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Hafis.

Schems-ed-dîn Muhammed, bekannter unter dem Namen Hâfis (d. i. der Koranfeste, Gedächtnisstarke) wurde zu Schîrâs im Anfange des 14. Jahrhunderts geboren. Er lebte in einer Zeit, da sein Vaterland nach dem Verfall der von Dschingiskhan gegründeten Mongolenherrschaft politisch völlig zerrissen war; überall hatten sich kleine unabhängige Staaten gebildet, wie zu Schîrâs, Hormus, Jesd, Ispahan, Bagdad u. s. w. In der Vaterstadt des Dichters herrschte seit 1318 die Dynastie der Musafferiden, die bis zum Jahre 1392 über das eigentliche Persien regierten; sieben Fürsten gehörten ihr an. Die Herrschaftsdauer dieses Geschlechtes deckt sich ungefähr mit der Lebenszeit Hâfis'. In seinen Liedern rühmt dieser besonders einen Sohn des Stifters der Dynastie (Mubâris-ed-dîn Muhammed), Schâh, Schadschâ (1348–75) und einen Enkel ebendesselben, Schâh Manssûr (1384–92), die ihm ihre Gunst reichlich zugewandt hatten. Aber auch fremde Höfe, wie die von Bagdad, Hormus, warben um den Dichter und luden ihn zu sich ein. Hafis zog jedoch das Leben in der Heimat allem anderen vor. Nur einmal ging er auf eine Einladung des Schâh Jahja nach Jesd, kehrte aber bald zurück; offenbar enttäuscht, denn auch die üblichen Geschenke blieben von dem Sultane aus. Auf einer Reise nach Dekhan kam er nur bis Hormus; ein Sturm schreckte ihn von der Seefahrt zurück. Die Pilgerfahrt nach Mekka hat er wohl nicht angetreten. Im Hause des durch seine Freigebigkeit berühmten Veziers Kirwân-ed-dîn Hassan war er als Privatlehrer thätig und erhielt von diesem eine Anstellung an der von ihm gegründeten öffentlichen Schule, an welcher er lange mit großem Beifall lehrte. Im übrigen gehörte er dem religiösen Orden der Sufis an, dem er wohl früh beigetreten ist. Später wurde er wahrscheinlich Scheikh desselben. Ein erwachsener Sohn starb ihm am 23. Dez. 1362. 1387 kam Timur, der Zertrümmerer der Musafferidenherrschaft, nach Schîrâs und ließ den Dichter zu sich rufen. Hâfis Geist und Witz entzückten ihn so, daß er den Dichter mit reichen Geschenken überhäufte. Bald darauf starb Hafis, hochbetagt, im Jahre 1389. Die über den Freigeist erzürnten Rechtgläubigen wollten ihm das ehrliche Begräbnis verweigern. Man holte sich zuletzt Bescheid bei dem im Orient so beliebten Versestechen, indem man mit einer Nadel aufs geradewohl in ein Buch stößt und die getroffene Stelle als Schicksalswort gelten läßt. Man traf auf die Hafis'schen Verse: »Wende den Fuß dereinst von Hafis' Leichenbahre nicht ab; wenn auch in Sünden versunken, so geht er doch zum Lande der Seligen ein.« (s. S. 171.) So gaben die Orthodoxen nach; der Dichter wurde in dem von ihm viel gepriesenen Mussella bei Schiras begraben, wo noch heute sein Grabmal gezeigt wird. Dasselbe hatte ihm Muhammed Mo 'ammai, Bezier des Sultans Babur Behardirkhan, errichtet, als dieser Schirâs eroberte, Hafis' Divan wurde erst nach seinem Tode von seinen Freunden zusammengestellt. Er ward im Orient ebenso bewundert wie befeindet. Die Rechtgläubigen wüteten gegen den Dichter, der, obwohl selber Sufi, doch alle priesterliche Heuchelei mit der Geißel seines Spottes zerfetzt hatte. Als alle Verbote aber Hafis aus dem Herzen des Volkes nicht verdrängen konnten, deutete man seine Dichtungen in mystischem Sinne, wie das »Hohelied Salomonis« bei uns gedeutet wird. Man gab dem Dichter die Beinamen Lisân-ul-ghaib (Mystische Zunge) und Terdschumân-ul-esrar (Dolmetscher der Geheimnisse). Obwohl nun die meisten und besten Erzeugnisse Hafis' durchaus realistisch zu nehmen sind, und wirklich nichts als irdischen Wein und irdische Liebe besingen, die Schalen des Spottes über Zeloten und Heuchler ausgießen, so darf man doch nicht verkennen, daß auch rein mystische Klänge seinem Munde entströmten, wie z. B. das »Buch des Schenken«. Andere Gedichte weisen ein seltsames Gemisch auf, ja sind in sich selbst widersprechend. Wahrscheinlich gehört die realistische Periode dem kräftigen Mannes- und Greisenalter an. Den ersten vernünftigen Kommentar, der die mystischen Deutungen mit Spott zurückweist, schrieb der aus Bosnien stammende Sûdi († 1591) zum Divan. An diesen schließen sich auch die in Wien und Leipzig veranstalteten zwei Textausgaben von V. v. Rosenzweig-Schwannau und Brockhaus an. Darnach hat Hafis im ganzen 693 lyrische Gedichte geschrieben: 573 Ghaselen, ferner 42 Ghaselen-Fragmente (Mukathaat; Ghaselen, denen der erste Hauptreim fehlt), 69 Vierzeiler, 6 zweizeilig gereimte Gedichte, darunter »Buch des Schenken«, und »Buch des Sängers«, 2 Kassiden und ein Lied in fünfzeiligen Strophen.

Ghasele.

1. (Buchstabe Elif 1.)

Die eingeklammerten Worte und Zahlen bezeichnen die Stellung des Gedichtes in der Rosenzweig'schen Textausgabe.

Auf Schenke! den Pokal gefüllt
Für unsre durst'ge Tafelrunde;
Die Liebe, die mich einst beglückt,
Jetzt richtet kläglich mich zugrunde.

Wie bluteten erwartungsbang
Die Herzen bei den Moschusdüften,
Vom Ostwind aus der Liebsten Haar
Uns hergeweht als holde Kunde!

Den Teppich zum Gebete färbt
Mit rotem Wein nach Wunsch des Wirtes:
Ein weiser Mann ist unser Wirt,
Man kommt bei ihm zu gutem Funde.

Wie kann ich mich der Liebe freun,
Klingt – wie Geläut der Karawane –
Die Mahnung immer mir ins Ohr:
Nun rüste dich zur Scheidestunde!

Was wissen die vom Graun'n der Nacht,
Vom Meersgebraus und wildem Strudel,
Die aller Bürd' und Sorge frei,
Am Ufer gehn auf trocknem Grunde?

Was kühnen Geistes ich gethan,
Hat bösen Leumund mir erworben
Beim Pöbel – und wo bleibt geheim,
Was umgeht in des Pöbels Munde?

O Hafis, folge deinem Stern,
Und kehre dieser Welt den Rücken,
Soll dich beglücken, was du liebst,
Und willst du, daß dein Herz gesunde.

2. (Buchstabe Elif 2.)

Der Stern der Schönheit borgt sein Licht
Von deinem holden Angesicht,
Und aus dem Grübchen deines Kinns
Zieht Anmut Schätze des Gewinns.

Verlockt durch deine Locken bin
Ich so, daß meine Ruh' dahin;
Auf meiner Lippe schwebt mein Geist –
Und fragt, was du zu thun ihm heißt.

O gieb ihm Antwort, geh' nicht so
Vorüber, deiner Opfer froh! –
Helft, Freunde, gebt der Herrin kund,
Daß wüst mein Herz ist bis zum Grund.

Ihr fühlt ja selber allesamt
Mein Weh, und wißt woher es stammt,
Denn wer der Herrin Auge traf,
Der ist gefesselt als ihr Sklav'.

Drum wer vor ihr mit Kälte prahlt,
Dem hat ihr Auge nie gestrahlt.
Ich glühe, ob auch trübgemut,
Noch immer fort in Sehnsuchtsglut,

Liegt auch das Ziel der Wünsche fern –
O Hafis folge deinem Stern!
Blick auf Vergangnes nicht zurück,
Weckt er aus langem Schlaf dein Glück.

Bodenstedt.

3. (Buchstabe Elif 3)

Auf, o Schenke, gieb mir den Pokal,
Streue Staub aufs Haupt der Erdenqual! d. h. begrabe sie!
Setz' das Glas mir auf die Hand; mit Lust
Reiß das blaue Kleid Die Jünger des von Hafis für einen Gleißner gehaltenen Scheich Hassan Asrakpusch, eines erklärten Feindes des Lehrers Hafis', des Scheich Muhammed oder Mahmud Attar, trugen eine blaue Kutte. ich von der Brust.
Klugen scheint das gegen Ehr und Pflicht,
Doch ich will ja Ruhm und Ehre nicht.
Gieb mir Wein! Wie manches Thorenhaupt
Hat der Wind des Stolzes schon bestaubt!
Meines heißen Busens Seufzerrauch
Sengte diese kalten Rohen Die Schüler des Hassan Asrakpusch. auch.
Keiner, seh ich, will mein Herz verstehn,
Möge hoch er oder niedrig stehn;
Nur bei jener Holden find' ich Ruh,
Die die Ruhe mir geraubt im Nu.
Niemand blicket auf den Baum der Flur,
Sah er jenen Silberbaum erst nur.
Sei geduldig Tag und Nacht, Hafis,
Du erreichst des Wunsches Ziel gewiß.

Rosenzweig.

4. (Buchstabe Elif 8.)

Wenn jene Schöne von Schiras mein Herz festhielt in ihrer Hand,
Fürs Wangenfleckchen gab' ich gern Bukhara hin und Samarkand,

Komm Schenke, tränke mich mit Wein, du findest nicht im Paradies
Den Wasserspiegel Ruknabads noch auch Mussellas Rosenstand.

Ein Jammer, daß dies Völkchen hier verliebt, gefährlich aller Welt,
Die Ruhe aus dem Herzen stiehlt, wie Türken Beute aus dem Land.

Des Liebchens Schönheit misset leicht der Liebe Unvollkommenheit,
Es braucht das liebliche Gesicht nicht Schminke, Farb' und solchen Tand.

Erzähl' von Sängern uns und Wein und las; das Weltgeheimnis ruhn!
Enthüllt hat es, enthüllen wird's doch keines weisen Manns Verstand.

Von Josephs Schönheit Hab' ich wohl gehört, der tagglanzmehrenden,
Wie aus dem Keuschheitsschleier sich Suleikha stahl, von Lieb' entbrannt.

Du schmähtest mich, ich nehm es hin, verzeih dir Gott, du thatest recht;
Denn bittres Wort aus schönem Mund, ist immer doch ein süßes Pfand.

Leih gern dein Ohr dem guten Rat; denn lieber als sich selber hört
Des klugen Alten Mahnungswort der geistbegabte junge Fant.

Mit Sang erfreust und Perlen reihst du, Hafis; komm und singe schön,
Daß über deine Lieder streu' der Himmel das Plejadenband!

Nesselmann.

5. (Elif 9.)

Sag der lieblichen Gazelle,
Morgenwind, von mir dies Wort:
Warum triebst du mich so grausam
Durch Gebirg und Wüste fort?

Dein ward alles, was die Liebe
Spenden kann an süßem Glück –
Warum von des Sängers Munde
Hält es nun dein Mund zurück?

Wer sich labt am Freudenbecher,
Denke bei dem Gottgeschenk
Nicht ans Nächste nur: er sei auch
Ferner Freunde eingedenk!

Ist von eignem Duft und Glanze
Meine Rose so bethört,
Daß sie auf die Sehnsuchtslieder
Ihres Sängers gar nicht hört?

Nicht den klugen – nur den weisen
Mann fängt Schönheit immer leicht,
Doch vergebens stellt sie Schlingen
Wo ein kluger Vogel streicht.

Wahrlich würde deine Schönheit
Ohne Fehl' und Makel sein,
Schlösse sie in ihren Zauber
Auch noch Treu und Liebe ein.

O gedenke meiner Mahnung:
Dankbarkeit ist Liebesschuld –
Zeig dich denn durch Liebe dankbar,
Für so lange Liebsgeduld.

Ist's ein Wunder, wenn im Himmel,
Hingerissen durch dein Lied,
Hafis, der Messias selber
Tanzt zum Spiel der Anahid? Der Stern der Venus. Er ist der Stern der Sänger und Musiker; gewöhnlich Sohre oder Suhra genannt, wird er als ein herrliches Weib gedacht, das im Paradiese als Lautenspielerin den Reigen der Seligen führt.

6. (Elif 13.)

Auf der Reise nach Jesd.

Ich bin abgereist, du weißt es
Und mein gramgebeugtes Herz.
Ach! wohin mich wohl das Schicksal
Treiben wird mit meinem Schmerz!

Freudenthränen will ich weinen
Auf des Liebesboten Fuß,
Der mich suchend in der Ferne,
Mir von dir bringt holden Gruß.

Betend kam ich an; zum Beten
Heb auch du die Hand und sprich:
»Treue möge dich begleiten,
Und des Himmels Segen mich!«

Zuckte alle Welt auch Schwerter
Auf mein Haupt: – ich schwör' es dir:
Keine Macht der Erde risse
Aus dem Haupt die Liebe mir!

Schwere Heimsuchungen sendet
Mir der Himmel, wie du weißt,
Weil er unsern Bund beneidet,
Der mir Herz erhebt und Geist.

Dennoch voll Ergebung stell' ich
Mich in Gottes starke Hut.
Einst als Richter wird er rühmen
Was die Welt uns Böses thut.

O des Tags, der endlich wieder
Selig mich mit dir vereint!
O des Wonnetags, wo wieder
Meiner Liebe Sonne scheint!

Sage jedem, der behauptet
Hafis sei nicht weit gereist:
Daß der weiten Reise Irrsal
Immer noch im Kopf ihm kreist.

Bodenstedt.

7. (Buchstabe Be 2).

Der Morgen graut; die Wolke hüllt sich in Schleier ein:
Den Morgenwein, ihr Freunde! Auf, bringt den Morgenwein!

Seht, wie auf Tulpenwangen der Tau hell niedersinkt;
Drum bringt mir Wein, o Freunde, Wein, den man immer trinkt.

Die Luft des Paradieses weht von der Wiese Rain:
Drum trinket unablässig vom allerreinsten Wein!

Ein Thron ist's aus Smaragden, auf dem die Rose sitzt:
Drum bringe Wein, der feurig gleich dem Rubine blitzt!

Man schloß das Thor der Schenke zum zweitenmale zu:
O öffne du es wieder, du Pforten-Offner du!

Wohl ist es zu verwundern, daß in so froher Zeit
Das Weinhaus man verschlossen mit solcher Schnelligkeit.

Dein Mund, rot wie Rubine, ist sich des Rechts bewußt, Das Recht nämlich, zu heilen; wörtlich heißt es: deine Rubinlippe hat Salzesrechte auf die wunde zu Braten gewordene Brust.
Das wohl das Salz nur hätte auf eine wunde Brust.

Hafis sei unbekümmert! Es schlägt das Liebchen »Glück«
Am Ende doch den Schleier vom Angesicht zurück.

Rosenzweig.

8. (Buchstabe Te 15.)

Ros' am Herzen, Wein zu Händen, Liebchen lustbereit ist!
Sklav' und Sultan gleich geachtet mir in solcher Zeit ist.

Sprich: wir brauchen keine Leuchte, denn in unserm Bunde
Liebchens Wangenmond, der volle, unsre Leuchte heut ist.

Wein erlaubt uns unsre Regel, der nur, wenn dein Antlitz,
Huldgestalt mir fehlt, mit dem Gesetz im Widerstreit ist.

Räucherwerk in unsrem Kreise braucht's nicht, denn vom Dufte
Jedes deiner Lockenhaare meine Seel' erfreut ist.

Immer horcht mein Ohr auf Zitherton und Flötenklänge,
Auge ganz dem Mundrubin und Bechers Rand geweiht ist.

Sprich mir nicht von Zuckers Reiz und andern Süßigkeiten,
Da mir Sehnsucht nur nach deiner Lippe Süßigkeit ist.

Ach, so lang' um dich der Gram ist meines Herzens Schatz,
Angemessen nur der Schenke Winkel meinem Leid ist.

Was willst reden du von Schimpf? Mein Ruhm ist schimpfgeboren;
Und was fragst nach Ruhm du? Schimpf mir von dem Ruhm nicht weit ist.

Trunken, schwankend bin ich und berauscht von Wein und Liebe;
Wer ist in der Stadt, der nicht wie ich voll Sündigkeit ist?

Bei dem Muhtesib Stadtvogt, Polizeiaufseher. dürft ihr mich nicht verklagen: er auch,
Giebt es guten Wein zu suchen, emsig jederzeit ist.

Ohne Wein und Liebchen, Hafis, soll dir kein Moment sein,
Denn Jasmin und Rose kam und Fest der Fasten heut ist.

Nesselmann.

9. (Buchstabe Te 31.)

Wenn du dich freundlichst zu mir neigst,
So übst du große Huld an mir,
Und wenn du dich mir zornig zeigst,
Find' ich doch keine Schuld an dir.

Im Liede dich, ganz wie du bist,
Zu schildern, würd' unmöglich sein,
Da grenzenlos dein Liebreiz ist,
Und jedes Lied hält Grenzen ein.

Der Liebe Helles Auge nur
Faßt deine Zauberschöne ganz,
Und schöner scheint ihm Berg und Flur
In deiner Zauberschöne Glanz.

Wer einen einzigen Vers nur las
Im Koran deines Angesichts,
Kennt aller Dinge Ziel und Maß
Auf Erden, dunkel bleibt ihm nichts.

Warum bist du für mich allein
Wie die Cypresse ernst und kalt,
Und läßt dir sonst gehuldigt sein
So gerne doch von Jung und Alt?

O du, von Himmelskost genährt,
Wird dir mein Wort zur Höllenqual?
Sind meine Lieder mehr nicht wert
Als die der andern allzumal?

Wer in Gesang und Melodie
Hafisens Kunst erreichen will,
Der gleicht der armen Schwalbe, die
Dem Adler sich vergleichen will.

Bodenstedt.

10. (Te 41.)

Jetzt, da's wie Paradieses Hauch vom Garten weht und Haine,
Vom schönen Freunde lass ich nicht, nicht von dem süßen Weine.

Der Bettler, warum soll er heut mit Königsmacht nicht prahlen?
Der Wolke Schatten ist sein Zelt, sein Saal am Saatfeldraine.

Die Au erzählt vom Frühlingsmond heut liebliche Geschichten;
Ein Thor, wer kauft Kredit und giebt sein Geld weg aus dem Schreine.

Mit Wein erbau dein Herz, o Freund, denn der Verfall der Welt
Ging soweit, daß aus unserm Staub sie knetet Ziegelsteine.

Vertrauen such' beim Feinde nicht; es giebt nicht reinen Strahl,
Willst zünden du das Klausnerlicht am Synagogenscheine.

Mir, dem Berauschten, droh' nicht mit dem schwarzen Schicksalsbuch,
Wer weiß denn, was geschrieben hat darin der einzig Eine?

Den Fuß nicht wende ab dereinst von Hafis Leichenbahre;
Versank er auch in Sund', er geht doch ein zum sel'gen Haine.

Nesselmann.

11. (Te 57.)

Ich hört' ein schönes Wort, das einst
Der Greis von Kanaan Der Patriarch Jakob, der so lange von Joseph getrennt lebte. gesagt:
»Es giebt kein ebenbürtig Wort
Für Schmerz, der über Trennung klagt!«

Die Schrecken selbst des Weltgerichts
Wie sie der Pred'ger schildern mag,
Ein schwaches Gleichnis sind sie nur
Von wahrer Freundschaft Scheidetag.

Wer bringt vom abgereisten Freund
Ein gutes Zeichen endlich mir?
Was mir der Ostwind vorgesummt,
Klang wirr und unverständlich mir.

So laßt uns denn den alten Gram
Vertilgen ganz durch alten Wein;
Der Landmann sagt: das Rebenkind
Pflanzt immer Lust ins Herz hinein.

Einst weise Worte sprach der Wind
Zu Salomo, es waren diese:
»Vertrau' dem Mund des Windes nicht,
Und wenn er noch so günstig bliese.«

So lang dein Lebensfaden hält,
Weich' nie vom rechten Pfade ab,
Geht's mit der alten Buhle Welt
Auch immer noch nicht grade ab.

Nie frage nach »Warum« und »Wie«,
Ein treuer Knecht fügt allezeit
Des Herrschers Wink und Worten sich,
Mit ganzer Seele dienstbereit.

Wer sagte dir, daß Hafis dich
Vergessen habe ganz und gar?
Ich hab' es nicht gesagt, und wer
Es dir gesagt, der sprach nicht wahr.

Bodenstedt.

12. (Te 74.)

Schaffe Wein herbei, o Schenke! denn der Fastenmond entwich;
Gieb das Glas mir, denn die Jahrszeit für den guten Ruf verstrich.

Eine teure Zeit enteilte: Komm, ersetzen wir die Qual
Eines Lebens, das entschwunden ohne Flasche und Pokal.

Kann man denn, wie Aloë, immer brennen in der Reue Brand?
Bringe Wein! da mir das Leben nur in roher Lust entschwand.

Mach so sinnlos mich und trunken, daß ich nimmer schaue klar,
Wer das Bilderfeld betreten, wer daraus geschieden war. d. h. wer vor meine Phantasie trat und wer daraus schied.

Daß die Hefe deines Glases mich beglücke, hoffe ich:
Deshalb bet' ich früh und abends auf der Schenkenbank für dich.

Des erstorbnen Herzens Seele lebte auf, jedoch erst dann,
Als ihr deines Hauches Düfte drangen ins Geruchsorgan.

Voll von Hochmut war der Frömmler, unheilvoll war seine Bahn:
Doch der Zecher kam in Demut in dem Haus des Heiles Das Paradies. an.

Alles bare Geld des Herzens gab ich hin und kaufte Wein:
Unecht war's; Der Dichter läßt hier vorsätzlich unentschieden, ob er das Geld oder das Herz meint. aus diesem Grunde schlug's verbotene Wege ein.

Gieb Hafisen keine Lehre; fand doch nie den wahren Pfad
Ein Verirrter, dessen Gaumen süßen Wein verkostet hat.

13. (Buchstabe Dâl 3.)

Auf den Tod seines Sohnes.

Eine Ros' hat Nachtigall zum Ziele ihrer Glut gemacht,
Neides Sturm mit hundert Dornen hat ihr trüben Mut gemacht.

Frohen Herzens hofft' ein Papagei an Zucker sich zu laben,
Eitel hat die Hoffnung plötzlich Unglückstromes Wut gemacht.

Augentrost war mir der Herzenssohn, ach ewig denk ich sein!
Er ist hin und hat mein Leben nun zur Thränenflut gemacht.

Treiber, halt! Herabgefallen ist mein Päckchen, hilf mir doch!
Hoffnung nur auf Hilf' hat mich zum Schützling deiner Hut gemacht. Hafis vergleicht den verstorbenen Sohn mit einem unterwegs verlorenen Reisegepäck. Unter dem »Treiber« versteht er einen teilnehmenden Freund, den er bittet, ihm den Schmerz tragen zu helfen: nur alsdann könne er dem Leichenzuge, der Karawane, folgen.

Mein bestäubtes Antlitz und die Thrän' im Auge schmähe nicht;
Paradieses Palast ward aus solchem Mörtelgut gemacht. Paradieses Palast steht ironisch: das Leben, welches der Himmel aus Staub (Trauer) und dem Naß der Augen (Thräne) zusammensetzt.

Weh und Ach, daß vor dem neid'schen Blicke jenes Himmelsmondes
Sich ins Grab mein Mondgesicht, das mir am Herzen ruht, gemacht!

Hafis, ach, den rechten Zug wörtl.: du hast zu spät roquiert; d. h. du hast die richtige Zeit versäumt, deinen Sohn heiraten zu lassen. Sonst hättest du jetzt Enkel hast du versäumt, nun ist's vorbei;
Was zu thun? Das Spiel des Lebens hat zu leicht dein Blut gemacht.

14 (Dal 41.)

Schön ist eine Rose nimmer ohne Freundeswangen;
Schön ist nimmer auch der Frühling, wenn nicht Becher klangen;

Schön ist keine grüne Wiese, keine Luft in Hainen,
Wenn nicht Liebchen dort mit Wangen, Tulpen gleich, erscheinen.

Schön sind rosengleiche Leiber, Lippen, zuckersüße,
Doch nur, wenn sie das Umarmen dulden und die Küsse;

Schön sind tanzende Cypressen und verzückte Rosen,
Doch nur wenn auf ihnen Sprosser tausendstimmig kosen;

Schön ist nimmer ein Gemälde vom Verstand gemalet,
Nur das Bild der Seelenfreundin ist's, was herrlich strahlet;

Schön zwar ist die Flur, die Rose und der Saft der Reben:
Aber schön sind sie wohl nimmer, weilt kein Freund daneben.

Da, Hafis, der Seele Münze keinen Wert errungen,
Ist's nicht schön sie zu benützen, gilt es Huldigungen. Da meine Seele eine nur unbedeutende Münze ist, so ist es nicht schicklich, sie dir als Huldigung vor die Füße zu streuen.

Rosenzweig.

15. (Dal 43.)

An Schâh Schadschâ.

Herr, das Weltrund im Bereich von deines Schlägels Schwere sei,
Und die Erde weit und breit die Rennbahn deiner Ehre sei!

Durch die ganze Erde dröhne und die ganze Welt durchdrang
Deines Edelmutes Ruf, der immer deine Wehre sei.

Das Gelock der Fürstin Sieg, es ist verwebt mit deiner Fahne,
Der Erobrung Liebesauge lächelnd deinem Heere sei.

Deine Majestät Utarids Der Planet Merkur; er ist für den Orientalen der Panegyrist des Himmels, der himmlische Schreiber, der den Verlauf irdischer und himmlischer Begebenheiten aufzeichnet Lied im Himmel laut verkündet,
Deines Divans Rat und Diener Gottes ew'ge Lehre sei.

Tubas Tuba und Sidreh: zwei Bäume im Paradies, in deren Schatten die Seligen ruhn. Neid und Scham erregt dein cypressenschlanker Wuchs,
Eifersucht des Paradieses dein Palast der hehre sei.

Nicht bloß Tiere, Pflanzen, Steine, nein die ganze Welt mit allem,
Was darin ist, unterworfen deinem Herrscherspeere sei.

Hafis, krank und schwach zwar, ward in Ehrlichkeit dein Lobverkünder;
Deine gnäd'ge Huld der Trank, der Heilung ihm gewähret, sei.

Nesselmann.

16. (Dal 66.)

Nicht immer ist des Ssofis Münze von allem Beisatz rein;
O wie verdient so manche Kutte des Feuers Raub zu sein!

Mein Ssofi, den die Morgenandacht berauschte, gleich dem Wein,
Wird, siehst du ihn zur Abendstunde, gar heiß im Kopfe sein.

Gut wär' es, träfe allenthalben man einen Prüfstein an,
Daß schwarz das Antlitz dessen würde, der eine Lüg' ersann.

Den zartgeflegten Weichling führet zum Freunde nicht sein Schritt:
Der Zecher nur versteht zu lieben, der viel erfuhr und litt.

Du trankst den Gram der niedern Erde, o trinke lieber Wein!
Wie schade, wenn das Herz des Weisen ein trübes sollte sein.

Malt so ein Bild der Flaum des Schenken hin auf des Wassers Flut,
O dann bemalen viele Wangen mit Wasser sich und Blut.

Beim Wirte läßt Hafis den Teppich so wie das Mönchsgewand,
Reicht jener mondesgleiche Schenke ihm Wein mit eigner Hand.

17. (Dal 82.)

Steigt des Weines lichte Sonne aus des Bechers Ost empor,
Bringt die Wangenflur des Schenken tausend Tulpen schnell hervor;

Und der West auf Rosenhäuptern träuft der Hyazinthe Haar,
Wenn der Wohlduft jenes Haares auf die Flur gekommen war.

Von des Himmels niedrem Tische hoffe nimmermehr, o Herz,
Einen Bissen zu erhaschen ohne hundertfachen Schmerz.

Klagen über Trennungsnächte haben einen eig'nen Ton:
Hundert Bücher nicht enthielten nur den kleinsten Teil davon.

Trägst, wie Noë du geduldig einer Sündflut Mißgeschick,
Weicht das Unglück, und es kehret hundertjähr'ge Lust zurück.

Zu des Wunsches Perle findet eigne Mühe nie die Bahn,
Und zu hoffen, dies gelänge ohne Beistand, ist ein Wahn.

Weht der Ostwind deiner Gnade an Hafisens Grab vorbei,
Tönt aus seines Körpers Staube hunderttausendmal Juchhei.

Rosenzweig.

18. (Dal 144.)

Niemals wird dein Bild aus meines Herzens tiefstem Grunde gehn;
Nie wird die Cypressenform aus meines Geistes Kunde gehn.
Nie aus dem Gehirn, dem wirren, wird das Bild mir deiner Wange
Trotz des Himmels Schlägen und trotz mancher Schicksalswunde gehn.
Seit Beginn der Welt schon band an deine Locken man mein Herz,
Ewig wird's von da nicht weichen, wird nicht aus dem Bunde gehn.
Alles, außer Liebeskummer, was in meinem Herzen ist,
Wird entweichen, jener wird daraus zu keiner Stunde gehn.

So hat deine Lieb' in Herz und Seele mir sich eingenistet,
Daß, fiel auch mein Kopf, sie nicht wird aus der Seele Grunde gehn.

Wenn mein Herz der Spur der Schönen folgt, so ist das zu verzeihn;
Krank ist's; soll's nicht nach dem Mittel, davon es gesunde, gehn?

Wer da wünschet, daß er nicht wie Hafis werde kopfverwirrt
Wird sein Herz nicht Schönen geben, nicht in ihre Runde gehn.

Nesselmann.

19. (Dâl 151.)

Wem man einen Becher reichet voll von klarem roten Wein,
In der heil'gen Engel Mitte räumt man einen Platz ihm ein.

Ssofi! schilt auf keinen Zecher; was der Sinn der Liebe war,
Wird am letzten aller Tage Trunkenbolden offenbar.

Schenke! Wein sollst du mir bringen, moschusduftend, rosenrot:
Hat doch mit vernünft'gen Leuten das Gesindel seine Not.

Es genießt des Lebens Freuden an dem heut'gen Tage nicht
Jener, dem man die Genüsse für den morgenden verspricht.

Meiden wird Hafis gar willig selbst des Paradieses Flur,
Giebt man ihm im Heiligtume deiner Lieb' ein Plätzchen nur.

Rosenzweig.

20. (Buchstabe Re 3.)

Joseph, der verlorne, kehrt nach Kanaan, verzage nicht!
Kummers Zelle wird noch einst ein Rosenplan, verzage nicht!

Sorgenvolles Herz, dein Zustand wird sich heitern, sei nicht bange,
Der verwirrte Kopf läßt ab von seinem Wahn, verzage nicht.

Wenn der Frühling wiederkehret auf den Thron der Gartenflur,
Nachtigall, neu wirst dem Rosenbusch du nahn, verzage nicht.

Sei nicht trostlos, wenn das Weltgeheimnis dir sich nicht enthüllt;
Vieles ist verhüllt, was keine Augen sahn, verzage nicht.

Wenn das Weltall auch zwei Tage nicht nach deinem Wunsch sich dreht,
Immer hat der Zeiten Kreis nicht gleiche Bahn, verzage nicht.

Wenn aus Sehnsucht nach der Ka'ba du den Wüstensand durchwanderst,
Und bereitet dir dann Wehe Dornes Zahn, verzage nicht.

Wenn die Fluten der Vernichtung deines Daseins Bau bedrohen,
Lenkt nur Noah in dem Strudel deinen Kahn, verzage nicht.

Droht Gefahr dir in der Herberg' und erspähst du nicht das Ziel:
Jede Reise kommt ans Ende ihrer Bahn, verzage nicht.

Unsre Trauer bei der Trennung von den Feinden, Freundes Mühen,
Alles kennt der Herr, der lenkt den Weltenplan, verzage nicht.

Hâfis, sieh, solang' in Armut und in nächt'ger Einsamkeit
Beim Gebet du weilst, beim Lesen des Koran, verzage nicht.

Nesselmann.

21. (Re 15.)

Schenke, bring' die Summe aller Jugendkraft,
Bring' mir ein paar Gläser reinen Rebensaft!

Bring' ein sichres Mittel gegen Liebespein,
Was den Greis und Jüngling heilen kann: den Wein!

Ist der Wein die Sonne, ist das Glas der Mond:
Bringe denn die Sonne, die im Monde thront!

Nur als Starrkopf handelt, wer da klug will sein:
Bring' für seinen Nacken einen Strick aus Wein!

Übergieß mit Wasser dies mein Feuer hier;
Feuer, das dem Wasser gleiche, d. h. Wein, der so hell und rein wie Wasser ist. bringe mir!

Glück der flücht'gen Rose auf die Wanderschaft!
Bring' wie Rosenwasser reinen Rebensaft!

Laß es dich nicht grämen, schwieg des Sprossers Sang;
Bring' der vollen Flasche lieblicheren Klang.

Traure nicht, wenn Tage mit dem Wind entflohn:
Bring' das Lied der Zither und des Barbiton!

Da mir nur im Schlafe ihre Liebe lacht,
Bringe denn ein Mittel, das mich schlafen macht!

Bin ich gleich schon trunken, drei, vier Gläser doch
Bringe, bis ich völlig wüst geworden, noch!

Bring' Hafisens Becher, einen oder zwei,
Ob's nun fromm gehandelt, oder Sünde sei!

Rosenzweig.

22. (Buchstabe Se 12.)

Komm, stoße meinen Nachen in den Strom von rotem Wein hinein!
Den Alten und den Jungen wirf ins Herz Gejauchz' und Schrei'n hinein!

