die Probe gestellt wird. Aber endlich ist die Kraft des trotzigen Riesen gebrochen und schlaff und matt sinkt er auf die Erde.
Nach dem einstimmigen Urtheil gewiegter Luftschifffahrer ist der Aufstieg leicht, das Fahren schwierig und das Landen gefährlich.
Als das Endziel der Luftschiffahrt muß die Lenkbarkeit des Ballons betrachtet werden. Den Kernpunkt der ganzen Frage, Herstellung eines leistungsfähigen Motors von verhältnißmäßig geringem Gewicht, hat man längst erkannt, nur ist man über die Kraft selbst, die den Motor treiben soll, verschiedener Meinung gewesen. Schon 1852 stieg der französische Ingenieur Henry Giffard mit einem angeblich lenkbaren Ballon auf. Als Motor wurde eine Dampfmaschine verwandt, die mit Coaks geheizt wurde und eine an der Gondel angebrachte dreiflügelige Propellerschraube trieb. Der Ballon war spindelförmig, hatte eine Länge von 44 Metern und einen Inhalt von 2500 Kubikmetern. Als Steuer war ein dreieckiges Segel construirt. Der Apparat entsprach nicht den Erwartungen, denn die Maschine vermochte nicht den Widerstand des Windes zu überwinden.
Einen Nachfolger fand Giffard in dem französischen Marine-Ingenieur und Akademiker Dupuy de Lôme, der 1870 auf Staatskosten einen lenkbaren Luftballon zu bauen begann. Sein Luftschiff glich in der Form dem Giffards und trug ebenfalls ein dreieckiges Segel als Steuer. Da der Ballon eine Tragfähigkeit von 14 Menschen haben sollte, so sollte der Motor, der die zweiflügelige Schraube mit einem Durchmesser von sechs Metern zu bewegen bestimmt war, durch Menschenkraft getrieben werden. Im Februar des Jahres 1872 fand die erste Auffahrt bei einer Geschwindigkeit des Windes von 15 Metern in der Secunde statt. Aber auch hier erwiesen sich die Berechnungen auf dem Papier als irrthümlich, der Ballon war unlenkbar.
Näher kam dem angestrebten Ziele schon der deutsche Ingenieur Hänlein, der um dieselbe Zeit seine Versuche mit einem Modell in der Mainzer Fruchthalle anstellte. Der Erfinder verwandte für seine Maschine einen Gasmotor, für den er das nöthige Gas aus dem Ballon selbst entnahm. Ein geschlossener Raum wurde deshalb für die Probefahrten gewählt, weil die Maschine und die Schraube für die Gewalt des Windes zu schwach war. Der Ballon zeigte sich unter den geschilderten Verhältnissen lenkbar, ebenso wie er auch in Wien im Sophiensaale seine Lenkbarkeit darthat. Ein Wiener Consortium ertheilte Hänlein den Auftrag zum Baue eines größeren Ballons, der auch in Brünn aufstieg und trotz aller Mängel auch hier wieder die Richtigkeit des Princips erkennen ließ. Der eingetretene geschäftliche Niedergang verhinderte die Fortsetzung der Versuche.
Die nächste Verbesserung kam wieder von Frankreich, wo es Gaston Tissandier endlich gelang, einen Motor herzustellen, als dessen treibende Kraft die Elektricität verwandt wurde. Obgleich ein mit dieser Maschine gebauter Ballon sich ebenfalls als unlenkbar herausstellte, so war doch durch die Verwerthung der Elektricität unleugbar ein bedeutender Fortschritt gemacht. Die volle Ausnützung dieser Errungenschaft sollte kurz darauf den französischen Officieren Krebs und Renard zu Theil werden, die in der Militärschule zu Meudon äronautischen Studien oblagen.
Am 9. August 1884 stiegen sie mit einem Luftballon auf, der eine cigarrenförmige Gestalt besaß, in der Länge bald 51 Meter maß und 1864 Kubikmeter faßte. Er war mit einer Schraube von 7 Metern Durchmesser ausgerüstet, die eine elektrodynamische Maschine von 8,5 Pferdekräften in Bewegung setzte und führte als Steuer einen octaederförmigen Körper, der nicht wie ein Segel ein Aufbauschen durch den Wind gestattete.
