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Nachdem ich Dienstag, am 10. Mai 1631, meine Wochenpredigt gehalten, sie mit Gebet und dem gewöhnlichen Friedenswunsch geschlossen und mich nach Hause begeben hatte, brachten mir etliche Leute aus der Jakobipfarre die Nachricht, der Feind sei schon auf dem Walle und in der Stadt. Wir erschraken darüber heftig, wollten es auch anfangs nicht glauben; allein es war leider wirklich so. Ich ließ nun mein Haus und alles offenstehen und ging mit meiner Hausfrau und unserer Magd zu meinem Kollegen, dem Herrn Senior und Pfarrherrn zu St. Katharinen, Johann Malsius, wohin auch viele andere Leute gekommen waren. Wir trösteten einander, beteten zusammen, empfahlen unsere Seelen dem getreuen Gott, und erwarteten mit großer Furcht und Bangigkeit, was der Himmel über uns verhängen würde. Wieviel bittere und heiße Tränen, sonderlich von dem wehmütigen Frauenvolk, vergossen und wieviel Herzensseufzer ausgestoßen wurden, weiß der barmherzige Gott am allerbesten. Unterdessen schickte ein vornehmer Obrist von den Unsrigen, der sehr gefährlich verwundet war, aus dem »Gasthofe zum langen Hals« zu mir, daß ich ihn vor seinem nahen Ende tröste. Ich ließ mir meinen Chorrock holen, und weil die Magd vor Schrecken mein Barett vergessen, so lieh mir der Herr Senior das seinige. Darauf nahm ich Abschied von meiner Frau, befahl sie und alle andern dem getreuen Gott und sprach mit betrübtem Herzen:
»Nun, sehn wir uns in diesem Leben nicht wieder, so wollen wir doch im ewigen Leben mit Freuden einander Wiedersehen!«
Meine Frau rief unter vielen bittern Tränen:
»Ach, wollt ihr mich nun allhier allein lassen, so sei es Gott geklagt!«
Ich sprach sie zufrieden, bedeutete sie, daß ich den Pflichten meines Amtes mich nicht entziehen könne, ging hinweg und empfahl mich mit Leib und Seele dem Schutze des Höchsten. Auf dem Breitenwege liefen etliche Frauen und Jungfrauen auf mich zu und fragten, was sie tun sollten. Ich konnte ihnen keinen andern Rat geben, als im Gebete zu Gott ihre Zuflucht zu nehmen.
Im Gasthofe angelangt, fand ich den Verwundeten in der vordersten Stube auf der Erde liegend; er war äußerst schwach. Ich sprach ihm Trost zu, so gut ich in meiner damaligen Stimmung es vermochte. Er hörte mir aufmerksam zu, ließ mir durch seinen Diener einen Dukaten verehren, welcher jedoch nachher auf dem Tische liegen blieb, und bat mich freundlich, bis an sein Ende bei ihm zu bleiben und ihm ein ehrliches Begräbnis halten zu lassen. Ich würde dies getan haben, wenn ich allein geblieben wäre. Als aber der Feind das arme Volk auf dem Breitenwege wie eine Herde Vieh vor sich hertrieb und unter dasselbe schoß, kam meine Frau mit der Magd zu mir in die Stube. Sie zog mich mit Gewalt aus dem Zimmer, welches voller Gewehre hing, und vor dessen Fenstern die Feinde schon so heftig schossen, daß der Pulverdampf hineindrang, und wir gingen alle drei in das nach dem Hofe zu liegende hintere Gemach.
Kaum waren wir daselbst eingetreten, so erschienen auch die feindlichen Soldaten und schlugen mit Macht an die verriegelte Tür. Auf Befehl des Wirtes mußte sie geöffnet werden, und die Feinde drangen nun mit Ungestüm zu uns herein. Sie verlangten sogleich Geld. Ich hatte ein Schächtelchen, worin sich ungefähr 6 oder 7 Taler befanden, bei mir und gab es dem einen, weil aber kein Gold dabei war, verlangte er, daß ich ihm solches schaffe. Er ließ indessen meine Entschuldigung gelten, nahm das Silbergeld und ging davon. Unterdessen wurde in der Stube und Kammer alles aufgeschlagen und fortgeschleppt. Unter den eingedrungenen Soldaten war ein feiner, mitleidiger junger Mensch, den meine Frau mit Tränen und um Gotteswillen bat, uns zu schützen; er antwortete ihr aber: »Liebe junge Frau, das können wir nicht tun, wir müssen noch unsern Feind verfolgen.« Mit diesen Worten entfernte er sich. Die erste Angst war also glücklich überstanden, und wir glaubten, daß nun alles vorbei und abgetan sei.
Aber bald kam eine neue Rotte, verlangte gleichfalls Geld von uns, ließ sich indes mit 2 Talern und 2 silbernen Löffeln, welche unsere Magd zu Hause eingesteckt hatte, abfinden und ging davon, ohne sonst etwas Feindseliges gegen uns zu verüben. Bald darauf erschien ein anderer Trupp, darunter einer, der wie der lebendige Teufel aussah, zwei Musketen trug, in jede Backe eine Kugel gesteckt hatte, mich mit grimmigem Gesichte anblickte und mir zuschrie: »Pfaff, gib Geld!« Meine Entschuldigung, daß ich nichts mehr bei mir habe, auch nicht in dieses Haus gehöre, fand ein taubes Ohr. Er richtete vielmehr die eine Muskete auf mich, blies seine Lunte an und drückte los. Meine Frau aber, sich ermannend, schlug ihm das Gewehr in die Höhe, so daß die Kugel über meinen Kopf weg in die Wand fuhr, und hielt ihn bei den Armen fest, daß er sich nicht regen konnte. Da kein Geld zu erlangen war, so forderte er Silberzeug. Zum Glück erinnerte sich meine Frau der silbernen Haken an ihrem Brustleibchen, schnitt diese ab und reichte sie ihm hin. Er stand vor ihr, sah ihr zu, rührte sie aber mit keinem Finger an. Ein anderer wollte auch Geld von mir haben, ich griff in die Tasche, fand noch 3 alte böhmische Groschen darin, legte sie ihm auf den Tisch und versicherte, daß ich nichts weiter habe. Er strich sie ein und ging davon. Endlich kamen noch 4 oder 5 Soldaten mit Spießen. Als sie mich in meinem priesterlichen Gewande stehn sahen und hörten, was mich hergeführt, verlangten sie nichts von uns und entfernten sich mit den Worten: »Wir wollen doch sehn, ob du Pfaff wirst Wort halten.«
Da wir jetzt weder Geld noch Geldeswert mehr hatten, auch zu befürchten stand, daß die Plackereien kein Ende nehmen möchten, so verließen wir die Stube und flüchteten zwei Treppen hoch auf den obersten Boden in eine Kammer, hier brachten wir eine Zeitlang in großer Sorge und Todesangst zu und hörten von der Straße herauf ein gräßliches Trommelwirbeln, Schreien und Pferdegetrappel.
Unter uns im Hause ward alles gewaltsam mit Äxten aufgehauen in solcher Wut und mit solchem Grimm, daß einem die Haare zu Berge standen und das Herz zitterte und bebte. Unser bester Trost, nächst Gott, war noch der, daß wir lauter Deutsche reden hörten; inzwischen baten wir den Himmel, doch einen Obristen in das Haus führen zu wollen; denn wir hofften, mit einem solchen leichter fertig zu werden, als mit den gemeinen Soldaten. Allein wir mußten uns in Geduld fassen.
Nachdem endlich unten und auf dem mittleren Boden alles aufgeschlagen war, kamen die Plünderer auch zu uns. Wir traten dicht an die Treppe, um sogleich von ihnen gesehn zu werden. Unter der ersten Rotte war einer, der eine große spitzige Keilhaue trug und mir damit einen Hieb über den Kopf versetzen wollte. Sein Kamerad aber wehrte ihm und sprach: »Was willst du machen? Du siehst ja, daß es ein Prediger ist.« Da ließ er's und ging davon. Bald folgten andere; einem derselben mußte meine Frau den Flor geben, welchen sie noch um den Hals trug, obgleich unsere Magd ihn dringend bat, ihr doch selbigen zu lassen. Endlich kam ein toller Eisenfresser mit einem blanken Stechdegen die Treppe hinauf, hieb mich damit sogleich über Kopf und Stirn und sagte: »Pfaff, gib Geld!« Da das Blut stark aus der Wunde drang, auf meinen weißen Priesterkragen und den Chorrock herabfloß und meine Frau deswegen sehr jammerte, so setzte der Wüterich ihr den Degen auf den Leib, daß ich nicht anders dachte, als er würde sie damit durchbohren. Allein unwillkürlich zuckte sein Arm, und der Stich fuhr blos durch ihr Gewand. Weil mein großer Blutverlust und unsere Geduld aber den Menschen doch etwas zu rühren schienen, so sprach ich zu ihm: »Ach, lasset doch mit euch reden; ich gehöre garnicht ist dieses Haus, sondern ich bin nur hierher gefordert, den verwundeten Herrn da unten, den ihr wohl werdet gesehen haben, zu trösten. Kommt mit zu uns, wir wollen euch geben, was wir noch haben.« »Nun so komm, Pfaff!« war seine Antwort, »gib mir dein Geld, ich will dir's Wort sagen; Jesus Maria! ist das Wort; wenn du das sagst, tut dir Soldat nichts mehr.« Denn er konnte nicht recht Deutsch. Darauf faßte ihn meine Frau fest bei dem Mantel, und so wandelten wir die Treppen hinunter in den Hof, vermeinend, nun wohl gefischt zu haben.
Auf dem Breitenwege sahen wir viele Tausende von Menschen, auch lagen dort überall tote Körper umher. Unweit der Katharinenkirche hielt ein Obrister auf einem braunen Pferde. Er ward uns gewahr und sagte zu unserm Führer: »Kerl, Kerl, mach's so mit den Leuten, daß es zu verantworten ist.« Dann zu meiner Frau sich wendend, fragte er: »Ist dies euer Haus?« Er zeigte auf ein solches hin. Als sie es verneinte, sprach er: »Nun fasset an meinen Steigbügel, nehmet euern Herrn bei der Hand und führet mich in euer Haus; ihr sollt Quartier haben.« Zu mir sagte er mit etwas leiserer Stimme und mit der Hand winkend: »Ihr Herren, ihr Herren, ihr hättet es auch wohl anders machen können.« Ich wußte aber nicht, wie das gemeint war. Unser Soldat hatte sich inzwischen davon gemacht; wir konnten nun auch seiner füglich entbehren, aber er hat mir ein Andenken zurückgelassen, das ich Zeit meines Lebens werde aufzuweisen haben. Als wir an unser Haus kamen, trat eben ein Plünderer heraus und ging mit 3 schönen Röcken meiner Frau davon. Unser Obrist ritt vor die Tür, wies alle, die noch darin waren, fort und sprach dann zu uns: »Es soll euch nun,« setzte er hinzu, »kein Leid mehr widerfahren; ich will mein Quartier bei euch haben; räumt im Hause fein wieder auf.« Er stellte auch sofort zwei von seinen Leibschützen als Wachen vor die Tür und ritt davon mit dem Versprechen, bald zurückzukommen, um zu sehen, was wir machten. Mittlerweile kamen viele Soldaten und wollten in das Haus; unsere Wächter aber wiesen sie alle mit dem Bedeuten zurück, der Obristwachtmeister und Hauptmann vom Savellischen Regiment habe sein Quartier darinnen und sie dürften niemand einlassen. Einige murrten laut darüber und sagten: ob das recht wäre, Tilly hätte gesagt: drei Tage plündern, rauben, totmachen. – Allein sie mußten draußen bleiben, erhielten einmal zu trinken, und gingen weiter. Unsern Beschützern taten wir gütlich, so viel wir konnten, und dankten Gott von Herzen, daß er uns diesen Obristen als einen rettenden Engel zugesandt. Um die Ersteren für den Verlust der Beute zu entschädigen, welche sie hätten machen können, gaben wir einem jeden zwei Goldstücke. Sie waren damit so wohl zufrieden, daß sie uns sagten, wenn wir etwa noch einen guten Freund hätten, so möchten wir denselben nur holen lassen, denn mit uns habe es keine Not weiter. Wir schickten darauf unsere Magd in Begleitung des einen Leibschützen nach der Katharinenkirche, wo sich der Magister Gravius versteckt hatte; aber er war dort weder zu hören noch zu sehn, und so kehrten denn beide unverrichteter Sache zu uns zurück.
Bald darauf kam unser Obrist vor das Haus geritten, fragte, ob wir auch noch guten Frieden hätten und hieß uns, als wir ihm bejahend antworteten, guten Muts sein. Er entfernte sich sodann wieder, um zu sehn, ob nicht Anstalten getroffen werden könnten, das Feuer etwas zu dämpfen. Kaum aber war er die Gasse hinaus und auf den Breitenweg gekommen, als er zurücksprengte und sagte: »Frau, nehmet mein Pferd beim Zügel und euern Mann bei der Hand, und führet mich zur Stadt hinaus, oder wir müssen alle verbrennen.« Denn das Feuer nahm gewaltig überhand; schon brannte das große und schöne Haus des Herrn Bürgermeisters Georg Schmidt lichterloh, und hinter unserer Kirche auf dem Breitenwege sahen wir einen großen schwarzen Rauch emporsteigen.
Wir warfen nun alles noch vorhandene – auch meinen schönen warmen Schlafpelz, den ich hinterher schmerzlich vermißte, und meine teure Hausbibel – in den Keller, machten denselben zu und beschütteten die Tür mit Erde. Meine Frau nahm einen Chorrock von mir über die Achsel, unsere Magd das vor dem Hause stehende Kind unseres Nachbars, welches sonst im Feuer umgekommen sein würde, auf den Arm; und so wanderten wir davon. Weil alle Tore schon in vollen Flammen standen, gingen wir dem Fischerufer zu, meine Frau hielt des Obristen Pferd am Zügel gefaßt. Unterwegs sahen wir wider mein Erwarten schon das St. Petri- und St. Johannis-Kirchspiel lichterloh brennen und mußten uns durch viele tausend Soldaten und eine Menge von toten Körpern hindurcharbeiten. Die Kroaten und anderes Gesindel wollten immer auf mich schießen, hauen und stechen, so daß unser Obrist genug zu tun hatte, uns zu schützen. Seine Diener umgaben uns, und so kamen wir endlich durch bis zu der hohen Schanze, wo die Feinde mit den Sturmleitern angelaufen waren, hier mußten wir, obgleich einem davor hätte schwindeln mögen, den Wall hinunter. Unterwegs sahen wir zwar einige Bekannte, konnten aber nicht mit ihnen sprechen, denn die Zeit drängte. Als wir durch das Lager gingen, hatten wir viel Lästerung, Hohn und Spott von den Soldaten anzuhören, verschmerzten es aber.
Nachdem wir ein wenig aus dem Gewirre und also aus dem Tode wieder einigermaßen ins Leben gekommen, sprach der Obrist: »Frau, ich habe euch und eurem Herrn das Leben gerettet, was könnt ihr mir nun geben?« Wir antworteten, unser Gold und Silber sei von uns versteckt, hoffentlich werde man es so leicht nicht finden, er solle alles haben. Damit war er zufrieden. Etwas weiter hinaus trafen wir etliche Offiziere, die uns arme Gefangene anblickten und von denen einer zu mir sagte: »Ich habe Mitleiden mit dir, denn auch ich bin der Augsburgischen Konfession zugetan«. Aus Furcht aber durfte ich ihm nicht antworten.
Jetzt war das Zelt des Obristen vor dem Rotensee'schen Holze erreicht, und wir wurden mit einem Becher Wein erquickt. Gegen Abend traf der Koch unseres Retters auch mit dem Dr. Olvenstedt ein; letzterer war aber so übel zugerichtet, daß wir ihn nur an der Sprache erkannten. Ich tröstete ihn, als in der Nacht seine Schwäche so zunahm, daß sie sein Ende befürchten ließ; allein er erholte sich wieder und erwies mir den gleichen Liebesdienst, als ich tags daraus erkrankte.
Am späten Abend mußten wir bei unserm Obersten speisen. Es ging wohl alles prächtig zu, aber uns schmeckte weder Essen noch Trinken. »Frau,« sprach unser Wirt, »warum wollt ihr nichts genießen?« Sie antwortete: »Herr Oberst, wenn der Herr nur eine Viertelstunde an meiner Stelle wäre, die Eßlust sollte ihm wohl vergehen.« Über Tische bat ich den Feldpater auf lateinisch, eine Fürbitte für mich einzulegen. Der junge unwissende Mensch aber, der vom Latein wenig verstand, gab mir ein bloßes » diam« zur Antwort und machte sich davon. Nach aufgehobener Tafel, bei welcher zu meinem Befremden kein Mensch gebetet hatte, verabschiedeten wir uns und mußten mit einem Nachtlager in der Hütte des Kochs vorlieb nehmen. Der ehrliche Mann legte sich, in seinen Mantel gehüllt und den bloßen Degen im Arm, vor uns, die übrigen Diener lagerten sich um uns her und bildeten so unsere Schutzwache.
Den folgenden Morgen schickte der Obrist etliche von seinen Leuten mit unserer Magd in die Stadt, um unser Lösegeld abholen zu lassen; sie kamen aber unverrichteter Sache zurück, weil der Keller noch voll Feuer und an kein Hinuntergehn in denselben zu denken gewesen sei. Inzwischen tat meine Frau unserm Obristen, wo sie ihn nur antraf, manche Predigt und hielt ihm das Gesetz und Evangelium vor; ich habe es oft mit meinen Augen gesehn, wie er ihr so fleißig zugehört. Einmal sagte er: »Frau, wenn euer Herr nicht mehr predigen kann, so seid ihr gut dazu!« Und ein andermal: »Frau, ich glaube, ihr könnt zaubern; hat mich doch kein Mensch mein Lebtage so betört, als ihr.« Auf solche Äußerungen ward ihm allezeit mit Bescheidenheit geantwortet.
Am nächsten Abend fiel kaltes Regenwetter ein, weshalb wir bei guter Zeit in unsere Hütte krochen. Gegen die Nacht kam ein Spanier, der uns viel Leid antat, und riß unsere Magd mit Gewalt hinweg. Als er aber mit ihr an das Zelt des Obristen kam, erhob sie ein solches Geschrei, daß dieser heraustrat und jener sie wieder loslassen mußte, nachdem er ihr eine tüchtige Maulschelle gegeben. Da der Obrist wohl denken konnte, daß wir über den Vorfall möchten erschrocken sein, so ließ er uns wieder zur Tafel fordern, denn er pflegte sehr spät zu essen. Als wir ins Zelt kamen, fragte er meine Frau sogleich, wie es gehe. »O Herr Oberster,« war ihre Antwort, »es geht, daß es Gott im Himmel erbarmen möchte.« Er sprach uns zufrieden, und wir setzten uns. Schon über Tische bekam ich ein Frösteln. Nachdem wir aufgestanden waren, wärmte ich mich ein wenig in der Küche, und von da gingen wir wieder in die Hütte, wo mich ein so furchtbares Fieber ergriff, daß ich von mir selbst nichts wußte und meine Frau so wie der Dr. Olvenstedt wähnten, es gehe mit mir zum Sterben. Am folgenden Tage gegen Mittag besserte sich mein Zustand ein wenig. Auf die Nachricht von meiner Erkrankung soll der Obrist geäußert haben: wenn nur der Pfaff stürbe so wolle er das Weib zu sich nehmen, er habe sein Lebtage kein so beredtes Weib gesehn. Ein andermal hatte er zu meiner Frau gesagt, man werde mich nach Prag schicken, sie aber hier behalten; worauf sie ihm aber unumwunden erklärt, sich so etwas nur nicht einzubilden; keine Viertelstunde werde sie lebendig allein bei ihm bleiben. Ich selbst hatte aus der am vorigen Abend französisch geführten Tischunterhaltung so viel verstanden, daß ich des nächsten Tags zu Tilly nach Magdeburg sollte geschickt werden, vielleicht würde dies geschehen sein, wenn ich nicht erkrankt wäre und, wie ich glaube, unser Obrist für uns gebeten hätte.
Endlich brachte die Magd unser Lösegeld. Meine Frau behändigte es unserem Retter, der alles auf den Tisch schüttete; es war mancher schöne alte Taler darunter, den ich selbst lange Zeit nicht gesehen hatte. Er gab meiner Frau ihre neuen silbernen Haken und einen Taler Zehrgeld zurück. Alles übrige, Geld und silberne Becher, behielt er. So sauer es uns auch geworden war, solches ehrlich zu erwerben, so gönnten wir es ihm doch gern, weil er als wackerer Beschützer an uns gehandelt hatte. Meine Frau hatte nun aber keine Ruhe mehr; obgleich er verlangte, wir möchten wenigstens noch diesen Tag bleiben, sie an meinen leidenden Zustand erinnerte, und ihr riet, mich vor der Abreise erst noch etwas zu pflegen, so wollte sie doch auf kein Zureden hören. Sie erklärte, sie könne und möge nicht länger bleiben. Mit seiner Wartung sei ihr nicht mehr gedient, sie wolle mich auf den Rücken nehmen und tragen, so weit sie vermöge, sie begehre hinweg, um mich nur auf Stroh betten und besser pflegen zu können, als es ihr in unserer gegenwärtigen Lage möglich sei. Hierauf ließ er uns denn einen Paß ausfertigen, welchen er mit seinem Namen unterzeichnete. Auch gab er meiner Frau einen Diener mit, um sich nach einem Fuhrwerke umzusehen, da er uns kein solches schaffen könne. Durch Vermittlung eines edlen Offiziers, des Hauptmanns v. Potthausen, erhielten wir einen Magen, der uns – meine Frau und mich, denn unsere Magd blieb auf ihren Wunsch zurück – meinen Schwiegervater, Andreas Betzel, samt dessen Frau und Kindern nach Olvenstedt brachte, wo wir von dem lutherischen Feldprediger des Holkischen Regiments, Herrn Jacob Schwanenberg, aufs liebreichste empfangen wurden. Dieser würdige Mann erzeigte uns und vielen anderen Magdeburgern, besonders aber mir, der ich noch sehr leidend war, viele und große Wohltaten.
Am folgenden Sonnabend (14. Mai) ließ uns der Herr von Potthausen sicher nach Gardelegen schaffen, wo nicht allein ein anderer Offizier des Holkischen Regiments, der Obristleutnant von Bellin, sondern auch unsere dortigen Freunde sich unserer aufs tätigste annahmen. Von da gingen wir nach Salzwedel und gelangten endlich, nach vielem ausgestandenen Ungemach, glücklich in Hamburg an. Hier erhielt ich vom Rat und der ganzen Gemeinde zu Rendsburg in Holstein die Einladung, auf ihre Kosten dorthin zu kommen und eine Predigt zu halten. Dies tat ich am 5. Sonntage nach Trinitatis (10. Juli), worauf man mir sogleich die erledigte Diakonusstelle übertrug. Am 20. Juli bezog ich mit meiner Frau meine neue Amtswohnung, vier Tage später hielt ich meine Antrittspredigt.
Der allerhöchste Gott lasse mein Wirken hierselbst ein gesegnetes sein!