Wirf mich, geliebter Schenke, in das Weinfaß! Was ist dran?
Es heißt: Das Gute thu und wirf's ins Meer wie einen Stein hinein. Hafis parodiert hier den Spruch: Thue Gutes und wirf es ins Meer; weiß es der Fisch nicht, so weiß es der Herr.

Vom Weinhaus kommend hab' ich auf dem Wege mich verirrt;
Lenk in den rechten Weg mich drum mit edlem Verzeihn hinein.

Bring' einen Becher von dem Wein, dem duft'gen rosenfarb'gen,
Die Funken schnöden Neides wirf ersäufend in den Wein hinein.

Bin ich auch trunken und verstört, erweise doch mir Huld;
Wirf einen Blick der Gnade in den wüsten Herzenschrein hinein.

Wenn's dich verlangt, um Mitternacht der Sonne Glanz zu schau'n,
Heb auf den Deckel, wirf den Blick in Weines Rosenschein hinein.

Gestatt' es nicht, daß wenn ich starb, sie mich mit Staub beschütten;
Trag' in das Weinhaus mich, wirf mich ins Faß mit Haut und Bein hinein.

Da, Hafis, so in Not geriet dein Herz durch Schicksals Härte,
So wirf auf den unholden Diw ein Glutgeschoß zur Pein hinein. Anspielung auf die Sage von den Flammen, welche die Engel auf die Dämone vom Himmel schleuderten, als diese ihre Gespräche belauschen wollten.

Nesselmann.

23. (Sin 1.)

O Morgenwind, wehst du von hinnen,
Verweile beim Araxesbord,
Und küß' den Staub der Thalessohle
Und atme Muschusdüfte dort!

Denn dort wohnt Selma, meine Liebe,
Die ganze Sehnsucht meiner Seele,
Umlärmt von Karawanenglocken
Und von den Treibern der Kamele.

Erst küsse grüßend ihre Sänfte,
Dann zärtlich bring' ihr diese Botschaft:
Mein Herz, vor Trennungsweh verglühend,
Fleht, daß sie Hülfe meiner Not schafft.

Mich, dem sonst Worte der Ermahnung
Stets nur wie Zitherklänge schwanden,
Zaust nun die Trennung bei den Ohren,
Und die Geduld kommt mir abhanden.

Durchschwärme furchtlos deine Nächte,
Denn in der Stadt der Liebe macht
Sich leicht Bekanntschaft mit den Wächtern
Der Liebe, wo sie selber wacht.

Die Liebe ist kein eitles Spielen,
Denn Herz und Kopf steht auf dem Spiele,
Und nicht allein mit heißem Drange
Gelangt das glüh'nde Herz zum Ziele.

Doch glüht ein Herz von wahrer Liebe,
Bringt selbst es sich zum Opfer gern,
Und nur ein Herz, das kalt und nüchtern,
Hält sich von jedem Opfer fern.

Sieh, während auf dem Zuckerrohre
Die Papageien sich fröhlich wiegen,
Wie schlagen hoffnungslos die Pfötchen
Sich übers Haupt die armen Fliegen!

O ließ an Hafis seine Liebe
Bald einen Liebesgruß ergehn,
Er könnte selbst von seinem König
Sich keine größre Gunst erflehn.

24. (Schin 7.)

Wie schön bist du, Schiras, mit deinen Auen!
Mög' immer segnend dir der Himmel blauen!

Nach Dschafarábad und Mosella bringen
Die Winde Ambraduft auf weichen Schwingen.

Heil sei dem Roknabad, deß klare Welle
Ward Chisers ew'ger Jugend Lebensquelle.

Komm nach Schiras! Des heil'gen Geistes Gaben
Sind bei den Söhnen dieser Stadt zu haben.

Hier lockt dich aller Zauber ird'schen Lebens,
Und ihm zu widerstehn suchst du vergebens.

Sprich, Zephyr, mir von jenem süßen Munde,
Der mich bethört, schickt er mir gute Kunde?

Will sich, mein Lieb, von meinem Blute nähren,
Wie Muttermilch werd ich es ihm gewähren.

O weck' mich nicht vom Schlummer, zu zerstören,
Mein schönes Traumbild, mag's mich auch bethören!

Warum, o Hafis, wenn dich Trennung peinigt,
Verstummest du, als Liebe euch vereinigt?

Bodenstedt.

Ghaselenfragmente (Mukathaat.).

1. (1.)

Auf die Welt und ihre Güte lege nicht zu großen Wert,
Weil noch keinem Menschensohne ihre Treue sie bewährt;

Keiner aß in dieser Bude stachellosen Honigseim,
Keiner trug aus diesem Garten dornenlose Datteln heim;

Und wo immer eine Fackel im Begriff zu leuchten stand,
Ward vom Wind sie ausgeblasen, wenn sie vollends erst gebrannt.

Wer mit unbedachtem Sinne seine Neigung ihr gewährt,
Hat, wenn du's genau betrachtest, seinen eignen Feind ernährt.

Ein Monarch, der, welterobernd, Sieg' auf Siege hat gehäuft,
Und von dessen Heldenschwerte häufig Menschenblut geträuft;

Der mit eines Angriffs Sturme einen Reiterschwarm durchbrach,
Und mit eines Wortes Spitze eines Heeres Herz durchstach;

Der die Oberhäupter alle grundlos in den Kerker stieß,
Und die Hälse ihrer Häupter schuldlos dann berauben ließ;

Er, durch den erschreckt die Löwin um die Frucht des Leibes kam,
Wenn sie in der weiten Wüste seinen Namen nur vernahm,

Machte ganz Schiras und Tauris und Irak sich unterthan:
Doch nachdem er sie erobert, brach auch seine Stunde an:

Jener nämlich, der im Glanze ihm die Welt erscheinen ließ,
War es, der mit einer Sonde ihm das helle Aug' durchstieß. Der König Schâh Manszûr ward von dem eigenen Sohne geblendet.

2. (10.)

Aus dem Buche edler Sitten les' ich einen Vers dir vor,
Und die Treue und die Großmut sind der Stoff, den ich erkor:

»Wer den Busen dir zerfleischet, mit erbarmungsloser Wut,
Den beschenke du mit Golde, wie der reiche Schacht es thut.

»Laß den Baum, den schattenreichen, edler als dich selbst nicht sein,
Und beschenke den mit Früchten, der nach dir geschnellt den Stein;

»Lerne endlich von der Muschel, was die wahre Milde sei,
Und beschenke den mit Perlen, der das Haupt dir schlägt entzwei.«

Rosenzweig.

3. (20.)

Meine Dichterkraft hat früh am Tage
Mich verlassen unter Weh und Klage.

Ach! umsonst, ein schmerzgebeugter Rufer,
Ruf' ich sie zurück zum Oxusufer.

Sie entfloh, daß sie zur Ferne wandre,
Die das Wort beherrscht, wie keine andre.

Und ich sah sie deutlich mir entschwinden,
Wie die Seele sich dem Leib entwinden.

Flieh nicht, beste Freundin meines Lebens!
Rief ich, doch mein Bitten war vergebens.

Zornig sprach sie: nur der Armut Nahrung
Beutst du mir für Himmelsoffenbarung.

Was nützt dir der Zauber des Gedichtes,
Hört's der Schah unfreundlichen Gesichtes! –

So entfloh die Königin der Lieder; –
Gieb ihr Nahrung, König, ruf sie wieder.

Bodenstedt.

4. (21.)

Des Schicksals tück'sche Wege sehen und hören nicht die Menschen,
Denn ihre Augen all sind blind und taub ist jedes Ohr.

Wie manchem ward am End' ein Bett aus Ziegeln schon und Lehm
Bereitet, welcher Sonn' und Mond zum Pfühle sich erkor!

Was kann ein Panzer nützen, wenn des Schicksals Pfeile fliegen?
Was hilft ein Schild, wenn Himmels Rat sich gegen dich verschwor?

Und baust von Eisen du und Erz die Mauern deiner Burg,
Kommt der Verfalltag, klopft der Tod doch hastig an das Thor.

Die Thür, die dir man öffnet, öffne nicht der Leidenschaft,
Und auf dem Weg, den man dir zeigt, geh' mit Gelüst nicht vor.

Schau auf des Schicksals Raub und die Natur der Zeit nimm wahr,
Der Lüste Teppich falte zu, zerreiß' der Wünsche Flor.

Nesselmann.

5. (25.)

Auf den Tod seines Sohnes.

An einem Freitag Morgen war's.
Am sechsten Tag des dritten Monds,
Als sich aus meinem Herzen stahl
Ein Antlitz heller als des Monds.

Im Jahre siebenhundert war's,
Und vierundsechzig nach der Flucht, der Hedschra. Hafis' Söhnchen starb im zarten Alter im J. 1362 n. Chr.
Als über mich wie eisige Flut
Das Unglück kam mit schwerer Wucht.

Was hilft's, daß nun vor Jammer wirr
Die Zunge lallt, das Auge weint,
Da zwecklos wie ein eitles Spiel,
Das ganze Leben mir erscheint.

Bodenstedt.

6. (33.)

Am Grabe seines Sohnes.

Der Lenz ist da: es blüht Narzisse, Tulp' und Rose:
Warum verweilst nur du noch in der Erde Schoße?
Der Frühlingswolke gleich, will ich so lange weinen,
Bis aus der Erde Schoß du wieder wirst erscheinen.

7. (40.)

Weh, wäre doch der Jugend Ehrenkleid
Verbrämet mit dem Saum der Ewigkeit!
O Weh, o Leid, o Schmerz, daß diesem Fluß
Das Lebenswasser so entrinnen muß!
Man reißt sich selbst von Nahverwandten los,
Weil es des Himmels Wille so beschloß;
Selbst Brüder scheiden. Traun, vereint zu sein,
Beschieden ist's den Farkadan dem Zwillingsgestirn. allein.

Rosenzweig.

Vierzeilige Gedichte. (Kubajjat.)

1. (1.)

Ich ernte nichts als steten Gram im Leben,
Kann in der Liebe nichts als Gram erstreben;
Mir ist kein Freund, der Gleiches mit mir fühlte,
Und kein Gespiele als der Gram gegeben.

2. (4.)

Ich hielt mich fest an seinen Sünbülhaaren duftig wie Narde.
Und bat ihn, Hilfe doch mir Trauerndem zu geben.
Er sprach: Nimm meinen Mund, laß meine Locken fahren,
Halt' an die Freude dich und nicht ans lange Leben.

Rosenzweig.

3. (10.)

Das Glück der Welt wägt eine Ungerechtigkeit nicht auf,
Und alle Lust des Daseins wägt ein ernstes Leid nicht auf.
Selbst siebentausend Jahre voll der höchsten Freud' und Wonne,
Sie wägen sieben kurze Tage Sorgenzeit nicht auf.

Nesselmann.

4. (12.)

Sieh, ich sterbe vor Verlangen nach Umarmung und nach Kuß,
Sieh, ich sterbe vor Begierde nach des saft'gen Munds Genuß;
Doch was spreche ich noch länger? Kurz und bündig will ich sein:
Komm' zurück, denn sieh, ich sterbe schon durch der Erwartung Pein!

5. (16.)

Du sprachst: »Dein will ich werden, steh' drum in Sorgen nicht,
Und freue dich; nur mache dir die Geduld zur Pflicht.«
Geduld und Herz, was sind sie? Das, was du nennst ein Herz,
Ist nur ein Tropfen Blutes und tausendfacher Schmerz.

6. (21.)

Der Paradies und Hölle teilet, der Knotenlöser, Gott,
Läßt meine Füße nimmer straucheln und wehret meiner Not,
Soll dieses Treiben frecher Wölfe noch länger fortbestehn?
Laß, Löwe Gottes, Der Löwe Gottes ist Ali, der von den Schiiten hochverehrte Schwiegersohn des Propheten. mich die Klauen, die sieggewohnten, sehn.

7. (29.)

Schon naht der Lebenswüste ein Strom, der mächtig schwillt.
Bald ist des Lebens Becher bis an den Rand gefüllt:
Sei auf der Hut, o Meister, denn aus des Lebens Haus
Schafft des Geschickes Träger schon das Gepäck hinaus.

8. (32.)

Es frommt am Rande eines Bechers zu weilen stets beim Wein,
Es frommt am fernsten Rande zu weilen der Trauer und der Pein;
Zehn kurze Tage, wie die Rose, währt unsre Lebenszeit:
Drum frommt's der Lippe stets zu lächeln, dem Antlitz frisch zu sein.

Rosenzweig.

9. (35).

Dem braven Mann nicht gut und treu sein ziemt sich nicht,
Auf Wüstenpfad ein Diw und Leu sein ziemt sich nicht,
Sinnlos erpicht auf Schwelgerei sein ziemt sich nicht,
Auf eignen Wert voll Prahlerei sein ziemt sich nicht.

10. (38.)

Wie darfst du wegen Sorgen gleich wie junger Wein aufbrausen?
Umsonst läßt man vorm Sorgenheer das Schwert zum Kampf aufsausen.
Wie Wiesen grün ist deine Lipp', halt' ihr das Glas nicht fern;
Schön ist's am grünen Uferrand den frischen Wein aufschmausen.

Nesselmann.

11. (44.)

Weswegen ist dein Haar voll Locken und voll Glanz?
Weswegen senkt in Schlaf dein trunknes Auge sich?
Es warf ja doch kein Mensch ein Rosenblatt auf dich:
Weswegen riechst du denn nach Rosenwasser ganz?

12. (48.)

Den edlen Herzen wert, dem Volke wohlbekannt,
Beredt, gemessener Art, dem Vollmondglanz verwandt,
Ist, der im Land Schiras in hohem Rufe steht,
Und holde Lieder singt, Hadschi Hafis Ahmed.

13. (52.)

Gar schmählich handelt, wer sich selbst erhebt,
Und nach dem Vorrang vor den andern strebt;
Nimm bei dem Augensterne Unterricht,
Auf alle blickt er, auf sich selber nicht.

Rosenzweig.

14. (54.)

Die ganze Welt von Pol zu Pol in einem Mörser reiben,
Neun Himmelssphären mit dem eignen Herzensblut bekleiben,
Und hundert Jahr gefangen hinter Schloß und Thoren bleiben,
Ist besser als nur kurze Zeit Genoß von Thoren bleiben.

Nesselmann.

15. (58.)

In eitlen Wünschen nur vergeude ich das Leben,
Was hat des Himmels Lauf mir Nützliches gegeben?
Und wen ich immer noch um Freundschaft hab' beschworen,
Der wurde mir zum Feind. O wär' ich nie geboren!

Rosenzweig.

16. (69.)

O Herr, da ja der Schöpfer deß, was beglückt, du bist,
Der Richter auch und Schlichter deß, was uns drückt, du bist,
Wie soll ich das Geheimnis des Herzens dir bekennen,
Da Kenner deß, was tief sich dem Aug' entrückt, du bist.

Nesselmann.

Zweizeilig gereimte Gedichte. (Mesnewiat.)

1. (4.)

Ein Hund ist höher als ein Mensch zu schätzen,
Der seiner Freunde Herzen kann verletzen.
Dies Wort verdient, daß man ihm Glauben schenke,
Auf daß sein Sinn sich in die Herzen senke.
Wenn du und andre sich gemütlich nähren,
Muß an der Schwelle nur der Hund entbehren.
Treu ist, o Jammer! nur der Hund zu nennen,
Indeß die Menschen nichts als Feindschaft kennen.

2. (6.)

Wer in die Welt, die wirre, hat seinen Fuß gesetzt,
Hinab in eine Grube muß steigen er zuletzt.
Die Welt ist eine Brücke, ins Jenseits läuft sie aus,
Ein Ort des Unbestandes, ein ödes, wüstes Haus.
Mißtraue dieser Brücke voll Schrecken und voll Graun;
Bereite dich zur Reise, hier ist kein Haus zu baun.
Dies Köschk von kurzer Dauer ist Diese vergängliche Welt. – wie der Weise spricht –
Ganz einer Wüste ähnlich, nur Schätze birgt es nicht.
Der Wahrheit Perle bohrten d. h. die Wahrheit sprachen. die Männer von Verstand,
Die dieses Wohngebäude ein Gasthaus nur genannt.
Zieh' weiter, denn man siedelt sich nicht im Gasthaus an;
Zieh' weiter, denn man weilet nicht auf der Erdenbahn.
Verlange nicht nach Gelde und Würden dieser Welt:
Die Würde ist ein Brunnen und Schlangen gleicht das Geld.
Ich nehme an, du stündest so hoch wie Behramgjur, Der Sohn Jesdedscherds, der Sage nach ein mächtiger persischer König. Vergl. bei Nisami »Heft-peikar«.
So fällst du doch am Ende ins Netz der Grube nur.
Bist du kein Blinder – sagt' ich – sieh auf die Grube hin,
Und handle immer – sagt' ich – mit vorsichtsvollem Sinn!
Entgehen konnte keiner noch diesem Aufenthalt, nämlich der Grube des Grabes.
War Bettler oder König, war jung er oder alt.
Der du vorbei einst wandelst an mir mit stolzem Sinn,
Hafis wünscht ein Gebetlein: so bete denn für ihn!

Rosenzweig.

Fünfzeilige Strophen. (Muchammes.)

Liebesklage.

So steht's um meine Liebe, Abgott mein,
Daß oft ich zweifle an dem eignen Sein;
Zwar bin ich schwach und meine Kraft ist klein,
Wollt tausend Seelen mir das Glück verleihn,
Ich wollte dir sie vor die Füße streun.

O werd' ich wohl das Glück noch je erreichen,
Daß ich vor einem Huldbild deinesgleichen
Enthüllen darf geheimes Liebeszeichen?
O daß ein Hochwild dir gleich möchte schleichen,
Mich herrlich ehrend, in mein Nest hinein.

Obgleich mit Tyrannei du treibest Scherz,
Thu' Böses nicht, du machst dir selber Schmerz.
Ist nicht dein Herz von Eisen oder Erz,
Vorüber geh an meinem Haupt, o Herz,
Laß mich den Staub auf deiner Schwelle sein.

Ich sprach: »Da du durch Stolz mich aufgerieben,
Mög' dir der Weg des Mitleids jetzt belieben,
Der Treue Schrift werd' in dein Herz geschrieben.«
Wunsch nach Verein'gung ist dir fern geblieben,
Mein Los kenn' ich, es wird mich nicht erfreun.

O du, durch den in Näh' und Ferne floß
Das Blut vom Türken und vom Persertroß,
Wenn dich mein kleines finstres Haus verdroß,
In deines treu'sten Dieners Prunkgeschoß
Setz' ich dich, in mein Auge klar und rein. d.h. halte dich wert, wie mein Auge.

Nichts will ich sonst von dir als Treu erharren,
Ich rieche nur der Treue Duft, den wahren,
Nur auf dem Sklavenpfade will ich fahren,
Und dein Geheimnis niemand offenbaren,
Vor niemand sprechen von dem Bilde dein.

Gesetzt, der Treu hätt' ich die Thür verwehrt,
Die Liebe nicht mit Liebe stets vermehrt –
Nichts ist geschehn von dem, was ich begehrt;
Als Freunde haben wir doch stets verkehrt:
Du brachst den Bund und treu blieb ich allein.

Raubst mit dem Schwert du mir des Lebens Schimmer,
Ich weiche von dem Platz der Treue nimmer,
Und hauen sie auch meinen Leib in Trümmer,
Ich streu nicht weg der Liebesperlen Flimmer,
Es werde denn zerstreuet mein Gebein.

Die, welche suchen treuer Liebe Spur,
Sie werden gehn zu meiner Grabesflur;
Wenn denn mein Staub in jemands Ahnung fuhr,
Nennt deinen Namen dann auch einer nur,
So hört man Seufzer unterm Leichenstein.

Und träten Schöne vor mich her in Massen,
Vor deren Glanz Kanopus müßt' erblassen,
Zu keinem andern würd' ich Lieb erfassen,
Verrückt wär ich, wollt je von dir ich lassen,
Würd' Persien und Arabien auch mein.

Aus Sehnsucht, mein Idol, ist ganz und gar
Mein Herz verwirrt und dunkel wie dein Haar,
Zu dir zu kommen ist versagt mir zwar,
Doch keine Nacht vergeht, daß Trostes bar
Ich nicht zum Himmel sende Schmerzensschrei'n.

Du, dessen Liebe ist der Quell der Freude
An ew'ger Heiterkeit dein Herz sich weide.
Was willst du, daß noch ferner Hafis leide?
Welch' Urteil über seinen Kopf entscheide,
Leicht ist's, sparst du mir der Verbannung Pein.

Nesselmann.


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