Die von den Luftschiffern als willkürlich vorgenommen behaupteten Richtungsveränderungen haben sich in der Folgezeit als Thatsachen erwiesen, so daß an der Lenkbarkeit ihres Ballons nicht gezweifelt werden kann. Ueber diese erste Fahrt mit dem lenkbaren Ballon seien einige Stellen aus dem Bericht hervorgehoben, den Charles Renard für die Akademie der Wissenschaften in Paris abgefaßt hat. »Zuerst,« schreibt er, »wurde die Richtung von Norden nach Süden eingeschlagen, indem wir auf das Plateau von Chatillon zufuhren. Als wir in der Höhe der Straße von Choisy nach Versailles angelangt waren, wurde, damit wir nicht in die Bäume geriethen, die Richtung geändert und das Vordertheil des Ballons nach Versailles gewandt. Als wir uns oberhalb von Villaroublay, ungefähr 4 Kilometer von Chalais entfernt, befanden, beschlossen wir, umzukehren und in Chalais selbst einen Landungsversuch zu unternehmen, ohne Rücksicht auf die Enge des freien Raumes, der durch die Bäume gelassen wird. Der Ballon führte die Wendung nach Rechts unter einem sehr kleinen Winkel durch das Steuer aus. Nachdem wir auf dem ins Auge gefaßten Punkt angekommen waren, führte der Ballon mit derselben Leichtigkeit wie vorher eine Richtungsveränderung nach Links aus und schwebte bald 300 Meter hoch über seinem Ausgangspunkt. Die Neigung zum Sinken, die der Ballon in diesem Augenblick zeigte, steigerte sich noch mehr nach dem Oeffnen des Ventils.
»In dieser Zeit mußte die Maschine mehrmals nach vorn und wieder zurück arbeiten, um den Ballon nach dem erwähnten Landungspunkt zu lenken. Als sich der Ballon 80 Meter hoch über dem Boden befand, wurde von Mannschaften ein herabgelassenes Tau ergriffen und das Luftschiff nach dem Rasenplatz geleitet, von dem es abgefahren war.«
Das Problem des lenkbaren Luftballons ist demnach im Princip als gelöst zu betrachten. Von einem für alle Fälle brauchbaren Luftschiff sind wir aber immer noch ein gut Stück entfernt, denn auch der Renard'sche Apparat vermag stärkere Windströme nicht zu überwinden. Jedoch wird an seiner Verbesserung rüstig gearbeitet. Gelingt eine vollkommene Herstellung, dann wird auch der lenkbare Luftballon sofort in den Dienst des Kriegsgottes treten. Man wird dann nicht nur eine Artillerie des Landes, sondern auch eine solche der Luft besitzen, die ihre Geschosse auf die Armeen und Festungen der Feinde herabschleudern wird. Der Anfang für die neue Geschoßart, die Lufttorpedos, ist schon im Jahre 1849 gemacht worden. Und zwar ist es der als Erfinder der Stahlbronze berühmt gewordene österreichische Officier Uchatius, der zuerst auf den Gedanken kam, Lufttorpedos zu erbauen. Als die österreichische Armee bei der Belagerung Venedigs wegen des schützenden Lagunenringes mit dem Artilleriefeuer nicht die gewünschte Wirkung ausüben konnte, construirte Uchatius Lufttorpedos, die er mit günstigem Winde auf die belagerte Stadt abzulassen beschloß. Nur wählte er nicht als Ausgangspunkt den Ballon, sondern ein Schiff. Bei der Neuheit der Erfindung war es natürlich, daß ihr noch mancherlei Mängel anhafteten. Daher kam es denn auch, daß die Auslösvorrichtung sehr oft zu früh in Thätigkeit trat und nur wenige Bomben in dem Festungsgebiet selbst niederfielen.
Die Lufttorpedos sind seitdem mannigfach umgestaltet worden, so daß jetzt eine ganze Reihe von Modellen existirt, die allerdings alle noch nicht völlig einwandfrei sind.
Völlig wehrlos wird in einem zukünftigen Ballonkampf der angegriffene Feind auf der Erde dagegen nicht sein. Schon während des deutsch-französischen Krieges stellte Krupp in Essen ein Ballongeschütz fertig, das gegen die französischen Luftschiffer zur Verwendung kommen sollte. Auf einem vierräderigen Wagengestell befindet sich eine Säule, die ein langes Gußstahlrohr von 3,6 Centimeter Kaliber in einem nach allen Seiten hin drehbaren Lager trägt. Als Geschoß wurde eine 7,2 Centimeter lange Granate angefertigt. Praktisch erprobt wurden jedoch die Ballongeschütze nicht.
Der Ausnutzung des Ballons nicht nur für die Zwecke des Krieges, sondern auch des Friedens steht ohne Zweifel noch eine große Zukunft bevor und die Hoffnung ist berechtigt, daß noch einst der Tag anbrechen wird, von dem einer der hervorragendsten Luftschiffer Amerikas, John Wises, sagt: »Unsere Kinder werden nach jedem Theil der Erde reisen können ohne die Belästigung von Dampf, Funken oder Seekrankheit und mit einer Schnelligkeit von 20 geographischen Meilen pro Stunde.«
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Verantwortlicher Redakteur Karl Prochaska
K. und k. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen.